„Männlicher Patient, Anfang siebzig. Schusswunde durch das Abdomen, starker Blutverlust. Mögliche Beschädigung der Wirbelsäule…“ Spult der Rettungsassistent sein Programm ab, während ich mir den Patienten und die Vitalwerte anschaue und eine Schwester auf die stark blutende Wunde drückt. Es ist Anfang des Jahres und draußen liegt noch der letzte Schnee in Boston. Ich höre mir die weiteren Ausführungen genau an und merke mir alles für diesen ungewöhnlichen Fall. Schusswunden haben wir sehr selten hierbei uns. Die Schwestern und Pfleger neben mir arbeiten so schnell, wie es geht und auch ich versuche alles so zu regeln, dass der Patient noch irgendeine Chance auf ein Leben hat. Denn diese Chance ist bei diesem Patienten leider sehr gering. „Bringt ihn in den Schockraum. Wir operieren sofort!“ ordne ich an. „Sie schaffen das! Halten Sie durch!“ flüstere ich dem Patienten zu, der auf der Weiche zwischen Leben und Tod steht… Sieben Stunden später verlasse ich den OP und bin stolz auf das, was wir geschafft haben.
…7 Monate später…
Die Tropfen des Regens klirren an die Scheibe des kleinen Polizeibüros in dem ich sitze. Sie laufen in Schlieren diese herunter und sammeln sich vermutlich auf der Fensterbank. Der Oktober dieses Jahrs war untypisch für New York, relativ regnerisch, aber dennoch auch warm. „Wie lautet ihr Name?“ fragt erneut die ungeduldige, tiefe Stimme des Polizeibeamten mich. Schon sehr unruhig beginnt er mit dem Bein zu wippen. Es scheint ihn zu nerven, dass ich mit so etwas Trivialem in die Wache komme. „Sie kennen meinen Namen doch schon?!“ antworte ich ihm etwas gereizt, doch vor allem verzweifelt und dennoch ist meine Stimme nicht mehr als ein Flüstern. „Alice Lindström“ antworte ich dann etwas lauter und versuche mir wieder Mut zu machen. „Sie sind jetzt schon zum vierten Mal hier auf der Wache, Miss Lindström.“ Stellt der Polizist fest, fast schon gelangweilt legt er den Stift auf den Tisch und betrachtet mich mit seinen müden Augen. „Sie sagen jedes Mal, dass Sie das Gefühl hätten sie würden verfolgt werden“ paraphrasiert er das, was ich jetzt schon mehrere Male auf der Wache erzählt hatte, doch ernst genommen hatte mich Percy Smith, so heißt der genervte Polizist, noch nicht. „Ich habe nicht nur das Gefühl! Ich bin mir sicher. Mal ist es ein Auto und wenn ich in der Stadt bin, ein Schatten.“ Ich verzweifle an der ruhigen und gelangweilten Art des Mitte vierzig Jährigen Mannes, der sich in seinem Stuhl zurücklehnt und sich meinem Problem nicht anzunehmen scheint. „Miss Lindström, Sie müssen verstehen, dass wir hier sehr viel Arbeit haben und nicht jeder Kleinigkeit nachgehen können, die zum Teil nur ‚Gefühle‘ sind!“ antwortet er gleichermaßen ruhig und provokativ. Jedes Mal wenn ich hierherkam, gerate ich immer an ihn, der meine Aussagen einfach abschmettert und nicht annimmt. Ich atme tief ein. „Sie können mir also wieder nicht weiterhelfen?“ frage ich ihn sauer, bin aber innerlich mehr als frustriert. „Nein, Miss. Vielleicht besuchen Sie einmal einen Psychiater und lassen sich durchchecken.“ Ich bin mir nicht sicher, ob er es vollkommen ernst meint oder sich nun beginnt über mich lustig zu machen. „Vielen Dank für Ihre Zeit.“ Sage ich nur noch kurz und abgehackt, auch wenn ich nicht dankbar bin für seine Untätigkeit.
Ich habe dir Türen der Polizeiwache schnell hinter mir gelassen und trete auf die gut gefüllte Straße der Innenstadt. Es hat zum Glück aufgehört zu regnen und ich lasse meinen Regenschirm in meiner Handtasche. Doch auch wenn ich das Gebäude hinter mir gelassen habe ärgere ich mich immer noch über die Worte des Polizisten. Ich habe mir zum Teil in den letzten Monaten selbst nicht mehr geglaubt, beziehungsweise glauben wollen, aber seit geraumer Zeit werde ich verfolgt. Auch jetzt gerade fühle ich mich wieder beobachtet, unwissend aus welcher Richtung mich die Blicke durchbohren. Ich war bereits Mitte des Jahres von Bosten nach New York gezogen, da ich auch schon dort das Gefühl hatte nie alleine zu sein. Bei dem Gedanken läuft es mir wieder kalt den Rücken herunter und ich beschleunige meine Schritte automatisch. Ich hatte mir damals überlegt, wie es weitergehen soll, denn sicher hatte ich mich in meiner Wohnung auch nicht mehr gefühlt. Als Ärztin, so sagten mir alle aus meinem Umfeld, könnte ich überall arbeiten. Und tatsächlich war es nicht schwer einen Job zu bekommen und hier in New York gutes Geld zu verdienen. Doch auch hier in dieser neuen Stadt fühle ich mich verfolgt und von der Polizei genauso wenig unterstützt, wie in Bosten. Auch dort hatte man mich nach dem dritten Besuch mehr oder weniger für verrückt erklärt. Ich laufe die Treppe herunter zur U-Bahn und steige in den bereits überfüllten Zug. Es gab zwei Orte an denen ich mich relativ sicher fühle. Der eine ist das Krankenhaus und dort vor allem der Operationssaal und der andere sind alle Orte mit sehr vielen Menschen. Mich in Sicherheit wiegend stelle ich mich neben eine Frau, die nur schwer mit ihrem Kinderwagen einen Platz in der prall gefüllten und müffelnden Bahn gefunden hat. Das Baby scheint auch in diesem Chaos noch schlafen zu können. Die Unbekümmertheit würde ich gerne haben überlege ich und werfe der müden Mutter ein Lächeln zu, welches sie erwidert. Bei dem Halt an der nächsten Station wird es unruhig in der Bahn und es wird geschubst und gedrängelt von einigen Passagieren. Ein Mann rempelt dann die junge Mutter an, die dadurch fast auf ihr Kind fällt hätte ich sie nicht gerade noch am Arm gehalten hätte. „Mr. passen Sie doch bitte ein bisschen besser auf“ mischt sich eine ältere Dame ein, die das Ganze beobachtet hatte. Der große, breite Mann dreht sich bedrohlich zu dieser um und sein Blick streift kurz meine Augen. Angsteinflößend wäre wohl noch untertrieben für den Blick den er der Dame zuwirft. Die Augen sind von pechschwarzen Wimpern umrahmt und die Augenbraun stehen ihnen in nichts nach. Er trägt einen kurzen Bart, der ihn wie ein Schwerverbrecher wirken lässt. Und als dann auch noch seine Stimme ertönt läuft mir und sicher noch einigen anderen ein eiskalter Schauer über den Rücken. „Haben Sie irgendein Problem. Es ist doch nichts passiert“ kommt es ihm aggressiv über die Lippen und seine böse glitzernden Augen stoppen kurz bei mir. Bevor er sich dann weiter einen Weg durch die Massen bahnt. „Das ist doch unglaublich…“ beschwert sich die ältliche Dame und wendet sich wieder ihrer Zeitung zu. „Ist alles in Ordnung mit Ihnen“ frage ich die junge Mutter mir gegenüber. „Ja, ja… vielen Dank“ sie ist noch immer dabei das Baby zu beruhigen, welches wohl durch den Ruck aus dem Schlaf gerissen wurde. Die restliche Fahrt verläuft ruhig. Der große, bedrohliche Mann war zwei Stationen später ausgestiegen, aber nicht ohne mir noch einmal einen bösen Blick zuzuwerfen. Ich verabschiede mich von der jungen Frau und steige an der Station, die am nächsten zu meinem Krankenhaus liegt, aus, um zu meinem Nachtdienst anzutreten.
Der Dienst verläuft zum Glück ruhig und ich kann nach der Übergabe direkt nach Hause. Meine Wohnung liegt nur wenige Straßen weiter. Also entscheide ich mich zu laufen. Und schon wieder schlägt mein Kopf Alarm, dass mich irgendwer beobachtet. Ich versuche ruhig zu bleiben und laufe weiter die Querstraße entlang, die von kaum einer Person genutzt wird. Es ist mir unheimlich. Die Ruhe hier in der Straße macht mir noch mehr Angst, als der Times Square der eigentlich immer gut und auch meist von eigenartigen Menschen besucht wird. Ich schrecke hoch, als neben mir der Deckel einer Mülltonne klirrend zu Boden fällt und erst als ich die Katze sehe, die sich wohl selbst davor erschreckt hat, beginne ich mich wieder zu beruhigen. So kann es einfach nicht weitergehen! Als ich dann endlich in meiner Wohnung ankomme klingelt direkt mein Telefon und ich beeile mich dem unaufhörlichen klirren ein Ende zu bereiten. „Hallo hier ist Alice Lindström.“ Melde ich mich, als ich die Nummer auf dem Display nicht zuordnen kann. „Hey, Süße. Ich bin es Lara! Wie geht es dir?“ höre ich die fröhliche und immer gut gelaunte Stimme meiner Freundin. „Soll ich dir darauf ehrlich antworten?“ frage ich sie nur niedergeschlagen und lasse mich auf meine Couch sinken. „Sag schon, was ist los?“ fordert sie mich direkt besorgt auf. „Lara, es kann nicht so weitergehen. Ich glaube ich werde verrückt. Ich fühle mich ständig verfolgt… habe immer das Gefühl beobachtet zu werden. Ich habe Angst!“ entkommt es mir und bei den Worten läuft mir selbst ein Schauer über den Rücken. „Hast du immer noch das Gefühl, dass es der Typ aus Boston ist?“ fragt mich Lara direkt. Ich hatte einmal gedacht ich konnte die Blicke einem Mann zuordnen, doch sicher war ich mir dabei nie gewesen. Aber Lara hatte mich darauf festgenagelt! „Ich bin mir nicht sicher, aber es ist das gleiche Gefühl, wie damals.“ Ich bin den Tränen nahe, so verzweifelt bin ich. „Liz wir kriegen das hin, hörst du!“ so nannten mich viele meiner Freunde, doch Lara hatte damals damit angefangen. „Ich habe eine Idee. Du ziehst um zu uns!“ beschließt meine beste Freundin dann auf einmal. „Du kommst zu uns nach Venezuela! Ich werde Marc Bescheid geben! Du kannst bei uns wohnen und erstmal wieder entspannen!“ fährt sie fort und lässt sich selbst kaum Zeit zum Atmen. „Bist du verrückt! Ich kann doch nicht einfach nach Venezuela umziehen und ich glaube nicht, dass dein Freund damit einverstanden ist, dass ich mich bei euch einquartiere.“ Kontere ich sie, aber wie ich kurz später feststelle ohne Erfolg. „Ich wollte dir genau das heute erzählen…“ fängt sie an und ich merke, dass sie selbst ihre Freude kaum zurückhalten kann. „Du glaubst es nicht Liz, Marc hat mir einen Heiratsantrag gemacht.“ Ich merke fast schon am Telefon, wie sie auf und ab springt. Und ich kann mich einfach nur mitfreuen. „Ich freu mich so für dich!!! Das ist der Wahnsinn! Wann wollt ihr heiraten?“ frage ich sie und bin immer noch hin und weg. Ich hatte Marc nur kurz in Boston kennengelernt. Sie waren kurz später nach Venezuela umgezogen, doch ich habe ihm immer noch als sehr sympathisch und vor allem sehr liebenden Freund in Erinnerung. Sie hatten einfach von Anfang an super zusammengepasst. Kurz nachdem sie weggezogen waren fing auch mein Verfolgungswahn an. Ich hatte viele Dienste zu dem Zeitpunkt und vor allem sehr viele Operationen. „Ja, das ist es worüber ich sprechen wollte. Wir wollen so schnell wie möglich heiraten. Am besten nächstes Wochenende!“ Ich fange an zu rechen. Es ist Dienstag, also noch eins, zwei, drei …. „Du willst in drei Tagen heiraten?“ entkommt es mir geschockt. „Ja, das wollen wir. Wir haben jetzt so lange schon zusammengelebt. Wir wollen jetzt so schnell es geht heiraten!“ die Freude und das Glück, dass Lara verspürt überträgt sich fast über das Telefon. „Komm schon, Alice. Pack deine Sachen und lass einfach alles hinter dir. Du musst da mal raus. Und du MUSST meine Trauzeugin sein“ quietscht sie ins Telefon. Nach noch ein paar weiteren Sätzen war es beschlossene Sache. Ich rief sofort in der Klinik an und trotz einiger Gegenwehr schien es zumindest für diesen Zeitpunkt ok zu sein. Sie würden mich vorerst nicht einplanen in den OP Plan und die Dienste. Um die Kündigung müsse sich aber die Personalabteilung kümmern, auch wenn mein Chef hofft, dass ich es mir noch anders überlegen würde.
Ich kämme mir meine langen braunen Haare und schminke mich noch dezent, bevor ich die Toilette am Flughafen in Caracas verlasse. Genau vierundzwanzig Stunden waren seit dem Gespräch mit Lara vergangen und ich kann es selbst noch nicht fassen, dass ich mich einfach so auf und davon gemacht habe. Meine Wohnung habe ich noch nicht gekündigt schließlich wusste ich ja auch gar nicht auf die Schnelle wohin mit meinem ganzen Zeug. Meine helle Bluse und die schwarze anliegende Hose hatten sich hier als eine gute Wahl herausgestellt. Es sind Anfang zwanzig Grad und es geht ein leichter Wind. Die Sonne scheint unbehindert auf das Land und machte es bereits vom Flugzeug aus sehr ansehnlich und ansprechend. Ich gucke erneut auf mein Handy und es kommt gerade da eine Nachricht von Lara ‚Verspäten uns um ein paar Minuten. Dichter Verkehr L‘ lautet sie. Ich entscheide mich dennoch nach draußen an die frische Luft zu treten. Der Flughafen hier in der Stadt ist relativ modern. Bereits bei dem Anflug hatte ich die bekannten Favelas der Armenviertel entdecken können. Hier in Caracas geht die Schere zwischen Arm und Reich sehr weit auseinander. Im Inneren sind vor allem die Reichen. Außen herum vor allem in Richtung der Berge befinden sich die Armenviertel, in welchem das Gesetz ‚der Stärkere überlebt‘ gelebt wird. Ich hoffe mich einfach hier, obwohl es hier scheinbar nicht wirklich sicher zu sein scheint, sicherer und nicht verfolgt zu fühlen. Kaum trete ich aus den großen Glastüren des Flughafens nach draußen, wird es laut. Autos fahren und hupen. Menschen schreien sich an. Eine Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen etwa fünfzig Meter von mir entfernt scheint es gerade zu eskalieren. Einmischen würde ich mich bei so etwas nicht, aber wenn es Verletze geben sollte, dann würde ich mich um diese ohne Frage kümmern. Ich beobachte das Vorgehen rechts von mir weiter, doch es scheint als hätten die zwei Gruppen keinen Grund um sich zu einigen. Der Wind hebt mein Haar etwas und meine Konzentration schweift wieder zu den vielen ankommenden und abfahrenden Autos. Auf meinem Handy war keine weitere Nachricht von Lara eingegangen, hieß also sie waren noch nicht angekommen. Rechts in der Ferne wird es lauter und zwei der Männer fangen sich an zu prügeln. Na super… wo war ich da wieder reingeraten… Einer der Männer ist viel breiter gebaut als der andere und muss einiges einstecken. Die anderen zehn Männer die drum herum stehen versuchen die zwei zurückzuhalten, aber schreiten dennoch nicht wirklich ein. Auch alle anderen Menschen um mich herum scheinen unruhiger zu werden und versuchen sich von dem Vorplatz zu entfernen. Sogar die Autos machen einen großen Bogen um diese zwei Gruppen herum. Irgendwie habe ich nicht das Gefühl in Gefahr zu sein und als ich sehe dass der kleinere von beiden bereits stark im Kopfbereich blutet, gehe ich langsam auf die Gruppe zu, ohne aber irgendwen von ihnen aus den Augen zu verlieren. „Miss, Miss sind sie verrückt. Bringen Sie sich in Sicherheit. Das wird nicht gut ausgehen!“ zieht mich ein älterer Herr am Arm und versucht mich von meinem Weg abzubringen. Und dann passiert es… ein Knall erschüttert den Vorplatz des Flughafens. Panik bricht aus und die, die noch nicht gerannt sind rennen jetzt. „Laufen Sie!!!“ Schreit der alte Mann mir zu bevor er zum Spurt ansetzt. Ich blicke zu den Männer Gruppen. Der kleine Mann zielt mit seiner Waffe auf dem am Boden liegenden. Alle anderen Männer sind außer sich und zwei rütteln wie verrückt an dem zu Boden gegangenen. Jegliche Vernunft setzt bei mir aus, ich lasse meine Sachen dort liegen, wo ich stand und laufe zu der Gruppe von ungefähr zehn Männer herüber und ohne irgendeinen genau anzugucken beuge ich mich zu dem Verletzen herunter. Die zwei die direkt an ihm dran standen erschreckten sich wohl und einer von ihnen hält auch mir jetzt eine Waffe ins Gesicht. Ich erstarre. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass jemand ein Waffe auf mich richtet beziehungsweise, dass ich sie direkt kurz vor meinem Gesicht haben würde. Der Mann der das angerichtet hatte und seine Begleiter suchen schnell das Weite. Und so stehe ich da mit einem Schwerverletzten und vier Männern, die mir anscheinend in keiner Weise trauen. „Ich bin Ärztin“ sage ich dem Mann vor mir der seine Waffe fest in der Hand hält und mich mit seinen dunkelbraunen Augen mustert. Seine halblangen schwarzen Haare fallen ihn in sein bedrohlich aussehendes Gesicht und auch seine Statur steht der des am Boden liegenden kaum nach. Alle Männer hier tragen dunkle Hemden und Jeans. Und wirklich alle sehen mehr als durchtrainiert aus. Ohne auf eine weitere Regung zu warten drehe ich den Mann erst einmal vorsichtig um, sodass er nicht mehr mit dem Gesicht in seinem Blut liegt. Die Notarztzeit ist zwar lange her bei mir, aber ein wenig ist hängen geblieben. Als ich jedoch kaum einen Puls fühle geht alles sehr schnell. Ich ziehe meinen Gürtel aus der Hose und binde dem Mann zuerst den Arm ab. Er hatte den Schuss wohl dort abbekommen und dieser hat eine Arterie verletzt. Ansonsten würde es nicht so stark bluten. „Ruft einen Krankenwagen, sofort! Und ich brauche einen Defi“ weise ich die dumm dastehende Meute an und sofort greift der Mann mit der Waffe in seine Tasche und holt sein Handy heraus. Der neben ihm steht rennt sofort Richtung Eingang des Flughafens. Ich mache weitere Test und versuche irgendwie diesen Muskelbepackten Mann wieder ins hier und jetzt zu holen. Doch wie vermutet sinken seine Werte weiter weg und dann setzt der Puls und die Atmung aus. „Scheiße!“ entkommt es mir und ich reiße das Hemd des Mannes auf mit der Hoffnung, dass der Defibrillator gleich da ist. Dann beginne ich die Herzmassage und die Beatmung. „Der Krankenwagen kommt in ca. 5 Minuten“ teilt mir der Mann hinter mir mit, der mittlerweile seine Waffe weggesteckt hat. „Okay, ich brauch den Defi. Ihr Kollege hat sehr viel Blut verloren und sein Herz will nicht mehr so.“ Ich bin völlig außer Atem. Die Worte kommen mir auch nur mit jedem Druck über die Lippen. Verdammt der erste Tag und mir stirbt hier schon einer weg? Dann kommt der Mann mit dem Defi zurück. Der am Boden guckt mich aus seinen noch verschleierten Pupillen an und röchelt irgendetwas vor sich hin. Erleichterung durchströmt mich. Ich Bringe alles an und nach zwei Durchgängen ist der Puls wieder da, zwar schwach, aber wieder da. Jetzt kann man auch die Sirenen des Krankenwagens hören. Kaum sind sie angekommen gebe ich alle Informationen an die beiden Sanitäter weiter und wir bringen den Mann gemeinsam zum Wagen. „Passt auf ihn auf und guckt, dass er wach bleibt.“ Gebe ich ihnen noch mit. Die anderen Männer verteilen sich auf zwei schwarze Geländewagen und folgen dem Krankenwagen direkt, als dieser mit quietschenden Reifen den Vorplatz mit lauten Sirenen verlässt. Das hatte ich auch noch nie erlebt, dass man dann einfach so stehen gelassen wird, aber gut anderes Land andere Sitten. Ich drehe mich um und gehe auf meine Sachen die ich einige Meter weiter zurückgelassen habe. Der ältere Mann steht bei diesen und scheint doch wieder zurückgekommen zu sein. „Sind sie verrückt Miss?!“ empfängt er mich gleich geschockt, wie erstaunt. „Mit den Männern ist nicht zu spaßen!“ erklärt er mir. „Hätte ich ihn da jetzt wegsterben lassen sollen?“ frage ich ihn verdutzt. „Miss sie verstehen nicht, wie es hier läuft. Sie haben sich gerade Feinde gemacht! Die anderen Männer sehen es nicht gerne, wenn Zivile sich um andere Gangs kümmern…“ besorgt guckt der Mann sich um, auf der Suche nach etwas oder jemanden. Seine Falten wirken in der Besorgnis noch tiefer und die grauen Haare wehen ebenso wie ihre braunen leicht im Wind. Ich krame mein Handy aus der Tasche. ‚4 Anrufe in Abwesenheit‘ steht darauf und ich weiß ich kann mich auf einen Schimpfausbruch meiner besten Freundin gefasst machen… Der Mann reicht mir meine Handtasche und schiebt den Koffer zu mir. „Ich bin beeindruckt von Ihrem Mut, Miss. Falls Sie irgendwann mal etwas brauchen oder gut essen wollen kommen sie doch ins ‚Antonio‘ hier in der Innenstadt.“ Er lächelt mich an und winkt mir zum Abschied ehe er dann in der Menschenmasse verschwindet. Bis jetzt war hier noch keine Polizei, was mich wirklich wundert. In New York wäre wahrscheinlich die Ganze Wache ausgerückt bei dem Fall von Schüssen. Dann vibriert mein Handy erneut und Laras Name erscheint auf dem Display „Hey“ melde ich mich schnell und kneife die Augen zusammen, da ich schon das Geschimpfe erwarte. „Liz, ist alles gut? Wir haben gehört, dass es Schüsse gegeben haben soll. Wo bist du?“ Ich stehe am Ausgang vom Flughafen und es ist alles in Ordnung!“ antworte ich ihr und mache mich auf den Weg zurück zum Ausgang, wo ich dann auch schnell Lara ausmachen kann, die wie von irgendwas gestochen in die Vorhalle reinrennt. „Ok … du bist draußen?“ entkommt es ihr dann und ich sehe, wie sie noch in der Tür bremst und wieder kehrtmacht. Kaum ist sie wieder draußen findet sie mich direkt und stürmt auf mich zu. „Liz endlich sehe ich dich wieder!“ springt sie mir freudig in die Arme und auch ich hopse mit ihr mit. Wir hatten uns so lange nicht mehr gesehen. Wir freuen uns die ganze Zeit auf dem Weg zum Auto und Lara kann sich bei ihren Erzählungen kaum zurückhalten und lässt mich schnell die Vorkommnisse am Flughafen verdrängen. Ein netter älterer Mann wartet in einem Land Rover auf uns und begrüßt mich freundlich, als ich hinten in den Wagen steige. Ich hatte eigentlich vermutet, dass Marc mit zu abholen käme, aber er war vermutlich mit seiner Arbeit beschäftigt. Lara hatte mir nie erzählt was er genau machte, aber er hätte wohl immer sehr viel zu tun und an Urlaub wäre wohl nur selten zu denken. Aber gut, wenn man in so einem Land ist mit schönen Temperaturen und Stränden konnte man vermutlich einfach mal so irgendwo hinfahren und ausspannen. Die Fahrt zu ihrem Haus verlief relativ schnell und die Villa ist gigantisch. So etwas hätte ich nie erwartet, auch wenn Lara mir öfter erzählt hatte, dass Marc wohl gut verdienen würde. Die Einfahrt ist alleine so groß, wie ein Vorplatz eines mittelgroßen Krankenhauses und gesäumt von kleinen Bäumchen und Büschen, die das ganze abrunden und noch eleganter und kostspieliger wirken lassen. „Oh ha“ entkommt es mir und Lara fasst das direkt richtig auf. „Ja, Liz so habe ich auch anfangs geguckt.“ Als wir aussteigen wird direkt die Tür geöffnet und eine junge Frau tritt heraus. „Emma, du bist schon hier?“ begrüßt Lara sie überschwänglich und auch Emma scheint eine ähnlich freudige und ambitionierte Art zu haben, wie ihre beste Freundin. „Und du musst Alice sein. Lara hat mir schon so viel von dir erzählt!“ ohne abzuwarten umarmt die kleine dunkelhaarige Schönheit auch mich. „Ich hoffe doch nur Gutes“ zwinkere ich ihr zu. Und wir alle fangen gleichzeitig an zu lachen, denn sicher hatte Lara ihr auch die komischen Geschichten vor allem aus unserer Schulzeit erzählt. Der Nachmittag und Abend laufen entspannt ab. Wir alle erzählen uns gegenseitig alles Mögliche und können uns teils nicht zurückhalten vor Lachen. Das Haus setzt sich innen so fort, wie außen. Nur die hochwertigsten Möbel und Accessoires werden hier verwendet und stilvoll platziert. Als ich mich abends ins Bett lege bin ich geschafft von dem Tag und erinnere mich nochmal an den Verletzten am Flughafen… hoffentlich hatte er es geschafft.
Der nächste Morgen kommt schnell und ich werde von den Sonnenstrahlen geweckt, die sich den Weg durch die wunderschönen Gardinen bahnen. Ich ziehe mir schnelle eine meiner schönen Blusen an und eine helle Hose und gehe die Treppe herunter. In der Küche warten schon Lara und Emma. „Na, gut geschlafen“ fragt mich Lara und betrachtet mich mit einem breiten Grinsen. Doch tatsächlich habe ich besser geschlafen, als die letzten Wochen. Ich habe mich einfach sicher hier im Haus meiner Freundin gefühlt und seit langem einmal wieder durchgeschlafen. „Ja sehr gut“ antworte ich ehrlich und schnappe mir eines der geschmierten Brötchen, die dort bereitliegen. „Wir haben heute große Pläne“ zwinkert Emma mir dann zu „Wir müssen uns noch Kleider für morgen suchen!“ hilft sie mir lachend auf die Sprünge. Das hatte ich bei dem ganzen Trubel fast vergessen. Und diesen Gedanken konnten die beiden mir wohl vom Gesicht ablesen. Also startet der Countdown vor dem großen Tag. Und wir hatte tatsächlich einiges zu tun. Obwohl das meiste der Organisation der Feier eine Agentur machte musste man ja auch noch individuelles mit einbringen. Der Tag vergeht wie im Flug und die Hochzeit rückt immer näher. Marc hatte ein riesiges Anwesen- wie ein kleines Schloss- für die Feierlichkeiten gemietet und auch eine Kutsche sollte nicht fehlen. Eine Märchenhochzeit, wie es sich Lara immer gewünscht hatte, seitdem ich sie kenne. Marc hatte ich bis jetzt immer noch nicht getroffen, doch ich bekam am Morgen beim Shoppen noch eine Nachricht von ihm, ob wir uns nicht vor der Trauung noch kurz sehen wollen, dass er mich auch begrüßen konnte. Ich stimmte dem natürlich direkt zu. Wir fanden sehr schöne Kleider und ich war hin und weg von dem Hochzeitskleid, dass Lara morgen tragen wird. Ein Traum in Weiß!
„So ihr Lieben ich werde jetzt einmal vorfahren und nochmal deinen Bräutigam überprüfen, kommt ihr zurecht?“ zwinkere ich Emma und Lara zu. Lara war schon den ganzen Morgen nervös und wir versuchen einfach alles, um sie wieder etwas zu beruhigen. „Ja klar“ wirft mir Emma entgegen und macht eine Handbewegung, dass ich schnell los soll. „Okay, dann bis gleich!“ ich drücke beiden noch einen Kuss auf die Wange und eile dann in meinem Kleid nach unten. Jeffrey der Fahrer steht in der Tür und scheint auch schon etwas nervös zu sein. Und auch die Eltern von Lara sind unten und unterhalten sich aufgeregt. „Alice, es ist so schön, dass du hier bist. Lara hatte sich so gefreut, als du zugesagt hast.“ Werde ich direkt von Magret in den Arm genommen. „Sehr gerne. Ich freue mich, dass Lara so einen tollen Mann gefunden hat!“ Auch Martin, Laras Vater schließt mich in seine Arme. „Ja, sie sind noch so, wie am ersten Tag. Ich hoffe wie werden bald Großeltern!“ scherzt er und fängt sich gleich einen Klaps von seiner Frau. „Was denn? Den Wunsch darf ich doch haben“ zwinkert er mir verschmitzt zu. „Lass sie doch erstmal heiraten!“ tadelt ihn seine Frau und ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. „Ich muss jetzt los, aber wir sehen uns dann gleich am Schloss!“ sage ich noch im Gehen und verabschiede mich anschließend noch. Laras Eltern waren auch mir ein Elternersatz. Mein Vater hatte meine Mutter und mich schon früh verlassen und meine Mom starb als ich mit dem Studium begann. Laras Eltern waren dann auch irgendwo ein Bezugspunkt für mich und wir haben uns gegenseitig sehr liebgewonnen.
Für den Weg zum Anwesen welches circa eine halbe Stunde entfernt liegt darf ich mir einen Wagen von Marc und Lara ausleihen. Ich gucke verdutzt als mir Jeffrey den Schlüssel von dem Jaguar gibt. „Mr. Morgan bestand darauf. Er sagte für eine schöne Frau ein schönes Auto!“ zwinkert er mir zu doch ich war mir sicher, dass der letzte Satz Jeffrey-made ist. Ich greife mit einem unsicheren Gefühl nach dem Schlüssel für den unglaublichen Wagen und kaum bin ich losgefahren habe ich auch schon das Gefühl bin ich angekommen. Der Wagen ist so schön zu fahren und so bequem, dass es mir fast schon schwer fällt wieder auszusteigen. Jeffrey hatte mir gesagt ich solle direkt vor das Gebäude fahren dort würde mir der Wagen abgenommen werden. Und tatsächlich kam direkt jemand auf mich zu. Ich mache den Motor aus und Anstalten auszusteigen, als der Mann wild mit den Händen gestikulierend auf mich zukommt. Ich öffne die Tür und es ist schwer auf dem Kies mit den hohen Absätzen halt zu finden. „Verdammt, warum müssen heute alle hier direkt vorfahren. Miss, könnten Sie ihren Wagen bitte um parken wir haben heute eine Gesellschaft hier“. Der Mann an die vierzig wirkt etwas gestresst. „Ja, natürlich!“ ohne irgendetwas weiter zu klären, steige ich wieder in den PS starken Wagen und fahre auf einen der nahegelegenen Parkplätze. Auf dem Weg zurück zum Gebäude ziehe ich mir meine hohen Schuhe aus und laufe Barfuß über die gepflegten Rasenflächen. Als ich am Gebäude ankomme merke ich, dass alle noch stark am Arbeiten sind. „Alice?“ kommt hinter mir eine Stimme, die ich zwar schon gehört habe, aber nur jetzt auch direkt zuordnen kann, da ich diese Person auch gesucht habe. Ich drehe mich um und Marc hatte sich nicht verändert. Er ist immer noch so attraktiv und aufgeweckt, wie bereits vor über einem halben Jahr, als Lara und ich ihn in einem Club in Boston kennengelernt haben. Er kommt direkt auf mich zu und nimmt mich in den Arm. „Hey, Marc. Na bist du schon aufgeregt“ frage ich ihn witzelnd provokant. „Und wie! Aber ich bin so froh, dass du gekommen bist. Lara bedeutet das sehr viel. Immerhin seid ihr zusammen aufgewachsen!“ Er streicht sich mit der Hand durchs Haar und man merkt schon, dass er nervös ist, aber genauso glücklich und mehr konnte ich den beiden nicht wünschen. „Lass uns nach hinten gehen. Du siehst übrigens sehr schön aus!“ macht er mir noch ein Kompliment. „Und immer noch der Gentleman. Ich bin beeindruckt.“ Knuffe ich ihn am Arm. Wir hatten uns schon bei unserem ersten Treffen in Boston gut verstanden und haben uns angefreundet. Doch bei uns war es von Anfang an nur Freundschaft und bei Lara direkt mehr! Die beiden haben sich zwar nicht gesucht, aber und das ist das Wichtigste: Sie haben sich gefunden. Als wir gerade nach hinten wollen fängt der Mann vorne am Eingang wieder an zu schreien. Irgendetwas scheint ihn nicht in den Kram zu passen. Marc wird sofort hellhörig „Ich gehe einmal gucken“ sagt er und lässt mich in der großen Halle zurück. Wenig begeistert einfach stehen zu bleiben folge ich ihm nach vorne. „Alex, verdammt was hast du gemacht?“ höre ich die besorgte Stimme von Marc. Ich beschleunige meinen Schritt und sehe unten am Treppenansatz wo ich vorher geparkt hatte einen schwarzen Geländewagen. Und aus diesem steigt ein großer Muskulöser Mann aus, wessen vorher wohl weißes Hemd am rechten Arm tief rot gefärbt ist. Ich eile sofort die Treppe herunter, immer noch barfuß, und drücke meine Schuhe Marc in die Hand. Verdutzt von meinem Kommen schauen mich Marc und dieser Alex komisch an. Ohne dass ich etwas sage, gucke ich mir die Wunde an. ‚Nur‘ ein Streifschuss stelle ich dann erleichtert fest. Dieses Land macht mich echt fertig. Wie leichtfertig hier einfach geschossen wurde. Ich hatte ja immer die Vermutung, dass diesbezüglich die USA schon sehr nachlässig ist, aber Venezuela toppt es wirklich… unglaublich… „Das muss genäht werden, auch wenn es nur ein Streifschuss ist.“ Sage ich an den Mann gewandt, dessen Wunde ich mir ohne irgendeine Art von Zustimmung angeguckt habe. Als ich ihm in die Augen sehe bleibt mir fast das Herz stehen. Er hat blaue, fast grüne Augen, die eine enorme Wirkung auf mich haben. Ich selbst habe zwar auch blaue Augen, aber eine solche Wirkung habe ich sicher nicht… Ich brauche kurz um mich wieder zu fassen und trete einen Schritt zurück. „Sie sollten in ein Krankenhaus und sich das nähen lassen!“ sage ich ihm dann und habe auch ich wieder einen adäquaten Abstand. Dabei sehe ich ihn erst jetzt richtig an. Er ist muskulös, breit gebaut und sieht dazu noch wirklich sehr gut aus. Das dichte dunkle Haar, welches wohl etwas mit Gel zurechtgemacht wurde, aber dennoch etwas zerzaust wirkt, umrahmt sein markantes männliches Gesicht. Bei ihm werden die Damen wohl Schlange stehen. Ich merke selbst, wie er auch mich mustert und sein Blick wandert an mir herunter, bis zu meinen Füßen. Ich greife schnell nach meinen Schuhen, die Marc immer noch in seinen Händen hält und wende mich ab, um die Treppe zum zweiten Mal hoch zu stapfen. Immerhin war dieser Mann nicht am verbluteten muntere ich mich auf und lasse die zwei mit den Worten „Ich warte dann oben auf dich Marc“ stehen. Ich höre nur noch wie die zwei kurz ein paar Worte wechseln und dann hat mich Marc auch schon eingeholt. „Komm, lass uns noch schnell einen Kaffee trinken“ bietet er an und ich nicke. Einen Kaffee konnte ich jetzt sehr gut gebrauchen. Kurz später sitzen wir in einem Salon in diesem riesen Anwesen und trinken unseren Kaffee. Einige Themen haben wir schon abgearbeitet, als es an der Türe klopft und einer der Veranstaltungsbetreuer diese öffnet. „Ein Mr. Alex Cortez wünscht Sie beide zu sprechen“ Marc sieht verdutzt zur Tür und Alex tritt kurz darauf ein, ohne auf ein ‚ok, komm herein‘ oder so zu warten. Ich gucke nur kurz zu Alex und sehe direkt, dass er ein neues Hemd trägt. „Warst du jetzt so schnell im Krankenhaus?“ entkommt es Marc verblüfft. „Nein, die Zeit würde dafür nicht reichen…“ erwidert er und runzelt die Stirn. „Du bist nicht mal hingefahren?“ Marc ist fast schon sauer, doch gleichermaßen besorgt. Einen kurzen Moment später öffnet sich wieder die Tür und ein Kopf wird durchgesteckt. Mir bleibt fast die Luft weg, als ich den Mann in der Tür erkenne. Der Mann der die Waffe auf mich gerichtet hatte. Und auch er guckt ganz schön schockiert drein, als er mich erblickt. Alex scheint die Verwirrung sofort zu merken. „Matheo kommt gerade aus der Klinik und meinte es sei total überfüllt. Ist alles gut Alter?“ Fragt er ihn dann auch direkt und geht auf ihn zu um ihn einen Klaps auf die Schulter zu geben. Doch Matheo mustert mich ununterbrochen weiter. Ohne dass ich es selbst gemerkt hatte bin ich wohl aufgestanden und etwas zurückgewichen. „Marc? Was macht er hier?“ entkommt es mir und ich werde sofort von allen angeschaut, als sie das Zittern in meiner Stimme vernehmen. Mir gleitet zum zweiten Mal seit meiner Ankunft hier ein kalter Schauer der Angst über den Rücken und ich habe das Gefühl dieser Dauerzustand könnte auch hier wieder zur Realität werden. Mittlerweile ist Matheo noch weiter in den Raum getreten und hält seine Hände beschwichtigend und beruhigend vor sich. Marc ist auch aufgestanden und versteht, seinem Gesichtsausdruck her zu urteilen, die Welt nicht mehr. „Was ist hier los?“ entkommt es dann Alex, der anscheinend als einziger die Nerven bewahrt. Die Worte überkommen seinen Lippen, aber etwas zu hart für meinen Geschmack und ich zucke leicht zusammen. „Er gehört zu euch?“ frage ich Alex und Marc und sie gucken mir beide in die Augen bis dann Alex antwortet „Ja, er gehört zu meinen Männern!“ er scheint wohl immer noch nicht sicher zu sein worauf ich hinaus möchte, wie konnte er auch. „Ich tue dir nichts! Das war ein Missverständnis!“ bringt sich Matheo jetzt ein, doch redet nur zu mir gewandt. Ich höre, dass er die Wahrheit sagt und kann mich etwas entspannen. Ich glaube oder hoffe, dass Marc mir schon helfen würde, wenn der Muskelprotz seine Waffe erneut herausholen würde. Ich werde wieder ruhiger und trete etwas nach vorne. „Ok, Chef. Damit ist meine Suche abgeschlossen. Diese attraktive und wunderschön gekleidete Dame“ er zeigt auf mich „hat Chris das Leben gerettet“ jetzt sind Marc und Alex total von der Rolle. Ich bin erleichtert zu hören, dass der Mann vom Flughafen wohl auf ist. „Du hast am Flughafen Chris versorgt und an die Rettungssanitäter übergeben?“ entkommt es Alex erstaunt und Marc scheint das Ganze nur noch zu beobachten und lässt sich wieder in seinen Sessel sinken. „Hätte mir hier anscheinend keiner zugetraut!“ gucke ich in die Runde und merke, dass alle wohl noch genug in ihrem Kopf zu tun haben. „Der eine…“ mein Blick wandert zu Matheo „…richtet eine Waffe auf mich und der andere folgt nicht meinem Rat sich behandeln zu lassen...“ Mein Blick schweift zu Alex, doch vor allem seinem Arm. „Du hast was?“ entkommt es Alex geschockt und geht mit großen Schritten auf Matheo zu, der direkt seinen Kopf einzieht. „Boss, ich wusste doch nicht, dass sie Ärztin ist. Ich hätte nie…“ stammelt Matheo total unsicher vor sich hin. „Du richtest deine Waffe gegen eine Frau?! Bist du verrückt!“ Alex ist wirklich außer sich, doch gibt mir auch Anstoß mich einzumischen. „Mal ganz abgesehen davon, dass ich es wirklich nicht toll fand einen Lauf im Gesicht zu haben. Ich finde niemand egal ob Mann oder Frau sollte so ein Teil im Gesicht haben!“ gebe ich meine Meinung kund. Ich ernte direkt tadelnde Blicke und weiß, dass jetzt die Rede davon kommt, dass ich ja keine Ahnung hätte. Aber glücklicherweise beginnt mein Handy zu klingeln, als Alex gerade zum Gegensturm ansetzt. „Hallo hier ist Alice Lindström.“ Melde ich mich und entschuldige mich von den Herren mit einem Handzeichen und gehe herüber an die große Fensterfront. „Miss Lindström, hier ist die Polizeiwache aus New York“ meldet sich eine mir bekannte Stimme, es ist Percy Smith der Polizist. „Oh, Mr. Smith.“ Ich bin sofort unsicher und das vernimmt man sicher auch meiner Stimme. „Miss Lindström, wir haben Grund zur Annahme, dass ihre Vermutung verfolgt zu werden der Wahrheit entspricht! Wir werden dies natürlich weiter prüfen, aber wir empfehlen Ihnen vorerst woanders unterzukommen und nicht mehr alleine unterwegs zu sein.“ Ordnet er an. „Ist in Ordnung! Ich hatte sowieso vor ein wenig rauszukommen.“ Versuche ich ihm überzeugend zu vermitteln. Er wusste ja nicht, dass ich sowieso weggeflogen bin. Es wusste kaum einer wo genau ich gerade bin. Nur Lara und ihre Familie. „Ja, eine sehr gute Idee. Fahren Sie irgendwohin. Wir versuchen weiter zu ermitteln und geben Ihnen Bescheid, wenn wir Näheres wissen!“ Damit lege ich auf. Und als Alex erneut ansetzten will klingelt wieder mein Handy. Diesmal ist es Emma. Ich muss fast schmunzeln, als ich Alex genervten Gesichtsausdruck sehe und wie er immer wieder Matheo strafend anfunkelt. „Hey“ begrüße ich sie und grinse den Männern verschmitzt zu. Es scheint sie alle zu stören, dass ich kein Ohr für sie habe, doch mir kommt es ganz gelegen. „Hey Liz, wir würden uns so in 10 Minuten auf den Weg machen!“ kündigt sie an. „Okay, ich gucke ob hier soweit alles fertig ist und sonst kümmere ich mich persönlich drum“ scherze ich und dann beende ich auch das Gespräch. „So ich glaube wir müssen uns jetzt mal langsam fertigmachen. Die Braut ist in vierzig Minuten hier.“ Bei den Worten merkt man richtig, wie es in Marc zu rattern beginnt. „Alles wird gut. Wo sind deine Trauzeugen? Sie sollten so langsam auch fertig sein. Und ich muss nochmal raus, um da nach dem Rechten zu sehen.“ Ich krame aus meiner Tasche ein Notizheft heraus, auf welchem ich mir gestern mit den Mädels zusammen alles Wichtige aufgeschrieben habe, um was ich mich noch kümmern beziehungsweise, was ich kontrollieren sollte. Marc räuspert sich und ich blicke ihn fragend an. „Alice, darf ich vorstellen. Meine Trauzeugen“ damit weist er auf Matheo und Alex. „Alex, Matheo, das ist Alice. Sie ist die Trauzeugin von Lara und eigentlich irgendwie auch meine Schwägerin.“ Zwinkert er mir zu und beide gucken mich verdutzt an, obwohl ich nicht weiß, wer in dem Moment blöder drein guckt. „Liz, das sind Alex und Matheo. Meine besten Kumpels und Trauzeugen. Chris kann heute ja leider nicht dabei sein. Sonst hättest du ihn jetzt auh noch kennengelernt“ Stellt er die beiden mir jetzt richtig vor. Matheo scheint sich am schnellsten gefangen zu haben und kommt mit großen Schritten und einem freundlichen Gesicht auf mich zu. „Das nenne ich Schicksal“ zwinkert er mir zu und reicht mir seine Hand. Ich reiche ihm sofort die meine und gucke dem Mann, der so wie auch Alex sicher ein bis zwei Köpfe größer ist, in die ruhigen braunen Augen. Matheo ist zwar nicht der Bestaussehenste, aber er beeindruckt doch mit seiner Muskelmasse und auch mit seiner jetzt an den Tag gelegten Offenheit und Freundlichkeit. „Das wird man wohl so nennen müssen“ erwidere ich immer noch nicht ganz sicher, was ich davon halten soll. Auch Alex kommt dann auf mich zu und reicht mir die Hand während er mich mit seinen grün-blauen Augen nicht aus den Augen lässt. Seine Hand ist warm und der Händedruck nicht gerade weich, aber so hatte ich ihn auch nicht eingeschätzt. Seine Haare hatte er wohl auch ein wenig gerichtet, als er sich umgezogen hat. „Okay, dann sollten wir jetzt alles fertigmachen“ versuche ich von der Situation abzulenken und greife wieder nach meinem schlauen Zettel, doch mein Blick fällt immer wieder auf Alex Arm. Kurzentschlossen drücke ich Matheo mein Notizblock in die Hand. „Du musst jetzt erstmal ins Krankenhaus“ richte ich mich an Alex „Und wenn ich dich da selbst hinfahre.“ Ich kann mir als Ärztin schlecht ansehen, wie so eine Wunde nicht ordentlich behandelt wird.“ Marc ist mittlerweile auch wieder auf gestanden. „Du hast keine Chance Alex. Lara meinte, wenn es um medizinisches geht lässt Liz nicht mit sich reden“ er muss schmunzeln und geht an uns vorbei. „Ich werde jetzt meinen Anzug anziehen und mich fertigmachen. Immerhin heirate ich gleiche die Liebe meines Lebens“ winkt er uns noch kurz zu und ist dann auch schon verschwunden. Die Liebe und Hingabe zu Lara hört man aus seinen Worten. Die beiden haben sich wirklich gefunden. „Also, los wir müssen uns beeilen.“ Mache ich druck und laufe immer noch barfuß in Richtung Türe. Die Schuhe waren tatsächlich mehr Ballast als sonst irgendetwas. „Alice, warte doch kurz. Es ist zu knapp ich werde da nicht rechtzeitig einen Arzt zu Gesicht kriegen. Und unsere Klinik ist zu weit weg!“ entkommt es Alex, der mich nur mit drei Schritten eingeholt hat. „Okay, aber das muss genäht werden.“ Merke ich an. „Dann näh du es doch?!“ schlägt Matheo vor, der aus der hinteren Reihe späht und das Notizheft hilflos in der Hand hält. Alex mustert mich und scheint abzuwägen, ob er es mir zutraut. „Wir haben noch ein ganzes Set für medizinische Versorgung im Audi“ merkt Matheo weiter an. Und ich irre mich nicht, als ich ein Grinsen auf seinem Gesicht entdecke. „Okay, ich mach das aber wenn eine Narbe zurück bleibt komm nicht zu mir, um dich zu beschweren!“ entschließe ich mich, auch wenn ich diese Entscheidung sicher bereuen würde. Wenn das jemand erfährt bin ich sicher dran. Alex betrachtet mich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen „Okay, so ist das natürlich einfacher. Ich hole die Sachen aus dem Wagen.“ Mich wundert, wie selbstverständlich das jetzt für ihn scheint. Einfach irgendjemanden an sich rum nähen zu lassen. „Okay…“ überlege ich weiter und meine Augen treffen die von Matheo, der sehr ernst drein guckt. „Was ist los?“ frage ich ihn und erhalte auch direkt eine Antwort. „Ich hätte nie gedacht, dass Alex zustimmen würde.“ Er ist immer noch perplex. „Du kannst aber schon nähen oder?“ fragt er mich vorsichtig. Und genau in dem Moment kommt Alex wieder durch die Türe. „Hmmm… Nein, mache ich zum ersten Mal! Aber bei meinen Socken habe ich schon geübt!“ scherze ich und nehme Alex direkt den Koffer ab und lege ihn auf den Tisch. Matheo weiß anscheinend nicht, was er jetzt glauben soll. „Keine Sorge… Ein paar Stiche setzten wird sicher kein Problem sein“ zwinkere ich Matheo zu. „Würdest du bitte die Liste auf der dritten Seite durchgehen und gucken, ob alles fertig ist?“ frage ich ihn während ich alles bereitmache und anfange zu desinfizieren. „Ja klar. Ich werde auch schon mal den Kuchen probieren und gucken, ob er nicht vergiftet ist.“ Lacht er und lässt uns alleine. Alex hatte sich ohne ein Wort auf einen Stuhl direkt neben mir gesetzt und sich das Hemd ausgezogen. Obwohl er noch ein ärmelloses Shirt darunter trägt zeichnet sich jeder seiner Muskeln darunter ab. Selten sehe ich in der chirurgischen Notaufnahme oder meinem OP Tisch so durchtrainiert Männer, überlege ich. Sein Körper und die Wärme die er ausstrahlt beeindrucken mich sehr. Als ich dann seinen Arm berühre um die Wunde nochmal genau zu betrachten bekomme ich ein Kribbeln im Bauch. Alex guckt weiter geradeaus und auch ich versuche mir nichts anmerken zu lassen. Auch wenn es sich beim Berühren seiner Haut eher schwierig gestaltet. Während der Gesamten Behandlung wechseln wir kaum ein Wort. Ich hatte ihm nur eine leichte lokale Betäubung gespritzt und er hatte es, ohne auch nur zu zucken, ausgehalten. Das Kribbeln im meinem Bauch wurde nicht weniger. Er scheint eine extreme Anziehung auf mich auszuüben, doch das konnte ich momentan gar nicht gebrauchen. Und dann noch ein Mann mit Schusswunde… Nein, das lasse ich lieber, sage ich mir selbst. „Danke dir!“ entkommt es Alex dann knapp. „Gerne, aber das nächste Mal gehst du besser ins Krankenhaus!“ sage ich, während ich die ganzen Utensilien wieder sicher verpacke um sie zu entsorgen. „Lass die Sachen daliegen. Meine Leute kümmern sich später!“ dabei nimmt er mir das Material aus den Händen und legt es auf den großen Mahagonitisch. „Okay, ich glaube wir müssen jetzt auch los.“ Merke ich, als ich auf Alex Armbanduhr sehe, wie spät es ist. Hastig schlüpfe ich in meine Schuhe rein und laufe los. Ich sehe noch ein leichtes Grinsen im Augenwinkel, aber vielleicht bilde ich es mir auch ein. Wir kommen genau richtig. Matheo winkt mir mit dem Heftchen zu und ich muss mir ein Lachen unterdrücken. Niemals hätte ich gedacht, dass ich den Kerl vom Flughafen wiedersehe. Mal ganz davon abgesehen, dass er ein total relaxter und umgänglicher Typ zu sein scheint. Alex und ich eilen noch schnell die letzten Schritte zum Altar herunter. Wo mir auch schon Emma entgegenkommt. „Wo bleibt ihr denn?!“ fragt sie total aufgeregt und wirft vor allem Alex einen tadelnden Blick zu, der sich noch schnell sein schwarzes Sakko überwirft, womit er noch attraktiver aussieht. „Wo ist Marc entkommt es mir erschrocken“ ich schaue mich nervös um. „Keine Sorge er ist gleich da!“ zwinkert Matheo mir zu. Ich beobachte, wie Emma ihm einen Blick zuwirft und dann wurden ihre Augen ganz groß. „Verdammt Jungs… ihr bekommt es ja nicht einmal hin euch die Krawatten ordentlich zu binden… Wir sind auf einer Hochzeit.“ Meckert sie auf einmal los und die Leute die in der ersten Reihe sitzen beginnen zu Lachen. „Liz, komm schon hilf mir mal und mach das bei meinem Bruder mal ordentlich“ ordnet sie an und ich werfe erst ihr und dann Alex einen verwirrten Blick zu. Geschwister? Die beiden? Das ist sicher ein Missverständnis. „Komm schon Liz.“ Ich raffe mich auf und gehe auf Alex zu, der einen genervten Gesichtsausdruck hat. Aber was soll ich schon machen. Die Braut ist auf dem Weg und der Bräutigam fehlt komischer Weise auch noch. Doch genau in dem Moment erscheint Marc neben uns. „Oh haben sich meine Trauzeugen wieder nicht ordentlich angezogen, Emma?“ scherzt er. Und Emma hüstelt nur, um ihrer Enttäuschung Ausdruck zu verleihen. „Das ist das Problem mit Perfektionisten in der Familie“ merkt Alex dann an und ich merke das Beben seines Sprechens, als ich die Krawatte nochmal zurecht zupfe. Auch der Kragen von seinem Sakko ist leicht geknickt und ich komme mit meiner Größe kaum da heran, also stelle ich mich zusätzlich noch auf Zehenspitzen. Ich bin ihm dann plötzlich so nahe, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüre und mir läuft ein wohliger Schauer über den Rücken. Als ich fertig bin streiche ich einmal alles glatt, so wie ich es immer bei Laras Eltern gesehen habe und bin mit dem Ergebnis zufrieden. Alex Augen sind die ganze Zeit auf mich gerichtet, doch ich versuche das zu ignorieren und trete wieder zur Seite, auch Emma ist dann fertig und wir stellen und alle noch rechtzeitig auf als sich die Großen Türen öffnen und die Musik ertönt. „Ich habe es gewusst! Alex und Du, ihr passt einfach super zusammen!“ flüstert mir Emma noch fröhlich zu, doch ich versuche meine Aufmerksamkeit ausschließlich auf Lara und ihren Vater zu richten, die den langen Gang herunterschreiten. Ich kann es nicht verhindern. Sehr schnell Bahnen sich die Tränen der Freude ihren Weg über meine Wangen. So etwas hatte ich mir auch immer gewünscht, auch wenn ich weiß, dass es nie möglich sein würde. Mit meinen Eltern meine Hochzeit zu feiern. Ein Traum der auch ein solcher bleiben wird.
Die Zeremonie ist wunderschön. Als die beiden sich das Ja-Wort gegeben haben war es Mucksmäusschen still in der riesigen Halle, auch wenn die Plätze kaum gereicht haben für die vielen Besucher. Die Feier in dem riesigen Park des Anwesens ist schon in vollem Gange und die ersten Tänze gingen auch schon von Statten. Ich stehe mit Emma zusammen, als sich Alex und Matheo zu uns gesellen. „Na ihr beiden. Genießt ihr die Hochzeit?“ fragt Matheo und blickt dabei über die große Hochzeitsgesellschaft. „Ja, es ist wundervoll!“ entkommt es mir ehrlich. „Das haben sich die beiden verdient! So ein schöner Tag, was wünscht man sich mehr!“ bestätigt mich Emma. „Ich hoffe du hast eine Rede vorbereitet Alice. Ich glaube wir beide haben das Los gezogen.“ Richtet Alex dann sein Wort an mich und ich gucke ihm in seine jetzt warm wirkenden Augen. Ich muss gestehen ich hatte es beinahe vergessen, aber ich wusste ungefähr was ich sagen wollte. Zum Glück musste diese Rede ja nicht so lang sein. „Ja, ich…“ weiter komme ich nicht denn Laras Eltern unterbrechen mich. „Lizzy, Emma es ist wunderbar. Alles ist so wunderschön!“ fängt Magret an zu schwärmen. Martin nimmt mich in den Arm und ich fühle mich geborgen, wie ich es immer bei meinen Ersatzeltern getan habe. Magret lobt auch noch die beiden Herren überschwänglich und ist ganz aus dem Häuschen. Alex wird in dem Moment von jemanden angesprochen und geht mit einem ebenfalls schick gekleideten Mann etwas weiter weg von uns. „Meine erste Tochter habe ich verheiratet, jetzt fehlst noch du.“ Gibt Martin dann noch mit einem Schmunzeln von sich. Und ich muss Lachen. „Martin, du weißt doch…“ „Jaja, dein Job geht vor und so weiter…“ unterbricht er mich schmunzelnd und die anderen beobachten das ganze Geschehen interessiert und amüsiert. „Martin, bitte setz Lizzy nicht unter Druck! Sie wird auch noch den Richtigen finden.“ Gibt sie ihren Mann einen tadelnden Klaps. „Bleibst du eigentlich erstmal hier Schätzchen“ fragt mich dann Magret und erstarre kurz. Ich muss natürlich gucken wie es weitergeht. „Natürlich bleibst du hier!“ mischt sich Emma ein. „Du kannst nicht einfach kommen und gehen, wie du möchtest.“ Kritisiert sie mich. „Ja, Ärzte wie dich können wir hier sehr gut gebrauchen!“ wirft auch Matheo jetzt ein. Ich versuche dieses Gesprächsthema erstmal zu entspannen. „Ich muss noch gucken. Ich habe einen Job in New York, eine Wohnung. Ich kann das nicht alles so zurücklassen. Aber ich werde erstmal ein- bis zwei Wochen hierbleibe und mir ein wenig Urlaub gönnen.“ Zwinkere ich Emma zu, die direkt Luftsprünge macht. „Wo kommst du unter? Hast du eine Wohnung?“ fragt mich Matheo dann weiter, was erneut alle aufhorchen lässt. „Ich suche mir ein Hotel, dann haben Lara und Marc ihre Ruhe.“ Sage ich entschlossen, da ich weiß, dass sie die Flitterwochen noch verschoben haben, da Marc im Unternehmen so viel zu tun hat. „Das kommt gar nicht in Frage!“ mischt sich Martin dann direkt ein. Und auch Emma schaltet sich ein „Du kannst doch zu mir ziehen. Ich habe noch ein Zimmer als Lesezimmer, aber das können wir auch einfach umräumen!“ „Nein, Nein macht euch keine Umstände wegen mir! Ich werde mir ein schönes Hotel suchen!“ lege ich mich fest und bin mehr oder weniger froh, dass Lara sich unserer Gruppe nähert. „Ist das eine Verschwörung hier?“ fragt sie lachend, als sie mein hilfesuchendes Gesicht sieht. „Lara, du musst Liz davon überzeugen, dass sie hierbleibt und dass sie nicht in einem Hotel schläft, das ist doch Wahnsinn.“ Geht Emma erneut in die vollen. Verdutzt blickt mich Lara an „Aber du wolltest doch erst einmal bleiben, oder nicht?“ ich höre direkt die Enttäuschung in Laras Stimme und das zerreißt mir das Herz. Auch wenn ich weiß, dass sie diese Karte in solchen Situationen immer spielt. „Leute ich sollte hier heute nicht im Mittelpunkt stehen. Lasst uns doch erstmal feiern! Dieses unglaublich tolle Paar!!!“ versuche ich einen Themawechsel. „Über was redet ihr denn so ernst“ gesellt sich jetzt Marc dazu und drückt seiner Frau ein Kuss auf den Mund. „Schatz, Liz möchte in einem Hotel unterkommen und auch nur kurz bleiben“ schmollt sie jetzt und Marc muss grinsen, da er die Masche wohl ebenso gut kennt, wie ich. „Ich habe schon ein kleines Ferienhaus für sie gefunden. Alex wollte mir noch Bescheid geben, ob es klappt. Wo ist er denn hin?“ er guckt sich um und genau in dem Moment klatsch Alex seine Hand freundschaftlich auf seine Schulter. „Hinter dir mein Freund!“ man merkt richtig die enge Freundschaft der beiden Männer. Lara hatte mir erzählt, dass die beiden sich schon als Kinder kennen gelernt und sich nie aus den Augen verloren hätten. „Worum geht es?“ Fragt er ihn locker. „Alice braucht doch eine Unterkunft.“ Beginnt Marc. „Ja, das ist kein Problem! Das Haus ist frei. Sie kann da jederzeit einziehen.“ Er kramt in seiner Tasche und holt einen kleinen Schlüsselbund raus und hält ihn mir entgegen. „Es ist nicht weit entfernt von Lara und Marcs Haus! Und auch Emma und ich wohnen sehr nah!“ merkt er an, als ich die Schlüssel entgegennehme. „Vielen Dank!“ und weiter komme ich auch nicht, auch wenn ich noch lange in die unglaublichen Augen von Alex starre. „Super, dann ist das geklärt!“ freut sich Lara und gibt ihren Mann wiederum einen Kuss. Die Zeit vergeht schnell und schon steht die riesige Torte im Garten des Anwesens und Alex und ich sind dran mit unseren Reden. Wir haben uns vorher schon geeinigt, dass ich anfangen werde. Ich trete auf die kleine Empore und da es hier sehr weitläufig ist greife ich nach dem Mikrofon. Alles lächeln mir aufmunternd zu. Und dann fange ich an mit meiner halb studierten und improvisierten Rede. „Hallo zusammen, wir freuen uns sehr, dass ihr so zahlreich erschienen seid.“ Beginne ich meine Rede mit den Standard Worten und ergänze noch etwas zu dem Tagesplan und zu den einzelnen erwähnenswerten Gästen, die zum Teil von sehr weit gekommen sind. „Als mich Lara vor drei Tagen anrief und sagte ich solle nach Venezuela kommen habe ich sie für verrückt erklärt. Als sie dann aber sagte sie würde heiraten, war mir klar ich packe meine Sachen und fliege sofort hier her. Lara und ich kennen uns schon eine Ewigkeit. Wer also peinliche Bilder oder Videos haben sagt einfach Bescheid davon habe ich genügend“ Gelächter bricht aus und Marc muss sich einen Knuff von Lara gefallen lassen, als er sich sofort meldet. „Ich bin einfach sehr froh mit diesen beiden tollen Menschen diesen Tag verbringen zu dürfen. Lara ist wie…. Nein Lara ist meine Schwester und damit die wichtigste Person in meinem Leben und ich bin glücklich, dass sie so einen tollen Mann gefunden hat. Ich weiß noch ganz genau, wie ich sie damals in diesen wirklich teuren Club geschliffen habe und sie sich gesträubt hat dort hineinzugehen. Doch ich bin froh, dass ich es getan habe sonst hättest du deinen Marc nicht kennengelernt. Der Abend wird uns dreien sicherlich sehr gut in Erinnerung bleiben“ zwinkere ich ihnen zu „Ich glaube auf nähere Erläuterungen verzichte ich“ „Oh, ja bitte“ meldet sich Lara zu Wort und es bricht wieder lautes Gelächter aus. Ich berichte noch von vielen weiteren Erlebnissen und alle hören gespannt und belustigt zu „Wenn ich überlege was wir alles durchgemacht haben, dann wünsche ich mir einerseits, dass ihr das nicht müsst, andererseits hat es uns so zusammengeschweißt und ich bin dankbar dafür es mit dir erlebt zu haben.“ Viele der Leute hier wissen nicht was ich meine, doch Lara weiß es und die Tränen laufen ihr in einem herunter. „Ich wünsche Euch alles erdenklich Gute und freue mich von Herzen für Euch!“ damit beende ich meine Rede und merke, dass auch ich die ein oder andere Träne verdrücken musste. Ich gebe das Mikro an Alex weiter und unten werde ich erstmal von Lara in den Arm genommen. Dann beginnt Alex zu erzählen und auch hier gibt es einiges zu Lachen. Doch euch Einprägsame Erlebnisse und dann die Schilderung, wie er Lara kennengelernt hat. „Ich weiß noch ganz genau, wie ihr beide vor über einem halben Jahr bei mir ins Haus marschiert kamt und ich wusste direkt, dass du es ernst meinst mit dieser tollen Frau. Die Clubs wurden von euch mehr als unsicher gemacht und meine Jungs begaben sich alle samt auf die Suche nach einer vergleichbaren Frau.“ Die Gruppe Männer an der anderen Seite der Empore Lachen laut doch kratzen sich auch verlegen. „Hier euer Trauzeuge zu sein ist auch für mich eine große Ehre.“ Sein Blick schweift zu mir. „Ihr könnt jederzeit zu mir kommen mit euren Anliegen. Und falls du einen Männerabend brauchst melde dich einfach!“ richtet er sein Wort nochmal direkt an Marc, der ebenso wie Lara berührt von den Reden ist und davon, dass wir nicht nur eine Lobesrede halten. Die beiden hatten sich vorher von uns schon gewünscht, dass vor allem auch das Leben vor ihrer Liebe noch einmal beleuchtet werden sollte und das haben wir gemacht. Der Tag klingt wundervoll aus. Nach noch ein paar Hochzeitsspielen, der Torte und einem unglaublich guten Abendessen sammeln sich alle vor dem großen Gebäude und eine Kutsche mit vier weißen Pferden steht vorne bereit. Das eine hübscher und muskulöser als das andere. Das Brautpaar verabschiedet sich noch von allen und dann fährt die Kutsche auch schon ab und meine beste Freundin und Schwester nennt sich jetzt Mrs Lara Trenton.
Es sind bereits sechs Tage vergangen seit der Hochzeit. Emma, Lara und Marc haben sehr viel Zeit mit mir verbracht und mir ein wenig Caracas und die Umgebung gezeigt. Aber mir auch deutlich gezeigt, welche Gebiete ich besser meiden solle. Es scheint als seinen diese Touren auch genau deswegen geplant worden. Von Alex und Matheo habe ich nichts mehr gehört. Was ich aber auch nicht als schlimm erachte. Ich verbringe sehr viel Zeit mit Emma und Lara an den Stränden und abends sitze ich auch ab und an in dem wirklich tollen und vermutlich sehr teurem Ferienhaus und genieße die Ruhe und Sicherheit, die mir die Alarmanlagen und das Sicherheitsschloss irgendwie geben. Auch heute Abend sitze ich entspannt in einem der schönen Sessel und schalte durch das Programm auf denen heute mal wieder nichts Sehenswertes zu kommen scheint. Marc und Lara sind übers Wochenende kurzfristig nach Europa geflogen, da Marc dort geschäftlich zu tun hat und Lara immer schon mal nach Paris wollte. Sie hatten mich auch gefragt, aber ich wollte ihnen in keinen Fall die Reise vermiesen. Auf einmal vibriert mein Handy auf dem Esstisch und ich springe schnell auf, um zu sehen, wer es ist. Zu meiner Freude steht Emmas Name auf dem Display. „Hey“ melde ich mich fröhlich und nehme direkt die quietschige Stimme von Emma wahr. „Liz, zieh dir schnell was Schickes an wir gehen heute feiern!!!“ schreit sie schon fast in das Telefon und ich halte es etwas von meinem Ohr weg. „Ich bin in zehn Minuten da!“ und damit war die Leitung abgebrochen. So schnell hat man hier also Termine überlege ich und mache mich schnell fertig. Ein kurzes schwarzes Kleid ein paar schicke Schuhe und eine Clutch. Outfit ist fertig denke ich mir und richte noch ein wenig meine Haare und mein Make up. Und kurz später steht Emma auch schon vor der Türe. „Wir gehen heute in den neuen Club“ erzählt sie direkt begeistert und ich traue meinen Augen kaum, als ich einen roten Ferrari in der Einfahrt erblicke. „Schlichter ging es nicht, oder?“ scherze ich und Emma antwortet trocken. „Mein Bruder hat mir gesagt ich solle meinen Wagen nicht benutzen, also habe ich den von ihm genommen.“ Damit setzt sie sich in das weiche Leder. „Dein Bruder weiß aber dass du den Wagen hast, oder?“ frage ich sie „Ja, klar. Komm schon steig ein“ grinst sie mir zu. Der Ferrari ist genauso, wie der Jaguar, den ich weiterhin nutzen darf, ein Traum zu fahren. Und Emma scheint Geschwindigkeit sehr zu lieben. „So wir sind da!“ meldet sie sich zu Wort, als wir durch die verschiedensten Straßen und Gegenden von Caracas geflogen sind und stehen vor einem neugebauten, riesigen Gebäude mit der Aufschrift ‚Dreamers‘. Emma steuert ihren Wagen auf das ebenfalls neu gebaute Parkhaus zu. „Das wird ein geiler Abend, Liz.“ Freut sie sich und ist kaum mehr zu halten. Kurz später stehen wir in der Eingangshalle des riesigen Clubs. Emma grüßt immer wieder die Leute die an uns vorbeigehen, dass ich mich langsam frage woher sie all die Leute überhaupt kennen kann. Andere gucken sie böse oder verachtend an und sie wirft ihnen den gleichen Blick zu. „Der Club ist wirklich Mega!!!“ schreit sie mir über die Laute Musik zu, die wirklich nicht schlecht ist. „Komm, Lass uns tanzen!“ schreit mir Emma zu und kaum hat sie zu Ende gesprochen zerrt sie mich hinter sich her. Tanzen konnte ich schon immer relativ gut und schnell haben wir den Rhythmus gefunden. Immer wieder werden wir angetanzt und es macht Spaß mal wieder so unbekümmert unterwegs zu sein. Mittlerweile sind sehr viele auf der Fläche und bewegen sich wild mit der Musik. Ganz außer Atem gucke ich mich in dem einen Raum der vielen in diesem Club um. Und dann stockt mir der Atem. Ich gucke extra noch einmal weg und wieder hin, doch ich habe mich nicht getäuscht. Es ist der Mann, der diesen Chris am Flughafen angeschossen hatte. Dieser kleine unattraktive Typ. Ich ziehe Emma zu mir, die fast aus dem Gleichgewicht kommt. „Emma, kennst du den?“ Emma muss erstmal suchen bis sie weiß wen ich meine. „Scheiße! Wir müssen hier raus! Komm schon Liz!“ und wieder zehrt sie mich am Arm nach hinter sich her. „Emma, unsere Jacken?“ frage ich sie doch Emma läuft so schnell sie kann mit mir als Anhängsel weiter. „Was ist los?“ frage ich sie erneut und etwas lauter. Alle möglichen Menschen glotzen uns an, als wir uns den Weg nach draußen bahnen. „Verdammt. Alex bringt mich um. Komm schon beeil dich! Wenn der mich hier sieht, dann…“ Emma verstummt und ich laufe in sie rein, da sie so plötzlich stehen bleibt. „Na, wen haben wir denn da?“ fragt uns ein borstiger, breiter Mann, der uns den Weg versperrt. Emma scheint stark am Überlegen zu sein. „Wer ist das Emma?“ frage ich sie. „Und wer ist deine hübsche Begleitung?“ fragt der schmierige Typ jetzt weiter. Emma schweigt und scheint sehr angespannt zu sein. „Weiß dein Bruder, dass du dich hier herumtreibst? Er hat es dir doch sicher verboten, nachdem was passiert ist?!“ merkt der Unbekannte kritisch an und mir fällt alles aus dem Gesicht. Wir hätten wohl nicht hier herkommen dürfen… und Emma wusste es? „Markus, was machst du da?“ kommt von hinten eine Stimme und ich erkenne sie wieder auch wenn es schon eine Woche her ist, dass ich sie das letzte Mal gehört habe. Was mache ich bloß, wenn der Typ mich erkennt. Die Ärztin, die seinem Feind geholfen hat. Ich mache mich selbst etwas lustig über mich. Doch ich bekomme immer mehr das Gefühl, dass man hier schnell zwischen die Fronten zweier rivalisierenden Gruppen kommen konnte. „Guck mal hier ist die Schwester vom Cortez“ das letzte Wort betont er hasserfüllt und angewidert. „Und eine hübsche Freundin hat sie auch mitgebracht.“ Ich merke, wie der Mann der vielleicht minimal größer ist als ich an mir vorbeigeht und zum dritten Mal verspüre ich wirklich Angst. „Oh, na sieh mal wer das ist“ gluckst der Mann und seine Mundwinkel ziehen sich nach oben. „Fräulein, Sie sind da in ganz schlechter Gesellschaft. Das wollte ich Ihnen bereits am Flughafen gesagt haben.“ Merkt er an und guckt mir spöttisch in die Augen. Der Mann geht jetzt direkt auf Emma zu und packt sie grob am Kinn. Alleine das zu sehen macht mich total wütend und ich trete vor und schiebe Emma mit meinem Köper hinter mich, damit er sie loslassen muss. Ich muss jetzt irgendwie selbstsicher rüberkommen überlege ich und hebe mein Kinn herausfordernd an „Ich denke meine Gesellschaft suche ich mir selber aus!“ erwidere ich dann mit der Selbstsicherheit, die ich auch haben wollte und Emma zieht mir ängstlich am Arm. „Ach ja? So wie du sprichst kommst du wohl aus den USA, nicht wahr? Du wirst schnell merken, dass hier der Hase anders läuft. Recht ist hier was anderes als dort.“ Erklärt er und immer wieder kommen diese abfälligen Blicke. Und wie schnell wir beim du sind wundert mich auch. „Du bist Ärztin, nicht wahr? Falls du möchtest habe ich einen guten Job für dich, gut aussehen tust du ja!“ sagt er anzüglich und widert mich damit nur noch mehr an. „Danke, ich bin nicht interessiert“ antworte ich und er kommt etwas näher. „Falls du deine Meinung ändern solltest aus irgendeinem Grund. Melde dich einfach!“ er reicht mir eine Karte auf der ein paar Nummern stehen. „Lass sie gehen! Ich habe heute einen guten Tag!“ sagt der Mann noch im Gehen. Markus guckt ihm verwirrt nach „Na da haben die Ladys noch einmal Glück gehabt. Grüßt Alex von uns.“ Damit spuckt er Emma vor die Füße und verschwindet in der Menge. „Komm wir müssen weg hier.“ Entkommt es Emma verunsichert und wir laufen in Richtung Parkhaus. Bevor wir dieses erreichen hören wir quietschende Reifen und ein Sportwagen und ein schwarzer Geländewagen kommen nur kurz vor uns zum Stehen. Die hellen Scheinwerfer blenden mich, doch Emma ahnt wohl schon, wer es ist. „Scheiße, jetzt gibt es Ärger!“ entkommt es ihr, doch die Situation eben hatte ihr wohl mehr ausgemacht, als das was jetzt folgen würde. Erst als Alex vor die Scheinwerfer tritt erkenne ich ihn. Er sieht gestresst aus und das Haar von ihm ist wieder leicht zerzaust. „Emma, ist das dein Ernst?“ schreit er sie an und rauft sich dann sauer die Haare und dreht sich weg. Auch Matheo kommt jetzt mit drei weiteren Männern vom hinteren Wagen. „Ein Glück und Alice ist auch hier!“ bemerkt er und zückt sofort sein Handy, um zu telefonieren. Emma und ich fangen an zu frösteln. Der leichte Wind der geht ist dann doch ein wenig frisch bei etwa vierzehn Grad, die wir jetzt in der Nacht haben. Emma scheint den Tränen nah. „Du verbietest mir alles! Ich bin jetzt schon fünfundzwanzig und darf trotzdem nichts machen ohne deine Erlaubnis.“ Jetzt nehme auch ich etwas schmollendes und einfach trotziges in Emmas Stimme wahr. „Komm Alex. Wir bringen die zwei erstmal ins Warme und dann Reden wir in Ruhe!“ mischt sich Matheo schließlich ein. Alex ist immer noch wütend, das merkt man ihm sichtlich an. Ohne ein weiteres Wort setzt er sich in seinen Wagen. Als die Tür zu geht fangen die Männer direkt wie wild an zu reden. Dann auf einmal stürmen sie alle zum hinteren Wagen und ich verstehe die Welt nicht mehr, als auch Emma in den hinteren Wagen springt und mir noch zuruft. „Tut mir Leid Liz.“ Erst dann realisiere ich, dass ich wohl in den Wagen von Alex steigen soll. Also gehe ich zur Beifahrertür und öffne diese vorsichtig. „Was ist mit deinem Wagen im Parkhaus?“ frage ich ihn und er bedenkt mich mit einem kurzen Blick „Ich lasse ihn morgen holen… Steig ein!“ fordert er mich auf und wirkt dabei nicht mehr richtig sauer, sondern eher genervt. Ich lasse mich in das weiche, helle Leder sinken und fühle mich dennoch nicht wohl in Alex Gesellschaft. Kurz später sind wir schon auf einer der Hauptstraßen angekommen und ich sehe im Seitenspiegel, dass die anderen uns dicht folgen. „Diese Taktik von den Jungs hast du spätestens nach dem zweiten Mal durchschaut! Die wollen alle den Ärger nicht abbekommen, deshalb laufen sie wie kleine Kinder zu dem anderen Wagen…“ Alex scheint ein wenig amüsiert zu sein. Zumindest umspielt ein Lächeln seine wohlgeformten Lippen. Er schaut rüber zu mir und ich versuche seinem Blick auszuweichen. „Sonst sind immer genug Plätze im Zweitauto…“ er guckt nachdem er mich kurz betrachtet hat wieder nach vorne und seine Miene ist wieder wie versteinert. Ich weiß einfach nicht, was ich in dem Moment sagen soll. Sicher ärgert sich Alex total über Emma, auch wenn ich noch nicht so ganz verstehe warum, aber was soll beziehungsweise habe ich mit einem mir bisher einmal begegneten Mann zu reden? Alex scheint das zu merken und dreht die Musik etwas auf, damit die Stille nicht zu unangenehm ist. „Es kommt also öfter vor, dass Emma loszieht und ihr sie wieder einsammelt?“ frage ich dann und das interessiert mich wirklich. „Leider ständig. Heute hat sie das Ganze noch getoppt und dich und meinen Wagen mitgenommen…“ Alex wird wieder sauer. Es wundert mich, dass er auch mich aufzählt. „Ich habe selbst entschieden, dass ich mitgehe. Das war meine Entscheidung. Mache Emma dafür bitte nicht verantwortlich!“ mische ich mich jetzt in diese Angelegenheit ein wenig ein. „Alice“ ich erschaudere, als er meinen Namen so sagt. „du verstehst noch nicht, wie das System hier läuft. In welcher Gefahr ihr euch eben befunden habt… du hast gar keine Vorstellung, was hier alles passiert!“ es erinnert mich an die Worte des alten Mannes am Flughafen, aber auch an den Typen von eben. „Ich weiß auch mittlerweile nicht mehr, ob ich das überhaupt wissen möchte.“ Stelle ich eigentlich eher für mich fest, aber merke dann, dass ich es laut gesagt habe. „Das kann ich gut verstehen!“ und in seiner Stimme schwingt Ehrlichkeit, aber irgendwo auch ein bisschen Traurigkeit, was mich bei ihm sehr wundert. Die Zeit vergeht schnell und auch der Wagen tat das restliche dazu, dass wir vor dem Haus von Emma und Alex stehen. Ich war bereits einmal kurz hier gewesen, um ein paar Sachen mit Emma zusammen abzuholen in den letzten Tagen und habe da schon das Haus und seine ganze Einrichtung bewundert. „Macht es dir was aus heute bei uns im Gästezimmer zu schlafen? Dann verpasse ich meine Schwester jetzt nicht und kann ihr noch meine Meinung zu ihrem Verschwinden sagen…“ er guckt mir in die Augen und erneut halten mich diese gefangen auf eine schöne Art und Weise. „ich kann dich sonst auch später noch rüberbringen oder einer der Jungs…“ Ich unterbreche ihn. „Nein, Nein ich kann auch hier schlafen.“ Antworte ich und steige aus dem bequemen Sportwagen. Auch Alex steigt aus und Emma versucht sich gerade an ihm vorbei zu stehlen. „Mooooment Emma“ ruft Alex seiner Schwester hinterher und verschwindet ebenfalls im Haus. „Tschau Alice!“ winkt Matheo ihr zu. „Gute Nacht euch allen, hoffentlich bis bald!“ verabschiede ich mich von den Jungs und alle heben kurz die Hand, ehe ich auch in das erhellte Haus trete und die Tür hinter mir schließe. Sofort springt das Sicherheitssystem, wie auch in meiner Unterbringung an. Ich ziehe meine Schuhe im Flur aus und gehe dann weiter in den riesigen Wohn- und Essbereich. „Bist du verrückt? Santiago hätte sonst was mit euch anstellen können! Nur weil du wieder in diesen neunen Club wolltest bringst du dich und auch noch Alice in so eine Gefahr.“ Alex sitzt Emma gegenüber auf den weißen Ledercouches. „Es ist doch nichts passiert! Es war alles in Ordnung. Wir wären zurückgekommen und es wäre alles super gewesen!“ kontert sie ihm und versucht seine Sorgen unbegründet zu lassen. „Du machst mich verrückt, Emma.“ Alex streicht sich müde durch sein Haar. „Wenn Mom und Dad davon erfahren sind sie außer sich!“ merkt er an und direkt tut sich was in Emmas Gesicht. „Du darfst ihnen nichts sagen, Alex. Bitte sag ihnen nichts darüber.“ Fleht Emma ihn jetzt schon fast an. „Es ist deine letzte Chance, okay?“ bietet er ihr an und sie fällt ihm um den Hals. „Danke, Danke, Danke!“ bedankt sie sich überschwänglich und ist schnell in Richtung der Treppen verschwunden. „Ich weiß gar nicht, wie oft sie mir das jetzt schon versprochen hat sich zu ändern…“ sagt Alex und steht auf um zu einem der kleinen schönen Anrichten zu gehen und sich dort ein Glas mit irgendetwas hochprozentigem einzuschenken. „Willst du auch?“ bietet er an „Nein, danke!“ lehne ich ab und setze mich auf das Sofa auf welchem Emma vorher saß. Er setzt sich dann auch wieder auf das Sofa und schwenkt das durchsichtige Getränk in seinem gläsernen Behältnis. „Emma hat Angst ich schicke sie zurück zu unseren Eltern.“ Erklärt er warum seine Schwester so schnell eingelenkt hat. „Darf deine Schwester noch nicht alleine Leben?“ frage ich ihn dann und bin sicher er hat wieder einen Grund warum sie es nicht darf. Er betrachtet mich aus seinen jetzt gerade fast pur blauen Augen. Irgendwie hat sich das Grün zurückgezogen, oder es liegt einfach nur am Licht. „Hier in Venezuela und vor allem in den Hauptstädten hat man zum Teil das Gefühl einer rechtlichen Ordnung, aber in manchen Vierteln regiert hier immer noch das Gesetz: Der Stärkere überlebt. Oder halt der Stärkere bekommt Recht.“ Fängt er an zu erklären. „Ich hatte kurz vor deiner Ankunft mit Lara und Marc gesprochen, wie wir es bei dir Handhaben sollen und wir hatten uns vorerst darauf geeinigt dir nichts über die Gruppierungen hier zu erzählen, da wird dachten es sei immer einer von uns mit dir unterwegs. Heute wurden wir mal wieder eines Besseren belehrt…“ er runzelt die Stirn. „Es gibt hier verschiedene Gruppen und am Flughafen hast du die zwei stärksten hier aus Caracas kennengelernt. Wir versuchen uns mittlerweile an öffentlichen Orten keine Beachtung zu schenken, doch das fällt dem einen oder anderen dann doch mal schwerer. Mein Vater und ich sind so etwas wie die Führung für unsere Männer“ fährt er fort und ich komme mir vor, wie in so einem Gangster Film „Das heißt ihr gehört alle einer Gang an“ da war ich ja wieder in etwas hereingeraten. „Ja aber auch nein. Wir sehen uns als eine Gruppierung. Wir arbeiten schon seit Jahren mit der Polizei zusammen und versuchen die Wirtschaft hier weiter anzukurbeln und unsere Unternehmen erfolgreich zu machen! Wir sind nicht auf Gewalt und Straßenschlachten aus, sondern wollen lediglich in Ruhe erfolgreich wirtschaften können“ versucht er sich zu erklären und nimmt einen Schluck von dem Hochprozentigem. „Okay, also ihr wollt keine Gewalt, dennoch seid ihr immer mit Waffen unterwegs und ihr seid keine Gang aber fahrt in Grüppchen umher. Das wirkt sehr schlüssig auf mich!“ nicke ich und Alex merkt sicher, dass ich einfach alles sehr widersprüchlich finde. „Alice, es ist schwer für jemanden zu verstehen, der von außerhalb kommt…“ fängt er an. „Ja, so jemanden wie mich!“ stelle ich direkt seine Umschreibung klar. Der Mundwinkel von Alex fängt wieder an zu zucken und er muss sich das Lächeln verkneifen. „Okay, also ich soll mir merken, dass ich nicht in irgendwelche Clubs renne, da ich dort anderen Gruppierungen begegnen könnte und diese es auf mich, die keine Ahnung von dem allem hier hat, abgesehen haben. Außerdem tragt ihr die Waffen nur um Euch zu schützen und ihr seid unternehmungslustig und deshalb immer zusammen unterwegs.“ Ich bin einfach nur müde und möchte das hier hinter mich bringen. „Okay, ich glaube wir beenden das für heute und ich zeige dir das Gästezimmer“ erwidert er dann ohne auf meinen wohl eher schlechten Humor anzuspringen. Alex zeigt mir noch das Gästezimmer mit Bad und verschwindet dann ein paar Türen weiter. Kurz später ist das Haus dunkel und auch ich schlafe schnell ein.
Die venezolanische Sonne weckt mich am nächsten Morgen und mir fällt ein, dass ich ja gar nichts anderes zum Anziehen hier habe, also mache ich mir nur schnell die Haare zurecht und benutzte die einmal Zahnbürste, die im Bad bereitsteht. Ich gehe dann durch die Tür nach draußen und mir kommt direkt ein Kaffeeduft entgegen. Als ich die Treppe nach unten gehe und dem Duft folge komme ich in eine wunderschön designte Küche. An einem der Tresen steht mit dem Rücken zu mir Alex, der wohl gerade frisch geduscht seinen Kaffee trinkt und wie ich bei näheren betrachten erkennen kann, den Wirtschaftsteil in der Zeitung liest. „Guten Morgen“ grüße ich ihn, als er mich bemerkt. „Morgen. Kaffee?“ fragt er direkt. „Ja, gerne.“ Antworte ich und kurz später nippe ich an meinem Kaffee und gucke nach draußen über einen Teil der schönen Villen hier in Caracas. „Ich fahre gleich los um ein paar Geschäftstermine zu erledigen. Soll ich dich noch an deinem Haus absetzen?“ fragt er mich unbeteiligt und blättert weiter in der Zeitung herum. „Gerne. Ich denke Emma wird noch länger schlafen und ich muss mich noch um ein paar Angelegenheiten kümmern!“ entgegne ich ihm. Da wird er aber dann doch hellhörig und guckt mich interessiert an. „Ein paar Sachen in New York muss ich noch klären!“ beantworte ich ihm die Frage, die vermutlich seine Augen mir stellen. „Fliegst du in den nächsten Tagen wieder zurück?“ fragt er mich und jetzt ist seine ganze Aufmerksamkeit nur auf mich gerichtet, was mir einen angenehmen Schauer über den Rücken jagt und meinen Bauch kribbeln lässt. „Das weiß ich noch nicht genau, es hängt von einigen Faktoren ab!“ antworte ich ehrlich und merke, dass er diese Faktoren gerne wissen würde. „Ich glaube wir sind uns einig darüber, dass ich dich nicht gut genug kenne, um dir mein ganzes Leben zu offenbaren, oder?“ nehme ich ihm die Frage vorweg und kriege dafür ein Lächeln von ihm, welches ihn noch Attraktiver wirken lässt. „Okay, da hast du wohl Recht! Dann lass uns mal aufbrechen!“ hat er es plötzlich eilig und nur wenige Augenblicke später finde ich mich in meinem Ferienhaus wieder und gehe erstmal Duschen um mich dann nochmal für zwei Stunden hinzulegen. Der Schlaf tut mir gut und als ich dann gegen halb zehn nach unten in Küche komme, um mir den zweiten Kaffee des Tages zu gönnen vibriert mein Handy, welches ich dort auf der Anrichte hab liegen lassen. ‚Lara‘ steht auf der Anzeige und ich schätze, dass sie wohl schon Wind bekommen hatte vom letzten Abend. Ich lasse es weiter klingeln und überlege mir sie später, wenn ich richtig wach bin zurückzurufen. Erstmal gehe ich mit meinem Kaffee und lege mich in die warme Badewanne und entspanne etwas und bin wohl dann eingeschlafen. Ich steige aus der Wanne und meine Haut ist ganz schrumpelig durch das Wasser. Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass ich wohl für eine Stunde weggenippt bin und in der Zeit vier Anrufe in Abwesenheit hatte. Ich gehe das Protokoll durch und wundere mich über eine unbekannte Nummer, die auf meinem Display aufleuchtet. Die restlichen drei Anrufe sind erneut von Lara. Ich drücke direkt auf den Anrufbutton und muss nur kurz warten, bis Laras Stimme am anderen Ende ertönt. „Hey, Lara!“ begrüße ich sie freudig. „Weißt du eigentlich, wie oft ich es probiert habe.“ Gibt sie mürrisch von sich. „Viermal?!“ antworte ich belustigt und erwarte einen kleinen Ausbruch ihrerseits, doch der kommt nicht „Nein, Nein… ich bleibe ganz ruhig!“ überzeugt sie sich selbst. Wenn meine beste so ruhig bleibt hieß es meist, dass sie irgendetwas von mir möchte und das bestätigt sich auch direkt in ihrem nächsten Satz. „Ich wollte dich eigentlich erst fragen, wenn wir wieder zurück sind, aber ich bin einfach zu nervös, um so lange zu warten.“ Gibt sie zu und ich kann mir sichtlich vorstellen, wie sie Marc mit ihrer Art in den Wahnsinn treibt. „Ich habe das Gefühl, dass du dich hier bei uns in Caracas sehr wohl fühlst und einfach auch sicherer. Seitdem du da bist fühlst du dich doch nicht mehr verfolgt, oder? Wieso versuchst du nicht hier irgendwo einen Job zu finden. Es gibt bestimmt viele Krankenhäuser, die jemanden suchen der deine Kompetenz hat! Dann wird es sicher auch nicht schwer mit dem ganzen bürokratischen Kram!“ schlägt sie total überzeugt vor. Ich muss zugeben, ich fühle mich hier an sich wohl. Nimmt man die Ankunft und die Clubnacht heraus und ich wäre traurig Lara und Emma wieder verlassen zu müssen, aber so eine Entscheidung sollte ich dennoch überdenken! „Lara, ich möchte es nicht ganz ausschließen, aber ich glaube es ist noch zu früh so etwas zu entscheiden“ merke ich an, doch bevor ich die letzten Worte ordentlich zu Ende sprechen kann, fängt sie wieder freudig an zu quatschen. „Okay, ich werde mal mit allen sprechen! Wir finden einen super Job für dich! Keine Widerrede. Genieße deine freie Zeit, denn bald musst du wieder arbeiten!“ kommt es noch schnell von ihr bevor sie dann direkt aufgelegt hat. Mein „Lara, aber….“ Geht vollkommen unter. Na super. Lara macht wieder was sie will und diesmal konnte ich gucken, wie ich aus der Sache wieder rauskomme. Zwanzig Minuten später stehe ich erneut unten in der Küche und mache mir endlich was zu Essen und als mein Handy erneut klingelt, will ich es an die Wand schmeißen, doch es ist die Nummer der Dienststelle, die meinen Fall bearbeitet. „Alice Lindström“ melde ich mich und klemme mir mein Handy zwischen Ohr und Schulter, um mein Essen noch zum Tisch zu tragen. „Miss Lindström, gut dass ich Sie erreiche. Wir machen langsam Fortschritte in ihrem Fall und wollten auch sichergehen, dass sie sicher untergebracht sind.“ Meldet sich Smith bei mir. „Ja, mir geht es sehr gut. Haben Sie denn schon etwas herausgefunden über die Person?“ frage ich interessiert nach und bin etwas aufgeregt, dass ich meinen Teller etwas zu stark kippe und mir die Tomaten und Gurken herunterkullern, die ich eben noch geschnitten hatte. „Nein, genaues können wir leider noch nicht sagen, aber sie sollten sich weiterhin nicht so viel alleine hier in New York herumtreiben.“ Merkt er an und ich schließe daraus, dass sie eigentlich noch nichts haben und ärgere mich fast schon darüber. Es folgen noch ein paar Fragen zu Personen aus meinem Umfeld, die etwas damit zu tun haben könnten und wie lang mir das genau aufgefallen ist. Das erzürnt mich noch mehr, da ich diese Fragen ja auch schon mehrmals auf der Wache beantwortet hatte. Doch bevor ich meine Kritik an dem Beamten ausüben kann, klingelt es an der Türe und ich gehe samt meinem Handy herüber. Smith labert mich weiter voll und als ich Alex vor der Tür stehen sehe drücke ich ohne nachzudenken auf das Symbol zum Türe öffnen. Und höre auch, wie er dann das Haus betritt. „Miss Lindström, seien sie bitte vorsichtig und gehen Sie nur in Gesellschaft raus!“ fast fürsorglich hört sich der Polizist schon an. Ich sehe, wie Alex die zwei Stufen zum Essbereich hinauf tritt während ich zur Küche gehe und einen Lappen für den umgekippten Teller hole. „Ja, ich bin außer Landes und werde dann noch ein paar Tage länger bleiben! Aber bitte geben Sie sich Mühe und melden sich nur, wenn es ausschlaggebende Ergebnisse gibt.“ Sage ich dann noch leicht gereizt, während ich den Lappen am Waschbecken etwas anfeuchte. Und bemerke Alex, der mich wohl genau beobachten zu scheint. Ich mache ihm ein Handzeichen, dass er sich ruhig setzen kann, dem er auch nachkommt und dabei meine Tischplatte mustert, die mit Gurken und Tomaten verunstaltet ist. „In Ordnung. Sie hören von uns!“ verabschiedet sich dann der Polizist und damit lege ich mein Handy ab und gehe zurück zum Tisch. „Hi, sorry ein mehr oder weniger wichtiger Anruf.“ Erkläre ich kurz und mache mich etwas darüber lustig, dass Smith sich wegen ‚nichts‘ Genauerem meldet. Ich merke genau, dass Alex mir seine ganze Aufmerksamkeit schenkt. Wem auch sonst, wenn nur wir beide hier sind versuche ich die ganze Sache neutral für mich zu belegen. „Es scheint dich trotzdem ein wenig aus der Bahn geworfen zu haben!“ mit einem Blick weist er auf das verunglückte Essen, welches ich gerade wieder auf den Teller manövriere. „Nein, das war das Ergebnis der Unzufriedenheit mit dem Ergebnis. Versuche ich meine Unsicherheit bezüglich dieses Telefonats zu vertuschen. Immerhin brauchte er ja nicht alles zu wissen. „Okay, verständlich.“ Ein Zucken verbirgt sich wieder in seinem Mundwinkel und ich bin mir sicher, dass er sich etwas über mich lustig macht. „Warum bist du hier?“ frage ich ihn dann direkt, während ich den Lappen zurück in die Küche nehme und Besteck und eine Schale mit Brot und Butter mit zum Tisch nehme. „Ich musste nochmal zuhause vorbei und dann hat mich Marc angerufen, dass Lara dich nicht erreicht und ich einmal vorbeischauen soll, wenn ich in der Nähe bin.“ Antwortet er ehrlich und ohne Umschweife. „Oh, das tut mir leid. Hätte ich das gewusst dann …“ mir fällt ein, dass ich seine Nummer gar nicht habe. Er holt sein Handy aus meiner Tasche und kurz später vibriert meines in der Küche. „Jetzt hast du meine Nummer, falls mal irgendetwas sein sollte“ und dann packt er sein Handy wieder weg. „Super, danke! Was ich dich noch fragen wollte. Ich werde ein paar Tage länger bleiben, da sich ein paar Umstände geändert haben. Ist das Haus hier dann wieder vermietet oder besteht die Möglichkeit, dass ich mich hier länger einmiete. Ach so und ich bräuchte dann noch die Informationen über die Miete und die Kontodaten.“ Rede ich einfach weiter. Alex mustert mich und meine Augen vertiefen sich wieder in seine blaugrünen. Sofort fängt wieder dieses kribbeln an und ich gucke leicht weg und auch Alex runzelt sich verlegen die Stirn. „Emma wird sich freuen, wenn sie hört, dass du länger bleibst.“ Merkt er an. „Ich bin mal gespannt, was sie für heute geplant hat“ lache ich amüsiert. „Ich glaube nicht viel. Eigentlich wollte ich sie wieder von der Gästeliste für die Clubnight heute Abend im „Generous“ streichen, aber sie würde sich die Augen ausheulen.“ Ich muss lachen, denn das konnte ich mir sehr gut vorstellen. „Hast du Lust mitzukommen? Wir haben noch zwei Karten über, da Lara und Marc nicht kommen.“ Bietet er mir an und ohne weiter darüber nachzudenken stimme ich zu „Sehr gerne. Ich muss meine Zeit hier ja nutzen und die Wahrscheinlichkeit, danach eine Standpauke zu bekommen ist auch geringer, wenn ihr alle dabei seid.“ Zwinkere ich ihm zu, doch seine Miene wird ernster. „Auch das hat Emma nie davon abgehalten Blödsinn zu machen…“ entkommt es ihm nur und er nimmt sich mein Messer, um sich ein Brot mit Butter zu schmieren. „Soll ich dir auch noch was machen?“ frage ich ihn direkt und mache Anstalten aufzustehen. „Nein, brauchst du nicht. Ich muss auch gleich wieder los.“ Erwidert er und beißt in sein Brot. Ich stehe dennoch auf, um zwei Gläser und eine Flasche Wasser zu holen. Und schenke uns beiden was ein. „Geschäftstermine?“ frage ich ihn. „Ja, genau aber nur noch zwei, dann bin ich für heute fertig.“ Erklärt er mir und nimmt einen Schluck aus seinem Glas. „Ich hätte heute auch Dienst gehabt.“ Überlege ich laut und er guckt mich fragend an. „Aber hatte Lara nicht gesagt du hättest Urlaub.“ Fragt mich Alex interessiert. „Ja, ich habe mir freigenommen… kurzfristig. Ich meine wer hätte gedacht, dass die beiden es so eilig haben“ scherze ich und esse weiter an meinem Salat. „Da können sich Lara und Marc glücklich schätzen.“ Meint er ehrlich. „Ach Quatsch. Für Lara würde ich alles, ok … fast alles tun“ muss ich lachen. Dann klingelt sein Handy und er erhebt sich von seinem Stuhl. „Ich muss los. Danke fürs Essen und bis heute Abend.“ Als er das sagt wirkt er schon wieder unnahbarer, als zuvor. Damit ist er dann aber auch schneller weg, als er gekommen ist.
„Das ist traumhaft, das Kleid!“ Emmas Augen glitzern, als sie mich aus der Kabine gehen sieht. Wie sind noch schnell losgefahren, um mir ein passendes Kleid zu kaufen, da ich erst von ihr erfahren habe, dass es sich um einen Wohltätigkeitsabend handelt. Ich trete in dem dunkel blauen Kleid vor den Spiegel und bin ebenso beeindruckt, wie Emma. Das Kleid liegt sehr schön an und fällt an den Beinen zwar schmal, aber sehr schön und bewegen kann man sich auch durch den intelligenten Schnitt. Natürlich darf ein Hauch von Glitzer und Spitze laut Emma auch nicht fehlen, dennoch ist das Kleid immer noch sehr schlicht. „Du wirst die alle voll weghauen!“ jubelt Emma dann weiter. Ich schüttele nur den Kopf. Wen sollte ich denn bitte weghauen… „Okay nimm das. Schuhe habe ich für dich zuhause und Schmuck werden wir sicher auch noch etwas finden.“ Also brechen wir jetzt mit einem tollen Kleid auf, um uns für diesen Abend schick zu machen.
„So, fertig“ sagt Emma, als sie meine Haare zu einem wunderschönen Dutt hochgesteckt hat und mir noch einzelne Locken über die Schultern fallen. Auch Emma sieht unglaublich hübsch aus. Sie hat ein sehr helles, gelbes Kleid an, was ihr sehr gut steht und in Höhe der Knie ähnlich wie ein Cocktailkleid etwas gestaucht ist. Es ist auch ein bisschen frecher geschnitten, als meines. Aber es passt voll und ganz zu ihr. Ich hatte ihr vorhin noch die Haare gelockt und ihr ein bisschen beim Makeup geholfen, somit sind wir jetzt startklar. Emma hatte schon die ganze Zeit davon geschwärmt, wie toll dieser Clubabend sei. Es gäbe tolles Essen aber vor allem wäre Alles für den guten Zweck. „Okay komm Liz, lass uns runter gehen die Männer warten sicher schon!“ hetzt Emma mich jetzt, als ich noch alles Wichtige in meine Clutch befördere. Dann gehen wir zusammen die Treppe hinunter in den offenen Wohn- und Essbereich, wo die Herren schon teilweise sehr genervt auf uns warten. Matheo springt sofort auf, als er uns sieht. „Wow, okay. Mit euch beiden haben wir sicher kein Problem reinzukommen!“ sagt er bewundernd und begrüßt uns mit einem Kuss auf die Wange. Zwei andere Männer nicken uns zu, doch auch sie mustern uns interessiert von oben bis unten. Auch Alex tut es ihnen gleich, doch auf eine schätzende Art und Weise und nicht so, wie die anderen zwei schmachtender Weise. „Das will ich doch hoffen“ antwortet Emma auf Matheos Statement. „Na dann, lasst uns los“ fordert Matheo alle auf, während Alex wieder irgendetwas auf seinem Handy herumtippt. Erst jetzt betrachte ich ihn richtig. Auch er hat sich rausgeputzt für diesen Abend und einen sehr schicken Anzug ausgesucht. Die anderen sind schon durch die Tür. „Kommst du?“ frage ich an ihn gewandt und nach einem kurzen Moment wendet er sich mir zu. „Ja, geht ruhig schon einmal vor. Ich komme gleich nach.“ Erwidert er mir und wirkt wieder etwas gestresst, während er sich wieder das Handy an sein Ohr hält und telefonierender Weise nochmal die Treppe nach oben nimmt. Ich gehe darauf nach draußen und die kühle Luft weckt mich direkt auf. Es sind ungefähr vierzehn Grad und ich ärgere mich, dass ich mir keinen dickeren Mantel mitgenommen habe. Matheo hält Emma gerade die Tür zu seinem Sportwagen auf und wirft mir einen bittenden Blick zu. Ich weiß sofort was sie damit meint. Schließlich hatte sie mir noch beim Shoppen erzählt, dass sie auf Matheo steht, auch wenn er ein bisschen älter ist, als sie. Ich zwinkere ihr wissend zu. Die anderen beiden sitzen auch schon in ihren Wagen und warten wohl darauf, dass ich in einen ihrer Sportwagen steige. Ein komischer Gedanke, wo ich die beiden gar nicht wirklich kenne. Ich signalisiere mit einem Handzeichen, dass ich den Wagen von Marc nehme, den er mir zum Glück weiterhin zur Verfügung gestellt hat. Der Jaguar fährt sich einfach verdammt gut, auch wenn es ein schlichterer Wagen ebenfalls für mich tun würde! Ich krame meinen Schlüssel aus der Clutch und gehe herüber zu dem Wagen, den ich vor zwei Stunden hier in der Einfahrt abgestellt habe. „Alice?“ Ich hatte gar nicht gemerkt, dass Alex auch aus dem Haus getreten war. „Komm, wir nehmen meinen Wagen!“ bietet er an und die Lichter seines schwarzen Geländewagens leuchten auf, während er auf diesen zugeht. Ich zögere kurz. „Es ist doch unnötig mit zwei Wagen zu fahren!“ ergänzt er und steigt damit in seinen Wagen ein. Innerlich weiß ich, dass er Recht hat, aber es würde sicherlich direkt bei seinen Männern das Gerücht herumgehen, dass wir vielleicht etwas miteinander hätten und so verrückt dieser Gedanke auch ist gefällt mir das Ganze nicht. Trotzdem gebe ich mir einen Ruck und steuere mit gemischten Gefühlen auf den sicheren Wagen zu. Schließlich bin ich ja sowieso hoffentlich bald wieder zurück in New York, denn meine Arbeit und meine Wohnung warteten schließlich noch dort. Ich steige in den Wagen und bin froh, dass wir nicht auch einen seiner sehr tiefen Sportwagen nehmen, die ich in der letzten Zeit immer hier im Hof gesehen hatte, denn in beziehungsweise aus diesen wäre ich vermutlich nicht mehr gekommen. Sobald ich sitze und die Türe hinter mir schließe, lässt Alex den Motor an. Aber erst, als ich meinen Gurt festgemacht habe legt er den ersten Gang ein und wir fahren hinter den anderen drei Wagen her. „Warum sind Mike und John nicht zusammengefahren?“ Frage ich Alex, der auf die Straße konzentriert seinen Wagen durch die Dämmerung lenkt. Es ist bereits kurz vor sechs und die Sonne verschwindet so langsam am Horizont. Ich schaue auf, als ich Alex schmunzeln höre. „Ja, das ist eine gute Frage!“ merkt er an, wirft mir aber ein Lächeln zu, dass mir sagt, dass er die Antwort darauf nur zu gut weiß. „Die beiden hatten sich eigentlich dafür bei mir getroffen. Sie hatten eigentlich vor mit mir zusammen hinzufahren, damit sie auch was trinken können und ihre Wagen dalassen können. Aber…“ Er unterbricht kurz und mustert mich „…sie sind jetzt vermutlich sehr enttäuscht, dass du dich nicht zu Ihnen in den Wagen gesetzt hast.“ Mein Kopf beginnt zu rattern und schnell habe ich verstanden, was Alex meint und merke wie ich rot werde „Oh, daran hatte ich gar nicht gedacht!“ gebe ich ehrlich zu. „Ja, die beiden haben sich wohl ein bisschen zu viel vorgenommen“ Alex scheint die Situation zu amüsieren und er wirkt auch entspannter, als die letzten Tage, die ich ihn gesehen habe. Die restliche Fahrt verläuft ruhig und Alex lenkt seinen Wagen in den Kreisel direkt vor einem riesigen Gebäude, in welchem wie er sagt, der Abend heute stattfinden soll. Die Schlange der Autos ist nicht sehr lang, als wir uns wartend dahinter stellen. Als wir stehen steigt er sofort aus und reicht seinen Schlüssel einen uniformierten, der hier wohl für das Parken der Luxuskarossen verantwortlich ist. Mir wird auch direkt die Tür von einem Pagenähnlich gekleideten älteren Mann geöffnet „Guten Abend, Miss.“ Werde ich freundlich begrüßt und ich steige aus dem Wagen und bin so verdammt dankbar, dass wir diesen genommen haben und ich nicht aus dem Jaguar klettern musste, ohne dabei umzuknicken, oder mein Kleid zu zerstören. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend“ sagt er mir noch, als ich zurückgrüße. Und dann kommt etwas auf das ich nicht gefasst war. Ein Blitz folgt dem nächsten und ich weiß gar nicht woher sie kommen, da ich so geblendet bin. Ich zucke leicht zusammen, als jemand mir seinen Arm um die Taille legt und in Richtung dieser Menge zieht. „Lass uns schnell da durchgehen!“ höre ich Alex sagen und ich bekomme Schmetterlinge im Bauch, wie schon lange nicht mehr. Ich fühle mich sicher in Alex Arm, doch die Masse an Journalisten scheint nicht zu enden. „Mr. Cortez hier hin“ höre ich Stimmen rufen und ein Mann Mitte fünfzig wedelt mit seinen Händen und ein Fotograf schießt davor tausende Fotos. Immer wieder rufen sie seinen Namen und fragen nach Interviews, doch er winkt ab. Ich bin beeindruckt, dass Alex so einen Hype bei den Journalisten hier auslöst. Er zieht mich immer weiter durch die Menge und nach einer Ewigkeit sind wir in der Halle angekommen. Neben der riesigen Garderobe warten auch schon Matheo und Emma. „Da seid ihr ja endlich! Was hat denn so lange gedauert?“ meckert Emma direkt. Ich bin immer noch ganz mitgenommen von dem Medienrummel vor der Tür. Dann kommen Mike und Jack durch die hohe Eingangstür, Lachen laut und geben sich gegenseitig immer wieder einen freundlichen Schubs. „Und was seid ihr so gut drauf?“ teilt Emma weiter aus. „Ach es war gerade sehr spaßig den verwirrten Journis das Leben noch schwerer zu machen. Die waren gerade auf eine gute Story aus und Alex hat sie ihnen verweigert. Die werden dir das ewig nachtragen!“ wirft es Mike seinem Freund amüsiert vor. „Sie schreiben sowieso was sie wollen! Warum sollte ich ihnen ihre Fragen dann beantworten!“ entgegnet Alex genervt und schaut immer wieder auf sein Handy. Er scheint auf etwas zu warten. „Komm, Liz. Lass uns ein bisschen Spaß haben greift Emma mich am Arm und zieht mich hinter sich her. „Tischnummer 15“ ruft uns Alex noch hinterher, als wir schon in die nächste Menge geraten. „Hier ist aber viel los!“ entkommt es mir erstaunt, als ich die vielen eleganten Kleider und Leute sehe, die sich alle sehr angeregt unterhalten. „Ja, das ist immer einer der Veranstaltungen, wo alle kommen die hier in irgendeiner Weise etwas zu sagen haben. Siehst du da drüben, dass sind die McAllisters. Der Mann besitzt in ganz Venezuela sehr viele Immobilien… sehr teure Immobilien.“ Sie zeigt auf einen älter aussehenden Mann, der seiner Gattin gerade ein Glas Champagner reicht. „Er ist ein Freund meiner Eltern, deshalb müssen wir ihn gleich noch begrüßen.“ Zwinkert sie mir zu. „Und da drüben ist Elena Montgomery“ sie zeigt auf eine junge Frau, die etwa das gleiche Alter haben müsste, wie ich. „Die müssen wir nicht begrüßen… Sie ist eine alte Flamme meines Bruders und es ist sehr unschön zu Enden gegangen!“ merkt sie herablassend an und man merkt ihre Abneigung nicht nur an ihrer Stimme, sondern auch ihre Mimik spricht Bände. „Komm wir machen mal die Runde und begrüßen alle. Die anderen werden hier auch irgendwo herumlaufen und Hände schütteln, aber dann sicher noch über geschäftliches reden und darauf hab ich keine Lust“ merkt Emma an und dann habe ich wirklich das Gefühl, wir lassen keine Hand aus. Ein paar Namen kann ich mir wohl merken, aber der Großteil ich so schnell wie er gehört wurde wieder aus meinem Kopf gelöscht, aber zumindest kann ich mir die Gesichter ein wenig einprägen, sodass ich weiß, wen ich schon begrüßt habe und wen noch nicht. Nach einer Ewigkeit erreichen wir einen leeren Tisch mit einem Schild drauf, auf welchem die Zahl ‚15‘ geschwungen draufsteht. „Die anderen scheinen noch nicht durch zu sein.“ Feiert Emma ihren Erfolg zuerst hier angekommen zu sein. „Dabei waren wir jetzt sicher eine Stunde unterwegs.“ Mein Blick wandert über die vielen Menschen „Soll ich uns was zu trinken holen?“ frage ich Emma, die gerade ihre neuen Nachrichten auf ihrem Smartphone zu analysieren scheint. „Ach Quatsch, sie können es auch bringen!“ sagt sie und winkt ab. „Nein, ich gehe schnell und hole etwas!“ beharre ich und mache mich in meinen High Heels auf den Weg zur Bar, die gerade fast ganz leer ist. „Bitte ein Wasser und einen Champagner“ sage ich dem wirklich attraktiv aussehenden Barkeeper, der mich interessiert mustert. „Sehr gerne. Sie sind neu hier, oder irre ich mich?“ nimmt er meine Bestellung an und fängt hinter der Theke an zu arbeiten. Die Frage erstaunt mich. „Warum fragen Sie? Können Sie sich etwa alle Gesichter hier merken?“ stelle ich die Gegenfrage und sofort erstrahlt ein noch attraktiveres Lächeln auf seinem Gesicht. Seine Augen sind braun und dennoch scheinen sie einen enormen Ausdruck zu haben. „Hübsche Frauen fallen auf und ich habe Sie hier noch nie gesehen.“ fängt er an zu flirten und zieht dabei eine Augenbraue hoch. Ich kann nicht an mir halten und muss extrem anfangen zu lachen. „Ich meine das Ernst!“ jetzt huscht Erstaunen über sein Gesicht und ich muss mich zusammenreißen, nicht anzufangen zu heulen, da mir die Situation so eigenartig vorkommt. Wie lange war das her, dass ein Mann so etwas zu mir gesagt hatte… Sehr lange! Durch meine ärztlichen Dienste war ich aber auch kaum noch weggegangen und so blieben mir derartige Standard Anbaggersprüche glücklicherweise erspart. „Es tut mir Leid…“ weiter komme ich vor Lachen nicht. Er stellt mir die beiden Getränke auf die Theke. Und streckt mir seine Hand hin. „Jackson Carter“ stellt er sich vor. Ich nehme seine Hand „Alice Lindström und wie Sie vermutet haben bin ich hier nur zu Besuch.“ Zwinkere ich ihm zu und bin froh, dass ich mich wieder gefangen habe. Ich nehme die beiden Getränke und werfe dem Mann noch ein Lächeln zu bevor ich mich schmunzelnd abwende und mich wieder in die Menge wage. „Darf ich einmal?“ frage ich, als ich vor lauter Personen nicht mehr weiterkomme und diese mich auch scheinbar nicht wahrnehmen. Ein paar Personen drehen sich zu mir um und mustern mich abschätzend. Dann erkenne ich die Frau wieder, über welche mir Emma vorhin etwas erzählt hatte. Elena Montgomery… alleine vom Angucken versteht man, warum Alex sie gemocht hat, aber an ihren herablassenden Blick ändert sich das Ganze dann schnell wieder. „Etwas schick gekleidet für eine Bedienung?! Nicht wahr?“ sie freut sich selbst am meisten über ihre dumme Bemerkung und die Männer und Frauen um sie herum wissen es wohl nicht besser, als sie in das Lachen einstimmen. In mir fängt es an zu brodeln. Die arrogante Art der blonden hochnäsigen Frau ist nicht nur to much sondern einfach unter aller Sau. Man merkt, dass sie sich selbst auch einem Podium platziert. Sie scheint Geld zu haben, ihrem Schmuck und Kleid nach zu urteilen. Ich versuche ohne mich darauf einzulassen einfach an diesem Pulk vorbeizugehen. „Nicht so schnell, einen kannst du gerne hierlassen!“ stichelt sie weiter und ich bin kurz davor ihr einen der Getränke in ihr dick geschminktes Gesicht zu kippen. „Sehen Sie dort vorne ist eine Bar, da können Sie sich selbst etwas holen.“ Gebe ich dann nur diese Bemerkung ab und setze erneut zum Gehen an. Ich merke selbst, wie die Blondine zornig wird und irgendwo erfreut es mich auch ein wenig. „Weißt du eigentlich mit wem du redest?“ wird sie jetzt patzig und ich mustere sie nur kurz und versuche der Situation nur zu entfliehen. „Miss Montgomery“ höre ich dann eine Stimme hinter mir und bin mir sich diese schon einmal gehört zu haben. „Mr. Monderaz“ auf einmal setzt das Blondchen ein ganz anderes Gesicht auf und lächelt den älteren Mann an. Ich gucke zur Sicherheit zweimal hin und bin mir sicher. Es ist der nette Mann vom Flughafen. Er lächelt mich an und zwinkert einmal kurz. „Wie ich sehe haben Sie beide sich schon kennengelernt.“ Er legt mir seine Hand freundschaftlich auf die Schulter. Nicht nur Elena muss ziemlich verdutzt drein gucken, sondern auch ihre Kameradschaft. Doch auch ich bin ein bisschen perplex. „Es ist schön, dass du heute Abend hier bist!“ freut er sich und gibt mir zwei Küsse auf die Wangen. Ich versuche das Spiel so gut wie möglich mitzuspielen und dabei irgendwie die Gläser zu balancieren. „Ich wünsche noch einen schönen Abend“ verabschiedet sich der Mann von den Leuten und der Blonden und zieht mich gekonnt mit sich. „Mr. Monderaz? Vielen Dank für Ihre Hilfe!“ bedanke ich mich bei dem Mann mit dem weißlich-gräulichem Haar und dem charmanten Lächeln. Er sieht viel vornehmer aus, als am Flughafen. Dort hatte ich ihn für einen normalen Passanten gehalten. „Ich bin überrascht Sie hier zu sehen“ gibt er freundlich zu und bleibt einige Meter weiter weg stehen, wo wir aus der Sichtweite der vorherigen Gruppe sind. „Mein Name ist Alice Lindström“ stecke ich ihm dann die Hand hin, um mich auch mal vorzustellen. „Antonio“ nimmt er meine Hand und drückt sie freudig. „Ich freue mich dich wiederzusehen. Nach dem Vorfall am Flughafen hatte ich gehofft sie noch einmal zu sehen! Ich muss Ihnen danken!“ merkt er an. Ich schaue ihn verdutzt an. „Selten lernt man so mutige und hilfsbereite Frauen kennen!“ spricht er weiter und ich muss lachen. Ein ebenfalls im Anzug gekleideter Mann und einem Gerät im Ohr kommt näher und Antonio guckt ihn genervt an. „Sie sollten sich zu ihrem Platz begeben. Es fängt gleich an!“ Merkt dieser an und mustert mich dabei nur kurz. Es ist schnell klar, dass es wohl seine Security sein musste. Antonio scheint wohl ein wichtiger Mann zu sein. „Alice, lassen Sie uns später weiterreden. Die Pflicht ruft!“ sagt er verärgert, doch zwinkert mir zur Verabschiedung zu. Ich gucke ihm noch nach bis er in der Masse verschwunden ist und mache mich dann weiter auf den Weg zu unserem Tisch. Wirklich lustig, dass ich alle wiedersehe, die am Flughafen irgendeine Rolle gespielt haben überlege ich und nehme auch nicht Emmas Frage wahr, als ich die Getränke auf den Tisch stelle, da ich noch so in Gedanken versunken bin. „Liz?“ entkommt es ihr wohl schon zum erneuten Mal, was mich aufhorchen lässt. „Ja“ ich schaue sie fragend an und darauf in ein paar weitere Gesichter, die nicht weniger ratlos drein gucken. „Ist Alles okay?“ fragt sie mich. „Ja,ja es hat ein bisschen länger gedauert“ tue ich die Sorge bei ihr ab und setze mich neben sie an den Tisch. Alex sitzt mir gegenüber und die anderen hatten auch alle Platz genommen. Zwei weitere Männer waren wohl noch dazugekommen, die ich vorher aber noch nicht gesehen habe. Sie werden mir als Diego und Simon vorgestellt und sind wohl Freunde der Familie. Nach kurzen weiteren Gesprächen fängt dann auch die Moderation des Abends an und die Empore wird erleuchtet. Ein etwa fünfzig Jähriger Mann macht die Einleitung und erklärt den Ablauf des Abends. Sofort fängt Emma neben mir an zu tuscheln. „Da bin ich echt gespannt wieviel heute Abend zusammenkommt. Der Spendentanz ist immer das Beste“ freut sie sich und ich frage erst gar nicht nach, was das mit dem Spendentanz auf sich hat. „Meine Damen und Herren begrüßen Sie bitte mit mir den Gastgeber der jährlichen Spendengala. Mr. Monderaz.“ Tosender Applaus bricht los und ich traue weder meinen Augen noch Ohren, als er auf die Bühne tritt. Der ältere Mann tritt auf die Bühne hoch und bedankt sich mit lächelnden Nicken für den Beifall. Mein Blick schweift zu den anderen und Emma verfolgt das Ganze mit einem interessierten Lächeln und Matheo und Alex scheinen sich über etwas zu beratschlagen. Dann richte ich meinen Blick wieder auf die Bühne. „Danke, Danke. Aber meine Freunde, Kollegen und Partner der Dank gilt auch Ihnen, denn ohne Sie würden wir sicher nicht solche Beträge jedes Jahr zur Unterstützung der Menschen hier in unserer Stadt zusammen bekommen!“ wieder entfacht ein Applaus. „Ich habe diese Woche wieder viele Menschen kennengelernt und gemerkt, dass ein jeder von uns andere Interessen und Stärken hat.“ Fährt er fort und es wird ganz still im Saal. Sein Blick wandert durch den Saal und schließlich hält er bei unserem Tisch. Es erscheint ein Lächeln auf seinem Gesicht und ich muss unmittelbar zurücklächeln. „Eine junge Dame hat mir erst letztens noch bewiesen, was es heißt Mut zu haben und Menschen zu helfen!“ ich merke, wie ich rot werde und bin froh, als er seinen Blick von mir abwendet. „Ich bin froh, dass es noch Menschen auf offener Straße gibt, die keinen Unterschied zwischen Herkunft, politischer Einstellung oder sonstigem machen.“ Er räuspert sich und alle lauschen ihm weiterhin. „An Abenden wie diesem möchte ich mir und auch allen weiteren eine Chance geben, die diese Courage nicht besitzen, oder nicht beweisen können aus unterschiedlichsten Gründen, sich dennoch mit einzubringen.“ Wieder bricht Applaus los und damit ist dann auch seine kurze Rede beendet. „Mr. Monderaz ist einfach unglaublich“ schnattert Emma mir zu. „Er versucht immer so viel Gutes zu tun und ist dabei total erfolgreich. „Nur Zeit hat er keine“ fängt Matheo an zu moppern und wirft Alex einen Blick zu, der gerade erneut mit seinem Handy beschäftigt ist. Die Entspanntheit und Lockerheit aus dem Auto zuvor scheint wieder verflogen zu sein. Der Abend beginnt mit einem hervorragenden Essen. So viel Service Personal, wie hier hatte ich noch nirgends gesehen. „Ich bin mal gespannt mit wem wir später tanzen!“ wirft Emma mir dann entgegen und ich gucke sie fragend an. „Na, der Spendentanz!“ Emma scheint sich schon fast über meine Unwissenheit lustig zu machen. Als sie merkt, dass ich immer noch nicht weiß wovon sie spricht setzt sie zu ihrer Erklärung an. „Später gibt es sozusagen eine Versteigerung der Tänze und derjenige der am meisten bietet tanzt mit dir. Alle Gelder gehen dann in die Spende für das Hilfsprojekt ein.“ Okay … überlege ich, damit konnte ich leben, wenn es um ein Hilfsprojekt geht würde ich bei dem Spielchen sicher mitmachen. „Matheo, ich hoffe du hast gespart!“ witzelt Emma dann rum und alle beginnen zu Lachen. „Und Alex du solltest mit Liz tanzen, schließlich kennt sie hier keinen!“ fordert Emma ihn auf. Alex guckt zu mir rüber und in meinem Bau fängt es direkt an zu kribbeln. Tatsächlich wäre ich froh, wenn ich mit jemanden tanzen dürfte, den ich kenne, doch ich kann mir auch nicht vorstellen, dass jemand für den Tanz mit mir bieten würde. „Ich hoffe inständig, dass nicht wieder für Elena am meisten geboten wird. Ich glaube ja, dass die ihren neuen Kerlen Geld beisteuert, dass sie immer den teuersten Tanz tanzt.“ Emma scheint ein wenig eifersüchtig zu sein. Und ich merke, wie Matheo sie mit einem Lächeln bedenkt. „Alice, ich würde auch mit dir tanzen und ich schätze die anderen Jungs hätten auch nichts dagegen!“ merkt dann Diego an, der mich interessiert mustert. „Es ist eine Spendengala hier und ich würde mich freuen, wenn viel Geld zusammenkommt.“ Zwinkere ich ihm zu und lasse dann meinen Blick über die Menge schweifen. „Du brauchst dich übrigens nicht zu wundern, Liz. Die Schritte des Bietens gehen hier in Tausender Schritten und es geht auch schnell mal hoch.“ Zwinkert Emma mir dann zu und wirft ihrem Bruder einen Blick zu der ihm wohl sagen soll, dass er heute Abend großzügig sein sollte. Dann kurz später fängt das Spektakel auch schon an. Die ersten Tische, also die daran sitzenden Frauen werden nach oben gerufen und das große Bieten startet. Alle haben elegante und überaus schöne Kleider an. Die Gebote übersteigen schon jetzt weit den vierstelligen Bereich. Und auch Diego, Simon, Mike und John bieten fleißig mit. Mit knapp 1.5 Millionen Bolivares ist er dabei (ca 150.000€). Alle, die einen Tanz ersteigert haben holen sich ihre Dame an der Bühne ab. Dann ist unser Tisch dran und Emma greift mich am Arm und zerrt mich zur Bühne hoch. „So nun fangen wir mit dem Tanz von Miss Emma Cortez an“. Schnell gehen die Gebote ein und die 150.000€ sind schnell überschritten. Matheo hält sein Wort und ersteigert den Tanz für knapp 350.000€. Mir stockt bei diesen Geboten wirklich der Atem. Matheo eilt zur Bühne und hat sich damit einen Kuss auf die Wange von Emma verdient. „Miss Alice Lindström“ fährt der Moderator mit einem Lächeln fort. „Sie sind heute das erste Mal hier dabei!“ bemerkt er und wirft mir ein Lächeln zu. Mein Blick wandert über die vielen Gesichter im Zuschauerbereich und dann sehe ich, wie Alex zusammen mit Antonio an dessen Tisch steht und sich anscheinend beratschlagen. Als jedoch mein Name ertönt horcht Antonio direkt auf und auch Alex guckt interessiert zur Bühne. Das wilde Bieten geht los und auch Männer, die ich noch nie vorher gesehen hatte fangen an hohe Gebote abzugeben. Auch Alex hebt immer wieder die Hand unter den wachsamen Augen von Emma. Ich beobachte die ganze Zeit, wie Antonio Alex bei jedem Gebot mustert und dann fängt auch er an die Hand zu heben und es geht ein Raunen durch den Raum. Auch Alex sieht erst Antonio und dann mich fragend an. Ich selbst weiß in dem Moment auch nicht was los ist. Dann erhebt Antonio seine Stimme. „Ich schätze Mr. Cortez wird nicht so schnell aufgeben, deshalb biete ich 10 Millionen Bolivares für diesen Tanz und hoffen meinen Freund damit zufriedenzustellen.“ Alex mustert Antonio und nickt ihm dann zu, auch, wenn es ihm doch irgendwo nicht zu passen scheint. Emma zieht an meinem Arm. „Was ist denn jetzt los?“ Sie hört sich schon fast verzweifelt an. Antonio und Alex wechseln noch ein paar Worte bevor er mir einen entschuldigenden Blick schenkt. Das Gemurmel und Getratsche in dem Saal findet keinen Abbruch, auch als Antonio auf der Bühne angekommen ist nicht. Auch der Moderator scheint etwas verwirrt und ich weiß gar nicht, was hier gerade passiert. „Miss Lindström. Es ist mir eine Ehre!“ zwinkert er mir zu und ich folge ihm von der Bühne zu seinem Tisch, wie es alle mit ihrem Partner getan haben. Emma winkt mir im Weggehen noch zu und ich werfe ihr einen leicht verunsicherten Blick zu. „Bist du verrückt?“ fange ich direkt an zu schimpfen, als wir etwas von der Bühne weg sind und ich das Gefühl habe, dass uns niemand mehr hören würde. „Alice, das ist ganz normal. Ich wollte das Sümmchen sowieso spenden und ich glaube so habe ich dem ganzen noch mal mehr Glanz gegeben.“ Er freut sich geradezu darüber und die ganze Menge scheint immer noch mehr oder weniger auf uns konzentriert zu sein. Nachdem sich das Getratsche beruhigt hat werden die anderen Tische weiter abgearbeitet und ich lerne in der Zeit die gefühlte halbe Security von Antonio kennen. Und auch seine kleine Enkeltochter durfte heute mit, wie sie mir freudestrahlend erzählt. Die sechsjährige Emily hatte wohl so darauf gepocht mitzukommen, dass ihr Opa nicht nein sagen konnte. „Aber Grandpa hat mir verboten mitzutanzen.“ Beschwert sie sich lautstark und Antonio beginnt direkt zu lachen. „Süße du bist noch zu jung dafür!“ erklärt er ihr nicht zum ersten Mal. Ich merke, dass es Antonio doch vor allem um das bieten auf das kleine Mädchen ging. „Wenn dein Grandpa es dir erlaubt können wir später zusammen tanzen“ zwinkere ich ihr zu und wie von einer Tarantel gestochen springt das kleine schwarzhaarige Mädchen von ihrem Stuhl auf und hüpft vor ihrem Großvater herum. Er kann sich erneut nicht mit dem Lachen zurückhalten. „Gut, aber nur einen Tanz, danach bringt dich Ester nachhause!“ merkt er mit ausgestreckten Zeigefinger an. „Jaaa“ schreit das Mädchen los und fällt mir um den Hals und ihre langen schwarzen Locken tänzeln dabei bei jedem Hüpfen um ihr süßes Gesicht. Sie scheint auch die Aufmerksamkeit der umliegenden Tische auf sich gezogen zu haben und auch Alex Blick scheint auf uns zu ruhen. Ich werfe ihm ein Lächeln zu, doch auf die Ferne kann ich nicht erkennen, ob er erwidert. Er wird vermutlich auch mich nicht lächeln sehen, überlege ich dann. Ester beschäftigt sich während der letzten Gebote mit der kleinen Emily und Antonio wendet sich wieder mir zu. „Ich habe Mr. Cortez vermutlich ein wenig verärgert.“ Beginnt er schmunzelnd. „Nein, sicher nicht!“ erwidere ich lachend, was ihn aufhorchen lässt. „Oh doch. Er hätte gerne mit dir getanzt.“ Ist er sich sicher. „Es geht hier vor allem um die Spenden und Mr. Cortez ist der beste Freund von Mr. Trenton und seiner Frau, meiner besten Freundin.“ Erkläre ich ihm und er nickt. „Verstehe, dennoch scheint er es mir übel zu nehmen…“ ich versuche nicht weiter darauf einzugehen, schließlich wusste ich ja worauf er hinauswill und einerseits finde ich es sehr lustig, andererseits möchte ich mir darüber keine Gedanken machen. Es kommt mir vor als würde ich diesen älteren Herrn schon lange kennen, obwohl ich ihn erst zum zweiten Mal sehe. Da wird wohl das Wort Schicksal, wie es bereits Matheo nannte, wieder zutreffen. Antonio erzählt mir dann noch, dass die Eltern also seine Tochter und ihr Mann bei einem Autounfall ums Leben kamen und die Kleine das Einzige ist, was ihm noch blieb. Seine Frau liegt seit drei Monaten im Krankenhaus und niemand scheint zu wissen, was ihr genau fehlt. Es scheint ihn wirklich fertigzumachen. Verständlicherweise und auch Emily wurde mit dem Krankenhausaufenthalt ihrer Oma eine weitere Bezugsperson genommen. Ich biete ihm an mit ihm seine Frau zu besuchen und er fragt mich, ob ich in die Akten seiner Frau als Unbeteiligte mal einen Blick hineinwerfen würde, was ich direkt bejahe. Dann ist auch die Ausrufung aller Frauen beendet. Und wir werden auf die Tanzfläche beordert. Antonio kann gut Tanzen und sein alter Tanzstil ist auch unverkennbar. Früher hat man einfach noch besser Tanzen gelernt, als heute. „Dein Mr. Cortez scheint keine bessere Partnerin gefunden zu haben, aber wie sollte er auch.“ Flüstert Antonio mir belustigt zu und ich gucke rüber und tatsächlich sitzt Alex dort zusammen mit einem anderen mir unbekannten Mann und führt ein intensives Gespräch. „Antonio, er ist nur ein Bekannter“ versuche ich es noch einmal klarzustellen. „Mr. Cortez ist ein sehr zielstrebiger und erfolgsausgerichteter Mensch! Das hat seine Vor- und Nachteile.“ Fängt Antonio wieder an zu erzählen. „Was hattet ihr eigentlich vorhin zu bereden?“ frage ich ihn dann, um wieder von dem anderen Thema abzuweichen. „Ach, nur geschäftliches.“ Tut er es ab. Ich nicke und lasse es damit stehen. Der restliche Tanz verläuft ruhig. Und zum Schluss verbeugt sich der ältliche Mann vor mir. Antonio ist echt ein Gentleman und aus irgendeinem Grund scheinen wir uns sehr gut zu verstehen. „Vielen Dank, Antonio. Es hat sehr viel Spaß gemacht.“ Sage ich ehrlich und nehme seine Hand dankbar in meine. „So schön und dann noch für einen guten Zweck“ zwinkert er mir zu und fängt dann an tief zu Husten. „Alles in Ordnung?“ frage ich ihn und stütze ihn ein wenig, damit er jetzt beim Laufen nicht stolpert. „Ja, meine Liebe. Alles ist gut. Ich glaube du musst jetzt noch dein Versprechen einlösen. Merkt er dann noch erfreut an und ich sehe im Augenwinkel, wie die kleine Emily freudestrahlend auf mich zu rennt. „Alice, Alice, jetzt darf ich ruft sie und springt mir in die Arme. Antonio lacht hüstelnd und geht dann weiter zurück zu seinem Tisch, um sich zu setzen. Der Moderator sagt den nächsten Tanz an. „Na dann los.“ Feuer ich Emily an und sie hüpft an meiner Hand nach vorne zur Tanzfläche. Mein Blick schweift rüber zu unserem Tisch an welchem jetzt aber keiner mehr sitzt. Kurz später finde ich Emma auf der Tanzfläche und neben ihr steht Alex. „Na, da hast du ja einen sehr süßen Tanzpartner“ kniet Emma sich runter zu Emily und streckt ihr die Hand hin, die die Kleine direkt ergreift und die beiden stellen sich vor und Alex tut es Emma gleich. Über Alex Hand freut sich Emily noch mehr anscheinend wird sie selten von Geschäftspartnern ihres Großvaters begrüßt und so fühlt sie sich vielleicht ein bisschen wichtiger. „Ja, ich habe wohl die Süßeste Tanzpartnerin!“ schwärme ich vor den beiden und muss dabei ehrlich schmunzeln. „Und ich habe die Schönste“ gibt Emily an und ich merke fast, wie ich rot werde. „Danke für das Kompliment“ freue ich mich und beuge mich, da ich eh schon Hocke, etwas nach vorne um ihr ein Bussi auf die kleinen Wangen zu geben. Ich merke, dass Alex uns die ganze Zeit beobachtet, während Emma ihren fast Freund Matheo einen Klaps gibt, weil er wohl gegenüber den anderen irgendetwas geäußert hat. Ich merke aber auch die Augen von Antonio Monderaz auf mir. Glück, aber auch Traurigkeit liegt in seinen Augen, als er das Geschehen vorne beobachtet. Als ich aus der Hocke versuche mich wieder aufzurichten komme ich aus dem Gleichgewicht und komme ins Schwanken. Oh mein Gott, ich liege hier bestimmt gleich auf dem Rücken. Doch noch während meines Gedankens hält mich hinten am Rücken ein starker Arm und ich weiß direkt, wessen das ist. Alex verzieht kurz das Gesicht und ich weiß auch warum. Das Gewicht hat sich sicher schmerzhaft auf die noch heilende Wunde ausgewirkt, werfe ich mir vor. Als ich sicher auf meinen Füßen stehe entkommt mir sofort. „Es tut mir leid. Ist dein Arm in Ordnung?“ der Schock muss mir wohl im Gesicht stehen, denn ich vernehme direkt das Zucken in Alex Mundwinkel, was sich dann auch zu einem Lächeln entwickelt. „Ja, keine Sorge.“ Sagt er nur und wendet sich seiner Schwester zu, denn die Musik beginnt dann auch schon. Ich beuge mich ein bisschen vor und nehme die Hände von Emily und kurz später wirbeln wir mehr oder weniger lachend über die Tanzfläche. Sicher kassieren wir einige spöttische Blicke von den anderen, vor allem Elena Montgomerys Blick spricht Bände. Ein paar Tanzpaare lockern auch ihren steifen Tanz auf, sowie Lara und Alex. Auch das Orchester spielt immer schneller, sodass Emily auch immer schneller wir und ich im Laufen meine Schuhe loswerden muss, um mit der Kleinen Schritt zu halten. Ich würde hier sicher für einige Wochen Gesprächsstoff liefern in den guten Kreisen von Caracas, doch das konnte mir egal sein schließlich bin ich auch in ein paar Tagen wieder zurück in New York, überlege ich. Als die letzten Töne der Musik ertönen merke ich, dass das Lachen in Emilys Gesicht gar nicht zu erlöschen scheint. Sie strahlt über ihr ganzes Gesicht. Und als wir dann fertig mit dem applaudieren für das Orchester sind springt sie wieder an mir hoch und ich hebe sie auf den Arm. Die knapp zwanzig Kilo sind noch relativ gut zu halten. „Nochmal, Nochmal“ freut sie sich und klatscht in die Hände. Die Wangen sind ganz rosa und ich merke auch, dass sie zwar aufgekratzter, aber auch müder ist als zuvor. Die paar Minuten haben es ihr wohl doch ganz schön gegeben. „Wir haben deinem Grandpa versprochen, dass du danach nach Hause ins Bett gehst“ weise ich sie auf ihr Versprechen hin und man sieht der Kleinen richtig an, wie sie anfängt nachzudenken. Die Tanzfläche füllt sich langsam wieder und ich laufe zum Rand von dieser , als neben uns Alex auftaucht und meine Schuhe in die Luft hält. „Ich glaube, es wird langsam zu Gewohnheit bei dir, dass du deine Schuhe immer irgendwo liegen lässt. Ich setze Emily ab und nehme die Schuhe entgegen, um mir diese wieder anzuziehen. „Vielen Dank“ lächle ich Alex an und er erwidert es. So entspannt hatte ich ihn bisher nur selten gesehen, sonst ist er immer so geschäftig und getrieben von seiner Arbeit. „Ich bringe Emily zurück und komme dann rüber“ sage ich noch während Emily schon an meinem Arm zieht. Zu spät merke ich, dass Antonio uns bereits entgegengekommen ist und stoppe uns gerade noch bevor ich oder vor allem die Kleine ihn umrennt. „Nicht so schnell, Emily“ tadelt ihr Großvater sie. „Es war so toll“ sprudelt es direkt aus der Kleinen heraus. „Es hat sooooo viel Spaß gemacht.“ Sie macht ganz weite Bewegungen mit ihren Armen und ihr Großvater beginnt zu Lachen. „Ach ja?“ fragt er sie auffordernd, aber nicht ohne dabei wieder zu hüsteln. Ich mustere ihn kurz, doch da setzt Emily wieder an und greift Antonio an der Hand. „Ich kenne jetzt auch Alex und Emma!“ klärt sie ihn auf und zieht ihn etwas in deren Richtung und zeigt dann auf die beiden, was sie aus der Entfernung wohl auch mitkriegen, denn Emma winkt der Kleinen zurück. „Das ist ja super“ lobt Antonio sie überschwänglich. „Jetzt musst du aber wirklich ins Bett, kleine Prinzessin.“ Fordert er sie mit belehrenden Ton auf. „Ja, okay, aber ich muss noch Tschüss sagen gehen!“ sagt die Kleine im bestimmenden Ton. „Aber sicher“ fängt der alte Mann an zu Lachen. Antonio gibt seinen Leuten kurze Anweisungen und lässt Emily durch die Menge vorlaufen, dass sich das Warten für ihn abkürzt. Ich gucke ihr nach und sehe, wie sie an Alex Sakko zieht und muss dabei schmunzeln. Als er sich dann zu ihr runter hockt geht mir das Herz auf. Alex wirkt in erster Linie unnahbar, geschäftsmäßig, doch auch durch seine starken und ausgeprägten Muskeln irgendwo auch bedrohlich. Ihn so mit der kleinen Emily zu sehen ist einerseits so ein extremer Gegensatz, doch auf der anderen Seite zeigt es, wie man Menschen zumindest etwas falsch einschätzt. Die Kleine scheint sich diesmal nicht mit der Hand zufrieden zu geben, sondern nutzt die Chance und umarmt Alex um den Hals, was dieser auch zulässt. Was sie dann reden kann ich aus der Entfernung aber nicht hören. „Ich scheine ihn ein wenig falsch eingeschätzt zu haben.“ Gibt Antonio auf einmal neben mir zu. „Du hast auch am Flughafen zu mir gesagt ich sei verrückt.“ Versuche ich ihn zu necken. „Nachdem ich gesehen habe, wie du hier in dieser Gesellschaft mit meiner Enkelin über die Tanzfläche gerannt bist, werde ich das auch nicht zurückziehen.“ Gibt er lachend zu und ich stimme ein, während wir gemeinsam rüber zu den anderen laufen. Emily hat sich inzwischen Lara gekrallt und hängt ihr lachend um den Hals. Und kurz darauf steht sie vor Matheo und den anderen Männern, um ihnen ebenfalls die Hand zu geben. „Grandpa, guck mal, wie viele ich heute kennengelernt habe!“ erzählt sie wieder stolz und fällt fast über ihre eigenen Beine. „Ja, ich sehe schon. Ich glaube wir sollten jetzt mal gehen, bevor du hier noch jedem im Saal die Hand schüttelst und dich dann wieder verabschieden willst.“ Lacht er hüstelnd. „Guck das sind Matheo, Diego, Simon, Mike und John.“ Sie zeigt bei jedem Namen auf den Zugehörigen Mann und ich und auch die anderen müssen bei ihrer Aussprache der Namen ein Lachen zurückhalten. „Sehr schön, dann verabschiede dich mal, damit wir aufbrechen könne.“ Antonio versucht weiterhin geduldig zu sein. Ich kann gut verstehen, dass das Mädchen in sehr gut auf Trab hält. Das Kindermädchen, welches hinter den Security Männern steht, hält sich weiterhin im Hintergrund und beobachtet die Kleine ganz genau. Als Emily dann alle nochmal umarmt hat und mir entgegenhüpft verabschiedet sich auch Antonio von den Anwesenden. Auf Alex tritt er nochmal zu und reicht ihm die Hand. „Kommen Sie doch mal in mein Restaurant mit den beiden Damen, dann kann man in Ruhe ein bisschen plaudern.“ Merkt er an. Und einer der Security Leute reicht Alex dann noch eine Karte rüber. „Sehr gerne Mr. Monderaz.“ Bedankt er sich und ich drücke die Kleine nochmal. „Bis bald Alice.“ Sagt sie grinsend. „Bis bald.“ Erwidere ich und setzte sie wieder auf dem Boden ab. Dann steckt Antonio mir seine Hand hin, die ich ergreife. „Ich hoffe du bleibst noch ein wenig in dem schönen Venezuela und guckst dir das Land und die Leute an.“ Sagt er. „Und unser kleines Geheimnis behalten wir für uns“ zwinkert er mir zu und verlässt mit seiner Enkelin und seinem Gefolge den großen Saal. Im Weggehen winke ich Emily nochmal zu, dann sind sie zwischen Menschen, Tischen und Stühlen verschwunden. Ich drehe mich zu den anderen um und gucke in verdutzte Gesichter. „Was war das denn?“ Matheo findet zuerst die Worte. „Alex probiert ihn die ganze Zeit zu erreichen und du machst ein Treffen klar.“ Er grinst mich an. Lara sitzt bereits wieder auf ihrem Stuhl und betrachtet mich und Alex, der mich immer noch anstarrt, fragend. „Woher kennst du ihn?“ entkommt es Alex ernst und ich merke, dass ihm das Ganze nicht wirklich zu passen scheint. „Ich kenne ihn nicht!“ antworte ich ihm direkt. „Und wieso seid ihr dann per du?“ fragt er weiter und runzelt dabei die Stirn, obwohl er weiter seine unangenehme Art an sich hat. „Ich weiß nicht. Vielleicht sind wir beide offene Menschen oder so?“ versuche ich mein erstes Treffen mit ihm am Flugplatz nicht zu erwähnen, da ich ehrlich gesagt nicht weiß, ob Antonio das als Geheimnis meint oder den Besuch bei seiner Frau. „Gut, ich würde sagen wir lassen Alice in Ruhe und genießen den Abend noch ein bisschen!“ macht Emma einen der besten Vorschläge, die ich seit langem gehört habe. „Sehr gut Idee.“ Bestätige ich ihr Vorhaben und Alex zischt nur und wendet sich vom Tisch ab und verschwindet in der Menge. Kurz später findet man Emma und mich bei nicht mehr so klassischer Musik auf der Tanzfläche…
„Verdammt Emma, dich kann man keine zwei Stunde alleine lassen.“ Regt sich Alex auf, als ich mit Lara zusammen nach draußen zu seinem Wagen komme. „Ich bin ‚nur‘ müde“ betont sie und lallt dabei herum und macht mit ihren Händen kreisende Bewegungen. Ich muss lachen „Sie ist nur müde“ wiederhole ich und versuche es nach zu lallen. Alex merkt, wie ich mich darüber amüsiere. „Du kannst dich Zuhause ums sie kümmern“ stellt er mir gegenüber trocken fest und zeigt damit die Enttäuschung darüber, dass ich nicht auf sie aufgepasst habe. Jetzt kommt auch Matheo, der noch unsere Mäntel eingesammelt hatte. „Wieso ist Lara so dicht“ wirft Alex seinem Kumpel vor, der noch nicht mal an seinem Wagen angekommen ist. „Deine Schwester ist fünfundzwanzig… Sorry, aber ich glaube das solltest du mit ihr selbst klären.“ Matheo scheint wegen irgendetwas angekratzt zu sein. Er übergibt mir die Mäntel und verschwindet dann zu seinem Wagen. Alex und ich gucken ihm ein wenig verwirrt nach, doch dann setzt dieser sich ebenfalls verärgert in seinen Wagen. Läuft ja mal wieder. Überlege ich und Rücke Emma nochmal auf ihrem Sitzplatz zurecht und lege die Mäntel über sie, damit ihr nicht kalt wird. Bevor ich noch im Wagen sitze hat Alex bereits den Motor an und scheint damit seiner Ungeduld Ausdruck zu verleihen. Kurz nachdem ich dann im Warmen sitze fährt er auch schon los und ich beeile mich, mir den Gurt umzuschnallen. Wenn die Klimaanlage nicht auf Hochtouren laufen würde, dann würde ich schätzen, dass hier drinnen Eiszeit herrscht. „Alex…“ setze ich an und er guckt mit zornigen Augen durch den Spiegel seines Wagens nach hinten. Warum war er denn plötzlich so wütend auf mich. Er hatte doch eigentlich nach dem Tanzen sehr gute Laune und hat sich auch Emily gegenüber nett verhalten. Doch das scheint sich in den letzten zwei Stunden in Luft aufgelöst zu haben. Ich mache mit meiner Hand eine abtuende Bewegung, um ihm zu verdeutlichen, dass ich doch nichts äußern möchte, auch wenn ich es zu gerne würde. Ich schmiege mich an das sich langsam aufwärmende Leder und lasse meinen Blick über die in der Dunkelheit vorbeirauschenden Umrisse gleiten.
Es war nicht gerade einfach Emma in ihr Bett zu bugsieren, vor allem, weil Alex plötzlich einfach verschwunden war, als wir im Haus angekommen sind. Schlussendlich hieve ich Emma irgendwie die Treppen hoch und lege sie in ihr Bett, decke sie noch zu und gehe dann nach unten, um zu schauen, ob sich Herr Stimmungsschwankung wieder beruhigt hat. Doch ich finde ihn nirgends und entscheide mich mit dem Jaguar, der vor der Türe steht zu meinem Ferienhaus zwei Straßen weiter zu fahren.
Trotz dessen, dass ich nichts getrunken hatte am letzten Abend habe ich starke Kopfschmerzen. Vermutlich liegt das an der lauten Musik, die gestern zum Ende noch gespielt wurde. Da bin ich einfach ein wenig empfindlicher als andere. Ich strecke mich erst einmal und mache mich bereit für den Tag, dann werfe ich mir ein Aspirin ins Glas und beobachte, wie sich diese sprudelnd in Nichts auflöst. Ich schwenke das Glas leicht und gucke dabei durch die weiten Fenster nach draußen. Heute ist wieder ein sonniger Tag und bereits Mittags, was mir die kleine Uhr in der Küche verrät. Wieder den halben Tag verschlafen, werfe ich mir selbst schuldbewusst vor. Heute Abend werden Lara und Marc von ihrem Kurztrip zurückkommen freue ich mich und krame mein Handy aus der Clutch, die ich beim Nachhause kommen zusammen mit meinem Mantel, einfach auf den kleinen Sessel im Eingangsbereich gelegt hatte. Ich bin erleichtert, als ich sehe, dass niemand versucht hatte mich zu erreichen und nehme mir vor heute keinen von ihnen stören zu wollen. Erst morgen früh würde ich versuchen Lara zu erreichen und vielleicht mit ihr zu Brunchen, wenn sie Lust dazu hat. Dann überlege ich was ich heute an diesem Sonntag so unternehmen könnte. Mein Handy zeigt vierundzwanzig Grad an und pralle Sonne, das werden dann wohl gefühlte achtundzwanzig werden überlege ich und rufe den geliebten Dr. Google auf. Zwei Strände hier in der Gegend bei Maiquetía wurden mir ja bereits schon gezeigt. Deshalb gebe ich, wie vermutlich schon einige andere Suchbegriffe, wie ‚Traumstrände Caracas‘ oder ‚Orte an denen du in Caracas gewesen sein musst‘ und es öffnen sich sehr viele Seiten. Es werden mir sehr viele Museen angezeigt und auch ein paar andere Orte. Ich entscheide mich in ein heute geöffnetes Kunstmuseum zu gehen, da es nicht weit von hier ist und ich nicht damit rechnen muss irgendwen bekanntes zu treffen, zumindest hoffe ich das. Mein Ziel für die nächsten Tage wird auf jeden Fall der ‚Nacional El Avila‘, also der Nationalpark sein, der sich hier über ein Gebirge erstreckt und man dort, wenn man Glück hat Affen, Stacheltiere und viele weitere Tierarten zu Gesicht bekommt. Außerdem soll man dort eine fabelhafte Sicht über Caracas erhaschen können. Voller Tatendrang packe ich alles Nötige zusammen und als ich aus der Tür trete bin ich froh, dass ich mich für die leichte helle Bluse und den Rock entschieden habe, denn die Mittagshitze schlägt geradezu auf den Boden nieder. Den Weg zum Museum finde ich mit dem Navi glücklicherweise gut und ich gucke mich interessiert in den Straßen drum herum um. Eine gehobene Gegend, das merke ich auch an der Sauberkeit und der Gepflegtheit der Gebäude. Der Großteil der Gebäude, die sich jetzt vor mir erstrecken gehören aber wohl zum Museum Carlos Cruz Díez. Ich bin froh, dass sich hier direkt ein Parkhaus befunden hat so bin ich sicher, dass dem Wagen hier nichts geschieht. Schon nach einer halben Stunde bin ich mir sicher die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Die Ausstellungen sind sehr schön und die Lichteffekte, mit denen hier gespielt wird begeistern mich wirklich. Nach fast zwei Stunden komme ich dann in einen letzten Raum, in welchem noch mal Moderne Leinwände hängen. Auch wenn ich insgesamt nicht der Museums und Bildertyp bin hat mich dieses Museum doch sehr gefesselt und ich konnte mich ein wenig von dem Stress der letzten Tage erholen. Gerade als ich an einem dieser Bilder verharre räuspert sich jemand neben mir und ich wende mich um. Ein groß gewachsener Mann steht vor mir und lächelt mich freundlich, aber genauso aufgesetzt an und streckt mir seine Hand entgegen. „Miss Lindström, wenn ich mich nicht irre?“ fragt er und sein Stimmton bestätigt nur das, was ich sehe. Der Hochgewachsene Mann hat seine Haare glatt auf den Kopf gegelt und guckt mich mit seinen braunen Augen durch die Großen Gläser interessiert an. Er merkt sofort, dass ich stutze und ihn mustere. „Mein Name ist Eddison Denver. Ich bin bekannt mit Mr. Trenton und Mr. Cortez.“ Erklärt er weiter, doch ich finde, dass seine Persönlichkeit so aalglatt ist, wie seine Frisur den Anschein hat. Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass Marc und Alex mit ihm im positiven bekannt sind. Dennoch entscheide ich mich ihm meine Hand zu geben. „Guten Tag“ grüße ich ihn und mache keinen Hehl daraus, dass es für mich in diesem Moment interessantere Dinge gibt, als ein Gespräch mit ihm, was mir irgendwie suspekt vorkommt. „Miss Lindström, ich habe gestern vernommen, dass Sie mit Mr. Monderaz gut bekannt sind“ stellt er in den Raum und guckt mich fragend an, während ich diesem Blick geduldig standhalte. Der Mann scheint kein Willen zu haben weiterzureden, oder traute er sich nicht? Er scannt mich fast mit seinen Augen und ich fühle mich zunehmend unwohl. Der Mann ist auf irgendeine Weise eigenartig. Die Situation nimmt in jedem Fall komische Züge an, merke ich und als mein Handy in meiner Tasche zu vibrieren beginnt, bin ich mehr als froh und ziehe es aus der Tasche, ohne zu gucken, wer dran ist. „Entschuldigen Sie!“ Sage ich noch an Mr. Denver gerichtet und nehme es dabei zum Ohr. „Lindström“ melde ich mich nur kurz abgehackt und merke, wie der lange, glatte Mann mich weiter betrachtet. „Hey Süße, ich bins Lara!“ kündigt sich meine beste Freundin an „Was bist du denn so ernst?“ erkennt sie direkt meine Angespanntheit. „Ja, natürlich. Ich bin jetzt fertig und komme raus. Ich rufe dich dann nochmal an.“ Sage ich ihr nur und weiß, dass Lara sofort alles Mögliche darein interpretieren und die nächsten paar Minuten Marc bis zum Anschlag damit nerven wird. Aber ich wollte die Situation in jedem Fall dafür nutzen, um hier rauszukommen und meine Zeit nicht länger einem Mann schenken, der mich so eigenartig anguckt. Davon habe ich bereits in New York und Bosten Albträume bekommen. Der Verfolgungswahn hatte sich aber laut der Polizei ja nun doch als richtig erwiesen, beruhige ich mich. Deshalb nehme ich an, kann ich meinem Gefühl auch hier Glauben schenken. Und dieses sagt mir in jedem Fall: Alice geh raus! „Mr. Denver. Es tut mir leid, aber ich muss weiter!“ lächle ich ihn vermutlich so falsch an, wie er es mir zu Beginn entgegengebracht hat. Als ich durch die Türe ins Freie trete und die Sonne direkt auf meiner Haut brennt, bin ich erleichtert und tippe direkt auf meinem Handy den Kontakt von Lara an, um sie nicht weiter zu beunruhigen. Dabei gehe ich langsam die Treppen zur Straße hinunter und schon nach dem ersten Klingeln vernehme ich Laras Stimme. „Was war denn jetzt los?“ kommt es direkt sauer von ihr. „Entschuldige, da war ein komischer Typ, den musste ich erst einmal abwimmeln.“ Versuche ich zu scherzen, doch Lara scheint es gar nicht lustig zu finden. „Du bist nicht im Haus?“ fragt sie mich und dann höre ich auch Marcs Stimme im Hintergrund. „Nein, ich war gerade im Museum und es war echt toll und beeindruckend!“ gebe ich zu. Lara scheint wohl auf Lautsprecher geschaltet zu haben, denn auf einmal höre ich Marc laut und deutlich. „Wer ist denn mit dir da? Alex hat doch heute einen Termin, oder?“ fragt er mich dann. „Ich bin alleine unterwegs heute. Alex und Emma müssen mich schon die ganze Zeit ertragen und ein Kleinkind bin ich nicht mehr.“ Witzel ich während ich an der Ampel auf Grün warte, um zum Parkhaus zu gelangen. „Okay, Süße wir sind jetzt gerade am Flughafen angekommen. Sollen wir dich irgendwo abholen?“ fragt Lara mich besorgt und ich weiß gar nicht warum, schließlich ist doch nichts dabei, dass ich einen Tag ohne Begleitung verbringe. „Nein, Nein. Fahrt ihr erstmal nach Hause. Ich werde jetzt kurz noch durch die Stadt bummeln und dann wieder nach Hause fahren.“ Kündige ich an. „Geht ihr erstmal nach Hause. Ihr müsst doch total erschöpft sein. Wir sehen uns morgen!“ beschließe ich und damit verabschieden wir uns auch schon. Ich entscheide mich, als die Ampel grün wird doch eine Runde hier herum zu gehen. Schließlich hatte ich vorhin ein paar Restaurants ausgemacht. Und Hunger hatte ich jetzt auch. Ich schlendere die Straße weiter herunter und dann sehe ich mehrere wohl hochpreisiger Restaurants. Scheinbar wussten die Inhaber, wo sie die Touristen am besten abfangen, doch ich bin auch froh, denn ich hatte bereits auch andere Gegenden dieser Stadt zu sehen bekommen. Und alleine fühle ich mich dann in solchen Restaurants auf jeden Fall wohler.
Nach dem wirklich fantastischen Essen und einer hervorragenden Nachspeise sitze ich im Auto und das Navi leitet mich durch die Straßen. Die Technik und Eleganz dieses Wagens beeindrucken mich immer wieder. So etwas würde ich mir vermutlich nie leisten können, aber ich denke auch nicht wollen. So schön das Gefährt ist. Ein kleinerer sparender Wagen ist in einer dichten Stadt einfach besser zu fahren und in jedem Fall bezahlbar. Ich schrecke zusammen, als mein Handy klingelt und ich drücke auf eine Taste am Lenkrad, um den Anruf anzunehmen, auch wenn ich nicht sonderlich erfreut darüber bin, dass es Alex ist. „Hallo“ begrüße ich ihn freundlich. „Marc hat mich eben angerufen.“ Beginnt er schon und ich bedanke mich innerlich für diese überaus galante, nicht vorhandene Begrüßung seinerseits. „Ja, und?“ frage ich eiskalt weiter, da ich schon weiß, was er sagen möchte. Seine stupide und abweisende Art gestern Abend nehme ich ihm wohl immer noch übel. Doch um ehrlich zu sein geht mir dieses ständige kontrollieren ebenfalls auf die Nerven. In New York hatte ich auch ohne sie alle überlebt, auch wenn ich ihnen allen dankbar bin für ihre Zu Gewandtheit und Aufmerksamkeit. „Du hättest einmal Bescheid geben können, dass du Sightseeing veranstaltest.“ Ich merke richtig, wie genervt er von dem Allem zu sein scheint. Ich höre im Hintergrund quietschen von Reifen aus einem Parkhaus und schließe daraus, dass er selbst ebenfalls unterwegs ist. „Alex, müssen wir uns darüber jetzt unterhalten?“ frage ich ihn ernst, da ich es hasse mit anderen zu streiten. Normalerweise gehe ich jeder Auseinandersetzung aus dem Weg, aber Alex Kontrollwahn geht mir ehrlich gesagt schon auf die Nerven. Emma hatte mir schon vieles erzählt und dem nach zu urteilen hasst ihr Bruder es, wenn er über Sachen nicht Bescheid weiß, oder es nicht so läuft, wie er es sich vorstellt. „Ich würde mich gerne gar nicht darüber unterhalten!“ gibt er angepisst zurück und ich muss innerlich schmunzeln, da ich mir gut vorstellen kann, wie er wieder genervt drein guckt. „Lass uns morgen darüber reden?“ schlage ich vor und nehme nur noch ein ‚Hmm‘ wahr und danach ist die Leitung tot. Alex schaffte es wirklich mich auf die Palme zu bringen und bis jetzt weiß ich nicht, was ihn seit gestern Abend so unausstehlich macht. Ich bin in wenigen Minuten später vor meiner Bleibe angekommen und entscheide mich nur noch ein wenig vor den Fernseher zu legen und zu entspannen.
Der nächste Tag beginnt wieder mit einigen Telefonaten. Mein Chef fragt, wann ich wieder in New York zum Dienst antrete, da sie ab Ende der Woche Not am Mann hätten und mich für einige wichtige OPs am Freitag und vielleicht auch am Wochenende bräuchten, da sie schon einige Patienten in der Chirurgie vertröstet hatten. Ich sichere ihm zu mich bis Morgen zu melden. Lara war dann die zweite, die mich anruft und wir machen unseren Brunch für elf Uhr aus bei ihr Zuhause. Sie versichert mir auch, dass ich nichts mehr zu besorgen bräuchte, sie hätte schon alles da. Also packe ich kurz vor elf meine Sachen zusammen und mache mich auf den Weg zu deren Haus. Als ich den Wagen in die Einfahrt kurve, sehe ich, dass auch Alex Wagen dort steht und mir vergeht direkt der Appetit. Ich hatte mich seit unserem Telefonat gestern nicht gemeldet. Nun gut der Tag ist ja auch noch nicht zu Ende verteidige ich mich vor meinen Schuldgefühlen. Lara kommt direkt aus dem Haus gestürmt und hat ihre weiße Schürze aus der Küche um. „Pünktlich wie immer.“ Umarmt sie mich und schmatzt mir ein Kuss auf die Wange. Na da hatte jemand ein tolles Wochenende schmunzele ich. Kurz später und einige Erzählungen von ihr reicher sind wir dann auch schon in der offenen Küche und dem prall gedeckten Esstisch angekommen. Marc nimmt mich auch in den Arm und auch Emma ist da, und begrüßt mich überschwänglich. Alex steht, wie so oft am Fenster mit seinem Handy am Ohr und hebt zur Begrüßung die Hand. „Ich habe schon von Lara gehört, euer Kurztrip hat sich mehr als gelohnt“ zwinkere ich Marc zu. Der darauf direkt seine Frau umarmt und ihr einen Kuss aufdrückt, was sie sich gerne gefallen lässt. „Das nächste Mal müsst ihr uns mitnehmen.“ Meldet sich Emma direkt, während sie sich schon eine der wirklich lecker aussehenden Erdbeeren in den Mund schiebt. Der ganze Tisch ist mit Obst und Gemüse gefüllt, doch auch Müsli und Brötchen, sowie Kaffee fehlen nicht. Auch Alex gesellt sich jetzt zu uns und wir alle beginnen munter zu Essen und hören uns die tollen Geschichten aus Europa an. Als wir dann fertig sind kündigt Emma an, dass sie gleich noch mit ein paar Freundinnen in die Stadt shoppen gehen möchte und fragt, ob jemand mitmöchte. „Ich glaube du solltest dich mehr mit deiner Arbeit beschäftigen, Emma!“ kritisiert Alex sie und scheint ihr noch immer das turbulente Wochenende nachzutragen. Lara hat schon begonnen den Tisch abzuräumen und ich helfe ihr dabei. „Ach, Alex. Ich habe bis Mittwoch frei und ich mache sehr viel, sogar in meiner Freizeit zuhause.“ Rechtfertigt sie vor ihrem Bruder. „Ich weiß gar nicht, warum du so schlecht gelaunt bist!“ wirft sie dann hinter her. „Auch Alice gegenüber bist du eine Kratzbürste und sie kann nun gar nichts für deine Probleme. Ich glaube du solltest dir mal ein paar Tage Urlaub nehmen!“ schnauzt sie ihn weiter an und man hat das Gefühl sie ist keine fünfundzwanzig, sondern fünfzehn. Ich fühle mich direkt mitschuldig, als sie auch meinen Namen nennt, doch verstehen kann ich Alex auch nicht und als dann Alex Handy parallel klingelt hält er sich nicht mehr zusammen und ich schrecke zusammen, als dieses auf dem Boden aufkommt. Marc läuft rüber, um das zerschellte etwas aufzuheben. „Das war wohl das vierte in zwei Wochen merkt Lara an und räumt ungerührt weiter die Sachen in den Kühlschrank. Ich gehe zurück zum Tisch und sehe, das Alex sich wieder am Sammeln ist, obwohl hochexplosiv seine Stimmung wohl nur geringfügig beschreiben würden. „Es ist einfach viel los im Unternehmen und die Partner spielen nicht so ganz mit!“ begründet Marc den Ausraster seines Freundes. „Alex ich fange heute wieder an und nehme dir ein paar Termine ab.“ Bietet Marc seinem Kumpel an. Alex scheint das Angebot aber nicht gerne annehmen zu wollen. „Sehr gute Idee Marc.“ Mischt sich Lara ein und tätschelt Alex aufmunternd die Schulter. Es scheint immer noch alles in seinem Kopf zu rattern. „Entschuldigt Leute“ kommt es dann von ihm und er guckt wirklich niedergeschlagen in die Runde und rauft sich die Haare. Es scheint ihn wirklich einiges schwer zu belasten. Die restlichen Sachen sind schnell weggepackt und Lara und ich gehen zusammen auf die einladende Terrasse, um noch ein paar Sonnenstrahlen einzufangen. „Alex ist echt fertig. Es scheinen ihm wohl einige doof in die Karten zu spielen. Er braucht wohl entweder einen Partner oder statt diesem insgesamt vier, um ein Projekt aufzuziehen, doch scheinbar ist keiner von ihnen bereit zu investieren.“ Fängt Lara an zu plaudern. „Okay, aber kann es sich sein Unternehmen nicht leisten?“ frage ich ohne einen blassen Schimmer von dem Ganzen zu haben. Lara lacht. „Es geht hier nicht nur um Geld, sondern auch um Ansehen und Einfluss. So etwas kann man nur mit Partnern hochziehen und erfolgreich verwirklichen.“ Mir scheint dieses Ganze geschäftlich einfach zu verwirrend, denn auch die folgenden Erklärungsversuche von Lara verstehe ich nur ansatzweise. „Um wen handelt es sich denn bei diesen Investoren?“ frage ich sie dann interessiert. „Ach die vier sind andere Geschäftsmänner und sträuben sich mehr oder weniger zusammenzuarbeiten. Diese Termine sind es auch, die Alex so schlauchen. Immer wieder fangen sie von null an und das ist ganz und gar nicht Alex Fall. Ja, und der einzelne ist Mr. Monderaz. Er ist ein älterer Geschäftsmann, der sich aber sehr strikt aus solchen Angelegenheiten versucht rauszuhalten, da er beim letzten großen Geschäft, so vermutet man, seine Tochter und dessen Mann verloren hat.“ Ich bin erschüttert. Ich dachte es wäre ein Autounfall gewesen. „Sie sind offiziell bei einem Autounfall verunglückt, doch inoffiziell wird gesagt, dass sie umgebracht wurden. Und auch Mr. Monderaz wurde so etwas fast zum Verhängnis.“ Ich kann kaum realisieren, was Lara eben erzählt hat. „Das ist schrecklich!“ stelle ich fest und bin sprachlos. Antonio erscheint mir durch diese Erkenntnisse ganz anders. Was musste er durch sein Geschäft für Verluste verkraften. Ich merke, wie nun auch in mir die Traurigkeit aufsteigt. „Emma hat mir ja schon erzählt, du hättest ihn gestern ebenfalls mehr als kennengelernt. Wie hast du es nur geschafft, dass er unbedingt mit dir tanzen wollte?“ fragt mich Lara daraufhin wieder total freudig. Es folgt eine Schilderung des gestrigen Abends und ich lasse auch nähere Details ihr gegenüber weg.
Als ich mich von Lara verabschiede sind bereit alle anderen verschwunden und Lara entschuldigt sich auch, da sie auch noch einen wichtigen Termin hat. Sobald ich im Auto sitze google ich auf meinem Handy das Restaurant ‚Antonio‘ die gesamten Gespräche haben mich doch ein wenig verwirrt und deshalb werde ich mein Glück versuchen und dort anrufen. Schon nach dem zweiten Klingeln vernehme ich eine angenehme Frauenstimme. „Antonios. Was kann ich für Sie tun?“ höre ich „Hallo, mein Name ist Alice Lindström. Ist Mr. Monderaz im Haus?“ frage ich sie und ich merke, wie am anderen Ende Gemurmel beginnt. „Miss Lindström?“ höre ich dann plötzlich eine männliche Stimme. „Ja“ bestätige ich und der Mann spricht anschließend überaus freundlich weiter. „Mr. Monderaz würde sich sehr darüber freuen sich mit Ihnen zu treffen. Wo können wir Sie denn abholen?“ fragt er direkt und ich bin ein wenig überrumpelt, gebe ihm aber meine Adresse durch.
Zwei Stunden später hält ein weißer Audi vor meinem Eingang und ich eile hinaus, noch bevor der Mann der schon am Abend an der Seite des alten Mannes war meine Tür erreicht. „Hallo“ begrüße ich ihn freundlich während ich die Tür hinter mir schließe. „Guten Tag, Miss Lindström. Mein Name ist Andrew Styles“ stellt sich der gutaussehende Blonde mir vor und ich weiß nach dem Händedruck direkt, dass er gewiss auch für die Sicherheit seines Bosses zuständig ist, auch wenn er sich in einigen Sätzen als sein Sekreter vorstellt. Kurz später kommen wir an dem schönen Audi an und Styles öffnet mir die Tür „Alice, schön dich wiederzusehen“ werde ich freudig von Antonio begrüßt und als ich im Wagen bin bekomme ich zwei Küsse auf die Wangen. „Ich freue mich, dass sie so schnell Zeit für mich gefunden haben“ sagt er ehrlich, gefolgt von einem kleinen Hustenanfall. „Ich glaube ich musste weniger meinen Terminkalender umdisponieren als sie!“ gebe ich schuldbewusst zu worauf er „Man muss eben Prioritäten setzen“ lachend entgegnet. „Ich habe mir überlegt, dass wir meiner Frau heute einen Besuch abstatten, wenn es dich nicht stört?“ fragt er mich und ich bin verwundert über seinen Vorschlag. „Natürlich stört es mich nicht!“ beantworte ich ihm seinen weiterhin fragenden Blick. Die darauffolgende Fahrt finden wir immer neue Themen und sind, in gefühlt sehr kurzer Zeit, vor einem großen Gebäude angekommen, welches wohl das Krankenhaus ist, in dem seine Frau untergebracht ist. Auch als wir das Gebäude betreten, was von innen um einiges imposanter ist als von außen wird Antonio von jedem gegrüßt und ich komme mir schnell, wie ein Anhängsel vor, der von jedem fragend angeguckt wird. „Ich bin selten in so guter Gesellschaft“ scherzt der Mann und das Lachen ist erneut ein hüsteln, was mir so langsam wieder Sorgen bereitet. Als wir durch ein modernes Gänge Gewirr hindurch marschieren. Antonio kommt vor einer der vielen Türen zum Stehen wendet sich zu mir um und lächelt mich an. „Manchmal ist sie ein bisschen herrisch, aber Gerda ist eine herzensgute Frau.“ Bereitet er mich vor, doch im selben Moment öffnet er auch schon die Türe. „Meine Liebe. Ich habe dir Besuch mitgebracht!“ kündigt er seiner Frau an. Wir gehen beide durch den schlanken Flur in das große Krankenzimmer. Ich merke, dass Styles hinter mir von außen die Türe schließt und ich nur mit dem Ehepaar in diesem modernen und kostspieligen Krankenzimmer stehe. „Besuch?“ vernehme ich nur eine sehr angenehme weibliche Stimme, weil Antonio mir durch seinen Körper ein wenig die Sicht vor der Dame in dem Bett versperrt, dass wie in allen Krankenzimmern von allen Seiten zugänglich ist. Dann gibt er den Blick frei und ich gucke in ruhige braune Augen, einer hübschen, zierlichen, älteren Frau. „Guten Tag!“ grüße ich sie etwas verlegen und trete näher an das Bett heran um ihr die Hand zu schütteln, die sie direkt mit den ihren umschließt und den Blick nicht von meinen Augen abwendet. „Mein Name ist Alice Lindström“ stelle ich mich vor und nehme wahr, wie sie einen vielsagenden Blick mit ihrem Gatten austauscht, der in einen der weißen Ledersessel Platzgenommen hat. „Ich freue mich sehr!“ gibt sie ehrlich zu und lässt meine Hand weiterhin nicht los. „Nenne mich doch bitte Gerda. Ich denke mein Mann hat sich auch schon als Vornamenprediger geoutet?!“ stellt sie geradezu fröhlich fest. „Sehr gerne!“ erwidere ich. „Setz dich doch bitte. Antonio hat mir schon sehr viel von dir erzählt!“ fängt sie an zu reden und ich nehme wie sie andeutet an ihrem Bett auf dem Arztdrehhocker Platz. Mein Blick wandert zu Antonio der mich entschuldigend anguckt. Ich habe das Gefühl, dass ich die Einzige bin, der diese Situation komisch vorkommt. Zumindest lassen sich die beiden nichts anmerken. „Ich hoffe es geht Ihnen besser?“ frage ich die Dame und werde direkt von ihr korrigiert „‘Dir‘, Ja die Ärzte hatten vorhin gesagt ich dürfe Ende der Woche noch hier raus. Meine Blutwerte spielen wohl noch ein wenig verrückt, aber es wird schon.“ Beantwortet sie mir meine Frage. Antonio hatte mir bereits erzählt, dass seine Frau auf Grund eines Schwächeanfalls hier aufgenommen worden sei. „Antonio wollte unbedingt, dass ich hier weiter draußen behandelt werde, damit es nicht so hohe Wellen schlägt. Deshalb kommt er mich auch nur einmal täglich besuchen“ beschwert sie sich und als mein Blick zur Uhr wandert fällt mir auf, dass wir fast eine Stunde hierhergefahren sein mussten. „Aber es ist doch schön hier. Solche Krankenhäuser findet man in New York nicht so häufig!“ gebe ich bewundernd zu. „Ja, das hat mein Mann auch erzählt.“ freut sie sich immer noch und ich schiebe es darauf, dass sie sich über Gesellschaft einfach freut. „Aber gute Ärzte soll es dort geben!“ bemerkt sie weiter und ich erwidere nur „Das hoffe ich doch“ und wir stimmen alle ins Lachen ein. Wir arbeiten viele Themen ab und ich habe das Gefühl sehr viel Persönliches von den Beiden zu erfahren, was mir sonst sicher niemand erzählt hätte, wenn ich sie nur so kurz kenne, wie sie. Also erzähle ich auch ein wenig aus meinem Leben und was ich so tue. Die Geschichte mit meinem komischen Gefühl in Boston und New York lasse ich außen vor. Das würde die beiden nur belasten und vermutlich auch verwirren und das wollte ich in keinem Fall. Gerade, als mir Gerda wieder eine Geschichte von ‚ihrem Antonio‘ erzählt, klopft es an der Tür und ein Mann in weißem Kittel tritt hinein. „Guten Tag die Herrschaften.“ Begrüßt er uns und arbeitet eine Hand nach der nächsten ab. Es ist ein Arzt in ungefähr meinem Alter. Dunkle Haare und sehr gepflegt, wie so ungefähr jeder den ich bisher hier auf den Gängen hab arbeiten sehen. Aber anders sollte es auch nicht im medizinischen Bereich sein. „Wir haben Ihrer Frau vorhin schon vermelden können, dass sie am Ende der Woche unser Haus vermutlich verlassen darf, wenn ihre Blutwerte dann wieder in Ordnung sind.“ Teilt er uns mit und Antonio steht inzwischen neben dem Bett seiner Frau und drückt ihre Hand. Das muss Liebe sein überlege ich und hoffe, dass ich in so einem Alter auch jemanden haben werde, der mir so zur Seite steht und mich noch so liebt, wenn ich in dem Alter bin. „Darf ich Ihnen vorstellen. Dr. Alice Lindström.“ Stellt mich Antonio dann plötzlich förmlich vor und sofort schnellt der Blick des Arztes hoch und blickt mich verwundert und gleichzeitig interessiert an. „Na, spricht man da von Zufall oder Schicksal?“ guckt der Arzt zu Antonio und dieser lächelt ihn an. „Es ist mehr als das. Glauben Sie mir.“ Sagt er und ich bin mir sicher, dass ich nur noch Bahnhof verstehe. „Mein Name ist Glen Stenton. Ich bin Oberarzt hier und durfte ihre Arbeit bereits bewundern!“ sagt er geradezu beeindruckt, doch bei mir fällt alles aus. Ich weiß nicht, was sie gerade von mir wollen und mein Blick wandert von einer Person zur nächsten. „Ach, Gott jetzt erklärt dem Mädchen was hier los ist.“ Regt sich Gerda auf. Ich gucke zwischen den beiden Männern hin und her. „Sie haben Mr. Monderaz derart beeindruckend operiert, dass unseren Spezialisten der Atem weggeblieben ist.“ Jetzt muss mir alles aus dem Gesicht gefallen sein. Ich habe was…. Ich schaue Antonio an. Ich habe ihn operiert? Ich durchforste meinen Kopf, aber komme nicht darauf, dass ich jemanden mit einen solchen Namen operiert hatte. Und ich kann mir eigentlich gut Namen merken, auch wenn es mir bei Gesichtern wirklich schwerfällt. Aber es gibt auch viele Patienten, die ich nach einer Operation nicht mehr zu Gesicht bekomme. Mein fragender Blick bringt die drei zum Lachen. „Meine Liebe Alice.“ Beginnt Antonio und kommt auf mich zu. „vor sieben Monaten hast du mir das Leben gerettet. Ich hatte es selbst nicht für möglich gehalten, dass sich dein Weg mal hier nach Venezuela verschlägt. Da muss ich wohl doch mal den Trentons danken!“ schmunzelt er und nimmt meine Hände in seine. „Es tut mir Leid Antonio, ich kann mich gar nicht daran erinnern, also an deinen Namen.“ Sage ich geschockt. Was ein weiteres Lachen bei ihm auslöst. „Du wirst verstehen, dass ich mich nicht unter meinen Namen dort habe behandeln lassen. Das hätte die Geschäftswelt dazu gebracht die Mäuler zu zerreißen. Mein Name war William Miller, als ich bei dir in die Notaufnahme kam.“ Erzählt er mir und guckt mir mit seinen aufgeweckten Augen in die meinen. So ganz spielen meine Erinnerungen weiterhin nicht mit, da ergreift Dr. Stenton die Initiative und startet sein Tablet, das in seiner Armbeuge liegt. Nach kurzen Tippen und wischen hält er mir Röntgen und CT Bilder hin, die ich doch allzu gut kenne. Und ich denke Antonio konnte genau sehen, wie ich mich an diesen einen Tag zurückerinnere, als ich noch in Boston lebte und arbeitete. „Männlicher Patient, Anfang siebzig. Schusswunde durch das Abdomen, starker Blutverlust. Mögliche Beschädigung der Wirbelsäule…“ schießt es mir direkt durch den Kopf und ich merke zu spät, dass es wohl auch als Flüstern aus meinem Mund kam. Ich starre den Mann vor mir an. Es war eine harte OP, eine der härtesten die ich je gehabt hatte und mit am meisten retten konnte. Antonio kommt mit offenen Armen auf mich zu und umschließt mich mit diesen. „Ich danke dir, für diese zweite Chance.“ Vernehme ich und danach folgen sentimentale und emotionale Gespräche, die wohl lange dauern und auch der Arzt nimmt sich Zeit, um ein wenig bei uns zu bleiben.
Geschätzte zwanzig Minuten und reale eineinhalb Stunden später stehen Dr. Stenton und ich vor der Türe des Zimmers und er betrachtet mich mit wachem Blick. „Mr. Monderaz hatte gehofft Sie einmal wiederzusehen. Wie kommt es, dass sie in Caracas sind?“ fragt er ehrlich interessiert und runzelt dabei die Stirn seines wirklich ansehnlichen Gesichtes. „Ich war auf die Hochzeit meiner besten Freundin eingeladen und habe mich dann entschlossen noch meinen Urlaub hier zu verbringen.“ Erkläre ich ihm. „Das nenne ich wirklich Schicksal! Kommen Sie ich möchte Ihnen meinen Chef vorstellen. Prof. Ninstedt, er war begeistert von Ihrer Arbeit. Sie konnten sehr viel bei Mr. Monderaz retten, obwohl sein Zustand alles andere als vielversprechend war!“ gibt er erneut hochachtungsvoll zu. „Das ist meine Arbeit!“ versuche ich das Ganze ein wenig zu entschärfen und versuche ihn von seinem Vorhaben abzubringen. „Dr. Lindstöm. Keine falsche Bescheidenheit. Zu so einer Leistung gehört nicht nur Arbeitswille, sondern auch eine Schaufel Talent und harte Arbeit!“ betont er nochmal und läuft den Gang weiter hinunter, um dann an einer Türe zu klopfen. „Herein“ ertönt es auf der anderen Seite und er öffnet die Tür und wir treten in einen riesigen Raum der wie eine Bibliothek gestaltet war. Mitten drin ein großer Schreibtisch, an welchem ein Mann Anfang sechzig auf seinen Arbeitsbildschirm guckt. „Was ist los, Stenton.“ Entkommt es ihm freundlich, aber anderweitig konzentriert. „Dr. Alice Lindström ist hier.“ Antwortet der dunkelhaarige Oberarzt ihm, woraufhin er sich direkt aufrichtet und sein Brillenglas von seiner Nase nimmt. Das Graumelierte Haar zeigt so langsam sein Alter, doch er hat sich ansonsten sehr gut gehalten, wie ich finde. Er kommt auf uns zu und Lächelt mir entgegen. „Dr. Lindström es ist mir eine Freude!“ sagt auch er ehrlich. „Ich habe mir schon damals ihre Arbeit angesehen und kann nur sagen: Hut ab. Ich hätte nicht erwartet, dass Sie noch so jung sind muss ich jetzt ehrlicher Weise zugeben.“ Fängt er selbstsicher an zu reden und schüttelt dabei kräftig meine Hand. „Ich freue mich auch Sie kennenzulernen, Prof. Ninstedt.“ Erwidere ich lächelnd und bin froh, als ein erneutes Klopfen an der Türe das ganze unterbricht, denn das Ganze ist mir etwas skurril. Ohne ein Herein öffnet sich dir Türe, doch als Antonio eintritt bin ich umso erfreuter. „Mr. Monderaz wie geht es Ihnen.“ Begrüßt ihn der Arzt und Antonio kommt lächelnd herein. „Wie soll es mir gehen? Meine Frau wird wieder fit und mein Engel ist hier bei uns“ zwinkert er mir zu. „Wie wahr.“ erwidert der Chefarzt ihm darauf nur. „Entschuldigen Sie uns, aber ich muss wieder zurück in die Stadt. Ich bringe Miss Lindström gerne ein weiteres Mal mit, wenn Sie es möchte und Zeit findet“ Bietet Antonio grinsend und zugleich entschuldigend an. „Sehr gern! Dr. Lindström und falls sie einen Job suchen, melden sie sich!“ kommt der Chefarzt direkt mit einem Angebot. „Vielen Dank.“ Damit verabschieden wir uns und diese ganze Situation muss ich erstmal Revue passieren lassen. Wie unglaublich ist es, dass ich Antonio Monderaz, einen ehemaligen Patienten, hier in Caracas wiedertreffe. Die Heimfahrt verläuft ruhig. Styles hatte auf uns geduldig gewartet und lenkt den Wagen durch die Dämmerung. Gesprächsstoff gibt es viel, vielleicht sogar zu viel, um es in Worte zu fassen. Die Rückfahrt erzählt vor allem Antonio weiter von seiner Familie und dankt mir immer wieder dafür, dass er zu seiner geliebten Frau und Enkelin zurückkehren konnte. Als ich Zuhause ankomme falle ich nur noch ins Bett und gehe meine Gedanken durch, die sich mehr als überschlage. Wie sollte es auch sonst sein, bei diesen unglaublichen Ereignissen.
Die Sonnenstrahlen wecken mich an diesem Dienstagmorgen auf und ich schrecke fast hoch, als ich an das denke, was am vergangenen Tag passiert war. Wie unglaublich mir es immer noch erscheint, dass Antonio in Boston war und gerade ich ihn versorgt habe. Dass ich ihn hier in Caracas wiedertreffe. Meine ganzen morgendlichen Gedanken schweifen nur darum. Bis ich eine Nachricht auf meinem Handy lese. Sie ist von meinem Chef. Er fragt, ob er am Freitag mit mir rechnen könne. Ohne weiter darüber nachzudenken antworte ich mit ja. Schließlich muss ich ja irgendwann zurück und mich auch um sonst alles kümmern, was ich in New York zurückgelassen hatte. Kurz darauf setzte ich mich an meinen kleinen Laptop, der seine Zeit hier auf dem Couchtisch verbracht hatte, ohne oft beansprucht zu werden. Ich buche einen Flug, der am Donnerstagabend in Maiquetía startet. Ich würde circa eine dreiviertel Stunde dort hinbrauchen, fange ich an zu rechnen. Dann sollte ich gegen sieben Uhr abends spätestens hier los, lege ich fest und während ich an meinen Kaffee nippe, den ich mir vorher noch kredenzt hatte höre ich es auch schon an der Tür klingeln. Ich laufe zu dem Display, der mir zeigt, wer davorsteht und bin nicht sonderlich erstaunt, als ich Lara davor erblicke, die mit ihren Händen freudig umher wedelt. Wenn ich ihr das von meiner Abreise erzähle konnte ich mich auf etwas gefasst machen, dem war ich mir sicher. „Guten Morgen, Süße.“ Begrüßt sie mich direkt freudestrahlend und nimmt mich in ihre Arme. Ich weiß gar nicht wer heute mehr strahlt, sie oder die Sonne die weiterhin versucht auf ihren Höchststand zu steigen. „Guten Morgen, Lara.“ Freue ich mich über ihr Kommen und nehme ihr einen der Körbe ab, die sie vor sich hingestellt hat. Diese sind bis zum Rand mit Lebensmitteln gefüllt. „Lass uns Frühstücken und dann gehen wir shoppen!“ kündigt sie an und so passiert es dann auch. Ich mache auch mit den schlechten Nachrichten kurzen Prozess und meine Vermutung über ihre Begeisterung bestätigen sich. Als wir dann abends vom Shoppen zurück sind, weiß ich warum ich wieder arbeiten müsste. Ich habe zwar immer noch einiges an Geld auf meinem Konto, doch so ein Frustshopping haut schon ganz schön rein. Als ich dann beginne Lara die Geschichte von Antonio Monderaz und mir zu erzählen ist sie ganz aus dem Häuschen und kann dem Ganzen so wenig Glauben schenken, wie ich. „Das ist wirklich unglaublich… Unglaublich… Ich fasse es einfach nicht, dass du ihn in Boston operiert hast.“ Stellt sie immer noch ungläubig fest. „Es muss aber unter uns bleiben Lara! Ich bekomme sonst großen Ärger mit dem Krankenhaus und vermutlich auch mit Antonio…“ weise ich sie zurecht. Ich hatte ihr fast alles erzählt, denn irgendwen brauchte ich, um meinen Kopf freizubekommen und ein paar klare Gedanken fassen zu können. Und wer würde sich dafür mehr eigenen, als meine beste Freundin und Schwester. Und ich konnte mich bisher immer darauf verlassen, dass sie gegenüber anderen kein Wort darüber verloren hat, was ich ihr im vertraulichen gesagt habe. „Du hast mein Wort!“ versichert sie mir und wir lassen den Abend bei einem Glas Wein ausklingen.
„Kommst du?“ schreit Lara nach oben, um ihren Mann ein wenig anzuheizen sich zu beeilen. Wir haben heute vor noch einmal schön in einen Club zu gehen, in welchem wohl auch das beste Abendessen serviert wurde. Es ist Mittwochabend und mir bleibt nur noch ein Tag hier in Caracas. Emma war auch wenig begeistert davon gewesen, dass ich wieder zurück nach New York fliege, aber ändern konnte und wollte ich es nicht. Die Überlegung hier zu bleiben wollte ich vor allem nach den ganzen Geschehnissen hier doch lieber wieder verwerfen. Die Art, wie hier die Menschen und auch die Behörden agieren rufen in mir Zweifel hervor, dass ich mich hier sicher fühlen kann. Außerdem will ich wieder arbeiten und meine Tage nicht nur mit Verabredungen zu bringen. Auch wenn die Zeit hier sehr schön und erholsam ist und mir das Klima auch sehr gut gefällt. „Ja mein Schatz! Ich komme ja schon“ kommt Marc die Treppen heruntergejoggt und gibt seiner Frau einen liebevollen Kuss auf die Lippen. Kurz später stehen wir auch schon vor einem sehr imposanten Gebäude außerhalb von Caracas. Es ist auf den nahegelegenen Bergen gelegen und man hat eine fantastische Aussicht über die gesamte Stadt. Dabei fällt mir ein, dass ich ganz vergessen hatte mir den National Park anzugucken, wie ich es mir vorgenommen hatte. Bereits als wir in die Eingangshalle kommen werden wir freundlich von einem in Pagenmontur bekleideten Mann begrüßt, der uns die Mäntel abnimmt. „Guten Abend Mr. Trenton. Der Tisch befindet sich wie sie gewünscht hatten am großen Fenster!“ weist uns dann ein weiterer Mann in Anzug und Fliege in Richtung des nächsten Raumes und Marc bedankt sich. Anscheinend kennt Marc den Weg, denn er geht orientierten Schrittes voran. Die Aussicht von unserem Tisch aus ist atemberaubend. Wir haben einen Blick über fast ganz Caracas. Man sieht die Lichter der Häuser und die Autos, die die Stadt in der Ferne durchqueren. Ich nehme an dem wirklich wunderschön eingedeckten Tisch Platz, wie es auch Lara und Marc. Vier weitere Plätze sind noch nicht belegt. Wen erwartete Marc noch frage ich mich direkt. Marc scheint meinen fragenden Blick direkt wahrgenommen zu haben. Er lächelt mich an „Emma und Alex kommen noch und Laras Eltern haben sich auch angekündigt.“ Dabei nimmt er die Hand seiner Frau. „Oh, wie schön!“ freue ich mich vor allem darüber Martin und Magret vor meiner Abreise noch einmal zu sehen. Wir sehen uns mittlerweile zu selten. Auch die Beiden sind in die Nähe nach Caracas gezogen und haben sich ein kleines Anwesen gekauft. Martin kann mit seiner IT Firma einfach überall arbeiten, deshalb entschieden sie sich dafür ihrer Tochter nahe zu sein. Lara holt mich mit einem Armtätscheln aus den Gedanken. „Sie würden sich sicher auch freuen, wenn du hierbleiben würdest!“ fängt sie wieder mit dem leidlichen Thema an. Und Marc lehnt sich nur grinsend in seinem Stuhl zurück. „Ich kann mal mit Alex sprechen. Sie suchen bestimmt nach guten Ärzten in unserer Klinik.“ Schlägt Marc vor und entfacht Laras Reden nur noch weiter, wofür er sich von mir einen bösen Blick einhandelt, den er humorvoll nimmt. „Ach komm schon Liz! Überleg es dir! Ich bin hier und meine Eltern auch. Du hast hier alles was du brauchst.“ Brabbelt sie weiter und legt ihren Hundeblick auf. Es stimmt meine Familie ist hier, aber will ich hier in diesem Land leben, wo Korruption und Gewalt noch an der Tagesordnung steht? „Sicher haben wir eine geeignete Stelle frei.“ Ertönt auf einmal eine Stimme hinter mir und ich muss mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass es die von Alex ist. Direkt darauf werde ich von Emma von hinten umarmt und sie gibt mir einen Kuss auf die Wange. Scheinbar hatten sie das Gespräch noch gehört. „Ich habe euch doch gesagt, dass ich morgen wieder zurückfliege!“ betone ich noch einmal mein Vorhaben und erledige damit auch gleich, dass Emma und Alex es mitbekommen. „Wie? Du gehst morgen.“ Entkommt es Emma entsetzt, die es sich auf dem Stuhl links neben mir bequem gemacht hat. Alex ist auch um den Tisch herumgelaufen, um Lara und Marc zu begrüßen und wirft mir einen neutralen Blick zu. Ihn scheint es nicht zu interessieren. Ich meine warum auch… Viel hatten wir ja auch nicht miteinander zu tun. Rede ich mir ein und bin dennoch ein wenig enttäuscht über seine Gleichgültigkeit. Ich wende mich Emma zu. „Ich muss ab Freitag wieder arbeiten. Deshalb habe ich den Flug für morgen gebucht!“ erkläre ich es ihr, doch ihr Gesicht zeigt mir, dass sie es alles andere als akzeptiert. Eingeschnappt dreht sie sich zu Lara und Marc. „Und ihr habt nicht versucht sie zu überzeugen?“ Emma scheint wirklich sehr enttäuscht. „Glaub mir, wenn Liz sich was in den Kopf gesetzt hat, dann ist das so!“ Auch in Laras Stimme höre ich die Unzufriedenheit. Alex sitzt mir gegenüber und muss sich jetzt auch Emmas Enttäuschung annehmen. „Alex, mach ihr ein gutes Angebot, damit sie bleibt!“ drängt sie ihren Bruder, der mich daraufhin mustert und für einen kurzen Moment nehme ich auch in seinen Blick ein wenig Niedergeschlagenheit war, doch genauso schnell, wie es da ist, ist es auch schon wieder verflogen. Ohne das ich es gemerkt habe, haben sich Martin und Margret von hinten genähert. „Ja, Alice ist schwer zu überzeugen, obwohl wir dich auch sehr gerne hier hätten meine Kleine.“ Stellt auch Martin fest und nach einer Begrüßungsrunde sitzen wir alle gemeinsam an dem großen Tisch mit dieser Atemberaubenden Aussicht über Caracas. Das Essen hatten wir bereits genossen und auch das Dessert war wirklich unglaublich lecker. „Ich bin wirklich froh diese tolle Zeit mit euch allen verbracht zu haben. Danke für die wirklich schönen Erlebnisse! Aber mein eigenes Leben geht jetzt in New York weiter.“ Bedanke ich mich noch einmal bei allen. Irgendwie bin ich auch ein wenig gefrustet. Endlich sehe ich meine Familie wieder und lerne so nette Menschen kennen, doch Geld verdienen und meine Routine zurückzubekommen hatte auch etwas muss ich zugeben. „Du musst uns noch etwas erklären, Liz.“ Setzt Emma dann plötzlich an, während die Männer sich gerade über verschieden Sportclubs und Investitionen unterhalten. Ich merke direkt die Anspannung, die von Alex ausgeht und den warnenden Blick, den er ihr zuwirft. „Ja, frag einfach!“ entkommt es mir direkt. „Woher kennst du Mr. Monderaz.“ Augenblicklich wird es still am Tisch und ich habe auch das Gefühl, dass es im restlichen Raum etwas ruhiger geworden ist, da Emma die Frage doch etwas laut gestellt hat. Sie blickt mich mit ihren großen blau grünen Augen an, die fast die Intensität von denen ihres Bruders besitzen. „Woher ich ihn kenne?“ wiederhole ich die Frage, als ob ich die Frage nicht verstanden habe. Ich merke, wie mich nicht nur Alex, sondern auch Marc und Martin genau betrachten. „Ich bin ihm am Flughafen begegnet!“ gebe ich zu und es entspricht ja eigentlich auch der Wahrheit. Lara und mein Blick begegnen sich und ich versuche ihr deutlich zu machen, dass ich ihre Hilfe brauche. „Er hat gesehen, wie ich diesem Mann dort geholfen habe. Und in der Zeit auf mein Gepäck aufgepasst.“ Die Blicke die auf mir liegen sprechen Bände. Doch vor allem in Alex Augen kann ich sehen, dass er der Meinung ist, dass meine Verbindung zu Antonio nicht nur diese ist. „Er hat mich am Ball wiedererkannt und wir sind ins Gespräch gekommen, als ich Getränke geholt hatte.“ Auch die Wahrheit lobe ich mich selbst. „Oh, wie schön. Das nenne ich mal Zufall.“ Versucht Margret die Situation aufzulockern. „Ich glaube nicht an Zufälle.“ Erwidert Alex schroff und guckt mir derart direkt in die Augen, dass mir der Atem stockt. Es ist ein prüfender Blick und gleichzeitig zeigt sich auch so etwas wie Wut darin. Ich halte seinem Blick stand. „Ich auch nicht!“ gebe ich ein paar Momente später ehrlich zurück und ein Zucken umspielt Alex Mundwinkel. Warum fand er das jetzt lustig? „Dann sind wir ja einer Meinung.“ Er greift dabei nach seinem Glas und nimmt einen Schluck. „Einer Meinung? Sicher, was Zufälle betrifft!“ kontere ich weiter, denn ich weiß, dass er darauf hinauswollte, dass man Antonio nicht einfach so irgendwo trifft, denn in dem Punkt bin ich mir auch sicher. Ich höre ein Räuspern von links und blicke Martin an, der wohl, wie seine Frau eben das Gespräch zu entschärfen versucht. Und so zerläuft sich das Thema langsam wieder auch wenn ich die Blicke zwischen Alex und Marc immer wieder wahrnehme. Beide scheinen meinen Worten nicht ihr vollstes Vertrauen zu schenken. Wir machen uns nach einer weiteren Gesprächsrunde bereit aufzubrechen und Emma und Alex hatte ich bereits verabschiedet. Mir war klar, dass Emma ihre Tränen nicht zurückhalten würde und so passierte es auch, dass sie weinend in den Sportwagen ihres Bruders stieg, aber nicht ohne mir das Versprechen abzuringen mindestens täglich zu schreiben. Was mich dann total erstaunt, ist als Alex mich zu Verabschiedung kurz freundschaftlich umarmt. „Pass auf dich auf!“ überkommt es seinen Lippen bevor er dann in seinem Wagen verschwindet. Noch immer kribbelt es mich unter der Haut. Diese Worte hatte ich nicht erwartet und dennoch bin ich glücklich sie von ihm zu hören. „Ich werde dich vermissen meine kleine!“ nimmt mich Magret dann schluchzend in ihre Arme. „Ich bin nicht aus der Welt! Ihr könntet mich ja auch mal besuchen kommen!“ schlage ich lächelnd vor. „Das machen wir!“ kommt es dann von Martin. „Ich habe in New York ja auch noch eine Wohnung dann kommen wir da so lange unter“ zwinkert er mir und Margret zu. Marc, Lara und Margret gehen dann schon einmal in die Richtung der Autos. „Alice…“ als Martin ansetzt weiß ich schon, dass es eine Belehrung wird. „…du solltest den Blickwinkel von Marc und Alex verstehen! Ich habe in den letzten Tagen ab und an mit ihnen gesprochen und Alex hat uns von dem Abend berichtet.“ Er räuspert sich. Ganz angenehm scheint ihm das Thema nicht zu sein. „Falls du den beiden. Vor allem Alex helfen kannst den Kontakt zu knüpfen, solltest du das tun, meine Liebe.“ Fährt er dann fort und mir kommt Alex Ton wieder in den Kopf, als er am Tisch meine Antworten in Frage stellte. „Ich glaube ich kann niemanden bei seinen Geschäften helfen.“ Sage ich ihm ehrlich und hoffe, dass er das Thema damit gut sein lässt. „Wir wissen alle nicht, wo wir eine Hilfe sein könnten. Ich weiß nur, dass diese zwei Männer versuchen diese Stadt besser zu machen und große Projekte aufzuziehen und dafür braucht man hier Kontakte!“ stellt er nochmal fest und tätschelt mir aufmunternd meine Schulter, bevor er mich feste umarmt. „Ich werde dich vermissen, Liz“ nehme ich seine ehrliche Stimme neben meinem Ohr wahr. „Ich dich auch!“ Damit wurde dann die Heimfahrt angetreten und ich stochere in meinen Gedanken herum, als wäre es ungenießbares Essen. Martins Worte gehen mir nicht aus dem Kopf.
Am nächsten Morgen hatte ich den Entschluss gefasst auch Antonio von meiner Abreise in Kenntnis zu setzen und wählte seine Nummer in meinen Kontakten aus. Schon nach dem zweiten Klingeln nimmt er ab. „Guten Morgen, Alice.“ Begrüßt der alte Mann mich freundlich. „Guten Morgen. Wie geht es dir Antonio?“ frage ich ihn direkt. „Besser, nachdem du meinen Sekreter darauf angesetzt hattest nach meinem Husten gucken zu lassen.“ Reibt er mir direkt unter die Nase. Nach seinem ständigen Husten hatte ich noch am selben Tag Kontakt mit Styles aufgenommen, der direkt alles in die Wege leiten wollte. Und das hat er scheinbar auch getan freut es mich. „Sehr gut! Ich rufe dich an, um mich zu verabschieden.“ Kündige ich ihm an, um es hinter mir zu haben. Es folgt eine kurze Stille. „Du bleibst nicht hier in Caracas?“ entkommt es ihm ehrlich traurig. „Nein, ich habe einen Job in New York. Eine Wohnung…“ sage ich und merke, dass es scheinbar wirklich so ist, dass es mir einfach schwer fällt irgendwo etwas aufzugeben. In Boston war es bereits sehr schwer gewesen, aber unaufhaltsam. Und da merke ich, dass ich einen Punkt ganz vergessen hatte abzuklären. Die Polizei zu kontaktieren, dass ich wieder zurückkommen würde. „Ich finde es sehr schade, meine Liebe!“ Antonio hört sich wirklich mitgenommen an. „Ich werde euch besuchen kommen!“ kündige ich deshalb direkt an. „Da würden Gerda, Emily und ich uns sehr freuen!“ trotzdem ist die Niedergeschlagenheit weiterhin ein Bestanteil seiner tiefen Stimme. „Antonio, es ist mir unangenehm, aber dürfte ich Sie noch um einen Gefallen bitten?“ frage ich ihn dann und weiß nicht, ob es wirklich das Richtige ist, doch meistens hatte Martin Recht in dem, was er sagt. „Ja, natürlich!“ erwidert er und ich hoffe, dass er seine Zusage nicht direkt bereuen würde. „Könntest du dir die Vorschläge von Mr. Cortez und Mr. Trenton anhören? Ich weiß es ist viel verlangt, aber ob du mit ihnen zusammenarbeiten willst oder nicht liegt in deiner Hand. Gib ihnen bitte eine Chance!“ versuche ich ihn zu überreden. Am anderen Ende der Leitung vernehme ich ein Lachen. „Ist das Alles?“ höre ich ihn sagen. „Ja, nur eine Chance!“ erwidere ich ihm. „Ich werde es in die Wege leiten, meine Liebe Alice!“ legt er sich fest und ich bin erstaunt, wie schnell er einwilligt. „Vielen Dank“ ich bin froh ihn gefragt zu haben, so würde mir keiner Vorwürfe machen ich hätte nicht alles getan was ich tun konnte. Das Gespräch zieht sich noch über eine gute halbe Stunde und wir sind uns einig, dass wir uns wiedersehen würden. Als ich mein Handy zur Seite lege bin ich total entspannt. Morgen würde ich wieder Zuhause in meiner Wohnung sitzen und ich würde auch erst morgen früh die Wache über mein Wiederkommen informieren. Entscheide ich mich.
Die Tage, Wochen und Monate vergehen. Ich habe hier in New York bis jetzt nicht mehr das Gefühl verfolgt zu werden. Es sind seit meinem Aufenthalt in Caracas circa zwei Monate vergangen. Es ist kurz vor Weihnachten und die große Geschenksuche beginnt wieder einmal. Ich muss zugeben, dass ich immer auf dem letzten Drücker dran bin, aber bisher habe ich immer noch irgendetwas gefunden. Im Krankenhaus hier in New York ist vor allem vor den Feiertagen viel los. Es ist sehr kalt geworden. Die Werte kratzen an den minus zehn Grad und die Straßen sind zum Teil so vereist, dass vor allem der Rettungsdienst kaum eine Chance hat auszurücken. Ich gehe den Gang hinunter, um erneut nach einem meiner Patienten zu gucken, der vor einigen Stunden bereits wieder auf die Normalstation gekommen ist. Die Op ist sehr gut verlaufen und ich hoffe, dass ich ihn noch vor Weihnachten entlassen kann. Ich klopfe an der Tür und werde gleich darauf freudig begrüßt. „Wie fühlen Sie sich Mr. McGregor?“ frage ich ihn gut gelaunt, da er mir freudig entgegenstrahlt. Auch seine Frau und seine zwei Töchter sind gerade an seinem Bett und hoffen wohl auf gute Nachrichten. „Ausgezeichnet!“ meldet er sich und hebt seinen noch etwas mit Iod bedeckten Arm minimal in die Luft. Seine Schulter scheint sich gut anzufühlen schließe ich daraus. „Sie sollten sich aber noch schonen!“ weise ich ihn zurecht und vermerke mir ein paar Notizen auf der Akte, die ich in meinem Arm balanciere. „Kann Daddy wieder nach Hause vor Weihnachten.“ Fragt mich eines der Mädchen ganz aufgeregt mit weit aufgerissenen Augen. „Also ob er es kann…“ ziehe ich sie auf und wuschele ihr sanft durch die lockigen Haare „Aber er darf!“ erlaube ich und die darauffolgenden fünf Minuten feiern die Kinder in dem Krankenzimmer. Mit einem Lächeln auf den Lippen verlasse ich den Raum. So konnte man das Arbeiten aushalten. Ich Atme tief durch und arbeite weiter meine Liste ab. Kurz vor halb sieben bin ich dann auf dem Weg nach Hause entscheide mich aber dann noch einen Abstecher in ein Geschäft zu machen, wo ich letztens tolle Schals gesehen habe. Ich muss über meine Idee selbst schmunzeln. Wann würde man in Venezuela einen Schal für den Winter benötigen… Egal schließlich ist Marc ja auch viel international unterwegs, stelle ich fest und als ich aus dem wirklich schönen Laden wieder herauskomme bin ich zwei Schals und zwei Krawatten reicher. Sie sahen einfach alle so schön aus. Über die Krawatten würden sich hoffentlich Martin und Antonio freuen und naja Schals hatte ich nun jetzt zwei. Alex kommt mir in den Kopf. Aber warum sollte ich ihm einen Schal schenken, frage ich mich selbst. Okay es wäre natürlich schöner, wenn auch Emma was bekommt, dass ich auch für ihn was in das Paket packe, dass ich noch für morgen fertigmachen wollte. Schließlich solle es ja noch irgendwie rechtzeitig ankommen. Glücklich, jetzt endlich für alle etwas zu haben, mache ich mich auf den Weg nach Hause, was wirklich mehr als anstrengend ist, da die Straßen, sobald sie vom Salz aufgetaut sind, direkt wieder gefrieren. Zum Glück sind für morgen wieder höhere Temperaturen angesagt, freue ich mich.
Während ich die Straße herunter zu meiner Wohnung gehe überkommt mich ein mulmiges Gefühl. Als ich dann in das hohe Gebäude reingehe bestätigt es sich unmittelbar. „Alice, Alice da bist du ja!“ meine Nachbarin, eine Dame mittleren Alters, kommt mir total aufgelöst entgegen. „Was ist denn los, Amber?“ frage ich sie, doch als ich die beiden letzten Stufen nach oben trete, kann ich in meine Wohnung gucken. „Alice, es ist furchtbar! Alles ist zerstört!“ ist sie schon den Tränen nahe. Ich gehe wie in Trance weiter durch die Tür, die in ein großes Chaos führt. Wer machte sowas? Ein einfacher Einbrecher? Meine ganzen Bücher, Klamotten, Bilder, alles ist querbeet in den Räumen verteilt. Als ich noch einen Blick in mein Schlafzimmer werfe höre ich schon Sirenen, die sich dem Gebäude nähern. Amber musste die Polizei gerufen haben. Das Wort Verzweiflung trifft meinen Zustand in diesen Moment nicht. Es ist mehr als das. Der Verfolgungswahn hatte aufgehört und jetzt sieht meine Wohnung so aus? Es kann doch nur Zufall sein, rede ich mir ein und weiß eigentlich selbst, dass es keiner sein kann. Immer noch abgekapselt von der Außenwelt greife ich in meine Jackentasche nach meinem Handy und drücke auf den Namen meiner besten Freundin. Schon nach einem Klingeln höre ich ihre Stimme. „Hey Liz, alles gut bei dir?“ begrüßt sie mich mit ihrer immer gut gelaunten Art. Doch ich kann in dem Moment nichts sagen. Für mich bricht gerade eine Welt zusammen. Nein, ein sicher geglaubter Ort. Nach einigen Sekunden merke ich, dass Lara unruhig wird. „Verdammt Alice, was ist los bei dir!“ schreit sie jetzt fast in das Telefon. „Lara, bei mir wurde eingebrochen!“ entkommt es mir und erst jetzt wird mir die Situation richtig bewusst. Die Sirenen kommen immer näher scheinen aber noch nicht in diese Straße eingebogen zu sein. „Was?“ ich höre den verstörten Ton in ihrer Stimme. Ich nehme wahr, wie Amber neben mich tritt und mir das Handy abnimmt. Die Tränen bahnen sich einen Weg über meine Wangen. Wie bin ich nur drauf, frage ich mich selbst. Wie kann es sein, dass es mich so extrem aus der Bahn wirft. Ich ärgere mich über mich selbst. „Hallo, ich bin Amber die Nachbarin von Alice“ höre ich sie dann neben mir sagen. „Ja, hier wurde eingebrochen und die Wohnung ist total verwüstet!“ schildert sie Lara die Situation. Inzwischen bin ich nach draußen in das Treppenhaus geflüchtet und sitze mit samt meiner Einkaufstüte auf den letzten zwei Treppenstufen. Da drinnen, in dem Chaos, halte ich es einfach nicht aus. Ich nehme im Augenwinkel wahr, wie Amber nach ungefähr einer Minute auch nach draußen tritt. „Hier, es ist Marc. Ich soll ihn dir geben.“ Hält sie mir traurig lächelnd das Handy entgegen. „Marc?“ ich bin froh, dass meine Stimme wieder fester ist und ich hoffe, dass ich mich nicht verweint anhöre. „Hallo Liz. Ich lasse dich abholen! Mach dir keine Sorgen wir bekommen das wieder hin! Du kommst über die Weihnachtstage zu Lara und mir!“ Ich merke, dass Marc sich auf keine Widerworte einlassen wird. „Bleib bei deiner Nachbarin, bis jemand kommt. Und sprich noch mit der Polizei, okay!“ fährt er fort. Ich weiß, dass Lara mit Marc über meinen Verfolgungswahn gesprochen hat, der sich aber schließlich auch als richtig rausgestellt hatte, was ich aber keinen von ihnen erzählt hatte. Die Polizei hatte die letzten Wochen auch nichts mehr an Gefahr ausmachen können, deshalb hatte ich mich vielleicht zu sehr in Sicherheit gewogen. „Okay!“ antworte ich ihm und lege das Handy zur Seite. Kurz drauf höre ich auch schon die zwei Männer der Polizei nach oben poltern. Ich erkenne Smith sofort, als er mit gezückter Waffe an Amber und mir vorbeispurtet. Sie rennen gemeinsam in meine Wohnung und sichern diese, auch wenn ich mir eigentlich schon sicher war, dass sich niemand mehr darin befunden hat. „Wir machen eine Bestandsaufnahme! Fotografier Alles! Ich versuche noch Spuren ab zu sichern. Die Leute kommen gleich auch, um sie zu sammeln.“ Arbeitet Smith chronologisch die Punkte ab. Es vergehen einige Minuten. Amber und ich sind in ihre Wohnung gegangen und sie hat mir einen Tee zur Beruhigung gemacht und sich gleich einen mit. Die rundliche Frau mit dem dunklen Teint war schon immer sehr freundlich zu mir und wir hatten ab und an ein Stück Kuchen gemeinsam gegessen oder uns einen Kaffee schmecken lassen. Nach etwa zwanzig Minuten klopft es an der nur angelehnten Türe „Miss Lindström“ vernehme ich die bekannte Stimme des Officer Smith. „Ist alles in Ordnung bei Ihnen?“ fährt er fort, während sein Kollege anscheinend noch in meiner Wohnung zu Gange ist. Ich sehe auf und blicke in sein besorgtes Gesicht, aber gleichzeitig entschlossenes Gesicht. „Ja, bis auf das ich mich eigentlich sicher gefühlt habe und jetzt irgendwer in meiner Wohnung war und alles… wirklich alles angefasst und zerstört hat.“ Entgegne ich ihm wütend. Alleine der Gedanke, dass die Person, die mich verfolgt hatte in meiner Wohnung gewesen war und meine Sachen in ihren Händen gehalten hat, jagt mir einen kalten Schauer nach dem nächsten über den Rücken. „Ich verstehe Sie Miss Lindström“ versucht er mich zu beruhigen, was aber gerade keinen Zweck hat. Auch, wenn ich mich ein wenig beruhigt hatte in Ambers Gegenwart, wirft alleine eine Polizeiuniform mich wieder vollkommen aus der Bahn, denn das hieß immer, dass etwas schiefläuft. „Sie verstehen mich? Wurde bei Ihnen eingebrochen? Wurden Sie verfolgt?“ Eigentlich sind es keine Fragen, sondern Feststellungen. Wie konnte sich ein Mann vorstellen, wie sich eine Frau fühlt, die seit fast einem Jahr immer das Gefühl hat, jemand wäre ihr auf den Fersen. Dann hatten sie mich alle in Sicherheit gewogen und beruhigt, es wäre niemand mehr da und jetzt das? „Es ist doch gar nicht sicher, ob diese Person auch den Einbruch verübt hat!“ stellt der Polizist wieder trocken fest und ich weiß, dass er Recht hat in der Annahme, aber solche Zufälle… Nein, die gibt es nicht. Bevor ich jedoch wieder zum nächsten Ausbruch ansetzen kann hört man draußen laute Stimmen. Smith geht sofort zur Türe, die sich aber schon ihm gegenüber öffnet. Als ich dann in das Gesicht sehe bleibt mir der Atem weg. Alex steht in der Tür. Sein Blick gehetzt, doch als unsere Augen sich treffen sehe ich Erleichterung darin. Er ist schick gekleidet. Ein langer offener Mantel, der seinen Anzug zum Vorschein bringt. Nur die Krawatte hatte er wohl noch abgemacht. Und auch der obere Knopf seines Hemdes ist offen. „Mr. wer sind sie?“ Smith stellt sich breit vor Alex und versperrt ihm damit den Weg. „Cortez ist mein Name. Ich komme um Miss Lindström abzuholen.“ Ich merke, dass Alex sich zusammenreißen muss, um den Officer nicht einfach aus dem Weg zu stoßen. „Kennen Sie diesen Mann?“ fragt Smith dann an mich gewandt, was ich ihm mit einem Nicken bestätige. „Gut“ räuspert er sich und macht den Weg frei. Alex überwindet die letzten Schritte zu mir und unvermittelt legt er mir sanft seine Hand auf die Wange und wischt mir mit seinem Daumen, die immer noch vereinzelt fließenden Tränen weg. Er hockt vor mir, um mir auch in meine Augen sehen zu können. „Komm, ich bring dich hier weg!“ erhebt er dann sanfter, als zuvor seine Stimme und legt mir seinen Arm um den Rücken. „Aber, Aber ich habe doch meine Befragung noch gar nicht begonnen.“ Regt sich Smith auf, doch Alex scheint es ziemlich egal zu sein, er zieht mich bei meinem Zögern einfach hinter sich her und gibt dem verwirrten Polizisten eine Visitenkarte in die Hand. „Falls Sie Fragen haben, kontaktieren Sie mich hier. Um alles Weitere wird sich unser Anwalt kümmern!“ gibt Alex gleichgültig von sich und wir sind schnell im Treppenhaus. Amber hatte mir noch gewinkt zum Abschied, mehr war auch nicht möglich gewesen. Im Treppenhaus ist es mittlerweile voll geworden. Mehrere Männer in dunklen Anzügen waren dort unterwegs und einige warteten wohl nur auf unser herauskommen. Schnell erkenne ich ein bekanntes Gesicht. Matheo war wohl zusammen mit Alex hier. Er nickt mir zu, als wir an ihm vorbeigehen, was ich erwidere. Wenige Schritte später stehen wir auf dem Bürgersteig, an welchem vier schwarze Geländewagen geparkt sind und noch weitere Männer stehen da mehr oder weniger Spalier. „Der Zweite ist meiner!“ weißt Alex mir an schon einmal vorzugehen. Auch wenn es nur drei Schritte sind fühle ich mich alleine und direkt überkommt mich das Gefühl beobachtet zu werden. Ich drehe mich um, doch kann nirgendwo jemanden erkennen. Nur ein paar Passanten waren verwundert über das Fahrzeugaufgebot in der Straße. Als ich mich einmal in jede Richtung umgeguckt habe kreuzt sich mein Blick mit dem von Alex. Ich wende meinen sofort ab und steige dann vorne auf dem Beifahrersitz ein. Ich beobachte, wie Alex und Matheo sich noch austauschen und immer wieder huschen die Blicke der beiden zu mir rüber. Dann klopft Alex seinem Kumpel auf die Schulter und steuert auf den schwarzen Audi zu.
Meine Augen suchen weiterhin draußen die Straße ab, können aber niemand Verdächtigen ausmachen. So langsam überkommt mich die Wut über die ganze Situation. Warum hatte es jemand auf mich abgesehen? Warum hat er mich die ganze Zeit in Ruhe gelassen und schlägt jetzt plötzlich wieder zu? Was hatte ich getan, um das zu verdienen? Die Tür des dunklen Audi öffnet sich und Alex steigt ein und setzt sich in das helle geschmeidige Leder. Er scheint immer noch gestresst, aber wer sollte es ihm verdenken. Wenn er hier in New York ist wird das seine geschäftlichen Gründe haben. Ein Hauch von Schuldgefühlen überkommt mich. Wie auch schon in Caracas halte ich Alex von seiner Arbeit ab. So ein Workaholic, wie Lara ihn mir beschrieben hatte, wird mich jetzt bestimmt hassen. Alex geht mit seinen Händen durch sein leicht zerzaustes Haar, was es aber nicht gerade besser macht. Ich muss mir selbst eingestehen, dass umso öfter ich Alex sehe, ihn immer attraktiver finde. Er ist muskulös, hat ein wirklich markantes aber schönes Gesicht, welches umrahmt ist von seinen dunklen Haaren, die auch zerzaust ihren Charme hatten. Alex merkt, dass ich ihn mustere und ich sehe direkt wieder das Zucken, dass seinen Mundwinkel umspielt, der die ganze Zeit bis jetzt geradegezogen, ernst seinen Dienst verrichtet hat. Dieses kleine Grübchen, was sich neben seinem Mund bildet hat mir von unserer ersten Begegnung an wohlige Schauer über den Rücken gejagt. Alex ist sicher ein erfolgreicher und ehrgeiziger Mann, doch mir war von Anfang an klar, dass jemand wie er eher kein Interesse haben wird an einem Mädchen aus New York, dass sich den ganzen Tag um ihre Patienten kümmert und nebenbei noch ein Problem nach dem nächsten anschleppt. Ich habe gemerkt, wie abweisend er die letzten Tage meines Aufenthalts zu mir war, als ob ihn etwas an meiner Anwesenheit massiv gestört hätte. Nur den Abschied hatte ich mir in keiner Weise so vorgestellt. Bei den Gedanken daran wird mir ganz warm. ‚Pass auf dich auf‘ die Worte klingen, wenn ich ehrlich bin, bis heute nach. „Wie geht es dir?“ vernehme ich dann eben diese Stimme und seine Augen ruhen ruhig auf meinem Gesicht. Ich sehe, wie die Häuser links und rechts an uns vorbeihuschen. Im Seitenspiegel beruhigt mich der zweite Wagen an dessen Steuer auch Leute von Alex sitzen und uns somit von hinten abschirmen. „Wie es mir geht?“ Ich muss mir ein verbittertes Lachen unterdrücken. „Ich fühle mich schlecht, unsicher, müde und gehetzt.“ Die Worte sprudeln aus mir heraus und ich werfe mir jetzt schon vor dies vor Alex geäußert zu haben. „Du bist jetzt in Sicherheit, Alice! Das verspreche ich dir!“ erwidert er und die Festigkeit und die Überzeugung in seiner Stimme lässt mich erschaudern. „Ich habe es die ganze verdammte Zeit geahnt… Es war nur eine Frage der Zeit.“ Werfe ich mir selber vor, dass diese Tat verhinderbar oder zumindest vorhersehbar war. „Was hast du geahnt, dass so etwas mal passiert?“ Alex wird jetzt ganz hellhörig und blickt mich fragend mit seinen wunderschönen, aber kalten Augen an. Die vorherige Zugewandheit scheint wieder verflogen zu sein. „Haben dir Mark und Lara nichts von meinem gedachten Verfolgungswahn erzählt?“ Das konnte ich mir gar nicht vorstellen schließlich war Alex in Caracas zu meinem Aufpasser degradiert worden. Ihm scheint das Thema unangenehm zu sein, denn er richtet seinen Blick wieder steif nach vorne. „Ja, sie hatten es mal erwähnt.“ Gibt er zerknirscht zu und aus irgendeinen unergründlichen Grund finde ich seine Reaktion extrem komisch und muss loslachen. Er quittiert es mir mit einem ganz verwirrten Gesichtsausdruck. „Denkst du ich bin verrückt?“ ob es eine Frage oder Feststellung meinerseits ist weiß ich selbst nicht. „Nein! Solche Gefühle sind ernst zu nehmen!“ entkommt es ihm mit fester Stimme und er scheint aus Erfahrung zu sprechen. Er runzelt die Stirn und wirkt, als ob er über irgendetwas konzentriert nachdenkt. Ich beruhige mich wieder ein bisschen, auch wenn ich Alex Reaktion vorher immer noch lustig finde. „Ich bin nicht verrückt!“ überkommen die Worte meine Lippen und Alex wendet sich wieder mir zu, während er den Verkehr aber auch nicht aus den Augen lässt. „Ich habe es Marc und Lara noch nicht erzählt, weil sie sich dann vermutlich noch mehr Sorgen gemacht hätten…“ Jetzt ist Alex ganz Ohr. „Ich weiß seit kurz nach der Hochzeit, dass mich anscheinend jemand verfolgt. Die Polizei hatte mich angerufen, als ich bereits bei Euch war und meine Vermutung bestätigt. Doch sie konnten niemanden fassen.“ Erzähle ich Alex etwas, dass ich bis jetzt für mich behalten habe. Wir fahren gerade durch eine Einfahrt am Flughafen, als Alex das Wort ergreift. „Das sagst du uns erst jetzt?“ Alex ist wütend, doch versucht sich selber wohl etwas im Zaum zu halten. Er steuert den Wagen auf die nächsten Sicherheitstore zu und bis dahin sitzen wir schweigend in den hochmodernen Wagen. Er kommt vor einem Jet zum Stehen. Draußen warten bereits einige Männer und Frauen, die wie Flugpersonal gekleidet sind. Alex wendet sich mir zu und blickt mir tief in die Augen. „Lass uns nach Caracas fliegen. Auf dem Flug kannst du mir alles erzählen.“ Schlägt er vor und kurz später sitzen wir in dem Privatjet, der ohne große Mühe vom Boden abhebt und in die dunkle Nacht emporsteigt.
Ich habe mich in dem weichen Sessel zurückgelehnt und das erste Mal seit dem Horror in meiner Wohnung fange ich mich etwas an zu entspannen. Alex war nach dem Start direkt von seinem Sitzplatz aufgestanden und zum Cockpit gelaufen, um etwas mit dem Piloten zu besprechen. Die nette Stewardess bietet mir etwas zu trinken an. Als es zuerst Sekt ist, was sie vorschlägt muss ich schmunzeln. Jetzt Alkohol, nein… besser nicht überzeuge ich mich selbst, obwohl das Angebot verlockend scheint. Auch der Jet beeindruckt mich und während ich an meinem Wasserglas nippe wandert mein Blick durch den wohnlich gestalteten Privatjet von Alex Familie. Es erstaunt mich immer wieder was für einen Reichtum einzelne Personen oder Familien innehaben. Alex kommt kurz später von vorne zurück und mustert mich lächelnd, als er merkt, wie ich mich umsehe. „Ich hoffe dir gefällt was du siehst!“ scherzt er dann, als mein Blick auf ihn fällt. Ich bin ganz perplex… schon wieder so eine enorme Stimmungsschwankung? Er verwirrt mich einfach immer wieder mit seiner unkalkulierbaren Art. Statt wie vorher ein paar Plätze weiter weg von mir Platz zunehmen setzt er sich mir gegenüber in das helle Leder. Sein dunkles Haar umspielt sein Gesicht und seine Augen schimmern mir entgegen. Nicht so kalt, wie vorhin, aber auch nicht willkommen heißend. „Hast du nicht noch etwas in New York zu tun gehabt?“ mein Blick wandert an ihm und seinem überaus teuren Anzug herunter und er weiß direkt, was ich meine. „Ja, ich war in einem Meeting, als Marc mich angerufen hat. Wir haben es jetzt auf Grund der Tatsache, dass es gerade Wichtigeres gibt, verschoben.“ Erklärt er und mustert mich genau. „Wegen mir? Ihr seid doch verrückt. Ich hätte mit auf die Polizeiwache gehen können oder bei Amber bleiben können. Das hättet ihr nicht so überstürzt machen sollen!“ tadele ich das Verhalten, obwohl ich mich direkt noch schuldiger fühle, dass er wegen mir aus bestimmt sehr wichtigen Besprechungen rausmusste. Alex Blick wird weicher und ich erkenne etwas freundliches und Fürsorgliches in seinen Augen, was mir einen gewaltigen Schauer über den Rücken jagt. Alex Blick hält mich gefangen und das scheint auch er zu merken, denn das Grübchen auf seiner Wange wird tiefer. „Ja, und Lara und Emma hätten mich dann vermutlich umgebracht…“ scherzt er und kurz wandern seine strahlenden Augen durch den Raum. „Ja, gut ein Punkt für dich. Aber du hättest nicht direkt mitabreisen müssen! Ich meine ich hätte in ein Hotel gekonnt oder Matheo hätte bei mir bleiben können…“ fange ich ihn an andere Optionen vorzuschlagen für unterschiedliche Szenarien, für die es sowieso schon zu spät ist. Alex schmunzelt hörbar und ich schaue auf, denn das hatte ich echt selten bei ihm mitbekommen, dass er seine Gefühle so zeigt. Meist ist er ja doch abweisend und kalt anderen gegenüber. Das höchste seiner Gefühle ist neben seinem Charme dann doch eher die Wut. „Liz, ich glaube wir wissen beide, was wir… nein ich dir zu verdanken habe…!“ ich versuche seinem Blick auszuweichen, der mich zu durchbohren scheint, doch er nimmt mein Kinn zwischen seine Finger und blickt mir weiter tief in meine Augen. „Es tut mir leid, dass ich dich falsch eingeschätzt habe!“ jetzt lässt er mich aufhören. Ich greife mit meiner Hand nach seiner, die mein Kinn weiterhin sacht umschlossen hält und mein Bauch scheint verrückt zu spielen… Schmetterlinge sind das keine mehr. Als ich seine Hand berühre lässt er sie dennoch weiterhin liegen, um mir noch intensiver in die Augen zu blicken, als würde er irgendetwas darin suchen. „Mr. Monderaz hat mir von euren Begegnungen erzählt und warum er so viel von dir hält. Ich muss sagen, es hat mich beeindruckt.“ Gibt er ehrlich zu und lässt mein Kinn los. „Ich muss ehrlich gestehen, dass ich allesmögliche vermutet hatte, aber nicht das!“ gibt er zu. Ich bin erstaunt darüber, dass Alex sich entschuldigt, doch noch mehr interessiert daran, was er über mich gedacht hatte. Doch bevor ich zu dieser Frage ansetze schüttelt er den Kopf. „Frag bitte nicht, Liz!“ sagt er auf meine nicht gestellte Frage. „So schlimm“ ich weiß nicht, ob ich Lachen oder Weinen soll. Was hatte Alex die letzten Tage vor zwei Monaten von mir gehalten? Ja, vermutlich ist es besser nicht darüber nachzudenken… Eine junge Frau, wie ich, würde schließlich nicht so schnell mit einem so gut betuchten Mann wie Antonio ins Gespräch kommen, beziehungsweise in so einen engen Kontakt kommen. „Du hast mit Antonio gesprochen?“ frage ich interessiert. Alex lehnt sich in seinem Sessel zurück und betrachtet mich ruhig. „Ja, dank deines Zuspruchs an ihn.“ Ich merke, wie das Blut in meinen Kopf steigt. „Ich habe ihm nur gesagt er soll euch eine Chance geben! Den Rest musstet ihr schon selbst hinbekommen!“ versuche ich die Atmosphäre etwas zu entschärfen. „Nein, ich glaube alleine durch deine Bitte hast du Marc, meiner Familie und mir sehr weitergeholfen!“ sagt er ehrlich und ich habe das Gefühl, dass wir die Barriere, die seit dem Spendengalaabend zwischen uns errichtet schien gerade wieder eingerissen haben. „Antonio ist ein ehrlicher und zielstrebiger Geschäftsmann. Er wird das Projekt nur durchziehen, wenn er überzeugt von seinem Erfolg ist!“ erwidere ich und damit scheint dieses Thema abgeschlossen. „Und jetzt zu dem was du vorhin gesagt hattest. Du wusstest, dass du gestalkt wurdest? Warum hast du niemanden was gesagt?“ Alex wird direkt wieder sauer, auch wenn er nicht wieder diesen distanzierten Blick draufhat, sondern eher Besorgnis diesen trübt. „Ich wollte euch in der Zeit nicht damit belasten und ich hatte auch gehofft, dass die Polizei das Ganze in den Griff bekommen würde. Lara und Marc waren so glücklich! Es war deren Hochzeit. Wie hätte ich es denn da loswerden sollen.“ Alex rauft sich verärgert die Haare. „Du hättest es mir sagen sollen.“ Er steht auf und geht ein paar Schritte über den Gang des kleinen Jets. Die Stewardess hatte sich gekonnt zurückgezogen. „Dir? Entschuldige bitte Alex. Ich habe dich da gerade frisch kennengelernt. Bei unserer ersten Begegnung habe ich dich genäht. Ja, wir haben uns erst gut verstanden und ich habe mich wirklich wohlgefühlt, aber danach, wenn ich es dir vielleicht erzählt hätte hast du dich distanziert. Wie… Nein, warum hätte ich dir mein Leben, meine Probleme offenbaren sollen?“ Ich merke selbst, dass meine Stimme wohl während meines Vortrags ein wenig leiser geworden ist, als ob ich mich für das was mir passiert schämen würde. Ich muss zugeben irgendwo tue ich das auch… „Verdammt, Liz.“ Alex guckt mich aus einer Mischung von Wut und Enttäuschung an. Aber Enttäuschung von sich selbst. „Ja, aber es ist vorbei. Ich werde jetzt erstmal bei Lara unterkommen und dann sehen, wo ich hinziehe. Bosten, New York … vielleicht ziehe ich weiter Weg nach Canada oder nach Europa. Ich bin es eigentlich leid wegzulaufen. Aber wo bin ich sicher?“ Eigentlich hatte ich es nicht vor das laut zu sagen, doch es kommt mir über die Lippen. Alex setzt sich wieder mir gegenüber und verschränkt seine Hände vor sich, als er sich zu mir nach vorne lehnt. „Wir finden den Typen, der bei dir in der Wohnung war!“ versucht er mir klarzumachen. „Ja klar… Die Polizei hat ihn nicht gefunden, wie wollt ihr ihn finden?“ ein wenig Sarkasmus legt sich in meine Stimme. Doch unvermittelt wirft Alex mir ein Lächeln zu. „Glaub mir! Wir finden ihn!“ Seine Augen sagen mir, dass er die Wahrheit sagt. Dass er überzeugt davon ist. „Ich glaube es ist besser, wenn du vorerst bei mir unterkommst.“ Schlägt er dann vor und mein Blick huscht nach oben, da ich darauf nicht vorbereitet war. „Bei dir? Warum das?“ Die Frage ist ernst gemeint und Alex lehnt sich wieder etwas zurück in dem hellen Leder. „Wenn die Person dich stalkt, wird sie wissen, wo deine beste Freundin wohnt. Das heißt, dass du da nicht sicher bist.“ Ich muss ihm darin Recht geben. Seine Augen sehen mich forschend an. „Ich glaube, wenn er dann weiß wer Marc ist, wird er auch wissen wer du bist… Ich möchte euch nicht in Gefahr bringen! Es ist vielleicht besser, wenn ich in irgendeinem Hotel unterkomme.“ Stelle ich fest und merke, dass Alex meine Schlussfolgerung zwar logisch findet, aber an ihrer Umsetzung nicht so interessiert ist. „Das kommt überhaupt nicht in Frage. Sinn der Sache ist, dass du nicht alleine irgendwo untergebracht bist!“ setzt er seine Argumentation fort. „Du musst arbeiten und ich habe auch noch Verpflichtungen. Ich muss mich bald in New York um meine Wohnung kümmern, meinen Job!“ entkommt es mir und alleine der Gedanke an meine Wohnung zieht meine Stimmung wieder nach unten. „Wenn ich unterwegs bin ist einer der Jungs da! Und um deine Angelegenheiten kümmern wir uns!“ legt Alex kompromisslos fest. Wir gucken uns ein paar Sekunden in die Augen und ich wende dann meinen Blick ab. Zu intensiv wirken seine Augen auf mich. Ich merke dennoch, dass mich an der ganzen Sache ein Punkt gewaltig stört und wende mich Alex wieder zu. „Ich möchte nicht die ganze Zeit beobachtet werden!“ höre ich mich sagen und der Schmerz und die Angst in meiner Stimme lassen ihn nicht kalt. Er lehnt sich nach vorne zu mir und nimmt meine Hände in seine „Du wirst beschützt, Alice. Wir werden versuchen es so angenehm, wie möglich zu machen!“ Es bleibt mir wohl vorerst nichts Anderes übrig, als abzuwarten und es über mich ergehen zu lassen. Besser die Jungs von Alex um mich als einen geisteskranken Stalker.
Der Flug geht ruhig zu Ende. Ich schlafe sogar kurz und Alex weckt mich, nach der wohl ziemlich sachten Landung, auf. Es ist dunkel draußen und wir erreichen in der kalten Brise schnell den Geländewagen von Alex, den einer seiner Männer hierhergebracht hatte. Kaum sitzen wir im Wagen klingelt auch schon Alex Handy. Er schaltet auf Lautsprecher, es ist einer seiner Männer. „Hey, Alex. Hab gehört, dass du wieder im Lande bist!“ meldet sich eine freundlich, bullige Stimme am anderen Ende. „Ja, gerade gelandet. Wie geht’s dir. Alles gut? Anna hatte mir geschrieben du schonst dich zu wenig.“ Tadelt er seinen Kumpel. „Es ist alles verheilt, was soll ich mich denn noch schonen.“ Wiedersetzt er sich fröhlich. Ich sehe Alex Lächeln. Bei seinen Leuten scheint es ihm leichter zu fallen, als bei mir. Vielleicht ist er ja auch gar nicht so ein Griesgram und nur mir gegenüber so reserviert, überlege ich. „Ich habe ab morgen einen Job für dich!“ kündigt Alex ihm dann an und sein Blick schweift zu mir. „Ja, klar sag mir nur wo ich hinsoll! Wird langsam wieder Zeit reinzukommen.“ Freut sich der Mann. „Morgen um acht bei mir Details gibt es Morgen.“ Damit legt Alex einfach auf. „Und ich dachte du begrüßt und verabschiedest nur mich nicht.“ Scherze ich und Alex guckt wiedermal nur verwirrt drein. Ihm scheint das gar nicht aufzufallen, dass er seinen Gesprächspartner einfach so auf der Strecke lässt. Da er mich immer noch so anguckt kann ich mich nicht kontrollieren und muss anfangen zu Lachen. Es ist nun mal einfach zum Totlachen, wenn Cortez nicht weiß, worum es gerade geht und er damit seine so geliebte Kontrolle verliert. „Ich verstehe nicht was du jetzt so komisch findest…“ merkt er angepisst an und konzentriert sich weiterhin auf den Straßenverkehr, der angesehen der Uhrzeit -drei Uhr Nachts- eher mau ist. Doch als ich dann beginne Straßen wiederzuerkennen merke ich, dass wir in die falsche Richtung fahren. „Du weißt schon, dass das der falsche Weg ist?“ frage ich ihn und handle mir direkt ein Lächeln seinerseits ein. „Es ist nicht der falsche Weg. Für unser Ziel ist es der Richtige!“ erklärt er und kaum sind wir auf dem Highway gibt er Gas, als ob wir es eilig hätten. Das ‚unser‘ hallt bei mir noch ein wenig nach und ich kann nicht anders, als vor mir selbst zuzugeben, dass ich Alex überaus attraktiv finde. Ich schaue aus dem Fenster, als Alex hinter uns greift und mir ein Sakko von ihm gibt, was er hinten drin liegen hat. „Hier, es wird eine lange Fahrt. Schlaf ein wenig! Ich wecke dich, wenn wir da sind.“ Sagt er mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und einen konzentrierten in die Ferne gerichteten Blick. „Warum? Wohin bringst du mich?“ frage ich ihn, denn das sind die Punkte, die für mich gerade unverständlich sind. „Weil ich darüber nachgedacht habe, was du vorhin gesagt hast, dass du allgemein bei uns nicht sicher bist. Ich bringe dich an einen vorerst sicheren Ort.“ Antwortet er und geht mit der Hand durch sein sowieso schon etwas wirres Haar. „Das heißt du gibst mir Recht?“ frage ich ihn und er wirft mir einen leeren Blick zu. „Ich ziehe es zumindest in Erwägung.“ Ich lege sein Sakko über meine Oberkörper und es reicht mir bis weit über den Schoß. Der männlich, angenehme Duft von Alex ist noch im Stoff und ich entspanne mich wieder ein wenig, weil ich mich einfach sicherer in seiner Gegenwart fühle. Dann kurz später bin ich eingeschlafen und der Wagen schwebt fast über die dunklen Straßen Venezuelas.
Ich nehme Wärme auf meiner Haut wahr, als ich meine Augen öffne strahlt die Sonne durch die Frontscheibe des Autos auf mich hinab. Ein klarer Himmel lacht mir entgegen, doch ich bin mir sicher, dass dieses Idyll täuscht. Bestimmt sind es draußen nur an die zehn Grad. Als ich auf den Platz neben mir gucke schrecke ich auf. Er ist leer. Ich richte mich langsam in dem weichen Leder auf und falte das Sakko von Alex zusammen, um es wieder auf den Rücksitz zu platzieren. Auch mein weiteres Ausschau halten führt zu keinem Erfolg. Weit und breit kann ich Alex nicht sehen. Ich öffne die Tür des Wagens und trete in den kühlen aber erfrischenden Wind. Ich stehe auf einem großen Parkplatz, etwas abgelegen von größeren Straßen. Zumindest ist es hier ruhig und man kann keinen Motorenlärm vernehmen. Es ist schön hier. Die Äste der Bäume wiegen sich leicht im Wind und ab und zu sieht man mal einen Vogel, der auf Futtersuche an den Mülleimern landet. Ich sollte besser in der Nähe bleiben, nicht das Alex mich gleich noch sucht, überlege ich bin aber gleichzeitig sauer darüber, dass er mich einfach alleine im Auto hocken lässt. Ich reibe mir mit meinen Armen über meine Seite, da es wirklich frisch ist und die Strickjacke die Kälte nicht abzuhalten vermag. Vielleicht sollte ich meine Jacke aus dem Wagen holen, kommt es mir in den Sinn. Wir hatten die Sachen am Flughafen in den Kofferraum manövriert, damit wir schnell aufbrechen konnten. Noch bevor ich meinen Gedankengang in die Tat umsetze, nehme ich hinter mir ein Geräusch wahr und dann zucke ich zusammen, als mir jemand etwas Weiches über die Schultern legt. Ich fahre herum und Alex kann die Jacke gerade so auf meinen Schultern fixieren, dass sie nicht herunterfällt. „Es tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken!“ entschuldigt er sich nun innerhalb von vierundzwanzig Stunden das zweite Mal bei mir. Er hat direkt mitbekommen, dass ich schneller atme und auch, die Angst in meinen Augen musste er gesehen haben. Seit so vielen Monaten plage ich mich damit, dass irgendwann mal diese Person, die mich verfolgt plötzlich vor mir steht. Umso größer ist die Erleichterung in diesem Moment, als ich in Alex wunderschönen, sicheren Augen blicke. Ich atme tief durch. „Ich dachte du hättest mich hier zurückgelassen.“ Versuche ich zu scherzen, um die Situation aufzulockern, was mir in einem gewissen Grad auch gelingt, obwohl mir die Skepsis in Alex Blick sehr wohl bewusst ist. „Ja, sehr verlockende Idee, aber dann würde ich mit einigen Personen sehr große Probleme bekommen!“ erwidert er und ich greife nach der Jacke auf meinen Schultern, sodass er sie loslassen kann. Der Duft von Alex, gemischt mit seinem Aftershave umschweift mich. Die Jacke scheint noch mehr seinen Geruch aufgenommen zu haben, als sein Sakko, welches jetzt vereinsamt auf der Rückbank liegt. „Komm lass uns weiterfahren“ schlägt er vor und legt eine Hand auf meinen Rücken, die ich nur schemenhaft, durch die dicke Jacke, wahrnehme. „Wo warst du?“ frage ich ihn, als wir an dem Audi angekommen sind und er mir die Tür öffnet. „Nur einen Anruf erledigen. Ich wollte dich nicht wecken!“ gibt er zu, doch ich bin mir sicher, dass er etwas vor mir verheimlichen wollte. Die weitere Fahrt verläuft ruhig und nach etwa einer weiteren Stunde Fahrt, biegt Alex in eine schmale Auffahrt ab, die gesäumt von breiten Bäumen ist. Im Frühling muss das hier ein toller Anblick sein überlege ich. In der Ferne verändert sich das Bild. Ein großes Tor blockiert die Straße. Die Mauer, die das Grundstück einschließt ist hoch und gibt zum einen Sicherheit und zum anderen verunsichert mich diese noch mehr. „Wir sind da!“ kündigt Alex mir an und wirft mir einen vielsagenden Blick zu. Die Tore öffnen sich langsam und ein riesiges Anwesen kommt zum Vorschein, wie man es nur aus Filmen kennt. Wir fahren weiter vor das Gebäude. Als wir zum Halten kommen traue ich meinen Augen nicht, als die kleine Emily die Treppen herunterspringt. Ich reiße die Tür auf und ehe ich mich versehe landet der kleine Wirbelwind in meinen Armen. „Alice, endlich sehen wir uns wieder!“ freut sie sich und hält mich Bombenfest in ihrer Umarmung. Wie ein Äffchen hält sie sich um meinen Hals fest. Ich lache. Das erste Mal, dass ich wieder unbeschwert meinen Emotionen freien Lauf lassen kann. Dann sehe ich auch Gerda die Treppen langsam heruntersteigen. „Alice, meine liebe Alice.“ Begrüßt sich mich freudig und die Tränen stehen ihr in den Augen, als auch sie mich umarmt. „Alex hat uns Bescheid gegeben. Wir freuen uns, dass du erstmal bei uns wohnen wirst. Ich habe dir bereits ein Zimmer hergerichtet!“ sie ist ganz außer Atem vor Freude mich zu sehen und auch ich bin überaus glücklich, dass Alex mich hierhin gebracht hat und nicht zu mir völlig unbekannten Menschen. „Alex, vielen lieben Dank, dass du Alice zu uns gebracht haben. Kommen Sie doch bitte mit rein.“ Wendet sich Gerda jetzt an meinen Begleiter. Ich hatte nicht mehr auf Alex geachtet, seit mit die kleine Emily um den Hals hängt. Doch auch sie schein ihn erst jetzt wahrzunehmen. „Aaaaalex“ entkommt es ihr, als sie sich losmacht und dann auf ihn losstürmt, um ihn ebenfalls zu umarmen. „Emily bitte, sei doch nicht so stürmisch.“ Kritisiert Gerda ihre Enkelin während wir das Geschehen lächelnd beobachten. Alex hebt sie hoch und so laufen wir dann alle die Treppen zum Anwesen nach oben. Mein Herz pocht wie verrückt, da mir der Anblick von Alex und Emily sehr nahegeht. Sie hatten sich so wie ich und Emily sehr lieb gewonnen. Nach einem sehr leckeren und sicherlich auch kalorienreichen Frühstück setzen Alex und ich uns in den großzügigen Wohnbereich. Die Nähe zu ihm macht mir mittlerweile weniger aus, obwohl mein Bauch immer wieder meint Schmetterling fliegen lassen zu müssen. Ich blättere durch die Zeitung, die auf dem kleinen edlen Couchtisch ihren Platz gefunden hatte. Ich las hier und da die Namen von Antonio, Alex und Marc. Auch von Elena der Ex-Freundin von Alex stand hier ein Artikel, den ich direkt beginne zu lesen. Sie wird als Model hoch gehandelt und sei sehr beliebt bei allen Junggesellen hier in Venezuela steht dort geschrieben. Ich höre schon Emma sagen ‚Was die wohl für den Artikel gezahlt haben muss?!‘ mit ihrem ironischen Ton in der Stimme. Ich muss schmunzeln, als ich darüber nachdenke und merke, dass es doch eine sehr lange Zeit ist, die ich meine Freunde nicht mehr gesehen habe. „Was ist los?“ entkommt es Alex, er scheint mein Grinsen bemerkt zu haben. Und blickt mich mit seinen blaugrünen Augen an. Ein intensiver, tiefgründiger Blick, der mich kurz verharren lässt. Das Zucken in seinem Mundwinkel holt mich dann wieder zurück. „Gar nichts.“ wehre ich kurz etwas verunsichert ab. Er greift dann nach der Zeitung, um der Sache auf den Grund zu gehen. „Ein paar interessante Artikel…“ merkt er nur an und blättert in dem Papierbündel herum. Er scheint jedoch nicht zu wissen, welcher Artikel mich zum Schmunzeln gebracht hatte. Ich greife zur Zeitung und ziehe ihm diese ohne Vorwarnung aus seinen Händen. Er guckt erst leicht erstaunt. „Ich bin noch nicht fertig“ erkläre ich und er bedenkt mich mit einem entschuldigenden Lächeln, in dem noch andere Gefühle zu liegen scheinen, die ich aber nicht weiter zuordnen kann oder vielleicht auch möchte. Ich merke seinen Blick auf mir, möchte ihn aber nicht angucken. Zu groß ist die Angst in seinen Augen Mitleid oder auch irgendetwas anderes zu erkennen, was ich bei ihm nicht sehen möchte. Ich habe das Gefühl abhängig von Alex zu werden und das wollte ich genau nie. Ich wollte nie eine Abhängigkeit von einem Menschen haben, da dann die Angst eines Verlustes aber auch die davor enttäuscht werden zu können, zu groß ist. Als ich eine Bewegung im Augenwinkel wahrnehme schaue ich direkt zum Zimmereingang und mein Herz macht einen Sprung, als ich Antonio dort stehen sehe. „Antonio“ entkommt es mir und ich bin den Tränen nah, so sehr freue ich mich ihn wieder zu sehen. Wir hatten ebenso wie ich mit den Anderen, sehr viel Kontakt gehalten und uns immer wieder gesagt, dass wir uns sehr bald wiedersehen würden. Und jetzt trat dies bereits früher ein, als wir es uns erhofft hatten. „Meine liebe Alice“ räuspert auch er sich. „Ich freue mich so dich wiederzusehen, auch wenn dies eher unglückliche Umstände sind.“ Ich weiche ein kleines Stück zurück und blicke ihm in seine besorgten Augen. Mein Blick wandert strafend zu Alex, der sich auch erhoben hat. „Alex hat das Richtige getan, meine Liebe!“ weist mich Antonio jedoch zurecht, bevor ich Alex angehen konnte. Es reichte ja schon, wenn sich Marc, Lara, Alex und Matheo einen Kopf machten… aber jetzt noch Antonio? „Ich möchte nicht, dass ihr euch mit meinen Problemen rumschlagt.“ Sage ich an beide gerichtet „Ich werde das selbst mit der Polizei klären! Ihr habt wirklich genug zu tun!“ Ich bin froh das gesagt zu haben, dennoch beschleicht mich das Gefühl, dass ich das nicht nur mit der Polizei in New York lösen kann. „Und ich habe dir schon öfter gesagt, dass wir uns kümmern werden und um einiges präziser und zielorientierter als die Polizei vorgehen werden!“ widerspricht Alex mir während er Antonio seine Hand reicht. „Es freut mich dich so schnell wieder zu sehen, Partner!“ begrüßt Antonio Alex und ich schaue die zwei mit bedächtigen Blick an. „Mich freut es auch sehr!“ erwidert Alex. Ich hatte ja bereits erfahren, dass die zwei jetzt Geschäftspartner sind, dass sie sich so gut verstehen jedoch nicht. Aber es freut mich total. Nachdem noch einige Worte gewechselt wurden, Gerda andauernd Essen zubereitete und wir ununterbrochen uns den Bauch vollgeschlagen hatten, war der Tag schon wieder vorbei. Alex kündigte uns an, dass er am Abend noch zu sich nach Hause fahren müsste, um noch einiges wegen seines Unternehmens zu klären. Wir verabschiedeten uns und damit war auch dieser Tag wieder vorbei.
Die Tage vergehen. Gerda verwöhnt mich Tagein und Tagaus mit dem besten Essen und ich bin mir sicher, dass sie vor allem versucht mich damit abzulenken. Auch die Anrufe von Lara und Emma sollen meiner Ablenkung dienen, jedoch lässt mir die viele freie Zeit auf dem Anwesen der Monderaz viel Raum für unterschiedlichste Theorien. Emily ist zwar auch da, muss aber auch zur Vorschule und so verbringen wir hauptsächlich die Nachmittage miteinander. Heute hat sie die Idee in den nahegelegenen Freizeitpark zu gehen. „Bitte Granny lass mich dahingehen. Heute ist Prinzessinnen Tag!“ bettelt sie ihre Oma an. „Meine Kleine, dein Opa und ich sind heute Nachmittag eingeladen. Das geht leider nicht!“ erklärt sie ihr. „Aber, aber …. Alice kann doch mit mir gehen!“ stellt sie dann erst traurig dann überzeugt fest. Gerda blick mich an. „Liz, du musst nicht. Wir können das auch verschieben!“ sagt sie mir und ich muss lächeln. „Nein, das ist doch kein Problem! Wir können da heute zusammen hin!“ Emily macht bereits Freudensprünge. „Vielen lieben Dank Lizzy.“ Umarmt Gerda mich. Ihr ist immer das Wichtigste, dass Emily glücklich ist. „Was ist denn hier los“ ertönt die Stimme von Antonio hinter uns. „Ich darf mit Liz in den Freizeitpark“ erklärt die Kleine ihm jubelnd und springt ihm in seine Arme. „Oh, das ist ja toll“ und auch er guckt dankbar zu mir herüber. Während Emily sich passende ‚Prinzessinenklammotten‘ anzieht warten Antonio und ich gemeinsam im Eingangsbereich. „Martin hat heute leider frei.“ Stellt er stirnrunzelnd fest und nimmt einen Autoschlüssel von dem Steckbrett, an welchem bestimmt acht von diesen Hängen. „Würde es dir etwas ausmachen selbst zu fahren? Ich schicke dann jemanden zum Park, um euch dort in Sicherheit zu wissen!“ fragt er. „Nein, sehr gerne!“ ich nehme den Schlüssel und bin erstaunt über die Freiheit, die mir heute zumindest für kurze Zeit zu Teil wird. Die letzten Tage war ich immer mit Gerda, Antonio oder Martin unterwegs gewesen, doch es war immer ruhig und es scheint, als ob ich nichts zu befürchten brauchte. Schließlich sitzen Emily und ich im Auto. Der Q7 fährt ausgesprochen gut und wir lassen die Kilometer hinter uns. Ich fahre auf die Autobahn, die uns dann auf dem direkten Weg zu dem kleinen Freizeitpark bringen soll. Emily singt lautstark im Radio mit und ich beobachte das freudestrahlende Mädchen. Es scheint alles perfekt. Als ich dann in den Rückspiegel schaue sehe ich einen Wagen, der uns nun seit einer geraumer Zeit folgt. Oder bilde ich es mir nur ein? Schließlich sind wir auf einer Autobahn, überlege ich. Mein Handy klingelt dann auch noch und ich bin froh, dass ich es via Bluetooth mit dem Wagen verbunden habe. „Hi Alex“ begrüße ich ihn freudig, weiterhin den Wagen beobachtend. „Hey, bist du mit einem Wagen unterwegs?“ entkommt es ihm erstaunt. „Ja, Emily und ich sind auf den Weg in den Freizeitpark.“ Verkünde ich und Emily grinst mich breit in den Rückspiegel an. Ich lächle, da die Zahnlücke ihrer Schneidezähne zu goldig aussieht. „Ihr seid nur zu zweit unterwegs?“ fragt er dann ungläubig. „Jap, sind wir, aber im Park werden Männer von Antonio dabei sein“ antworte ich knapp, da der Wagen hinter mir nun näher zu kommen scheint. „Shit…“ entkommt es mir. Und Panik steigt in mir auf. Der Wagen folgt mir ebenfalls bei jedem Spurwechsel. „Was ist los?“ ich merke direkt die Anspannung in Alex Stimme. „Verdammt. Ich glaube uns folgt jemand.“ Ich konzentriere mich stark auf die Straße und den Wagen hinter mir. „Was? Wo seid ihr?“ Alex bleibt zwar ruhig, aber eine gewisse Wut kann ich ihm aus der Stimme heraushöheren. Auf dem Highway in Richtung Süden circa 8km von dem Anwesen entfernt.“ Erwidere ich, da ich keine Ahnung habe wie der Highway heißt. „Okay, bleib ganz ruhig! Und fahr entspannt weiter auf dem Highway. Wenn du merkst, dass er weiterhin dran bleibt wechselst du, aber dann musst du mir Bescheid geben!“ weist er mich an. „Okay… Alex?“ entkommt es mir verunsichert. Ich weiß, dass auch er in höchster Alarmbereitschaft ist. „Ja, Alice!“ antwortet er. „Ich muss Emily in Sicherheit bringen. Ich werde an der nächsten Raststätte anhalten und sie dem Personal in der Tankstelle übergeben. Ich müsst sie da abholen! Ihr darf nichts passieren!“ ich flehe ihn beinahe an, als ob er irgendetwas beeinflussen könnte. „Ich will aber nicht von dir Weg Lizzy“ kommt es traurig von der Rückbank. „Mausi, es ist alles gut, hörst du! Du bekommst gleich ganz viele Süßigkeiten!“ biete ich es ihr an. „Nein, ich will bei dir bleiben.“ Hält sie fest und rüttelt an ihrem Kindersitz. Ich sehe im Rückspiegel, wie der andere Wagen jetzt nur noch circa zwanzig Meter hinter mir ist. „Alex, sie fahren immer näher auf. Im Wagen sitzen mindestens drei Leute!“ brieve ich ihn, der nichts mehr geantwortet hatte. „Okay, ich habe dich geortet. In etwa drei Kilometern kommt eine Raststätte, sie ist relativ groß und unübersichtlich. Du musst versuchen, dass der andere Wagen keinen Blickkontakt zu dir halten kann. Sonst sehen sie, dass du die Kleine auslädst.“ Erklärt er mir und ich merke, dass ihm diese Idee ganz und gar nicht gefällt. „Okay, ich werde versuchen mich hinter andere Wagen an der Tankstelle zu stellen. „Liz, es wäre besser, wenn du auch da drinnen bleibst!“ weist mich Alex darauf hin, dass es nicht nur um die Kleine geht. „Nein, dann bringe ich noch viel mehr Leute in Gefahr. Vielleicht irre ich mich auch. Du weißt ja, wie paranoid ich seit New York bin. Vielleicht bilde ich es mir nur ein.“ Ob das jetzt eine Erklärung für Alex oder ein Wunsch für mich war, da bin ich auch nicht hundertprozentig sicher. „Ich werde gleich wieder in den Wagen steigen, nachdem ich getankt habe!“ gebe ich ihm zurück. Ich höre ein Zischen im Telefon. „Okay. Die Angestellten in der Tankstelle wissen Bescheid und sie nehmen dir die Kleine ab. Meine Jungs können erst in etwa 10 Minuten da sein. Deshalb…“ ich unterbreche ihn. „Es ist alles gut Alex! So lange Emily in Sicherheit ist!“ Emily schaut mich die ganze Zeit von hinten an. Sie ist ein intelligentes Kind und hatte bereits durschaut, weswegen ich bei ihnen bin und was jetzt gerade vor sich geht. „Okay. Ich sehe die Auffahrt. Ich setze den Blinker.“ Ich schaue gespannt in den Rückspiegel. Sie folgen mir. Mist. Ich fahre zielstrebig an die Tankstelle und glücklicherweise steht da gerade ein LKW der die Sicht zu den Parkplätzen versperrt, welchen die Verfolger anvisiert haben. „Ich habe Sichtschutz. Ich bringe Emily raus und dann fahre ich weiter. Ich lasse mein Handy im Wagen. Bis gleich.“ Ohne Alex zu Wort kommen zu lassen, springe ich raus und laufe um den Wagen herum, um Emily herauszuholen. „Komm, Kleine wir müssen uns beeilen. Hebe ich sie auf meinen Arm und verschwinde mit ihr in das Gebäude. Es kommen mir direkt eine Frau und ein Mann entgegen. „Miss, wir wissen Bescheid. Sollen wir nicht auf die Polizei warten?“ fragt die Frau, die mir Emily abnimmt, die Tränen in den Augen hat. „Nein, ich möchte hier keinen in Gefahr bringen! Bitte passen sie gut auf die Kleine auf. Bekannte kommen gleich und holen sie ab.“ Ich gebe ihr einen Kuss auf die Wange. „Ja, wir passen gut auf! Aber Sie bitte auch auf sich!“ schaltet sich jetzt der Mann ein. „Danke und auf Wiedersehn.“ Verabschiede ich mich ehe ich zurück zum Wagen haste und wild schnaufend den Motor anlasse. „Liz? Ist alles in Ordnung?“ höre ich direkt wider die vertraute Stimme von Alex und ich muss schluchzen. „ja, ich fahre jetzt wieder auf die Autobahn. Emily ist in Sicherheit … Ich…“ Die Tränen rinnen mir die Wangen herunter. „Liz, beruhige dich bitte! Bleib ruhig, du musst dich konzentrieren.“ Versucht er mich zu beruhigen. Doch mir schweift nur das Eine durch den Kopf und die Erleichterung, dass es nicht eintreten würde lassen mir die Tränen über die Wangen gleiten. „Ich dachte Gerda und Antonio würden Emily jetzt auch bei einem Autounfall verlieren… verdammt…“. Der Gedanke, Emilys Großeltern würden auch noch sie verlieren ist für mich kaum auszuhalten. „Liz, du musst jetzt an dich denken!“ stößt er mich aus meinen Gedankengang. Ich kurve den Wagen wieder zurück auf die Autobahn und kurz später erscheint auch wieder der dunkle SUV hinter mir. „Okay ich bin jetzt wieder auf dem Highway. Die Herren sind wieder hinter mir. Ein dunkler SUV.“ Fange ich an zu berichten und es kommt mir vor, wie in einem dieser Actionfilme, wo die Verfolgungsjagd gerade losgeht. „Okay, kannst du die Männer näher beschreiben oder das Kennzeichen erkennen?“ ich merke, dass auch Alex in einem Wagen sitzt, denn der rumorende Motor ist zu vernehmen. Dann achte ich wieder auf den Wagen. „Der Wagen hat kein Kennzeichen“ fällt mir verdutzt auf. Stille in der Leitung. Ich versuche auf die Männer in dem Wagen zu achten, während ich durch den gut fließenden Verkehr kurve. „Die Männer tragen Anzüge. Mehr kann ich leider nicht erkennen.“ Ich werde nervöser. Es ist weiterhin Stille am anderen Ende. „Alex?“ entkommt es mir panisch. Keine Antwort… „Alex?“ schreie ich jetzt ins Telefon, doch da ist nichts nicht ein Geräusch… gar nichts. Niemand mehr, der mir zuhört, der mir helfen kann. „Verdammt…Liz, bleib ganz ruhig.“ Versuche ich jetzt mit mir selbst zu reden, da meine Hände zu zittrig sind, um das Wahlfeld für die Anrufe zu bedienen. Ich werde schon hier herauskommen. Ich schaffe das! Versuche ich mir einzureden. Doch die Männer hinter mir lassen nicht locker. Die Dichte des Verkehrs schützt mich ebenfalls nicht mehr, es sind nur noch wenige andere Autos mit auf dem Highway. Warum hatte ich der Sache heute nur zugestimmt. Doch ich weiß selbst, dass dieser Vorwurf falsch ist. Ich hatte mich so auf den Tag mit Emily gefreut und niemand von uns hatte geahnt, dass das passieren würde. Die Autobahn ist jetzt ganz frei von anderen Wagen und der hinter mir kommt mir immer näher. Er fängt an, wie wild zu hupen. Ich gebe ein bisschen mehr Gas, um wieder etwas Abstand zwischen uns zu bringen doch es hilft nicht er kommt direkt wieder näher. Weiterhin bleibt es im Auto still. Ich habe den Kontakt zu Alex wohl verloren. Wie sollte ich bloß dieser Situation entkommen? „Okay, ganz ruhig bleiben, Liz.“ Fange ich mich wieder an mich zu beruhigen. Dann sehe ich im Seitenspiegel, wie der Wagen links an mir vorbeizieht. Ich gebe intuitiv Gas, um ihn nicht vorbeizulassen. Und als ich bei einem Tempo von 210 km/h angelangt bin scheint der andere Wagen nicht weiter beschleunigen zu können. „Ich bin verrückt… Ich hätte einfach in New York bleiben sollen. Ich hätte mich einfach in meiner Wohnung befinden sollen. Das ist hier Wahnsinn.“ Ich raufe meine Haare, doch umklammere direkt wieder das Lenkrad. Es ist weiterhin kaum etwas los auf der Straße, so ist es möglich das Tempo auf 230 km/h zu erhöhen. Ich werde von anderen an gehupt. „Okay, ich schaffe es … er ist jetzt fast hundert Meter hinter mir.“ Stelle ich fest und trete weiter das Gas durch, doch der Wagen scheint seine Grenze erreicht zu haben. Die Straßen sind zum Glück weiterhin frei, jedoch sehe ich auf dem Bildschirm, auf welchem eine digitale Landkarte abgebildet ist, dass die Autobahn demnächst in einer anderen mündet. Schätzungsweise noch vier Kilometer… Mein Kopf arbeitet auf Hochtouren. Wo war ich nur hier gelandet. Venezuela scheint keine Gesetze zu haben, die den einzelnen schützt. Die Gangs machen hier anscheinend die Gesetze… Der Wagen hinter mir hat noch weitere Meter verloren und ich kann die Männer in dem Wagen nun gar nicht mehr erkennen. Jetzt merke ich einen zweiten Wagen der gerade auf den Highway auffährt. Ebenfalls mit sehr hoher Geschwindigkeit. Zuerst keimt Hoffnung auf, doch als ich sehe, dass auch dieser kein Kennzeichen an sich hatte, steigt Panik in mir hoch. Und noch dazu ist es ein Sportwagen, der in jedem Fall schneller ist als ich… „Scheiße, wieso müssen andere schnellere Wagen haben…“ sage ich laut zu mir und höre selbst die Verzweiflung in meiner Stimme. Wären doch nur Alex, Marc oder Matheo hier und könnten mir sagen, was ich in dieser verdammten Situation machen soll. Wie vermutet ist der Sportwagen schnell neben mir und versucht mich weiter abzudrängen. „Verdammt, verdammt, verdammt…“ fluche ich lautstark. Der schwarze Wagen berührt sogar meinen. Ich versuche gegenzulenken, doch da holt der andere Wagen weiter aus und die Karosserien krachen aneinander. Mir steigen die Tränen in die Augen. Ich weiß, dass es kein Entkommen mehr geben wird. Auch die getönten Scheiben des Wagens fangen bei jedem Aufprall an zu vibrieren. Ich sehe, wie vorne die scharfe Rechtskurve kommt, die auf den Highway führt. Ich muss hier irgendwie wegkommen… Überlege ich. Ob ich das schaffen würde? Keine Ahnung, doch es sind nur noch wenige Sekunden. Ich bremse stark ab, aber direkt dockt der andere Wagen von hinten an und schiebt mich mit mindestens 180 km/h weiter über den Asphalt. Rechts blockiert und von hinten angetrieben, kommt die Leitplanke immer näher. Ich sehe mein Ende vor mir. Ich sehe alle Leute vor mir, die mir im Leben etwas bedeutet haben. Mit Tränen in den Augen und einem Kloß im Hals entkommt mir „Ich liebe euch alle! … Lebt wohl!“ Die zwei Wagen lassen von mir ab und ich reiße das Lenkrad noch nach links bei einem ununterbrochenen, harten Bremsen, dann höre ich selbst nur noch einen gewaltigen Knall und mir wird schwarz vor Augen. Mein Leben ist wohl vorbei….
Ich bekomme Weiteres nur in Form von kurzen Abschnitten mit. „Liz, wach auf!“ höre ich Alex Stimme dicht an meinem Ohr und als ich die Augen öffne sehe ich seinen flehenden und getroffenen Blick. Noch nie hatte ich ihn so besorgt gesehen. Mein Herz macht einen kleinen Satz. „Kommt hier her. Schnell!“ brüllt er irgendjemanden zu. Er legt seine Hand an mein Gesicht. „Du musst wach bleiben, hörst du!“ redet er weiter auf mich ein. Ich sehe einen Schatten, der sich Alex nähert. Ich kann Matheo noch erkennen, als er dann noch näherkommt. „Alex, wir haben sie.“ Sagt er an ihn gerichtet. Und Alex wendet sich ihm kurz zu. „Gut, dann bringt sie zu Kensington!“ sagt er trocken, doch ich nehme die Wut in seiner Stimme wahr. Ich merke, wie es mir wieder langsam dunkler vor den Augen wird. „Liz, Liz… konzentriere dich bitte. Bleib bei mir.“ Die Verzweiflung in seiner Stimme nimmt zu und ich merke noch, wie mehrere Männer, vermutlich Sanitäter beginnen an mir herumzuziehen, bis ich dann vollständig weggetreten bin.
Ich höre Sirenen. Dann wieder gar nichts mehr. „Liz, bitte Liz.“ Vernehme ich dann auch Laras Stimme. Eine Hand streicht mir über meinen Arm. Wohl eine beruhigende Geste, doch ich kann mich nicht bewegen. Ich kann nichts sehen. Alles ist wie eine verschwommene Nachtwelt. Lichter und trotzdem nichts, was ich ein- oder zuordnen könnte. Es ist öfter mal ein bisschen holprig und ich merke, wie mir Zugänge gelegt werden und die kühle Flüssigkeit in meinen Körper fließt. Dann ist es wieder schwarz und es schienen nur Sekunden vergangen zu sein, als ich meine Augen öffne und in einem sehr großen modernen Krankenzimmer liege, was mir bekannt vorkommt. Mein Blick schweift kurz durch den Raum. Es ist niemand da. Ich versuche zu reden, doch ich höre nur ein Krächzen meiner Stimme. Als ich versuche mich weiter aufzurichten. Wird mir erneut schwarz vor Augen. Nach einer ganzen gefühlten Weile nehme ich Stimmen wahr und mein Herz macht einen Satz, als ich Laras und Alex Stimme heraushören kann. Auch Dr. Stentons Stimme vernehme ich, die versucht die anderen zu beruhigen. Unvermittelt nehme ich eine Berührung an der Hand wahr und zucke vor Schreck zusammen. „Haben Sie das gesehen? Sie hat sich bewegt!“ Erstaunen und Zuversicht… es ist Gerda. Gerda ist hier. Mir steigen die Tränen in die Augen. Hoffentlich geht es Emily gut? Doch meine Versuche mich zu äußern sind erfolglos. „Mam. Es tut mir leid, es kann auch einfach nur ein Reflex gewesen sein. Sie brauchen viel Geduld!“ versucht Stenton Gerda zu beruhigen, worauf ich jedoch Alex aufgebrachte Stimme vernehme. „Beruhigen? Sie liegt jetzt seit fast zwei Wochen hier in diesem Krankenhaus. Hatte zwei Operationen und Sie wollen mir sagen, wir sollen uns beruhigen?“ er ist außer sich und unendlich besorgt. Ich musste mich doch irgendwie kenntlich machen, doch es scheint nicht zu funktionieren… Zwei Wochen lag ich hier schon … schießt es mir durch den Kopf. „Granny, ich will auch zu Lizzy“ höre ich dann die zärtliche Stimme von der kleinen Emily weiter weg. „Komm her kleine Maus. Sie freut sich bestimmt, wenn du sie umarmst.“ Mein Herz wird schwer und Tränen steigen in mir auf. Ich spüre, wie sich der kleine zierliche Köper von Emily auf mich legt und sie mich ganz vorsichtig umarmt. Ich merke, wie ein Tropfen langsam meine Wange hinunterläuft. „Granny, Lizzy weint“ entkommt es der Kleinen entsetzt und ich höre, wie die Stühle im Zimmer über den Boden kratzen und alle an das Bett stürmen. „Liz? Alice? Hörst du uns“ kommt es von Lara. Ich würde am liebsten ‚Ja‘ schreien, doch es funktioniert nicht. Mein Körper gehorcht mir nicht. Ich fühle, wie jemand nach meiner linken Hand greift und mir wird warm ums Herz. Mein Körper reagiert noch genauso, wie vorher auf Alex. Ich bin mir sicher, dass er es ist der meine Hand in seinen hält. „Liz, hörst du mich?“ kommt es jetzt noch einmal, diesmal von Alex. Seine Worte klingen zuversichtlich und liebevoll. Ein Glückgefühl durchströmt meinen Körper. Ich kann mich nicht äußern. Mein Körper sträubt sich nach wie vor. Doch dann probiere ich nur seine Hand fester zu umfassen und es scheint zu funktionieren. „Sie hat meine Hand gedrückt. Sie hört uns!“ verkündet Alex freudig, so wie ich ihn bisher vorher nie erlebt habe. Wie viele in meinem Zimmer stehen, weiß ich nicht, ich fühle nur Gerdas Hand auf meinem rechten Arm und die kleine Emily auf meiner Brust. Alex der ruhig neben mir steht und mir mit seinem Daumen beruhigend über den Handrücken streicht. „Okay, Entschuldigen Sie meine Herrschaften. Ich muss Sie nach draußen bitten. Wir müssen ein paar Tests machen!“ Kündigt Dr. Stenton zur Unzufriedenheit aller Anwesenden an. „Meine Damen und Herren. Bitte!“ kommt es dann von einer mir ebenfalls bekannten Stimme. Prof. Ninstedt scheint in den Raum gekommen zu sein. Alle verabschiedeten sich. Und auch Alex will meine Hand loslassen. Doch ich will nicht mehr alleine sein. Alleine gefangen in meinem Körper. Ich befehle meiner Hand fester zuzudrücken und zu meinem und auch dem Erstaunen von Alex, klappt es. „Liz, es wird alles gut. Die Ärzte hier wissen was sie tun. Du kennst sie auch. Sie tun ihr Bestes.“ Er versucht sich erneut loszumachen, doch ich schaffe es nicht mit der Leere klarzukommen, die sich danach ergeben wird. Ich drücke noch fester zu und Alex kommt wieder etwas näher heran und streicht mir mit seiner anderen Hand sanft eine Strähne aus meinem Gesicht. Kurz später ist er weg und die Ärzte beginnen Test zu machen. Einige kann ich gut nachvollziehen, bei anderen ist mir selbst unschlüssig, was die Ärzte machen. Doch immer mehr erlange ich ein Gefühl für meinen Körper zurück. Die Tage scheinen wieder zu vergehen. Immer sitzt jemand anderes an meinem Bett. Hält meine Hand und spricht mit mir. Soweit es geht haben wir ausgemacht, dass einmal drücken ja und zweimal drücken nein heißt. Es klappt ganz gut. Ich bin froh, dass ich diese Möglichkeit der Kommunikation wiederhabe. Ich selbst weiß, wie schrecklich es ist für Angehörige von Patienten, wenn sich ihr Freund, Freundin, Familienmitglied, nicht mehr äußern kann. Immer wieder äußern die Ärzte, welche Fortschritte ich in einer so kurzen Zeit mache. Es sind weitere zwei Wochen vergangen und Alex war seitdem bisher nur einmal dagewesen. Am meisten kamen Lara und ihre Eltern, Emma und natürlich Antonio, Gerda und die kleine Emily mich besuchen. Auch Marc und Matheo waren selten da. Was ich aber auf ihre Arbeit schiebe. Sie haben so wenig Zeit für sich selbst und da verlange ich, dass sie bei mir sind? Nein, das kann und will ich nicht. Ich höre, wie die Türe geöffnet wird. Ein leichtes Knarzen geht von ihr aus. Ich erwarte, dass Lara heute kommt. Sie hatte mir versprochen, sie würde direkt am nächsten Morgen vorbeikommen. Mich beschleicht jedoch ein komisches Gefühl. Niemand sagt etwas. Nichts tut sich. Es wird mir unheimlich. Meine Augen gehorchen mir nicht. Und dennoch weiß ich die Person, die hier ist, ist eine die ich nicht erwartet hatte und die mein Leben seit Monaten aus den Fugen bringt. Ich höre ein Röcheln. Männlich, Dunkel. Zuordnen kann ich diese Person nicht. Ich versuche nach Hilfe zu schreien. Doch es funktioniert nicht. Panik überkommt mich. Was passiert hier. Die Peron kommt näher. Ich höre sie schwer atmen. Dann spüre ich seine Hand auf meinem Arm und ich bin mir sicher. Ich kenne ihn nicht. Zumindest nicht so, dass ich ihn zuordnen kann. Ich höre, wie die Monitore, die an mich angeschlossen sind, laut anfangen zu piepen. Mein Puls scheint in die Höhe geschossen zu sein. Ich fang an mich zu winden und er zerrt ebenfalls an mir, sodass ich aus dem Bett auf den Boden falle. Der Aufprall ist dumpf und ich bin mir sicher, dass bis auf das Ablösen der EKG-Messkleber nichts passiert ist. Das Gerät gibt einen monotonen Piepton von sich, der einen Herzstillstand anzeigt, da bin ich dann doch froh, dass ich nicht mehr an dem System hänge… Der Mann beugt sich wohl zu mir runter „Du wirst für ihn noch bezahlen!“ höre ich die dunkle monotone, wütende Stimme fast flüsternd sagen, bevor mein Zimmer wieder leer ist und einen kurzen Moment später die Schwester hereinstürmt und noch zwei weitere, die ich als Ärzte betiteln würde. „Miss Lindström, beruhigen Sie sich! Bitte beruhigen Sie sich. Ihr Puls ist zu hoch.“ Meldet sich die Krankenschwester zu Wort. Die etwas an den Monitoren herumdrückt. Ich versuche meinen Puls wieder nach unten zu regulieren. „Was ist denn hier passiert.“ Vernehme ich dann die Stimme von Prof. Ninstedt. Er schien auch hergeeilt zu sein, denn er ist vollkommen außer Atem. „Miss Lindström hatte einen starken Anstieg der Herzfrequenz und auch der Blutdruck wies massive Veränderungen auf. Miss Lindström…“ die Schwester greift nach meiner Hand. „Ist alles in Ordnung?“ fragt sie mich langsam. Ich drücke zweimal. Nichts ist in Ordnung. „War gerade jemand bei Ihnen?“ fragt sie weiter und ich hätte fast Freudensprünge gemacht, dass sie so schnell darauf kam. Ich drücke einmal. „Okay, kannten sie die Person?“ fragt sie weiter und ich drücke wieder zweimal. Ich kann mir vorstellen, wie beunruhigt sie den Chefarzt angeguckt haben muss. Schließlich höre ich ihn sagen. „Rufen Sie Mr. Cortez und Mr. Monderaz an und stellen Sie Sicherheitspersonal vor diese Tür. Nur noch angemeldete Personen dürfen hier herein.“ Ordnet er an und es gibt wieder wildes Treiben, nachdem ich zurück in mein Bett verbracht wurde. Die nächsten Minuten beschäftige ich mich damit, mir die Frage zu stellen, wer Interesse hat mir zu schaden und warum… Was hatte ich getan und anscheinend für wen hatte ich was getan, wofür mich diese unbekannte Person zahlen lassen will? Die nächsten Stunden vergehen wieder mit Besuchen von Lara, Marc und den Monderaz. Sie sind außer sich, als sie von dem mysteriösen Besucher in meinem Zimmer erfahren. Dann ist es wieder eine Weile still und ich versuche wieder, wie mir Stenton es erklärt hatte meine Sinne zu trainieren, bzw. vor allem das Sehen. Sehen und Sprechen waren die Fähigkeiten, die mein Körper momentan noch auszublenden scheint. Durch den Aufprall hatte ich eine Kopfverletzung erlitten und durch die Schwellungen konnte dies wohl passieren. Ich hatte bereits darüber gelesen, doch es selbst mitzuerleben ist noch einmal etwas ganz Anderes. Ich öffne meine Augen und sehe wieder ein Lichtermeer. Ich probiere Punkte zu fixieren und es klappt auch immer besser. Dann räuspere ich mich und bin selbst erschrocken, als ich meine kratzige Stimme vernehmen kann. „Ich … kann … wieder …sprechen…“ entkommt es mir. Mir steigen die Tränen in die Augen. Das Adrenalin und die hohe Herzfrequenz hatten wohl etwas zu diesem Fortschritt beigetragen, so meine Theorie. Mein Bild vor Augen verbessert sich immer weiter. Ich hebe meine Hände vor meine Augen und es klappt. Es wird wieder freue ich mich und richte mich etwas mehr in meinem Bett auf, was mir einiges an Anstrengung abverlangt. Nur meine Beine wollen nicht das tun, was ich vorhabe merke ich, als ich versuche diese anzuwinkeln. Dr. Stenton hatte mir mehrmals meinen Zustand und meine Verletzungen erklärt und ich weiß, dass es ein sehr langer Weg der Rehabilitation werden wird. Die Tür wird aufgerissen und mein Blick wandert langsam dort hin. Ich sehe in Alex verwundertes Gesicht, als er in der Tür innerhält. „Liz?“ schafft er nur zu sagen. Mir kommt ein Lächeln ins Gesicht und ich bewundere wie gut er aussieht mit seinem wirren Haar und dem Anzug, den er wohl noch von einem Geschäftstermin zu tragen scheint. „Ja“ entkommt es mir immer noch leicht krächzend, doch da stürmt er bereits auf mich zu und schließt mich in seine muskulösen Arme. Gefühle der Freude und Ekstase steigen in mir hoch. Seit mich Alex aus New York geholt hat, habe ich das Gefühl er gehöre zu mir. Wir hatten zwar nur telefoniert oder uns kurz mal gesehen, dennoch fühle ich mich sicher, wenn er auf irgendeine Weise in meiner Nähe ist. „Ich habe alles noch gehört, was du im Wagen gesagt hast. Du hast mich nicht mehr gehört.“ Fängt er fast schon verzweifelt an zu reden. Er war dabei. Er hat alles mitbekommen die Rammattacken, wie auch den Aufprall. Mir treten die Tränen in die Augen, denn ich weiß, es muss schrecklich für ihn gewesen sein alles zu hören, aber nichts tun zu können. Ich streichle durch sein dunkles dichtes Haar. „Es wird alles gut!“ fällt mir dazu nur ein und unsere Umarmung wird noch fester. Er entfernt sich etwas von mir, um mir in die Augen zu sehen. „Ich bin so froh, dass es dir wieder bessergeht. Ich musste leider ein paar Termine erledigen. Aber ich werde mir mehr Zeit nehmen.“ Was war mit ihm passiert, überlege ich. „Es ist alles gut!“ wiederhole ich und blicke ihm dabei in seine wunderschönen Augen. Er nimmt mich wieder in den Arm. Es scheint mehr passiert zu sein in der Zeit die ich weg war, als ich vermutet habe. Ich selbst muss mir zugestehen, dass ich mich bereits seit langem in Alex verliebt habe. Dies ist mir auch in meiner Auszeit klargeworden. Doch unsere Welten sind so unterschiedlich und jetzt ist erneut so viel passiert. Wie sollte so etwas zwischen uns funktionieren?
„Wie wird es weitergehen“ vernehme ich Alex Stimme. Er scheint in einem Gespräch mit meinen behandelnden Ärzten zu sein. Ich neige meinen Kopf etwas in die Richtung und sehe, wie er an den Türrahmen gelehnt kritisch die beiden Ärzte betrachtet, die ihm gerade erklären, dass ich vorerst an den Rollstuhl gefesselt sein werde. Sie hatten es mir bereits gestern mitgeteilt und eigentlich hatte ich es vor Alex und den anderen selbst mitzuteilen. Ich selbst habe wahrgenommen, dass das Gefühl für meine Beine zwar nicht vollkommen verloren ist, aber dennoch die körperliche Verbundenheit zu diesen fehlt. Wir waren uns einig, dass die Behebung dieser Problematik vermutlich einige Wochen oder Monate an Training bedarf, um wieder vollständig auf die Beine zu kommen. Alex hatte bemerkt, dass ich zuhöre und wendet sich entschuldigend von den Ärzten ab und kommt näher an mein Bett heran. „Guten Morgen“ begrüße ich ihn lächelnd. „Guten Morgen“ erwidert er und zieht sich einen Hocker an das Bett heran. „Du weißt es schon?“ fragt er mich bedächtig und ich merke ganz genau, wie er mich dabei gründlich mustert. „Ja… Es wird eine harte Zeit, aber…“ beginne ich und Alex weiß worauf ich hinauswill. „Aber was? Du wirst bei uns wohnen und nicht in irgendeiner Einrichtung!“ ich staune, als er mir das so direkt darlegt. Als ob er meine Gedanken lesen könnte. „Alex… Es wird anstrengend. Ich möchte nicht, dass ihr euch damit rumquälen müsst!“ erwidere ich. In diesem Moment kommen Lara und Marc in das Zimmer „Mit was rumquälen?“ fragt uns meine beste Freundin direkt und nimmt mich in den Arm. „Ich werde die nächsten Wochen nicht in der Lage sein alleine zu laufen. Ich würde gerne in eine betreute Wohneinrichtung ziehen. Ich will nicht, dass ihr euch um mich kümmern müsst.“ Erkläre ich es Lara. „Aber Liz. Das können wir doch nicht machen!“ entkommt es ihr geschockt. „Doch. Es wird nur zu Problemen führen, wenn ihr euch Tagein und -aus um mich kümmern müsst.“ Alex rauft sich die Haare. Ihm scheint das nicht zu passen. „Wir können dir doch einfach eine Krankenschwester zur Seite stellen“ kommt dann die Idee von Marc und alle sehen ihn erstaunt an. „Ja, das ist eine super Idee! Dann kannst du weiter bei uns wohnen. Wäre das nicht toll?“ unterstützt ihn Lara in seiner Idee. „Lara, euer Haus hat zu viele Stufen…“ zieht Alex die Stimmung von dieser jedoch wieder in den Keller. Ich selber denke darüber nach und muss ihm Recht geben. Sogar im Erdgeschoss waren die einzelnen Etagen mit zwei oder drei Treppenstufen verbunden, was einen großen Aufwand in meiner Betreuung, im alltäglich Leben, bedeuten würde. „Alex hat Recht! Leute entspannt euch doch einfach. Ich bin super versichert. Ich gehe in New York in eines der dort verfügbaren Einrichtungen. Ich habe meine eigenen Patienten dorthin überwiesen. Sie fanden es super da. Und es ist alles sowieso schon barrierefrei gestaltet.“ Mir persönlich fällt es schwer mich als Patienten zu betrachten, doch was anderes bleibt mir in dieser Situation nicht übrig. Alex beäugt mich kritisch. Er hält von meiner Idee nichts und auch die anderen beiden scheinen sich nicht damit abfinden zu können. „Ich habe noch ein Haus etwas auswärts der Stadt. Es ist weitestgehend barrierefrei! Ich werde gleich mal telefonieren und alles dort vorbereiten lassen.“ Stellt Alex fest und nicht nur ich gucke ihn daraufhin ungläubig an. Doch bevor ich etwas sagen kann ist er schon aus der Türe. „Keine Chance, Liz. Was Entschlüsse angeht ist Alex so wie du!“ klärt Marc mich mit einem Schmunzeln auf. „Ich möchte euch nicht zur Last fallen!“ entkommt es mir erneut. „Das …“ ich unterbreche Lara. „Das tue ich! Ihr wisst jetzt noch nicht was auf euch zukommt. Ich …ich kann nicht mal so einfach alleine ins Bad. Geschweige denn die Treppen überwinden.“ Lara beäugt mich mitleidig. „Wir kriegen das hin! Meine Eltern sind auch hier. Wir werden uns einfach abwechseln und wenn wir auch noch jemanden einstellen ist das kein Problem.“ Ich möchte dieses Thema abhacken und beginne jedoch mit einem wohl noch unangenehmeren. „Gibt es schon etwas Neues von dem Mann der hier in meinem Zimmer war, beziehungsweise dem aus New York?“ Ich hatte bereits in den letzten Tagen immer wieder versucht allen etwas zu entlocken. Sie beruhigten mich jedoch nur, dass ich in Sicherheit sei und sie alles im Griff hätten. Irgendwie beruhigt mich das aber nicht wirklich. Ich selbst probiere mich von dieser Thematik abzulenken, da ich weiß, dass ich es durch Stress oder Angstzustände nicht verbessern kann, sondern eher verschlimmern würde. Nach weiteren Gesprächen verabschieden wir uns alle voneinander. Alex kam nicht noch einmal vorbei, doch das war üblich für ihn. Ich hatte mich bereits daran gewöhnt nicht auf ihn zu warten, denn es waren immer wieder Geschäftstermine oder Notfälle, die ihn aus dieser Klinik hinaustrieben und das ist auch richtig so.
„Komm schon es geht nach Hause“ freut sich Lara und Marc schiebt mich von hinten aus meinem gewohnten unkomplizierten Umfeld, dem Krankenzimmer heraus. Es ist eine Mischung aus Freude, aber auch Verzweiflung, die mich überkommt. Einerseits bin ich froh wieder etwas anderes zu sehen als Krankenhauswände. Andererseits war dies eines der wenigen Sachen, die mir Sicherheit boten. Alex hatte mir berichtet, dass sie die Männer inzwischen gefasst hatten, die in meinen beiden Zimmern waren. Jedoch und das gab er nur ungern Preis schien hinter dieser Sache noch viel mehr zu stecken, doch die beiden Festgenommen wollten nicht rausrücken mit der Sprache. Genauso wenig, wie sich die Herrschaften vom Highway zu der Tat äußerten. Es war eine Sackgasse, doch Alex und Marc versprachen mir alles zu tun, um das aufzuklären und alle zur Rechenschaft zu ziehen. Mittlerweile waren diese Ereignisse jedoch für mich verblasst. Ich hatte anderen Kummer und andere Sorgen, die mich plagen. Das Gespür für meine Beine kommt einfach nicht stärker zurück. Die Lähmung hält an und auch die Ärzte wissen sich nicht anders zu helfen, als vorerst zu warten. Und auch ich werde aus den Untersuchungsergebnissen nicht schlau. Es scheint nichts unstimmig und damit kein Grund warum weiterhin eine Einschränkung vorliegen sollte. Lara zieht meinen Trolli hinter sich her und hört gar nicht mehr auf vor sich hin zu brabbeln, was mich schmunzeln lässt. In der Zeit im Krankenhaus kamen mich wirklich alle sehr viel besuchen, damit ich so wenig Zeit, wie möglich alleine verbringen musste.
Die Zeit vergeht und keine Besserung tritt ein. Ich rackerte mich mit Übungen ab und auch die anderen halfen mir, wo es ging. Das Haus von Alex ermöglicht es mir weitestgehend ohne Hilfe klarzukommen. Die Stufen die noch vorhanden waren wurden mit Schienen versehen oder Rampen, so dass ich auch über diese hinweg kam. Ermittlungsfortschritte gab es weiterhin noch nicht. Die Männer waren so verschwiegen, wie es niemand von uns erwartet hätte. Trotzdem war es still um uns geworden. Es passierte nichts mehr, was in irgendeiner Weise Unruhe hervorruft.
Tag der Veröffentlichung: 08.01.2017
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