Cover

Noch ein Wunsch, Mister Arrogant?

„Und da sind wir wieder für Sie, mit einem ganz besonderem Gast, live in unserem Studio, nur für Sie und ganz exklusiv!“, ertönte es aus dem kleinem Radio, das in der Ecke des Cafes meiner Mutter stand.

Mit eifrigen Schritten lief ich zu einem unserer Stammgäste und servierte ihm lächelnd seinen bestellten Apfelkuchen.

Er war fast jede Mittagspause hier anzutreffen, nur um den berühmten Apfelkuchen meiner Mutter zu essen, der, wie viele fanden, einen ganz besonderen und einzigartigen Geschmack hatte.

Ich selber war kein Fan von Äpfeln, ich bevorzugte eher Erdbeeren.

Nachdem er seinen Teller in Empfang genommen hatte, setzte ich mich wieder in meine Ecke, heute war nicht so viel los, sodass ich mich in Ruhe zurücklehnen konnte und Musik hören konnte.

„Mike, willst du uns nicht endlich verraten, wer der heutige Gast sein wird?“, sagte der Radioreporter.

„Es ist Alex Davis!“, antwortete dieser „Mike“. Ich verdrehte nur genervt die Augen, natürlich. Wer denn auch sonst? Der gefeierte Teenieschwarm seit drei Jahren, erst letzte Woche war er 18 geworden, doch er war weltberühmt. Jedes Mädchen würde einem die Augen auskratzen, wenn man ihm zu nahe treten würde.

In meinen Augen war er ein arroganter Schnösel, der meinte, nur weil er so super aussah und Geld besaß, auch alles haben konnte.

Jeder und alles sprach nur noch über ihn, es gab kein anderes Gesprächsthema in den letzten Wochen. Es ging nur noch über den ach so tollen Schauspieler Alex Davis.

„Und da ist er auch schon“, meinte Mike und seine Stimme klang sogleich zwei Oktaven höher. Sogar auf Männer hatte er eine solche Wirkung, ich hasste ihn jedoch immer noch.

„Sag mal Alex, was ist dein kleines Geheimnis, zu deinem großen Durchbruch?“

„Man sollte Talent haben und einfach so sein, wie man ist“, beantworte er die Frage, aber ich konnte seinen arroganten Ton dahinter entdecken! Hah, wusste ich´s doch! Er tat nur so, als wäre er ein Lieber.

„Natürlichkeit kommt immer gut an, du hast vollkommen Recht, Alex. Aber wir haben gehört, du wirst umziehen? Willst du uns nicht verraten, wohin?“, hakte der Reporter  nach und ein leichtes Lachen ertönte aus den Lautsprechern des Radios.

Ich hoffte, er würde in die Arktis ziehen. Sein Ego und er hatten eine richtige Abkühlung nötig.

„Sicher doch, um ehrlich zu sein, ich bin schon in der Stadt, in der ich wohne. Besser gesagt, ich bin seit heute offiziell nach Mashtiens gezogen.“ Wenn meine Kinnlade noch weiter heruntergeklappt wäre, hätte sie Bekanntschaft mit dem Tisch gemacht.

Er wohnte in meiner Stadt? Oh nein, wie konnte ich auch noch das vergessen? Der Radiosender war doch auf meinem Heimweg!

Ich blickte flüchtig auf die Uhr und pustete genervt eine Haarsträhne aus meinem Gesicht.

Nicht doch, meine Mutter würde mich gleich ablösen und ich stellte mir schon vor, wie viele Fans ich erschlagen müsste, um nach Hause gehen zu können.

Waren es vielleicht fünf, zehn, oder doch mehr?

„Was für eine Überraschung, dann heißen wir dich mal herzlich Willkommen in Mashtiens!“, rief der Journalist enthusiastisch.

„Dankeschön.“ Ich konnte mir schon bildlich vorstellen, wie er selbstgefällig grinste.

„Schatz, könntest du bitte aufhören den Muffin zu demolieren?“ Ruckartig zuckte ich zusammen, als plötzlich die Stimme meiner Mutter neben mir erklang.

Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie schon da war. Erschrocken über die Tatsache, dass ich den Blaubeermuffin zerquetschte, ließ ich ihn auf den Tisch fallen.

Er sollte nicht für den Hass gegenüber Alex leiden.

„Du kannst jetzt gehen, ich übernehme dann die nächste Schicht.“

Sie hatte ihre langen Haare zu einem Zopf gebunden, der ihr gut stand, denn sie war eine sehr attraktive Frau, doch immer wenn ein Mann sie fragte, ob sie mit ihm Ausgehen wollte, lehnte sie ab.

Ich hatte immer noch die Befürchtung, dass sie über das Verschwinden meines Vaters nicht hinweg war.

Ich war es zum Teil schließlich auch noch immer nicht.

„Hier hast du noch etwas Geld, du wolltest dir doch unbedingt dieses neue Buch kaufen“, meinte sie mit einem leichten Lächeln, das ich ziemlich selten zu Gesicht bekam.

„Jaa, danke, Mom!“ Freudig sprang ich auf, schlüpfte aus dem Kittel und winkte meiner Mutter noch zum Abschied, als ich schon durch die Tür trat.

Den besorgten, zugleich traurigen Blick in ihren Augen hatte ich nicht bemerkt.

 

Keine zehn Minuten später verließ ich glücklich den Buchladen mit meinem neuem Buch, welches den Titel “Bestimmt“ trug.

Ich hatte meine Leidenschaft zum Lesen mit elf Jahren entdeckt, als ich auf das Gymnasium gekommen war. In dieser Stadt wurde nur Englisch gesprochen, auch wenn vieles an den System von England erinnerte, wich die Schulreform davon ab.

Seit meinen neuen Einstieg hat sich vieles in meinem Leben verändert, vieles zum Positiven, jedoch auch vieles zum Negativen.

Mein Gedankengang wurde jähe unterbrochen, als ich das Gekreische von einer Menge Mädchen hörte.

Oh nein, wie sollte ich da durch? Als ich um die Ecke bog, konnte ich sehen, wie viele Fans von Alex mit Plakaten vor dem Hintereingang des Radio Senders standen und seinen Namen kreischten.

Ich verzog das Gesicht, gab es nicht einen anderen Weg, damit ich heile nach Hause konnte?

Ich dachte angestrengt nach, ach ja, genau. Es gab noch eine kleine Gasse, die direkt auf den Weg zu mir führte, ich musste nur etwas klettern, sonst wäre der Weg genauso schnell wie durch die kreischende Mädchenmenge.

Der Himmel hatte sich mittlerweile dunkel gefärbt, der Wind war auch ein wenig kühler geworden, jedoch immer noch angenehm warm.

Ich beschleunigte mein Schritttempo und war kurzerhand an der Gasse angekommen, in der es ein wenig gespenstisch war, ich konnte kaum erkennen, wo ich lang ging.

„Alex, heirate mich! Komm raus!“, schrie eine beängstigend laute Mädchenstimme, ich hatte noch nie jemanden so schreien hören! Selbst das nötigte meinen ganzen Respekt.

Mit einem Mal hörte ich hastige Schritte, war das einer der verrückten Fans, der nach Alex suchte? Genervt drehte ich mich um, um demjenigen zusagen, dass man ihn hier nicht finden würde.

Doch alles was ich sah, war die hochgewachsene Gestalt einer männlichen Person, die Alex Davis aufs Haar glich.

Nein, ich fantasierte bloß...er konnte nicht vor mir stehen und total erschöpft aussehen.

Nein, die schwarzen Haare, die ihm leicht auf seine Stirn fielen, gehörten ganz sicher nicht ihm.

Die strahlend blauen Augen gehörten bestimmt jemand anderem, nur nicht ihm.

„Spiel einfach nur mit“, sagte der Adonis vor mir, mit einem mir wohlbekannten arroganten Tonfall, oh nein, sie gehörte ihm!

Alex Davis stand direkt vor mir, außer Atem und total durch den Wind.

Wütend schaute ich ihn an, grün auf blau traf aufeinander. Was wollte er von mir?  Wenn er sich von seinen Fans verstecken wollte und meine Hilfe brauchte, die konnte er sich gehörig abschminken!

Ich würde ihm ganz sicher nicht helfen!

Doch was er dann tat, verblüffte mich vollkommen.

Er bückte sich zu mir runter, sodass ich seinen Duft nach Winterhauch einatmen konnte.

Er presste seine Lippen auf meine, zog mich zu sich heran und übte Druck auf meinen Lippen aus, den ich blöde Gans auch noch erwiderte!

Immer wieder bewegten sich seine Lippen auf meine, sodass sich eine Gänsehaut auf meiner Haut bildete.

Ich griff in seine seidigen, schwarzen Haare und zog ihn noch kräftiger an mich heran, verdammt...was tat ich da?

Ich hasste diesen Kerl, warum tat ich das hier?

Verstand und Gefühl stritten heftig miteinander, keiner von beiden gewann. All meine Gedanken wurden zur Seite geschoben, als er mich an den Hüften packte und an die kalte Wand der Gasse presste.

Oh nein, ich spielte eindeutig zu gut mit! Er löste seine Lippen nicht einmal von mir und verstärkte den Druck noch etwas und ich vergrub meine Hände wieder in seine Haare.

„Wo ist er? Er war doch gerade noch hier!“, ertönte eine Mädchenstimme, die absolut verzweifelt klang.

„Ist er das?“

„Nein, er hat keine Freundin, da lang!“, schrie ein anderes Mädchen enttäuscht, weil sie ihn wohl noch nicht gefunden hatten.

Wenn sie wüssten, dass die Person die mich gerade an die Wand drückte und mich küsste, Alex war, ich glaube, spätestens nach zwei Sekunden wäre ich nicht mehr am Leben.

Als die rennenden Schritte verhallt waren und ich nichts mehr hören konnte, riss ich mich von Alex los und schubste ihn von mir. Er torkelte zwar ein wenig, fiel jedoch nicht hin.

„Ich schwöre, ich hätte dich verrecken lassen, was sollte der Scheiß?“, fauchte ich ihn an und hob drohend meinen Zeigefinger.

„Ehrlich, ich hätte dich nie um Hilfe fragen sollen, dass was du da getan hast, war nicht mal gespielt, Kleine“, meinte er nur trocken und richtete sich seine Haare die in allen Richtungen abstanden.

Dieses eingebildete Arschloch! Der glaubte doch wirklich nicht, dass ich das willig gemacht hatte! Ich wollte doch nur nicht, dass mich der Schwarm an Mädchen umlaufen würde!

„Du eingebildetes, dummes Arschloch“, zischte ich ihn wütend an, ich war in Rage und wie ich es war.

Kommt, will dass ich mitspiele und meinte dann, ich hätte ihn freiwillig geküsst?

Alex Davis ist ein viel größeres Arschloch, als ich gedacht hatte!

„Du bist doch nur neidisch, dass du nicht so gut aussiehst wie ich“, sagte er und grinste schelmisch.

Er brachte mich innerhalb einer Sekunde auf 180!

Erst jetzt fielen mir die dunklen Schatten unter seinen Augen auf, und er massierte sich erschöpft seine Nase. Da ich meine Zeit nicht mehr mit ihm verschwenden wollte, drehte ich mich um und wollte soviel Abstand zwischen ihm und mir bringen wie möglich.

Da seine Fans wohl längst abgezischt waren, konnte ich auch meinen täglichen Nachhauseweg nehmen.

„Warte!“, rief Alex mir hinterher und ich beschleunigte mein Schritttempo. Ich wollte ihn nicht in meiner Nähe haben, verstand er das denn nicht?

Wütend blickte ich auf den Boden und konnte den Drang, ihn umzubringen, nur mit Mühe unterdrücken.

Seine raue Hand umfasste meinen Oberarm und hielt mich davor zurück, weiterzugehen.

Was sollte das?!

„Lass...mich...los!“, zischte ich ihn an und blickte ihn mit meinen Augen an, die ich zu Schlitzen geformt hatte. Ich versuchte ihn so bedrohlich wie möglich anzuschauen, doch es klappte anscheinend nicht.

Sein Griff verstärkte sich nur und sein Grinsen wurde nur noch breiter.

„Ich dachte nur, dass du das hier wiederhaben möchtest“, meinte er und gab mir das Buch, das ich vor kurzem gekauft hatte.

Naja...ich wusste nicht, ob man es noch ein Buch nennen konnte. Die Seiten waren verknickt und verdreckt, das Deckblatt vollkommen demoliert.

Ich musste es bei dem...Kuss...fallen gelassen haben, aber wie war das denn bitte passiert?

„Du kannst mir ein neues kaufen!“, zischte ich ihn an und entriss ihm das verkrüppelte Buch.

Skeptisch betrachtete ich es und seufzte auf. Nein, man konnte kaum noch etwas lesen!

„Wieso sollte ich? DU hast es doch fallen gelassen!“, versuchte er sich aus der Sache herauszureden.

Nicht mit mir, Freundchen!

„Aber DU hast mich vollkommen überrumpelt! Ich WILL ein neues Buch haben“, betonte ich mit lauter Stimme und funkelte ihn an.

„Wie wäre es, wenn ich dir das dumme Geld gebe und du dir dann ein neues Buch holst? Warum liest du überhaupt, das ist doch Schrott!“, meinte er und ließ endlich meinen Oberarm los.

„Du bist Schrott! Und nein, du kannst auch mal lernen, wie ein normaler Mensch einkaufen geht, der nicht immer alles gleich in den Arsch gesteckt bekommt“, meinte ich und drückte mit meinem Zeigefinger auf seinen Oberkörper.

Ich fühlte nur Muskeln, wahrscheinlich tat es mir mehr weh als ihm.

Genervt verdrehte er seine blauen, strahlenden Augen und atmete genervt aus.

„Wenn`s sein muss!“

„Gut, jetzt komm! Ich will so schnell wie möglich nach Hause!“, knurrte ich ihn an und drehte mich um.

Nachdem ich ein paar Schritte gelaufen war, drehte ich mich noch einmal kurz um und bemerkte, dass Alex immer noch da stand.

„Kommst du?“ fragte ich ihn und hob meine Augenbraue.

Er schien so, als wäre er aus seiner Trance erwacht und schüttelte leicht seinen Kopf.

„Ja, ich komme.“

"Was ist das?" - "Darf ich dir vorstellen, dass nennt man ein BUCH"

„Hast du nun endlich dein bescheuertes Buch gefunden, oder nicht?“, fragte Alex sichtlich genervt und rückte seine riesige Sonnenbrille zurecht. Seine Kapuze hatte er sich so tief wie möglich heruntergezogen.

Wahrscheinlich wollte er von keinem erkannt werden, aber warum sollte man nicht ausnutzen, sich die ganze Zeit von Mädchen umschwärmen zu lassen?

Ich an seiner Stelle hätte es getan.

„Das einzig bescheuerte in meiner Nähe, das ich sehe, bist du!“, meinte ich und wandte mich zum nächstem Bücherregal.

Wenn es sein musste, blieb ich auch den ganzen Abend hier, um mein Buch zu finden!

Ich konnte Alex nicht ausstehen und er konnte mich nicht ausstehen! Da mussten wir eben beide durch!

„Pfff“, prustete er genervt und wurde langsam ungeduldig. Ich erhaschte kurz einen Blick und musste mir selbst eingestehen, dass er furchtbar gut aussah..., lieber wäre mir, dass sein Charakter, genauso schön wie er wäre.

„Gib mir das scheiß Teil“, er entriss mir das kaputte Buch und schaute sich flüchtig das Cover an. „Dann helfe ich dir eben!“

Mit einem triumphierenden Lächeln wandte ich nach rechts und schaute in die „Fantasy-Abteilung“.

Praktisch direkt vor meiner Nase, lag das Buch auf einigen Stapeln Büchern.

Ging doch! Endlich wurde ich ihn los!

„Ich hab es“, flötete ich fröhlich und bewegte mich Richtung Buch, kurz bevor ich nach dem letzten Exemplar greifen konnte, kam eine Hand zuvor.

Ich dachte, es war Alex, doch irrte ich mich. Es war ein anderes Mädchen und dieses Mädchen schlenderte gerade mit MEINEM Buch davon!

„Hey, sorry...könnte ich vielleicht das Buch haben?“, fragte ich sie lächelnd und tippte ihr auf die Schulter.

„Nö, ich hatte es als erstes!“, meinte sie schnippisch und funkelte mich mit ihren braunen Augen gefährlich an. Sie war recht hübsch, aber das interessierte mich nicht sonderlich.

„Ich war aber gerade dabei, mir es zu nehmen, aber dann kamst DU ja dazwischen!“, zischte ich. Wenn sie einen auf Diva machte, konnte ich es ja auch!

„Verpiss dich!“, beleidigte sie mich und wollte gerade weitergehen, als ich ihr ein Bein stellte.

Leider flog sie nicht auf die Knie, sondern landete direkt in zwei starken Armen, die keinem anderem als Alex gehörten.

Er hatte seine Sonnenbrille abgesetzt und die Kapuze ausgezogen.

Er war ein Adonis, was sonst?

Das Mädchen in seinen Armen schien, als würde sie jeden Moment in Ohnmacht fallen. Ihr fielen fast die Augen heraus, als sie bemerkte, in wessen Armen sie gerade lag.

„Ich weiß, dass du das Buch gerne haben möchtest, aber meine Cousine muss heute noch abreisen und das Buch erscheint bei ihr erst in einem Monat und heute ist ihr Geburtstag...?“, fragte er sie zögerlich und lächelte sie mit einem unwiderstehlichen Lächeln an.

Fast unwiderstehlichen.

„Ja...ja. Ich kann das...tut mir leid, wenn ich das vorher...“, stotterte sie und reichte mir das Buch sofort.

Grob riss ich es ihr aus der Hand. „Ich weiß, sie kann manchmal echt aufbrausend sein. Vielen Dank“, meinte er und stellte sie wieder auf die Füße.

Genervt verdrehte ich meine Augen und ging zur Kasse, wo ich gefühlte fünf Minuten wartete, bis er mir hinterherkam.

„So erledigt man das“, raunte er mir zu und lächelte arrogant. Aus meiner Kehle entwich ein Laut, der sich wie ein Knurren anhörte.

„Jetzt bezahl einfach“, sagte ich und drückte ihm das Buch gegen die Brust.

„Jaja, zick doch nicht die ganze Zeit rum“, meinte er und verdrehte seine Augen.

Gekonnt ignorierte ich seine Aussage und wartete schweigend, bis er bezahlt hatte.

Erleichtert atmete ich die frische Abendluft ein, die mir entgegen wehte als wir den Buchladen verließen.

„Tja, hiermit trennen sich unsere Wege endgültig. Bis auf nimmer Wiedersehen“, meinte ich fröhlich und bog nach links ab.

Die Straße war fast leer, was in diesem Teil der Stadt ziemlich oft vorkam.

„Ich glaube wohl kaum, ich schätze, du muss mich noch etwas ertragen!“, meinte er leicht gehässig. „Ich muss hier nämlich auch lang.“

„Hast du denn kein Auto?“, fragte ich ihn ziemlich angepisst und kickte einen Stein zur Seite, der mir im Weg lag.

„Doch, der parkt nur vor meiner Einfahrt.“ Innerlich klatschte ich mir gegen die Stirn, wie konnte ich das vergessen?

Mein Weg führte neben den ganzen Villen vorbei, er musste doch dort bestimmt wohnen! Er war ja schließlich Millionär, oder nicht?

„Womit habe ich diesen schlimmen Tag bloß verdient?“, nuschelte ich eher zu mir. Ich war mir sicher, dass er es nicht hören konnte. Das war eigentlich auch gut so.

Leicht wehte mir der Abendwind meine langen, gewellten Haare ins Gesicht, und ich strich sie mir beiseite.

Ich wollte nur noch so schnell wie möglich nach Hause und in mein Bett. Ich wollte den Kuss mit Alex vergessen, der sich unbeschreiblich gut angefühlt hatte, ich wollte generell IHN vergessen.

„Ich finde, du bist mir einen Gefallen schuldig“, meinte ich und grinste nur dümmlich vor mich hin.

Diese Idee war mir plötzlich in den Sinn gekommen...eine Hand wäscht die andere, meinte ich mich an das Sprichwort von meiner Mutter zu erinnern, die das immer sagte, wenn sie etwas für mich tat.

„Wieso, zur Hölle, sollte ich etwas für dich machen? Ich habe dir dein verdammtes Buch gekauft, und wenn ich nicht rechtzeitig eingeschritten wäre, wärt ihr beide bestimmt nicht mehr am Leben!“, zickte er mich an.

Nicht mehr am Leben? Die Barbiepuppe hätte vielleicht etwas abbekommen, aber er irrte sich gewaltig, was mich anging. Schließlich war ich diejenige, die seit acht Jahren Karate machte!

„Tze! Das Buch hast du mir nur gekauft, weil du mein anderes kaputt gemacht hast! Das war deine eigene Entscheidung, du hättest dich ja nicht einmischen müssen!“

„Sag doch einfach mal danke!“, meinte er gefährlich leise.

„DU solltest lieber danke sagen, dass ich dir vorhin in der Gasse geholfen habe! Ich will auch etwas dafür!“, meinte ich trotzig und fuchtelte mit meiner rechten Hand vor mir rum.

Alex hatte sich inzwischen wieder seine Sonnenbrille aufgesetzt und ich war heilfroh darüber. Ich wusste nicht, ob er diesen Tag überleben würde.

„Ich will vorher wissen, worauf ich mich einlassen würde, wenn ich „Ja“, sage!“, stellte er sein Ultimatum.

„Ich will, dass...nunja...ich will, dass du ein Buch meiner Wahl liest. Lesen tut der Seele gut und da ich bezweifle, dass du überhaupt eine hast, denke ich mir, dass ich dir vielleicht mal helfe. Wir beide wollen doch nicht, dass du dumm stirbst, oder?“, fragte ich ihn schelmisch lächelnd.

Irgendwie hatte ich in seiner Abneigung gegenüber Lesen eine Foltermethode gefunden.

Er blieb stehen und ich tat es ihm gleich.

„Du willst tatsächlich, dass ich ein Buch lese, das du mir aussuchst?“, fragte er leicht irritiert. „Okay...wo ist der Haken?“, fragte er ernst.

„Es gibt keinen Haken...“, meinte ich und biss mir leicht auf die Lippen, um mein Lächeln zu unterdrücken. „Keinen Haken? Irgendwie glaube ich dir nicht, aber wenn ich nur ein Buch lesen muss, dann mache ich das auch.“

„Dann ist das ja geklärt“, sagte ich hinterhältig und streckte meine Hand aus, damit er einschlug, um seinem Versprechen einen Wert geben zu können.

„Solltest du mein ausgewähltes Buch nicht gelesen haben, sondern irgendwie geschummelt haben, musst du eine Strafe erledigen.“

„Aha...zurück zum Thema, kein Haken.“

Ich verdrehte nur genervt meine Augen und wurde langsam ungeduldig. Er sollte endlich einschlagen!

„Die Strafe wird nicht allzu hart, die erfährst du dann später“, meinte ich.

Ich sah, wie Alex kurz zögerte, nach wenigen Sekunden dennoch einschlug. Als seine Haut die meine berührte, fühlte ich, wie diese Stelle anfing angenehm zu kribbeln.

Schnell zog ich meine Hand wieder zurück.

„Na gut, aber ich möchte, dass du dir ein Buch aus meinem Haus aussuchst. Ich versichere dir auch, dass ich noch keines davon gelesen habe. Die stehen einfach nur als Deko da.“

Welcher Mensch mit gesundem Menschenverstand hielt Bücher für Deko? Man musste sie doch lesen!

Dennoch hob ich skeptisch meine Augenbrauen, nickte jedoch. Mal schauen was er so alles bei sich zuhause hatte, nur hoffte ich innerlich, dass es keine Schullektüre war.

„Wenn mir deine Bücher nicht gefallen, nehmen wir eins von meinen, verstanden?“

Er nickte und bewegte sich wieder fort.

 

Nach ungefähr einer Viertelstunde, die wir größtenteils mit Schweigen verbracht hatten, kamen wir an der Villa von Alex Davis an und ich konnte vor Staunen kaum meinen Mund schließen.

Diese Villa war einfach nur WOW. Auch wenn ich fast täglich hier vorbei ging, so schaute ich mir nicht diese vollkommen überteuerten und schicken Wohnanlagen an.

Diese Villa erinnerte mich vage an die von...Paris Hilton? Oder war die von Alex größer?

Ich glaubte schon. „Kommst du jetzt, oder möchtest du noch anfangen, meinen Rasen vollzusabbern?“ fragte er mich mit einer leichten Spur von Ironie.

Haha, wie witzig du doch bist. Ich lach mich gleich vom Stuhl, dachte ich genervt und erwachte aus meiner Starre.

„Hier entlang“, ertönte Alex Stimme und ich folgte ihm durch den pompösen Eingang.

Und er war auch wirklich erst 18 und wohnte hier alleine? Ich war 17 und hatte nicht vor, aus meinem Elternhaus auszuziehen, bevor ich 21 wurde!

„Willst du etwas trinken?“, fragte er und ich nickte. „Ein Glas Wasser bitte.“ Kurz darauf verschwand er und ich zog mir meine Schuhe aus und betrachtete staunend weiter, wie seine Villa von innen aussah.

Der Boden war mit Marmor ausgelegt und die Wände weiß gestrichen.

Seine Einrichtung war ziemlich modern, doch hin und wieder lagen in einigen Ecken Kartons rum, die noch nicht ausgepackt waren.

Seine Villa haute mich echt um. Ich einen lichtdurchfluteten Raum betrat, in dem neben Sofas auch ein gemütlicher Sessel stand, sodass ich annahm, dass dies das Wohnzimmer war.

An der rechten Wand  hing ein 3D-Fernseher, der unglaublich groß war.

Wozu brauchte er denn so einen großen?

Ich drehte mich nach links und meine Augen weiteten sich erstaunt, als ich ein meterhohes Bücherregal erblickte, das mit Unmengen von Büchern gefüllt war. Und er hatte wirklich keines davon gelesen?

„Arschloch“, nuschelte ich leicht. Das war ja ein Paradies hier und er wusste es einfach nicht zu schätzen!

Ich hielt Ausschau nach dem dicksten Buch und wurde sogleich auch fündig. Es sprang mir praktisch in die Augen.

Ich zog es raus, legte es jedoch gleich wieder zurück, als ich erkannte, dass es gar kein Buch war.

Es war einfach eine leere DVD- Sammelbox gewesen, die aussah wie ein Buch.

Ich suchte weiter und mir stach etwas in die Augen. Schnell nahm ich es aus dem Regal und oh Wunder, diesmal war es ein echtes Buch.

„Und, schon fündig geworden?“, ertönte seine Stimme direkt neben mir und ich zuckte leicht erschrocken zusammen.

„Sag mal, magst du Twilight? Ich liebe diesen Kitsch in den Büchern..., du solltest das auch mal lesen“, meinte ich fröhlich und nahm das Glas Wasser, das er mir entgegen hielt, dankend an.

„Nein, wieso sollte ich diesen Twilight-Scheiß denn mögen? Warum fragst du...?“ Seine Augen wurden größer und er schaute mich erschrocken an, als er endlich verstand, worauf ich hinaus wollte.

„Oh bitte, alles nur nicht diesen Kitsch-Scheiß! Bitte, ich flehe dich an!“, meinte er leicht verzweifelt. Bingo, er hatte es erfasst!

Ich nahm einen Schluck Wasser und war froh darüber, dass es meine ausgetrocknete Kehle auffrischte.

Doch was mir sichtlich besser gefiel, war, dass Alex mich anflehte.

„Keine Chance, Versprechen ist Versprechen. Du musst auch nur den ersten Teil lesen, der ist nicht einmal dick.“

Er knurrte mich an und ich trank lächelnd mein Glas leer. Tja Freundchen, du hättest wohl besser aufpassen sollen, wem du diese schicke Villa abkaufst.

„Fein“, sagte er und entriss mir das Buch, nachdem ich es ihm stolz präsentiert hatte.

„Dir ist klar, dass ich dich jetzt noch mehr hasse, als vorher?“, presste er wütend hervor. Ich verdrehte genervt meine Augen.

„Jetzt heul doch nicht rum, es ist nur ein Buch. Es frisst dich schon nicht auf“, neckte ich ihn, holte mein Handy hervor und schaute auf das Display.

„Fuck“, meinte ich und steckte es wieder zurück in die Hosentasche meiner Jeans. Ich müsste schon längst zuhause sein.

„Ich warne dich, wenn du das Buch nicht liest, ergreife ich harte Maßnahmen“, drohte ich ihm. „Ich werde irgendwann kommen und dich ausfragen, jedes verdammte Detail“, fügte ich hinzu.

„Jaja. Man sieht sich schließlich bekanntlich immer zweimal im Leben“, maulte er.

Mein Alptraum, dein Alptraum!

Vollkommen übermüdet und gestresst von dem heutigen Tag, schmiss ich meine Schlüssel auf die weiße Kommode und ging erstmal in die Küche, um mir etwas zu Essen vorzubereiten.

Ich hatte heute noch nichts, außer einem Apfel zu mir genommen.

Ich öffnete den Kühlschrank und holte die Lasagne vom Vortag raus und setzte mich an den alten Küchentisch.

Meine Mutter und ich lebten zusammen in einem kleinen Haus, das meine Eltern sich vor etwa neun Jahren gekauft hatten.

Seitdem mein Vater uns vor sechs Jahren verlassen hatte, herrschte fast immer eine seltsame Stille in diesem Haus.

Meine Mutter arbeitete fast nur in ihrem Cafe und ich half ihr so oft wie möglich.

Nächste Woche würde die Schule wieder anfangen, so würde ich sie noch weniger zu Gesicht bekommen.

Schnell hatte ich die Lasagne aufgegessen, den Teller abgespült und war danach direkt in mein Zimmer gerauscht, um endlich mein neues Buch zu lesen.

Mein Zimmer war bescheiden eingerichtet, wie ein normales Teenager-Zimmer.

An jeder Ecke waren überall Fotos von mir und meiner besten Freundin vorzufinden, die zurzeit in Europa war.

An einer Wand hatte ich jedoch sehr viele Zeichnungen angebracht. Sie war schon fast völlig mit Zeichnungen bedeckt, nur noch eine Zeichnung fehlte mir.

Ich wollte, dass diese Zeichnung die Wichtigste war und so hatte ich noch kein Motiv gefunden, welches ich zeichnen konnte.

Mein Traum war es schon immer gewesen, einmal an einer Kunsthochschule zu studieren. Das Problem war nur, dass alles furchtbar teuer war.

Somit musste ich auch jeden Cent sparen, den ich bekam. Ich legte mich auf mein ultra gemütliches Bett und fing an zu lesen, kam jedoch nicht sehr weit, da mein Handy anfing zu vibrieren.

Es war Bella, meine beste Freundin. Schnell ging ich ran, in letzter Zeit hatten wir kaum noch gesprochen.

„Hi, wie geht es dir?“, fragte ich sie und legte mich auf mein Bett.

„Ahhh...du wirst mir nicht glauben, was mir heute passiert ist!“, schrie sie so laut wie möglich in den Hörer, sodass ich etwas zusammenzuckte.

Sie konnte furchtbar laut schreien.

„Okay, aber ich brauche meine Ohren noch, schrei nicht so!“, ermahnte ich sie.

„Okay, heute ist der schnuckeligste Typ der Welt gegen mich gelaufen! Und als Entschuldigung hat er mich zum Essen eingeladen!“, erzählte sie vollkommen aus dem Häuschen.

„Und das Beste kommt ja noch, dann, als wir vor meinem Hotel standen, hat er mich geküsst und mich gefragt, ob ich morgen Zeit hätte und ich HABE JA GESAGT!“, fuhr sie fort.

Ich konnte es dem Typen nicht verübeln, wenn man Bella einmal angesehen hat, war man ihr sofort verfallen.

Sie war eine Schönheit und ich liebte sie über alles.

„Und, wie war der Kuss?“, fragte ich und lächelte. Sie schien sich verliebt zu haben.

„Er war...einfach voller Leidenschaft! Ich habe mich wie auf Wolke sieben gefühlt! Überall waren Schmetterlinge in meinem Bauch...“, schwärmte sie und ich konnte mir bildlich vorstellen, wie sie aufgeregt durch ihr Hotelzimmer sprang.

„Wenigstens hast du es gut dort, bei mir ist es wie immer langweilig“, seufzte ich in den Hörer und schloss meine Augen.

Sofort wurde sie still. „Warum, was ist denn passiert?“ Sie wusste immer, wann es mir furchtbar ging.

„Alex Davis ist passiert“, sagte ich und grummelte noch etwas Unverständliches vor mich hin.

„Dieser Sexgott von Teenieschwarm?“, fragte sie. Ich nickte und bejahte jedoch sofort, als mir einfiel, dass sie mich ja gar nicht sehen konnte.

„Ich habe gehört, dass er in UNSERE Stadt gezogen ist! Hast du ihn etwa getroffen?“, brannte sie vor Neugierde.

Warum konnte ich manchmal einfach nicht meinen Mund halten?

Aber wozu waren beste Freunde denn da, mit ihnen besprach man schließlich seine Probleme, sie halfen einem durch die schwere Zeit.

Es war schließlich auch sie gewesen, die mir geholfen hatte, über meinen Vater hinwegzukommen, als er uns verlassen hatte. So beschloss ich also, sie einzuweihen.

„Ja, dieser Mistkerl ist mir begegnet, als er auf der Flucht vor seinen weiblichen Verehrerinnen war.“

„Hmmm, wie war er? Sexy, atemberaubend, oder einfach ein Gott?“, brannte sie darauf mehr über ihn zu erfahren.

„Er sieht zwar aus wie ein Sexgott, aber Bella, ehrlich? Wenn du es wirklich besser wissen willst, er ist ein verdammtes Arschloch und meint, alles besser zu wissen“, machte ich mich über ihn her.

„Er hat mir praktisch ins Gesicht gesagt, dass er der Tollste sei!“

Kurz herrschte Stille.

Sie seufzte laut auf. „Und ich dachte, dass sein Charakter genauso bezaubernd wie er wäre. Schade auch...Schatz, aber tut mir leid, meine Mutter bringt mich noch mit ihrem Blick um, wenn ich weiter telefoniere. Wir sehen uns dann nächste Woche in der Schule, hab dich lieb!“, sagte sie und ich verabschiedete mich noch schnell von ihr, bevor ich auflegte.

Mittlerweile war es schon spät geworden und ich lege mich erschöpft schlafen.

 

 

„Und was kann ich dir bringen?“, fragte ich den kleinen Jungen, der ungeduldig auf seinem Stuhl saß.

„Mama, gibt es hier Pancakes mit Nutella?“, fragte er eine Frau, die nicht älter als dreißig wirkte.

„Hätten sie das?“, fragte sie mich und ich bejahte. „Einen kurzen Moment, ich bin gleich wieder da und du hast dann deine leckeren Pancakes“, sagte ich lächelnd zu ihm, welches er erwiderte.

Er war einfach nur süß mit seinen Grübchen und diesen braunen Kulleraugen.

Ich schrieb die Bestellung auf meinen Notizblock und verschwand hinter dem Tresen um Maja, die Bestellung in Auftrag zu geben.

Sie war schon seit fast zehn Jahren hier und bereitete immer das Essen vor.

„Pancakes mit Nutella für den kleinen süßen, bezaubernden Jungen an Tisch Nummer sechs“, sagte ich extra lauter, damit er es hörte.

Kurz schaute ich in seine Richtung und bemerkte, dass er rot wurde und peinlich berührt auf den Boden schaute.

Der Kleine würde in Zukunft bestimmt noch viele Herzen brechen, aber ich hoffte nur, dass er nicht so ein Arschloch wie Alex wurde.

Er reichte schon vollkommen.

„Kommt sofort“, vernahm ich Majas Stimme aus der Küche. Sie war schon fünfzig Jahre alt, aber immer noch fit wie ein Turnschuh.

Sie erinnerte mich sehr an meine eigene Oma, mit ihrem Drang, mir immer etwas zu Essen vorbereiten zu müssen.

Ich schnappte mir wieder meinen Notizblock und verschwand zum nächsten Tisch, der in der hintersten Ecke stand, um die nächste Bestellung aufnehmen zu können.

Ich setzte wieder mein Lächeln auf und hörte das Gekicher von einem Mädchen, dessen Stimme wie ein Glockenspiel klang.

Sie sah aus wie ein Engel, mit ihren blonden, langen Haaren und den blauen Augen.

Ihre Figur war perfekt und auf mich machte sie einen sehr guten Eindruck.

„Und was kann ich euch bringen?“, fragte ich sie und blickte kurz nach rechts. Dort saß eine männliche Person mit heruntergezogener Kapuze. Sein Blick war auf den Tisch gerichtet, wie es aussah, versteckte er sich vor jemanden.

Irritiert runzelte ich die Stirn und perplex hörte ich auf zu atmen.

Bitte, lass ihn nicht in dem Cafe meiner Mutter sein, bitte nicht

ihn, betete ich zu Gott und atmete wieder ein.

Was hatte er mit so einer wunderschönen Person hier zu suchen? Sollte er nicht irgendwo in einem Luxus-Laden rumhängen und Geld ausgeben?

„Ich hätte gerne eine Cola und den Apfelkuchen, der hier ganz besonders schmecken soll“, sagte sie und ich mochte sie noch mehr als zuvor.

„Und du?“, wandte ich mich an den Typen, bei dem ich mir zu hundert Prozent sicher war, zu wissen, wer es war.

„Einfach nur ein Wasser“, nuschelte er unverständlich, ich konnte ihn kaum hören.

„Wie war das? Ich kann dich nicht hören“, fragte ich noch einmal nach.

„Ein Wasser“, sagte er diesmal deutlicher. Sofort erkannte ich auch seine melodische Stimme wieder.

„Eine Cola und ein Stück Apfelkuchen für das bezaubernde Mädchen und ein stilles Wasser, für den Miesepeter Alex Davis. Kommt sofort“, sagte ich lächelnd und schrieb mir die Bestellung auf.

„Mein Name ist Miranda und deiner?“, fragte sie mich mit einem Lächeln. „Ich bin Claire.“

„Wie es scheint, hast du meinen Bruder schon kennengelernt.“

„Ja, unfreiwillig“, antwortete ich ihr. Sie waren Geschwister? Außer, dass beide hübsch waren, hatten sie äußerlich nichts gemeinsam. Alex war aus seiner Starre erwacht und schaute mich leicht geschockt an.

War er etwa überrascht mich hier vorzufinden, oder war es die Tatsache, dass ich ihn erkannt hatte?

Ich glaubte eher, letzteres. „Oh, ich verstehe. Mein Bruder ist seit gestern irgendwie komisch, du glaubst es mir nicht! Ich war ihn gestern besuchen und was hielt er in der Hand? Twilight, er hat tatsächlich zum ersten Mal gelesen!“, erzählte sie mir und runzelte ihre Stirn. Sie sah kaum älter als 17 aus.

„Ich denke irgendwie, dass dieser Umzug ihm nicht gut tut“, überlegte sie und schien mit ihren Gedanken langsam abzuschweifen.

„Ich bin auch noch da und ob mir der Umzug gut tut, oder nicht ist immer noch alleine MEINE Entscheidung! Und das mit dem Buch war einfach eine Wette, kapiert?“, zickte er seine Schwester an. Eine Wette? Aha, wenn er das so nannte... .

Seine Kapuze war heruntergerutscht und ich betrachtete ihn.

Heute sah er wirklich sehr sexy aus mit seinen Haaren, die ihm verwuschelt zu allen Seiten abstanden.

Sein Kinn war ausgeprägt und sein Körper sah aus, als würde er sehr oft ins Fitnessstudio gehen, um zu trainieren.

„Zick deine Schwester doch nicht so an, sie hat dir doch nichts getan“, verteidigte ich sie. „Eure Bestellung kommt gleich“, fügte ich noch hinzu und verschwand in Rekordgeschwindigkeit.

Nachdem ich dem kleinen Jungen die bestellten Pancakes gebracht hatte, brachte ich Alex und seiner Schwester die Bestellung.

„Hier“, meinte ich und stellte ihnen jeweils das Gewünschte auf den Platz.

„Wann hast du eigentlich heute Feierabend?“, fragte Miranda mich und nahm einen Schluck von ihrer Cola.

„Meine Mutter löst mich in einer halben Stunde ab, warum?“, fragte ich sichtlich interessiert.

„Oh, ich wollte heute shoppen gehen und fragen, ob du gerne mitkommen möchtest“, sagte sie und blickte mich erwartungsvoll an.

„Klar, warum denn nicht? Kommt...ähm...Alex denn auch mit?“ fragte ich und nickte in seine Richtung.

Genervt schnitt er Grimassen.

„Sicher, wer soll denn meine Einkaufstüten schleppen?“, lächelte sie Alex boshaft an.

„Okay, wenn das so ist, komme ich gerne mit“, meinte ich.

 

Eine halbe Stunde später löste mich meine Mutter ab und ich verließ zusammen mit Miranda und Alex das Cafe meiner Mutter.

Beide steuerten einen schnittigen Sportwagen an, der wohl genauso viel wie ein kleines Familienhaus gekostet haben musste.

Ich setzte mich auf die Rückbank und zog die Luft ein. Die Sitze rochen nach Leder, und der Wagen schien ziemlich neu zu sein. Alex setzte sich ans Steuer und gab plötzlich richtig Gas, sodass ich in meinen Sitz zurückgedrückt wurde.

„Spinnst du? Fahr gefälligst langsamer!“, fauchte ich ihn an und krallte mich fest.

Er würde uns alle noch ins Grab bringen! Und unglücklicherweise hing ich an meinem Leben!

„Wenn dir meine Fahrkünste nicht gefallen, kannst du ja gerne zu Fuß gehen, niemand hält dich auf“, grinste er boshaft und gab extra noch mehr Gas.

Ich schaute aus dem Fenster und sah wie die Häuser nur so an uns vorbeizogen.

„Doch, ich halte sie davon ab, wegen so einem Ekel wie dir aus dem Auto zu steigen!“, mischte sich Miranda ein.

„Sag mal, seit wann bist du denn so fies zu Mädchen geworden?“, wollte sie mit hochgezogenen Augenbrauen wissen.

„Das hat dich nicht zu interessieren!“, sagte er schnippisch und machte uns damit klar, dass er über dieses Thema nicht mehr reden wollte.

War er etwa früher nicht so ein Arschloch zu Mädchen, wie jetzt zu mir? Wie war er dann? Lieb, nett?

Ich schüttelte den Kopf, was hatte mich das zu interessieren, ich mochte ihn gar nicht!

Ich war hier nur Miranda zuliebe! Wenn sie, wie sie mir berichtete hatte, schon morgen abreisen würde, konnte ich ihr ja auch den Gefallen tun und mit ihr shoppen gehen!

„Wohin wollen wir eigentlich fahren?“, fragte ich, um die Stille zu verdrängen, die sich um uns gelegt hatte.

„In die Shopping Mall „Wester“. Dort sollen unheimlich viele Geschäfte sein und ich möchte unbedingt solche Schuhe haben, diese mit diesen Keilabsätzen!“, schwärmte sie und ich überlegte verwirrt. Schließlich gibt es tausende Schuhe mit Keilabsätzen...

Mit einem Ruck kam der Wagen zum Stillstand. „Sag mal, geht’s noch?! Das, was du hier tust, ist Körperverletzung!“, schnaufte ich und schnallte mich ab.

„Heul doch.“ Nicht mit mir Schätzchen, am Ende bist du es, der heulen wird, vertrau mir!, dachte ich, doch ich wusste nicht, dass am Ende ich es war, die vor Trauer zerfließen würde.

 

 

„Soll ich dieses Kleid nehmen, oder doch lieber dieses?“, fragte Miranda mich vollkommen aufgeregt und hüpfte wie ein Kleinkind hin und her.

„Nein, warte! Oder doch lieber dieses?“ Sie hielt ein enges, lila Kleid in die Höhe.

Bei ihrer Figur konnte sie einfach alles tragen, selbst mit einem Müllsack würde sie wie eine Prinzessin aussehen!

Ich nickte ihr zu. „Nimm es, ich bin mir sicher, dass es dir ausgezeichnet stehen würde.“

„Nicht wie gewissen anderen Personen“, meinte Alex und tat so, als müsse er husten. Wütend funkelte ich ihn an.

„Willst du mir damit etwa sagen, dass ich zu dick bin?“, fragte ich gefährlich leise.

Ich war nicht dick, einfach nur normal! Mein Wert lag vollkommen in der Mitte! Also, was wusste DER schon?

„Vielleicht?“, meinte er nur mit einem arroganten Lächeln. Miranda  war wieder zur Kasse verschwunden, um ihr neues Kleid zu kaufen. Ab dem zehnten hatte ich aufgehört zu zählen, aber eines konnte ich von ihr behaupten.

Sie war shoppingsüchtig!  „Kann sein?“, meinte er schulterzuckend und brachte seine weiße Zahnpracht zum Vorschein.

Die schwarze Cap, die wir ihm unterwegs gekauft hatten, damit ihn keiner seiner Fans entdecken konnte, stand ihm unwiderstehlich gut und ich war mir sicher, dass er das auch wusste.

„Ich bin nicht fett, du bist fett!“, wehrte ich mich. Naja, das, was ich sagte, war vollkommen gelogen...

Überrascht weiteten sich seine Augen, wurden jedoch von dem einem auf den anderen Moment wieder vollkommen normal.

„Ich bin definitiv nicht dick, Schätzchen“, raunte er mir leise ins Ohr und ich wurde mir erst jetzt seiner Präsenz bewusst.

Unwillkürlich bekam ich eine Gänsehaut und verabscheute mich dafür.

Er packte sich mein Handgelenk und legte es sich auf seine Bauchmuskeln die ich ganz deutlich unter dem T-Shirt spüren konnte.

Geschockt weitete sich mein Blick, als ich bemerkt hatte, dass meine Hand genau an der Stelle lag, wo sein Herz war, nicht auf seinem Bauch.

Wie musste das bloß für andere wirken? Und ich behielt Recht.

„Oh mein Gott, DA IST ALEX DAVIS!“, schrie eine weibliche Stimme und ich zuckte zusammen.

„Warte...ER HAT EINE FREUNDIN!?“

Oh nein, es sah aus, als wären wir ein Liebespaar! Geschockt sah ich in seine Augen und ich wusste, dass er wohl das gleiche wie ich dachte.

Verdammt!

Darf ich vorstellen? Mein neuer Freund

Erschrocken riss ich meine Augen auf: Innerhalb weniger als einer Minute tummelten in dem Laden zig Fotografen und Journalisten rum.

Woher waren die denn plötzlich so schnell hergekommen?

Ich war Alex dankbar, dass er mich hinter seinem Rücken versteckte, sodass ich vor dem Blitzgewitter der Fotografen und seinen Fans in Sicherheit war.

„Alex, sind sie nur wegen ihrer Freundin umgezogen?“, fragte eine Journalistin aufgeregt und hielt ihm praktisch ihr Mikrofon ins Gesicht.

„Wie heißt ihre Freundin?“, wollte eine andere wissen. Plötzlich fühlte ich mich unbehaglich.

Soviel Aufmerksamkeit hatte ich noch nie und ich wollte unbedingt, dass es aufhörte. Zum Teil verstand ich Alex auch endlich, warum er sich seine Kapuzen immer so tief ins Gesicht zog, um nicht erkannt zu werden.

Das war ja die reinste Hölle mit den Fans und den Journalisten!

Auch wenn ich mich später dafür hassen werde, klammerte ich mich an Alex’s Jacke, um etwas Halt zu finden.

Ich erhaschte von der Seite ein Blick auf sein Gesicht und bemerkte, dass er ein bezauberndes Lächeln aufgesetzt hatte. Doch wenn man in seine Augen schaute, bemerkte man, dass auch er sich total unwohl fühlte.

„Ich möchte hierzu keine Aussage äußern“, meinte er nur und fasste mich am Handgelenk. Bestimmt zog er mich durch die Menschenmasse, der sich in dem kleinem Kleiderladen versammelt hatte.

„Miranda, komm. Wir gehen!“ Verständnisvoll nickte sie und schnappte sich ihr Kleid.

„Du dumme Schlampe, ich bringe dich um!“, rief auf einmal eine weibliche Stimme aufgebracht und ich blieb sofort stehen. Ich durchsuchte den Laden nach dem Mädchen und bingo: Ich fand sie.

Mit Gewalt befreite ich mich aus Alex`Griff und lief auf sie zu. Mit meinem plötzlichen Überraschungsangriff hatte sie nicht gerechnet, deshalb flogen wir zusammen auf dem Boden. Erschrocken wichen die anderen zurück.

„Nenn mich noch einmal Schlampe und es wird dir leidtun!“, zischte ich sie aufgebracht an. Sie hatte ungefähr die gleiche Statur wie ich, doch ihre Haare waren viel kürzer als meine.

„Schlampe“, sagte sie provozierend und mein Geduldsfaden riss. Ich habe dich gewarnt“, sagte ich, sodass nur sie es hörte.

Ich holte mit meiner Hand aus, doch bevor ich sie treffen konnte, riss mich jemand von ihr und zog mich hinter sich her, sodass meine Füße auf dem Boden schliffen.

„Ich werde dich finden und umbringen! Merk dir das!“, schrie ich ihr aufgebracht zu. Die Fotografen und der Rest waren vergessen.

Ich warf ihr den Ich-werde-dich-finden-Blick- zu und war dann endlich aus dem Laden.

Alex warf mich auf seine Schulter und rannte mit mir und Miranda davon. „Hier, nach rechts! Hier finden sie uns nicht“, sagte Miranda und ich rutschte auf der Schulter von Alex nur hin und her.

Plötzlich stieß ich mit meinem Kopf an eine Wand und hielt mir fluchend den Kopf, als ich den Schmerz verspürte.

„Sag mal du verdammtes Arsch, kannst du nicht...“,  zischte ich Alex aufgebracht an, doch seine Hand hinderte mich daran, weiter zusprechen.

„Schhhtt, sei leise! Sonst hören sie uns noch!“, warnte er mich und drückte mich an eine Wand, sodass ich gezwungen war, ihm unfreiwillig in die Augen zu sehen.

Ich verdrehte nur die Augen und provozierte ihn, indem ich seine Handfläche mit meiner Zunge ansabberte. Angewidert sah er mich an, hielt meinen Mund trotzdem weiter zu.

Wir drei warteten darauf, bis die Schritte in der Dunkelheit verklungen waren. Als wir endlich wussten, dass alle außer Reichweite waren, nutzte Alex die Chance mich sofort zur Schnecke zu machen.

„Sag mal, bist du dummes Ding von allen Geistern verlassen? Weißt du was morgen überall in den Zeitungen stehen wird?“, fragte er mich aufgebracht und fuhr fort. „Nein, eben nicht! Weißt du, was da stehen wird? -Neue Freundin von Alex Davis? Verrückt, oder ein ungezogenes Gör-?“, meinte er und warf seine Hände in die Luft um sich sie dann an die Stirn zu schlagen.

„Ich bin mir sicher, dass es morgen -Mädchen weiß sich zu wehren- heißen wird“, meinte ich nur und tat so, als wäre ich vollkommen in Gedanken versunken.

„NEIN! EBEN NICHT!“, schrie er und ich zuckte zusammen. Konnte er sich nicht mal beherrschen? Sollte er doch seine Aggressionen an seinem Einhorn-Boxsack loswerden!, dachte ich genervt und rieb mir meinen Kopf, der immer noch weh tat.

„Jetzt beherrsch dich mal, Alex! Sich gegenseitig anzuschreien, oder zu provozieren bringt jetzt auch nichts“, meinte Miranda und ich stimmte ihr da vollkommen zu.

„Du hast doch nächste Woche eine Pressekonferenz, oder? Dort kannst du dann einfach sagen, dass sie eine meiner besten Freundinnen ist und ich sie besuchen wollte“, versuchte sie eine passable Erklärung zu finden.

Alex knurrte nur, beließ es aber auch nur dabei. Mir wurde schlecht bei dem Gedanken, dass ich mit DEM da zusammen sein sollte.

„Kommt, lasst uns gehen.“ Das ließ ich mir nicht zweimal sagen.

 

„Sag mal, was hast du dir dabei überhaupt gedacht, das Mädchen anzuspringen wie eine Wilde?“, wollte Alex genervt wissen und ich fürchtete mich um mein Leben, da er ziemlich auf den Gaspedal drückte.

„Sie hat mich als SCHLAMPE beleidigt!“, verteidigte ich mich. „Wieso sollte ich sie deshalb überhaupt noch am Leben lassen? NIEMAND nennt mich Schlampe!“, zischte ich ihm zu.

„Ihr Frauen seid doch immer gleich! Wenn jemand einmal etwas Schlechtes über euch sagt, wird derjenige eure Rache zu spüren bekommen, und wenn die Frisur einmal nicht sitzt, muss man schon um sein Leben fürchten“, zog er über das weibliche Geschlecht her.

Ein Frauenhasser war er jetzt etwa auch noch? Okay, ich hielt für das Protokoll fest.

1. Alex Davis sah fantastisch aus, wusste das leider auch...

2. Er küsste einfach fremde Mädchen, um seinen Arsch zu retten.

3. Er hatte einen Boxsack, der wie ein Einhorn aussah (Das fantasierte ich mir nur dazu, aber was sollte es)

4. Er war arrogant und sein Ego war unausstehlich. Außerdem war er gewalttätig. Und er hasste Frauen! Und BÜCHER!

„Ich bin mir sicher, dass du nicht besser bist!“, knurrte ich ihn an und atmete  genervt aus.

„Du wirst ja noch sehen, was du davon haben wirst!“, fauchte er nur zurück. Was meinte er damit? „Was bitte soll das denn bedeuten?“, wollte ich wissen und hob abschätzend meine Augenbrauen in die Höhe. Seine Augen blitzen mich gefährlich im Rückspiegel an. Ich musste selber zugeben, dass wenn er wütend war, verdammt anziehend wirkte.

„Dumm ist sie auch noch...“, nuschelte er. Wütend wollte ich etwas erwidern, ihm vorwerfen, dass er nicht schlauer wäre, aber er kam mir zuvor. „Das wirst du morgen erfahren, wenn auf der ganzen Welt Gerüchte über dich auftauchen werden! Vielleicht werden dich Paparazzis auflauern, wenn du arbeiten gehst, oder sonst wohin“, meinte er.

Würden sie das wirklich bringen? Mir überall auflauern? Ich hatte schon sehr oft im Fernseher gesehen, wie Promis ausgerastet sind, weil sie die ganze Zeit fotografiert wurden.

Egal wo sie waren, auf sie wurde nie Rücksicht genommen.

„Siehst du, jetzt bist du still, nicht wahr?“, meinte er und fühlte sich bestimmt super, weil er sich seiner Sache wohl ziemlich sicher war.

„So, ich muss jetzt los.“ Miranda umarmte Alex einmal und schaffte es auch, mich einmal zu umarmen, was sich im Auto ziemlich schwierig gestaltete.

„Ich hoffe wir sehen uns irgendwann mal erneut, aber ich will nicht lügen. Ich habe den heutigen Tag sehr genossen, endlich mal mehr Action“, meinte sie lächelnd, sehr zu Leidwesen von Alex, denn der schnaufte nur genervt.

„Mich hat es auch sehr gefreut, dich kennenzulernen“, sagte ich und winkte ihr noch zum Abschied, als sie im Hotel verschwand.

Na toll, jetzt war ich mit „Alex“ in einem Auto und die Fahrt dauerte noch um die halbe Stunde, da wir einen Umweg genommen hatten.

Genervt ließ ich meinen Kopf auf den Rücksitz fallen und schloss meine Augen, um etwas Ruhe zu bekommen, doch Fehlanzeige.

„Wie wäre es mit einer Entschuldigung?“, haute er raus und ich riss empört meine Augen auf.

Er wollte von MIR eine ENTSCHULDIGUNG? Wofür das denn schon wieder?

Wenn ich mich richtig erinnerte, war es doch seine Schuld! Er hat meine Hand an seine Brust gehalten, sodass es aussah, als wären wir zusammen! Nicht ich!

Warum verlangte er eigentlich die ganze Zeit Entschuldigungen von mir, hatte er Minderwertigkeitskomplexe, oder was?

„Wurdest du als Kind etwa einmal fallen gelassen, oder warum glaubst du immer, dass es meine Schuld ist?“, schrie ich ihn an.

Abrupt brachte er den Wagen zum Stillstand und schnallte sich ab. Fuchsteufelswild wandte er sich in meine Richtung und bückte sich so nah zu mir, wie es nur ging.

Ich konnte sogar den Geruch nach Minze und...Rosenduft wahrnehmen.

„Ich verlange eine Entschuldigung von dir, weil du mir den Mist eingebrockt hast! Schließlich war nicht ich derjenige, der einen meiner Fans angegriffen hat“, erklärte er mir gefährlich leise und kam noch ein Stück näher, sodass unsere Lippen keinen Zentimeter mehr voneinander entfernt waren.

Genervt atmete er aus und funkelte mich mit seinen blauen Augen an.

„Weißt du was, ich habe keine Lust mehr, mit dir zu streiten! Ich brauche eine Ablenkung und du kommst mit“, meinte er bestimmend.

Er lehnte sich wieder zurück und schnallte sich an.

Was wollte er machen? Er wollte sich eine Ablenkung verschaffen und ich sollte dabei sein?

War er verrückt? „Was, nein! Ich will nach Hause und schlafen“, protestierte ich und hielt meine Arme trotzig vor der Brust.

„Vergiss es, ich werde jetzt dahin fahren, wohin ich will. Ihr hattet eure Shopping-Tour“, sagte er.

Na toll, jetzt konnte ich meiner Mutter Bescheid sagen, dass ich später nach Hause kommen würde, da ich eine neue `Freundin´ kennengelernt hatte und wir gerne ausgehen wollten.

Trotzig holte ich mein Touchhandy aus meiner Hosentasche und schrieb meiner Mutter die SMS. Ich hoffte, sie hatte Verständnis dafür, wenn ich plötzlich mitten in der Nacht auftauchen würde.

Ich wusste nicht, wie lange Alex seine `Ablenkung´ brauchen wurde und ich malte mir in Gedanken aus, wohin ich wohl mit ihm gehen musste.

Zu einem Freund? In einen Club? Frustriert seufzte ich aus, ich hatte einfach keine Ahnung wohin wir fuhren, und auch die Gegend verriet mir nichts dergleichen, als ich aus dem Fenster schaute.

„Kannst du mir nicht einfach sagen wohin wir fahren und für wie lange?“, wollte ich genervt wissen.

„Nein, dass wirst du noch sehen“, sagte er nur knapp und schaltete das Radio an. Es lief gerade ein Lied von „Bruno Mars“, den ich eigentlich sehr mochte, aber Alex anscheinend nicht, denn der bezeichnete ihn als „schwul“ und schaltete einfach um.

Na toll, Musikgeschmack hatte er wohl auch nicht. 

„Weißt du was, im Gegensatz zu dir, muss ich morgen früh raus, um meiner Mutter im Café auszuhelfen“, meinte ich zu ihm und verzog angewidert meinen Mund, als mich schwitzende Menschen anpöbelten.

Seine Definition von „Ablenkung“ war, „Disco.“ Eigentlich war ich irgendwie schon darauf vorbereitet gewesen, aber es traf mich trotzdem wie ein Schlag.

„Ist mir vollkommen egal, Hauptsache ich habe meinen Spaß“, spuckte er mir förmlich ins Gesicht.

Ja klar, Hauptsache ER hatte seinen Spaß und ich musste klipp und klar drunter leiden.

Ich wusste nicht wie, aber Alex schleifte mich trotz meines Widerwillens in die VIP-Lounge.

Nunja, dann verschwand er einfach und ich war mit anderen Menschen in diesem Raum, auch wenn ich mich furchtbar unbehaglich fühlte.

Sollte ich nicht einfach nach Hause gehen? Ich verwarf die Idee sogleich, ich wusste nur das ich in einem Club namens „Desire“ war und ich hatte null Ahnung, in welcher Richtung sich mein Haus befand.

Lieber wartete ich darauf, dass Alex endlich wiederkam, um mir endlich zu sagen, dass er mich nach Hause fuhr.

„Was macht denn so eine bezaubernde Lady wie du hier ganz alleine?“, fragte mich ein Typ mit süßen Augen, die das Licht in der Disco reflektierten.

Er war sehr hübsch, hatte kurze, braune Haare, die ihm vom Kopf standen. Unter seinem T-Shirt zeichneten sich Muskeln ab, doch auch wenn er wirklich sehr attraktiv war, hatte ich kein Interesse an ihm.

Ich spürte denn Bass unter meinen Füßen und die Musik, die mir bis unter die Haut ging.

„Mich langweilen“, entgegnete ich nur. Ich stützte meinen Kopf auf meiner Handfläche ab und betrachtete die Menschenmenge, die zum Bass der Musik wippte.

Doch mein Blick blieb nur an einer Person heften, Alex... . Er tanzte mit einer Brünetten, die sich regelrecht an ihn ranschmiss.

Ich wandte meinen Blick ab, diese Szene widerte mich nur an. Als nächstes würden sie bestimmt auch noch einander die Mundhöhlen erforschen.

„Sag mal, bist du nicht die neue Flamme von Alex Davis?“, riss mich die Stimme des braunhaarigen Typen mich wieder ins hier und jetzt.

„Was?“, fragte ich leicht perplex. „Jetzt weiß ich woher ich dich kenne! Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wo ich dich einmal gesehen habe!“, entgegnete er und suchte irgendetwas in seinem Handy.

„Hier“, sagte er und zeigte mir ein Bild, dass er im Internet gefunden hatte.

Erschrocken öffnete ich meine Augen, als ich bemerkte, dass er ein Bild von mir und Alex zeigte wie wir zusammen verschwinden wollten.

Naja, fliehen wollten.

Der Titel lautete -Unbekanntes Mädchen, neue Freundin von Alex Davis? - 

Oh nein...Alex hatte recht! Ich wollte mir nicht ausrechnen, was wohl morgen geschehen mag!

„Nein...wir sind nicht zusammen...“, sagte ich und machte mich ganz klein.

Ich hatte furchtbare Angst, dass morgen alles schlimmer werden würde.

 

 

 

Wenn Blicke töten könnten...

 

„Ahhh!“, schrie meine beste Freundin, die nun endlich aus Europa zurück war, als ich endlich an der Schule angekommen war. Ich verdrehte lächelnd meine Augen, sie schrie so gut wie immer, wenn ihr etwas gefiel.

Am schlimmsten war es jedoch, als wir einmal shoppen waren und plötzlich an einem Laden vorbeigegangen sind, wo alles im Ausverkauf war.

Ich konnte schwören, dass ihr Schrei immer noch im meinem Kopf widerhallte.

„Ich freue mich auch dich wieder zu sehen!“, meinte ich und umarmte sie fest, um ihr zu zeigen, wie sehr ich sie vermisst hatte.

Sie hatte sich kaum verändert, nur ihre hellbraunen Haare waren etwas länger geworden und reichten ihr nun bis zur Schulter, auch ihr Teint war etwas weicher geworden.

Doch sie war immer noch die Schönheit in Person. Heute trug sie ein kurzes, türkises Kleid, das ihre langen Beine betonte und viele neidische Blicke von anderen Mädchen kassierte.

Ich war immer ziemlich schlicht angezogen, um nicht aufzufallen. Eine Jeans und ein schwarzer Pullover. Doch heute war alles anders, heute verfolgten mich fast alle Blicke der Schüler, die auf meine Schule gingen.

Und ich wusste auch warum, die Sache mit Alex Davis wurde nämlich gestern im Fernseher ausgestrahlt und ich hatte die Befürchtung, dass an jeder Ecke irgendwelche Paparazzis herumliefen, die mich beschatten wollten.

Aber das Alles wäre mir viel lieber, als diese tödlichen Blicke der Schüler auf mir sehen zu können, da bekam man selbst aus der Entfernung schon Angst um sein Leben.

„Mach dir nichts drauf, die sind doch nur neidisch, weil sie ihn noch nie persönlich gesehen haben“, versuchte Bella mich etwas zu beruhigen.

Doch es klappte kaum, mit gesenktem Kopf ging ich ins Klassenzimmer, um mich auf meinen Platz in der hintersten Reihe zu setzen.

„Was haben wir jetzt?“, fragte ich Bella, um das Thema zu wechseln. „Geschichte. Wie ich das Fach hasse“, seufzte sie genervt aus und wir packten unsere Sachen aus.

„Sag mal, stimmt das, dass da etwas zwischen dir und Alex  läuft?“, fragte mich eine Klassenkameradin ziemlich aufgeregt. Alishia hatte kurzes, blondes Haar und sehr intensive, blaue Augen die mich sehr an die von Alex erinnerten.

„Um ehrlich zu sein, eigentlich ist das so...“, wollte ich ihr erzählen, doch unser Geschichtslehrer unterbrach uns barsch.

„Hinsetzen! Ich will mit dem Unterricht anfangen!“, herrschte er alle an und Alishia setzte sich sofort auf ihren Platz, nachdem ich ihr noch einen entschuldigenden Blick zugeworfen hatte.

Sofort wurden alle still, doch irgendwie schafften es alle doch irgendwie mir bitterböse Blicke zuzuwerfen, trotz der strengen Aufsicht meines Geschichtslehrers.

Nach gefühlten Stunden war die erste Stunde endlich vorbei und zusammen gingen wir zur nächsten.

„Liebe Schüler, liebe Schülerinnen! Ich heiße euch für ein neues Jahr willkommen und hoffe, dass die Zusammenarbeit auch dieses Jahr gut verlaufen wird“, ertönte es aus den weißen Lautsprechen, die an fast jeder Ecke angebracht waren. Fast jeder blieb stehen, um sich die Ansage des Direktors anzuhören, genau wie auch wir.

„Das Schulkommitee hat sich dazu entschieden, dass es dieses Jahr  Pflicht ist, an einer Außerschulischen Aktivität teilzunehmen.“

Genervt stöhnte ich auf, ich hasste es in irgendwelchen AGs teilnehmen zu müssen.

„Bitte tragt euch beim schwarzem Brett ein“, sagte er noch und beendete die Ansage.

„Wenn das sein muss, wieso nehmen wir nicht die Theater- AG? Wir müssen nicht unbedingt etwas spielen, wir können auch nur die Bühnenarbeiten übernehmen“, schlug Bella vor und ich nickte hastig. Hauptsache ich musste nicht auf die Bühne!

„Komm, wir gehen nach Draußen, ich habe keine Lust drinnen zu essen, außerdem ist das Wetter schön“, meinte Bella, doch ich glaubte zu wissen, warum sie nicht in der Mensa essen wollte.

Mir ist der Appetit auch gehörig vergangen, willig ließ ich mich von ihr mitziehen.

 

„Sag mal, was ist denn jetzt mit deiner Bekanntschaft aus Europa passiert?“, fragte ich Bella und nahm einen Schluck von meinem Wasser. Fragend sah ich sie an und hielt mit ihr Schritt.

Als wir uns gerade bei der Theater-AG anmelden wollten, hatten wir gelesen, dass heute ein Treffen für alle Interessenten, die in die Theater-AG wollten, war.

Deswegen fielen auch die letzten beiden Stunden aus.

„Er hat mir erzählt, dass seine Eltern sich scheiden lassen und er zu uns ziehen wird! Naja...nicht ganz zu uns, sondern in eine Nachbarsstadt!“, freute sie sich und schaute verträumt den Gang entlang.

Bestimmt fantasierte sie gerade, wie er auf sie zugelaufen kam und sie in den Arm nahm.

„Das freut mich zu hören“, sagte ich und meinte es auch so.

Wenn sie glücklich war, dann war ich es auch.

„Hier, wir müssen in den Versammlungsraum“, ich zog sie mit nach rechts und öffnete die Tür.

Der große Raum sah aus wie immer, groß und in satten Farben wie braun gehalten.

Ganz vorne stand eine große Bühne, davor die Sitzplätze, ganz vorne saßen auch schon ein paar Leute.

Wir gesellten uns zu ihnen. „Schön, dass wir dieses Jahr so viele Interessenten haben“, meinte Mr. Kashian, und hieß uns willkommen. Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen und zählte die Beteiligten. Es waren gerade mal 15 Personen anwesend...und das sollten viele Interessenten sein?

„Ich werde euch gleich einen Zettel austeilen, auf dem stehen fünf verschiedene Stücke zur Auswahl, bitte entscheidet euch nur für eins.“ Er ging durch die Reihen und teilte uns die Zettel aus und ich schaute mir die Auswahl an.

Leicht verzog ich meinen Mund, da war kaum etwas Interessantes...das Einzige, was ich mochte, war Romeo und Julia.

Deshalb setzte ich ein Kreuzchen in das Kästchen neben dem Titel und gab den Zettel zurück.

Mr. Kashian war ein etwas älterer Mann mit einem rundlichem Kopf, und einem etwas rundlichem Bauch. Er hatte eine Glatze und trug deshalb fast immer einen Hut.

Ein Schüler aus der Zehnten brachte ihm die Zettel und er studierte sie eine Weile. Schließlich klatschte er in die Hände.

„So, dann ist es entschieden. Wir werden „Romeo und Julia“ spielen“, verkündete er die Entscheidung. Fast alle jubelten und fingen angeregt an zu tuscheln, was sie wohl für eine Rolle bekämen.

Viele wollten die Julia spielen, aber ich interessierte mich schließlich nicht dafür.

„Damit das Stück auch ein voller Erfolg wird, habe ich jemanden zu Besuch, der uns bis zum Ende des Stücks begleiten wird. Er ist einer der Besten auf dem Gebiet und ungefähr in eurem Alter“, erzählte er und winkte jemanden zu sich.

Wer das wohl sein mochte? Eine hochgewachsene Gestalt, vollkommen in schwarz gehüllt, betrat die Bühne und ich verfolgte ohne auch nur einen Ton sagen zu können, jeden seiner Schritte.

War das möglich? Verfolgte er mich, oder hatte ich etwas Schlimmes angestellt, sodass Gott mich bestrafen wollte?

„Darf ich euch vorstellen? Alex Davis, Schauspieler und Sänger“, stellte uns Mr Kashian vor, was aber vollkommen unnötig gewesen war.

Jeder kannte ihn.

Alle Mädchen fingen an zu schreien, ich war Bella dankbar dafür, dass ihr Mund aufgeklappt war und kein Laut herauskam.

Alex setzte ein freundliches Lächeln auf. Ich jedoch setzte meinen Killerblick auf und verfolgte seine kleine Rede.

„Es freut mich, dass ihr euch freut, mich zu sehen. Wie euer Lehrer schon gesagt hat, werde ich euch beibringen wie man mit der richtigen Mimik und Gestik ein Theaterstück zum Erfolg macht. Der Weg wird hart werden, ich bin streng und dulde keinen Wider...“, sein Blick schweifte durch den Raum und als er mich erblickte hielt er kurz inne und stockte mitten beim Reden. Verwundert blickte er mich an, fing sich jedoch wieder und setzte eine eiskalte Miene auf.

„Widerrede. Wenn ihr Erfolg haben wollt, dann brauche ich eure Aufmerksamkeit und euer Gehorsam!“, erzählte er.

„Er ist heiß? Nicht wahr...?“, meinte Bella und schmachtete ihn an. „Bella!“, meinte ich leicht schockiert. „Du hast einen festen Freund, wenn ich das richtig verstanden habe“, tadelte ich sie.

Sie zuckte ihre Schultern. „Schon, aber niemand verbietet mir, Alex Davis anzuschmachten“, wehrte sie trocken ab. Ich verdrehte nur meine Augen. „Ich hasse ihn trotzdem, egal wie heiß er ist, ein Arschloch wird er für immer und...“ „Wenn uns Claire die Ehre erweisen würde uns allen mitzuteilen, was sie mit ihrer Freundin bespricht, zu sagen? Wie es aussieht, leiden Sie unter Aufmerksamkeitsstörungen und...“, unterbrach mich Alex.

„Mit mir ist alles in Ordnung, du kannst gerne fortfahren“, meinte ich genervt und vergrub mich noch tiefer in meinen Sitzplatz.

Was fiel ihm überhaupt ein, mich beim Reden mit Bella zu unterbrechen? Durfte er sich überhaupt so hoch stellen? Wütend funkelte Alex mich an und ich funkelte zurück. In seinen Augen lag unverhohlener Spott.

„Zum Glück bevorzugt er sie nicht, obwohl sie seine Freundin ist“, meinte ein Mädchen, das ich noch nicht kannte.

Ich hoffte, dass Alex dieses Gerücht so schnell wie möglich aus der Welt schaffen würde und ich endlich frei von diesen Sticheleien wäre.

Diese dummen Lästereien hinter meinem Rücken nervten mich echt gewaltig.

„Wenn jemand einmal nicht zur Probe erscheinen kann, erwarte ich eine Entschuldigung in Form einer schriftlichen Entschuldigung, die von den Eltern unterschrieben wurde, auch wenn man volljährig ist. Sollte dies nicht erfüllt werden, wird es eine Strafarbeit geben“, sagte er.

Hatte er sie nicht mehr alle? Einige von uns waren nur hier, weil sie keinen anderen Ausweg hatten! Und er nahm uns alle hart dran!

„Jetzt verstehe ich dich“, flüsterte mir Bella zu und ich seufzte erleichtert auf. Endlich hatte sie ihre rosarote Brille abgesetzt und sah den echten Alex Davis, den Teenieschwarm, der doch so heiß war.

„Oh mein Gott! Er ist so streng, ich liebe ihn!“, hörte ich jemanden sagen und wollte soviel Dummheit bestrafen.

„Das war es jetzt mit dem Gerede, `Buisness ist hart´, also lasst uns unseren Erfolg erarbeiten. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit“, sagte er und lächelte freundlich, doch als sein Blick wieder meinen traf, verzogen sich seine Lippen zu einem boshaften Lächeln.

Dümmlich lächelte ich ihn zurück an. Von allen Seiten ertönte Applaus, nur ich stimmte nicht mit ein.

„Das nenne ich mal eine Ansage, ich möchte euch nun bitten, euren Namen zu eurer gewünschten Rolle einzutragen“, ertönte wieder die Stimme von Mr Kashian.

„Und was ich ganz vergessen hatte, die Rolle von Romeo ist längst vergeben, Alex wird sie spielen, hier ist der Zettel“, fügte er noch hinzu.

Fast alle Mädchen sprangen von ihren Stühlen und flitzten nach vorne, bei einer konnte ich mir das Lachen nicht verkneifen.

Als sie aufsprang, war sie volle Kanne nach vorne geflogen und riss noch zwei weitere mit sich.

Wer Erfolg haben will, muss auch etwas einpacken. „Komm, lass uns eintragen“, meinte ich und erhob mich mit Bella.

Dort angekommen, trugen wir uns beide bei den Bühnenarbeitern ein und wollten gerade gehen, als Alex nach meinem Handgelenk griff, der plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht war.

„Ich muss mit dir reden!“, meinte er bestimmend und blickte mich mit seinen stechend blauen Augen an.

„Ist das ok, wenn wir uns an deinem Auto treffen?“, fragte ich Bella und sie nickte leicht verängstigt, als sie Alex sah.

Ich winkte ihr noch zum Abschied mit meiner freien Hand und ließ mich von Alex in einen abgedunkelten Teil der Bühne ziehen, wo uns niemand sehen konnte.

„Was hast du hier zu suchen?“, wollte er wissen und ließ mein Handgelenk los.

„Die bessere Frage ist doch, was DU hier zu suchen hast!“, verdrehte ich die Tatsache und er schnaufte genervt aus.

„Leuten etwas beibringen, die nichts drauf haben!“, meinte er.

Empört schnappte ich nach Luft. Aber er, er war wohl der Beste?!

„Natürlich haben sie etwas drauf und um auf deine Frage von vorhin zurückzukommen, ich bin hier, weil ich mich unbedingt für eine AG anmelden musste!“, meinte ich trotzig und wollte wieder verschwinden, hielt aber noch kurz inne.

„Ach ja, und ich will, dass du auf der Pressekonferenz sagst, dass wir beide DEFINITIV kein Paar sind und auch niemals sein werden!“, befahl ich ihm.

Er murmelte noch irgendwas vor sich hin, doch ich war schon längst verschwunden.

 

„Und worüber wollte er mit dir reden?“, fragte Bella und ich setzte mich zu ihr ins Auto, da ich kein eigenes hatte, fuhr sie mich immer zurück nach Hause.

„Er wollte unbedingt wissen, was ich in der Theater-AG verloren hatte, das war es auch schon. Lass uns bitte das Thema wechseln, ich habe gerade echt keinen Nerv, über dieses Arschloch zu reden.

Alex hier und da, das steigt mir gerade echt über den Kopf“, meinte ich leicht entschuldigend.

„Erzähl mir doch lieber mehr von Europa“, bat ich sie und sofort fing sie an zu erzählen. Über Italien, welch tolle Pizzen die da hätten und in Paris der tolle Eifelturm, der unfassbar riesig war.

Gefallen hätte ihr aber besonders die Türkei mit dem tollen Wetter.

„Ich wünschte, du wärst dabei gewesen, mit dir hätte das viel mehr Spaß gemacht!“, sagte sie leicht traurig.

Ja, das wünschte ich mir auch.

 

 

 

 

Meine Spielregeln, Schätzchen!

 

Alex

Ziemlich aufgebracht schlenderte ich durch meine Garderobe, die mir zur Verfügung gestellt worden wurde, damit ich einen angenehmen Aufenthalt haben konnte, bevor die Pressekonferenz beginnen würde.

Angenehm- sicher, dachte ich sarkastisch und ließ mich müde auf einen der weißen Sessel plumpsen.

Zu viele Gedanken schwirrten in meinem Kopf herum und ich schloss meine Augen, um etwas zur Ruhe zu kommen.

Seitdem ausgerechnet Claire in mein Leben getreten war, war einfach nichts mehr wie es vorher war. Eigentlich war ich ihr ziemlich dankbar dafür, dass sie mir geholfen hatte, als ich vor meinen Fans abgehauen war, aber was mir bis heute zu schaffen machte, war der Kuss.

Ich konnte dieses Gefühl einfach nicht beschreiben, es war, als wäre ich für den Moment frei. Als gäbe es nur sie und mich.

Und es hatte mir ziemlich schwer gefallen, sie nicht noch einmal anzufallen, als sie vor meinem Bücherregal stand.

So wunderschön, ihre Haut so rein wie die eines Pfirsichs, ihre Figur war einfach perfekt, aber was mich sofort magisch angezogen hatte, waren ihre Augen.

Strahlend grün, selbst ich hatte mich erst gefragt, ob das Kontaktlinsen waren.

Grummelnd legte ich einen Arm über meinen Kopf und versuchte sie zu vergessen, ich wollte nicht, dass dasselbe wie vor einem Jahr passieren würde.

Ich wollte nicht wieder verarscht werden, wie es meine Ex getan hatte. Auch wenn ich das Gefühl hatte, dass Claire so etwas niemals machen würde.

Sie war ein toughes, selbstbewusstes und doch bezauberndes Mädchen.

Ich musste sie auf Abstand bringen, auch wenn das bedeutete, dass ich das größte Arschloch der Welt sein musste.

Sie musste mich hassen.

 

„Ich fürchte, dass es ein Problem gibt“, meinte George, mein Manager, der ungefähr 40 Jahre war. Sofort horchte ich auf und setzte mich wieder gerade auf und blinzelte kurz darauf, um mich an das grelle Licht zu gewöhnen.

„Was meinst du denn genau? Wo liegt denn das Problem?“, wollte ich wissen und unterdrückte ein Gähnen.

„Damit du deine Filmrolle behalten kannst, wurde das Ultimatum gestellt, dass du der Presse sagst, dass du mit diesem Mädchen zusammen bist“, erklärte er mir mit seiner rauen Stimme und ich schrie frustriert auf.

Warum musste das auch immer mir passieren? Es gibt doch sieben Milliarden Menschen auf der Welt und dann trifft es ausgerechnet mich! Warum Gott, warum tust du mir das an?

„Ist das deren Ernst? Sie wissen doch, dass ich diese Rolle unbedingt haben wollte! Warum denn so plötzlich dieses Ultimatum?“, fragte ich ihn und versuchte nicht loszuschreien.

Sie hatten mir sogar die Filmrolle versprochen!

„Sie meinten, es würde mehr Zuschauer bringen, aber tut mir leid. Meiner Meinung ist das völliger Blödsinn, damit wird das doch nur schlimmer“, sagte er und zog ein paar Zettel aus seiner blauen Mappe.

„Hier, das ist alles, was du sagen musst“, meinte er noch und reichte mir die Zettel.

„Jetzt aber hopp, wir müssen schon in zwei Minuten da sein!“, scheuchte er mich.

Am liebsten hätte ich mich vor einen Zug geworfen.

 

„Freuen Sie sich schon auf ihre neue Filmrolle? Wie ich gehört habe, spielen sie diesmal in einem Drama mit, ist das wahr? Bekanntlich sind sie doch nur in Liebesfilmen zu entdecken!“, schrie eine ziemlich kleine Reporterin, die völlig gestresst klang.

Ich konnte sie absolut verstehen, ich fühlte mich wie in einem Affenkäfig. Überall waren nur Stimmen, eine lauter als die andere. An jeder Ecke saßen Unmengen von Reportern herum.

Ich zwang mich dazu, ein Lächeln aufzusetzen.

„Eine ausgesprochen gute Frage und sehr gut erkannt. Ich habe mich diesmal für ein Drama entschieden, um etwas Neues auszuprobieren, aber auch etwas in meinem Leben zu verändern“, beantwortete ich ihre Frage.

Unbewusst schweiften meine Gedanken zu Claire. Ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn wir zusammen sein würden. Würde sie mir sagen, dass sie mich liebte? Würde sie immer bei mir sein?

„Alex, hör auf zu träumen! Dir stellt man schon die ganze Zeit Fragen!“, wisperte mein Manager mir zu.

Sofort konzentrierte ich mich wieder vollkommen auf die Reporter, was mir auch gelang.

„Was hat es mit diesem Mädchen auf sich?“, kam die alles entscheidende Frage. „Ist sie wirklich Ihre Freundin?“

Tief durchatmen und einatmen, Alex. Du schaffst das, auch wenn Claire dir dafür den Kopf abreißen wird.

„Ja, Claire ist meine Freundin.“ Bis dahin hatte ich noch nicht gewusst, dass diese fünf Wörter mein Leben für immer verändern würden.

 

Ziemlich gestresst und wütend wollte ich meine Haustür aufschließen, stockte jedoch, als ich bemerkte, dass die Haustür offen war.

Ein unangenehmes Gefühl bereitete sich in mir aus, wer war bei mir zuhause? Ich war mir sogar ziemlich sicher, dass ich abgeschlossen hatte, bevor ich die Villa verlassen hatte.

Es gab nur einen Menschen, der einen Zugang zu diesem Haus hatte und das war meine kleine Schwester, die mir immer wieder auf den Geist ging.

Aber war sie nicht abgereist? Was hatte sie hier verloren? Ich schloss die Tür hinter mir und ging schnell ins Wohnzimmer, doch da war sie nicht. „Miranda?“, schrie ich laut und wartete einen Moment, aber kein Laut kam. Hatte ich vielleicht doch vergessen, die Tür zu schließen?

„DU VERDAMMTES ARSCH!“, schrie eine allzubekannte Stimme und ich zuckte kurz zusammen, als ich mit der lauten Stimme konfrontiert wurde.

Was hatten Mädchen bloß für eine krächzende Stimme, wenn sie schrieen?

Mit anmutigen Schritten lief Claire auf mich zu, eine Hand ausgestreckt, den Zeigefinger auf mich gerichtet.

„Wenn ich DICH IN DIE FINGER KRIEGE!“, schrie sie mit ihrer angenehmen Stimme und funkelte mich mit ihren grünen Augen an.

Ich bewegte mich nicht von der Stelle, spürte jedoch den dumpfen Schmerz, als sie mir ihren Zeigefinger in die Brust stach.

„Ich kann nichts dafür, mein Manager hat mich vor die Wahl gestellt!“, fauchte ich sie an und bewegte mich nicht. Wütend knurrte sie. „Ist mir doch scheiß egal, was dein dummer Manager getan hat! Wir sind nicht zusammen! Wie kann man so etwas in einer Pressekonferenz behaupten, wenn es nicht stimmt! Das ist eine Lüge! Und hast du überhaupt eine Ahnung, was du mir damit antust?“, schrie sie mich an und raufte sich die Haare.

Und wie ich wusste, was ich ihr damit antat. Doch auch ich musste darunter leiden, oder nicht?

„Wenn ich endlich den Film fertig habe, mache ich einfach Schluss, ok?“, meinte ich beruhigend, funkelte sie jedoch genervt an.

„Klar. UND DAS DAUERT BESTIMMT KEINE ACHT MONATE!?“, schrie sie. Ich sah ihr an, dass sie kurz vor der Explosion stand.

Sie wollte eine nach mir ausholen, doch bevor sie das tun konnte, hielt ich ihre Hände fest, sodass sie wild herumstrampelte.

Ich erhaschte einen Blick auf den Garten und bemerkte, wie sich jemand herumschlich.

Das konnte nicht wahr sein! Waren diese nervigen Paparazzis auch wirklich überall?

Kurz überlegte ich, was zu tun war. Wenn er mitbekommen würde, dass wir uns die ganze Zeit streiten, dann gäbe es morgen schlechte Presse.

Und schlechte Presse bedeutete für mich, keine Filmrolle.

„Komm, beruhige dich. In meinem Garten lauert ein Paparazzi und ich will nicht, dass er uns die ganze Zeit fotografiert“, nuschelte ich ihr leise ins Ohr und atmete ihren betörenden Duft ein, der von ihr ausging. Bevor ich sie auch nur ein Wort aussprechen ließ, zog ich sie bestimmend in den hellen Flur und ließ sie los. Ich war einfach nur erschöpft und die Tatsache, dass Claire bei mir war, lockerte die Tatsache nicht sehr auf.

„Wenn du eben hier weiter streiten willst, nur zu ger....hmmm“, fing sie wieder an zu schreien, doch ich bückte mich so schnell wie möglich zu ihr herunter und überraschte sie damit, als ich meine Lippen auf ihre legte.

Sofort durchströmte mich ein wunderbares Gefühl, als sie mit ihren Händen in meine Haare griff und mich noch fester an sich drückte. In mir tobten meine Gefühle, bestimmend bewegten sich unsere Lippen, als wären sie füreinander geschaffen.

Zaghaft legte ich meine Hand auf ihre Wange und übte leichten, dennoch festen Druck auf ihre Lippen aus.

Von der plötzlichen Leidenschaft erfasst, drückte ich sie gegen die Wand und hob sie hoch, damit wir auf derselben Augenhöhe waren. Sie schlang ihre Arme um meinen Nacken, um halt zu finden und stöhnte entzückt auf, als ich ihr zaghaft auf die Unterlippe biss. Sie brachte mich wortwörtlich um den Verstand! Langsam wanderte eine Hand unter ihr T-Shirt und ich spürte, wie ihr Körper auf meine Berührungen reagierte. Verdammt, das fühlte sich zu gut an, um wahr zu sein!

Ich stöhnte auf, als mich ein Verlangen durchströmte und ich mich kaum zurückhalten konnte, sie wie ein Wahnsinniger anzuspringen.

Mit einer Hand zeichnete sie die Konturen meiner Muskeln nach und strich langsam mit ihrer Hand immer tiefer, bis sie kurz inne hielt und wieder spielerisch hochfuhr.

Wütend knurrte ich, musste sie mich so verrückt nach ihr machen? Dieses Mädchen war sogar noch ein größeres Biest, als ich gedacht hatte!

Nach einer längeren Zeit ließen wir voneinander ab und atmeten schwer.

Ihre grünen Augen funkelten mich verräterisch an.

„Tja, mein Spätzchen. Dies war wohl dein letzter Kuss. Jetzt spielen wir nach meinen Spielregeln“, hauchte sie mir zu.

„Wie meinst du das?“, wollte ich wissen und hielt sie am Handgelenk fest, als sie sich zum Gehen umwandte.

„Streng mal dein hübsches Köpfchen an, Spätzchen, dann kommst du vielleicht drauf“, zwinkerte sie mir noch zum Abschied zu.

Als sie schließlich das Haus verlassen hatte, verstand ich endlich, die gehauchten Worte.

Wir spielten jetzt nach ihren Spielregeln.

 

„Alex! Ich habe Claire nur einen Gefallen getan! Ich habe ihr den Schlüssel in ihre Jackentasche gesteckt, damit sie notfalls in deine Villa gehen kann, wenn irgendetwas nicht stimmt!“, versuchte sich Miranda zu verteidigen, aber das half ihr nicht sonderlich viel.

Wütend war ich so oder so auf sie.

„Sie hätte mich fast ermordet! Hast du überhaupt mal gesehen, wie sie ausschaut, wenn sie fuchsteufelswild wird? Nein? Siehst du!“, schrie ich in den Hörer und lief auf und ab.

Wie konnte meine kleine, naive Schwester bloß so einer Irren meinen Zweitschlüssel geben? WIE?

„Reg dich ab, Alex! Du bist ja noch am Leben, oder nicht? Ich kann jetzt nicht weitersprechen, ich muss jetzt weiter. Das wird schon“, meinte sie noch und legte schließlich auf.

Na toll, dieses Gespräch hatte auch so viel gebracht, aber eines wusste ich!

Meiner kleinen Schwester konnte man wirklich nicht vertrauen!

Frustriert seufzte ich auf, mein Leben war wirklich voll im Arsch.

 

Vater im Sonderangebot!

Nach all den Jahren verstand ich nun, warum sich fast alle für das Schauspielern eingetragen hatten, denn die Bühnenarbeiten zu erledigen, waren der Horror. Eine einzige Qual und die konnte ich nun fast täglich ertragen. Bella hatte das Glück, dass sie seit geschlagenen vier Tagen mit Fieber im Bett lag und sich diese mühsame Arbeit nicht mit antun musste.

Die Höhe war jedoch, als wir erfahren hatten, dass Alex den Romeo doch nicht spielen würde, weil er nicht mehr wollte! Und weil er ja so toll war, hat ihm unser Theater-AG Führer dafür die Aufgabe gegeben, alle rumscheuchen zu dürfen. Ich meinte ja nur, ist das nicht vollkommen bescheuert? ER durfte MICH die ganze Zeit herumkommandieren!

Und ich musste auch noch alles machen, was er wollte. Selbst den leidenschaftlichen Kuss, den wir letztens hatten, den hatte er geführt! Ich war kurz davor gewesen, wesentlich schlimmeres mit Alex anzustellen, aber ich war froh darüber gewesen, dass ich mich zügeln konnte, ihm das T-Shirt nicht vom Körper zu reißen. „Nein Claire! Das kommt nicht dahin, sondern dahin!“, schrie Alex genervt und zeigte in eine dunkle Ecke. „Fick dich doch“, nuschelte ich und presste die schwarze, weiche Decke noch enger an mich. Er würde noch irgendwann seine Rache bekommen, so ungeschworen würde er mir nicht davon kommen!

Ein Seitenblick bestätigte meine Vermutung, er verfolgte mich nur so mit seinen Augen. Bestimmt suchte er einfach nur wieder eine Möglichkeit, mich zusammenzuschreien! Mit einem Knurren schmiss ich die Decke auf das aufgebaute Bett und sprang von der Bühne, um nur wieder auf festen Boden zu landen. „Geht doch“, spottete Alex und wies schon wieder die anderen zurecht. Man solle doch keine Requisiten wie Dreck behandeln, oder so etwas in der Art sagte er. Kurz darauf gab er uns zwanzig Minuten Pause, die wir uns auch wirklich reichlich verdient hatten!

„Der Kerl ist doch viel schlimmer, als ich dachte“, brummte Melina neben mir und nahm einen kräftigen Schluck aus der Wasserflasche.

„Du sagst es“, stimmte ich meiner Klassenkameradin zu, die heute neu dazugekommen war.  Auch sie war für die Bühnenarbeiten verantwortlich. „Aber ich verstehe nicht, du bist doch mit dem da...“, sie zeigte auf Alex, der wild mit seinen Händen rumfuchtelte und schaute mich dann wieder skeptisch an, ehe sie fortfuhr „...zusammen, oder nicht?“ Tief seufzte ich aus, mir war irgendwie klar gewesen, dass mich das jemand fragen würde, wenn man Alex wirklich näher kennen lernen würde. Und jetzt kannte ja jeder „meinen Freund“. „Er ist eigentlich ganz anders, aber es macht ihm wohl zu schaffen, dass das mit seiner Filmrolle wohl etwas krieselt“, log ich sie an und begutachtete meine schwarzen Chucks. „Hmmm, du hast wohl recht, aber lange mache ich das echt nicht mit“, pflichtete sie noch bei und stellte ihre Wasserflasche wieder zur Seite. „Das wird bestimmt schon.“ Hoffte ich jedenfalls.

„Kannst du nicht etwas netter zu uns sein?“, fragte ich Alex und ließ meine Umhängetasche neben mir baumeln. Zusammen liefen wir beide zu seinem Auto, seit letzter Zeit brachte er mich immer nach Hause, was mich auch ein wenig erleichterte. Somit musste ich nicht immer den weiten Weg laufen. „Nein, wenn euer Stück erfolgreich sein werden soll, dann muss auch alles perfekt sein. Es darf kein Fehler vorzufinden sein. Genau so ist es mit meinen Rollen, alles muss perfekt sein“, erzählte er, ich atmete jedoch nur zischend aus. „Das gibt dir jedoch nicht das Recht, uns wie Sklaven zu behandeln.“

„Wenn es dir nicht gefällt, dann geh doch“, meinte er nur knapp und stieg in das Auto. Ich entschied mich dazu, nichts zu sagen und setze mich auf den Beifahrersitz, der Wagen gefiel mir immer noch sehr gut. „Wenn du nichts dagegen hast, will ich gerne noch bei der Post vorbeifahren, um ein Paket abzuholen“, brach er die Stille nach einem kurzen Augenblick. „Warum abholen? Werden Pakete nicht vor der Haustür in Empfang genommen?“, fragte ich leicht irritiert. „Ich will einfach nicht, dass die Papparazzis auch noch erfahren, wann ich ein Paket bekomme. Die sind einfach überall, die können vor Glück reden, dass ich die noch nicht....“, er ließ die Drohung in der Luft hängen und verzog wütend sein Gesicht.

Ich verstand ihn, manchmal konnte ich mich selbst nicht mehr von ihnen retten, nur mit Mühe ignorierte ich sie. Einmal war ich sogar kurz davor gewesen, einen mit meiner grauen Handtasche zu verprügeln, als er mir sogar fast in die Frauenumkleide gefolgt war! „Sicher, ich habe nichts dagegen“, sagte ich achselzuckend und widmete mich der Musik zu, die im Radio lief. „Danke.“

„Kannst du mir denn nicht wenigstens verraten, was in dem Paket ist?“, fragte ich neugierig und schielte auf das Paket. Ich war einfach eine Person, die ohne Wissen nicht leben konnte. Ich MUSSTE alles erfahren. Ich entzifferte vorne, dass das Paket wohl aus Frankreich stamm, mehr erkannte ich nicht. Was war da wohl drinnen? „Wirst du früh genug erfahren.“ Was meinte er bitteschön damit?

War etwa in dem Paket etwas drin, was auch irgendwie mit mir zutun hatte? Angestrengt versuchte ich darüber nachzudenken, was es wohl sein könnte, aber ich kam einfach nicht drauf. Ich konnte es einfach mit nichts in Verbindung bringen. „Ich will es aber jetzt wissen!“, schmollte ich lautstark und drückte meine Tasche an meine Brust, um sie in eine feste Umarmung zu ziehen und meinen Kopf darauf abzustützen. „Sei nicht so neugierig.“ Alex verfrachtete das Paket, welches ungefähr die Größe eines Schultisches hatte, in de Kofferraum und startete kurz darauf wieder seinen Wagen, als er wieder am Lenkrad saß.

„Wenn du meinst“, meinte ich nur beleidigt und fing an, an meiner Unterlippe zu kauen. Wenn Alex mich gut genug kennen würde, dann wüsste er auch, dass ich nicht einfach so aufgeben würde. Aber wie er auch schon sagte, ich würde es früh genug erfahren. Vielleicht sogar schon bald? Ich schaute aus dem Fenster und erblickte immer wieder Bäume, die in rasender Geschwindigkeit an mir vorbeihuschten. „Wirst du die Filmrolle bekommen, die du spielen wolltest?“, fragte ich aus dem Impuls heraus, da mit die Stille zu stickig wurde..., oder auch nur unangenehm. Als ich zur Seite schaute, merkte ich, wie Alex’s Gesichtsausruck sich leicht veränderte. Leicht perplex starrte das männliche Model nach vorne und versuchte sich wieder zu fassen. „Ich hoffe es inständig“, meinte er mit rauer Stimme und räusperte sich kurz darauf.

„Wir sind da“, fügte er noch hinzu und hielt am Straßenrand. Verwundert schaute ich raus und tatsächlich! Wir standen direkt neben meinem Haus! Ich runzelte die Stirn, als ich ein teuer, wirkendes Auto vor unserer Garage parken sah. Meiner Mutter gehörte es definitiv nicht, vielleicht einer Freundin von ihr? Ich wusste es nicht. „Danke...danke fürs Heimbringen“, sagte ich noch und sprang schon fast fluchartig aus seinem Wagen. Irgendwie hatte mich ein schlechtes Gefühl übermannt. Alex rief mir noch ein „Bis morgen“ zu, doch da hatte ich schon die Beifahrertür zugeschlagen und war schon längst weggerauscht.

„Ich bin wieder da, Mom“, rief ich laut durch das Haus und legte die Schlüssel auf die Kommode. Erst einmal geschah nichts, doch kurz darauf vernahm ich schleppende Schritte. Meine Mutter stand vor mir, mit einem sehr blassen Gesicht und schien nach Worten zu suchen, immer versuchte sie nach einem Satz anzusetzen, schloss jedoch ihren Mund wieder. „Was ist los?“, fragte ich alarmiert und runzelte die Stirn. War jemand gestorben, bitte nicht! „Ist Granny tot, was ist geschehen, Mom! Rede doch endlich!“ „Dein Vater...er ist hier“, hauchte sie aufgelöst und stand wie eine Leiche vor mir. Dad...er war hier? Mein Vater war tatsächlich bei...uns?

Ich versuchte ganz normal zu atmen, doch es gelang mir nicht. Ich war...aufgeregt, verzweifelt und ziemlich wütend. Wie sollte ein Teenager reagieren, wenn man erzählt bekommt, dass der eigene Vater nach Jahren wieder auftauchte? Sollte man vor Freude hüpfen, sich freuen? Nein, bestimmt nicht. Man wäre nicht mehr dicht im Kopf, wenn man so etwas täte. Der Mann war ein Verräter in meinen Augen, er hatte seine eigene Familie in Stich gelassen und war einfach verschwunden- ohne ein Wort des Abschieds. Ich verabscheute den Mann, er hatte es nicht verdient, willkommen in seiner Familie zu sein.

„Wo ist er?“, bemühte ich mich nach einer kräftigen Stimme, was mir auch gelang. Meine vollkommen aufgelöste Mutter hauchte nur das Wort „Wohnzimmer“ und schritt zur Seite, als ich mich auf den Weg in das Wohnzimmer machte.

Ein Mann, der ziemlich gut aussah und anscheinend um die 40 war, saß mit einer Tasse Kaffee auf einem Sessel und schaute mich mit seinen braunen Augen an. Er trug einen sehr feinen Anzug, der seinen gut gebauten Körper betonte, doch er sah meinem Dad von früher überhaupt nicht ähnlich. Mein Dad hatte immer stets gelächelt, doch dieser Mann hatte eine eiskalte Miene aufgesetzt und sah mich durchdringlich an. Ich versuchte dem Blick standzuhalten. „Claire“, meinte er mit rauer, distanzierter Stimme und zeigte auf den Platz vor sich. Widerwillig setzte ich mich vor ihm, brach aber nicht den Blickkontakt ab.

„Was hast du hier verloren?“, wollte ich wissen und vergrub meine Fingernägel in dem Sofa, auf dem ich saß. Er schien nach passenden Worten zu suchen und stellte seine Kaffeetasse zur Seite, aus der er zuvor kurz getrunken hatte. „Ich musste unbedingt etwas mit deiner Mutter besprechen, aber ich wollte noch vor meiner Rückreise sehen, wie es dir geht“, sagte er mit betont, tonloser Stimme. Er wollte wissen wie es mir ging? Ging es ihm noch gut?  Er war Jahre verschwunden gewesen und dann siehe da, da tauchte er plötzlich auf! Ich hatte ihn jahrelang schrecklich vermisst, aber jetzt, wo er vor mir saß..., da hasste ich den Mann wie die Pest.

Wie es aussah, schien es so, dass es ihm wirklich gut ging. Ein sehr teures Auto und dann noch dieser teure Anzug. „Wie du siehst, es geht mir gut, also kannst du auch wieder mit beruhigtem Gewissen gehen. Nichts und niemand hält dich hier, also bitte verschwinde wieder“, sagte ich ruhig und erhob mich von meinem Platz. Es ging mir überhaupt nicht gut, am liebsten würde ich einfach wegrennen und mich bei jemandem ausheulen. Egal wem. „Jetzt lass mich doch ausreden, ich will dir alles erklären.

Ich MUSSTE gehen, versteh das. Ich werde dir den Grund wohl nie nennen können, aber versteh doch...es war wichtig...“, erklärte er leicht aufgebracht- „Wichtig, also? Wichtiger als deine Familie? DU bist doch krank! Man verlässt seine Familie nicht einfach und diesen beschissenen Grund will ich nicht erfahren, also ist es gut, dass es secret ist! Und jetzt verschwinde endlich! Entweder du, oder ich!“, schrie ich ihn aufgebracht an und merkte langsam, wie meine Augen feucht wurden.

„Hat dir deine Mutter nie beigebracht, andere Menschen nicht vorher zu beurteilen, wenn man den Grund nicht einmal genannt bekommen hat?“, zischte er aufgebracht und ballte seine Hand zu einer Faust. „Halte Mom da raus, du hast kein Recht, sie da mit reinzuziehen. Wenn du nicht gehen willst, dann gehe ich!", schrie ich und rannte aus dem Wohnzimmer, vorbei an meiner Mutter und durch die Haustür. Das ich meine Mutter alleine mit ihm gelassen hatte, würde ich später bestimmt bereuen, aber ich brauchte jetzt Abstand, - von ihm. Aber wo sollte ich denn hin? Meine beste Freundin war krank und konnte mir in ihrem Zustand bestimmt jetzt nicht weiterhelfen..., dann blieb mir nur noch eine Option übrig.

Mit tränenüberströmtem Gesicht stand ich vor der pompösen Haustür und betätigte die Klingel. Schnell wischte ich mir mit der Hand über meine Augen, damit das nicht allzu schlimm aussah, wenn er mich in Empfang nehmen würde. Ich hoffte inständig, dass er mich nicht abweisen würde. Mit einem Ruck öffnete er die Tür, erblickte mich und riss seine wunderschönen Augen weit auf, als er mich ansah. Wie ich sah, kam Alex gerade aus der Dusche, ein weißes Handtuch verdeckte seinen Unterkörper, seine Haare fielen ihm noch nass ins Gesicht.

Ich hätte ihn noch stundenlang anstarren können, aber meine Gedanken waren von etwas ganz anderem eingenommen. Von meinem Dad. „Claire…was...?“, weiter kam er nicht. Mit einem Schluchzen warf ich mich in seine Arme und suchte Halt. Ich brauchte ihn jetzt.

"Romantik" Häh? Was ist denn das?

„Pschhht, jetzt beruhige dich doch“, meinte Alex besänftigend und presste mich an seine warme, muskulöse Brust, an die ich mich sofort schmiegte. Immer wieder wurde ich von lauten Schluchzern überrannt, meine Augen, die schon fürchterlich brannten, hörten einfach nicht auf, Tränen zu vergießen. „Alles wird gut“, versuchte er mich weiter zu beruhigen, was mir auch langsam half.

„Er ist wieder da... mein Dad!“, schluchzte ich auf.

Es schmerzte zu wissen, dass mein Vater wieder da war. Er war gerade in dem Moment bei mir Zuhause und unterhielt sich mit meiner Mutter, aber warum? Er musste bestimmt einen sehr wichtigen Grund haben, aber was konnte es so wichtiges geben, was er mit meiner Mutter besprechen wollte?

Ich hatte all die Jahre geglaubt, er würde nie wieder kommen, aber dass er plötzlich im Wohnzimmer sitzen würde, das hatte ich mir nie in meinen Träumen ausgemalt. Ich wollte immer nur wissen, warum er plötzlich ohne ein Wort verschwunden war. Aber jetzt, wo ich die Möglichkeit hatte, es zu erfahren, da wusste ich, dass es richtig war, es nicht zu wissen.

„Setz dich doch erstmal, ich hole dir nur kurz etwas zu trinken... ist das okay?“, schlug er mir fragend vor und hielt mich weiterhin fest. Leicht nickte ich, sodass Alex mich losließ und in die Küche verschwand, um mir ein Glas Wasser zu holen, welches ich wirklich nötig hatte.

Ich lehnte mich an das Sofa, schnappte mir eine riesige, weiße Decke und kuschelte mich in sie. Nach kurzer Zeit hörte ich auf zu zittern und auch die Tränen versiegten langsam. „Hier“, meinte Alex und reichte mir das Glas Wasser, nachdem er wieder aufgetaucht war.

„Danke.“ Er schlang seine Arme um meinen Körper und drückte mich wieder an sich, sodass ich leise aufseufzte, als ich bemerkte, wie gut seine Nähe mir tat. Er half mir, ohne es zu wissen.

„Willst du darüber reden?“, fragte er, doch ich schüttelte nur leicht meinen Kopf. Ich konnte noch nicht mit ihm über meinen Vater reden, dass würde ich einfach nicht wieder verkraften. Ich wollte nicht schon wieder stundenlang weinen.

„Nein, vielleicht später“, sagte ich und bettete meinen Kopf auf seiner Brust, die sich regelmäßig hob. Ich konnte seinen unregelmäßigen Herzschlag hören, lag das vielleicht daran, dass ich praktisch auf ihm lag und mein Gewicht den ständigen Blutfluss störte oder konnte es sein, dass meine Nähe ihn auch nicht ganz ohne ließ?

Ich schüttelte in meinen Gedanken meinen Kopf, das war bestimmt nur Wunschdenken, wo war bloß die alte Claire hin? Die Claire, die Alex wie die Pest gehasst hatte?

„Ok, aber später erklärst du mir dann alles, okay?“, fragte er in die Stille hinein und ich nickte nur. Ich war nicht fähig zu antworten, der Schock lähmte mich zu sehr.

 

Eine Stunde später, oder waren es doch nur ein paar Minuten gewesen, knurrte mein Magen und ich seufzte laut auf. „Hast du zufälligerweise eine Kleinigkeit zu Essen?“, fragte ich Alex und drehte mich so um, sodass ich in seine wunderschönen blauen Augen sehen konnte.

Er schüttelte seinen Kopf. „Ist es okay, wenn wir etwas Essen gehen?“ Ich nickte steif, mir wäre es trotzdem lieber gewesen, daheim zu bleiben.

„Was möchtest du gerne essen?“, wandte er sich fragend an mich und wir erhoben uns beide mühsam vom Sofa. Meine Knochen waren schon ganz steif geworden vom ganzen liegen.

„Chinesisch... ich möchte gerne chinesisch essen.“

 

„Kann ich Ihnen etwas bringen?“, fragte uns eine kleine Chinesin mit einem sehr starken Akzent.

„Einmal die Nummer 25 und eine Cola“, bestellte sich Alex.

„Und für mich bitte einmal die Nummer 66 und eine Fanta“, klinkte ich mich schnell ein und lächelte leicht. Sie nickte und verschwand ohne weiteres. Ich war ihr ziemlich dankbar dafür, dass sie Alex nicht mit ihrem Blick durchbohrte, aber das würde ziemlich komisch wirken, wenn eine 40 Jährige einen 18 Jährigen anschmachten würde.

Ich legte die Speisekarte zur Seite und schaute auf und bemerkte, dass Alex mich wohl die ganze Zeit angeschaut haben musste. Wie von selbst erwiderte ich seinen Blick und bemerkte nicht einmal, dass unsere Getränke da waren, erst als die Frau diese auf den Tisch stellte, wandte ich mich peinlich berührt meinen Blick ab. Hastig griff ich nach dem Glas und trank einen Schluck von der kühlen Fanta.

„Was ist eigentlich mit deinen Eltern?“, fragte ich Alex und wickelte mir eine Locke um meinen Finger, um etwas tun zu können. „Nehmen sie alles so hin... du weißt schon, deine Karriere?“, hakte ich nach und fing an, auf meiner Unterlippe zu kauen.

Er strich sein schwarzes Haar nach hinten und ließ es noch unordentlicher als vorher wirken.

„Eigentlich schon, sie haben mich von Anfang an unterstützt. Nur meine Mutter, na ja... sie ist halt ziemlich schwierig, sie verlangt von mir, dass ich sie jeden Tag anrufe“, sagte er augenverdrehend.

„Nur mein Vater, er nimmt das viel lockerer und gelassener, dank ihm habe ich es überhaupt bis nach oben geschafft.“ Fragend schaute ich ihn an, wie... wie hatte er das nun bis ganz nach oben geschafft?

„Er war mein Manager, bis ich einen neuen bekam“, erklärte er schnell und ich nickte kurz. Ich nahm noch einen Schluck und leckte mir flüchtig über die Lippen, um die nächste Frage zu stellen.

„Hast du vielleicht noch andere Geschwister, außer deiner kleinen Schwester?“ Er schüttelte den Kopf.

„Nein, nur sie, und du bist nur ein Einzelkind oder?“, stellte er mit einem leichten Lächeln im Gesicht fest.

„Leider... ich hatte mir schon immer eine größere Schwester gewünscht oder auch eine kleinere... aber seitdem mein Vater, dieser Verräter, einfach abgehauen ist, hatte meine Mutter einfach niemanden...“, meine Stimme brach ab und ich wischte mir schnell eine Träne mit meinem Ärmel weg.

Wie musste ich bloß aussehen? Bevor wir losgefahren waren, hatte ich mir noch schnell die Schminke abgewaschen, damit ich später, wenn ich wieder weinen würde, nicht wie eine Vogelscheuche rumlaufen müsste. Alex hatte sich in der Zwischenzeit in ein schwarzes T-Shirt angezogen, welches ihm verboten gut stand und hatte eine lockere Jeans an.

Was mir erst jetzt auffiel, war, dass er sich nicht zu verstecken schien.

„Er ist einfach... abgehauen?“, hakte Alex nach und ich nickte schwer.

„Ohne ein Wort, er wollte mir nicht einmal den Grund für sein Verschwinden sagen, er meinte nur, dass er es nicht könne. Aber wenn ich ehrlich bin, er ist ein ganz anderer Mensch, er ist nicht mehr der, den ich einst verehrt und geliebt hatte“, sagte ich mit leiser Stimme und fing an, auf dem Tisch mit meinem Zeigefinger kleine Figuren zu zeichnen.

„Hier bitteschön, ich wünsche Ihnen einen guten Appetit“, schreckte mich die Stimme der Kellnerin, die unser Essen auf den Tisch stellte, aus meinen Gedanken.

„Vielen Dank“, meinte ich noch, ehe sie verschwand.

Als ich den köstlichen Geruch der Nudeln in mich hinein sog, konnte ich mich nicht mehr halten und schnappt mir eine Gabel, sodass ich schnell etwas in meinen Mund verfrachtete. Genüsslich stöhnte ich auf, als ich den ersten Bissen hinunter geschluckt hatte. Ich war am Verhungern und das Essen war einfach lecker!

Am Rande nahm ich wahr, wie Alex mir immer wieder verstohlene Blicke zuwarf und mich dann immer kess anlächelte. Was war los? Hatte ich vielleicht etwas im Gesicht hängen?

„Habe ich etwas im Gesicht?“, fragte ich ihn und betatschte mich im Gesicht mit meiner Hand.

„Nein, das ist es nicht. Du erinnerst mich nur an... meine E-, ähm, ich meine, an meine kleine Schwester. Sie war auch immer so wie du drauf, wenn ihr das Essen geschmeckt hatte“, meinte er lächelnd und schob seinen leeren Teller zur Seite, um mehr Platz zu haben.

Meine E-... was wollte er vorher sagen? Irgendwie glaubte ich ihm nicht, ging jedoch nicht weiter drauf ein.

Kurz darauf war auch ich fertig und ich wusste, dass ich mich für immer an dieses Restaurant erinnern würde.

„Möchtest du nach Hause oder willst du bei mir übernachten? Wir haben morgen keine Schule...“, sagte Alex, als er die Rechnung bezahlt hatte und sich erhoben hatte. Erst dachte ich, dass dies eine dreckige Anmache war, doch als ich seinen ernsten Gesichtsausdruck sah, wusste ich, dass er nichts im Schilde führte.

„Wenn es dir recht ist, würde ich gerne bei dir bleiben“, beteuerte ich und erhob mich erleichtert.

„Sicher“, meinte er mit einem atemberaubenden Lächeln und griff nach meiner Hand. Sofort verspürte ich dieses Kribbeln und fühlte mich so, als würden tausend Schmetterlinge in mir toben. Es war ein unbeschreibliches Gefühl.

Draußen wehte ein leichter Wind und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, als Alex einen Arm um meine Taille legte und mich besitzergreifend an sich zog. Machte er das gerade, weil er das wollte oder nur, weil er das musste?

Tief in meinem Inneren hoffte ich, dass es das erstere war.

„Fuck“, holte mich Alex aus meiner Trance, als ich in Gedanken versunken war und beschleunigte sein Schritttempo. Sein Auto war keine fünf Minuten mehr von hier entfernt. Automatisch ging auch ich schneller, er löste seinen Griff von meiner Taille, nahm mich an die Hand und zog mich schnell mit sich.

„Woher wissen die immer, wo ich bin?“, zischte er genervt und duckte sich, als einer der Paparazzi in unsere Richtung schaute. Blitzschnell versteckte ich mich hinter einem weißen Auto und atmete erleichtert aus, als ich sah, wie er weiter suchte.

„Wir müssen einen anderen Weg nehmen“, meinte Alex schließlich und zog mich weiter hinter sich, immer noch in geduckter Haltung. „Warte, hier. Hier ist noch ein Weg zum Auto“, flüsterte Alex so laut, sodass ich ihn auch noch verstehen konnte.

„Okay“, flüsterte ich noch, ehe er mich weiter mit sich zog. Langsam, aber sicher taten mir meine Knie von der Haltung weh, ich atmete genervt aus. Warum mussten die Paparazzis auch immer dann auftauchen, wenn der Zeitpunkt unpassend war? Ich verstand die Welt einfach nicht.

 

„Wow, dein Zimmer ist der Hammer“, hauchte ich erstaunt und bekam meinen Mund nicht mehr zu.

Das Bett war ein Traum, es stand an einer Wand, die weiß gestrichen war und war riesig. Am liebsten hätte ich mich auf das Bett geschmissen, aber das wäre ziemlich unhöflich gewesen.

Er hatte schwarze Schränke an den Wänden stehen und einen Schreibtisch, an dem ein reines Chaos herrschte.

„Ist es dir lieber, wenn ich im Wohnzimmer schlafe oder ist es auch in Ordnung, wenn ich mit dir in dem Bett schlafe? Platz ist ja genug“, meinte er mit hochgezogenen Augen.

Meinetwegen konnte er mit mir in einem Bett schlafen, solange er seine Finger dort ließ, wo sie bleiben sollten, dann wäre alles in Ordnung.

„Kannst du.“

Nachdem ich mich noch schnell in dem wunderschönen Badezimmer frisch gemacht hatte, kuschelte ich mich in das gemütliche Bett von Alex und atmete den Geruch von Winter in mich ein.

Ganz benommen schloss ich meine Augen und ein Lächeln huschte auf mein Gesicht, denn Alex hatte mir ein riesiges T-Shirt von sich geliehen, sodass ich nicht in meinen Klamotten schlafen musste.

Ich hoffte, dass es meiner Mutter gut ging und sie sich keine allzu großen Sorgen um mich machte. Aber ich war sicher, dass sie wusste, dass es mir gut ging.

Ich spürte noch, wie jemand einen Arm um meine Taille legte und mich an seine Brust presste, ehe ich einschlief und ich von der Person träumte, die mein Leben auf den Kopf stellte.

Alex.

"Hatschi!"-"Dir ist doch klar, dass man Dummheit nicht ausniesen kann, oder?"

„Du glaubst mir echt nicht, was letzte Nacht geschehen ist!“, meinte Bella und gestikulierte wild mit ihren Händen. Und du würdest mir nicht glauben, was mir vor drei Nächten passiert ist, sagte ich in Gedanken und war ziemlich froh darüber, dass ich diesen Gedanken nicht laut ausgesprochen hatte.

Als ich nach der Nacht mit Alex nach Hause gekommen war, hatte ich bemerkt, dass meine Mutter nicht da war.

Sie kam schließlich erst am späten Abend wieder, aber zu meinem Verschwinden sagte sie nichts mehr. Es schien so, als wäre nie etwas geschehen, aber ich war mir sicher, dass wir beide wussten, dass das Thema nicht vom Tisch war.

Mein Vater musste wohl endlich weggefahren sein, bestimmt zu seiner neuen Frau oder wohin auch immer. Ich wollte nicht wissen, wo er lebte oder was er tat.

Er war schlussendlich für mich gestorben, er existierte nicht mehr für mich.

Sollte ich Bella erzählen, was geschehen war, oder lieber nicht? Nach kurzem Überlegen entschied ich mich dagegen, ich wollte ihr die fröhliche Laune nicht verderben. Alex hingegen war wieder in seine alte Laune verfallen, er zeigte mir nur noch die kalte Schulter und ich fragte mich die ganze Zeit, warum er sich wie ein arrogantes Arschloch benahm, obwohl er mir beigestanden hatte - aus ihm wurde ich einfach nicht schlau.

Sollte er mir wieder mal die kalte Schulter zeigen, oder auch nur ansatzweise einen dummen Spruch klopfen, so würde ich standhalten. Claire kann man nicht einfach zu Boden ringen. „Und naja, dann sind wir beide Essen gegangen und er hat mich dann gefragt, ob ich seine Freundin sein will! Und weißt du, wie ich geantwortet habe? Ich habe JA gesagt!!!“

Schnell riss mich ihre Erzählung wieder aus meinen Gedanken und ich wusste, dass sie von ihrer Bekanntschaft am Hotel sprach. Hatte sie jemals den Namen von den Jungen preisgegeben, oder war ich einfach eine egoistische Person, die nur an sich selbst dachte? Ich hätte sie ja nochmals nach seinen Namen fragen können, aber die Sorge, dass sie mir dann vorwerfen würde, dass ich nie zuhörte, war zu groß. Ich wollte nicht auch noch meine beste Freundin verlieren.

„Das freut mich noch mehr für dich, was habt ihr noch so Schönes gemacht?“, wollte ich wissen, um endlich mehr über darüber zu erfahren und was sie so am Wochenende getrieben hatte.

„Ahh! Der war so süß! Er hat mir die Tür aufgehalten, dann sind wir beide zu einem Restaurant gefahren, das ziemlich teuer war. Erstmals habe ich ihm gesagt, dass er wegen mir nicht so viel Geld ausgeben müsse, aber er hat dagegen protestiert. Er meinte, dass das selbstverständlich sei!“, erzählte sie, während ich ihr aufmerksam zuhörte.

„Naja, jedenfalls, hat er mich dann so richtig süß gefüttert, da war ich hin und weg. Schließlich hat er mich nach Hause gefahren und dann so richtig süß meine Hand gehalten. Nachdem er mich geküsst hat, hat er mich dann gefragt, ob ich seine feste Freundin sein wolle! Ist er nicht so supersüß?“, erzählte sie begeistert und sprang förmlich auf dem Schulflur herum.

Ab und zu bekam sie ein paar fragende Blicke zugeworfen, aber sonst war’s das. „Das freut mich wirklich für dich“, meinte ich ehrlich und presste meine Schultasche enger an mich, als ich etwas bemerkt hatte, dass mich fast die Fassung verlieren ließ.

Alex, wie er ein Mädchen an sich presste und ihr etwas ins Ohr flüsterte, worauf sie loskicherte und rot anlief. Dieses Mädchen war keine andere, als Kanisha, das Mädchen, das alles und jeden bekam, was sie nur haben wollte. Die klassische Schönheit, die es auf Alex abgesehen hatte und ich war mir sicher - sie würde ihn bekommen.

 

„Kannst du bitte die Gleichung lösen, Claire? Komm doch bitte an die Tafel“, meinte meine Mathematiklehrerin, die ziemlich beliebt bei den Schülern war, da sie eine sehr angenehme Art hatte, uns Mathe schmackhaft zu machen. Ich selber war in Mathe nie schlecht gewesen, aber mein Lieblingsfach war es trotzdem nie gewesen. Schwer nickte ich und erhob mich vom Stuhl, da mir seit einiger Zeit schlecht war.

Was war denn plötzlich los mit mir? „Ist alles ok mit dir, Claire? Du bist ziemlich bleich im Gesicht, mir wäre es lieber, wenn du ins Krankenzimmer gehst und dich etwas hinlegst“, sagte sie mit einer fürsorglichen Stimme. Meine Mitschüler, die mich mit ihrem Blick durchbohrten, ignorierte ich vollkommen.

„Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich mich wirklich gerne etwas ausruhen“, meinte ich gedämpft, sie nickte sogleich.

„Bella, bitte begleite sie“, sofort sprang Bella auf und ging mir zur Hand, als ich leichenblass aus dem Klassenzimmer stolperte. Auf den Weg ins Krankenzimmer sprachen wir beide kein Wort, als wir beide angekommen waren, war niemand da, sodass ich mich ungestört auf die Liege legen konnte.

„Brauchst du etwas?“, fragte Bella mich fürsorglich, doch ich war unfähig zu antworten, stattdessen brachte ich nur ein Nicken zustande. Mir ging es hundeelend und ich wusste nicht einmal, warum. „Kann es sein, dass du ansteckend warst, Bella?“, hauchte ich mit meiner letzten Kraft.

Das Reden fiel mir unheimlich schwer. „Shit! Kann es sein..., fuck! Du hast doch mein Handy benutzt, nicht wahr? Oh Mist, es tut mir so leid, ich hatte vergessen, es zu desinfizieren!“, sagte sie laut und schlug sich mit einer Hand auf die Stirn.

Ich atmete leicht genervt aus, dass ich krank geworden bin, hatte mir noch gefehlt. „Ich sage dir nur eins, es wird später noch schlimmer, du wirst dich echt scheiße fühlen, geh lieber nach Hause und ruh dich aus.“ „Später, wenn es mir etwas besser geht“, pflichtete ich ihr bei und legte mich auf meine linken Seite, um etwas zu schlafen.

 

„Geht es dir etwas besser?“, fragte Bella nach einer Schulstunde, in der ich mich ausgeruht hatte und etwas Schlaf abbekommen hatte.

„Ja, etwas. Zumindest kann ich alleine laufen und das Reden fällt mir nicht mehr ganz so schwer“, erzählte ich ihr und erhob mich sachte, damit mir nicht schwindelig wurde. „Soll ich dich nach Hause bringen?“ Ich schüttelte den Kopf. „Könntest du mich vielleicht nur für den Rest des Tages im Sekretariat abmelden, damit ich nicht unentschuldigt fehle?“, bat ich sie und stand mit etwas wackligen Beinen auf.

Meine Mutter war arbeiten, somit konnte ich sie nicht anrufen und sie beten, ob sie mich abholen könne. Außerdem wollte ich Bella nicht anstecken, damit das später wieder auf dasselbe hinauslief. „Kann ich machen, bist du dir auch ziemlich sicher, dass ich dich nicht fahren soll?“, fragte sie noch einmal nach.

„Nein, ich denke, dass mir frische Luft gut tun wird“, redete ich mich geschickt aus. Um ehrlich zu sein, wollte ich auch einfach alleine sein, aber das konnte ich meiner besten Freundin auch schlecht sagen. „Ich rufe dich dann später an, ok?“ „Ja.“

 

Der Wind war heute ziemlich stark, sodass ich meine Haare immer wieder hinter mein Ohr streichen musste, damit sie meine Sicht nicht versperrten. Der alleinige, lange Spaziergang würde mir bestimmt gut tun, sodass ich darüber nachdenken konnte, was in letzter Zeit so geschehen war.

Dann konnte ich auch ganz in Ruhe darüber nachdenken, wie es mit Alex weitergehen würde.

Sollte ich ihm doch lieber aus dem Weg gehen, sodass ich so wenig wie möglich mit ihm zu tun hatte? Oder sollte ich ihn solange nerven, bis er genug von mir hatte? Ich wusste es nicht, aber so oder so könnte es seinem Image schaden und ein Unmensch war ich auch nicht. Ich wünschte keinem Menschen der Welt, dass es ihm schlecht ging. Eher im Gegenteil, wenn ich könnte, würde ich ihnen immer helfen wollen, aber das ging leider nicht.

Zu allem Übel bekam ich Kopfschmerzen und atmete die saubere, feuchte Luft tief in mich hinein, um sie sogleich wieder auszuatmen. Mein Schulweg war ganz schön, wenn man den ständigen Lärm außer Acht lassen würde. Ich musste durch einen wunderschönen Park gehen, dessen Farben nun in einem schönen orange und braun leuchteten. Überall flogen Blätter umher, da der Herbst endlich da war.

Meine Lieblingsjahreszeit, da ich in Oktober Geburtstag hatte und somit bald volljährig werden würde. Bella hatte nur eine Woche früher als ich Geburtstag, erst jetzt fiel mir auf, dass ich immer noch kein Geschenk für sie besorgt hatte. Ich könnte mich umbringen, in zwei Wochen war es doch schon so weit!

Ich konnte von Glück reden, dass ich mein Geld heute dabei hatte und ich alleine war.

Bella liebte Schmuck mehr als ihre Haare, deshalb beschloss ich, ihr etwas Schönes zukaufen. Ich selber war auch ein sehr großer Fan von Armbändchen, aber ich hatte es nie jemanden wissen lassen.

Gemütlich schlenderte ich durch den antiken Schmuckladen und schaute mir jedes schöne Armbändchen genauer an. Nach nur kurzer Zeit hatte ich ein passendes Bändchen für meine beste Freundin gefunden. Es war mit kleinen Kristallen verziert und in der Mitte hing ein sehr kleiner Engel, der ein weißes Herz, in Form eines Kristalls, in der Hand hielt.

Wenn man ihn in das Licht hielt, reflektierte er in allen Farben, ich war hin und weg, als ich ihn sah.

Und das Schönste war, dass ich ihn mir für Bella leisten konnte, auch wenn ich kein Geld mehr danach haben würde, so würde ich ihr wenigstens eine Freude machen. Schnell ging ich zur Kasse und bezahlte eine Stange Geld, als ich mich zum gehen wandte, stockte ich jedoch, als ich ein wunderschönes Armbändchen sah, dessen Kristall in einer Herzform geschnitten war.

Doch als ich sah, wie teuer der das Armbändchen war, verschlug es mir den Atem. Er kostete bestimmt eine ganze Monatsmiete! Ich hatte erst mit den Gedanken gespielt, ihn mir zu kaufen, aber der Preis gab mir den Rest. Es war schlichtweg zu teuer.

„Du solltest dich lieber hinlegen und keine Hausaufgaben machen, Schatz“, meinte meine Mutter fürsorglich und stellte mir einen Tee auf den Schreibtisch, den ich ihr dankend abnahm.

„Nein, ich muss für die Prüfungen lernen, die stehen doch bald an“, erklärte ich ihr und schniefte in das Taschentuch. „Ich lasse dich morgen trotzdem nicht zur Schule“, meinte meine Mutter und stellte noch einen Teller mit Zwieback zu meiner linken Seite, den sie kurz davor in der Hand hatte.

„Und du wirst dich erst mal ausruhen und du hast eine Woche frei, hast du mich verstanden?“, meinte sie mit einem strengen Ton und ich wusste, dass ich die Debatte nicht gewinnen würde, wenn ich Contra halten würde.

„Na gut“, seufzte ich auf und legte den Kugelschreiber zur Seite, mit dem ich noch vor kurzem meinen Aufsatz für Geschichte geschrieben hatte. Ich hatte vor, mich ins Bett zu legen, aber ein Klingeln an der Haustür hielt mich aus meinem Vorhaben ab.

Unten angekommen, öffnete ich die Tür und stöhnte genervt auf, als ich sah, wer mich davon abhielt, schlafen zu gehen.

"Ein Schlag in die Fresse tut es doch auch, oder?"

 

„Alex, was willst du bei mir?“, fragte ich ihn genervt und strich mir ein paar verirrte Strähnen aus meinem Gesicht, damit sie mich nicht mehr nervten.

Seine blauen Augen schienen mich von oben bis unten durchzuscannen, ich musste mir sogar selber eingestehen, dass mich sein Blick ziemlich verunsicherte. Wen würde das denn nicht unsicher machen, wenn ein wunderschöner Junge dich förmlich mit seinen Blick durchbohrte?

„Hast du mich jetzt genug mit deinem Blick ausgezogen, oder wartest du noch darauf, dass ich mich in Kanisha verwandle?“, fragte ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen und versuchte meine raue Stimme wieder etwas besser klingen zu lassen. Ich wollte einfach nur ins Bett und mich ausruhen, aber nein, mein „Ach-so-toller-Freund“, musste ausgerechnet vor meiner Haustür aufkreuzen. Was wollte er überhaupt von mir?

„Kanisha?“, fragte er verwirrt und schaute mich komisch an. Ich wusste nicht, ob er die Wahrheit sagte, in dem er unwissend tat, oder schauspielerte er einfach so super? Ich war mir sicher, dass er nur log. Er wusste bestimmt, worüber ich sprach!

„Du weißt, was ich meine!“, fauchte ich ihn an und stemmte meine Arme in meine Hüften, um mir mehr Autorität zu verleihen.

„Ich weiß nicht, wovon du sprichst!“, fauchte er zurück und schaute mich wütend an.

Er hatte einen grünen Kapuzenpulli an, der seiner Augenfarbe sehr schmeichelte und eine schwarze, lockere Jeans an, die ihm ausgezeichnet stand.

„Und wie erklärst du mir dann das, was auf dem Schulflur geschehen ist? Wie du sie an dich gepresst hast und ihr dann bestimmt noch schmutzige und perverse Fantasien ins Ohr geflüstert hast?“, meinte ich nur mit einem gefälschtem, trockenem Lächeln.

Er schien zu überlegen und ich könnte wetten, dass da eine Lampe über seinen Kopf auftauchte, als er überrascht seine Augen aufriss.

„Das war nichts! Ich habe ihr nur etwas Witziges erzählt, da läuft nichts zwischen uns!“, wehrte er sich und gestikulierte wild mit seinem Arm rum.

„Ach und das soll ich dir jetzt einfach so glauben?“, fragte ich und schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen an, weil ich immer müder wurde und unbedingt ins Bett wollte.

„Sag mal, bist du eifersüchtig, Claire?“, fragte er mit einem arroganten Lächeln und schaute mich abwartend an.

Ich schluckte kurz, ehe ich antwortete. Ich glaubte, dass es jeder „Fake-Freundin“, nicht gefiel, wenn ihr „Fake-Freund“, mit einer anderen Frau flirtete und das dort, wo es absolut jeder sehen konnte.

Wer war da nicht eifersüchtig? Aber das musste er ja nicht unbedingt wissen.

„Nein, aber ich meine zu wissen, das wir eine ´Scheinbeziehung`“, das Wort fauchte ich extra laut, damit er es ja nicht vergaß. „führen, und das schlechte Presse für dich das Ende der Rolle bedeuten, nicht wahr?“, meinte ich und lächelte ihn zuckersüß an.

Er schien es jedoch anders zu sehen, wütend schaute er mich an.

Ich konnte erkennen, dass ihm meine Worte sehr missfielen, da er wissen musste, dass ich Recht hatte.

„Ich habe sie doch nicht geküsst, oder sie mitten auf dem Flur flachgelegt! Oder bist du sauer, dass nicht genau DAS geschehen ist?“, wollte er wissen und nährte sich mir einen Schritt. Sofort versteifte ich mich, als ein Bild in meinem Kopf auftauchte, wie er sie küsste.

Schnell wimmelte ich dieses Bild ab und schüttelte meinen Kopf, damit ich nicht mehr darüber nachdenken musste.

Schließlich konnte er lassen und tun was er wollte, aber nicht mitten in einer „Fake-Beziehung“, schließlich konnte man diese auch als richtige werten lassen.

„Es ist mir egal was du mit ihr machen willst, aber nicht dann, wenn du mich als jemanden darstellen lässt, den man hinter dem Rücken betrügen kann.

Wenn man herausfindet, dass du mir fremdgehst, dann...“, sofort fiel er mir ins Wort. „Ich gehe dir nicht fremd!“ Ich ignorierte seine Worte und redete einfach weiter.

„...dann denkt man auch, dass ich wertlos bin! Sollte das noch einmal geschehen, dann sei dir sicher, Freundchen, dann gehe ich zur Presse und erzähle allen, dass ich dir den Laufpass gegeben habe!“, sagte ich siegessicher.

„Das wirst du nicht, sonst...“, er ließ die Drohung in der Luft liegen.

„Sonst was?“, stichelte ich ihn weiter an und unterdrückte den Impuls zu husten.

Er sollte nicht sehen, wie schlecht es mir ging, er sollte einfach nur verschwinden und mich endlich schlafen lassen.

Konnte er doch jemanden flachlegen, er sollte es nur so tun, dass ich es nicht mitbekommen würde.

„Ist doch egal, ich bin dir nicht einmal fremdgegangen! Ist es jetzt etwa verboten, ein Mädchen zu berühren, ohne das jemand denkt, dass ich mit ihr etwas am Laufen habe?“, wollte er wissen und übertrat die Türschwelle.

„Können wir die Diskussion nicht auf irgendwann verlegen, damit ich endlich Ruhe habe?“, wollte ich genervt wissen und zeigte auf meine imaginäre Uhr. „Schließlich ist es schon sehr spät.“

Wenn ich mich recht erinnerte, war es gerade mal drei Uhr nachmittags oder auch noch etwas später.

„Lüg nicht, wir werden das hier und jetzt ausdiskutieren!“, sagte er und ich hörte an seiner Stimme, dass er keine Widerrede duldete.

Genau wie meine Mutter.

Plötzlich gähnte ich und ich sehnte mich immer mehr nach meinem Bett, warum hatte ich nicht vorher durch das Fenster geschaut, um zu wissen, wer geklingelt hatte?

Ich hätte doch einfach die Tür nicht aufmachen müssen und alles wäre gut gegangen!

Ich läge jetzt bestimmt in meinem Bett und würde bestimmt tief und selig schlummern, aber nein, ich war hier und hatte mal wieder Streit. Und das wieder einmal mit Alex, oh Wunder.

Manchmal könnte ich mich für meine eigene Dummheit erschlagen, dachte ich und legte stöhnend meinen Kopf in den Nacken.

Als ich das Schließen der Tür hörte, wurde ich sofort wieder hellwach und versuchte den Impuls, Alex eine zu Klatschen, zu verdrängen.

Das Risiko, dass er dadurch ins Grab kommen würde, war zu hoch und ich musste mich dann schließlich zuerkennen geben. Und für ihn wäre das auch peinlich, wenn dann in jeder Zeitung stehen würde, dass er an eine Ohrfeige gestorben war.

„Jetzt geh zu deiner Kanisha und nerv mich endlich nicht!“, meinte ich gepresst, konnte aber nicht in meiner Stimme verbergen, das diese Idee mir durch den Strich ging.

„Nein, sag mal, warum bist du so stur?“, seine Worte wurden immer leiser und ich hatte das Gefühl, dass er eher zu sich sprach, als zu mir.

„Alex, ich meine es ernst, ich fühle mich nicht gut, meinetwegen, du hast recht, also...kannst du jetzt gehen?“, fragte ich ihn und hob auffordernd meinen Arm um ihn noch einmal zu zeigen, wo die Tür war.

Er schien jedoch so auszusehen, als wolle er nicht gehen und mich mit seiner Gesellschaft aufmuntern zu wollen.

Willkommen Sarkasmus, dachte ich nur und verdrehte genervt meine Augen.

Er machte einem zielsicheren Schritt zu mir, und ich hielt unwillkürlich meinen Atem an, als ich mir seiner Nähe bewusst wurde.

Als er sich zu mir hinunterbeugte schluckte ich den Kloß in meinem Hals herunter, und wich einen Schritt nach hinten, traf jedoch nur auf die kalte, leblose Wand.

Warum musste sie ausgerechnet jetzt da stehen?

Er folgte mir und ich spürte wie seine Haare meine Stirn kitzelten und seine Nähe mir den Atem raubte.

Mein Herz fing doppelt so schnell an zu schlagen, ohne dass ich etwas dagegen machen konnte.

Meine Nackenhaare stellten sich sofort auf, als er sachte mit seinen Lippen die empfindlichste Stelle meines Ohres berührte.

„Du willst dir doch nur nicht eingestehen, dass ich dir mehr bedeute, als du denkst. Dass du nur eifersüchtig auf ein Mädchen bist, wenn sie bloß in meiner Nähe ist, nicht wahr?“, flüsterte er sachte und vernebelte meine Gedanken mit seinem betörenden Duft.

Mit einer Hand berührte er meine Taille und hielt mich somit zwischen sich und der Wand gefangen. – Es gab kein Entkommen.

„Nein“, meinte ich mit krächziger Stimme und verriet mich sofort damit.

Warum musste das ausgerechnet immer mir passieren?

„Du lügst“, meinte er und legte seine andere Hand auf meine Wange und zwang mich somit in seine Augen zu schauen, die mich wie zwei Kristalle anfunkelten.

„Du möchtest doch nur, dass ich nur dich küsse und keine andere, nicht wahr? Du willst nur, dass ich dir gehöre, Claire“, säuselte er und ich blieb mit meinen Augen an seinen Lippen hängen.

Wie sehr ich sie doch gerne...nein Claire!, rief ich mich zur Besinnung und schaute wieder in seine Augen, um ihm zu zeigen, dass ich nicht so einfach um den Finger zu wickeln war.

Ich war mindestens genauso gut wie er, wenn nicht sogar besser!

„Nein und jetzt gesteh dir doch endlich ein, dass dir alle nicht zu Füßen liegen!“, meinte ich mit einer kräftigeren Stimme, selbst ich hatte vergessen, dass ich eigentlich krank war und das es mir miserabel ging.

Kurz schien er überrascht zu sein, dass ich ihm standhielt, aber sofort fasste er sich wieder und ein süffisanter Ausdruck kehrte wieder zurück in sein Gesicht.

„Ach, dann stört es dich wohl auch nicht wenn ich das hier mache?“

Er fuhr mit der Hand, die an meiner Taille gelegen hatte, sachte immer höher und zog somit mein Shirt leicht mit hoch, ließ es jedoch wieder zurückfallen und legte auch diese an meine Wange, sodass er mich zwang, ihm zu gehorchen.

„Und das, nicht wahr?“ Und ehe ich es verhindern konnte, legte er seine Lippen auf meine und übte einen sanften Druck aus. Ohne dass ich darüber nachdachte, stöhnte ich leise auf und griff mit meiner Hand in seine weichen, wunderschönen Haare um ihn näher an mich zu pressen.

Ich klammerte mich an ihn fest, als gäbe es kein Entkommen. -Er war meine Stütze.

All meine Gedanken verschwanden, mein Kopf war wie leergefegt, es war, als wäre er hohl.

Der Kuss wurde immer leidenschaftlicher, sodass Alex mich gegen die Wand drückte und sanft hochhob, sodass wir ungefähr auf derselben Augenhöhe waren.

Ich umschlang mit meinen Armen seinen Nacken und öffnete sachte meinen Mund und ließ seiner Zunge Einlass. Mir schien es so, als würde ein Feuerwerk in mir explodieren und Alex war der Zünder, der nur darauf gewartet hat, mich anzuzünden.

Ich fühlte mich, als wäre ich frei.

Ich schlang meine Füße um seine Taille und konnte sein selbstgefälliges Lächeln spüren, dass sich auf seinem Gesicht bildete, als wir uns immer wieder und immer wieder küssten.

„Ich habe es dir doch gesagt“, hauchte er mir zwischen den Küssen zu, doch ich wollte nicht, dass er redete. Ich wollte ihn küssen und das für immer. Er sollte für immer mein sein.

Für immer, erschrocken riss ich meine Augen auf, als ich mir bewusst wurde was ich getan hatte...und gedacht hatte!

Ich hatte mir tatsächlich vorgestellt, ihn als Freund zu haben! Als richtigen Freund!

Schnell befreite ich mich aus der Position und taumelte ein paar Schritte zur Seite, um mir Freiraum zu verschaffen.

Ich war so dumm! Wie hatte ich das machen können? Ich war so eine dumme Pute! Ich gehörte in die Hölle!

Alex räusperte sich und ich schaute ihn bitterböse an, damit er nicht dachte, dass ich über diesen Überfall erfreut war. Er sollte wissen, dass ich ziemlich sauer war und er sich seiner nächsten Worte bewusst werden sollte.

Sollte er ein falsches Wort sagen, dann würde er wissen, was geschieht.

„Ich wollte dir jedenfalls nur die Hausaufgaben bringen, da deine Freundin sie nicht bringen konnte. Irgendein Typ war gekommen und hat sie auf ein Date eingeladen...“, erzählte er, ich fiel ihm jedoch scharf ins Wort.

„Ihr Freund“, verbesserte ich ihn. Er zog nur spöttisch seine Augenbraue hoch und erwiderte nichts auf meine Bemerkung.

„Also habe ich dir die Hausaufgaben gebracht, achja, ich sollte noch sagen, dass ihr morgen irgendeinen Test schreibt“, erzählte er mir.

Morgen? Ich war mir sicher, dass ich morgen nicht in die Schule gehen würde, meine Mutter würde mich nicht aus dem Haus lassen, da war ich mir sicher.

Aber das musste er ja nicht erfahren.

„War´s das?“, wollte ich erfahren und ich hoffte, dass dieses Gefühl auf meinen Lippen schleunigstens verschwinden würde.

Ich hatte immer noch dieses Verlangen, ihn an mich zu ziehen und ihn immer und immer wieder zu küssen.

„Ja“, sagte er mit einer rauen Stimme, aber ich konnte hören, dass er noch etwas anderes sagen wollte, schien sich aber wieder dagegen entschieden zu haben.

Zum Glück, bestimmt hätte das wieder nur zum Streit geführt.

„Ich...es...tschüss, wir sehen uns dann“, sagte Alex noch zum Abschied. Er legte die Blätter, die ich gar nicht bemerkt hatte, auf die Kommode und verschwand durch die Tür, als er mich verdutzt stehen ließ.

Was war plötzlich in ihn gefahren?

Ich schaute noch kurz die Tür an, durch die er gegangen war und schüttelte jedoch verwirrt meinen Kopf.

Ich hoffte jedoch, dass dies nur ein Traum war- und Alex nicht aufgekreuzt war. Es musste ein Alptraum sein, der einfach ziemlich realistisch war.

 

Mit Kopfschmerzen stieg ich in mein warmes, flauschiges Bett, das nicht einmal annährend an das von Alex rankam.

Ich war gerade dabei, in das Land der Träume zu gleiten, als mir etwas einfiel, ehe ich anfing zu lachen.

War ich nicht ansteckend? Lachend hielt ich meinen Bauch, er hatte es nicht anders gewollt. -Er hatte mich geküsst und nicht ich ihn.

Rache ist süß, werde schön krank, mein Lieber.

 

 

 

Was wäre wenn...es wäre wie es wäre, weil es so wäre?

-Teencash-

Eine Woche ist es schon her, dass wir das Mädchen von Alex Davis näher kennenlernen durften und man kann nur eines sagen,- das Mädchen hat Feuer unter ihrem Hintern! Nachdem sie sich letztens gewehrt hatte, als ein Fan von Alex sie beleidigt hatte, ging es rund. Beide sind sofort verschwunden, da stellt sich natürlich die Frage,-Wohin?-

Gerüchten zur Folge sollen beide auf das Anwesen von Alex verschwunden sein, aber sicher kann man sich nicht sein, da man beide auf einer exklusiven Party gesichtet haben soll.

„Ich kann Ihnen versichern, dass beide hier waren! Ziemlich komisch war jedoch, dass beide getrennt  waren, jeder tanzte mit jemand anderem!“, erzählte uns ein Besucher des Clubs.

Oho, scheint nachdem Ausbruch von seiner Freundin die Krise in Sicht? Sicher muss man sich sein, dass es heftig runter zwischen dem neuem Pärchen geht, es gibt kein Foto zwischen dem Paar, wo sie sich küssen, oder sind beide eher locker drauf und die Leidenschaft brodelt hinter all den Fassaden?

Man weiß es nicht! Aber man ist sich sicher, beide haben ein gemeinsames Geheimnis, nur welches?

-Bleibt dran, nächste Woche gibt es dann das extra Poster von Alex, mit einer signierten Autogrammkarte zu gewinnen!

 

Wütend zerknüllte ich die Zeitschrift und pfefferte sie in den Mülleimer, nachdem Bella mir den Artikel gezeigt hatte.

„Also...ich denke, ich sollte lieber nichts dazu sagen, oder?“, fragte sie mich zögerlich und trank von ihrer Cola, die ich ihr gebracht hatte. Wir saßen beide zusammen in dem Café meiner Mutter, da ich wieder gesund war und ich endlich meine Mittagspause hatte. Ich hatte es vermisst, meiner Mutter zu helfen, das Café war wie mein zweites Zuhause, ich konnte jede freie Minute hier verbringen, solange nichts und niemand meine Laune verdarb.

Und jetzt war meine wunderschöne Laune am Tiefpunkt angelangt, nachdem ich diesen bescheuerten Artikel zu Gesicht bekommen hatte.

Konnten sie mich nicht einfach fragen, was los war, oder mussten sie uns sogar hinterschnüffeln?

Mir war klar, dass es deren Job war, aber manchmal konnte man es auch übertreiben.

„Leidenschaft“, sicher. Alles war gelogen, wir hassten uns und nichts weiter!

Wir führten eine Scheinbeziehung! Ich hätte es am liebsten allen unter die Nase gerieben, damit sie nichts Falsches dachten.

Ich war genauso am Ende wie er, er musst das für seine Karriere tun und ich, weil ich genauso tief in der Scheiße steckte, wie er.

„Nein, sag einfach nichts, ich hoffe, das regelt sich irgendwann von alleine“, seufzte ich laut auf und lehnte mich mit meinem Rücken an die Stuhllehne.

„Wie wär´s, wenn du mal auf andere Gedanken kommst? Wir könnten doch endlich mal wieder etwas zusammen unternehmen, keine Party oderso, etwas...Schönes“, meinte sie enthusiastisch und ich horchte auf.

Ich konnte mich nicht mehr an das letzte Mal erinnern, an dem wir etwas zusammen unternommen hatten, wie lange war das nun schon her?

Wochen, oder sogar Monate? Ich konnte mich einfach nicht mehr daran erinnern, aber das war jetzt egal.

Sie hatte Recht, ich musste endlich auf andere Gedanken kommen und nicht immer in Selbstmitleid untergehen.

„Was hälst du von dem Vorschlag...ins Kino zugehen?“, fragte sie mich und schaute mir direkt in die Augen.

Ich schüttelte meinen Kopf, ich hatte gerade keine Lust, irgendeinen Film zusehen, der durch Schauspieler zu einem Hit geworden ist. -Schauspielerei erinnerte mich gerade zu sehr an meine schwere Zeit.

„Nein, lass uns lieber etwas schöneres machen.“

Sie schien kurz zu überlegen und biss sich auf ihre Unterlippe.

„Schlittschuhlaufen!“

„Schlittschuhlaufen?“, murmelte ich leise und überlegte kurz. Warum nicht? Die Eishalle war keine halbe Stunde von hier entfernt und wir könnten mit Bella´s Auto dorthin fahren.

Ich war froh, dass ich Schlittschuhlaufen konnte, ich persönlich liebte das Eis!

„Ok“, ich war einverstanden. Sofort fing sie an zu strahlen und klatschte sich begeistert in die Hände.

„Dann ist es ja entschieden, wir werden heute Schlittschuhlaufen gehen!“

 

„Oh Gott, ich habe ganz vergessen, wie schlimm es ist, die Schuhe zu binden!“, stöhnte ich auf und machte mich drauf, einen neuen Versuch zu starten und endlich diese Schuhe zuzubinden.

„Ich auch“, pflichtete mir Bella bei und hantierte mit ihren Schlittschuhen rum, die leicht rot-bräunlich waren.

Meine waren von einem schönem Blauton.

Nachdem ich meine Mutter um Erlaubnis gefragt hatte, waren wir sofort hierher gefahren und freuten uns darauf, endlich auf das Eis gehen zu können.

„Fertig!“, meinte Bella triumphierend und begutachtete noch einmal ihr Werk, dass sie mit den Schnürsenkeln angestellt hatte. Mühsam musste ich mein Lächeln unterdrücken, schließlich sah es bei mir nicht besser aus.

„Ich auch, komm, lass uns gehen“, sagte ich und stand etwas schwankend auf. Zusammen watschelten wir wie zwei Enten durch die Tür, um schließlich auf die Eishalle zu gelangen.

Die Temperatur empfing ich als angenehm, da ich mir noch einen dicken Pullover angezogen hatte, bevor ich aus dem Haus gegangen war.

Als ich die Eisfläche bestieg, torkelte ich am Anfang noch etwas, wurde aber immer sicherer und konnte schließlich mit beiden Füßen gerade stehen.

„Ich kann es immer noch!“, schrie Bella mir zu, als sie schon losgefahren war. Perplex schaute ich ihr nach, wie sie rasend schnell hin und her fuhr.

Es waren nicht viele auf der Bahn, vielleicht nur sechs weitere Personen, man konnte daher meinen, dass diese fast unbelebt war.

Hauptsächlich waren nur Pärchen hier und ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn ich hier mit Alex wäre und nicht mit Bella.

Wie wir zusammen Hand in Hand über das Eis schlittern würde, er mich immer an sich pressen würde, damit ich nicht stürzte.

Wie er mir einen Kuss auf mein Haar hauchte, um mir zu zeigen, wie sehr er mich liebte. Ich konnte mir nicht erklären, warum ich plötzlich eine solche Sehnsucht nach ihm hatte, aber mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als mir bewusst wurde, was ich unbedingt haben wollte, aber nicht bekommen konnte.

 

„Puh, ich kann nicht mehr!“, schnaufte ich auf und setzte mich auf die Bank, um mir eine Pause von alldem Laufen zu gönnen.

„Das war so toll! Ich möchte so gerne noch einmal!“, schwärmte Bella und ich konnte mir schon bildlich vorstellen, wie sie Eiskunstläuferin wurde -sie war fantastisch auf dem Eis.

„Bist du nicht mal müde?“ Verwundert schaute ich sie an, ich konnte kaum richtig atmen. Ihre Wangen waren leicht gerötet und erstaunt sah sie mich an. „Müde? Das war doch nichts!“

Ich schüttelte nur meinen Kopf und war gerade dabei, meine Schlittschuhe auszuziehen, als das Handy von Bella anfing zu klingeln.

Schnell fing sie an in ihrer Handtasche zu kramen und fischte ihr Handy raus, binnen Sekunden nahm sie an.

„Ja, ja! Ich bin gleich da!“, schrie sie fast schon ins Handy und ich sah den panischen Ausdruck in ihrem Gesicht.

Als sie aufgelegt hatte, fragte ich ich sofort: ,,Was ist passiert?“

„Scheiße, mein Freund, Taylor hatte einen Autounfall und er murmelt die ganze Zeit meinen Namen! Die Eltern von ihm haben mich gerade gefragt, ob ich schnell zu ihm fahren könnte um ihn beizustehen! FUCK! Kommst du alleine nach Hause?“

Ich nickte sofort, ich hoffte, dass ihm nicht allzu schlimmes widerfahren war.

Sie sah jetzt schon leicht verstört aus, da musste ich mich ihr nicht noch aufdrängen.

„Geh, ich komme schon alleine nach Hause, wir sehen uns dann morgen“, versicherte ich ihr noch, um meiner Entscheidung mehr Nachdruck zu verleihen.

„Ich liebe dich, wusstest du das?“

„Ja, und jetzt verschwinde endlich!“, forderte ich sie auf. Sie sprang in sekundenschnelle aus ihren Schlittschuhen, umarmte mich, schnappte sich ihre Tasche und rannte Richtung Ausgang.

-Da war sie, fort.

 

Mit schnellen Schritten, lief ich durch die spärlich beleuchteten Straßen, da mir die Gegend Angst machte. Sie strahlte etwas aus, was ich einfach nicht in Worte beschreiben konnte.

Sie schien mir gefährlich, besonders jetzt, wo es dunkel war und die Straße auch noch unbelebt war.

Es schien so, als wäre ich nur hier.

Ich hätte den Bus liebend gerne genommen, aber der fuhr leider nicht mehr gegen zehn Uhr abends und genug Geld für ein Taxi hatte ich nicht dabei.

Also musste ich mich einfach eine knappe Stunde durch die gruselige Gegend durchschlagen.

In solchen Momenten wünschte ich mir immer eine weitere Person an meiner Seite, die mich beschützte.

Einen Freund, der immer bei mir wäre und mich nicht loslassen würde.

Was wäre, wenn Alex mein echter Freund sein würde, würde er genau das sein, was ich mir sehnlichst herbeiwünschte?

Oder wäre er ganz anders? Viel grober? Ich glaubte nicht daran, irgendetwas schien in seiner Vergangenheit geschehen zu sein, dass er jetzt immer so fies zu mir war.

Ich denke nicht, dass Menschen grundlos permanent schlecht gelaunt waren und die Laune der anderen vermiesen wollten.

Nein, da steckte sicherlich eine Geschichte dahinter und ich würde bestimmt noch herausfinden, was wirklich hinter dem Alex Davis steckte.

Er war anders und das wusste ich.

 

„Süße, willst du nicht bleiben?“, erschrocken wirbelte ich zurück und schaute in zwei braune Augen. Schnell wich ich ein paar Schritte zurück, der Typ schien bestimmt eine schlechte Gesellschaft zu sein.

Ich konnte selbst von hier aus riechen, dass er bestimmt ziemlich viel getrunken haben musste. Ich könnte mich übergeben, das war einfach nur widerlich.

„Nein“, ich wollte weiterlaufen, schnell weg von ihm, aber er griff mit seiner rauen Hand nach mir und zog mich zu sich.

Vergeblich versuchte ich mich von ihm zu befreien, aber sein Griff war einfach viel zu feste.

„Ich bin zuversichtlich, dass wir unseren Spaß haben können“, raunte er mir ins Gesicht. Er konnte nicht älter als zwanzig sein, zu jung war seine Statur. Ich vermied es, ihm ins Gesicht zu sehen.

„Hab deinen Spaß doch mit anderen, aber nicht mit mir!“, zischte ich und  trat ihm auf die Füße.

Fluchend riss er sich von mir los und kümmerte sich um seine schmerzende Stelle. Hatte er davon.

„Ich kriege dich noch, du dämliche Schlampe!“ Fuchsteufelswild rappelte er sich auf und machte Anstalten wieder auf mich zu zurennen.

Ich hatte Angst, schreckliche Angst sogar.

Bevor ich auch nur realisieren konnte was geschah, wurde mein Angreifer in die andere Richtung gedreht und taumelte auch schon zu Boden, nachdem ihm jemand die Faust ins Gesicht geschlagen hatte.

Was, er war jetzt schon ohnmächtig? Jedenfalls schien es mir so, als er bewegungslos auf dem Boden lag.

Ich formte meine Augen zu Schlitzen, um zu schauen, wer mir in der Not geholfen hatte, -und erschrak.

Es war Alex!

„Ist dir klar, dass man hier nicht alleine rumlaufen sollte? Schau dir mal diese Gegend an, wer weiß, welche Typen hier rumlaufen! Schau dir den mal an, wer weiß, was er mit dir angestellt hätte, wenn ich nicht rechtzeitig da gewesen wäre!“, schrie er und fuchtelte wild mit seinen Armen rum.

Er trat den am Boden liegenden Mann an der Seite und ich befürchtete, dass ihm alles schmerzen würde, wenn er aufwachen würde.

„Ich...“, wollte ich ihm alles erklären, aber er ließ mich nicht ausreden, er nährte sich mir und es schien mir so, als wäre er ein gefallener Racheengel.

Seine schwarzen Haare lagen ihm verrucht auf der Stirn und standen zu allen Seiten ab.

Seine blauen Augen schauten mich wütend an. „Wieso machst du so etwas?“, fragte er tief einatmend und nahm mich in seine Arme.

Sofort durchströmte mich das Verlangen, ihn einfach nie wieder loszulassen.

Ohne zu wissen, warum ich das tat, vielleicht weil ich einfach viel zu verwirrt war, um zu wissen, was ich tat, legte ich meine Lippen auf seine und versuchte ihm mit dem Kuss zu zeigen, wie dankbar ich war.

- Dass er hier bei mir war.

Sag mal, bist du blind?- Du hast da einen Fleck übersehen, glaubst du, er geht von alleine weg!?

„Nein! So werdet ihr niemals ein gelungenes Theaterstück auf die Reihe bekommen! Ist es so schwer, sich einmal vom Text zu lösen und nicht alles so wiederzugeben, wie es dort geschrieben steht, sondern auch mal zu improvisieren, wenn man einmal nicht weiß, wie es weitergeht? Das ist doch ziemlich einfach, ihr sollt dann nicht wie eine Leiche dastehen, sondern einfach nur improvisieren!“, erklärte Alex ziemlich aufgebracht und strafte die auf der Bühne stehenden Schauspieler mit einem bösen Blick.

„Julia, wenn du keine Ahnung hast, was du machen musst, dann lauf rum und versuch zur Szene passenden Bewegungen zu machen! Und Romeo, wir sind hier nicht bei `Fack ju Göthe!`“, meinte er aufgebracht und schmiss sein Manuskript auf die Bühne.

„Nur weil du dich als Romeo toll findest und unbedingt Aufmerksamkeit willst, dann bitte mach das mit etwas Intelligenz, kapiert? Sag noch einmal „Julia du Fotze, ich will ficken“, dann schwöre ich dir, fliegst du hochkantig hier raus, aber davor kastrier ich dich, hast du das endlich geschnallt, oder willst du das auch noch schriftlich?“, redete er sich weiter in Rage und ich hatte Angst, um das Leben unseres Romeos.

Ich war mir sicher, dass er diesen Satz nur zum Spaß gesagt hatte, um etwas mehr Lockerheit in die angespannte Atmosphäre zu bringen. Alex schien jedoch kein Spaß zu verstehen und war sofort ausgetickt, er wollte unbedingt alles perfekt machen. Perfektionist. Seinen Posten als Regisseur nahm er ziemlich ernst.

„Alter, tick doch nicht gleich so aus!“, versuchte sich der vermeintliche Übeltäter etwas zu beschützen.

Ich war mir ziemlich sicher, dass das alles an Alex lag, wenn er nicht so spießig wäre, wäre alles leichter.

„Ich zeig dir gleich Alter!“, knurrte Alex wütend und ballte seine Hand zu einer Faust. Seine Armmuskeln waren ziemlich deutlich zu erkennen, sie waren zum Zerreißen angespannt.

„Ich zähle bis zehn und wenn ALLE bis dahin nicht verschwunden sind, können sie heute den ganzen Raum aufräumen!“, rief Alex laut durch den Raum, der eine super Akustik hatte. Ich schluckte meinen Kloß hinunter, als ich sah, wie die meisten schnell ihre Sachen packten und aus dem Raum liefen, als würde ein Löwe hinter ihnen her rennen. Kaum zu glauben, wie viel Angst sie vor Alex hatten.

„7!“, zählte er hinunter.

„Wir sehen uns später, besänftige ihn lieber“, nuschelte Bella mir ins Ohr, kurz erschrak ich mich, aber nickte dann. Das würde ich tun.

Als er bei 5 angekommen war, war auch sie schon aus dem Raum geeilt.

„4“, fuhr er fort. Es waren nur noch die beiden Oberstufenschüler auf der Bühne, die aber auch in Rekordzeit ihre Sachen schnappten und uns beiden alleine zurückließen. Die Tür fiel mit einem lauten Knall zu. Er wandte sich an mich und verengte seine Augen.

„2!“, fauchte er mir zu. Kurz erschrak ich mich über seine Abweisung gegenüber mir, aber versuchte mir jedoch einzureden, dass er nur sauer war, dass nicht alles nach Plan gelaufen war.

„1“, meinte er, doch ich nahm kaum wahr, wie er schon am Ende angekommen war. Im Raum war es totenstill, nur unser beider Atem raubte der Ruhe die Stille. 

„0.“ Seine wunderschönen, blauen Augen sahen mich mit einem intensiven Blick an. Ich hätte nur allzu gerne gewusst, was er gerade im Moment dachte. War er wütend auf mich, weil ich nicht wie die anderen weggerannt war? War er darüber erstaunt, dass ich es doch nicht getan hatte? Oder dachte er einfach nichts und wusste nicht, was zu tun war? Ich wusste es nicht, wollte es jedoch gerne.

Mit nur zwei Schritten war er mir so nahe gekommen, dass ich seinen betörenden Duft wahrnehmen konnte, der mich immer wieder aufs Neue in den Bann zog. Es war schwer sich davon loszureißen. Mit einer leichten Bewegung beugte er sich zu mir hinunter, sodass ich seinen heißen Atem auf meinem Hals spüren konnte.

„Wenn ich du wäre, würde ich lieber jetzt ganz schnell abhauen, das kann ziemlich schlimm enden...für dich“, hauchte er mir zu und ich vernahm ganz deutlich eine Drohung in seinen Worten.

„Ich habe keine Angst, Alex!“, flüsterte ich ihm ins Ohr und nahm nichts mehr weiter als uns beide wahr. Seine Präsenz, sein Ego, einfach nur ihn.

„Außerdem hast du doch gesagt, dass der Letzte dann den Raum putzen kann und das nehme ich gerne in Kauf...“ Und wie ich das tat, ich hasste aufräumen und ich kannte keinen Freiwilligen, der jemals dazu bereit wäre, den ganzen Staub von all den Kommoden zu wischen und was weiß ich noch. - Jetzt gäbe es ja eine, nämlich mich.

„Du bist ein Sturkopf“, hauchte er mir zu und lehnte seine Stirn an meine und schloss seine Augen.

Dies war einer der Momente, an dem es egal war, ob unsere Beziehung gespielt war, dass wir uns irgendwie hassten, aber irgendwie auch nicht. Es war auch vollkommen belanglos. Ich spürte ihm gegenüber etwas, was ich kaum in Worte fassen konnte. Vielleicht eine sehr tiefe Verbundenheit?

Nach einer kurzen Zeit, legte er seine rechte Hand an meine Wange, die förmlich unter seiner Berührung warm wurde und zwang mich mit einem sanften Griff wieder in seine Augen zu schauen.

„Sei doch nicht immer so eigensinnig, Claire. Hör auf an mich zu denken, ich bin nicht gut genug. Schau dir doch an, was ich alles schon angestellt habe. Ich habe dein Leben...ruiniert“, erklärte er mit rauer Stimme und schaute mich traurig an.

Wie kam er plötzlich auf dieses Thema zu sprechen? Und warum meinte er, dass er nicht genug war?

„Ich bin mir sicher, dass du Fragen hast, aber...ich bin noch nicht bereit dafür, sie dir zu beantworten. Sei bitte deswegen nicht sauer“, hauchte er so leise, dass ich ihn fast nicht verstanden hätte. Perplex nickte ich.

„Natürlich, lass dir soviel Zeit wie viel du brauchst, ich bin immer für dich da.“ So wie du es für mich warst, dachte ich.

Von der einen auf die andere Sekunde schlang Alex seine Arme um mich und zog mich in eine innige Umarmung die mir für kurze Zeit den Atem raubte, weil ich zu perplex war, um zu registrieren, was geschehen war. Doch als ich den Schauder verspürte, der mich immer überkam, wenn er mich berührte, entspannte ich mich wieder und erwiderte die zaghafte, dennoch besitzergreifende Umarmung. Mit einer sanften Bewegung strich er mir an der Seite immer auf und ab, ließ mich mit seinen Berührungen glauben, dass ich auf Wolke sieben schweben würde. Es war so schön von ihm angefasst zu werden, geküsst, angesprochen, angesehen...

„Habe ich dir schon einmal gesagt, wie stur du bist?“, fragte er, als ich mich geschickt aus seiner Umarmung wandte.

Ich überlegte kurz.

„Keine Ahnung, kann sein.“

„Dann weißt du es ja jetzt“, meinte er süffisant lächelnd und zog mich wieder an seine Seite.

„Glaubst du wirklich, du müsstest diesen schmuddeligen, stinkenden und dazu noch gruseligen Raum putzen?“, wollte er von mir mit einer erhobenen Braue wissen.

Irritiert schaute ich ihn an.

„Wie, meinst du damit, dass ich es doch nicht putzen muss?“

„Hättest du wohl gerne. Hier hast du einen Eimer mit Wasser, einen Lappen und einen Besen...wenn man ihn überhaupt noch „Besen“ nennen kann.“ 

Was für ein Arsch er doch sein konnte! Und ich hatte mir gerade eben Hoffnungen gemacht, diesen Raum nicht putzen zu müssen! Grummelnd und mit einem tödlichem Blick, der eindeutig an Alex gerichtet war, entzog ich ihm die Utensilien die er von irgendwo her hatte und sah nur noch den amüsierten Blick von ihm, als ich mich an die Arbeit machte. Das konnte ja was werden.


„Ich wäre dir sehr dankbar gewesen, wenn du mir wenigstens ein klitzekleines bisschen geholfen hättest!“, meinte ich ausgepowert und nahm noch einmal einen tiefen Schluck aus seiner Wasserflasche, die er mir wenigstens breitwillig auf meine Bitte hin überreicht hatte. 

„Aus Fehlern lernt man am Besten würde ich mal sagen. Nächstes Mal solltest du lieber einfach mal das machen, was ich sage, meine Liebe“, sagte er lächelnd, aber den Spott in seinen Augen konnte man kaum übersehen.

„Tze, das nächste Mal mache ich einfach nicht das, was du sagst!“, meinte ich stur. Kurz bildete ich mir ein, dass über seinen Kopf plötzlich eine leuchtende Lampe aufgetaucht war, wie das bei den Zeichentrickfilmen sehr oft der Fall war.

„Ach wirklich?“, wisperte er in mein Ohr.

„Küss mich, Claire.“ Kurz stockte mir der Atem, er wollte, dass ich ihn küsste?

„N...-ein“, hauchte ich leicht überrumpelt.

„Nein? Bist du dir sicher, ich glaube, ich habe mich verhört“, sagte er leicht spielerisch, während er meinen Hals mit sachten, dennoch wirkenden Küssen verwöhnte.

„Nein, habe ich...“, hauchte ich lauter, wurde aber dennoch unterbrochen, als er mich hochhob und an das Podest setzte, sodass ich auf ihn hinunterblicken musste.

„Ein Davis kennt kein „Nein“, meine Zuckerwolke.“

Zuckerwolke? Der Kosename ließ mich leicht erröten und ich verbarg meine Freude hinter meiner Fassade, die leicht anfing zu bröckeln. 

„Was hast du denn jetzt vor?“, wollte ich von ihm wissen und zerrte ihn an seiner Krawatte zu mir, die seinen Augen schmeichelte, welche mich verzückt anfunkelten.

„Lass dich überraschen“, sagt er und ich überbrückte die letzte Distanz zwischen uns, indem ich ihn noch kräftiger an seiner Krawatte zog.

Als seine Lippen die meinen berührten, war es um mich geschehen. Vollkommen aufgelöst schlang ich meine Arme um seinen Nacken und erwiderte den leidenschaftlichen Kuss. Mir wurde immer wieder kalt und zugleich heiß, als er mein Shirt leicht hochhob und er meine nackte Haut berührte. Ich stöhnte leise auf, seine Küsse waren einfach atemberaubend! Mit meiner Hand strich ich durch seine pechschwarzen Haare, vergrub meine Hand in ihr und verlangte nach mehr.

„Wenn ich könnte, würde ich viel mehr mit dir machen, dir zeigen, was es wirklich heißt, geküsst und berührt zu werden“, presste er stoßweise und schwer atmend hervor. Seine Worte ließen meine Bauchmuskeln zusammenziehen - seine Stimme und seine Worte waren Erotik pur.

Um das später machte ich mir keine Sorgen, ich dachte nur an das hier und jetzt. An ihn und daran, dass mein Herz drohte, jeden Moment aus meinem Brustkorb herauszuspringen. Er war eine Droge, meine persönliche Droge, nach der ich immer wieder verlangte.

„Jaaaaa, es ist wirklich nichts Schlimmes passiert! Ich musste nur diesen doofen Raum sauber machen, mehr nicht. Und ja, es ist WIRKLICH nichts Schlimmes passiert. Was? Hast du Drogen genommen? Ich dachte, du wärst clean? Jetzt mal ehrlich, wie wäre es, wenn wir morgen wieder reden? Ja, ist auch gut. Wir sehen uns morgen, ok? Ja ich dich auch!“, verabschiedete ich mich von Bella und legte erleichtert auf. Ich hatte jetzt wirklich keinen Nerv dafür mit ihr zu telefonieren und jede Einzelheit die zwischen mir und Alex geschehen war, musste sie nicht erfahren, nicht wahr? 

Ein kleines Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, als ich meine Lippen berührte und an die Küsse zurückdachte. Kaum zu glauben, was alles in der Zwischenzeit geschehen war.

Ich atmete genervt aus, als ich bemerkte, dass wir gerade mal sieben Uhr abends hatten und ich keine Ahnung hatte, was ich machen konnte. Hausaufgaben hatte ich zum Glück nicht auf, auch wenn das wirklich nur sehr selten der Fall war. Vielleicht jeden zweiten Monat, aber es war auch wichtig, wenn ich mein Abitur bestehen wollte. Fernsehen? Nein, darauf hatte ich keine Lust.

Mein Blick schweifte durch mein aufgeräumtes Zimmer und blieb an der Wand mit meinen Bildern hängen. Sofort wusste ich, welches Bild ich zeichnen konnte, um das letzte Stück auf meiner Wand zu füllen. Ich hatte Monate nach einem Motiv gesucht, aber nie ist mir eins eingefallen. Endlich, endlich hatte ich eines im Kopf!

Sofort griff ich nach einem Stück Papier, Kohle, und einem Wischstift und machte mich sofort an die Arbeit. Es fiel mir ziemlich schwer, jede Kontur zu zeichnen, Leben in das Bild zu bekommen, aber am Ende hatte ich es doch geschafft. Es hat mich ganze fünf Stunden gekostet, die an mir nur wie Sekunden vorbeigegangen waren. Aber es hatte sich alle Male gelohnt, ich war zufrieden mir dem Ergebnis.

Schnell setzte ich noch meine Unterschrift unter das Bild, schnappte eine Pinnnadel und heftete es an das letzte freie Stück, welches jetzt auch vollkommen war. Jetzt war meine Wand ganz. Und in der Mitte hing das Bild von dem Typen, an den ich langsam aber sicher mein Herz verschenkte. 

Dem Typen, der mir soviel Leid, aber genauso viel Freude bereitete.

Dem Typen, der einfach ein arrogantes Arsch, aber zugleich auch ein sanfter Engel war.

Dem Typen, der wunderschön war, auf einer grausamen Art, die einem das Herz aus dem Körper riss.

Ich wusste nicht warum, aber etwas sagte mir, dass mein herbeigesehntes Happy End eine Katastrophe werden würde.

Es hatte mit dem Typen zu tun, den ich liebte.

 

Pastell und Federn

„Du musst heute zu meiner Party kommen, was soll ich denn ohne dich machen?“, schmollte Bella und begleitete mich auf den Weg zu mir nach Hause, da wir heute nur drei Stunden hatten und es endlich Freitag war, sodass morgen endlich wieder Wochenende war. 


„Kann ich dir nicht einfach mein Geschenk geben und zuhause bleiben?“, fragte ich leicht hoffnungsvoll und schaute sie mit einem leicht verzogenen Gesichtsausdruck an.

„Nope, ich will dich heute auf meiner Party haben!“, blieb sie stur. „Schließlich komme ich auch zu deiner, nicht wahr?“, sagte sie neckisch. Ein Fragezeichen tauchte in meinem Kopf auf. „Ich feiere eine Party? Habe ich irgendwas verpasst?“


„Jetzt sei doch nicht so, du wirst volljährig! Das MUSS man einfach feiern!“, beteuerte sie mit Nachdruck und beschleunigte ihr Schritttempo etwas. „Aber ich kann mir das nicht leisten, schon vergessen? Meine Eltern sind nicht so reich wie deine...“, fand ich ein schlagfertiges Argument. Ha, jetzt konnte sie bestimmt nichts mehr darauf erwidern!
Aber ich wurde eines Besseren belehrt, als ich ihren Blick bemerkte, der mehr als ein tausendseitiges Buch für sich sprach.


„Du wirst die Party bestimmt nicht für mich zahlen! Oh, bloß nicht! Hast du eigentlich eine Ahnung wie teuer all das ist? Jaja, hast du, aber NEIN, du wirst sie NICHT für mich zahlen, hast du verstanden?“, sagte ich drohend und verdeutlichte es noch mehr, indem ich meinen Zeigefinger direkt vor ihre Nase hielt.
„Nope, es muss ja nicht so groß werden. Ich reserviere einfach einen Club als Location, dort kann man tanzen, knutschen, trinken...und auf der Toilette verschwinden, wenn du weißt, was ich meine“, sagte sie zwinkernd und ich verzog angewidert mein Gesicht, als ich mir bildlich vorstellte, wie sie und ihr Freund auf der Toilette verschwanden.


„So genau wollte ich nicht wissen, was du dann vorhast, Bella. Aber ich zahle jeden einzelnen Cent zurück, kapiert?“ Sie verdrehte nur ihre Augen. „Vergiss es und Ende mit der Diskussion. Komm, wir müssen noch zu dir um das Partyoutfit zu erstellen. Schließlich kannst du Alex ja nicht mit solch langweiligen Jeans unter die Augen treten...und was ist das? Hast du das Shirt von deiner Oma? Meine Güte, so bekommst du ihn ja niemals um den Finger gewickelt, an deinen Verführungskünsten müssen wir noch arbeiten!“, meckerte sie rum, während ich sie nur mit offenem Mund anstarrte. Was...was hatte sie gerade gesagt?


„Wie...wie meinst du das mit...verführen?“, fragte ich leise und konnte immer noch nicht registrieren, was sie gesagt hatte.
„Du weißt schon, mit ihm schlafen? Und jetzt sag nicht, du hasst ihn und willst ihn nicht mal berühren und blablabla, man kann doch schon aus der Ferne sehen, wie verknallt du in ihn bist und Schätzchen....“, erklärte sie mir, bückte sich zu mir hinunter und hauchte mir noch ins Ohr: ,,Ich sehe doch, wie Alex dich mit seinen Blicken verschlingt. Das sieht selbst ein Blinder.“


Sprachlos sah ich ihr dabei zu, wie sie sich meine Haustürschlüssel schnappte, die Tür öffnete und im Inneren des Hauses verschwand.
Seit wann war Bella denn so direkt geworden? Konnte man wirklich sehen, dass ich in Alex verliebt war? Wirklich?

 

„Okay, das geht wirklich nicht“, sagte Bella schon zum tausendsten Mal und warf das nächste Kleidungsstück auf den Haufen, der schon höher als ich war. „Hast du denn überhaupt keine Kleider?“, fragte sie verzweifelt und zog schon das nächste Shirt raus, um es nur wieder auf den Haufen zu werfen.


„Warte, es hat geklingelt“, meinte ich zu ihr und erhob mich. Unten angekommen, öffnete ich die Tür und sah niemanden. Nur das Häuschen gegenüber, eine Dame die mit ihrem Hund spazieren ging, aber niemanden sonst. Rasch schaute ich nach rechts und links, aber da war niemand. War das ein Klingelstreich gewesen?
Ich wollte gerade die Tür schließen, als ich ein Paket auf dem Boden liegen sah. Huch, wer hatte das dort hingestellt?
Schnell griff ich danach, schloss die Tür und lief wieder in mein Zimmer, um es mit Bella öffnen zu können. „Hast du dir was bestellt, ein Kleid?“, fragte sie hoffnungsvoll, doch ich schüttelte nur meinen Kopf. Sie wirkte enttäuscht. „Hat denn deine Mutter was bestellt?“


„Ich glaube kaum, außerdem steht mein Name auf dem Paket...“, meinte ich leicht zurückhaltend. 
„Glaubst du denn nicht, dass das ziemlich komisch ist? Vielleicht will mich einer von Alex` Fans tot sehen, zuzutrauen wäre denen alles...“, sagte ich und schüttelte leicht an dem Paket. Schwer war es nicht, außerdem...eine Bombe ist da bestimmt auch nicht drinnen. Vielleicht ein Giftgas? Oder irgendein Tier, das mich anfallen würde?

 


Mach dich nicht verrückt, Claire. Alles wird gut.


„Mach es auf, dann sehen wir ja, was es ist“, forderte Bella mich auf und wippte ganz unruhig auf und ab. „Mach du es lieber“, sagte ich und sofort griff sie danach.
Sie riss es förmlich auf und sofort wurden ihre Augen groß. „Wow“, hauchte sie völlig verzaubert. „Ich schätze, dass mit deinem Kleid für die Party hat sich geklärt“, sagte sie immer noch verzaubert.
„Was, warum? Ist da etwa ein Kleid drinnen?“, fragte ich sie, woraufhin sie mechanisch nickte und es hervorholte. „Hast du überhaupt eine Ahnung wie teuer das ist? Das Kleid ist ein Unikat, in Frankreich haben sich die größten Models um dieses Kleid geprügelt, um es wenigstens einmal berühren zu dürfen, um es sogar einmal LIVE zu SEHEN!“


„Ich verstehe nicht, wer sollte mir so ein Kleid...Alex!“ Er hatte doch einmal ein Paket abgeholt und wollte mir doch nicht sagen, was da drinnen war? Dieselbe Größe hatte das Paket jedenfalls. Ich war mir irgendwie ziemlich sicher, dass es von ihm war. 
„Ich wette, er hat gesehen, was für einen schlechten Klamottenstil du hast. Da kommt dieses wunderschöne Kleid ja zur richtigen Zeit! Und wenn er dich auf der Party sehen wird, dann wird er bestimmt sofort mit dir ganz schmutzige Sachen machen wollen...“, fantasierte sie sich in ihrem Kopf hinein.
„Ähm, ich schätze nicht. Vielleicht meint er eine ganz andere Claire, es gibt ja ziemlich viele mit demselben Namen... .“


„Jetzt werd nicht unrealistisch, und alle die Claire heißen, wohnen hier, oder etwa nicht?“, fragte sie sarkastisch und holte das Kleid zaghaft hervor, damit wir es beide in seiner ganzen Pracht erblicken konnten.
Selbst mir, die überhaupt keine Ahnung von Kleidern hatte, verschlug der Anblick einfach glatt die Sprache.
Es war in einem rosa Pastellton, der mit mehreren Schichten überlagert war, mit ein paar Glitzerpartikeln. An der Brust hatte es eine Herzform, sodass es ziemlich Figurbetont war. Von der Größe her ging es mir bestimmt nur bis zu den Oberschenkeln.
„Er will mir doch nur an die Wäsche!“, rutschte es aus mir raus. Frustriert stöhnte Bella aus, schnappte sich ein Kopfkissen von mir und warf es mir an den Kopf.
„Meine Güte, Claire!“ Stöhnend warf sie sich auf mein Bett und raufte sich die Haare. Hatte ich etwa was Falsches gesagt?

„Könnten Sie ihre Haare leicht hochstecken, sodass sie ihr leicht über die Schulter hängen? Und der Lidschatten sollte auch in einem Rosapastellton sein, das harmoniert dann alles so schön. Ach wie schön, dass wir dieselbe Schuhgröße haben, dann kann ich dir auch meine Schuhe ausleihen! Warte, in circa zwanzig Minuten bin ich wieder da!“, rief sie mir zu, ehe sie sich auf dem Weg zu ihrem Zimmer machte.
Ich konnte immer noch nicht fassen, wie reich die Eltern von ihr waren, dass sie eine riesige Villa besaßen, einen Butler, eine eigene Friseurin und noch ein paar Angestellte. Sie prahlte nie mit ihrem Geld rum und das war auch einer der Sachen die ich an ihr liebte.


Sie war schon seit klein auf immer bodenständig geblieben.
„Dann machen wir uns mal an die Arbeit, nicht wahr?“, fragte die Friseurin, die Fiona hieß und gerade mal um die dreißig Jahre war. Sie hatte mir schon seit ich fünf Jahre alt war, die Haare geschnitten, sodass ich den Friseurbesuch nie bezahlen musste. Die Villa hatte genug Platz für geschätzte 15 Personen, Bellas Eltern hatten mir tatsächlich einmal angeboten bei ihnen einzuziehen, jedoch hatte ich abgesagt, nachdem meine Mutter gegen das Angebot gewesen war. Sie hätte nichts, was sie ihnen hätte geben können.


Die Geste wäre einfach zu großzügig, so empfand ich das auch. Die Freundschaft zwischen meiner Mutter und ihren Eltern war jedoch immer noch sehr eng, auch wenn sie sich nicht jeden Tag sahen. Wenn sie Zeit hatten, ließen sie sich auch mal in unserem Café blicken.
„Ist das gut so?“, fragte Fiona mich und ließ eine Strähne an meinem Gesicht baumeln. Ich nickte. „Das sieht jetzt schon wunderschön aus.“


„Nicht das sieht wunderschön aus, Claire, sondern du siehst wunderschön aus“, meinte sie bestimmend, sodass ich unter ihrem Kompliment errötete.
Ich nuschelte ein „Danke“ und ließ die Prozedur über mich ergehen, die keine zwanzig Minuten dauerte.
„Hier bin ich wieder“, rief Bella und hielt die pastellrosanen High-Heels in die Höhe. „Und die Schuhe mit mir, ahhh! Claire, du bist wunderschön!“, quietschte sie und bedankte sich bei Fiona für das Wunder, welches sie wahrhaftig vollbracht hatte. Ich sah aus wie einer dieser Models, die für Schminke warben.
Ich fand mich selbst an diesem Tag wunderschön.


„Shawty! Heute ist Alex dran!“, klatschte Bella freudig in ihre Hände.
Ich biss mir nur auf die Unterlippe, mal schauen, was der Abend brachte...und ich hatte noch nicht geahnt, dass er nichts Gutes brachte.

 

„O mein Gott“, hauchte ich atemlos, als ich sah, in was meine beste Freundin sich verwandelt hatte. Sie sah aus...wie ein Pfau. Nur ohne diesen Schwanz am Ende, aber ihr Kleid bestand tatsächlich aus Pfauenfedern. „Psst, verrate niemanden, dass sie nicht echt sind“, flüsterte sie mir kichernd in mein Ohr, wohl sichtlich erfreut darüber, dass ich über ihr Auftreten sprachlos war.


Kaum zu glauben, dass die Party unter dem Motto „Extravaganz und Disco“ stattfand. Ziemlich komisch, aber so war ziemlich meine Bella. Was viele nicht wussten, war, dass „Disco“ auf Deutsch übersetzt „Ich lerne“ hieß, da es aus dem Lateinischem stand. Und das Witzigste an der ganzen Sache war, dass ihre Eltern dachten, dass die Party ziemlich freundlich und kultiviert werden würde.
„Bist du bereit?“, fragte Bella mich aufgeregt und ich nickte.
Eigentlich war ich es nicht, aber Augen zu und durch!

Achtung! Schuh im Anflug!

„Darf ich der bezaubernden Lady einen Drink ausgeben?“, fragte eine männliche Stimme säuselnd hinter meinem Ohr, während sich mir die Nackenhaare aufstellten.

Der Typ, der mich angesprochen hatte, war definitiv nicht Alex gewesen. Mit einem kurzem Dreh nach hinten, erhaschte ich den perfekten Ausblick auf die Person, die mich gerade gefragt hatte, ob er mir doch einen Drink ausgeben könnte. Meine Augen wurden groß, als ich sah, wer direkt vor mir stand. Seine Haare waren gewachsen, genauso wie er, und WIE er gewachsen war! Als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, war er praktisch noch ein Zwerg gewesen! Genauso wie ich, aber das war jetzt nicht wichtig. Seine grauen Augen schauten mich amüsiert an. Ihm war bewusst, dass ich ihn wiedererkannt hatte.

„George! Was ist mit dir geschehen? O mein Gott, du siehst einfach nur heiß aus!“, sagte ich lächelnd und wuschelte ihm durch seine weiche, braune Mähne.

Er stimmte lachend ein.

„Mensch, jetzt übertreib doch mal nicht. So heiß bin ich nun auch wieder nicht, aber schau dich mal an, kleine Zicke!“, stieß er pfeifend hervor.

Ich verdrehte nur meine Augen, als ich meinen alten Spitznamen von ihm hörte. Früher hatte ich wegen jeder Kleinigkeit rumgezickt, die er falsch gemacht hatte. Mag es nur eine falsche Betonung gewesen sein.

„Du bist doof! Immer noch ganz der Alte!“, schmollte ich und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, als ich sah, dass sein Jackett durchnässt war.

„Hat dir heute schon eine eine Abfuhr erteilt?“, fragte ich süffisant grinsend und suchte die Theke nach Servietten ab.

Als ich fündig wurde, schnappte ich mir welche und überreichte sie ihm. Dankend nahm er sie an und fing an sich abzutrocken, während er versuchte die Situation zu erklären.

„Ach was, ich hatte sie nur gefragt, ob ich ihr was ausgeben könnte, dann hat mich irgendso ein Spacko angerempelt, sodass meine Hand aus Versehen auf ihrem Arsch gelandet ist. Sie hat es falsch interpretiert und schwupps- Getränk meets moi“, murrte er.

„Dir ist schon klar, dass die Anmache ziemlich banal ist, schließlich sind die Getränke hier alle umsonst“, meinte ich klugscheißerisch.

„Aber soll dir recht geschehen sein, fremde Ärsche fasst man nicht an! Auch wenn die Hand aus Versehen drauflandet, was ich dir nicht abkaufe, sollte man doch immer eine Ausrede parat haben.“ 

„Du hast dich echt nicht verändert, Claire. Du bist immer noch dieselbe geblieben“, stöhnte er und gesellte sich auf den Platz neben mir.

Der DJ legte gerade eine neue Platte auf, sodass es wenigstens für fünf Sekunden still war. Der Club war brechend voll. Ich hatte Bella längst aus den Augen verloren, aber ich war mir sicher, dass sie sich mit ihrem Freund amüsierte, auf den ich hatte nur einen kurzen Blick erhaschen können.

„Sag mal, kennst du Taylor?“, fragte ich George nachdenklich.

„Du meinst den Freund von Bella? Ja, einer meiner besten Kumpels, tragisch, was mit ihm passiert war. Ich hatte echt gedacht, dass er nicht durchkommen würde. Er lag für kurze Zeit im Koma, aber hey, jetzt ist er wieder munter“, sagte er aufrichtig und gönnte sich einen Schluck von der Cola, die mir gehörte.

Tadelnd sah ich ihn an, er zuckte nur seine Schultern.

„Ich frage mich, warum Bella mir nichts davon erzählt hat. Sie war in der Eishalle nur aufgesprungen und wollte sofort zu ihm, als sie von seinem Unfall gehört hatte. Also ist sie los, aber mehr hat sie mir nicht erzählt...“, meinte ich nachdenklich.

„Oder, du hast sie einfach nicht nach Taylor gefragt?“ Ich stöhnte.

„Du hast Recht, ich war zu sehr auf mich fokussiert in letzter Zeit, dass ich vollkommen vergessen habe, Bella zu fragen, wie es eigentlich bei ihr und Taylor lief. Aber ich bin froh, dass er wieder munter ist“, seufzte ich bekümmert, als mir wieder vor Augen geführt wurde, was für eine schlechte Freundin ich doch war.

„Jetzt mach doch nicht so ein Drama raus, er lebt, beide sind glücklich und Bella liebt dich immer noch als beste Freundin! Jetzt hör auf so zu schauen, als ob es nur Regen geben würde! Siehst du da, schau mal hoch“, wies er mich an, ich folgte seinem Blick nach oben. Kniff jedoch die Augen zusammen, als ich nur das grelle Licht der Beleuchtung erblickte.

„Das ist die Sonne“, meinte er triumphierend.

„Du bist so ein Arsch“, sagte ich lächelnd und boxte ihm freundschaftlich gegen die Schulter.

Es tat gut, ihn wieder mal für eine kurze Weile bei mir zu haben.

„Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich vermisst habe?“, fragte er mich, ich schüttelte nur meinen Kopf.

„Sooooo sehr!“, meinte er und presste seinen Daumen und seinen Zeigefinger aneinander.

Ich lachte.

„Lüg nicht, du hast mich bestimmt unendlich vermisst!“ 

„Na gut, aber nur ein kleines bisschen“, meinte er nüchtern.

George war mal mein Nachbar gewesen, aber dann hatten sich seine Eltern entschieden, umzuziehen. Seitdem hatten wir keinen Kontakt mehr, da er und ich kein Handy besaßen, um Nummern austauschen hätten zu können.

„Bella hat mich eingeladen und nächste Woche steigt auch bei dir eine Party, wenn ich mich recht entsinne?“ 

„Bella will unbedingt, dass ich meinen 18. feiere, aber ich hasse Partys. Sie will alles zahlen“, erklärte ich ihm alles und nahm einen kräftigen Schluck von meiner Cola, die fast leer war.

Mein Blick schweifte durch die tanzende Menge, die ihren Spaß hatte. Einige Pärchen klebten mit ihren Lippen aneinander oder befummelten sich vor allen anderen. Ich hasste so etwas. 

„Dann sehen wir uns ja nächste Woche wieder, nicht wahr?“

Ich nickte.

„Sag mal, was ist an dem Gerücht mit diesem Alex Davis dran?“, wollte er interessiert wissen.

Ich holte tief Luft.

Was sollte ich ihm denn erzählen?

Dass ich mit ihm eine Schein-Beziehung führte, ich aber in ihn verliebt war und alles so unendlich kompliziert war?

Das ich nur seine Freundin spielte, damit er diese Rolle bekam?

Genau, was sollte ich ihm bitte erzählen?

„Wenn ich könnte, würde ich dir das erklären können, aber ich finde einfach keine Worte“, meinte ich bekümmert und meinte es auch so.

Die Situation war wirklich nicht in Worte zu fassen.

„Ich gebe lieber kein Kommentar ab“, sagte George knapp und dafür war ich ihm unendlich dankbar.

„Aber dieses Kleid zeigt, dass er echt eine ganze Stange Kohle hat, was auch ziemlich klar ist. Was glaubst du? Hat er mit der Designerin geschlafen? Das Kleid war eigentlich nicht zum Verkauf gestellt worden, es...“, erzählt er, aber ich unterbrach ihn.

„Ich habe es verstanden, kein weiteren Kommentar, bitte“, meinte ich abwehrend und hob schützend meine Hände vor meinen Körper.

„Aber wenn du schon von ihm redest, Bella hat mir gesagt, er wolle auch kommen, aber ich sehe ihn nirgends.“

„Ich auch nicht. Komm, lass uns an einen ruhigeren Ort gehen, langsam bekomme ich schon Kopfschmerzen.“

Ich nahm seinen Vorschlag dankend an. Tja Bella, dein Plan scheint wohl nicht aufzugehen. Und doch fragte ich mich die ganze Zeit, wo Alex steckte.


„Auch wenn es nicht viel leiser ist, dennoch ist es angenehm laut.“ Ich nickte und stimmte seiner Aussage somit zu.

„Sag mal, hast du eine Freundin, G?, fragte ich lächelnd und hob abwartend meine Augenbrauen.

„Was, willst du etwa Mein sein, nein, tut mir leid, ich bin Single und auch nicht für dich zu haben. Lass uns einfach nur Freunde...“, ich ließ ihn nicht aussprechen, sondern gab ihm nur einen Klaps auf den Kopf, um ihn davon abzuhalten, weiteren Stuss zu reden.

„Mein Gott, niemals würde ich dich als Freund haben wollen!“, meinte ich befreit.

„Du bist wie ein großer Bruder für mich, den ich nie hatte.“

„Und du wie meine dritte Schwester, die mir immer schön auf die Nerven geht, kleine Zicke.“

„Ich würde dich gerne in den Pool schmeißen, aber ich will nicht, dass er dann von dir verseucht wird“, neckte ich ihn.

„Ich dich auch, aber mir würde dann dein Kleid ziemlich leid tun“, meinte er bedauernd, als wir beide wieder ins Gelächter verfielen.

Nach kurzer Zeit holten wir beide wieder hechelnd nach Luft, mir tat jedenfalls schon der Bauch vom ganzen Lachen weh.

„Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte mal soviel gelacht habe“, meinte ich seufzend und hatte das Bedürfnis meine Füße in den Pool zu tauchen.

„Warte, halt mal“, forderte ich G auf, als ich ihm die geliehenen High-Heels von Bella in die Hand drückte und mich auf den Beckenrand setzte, um danach nur kurz darauf meine Füße in das kühlende Wasser zu tauchen.

„Habe ich dir schon einmal gesagt, wie ungewöhnlich du bist? Warte, das erinnert mich an die Sache von damals, als wir beide im Sandkasten gespielt haben. Man merke an, wie waren fünfzehn und eigentlich schon ziemlich reif. Sag mal, isst du immer noch Sand und denkst, es wäre gesund?“, wollte er wissen und ich vergrub vor Scham meinen Kopf zwischen meinen Händen.

„Warum musst du mich eigentlich immer daran erinnern?“, meinte ich frustriert und blickte kurz darauf hin in den pechschwarzen Himmel.

Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren und wusste nicht mal, wie spät es war. Ich schätzte gegen zehn Uhr abends war es bestimmt schon.

„Ich habe mir dich zu ärgern, als Lebensaufgabe ausgewählt, kleine Zicke.“

„Du bist ja so knuffig, G`“, ärgert ich ihn und kniff ihm in seine Wange.

Beleidigt rieb er sich die Wange.

„Wofür war das denn?“, schmollte er gespielt.

„Das weißt du ganz genau!“

„Jaja, sag mal, wer ist eigentlich das Paar, das dort die ganze Zeit in der Ecke rummacht? Das geht ja richtig zur Sache dort“, meinte er und zeigte in eine Ecke.

Neugierig folgte ich seinem Blick.

Ein Pärchen lehnte an einer Wand, während der Typ, wie ich erkennen konnte, war er schwarzhaarig und gut gebaut, dass Mädchen förmlich abknutschte. Anstatt einen anzuturnen, turnte das irgendwie einfach nur ab, es war widerwärtig mitanzuschauen. Das Mädchen, mit langen, braunen Haaren zog ihn, presste ihn förmlich an sich und hatte ihre Arme um seinen Nacken geschlungen.

Nichtsdestotrotz war ich ziemlich interessiert darin, zu erfahren, wer die beiden waren. Ich kniff meine Augen zusammen, um in der Dunkelheit wenigstens etwas mehr Details zu erkennen,- und bereute es sofort. Mir gefroren sämtliche Muskeln, als ich die männliche Person erkannte. Mein Atem ging flach und es viel mir schwer, mich auf eine Sache zu konzentrieren.

In dem Moment gingen mir einfach viel zu viele Sachen durch den Kopf.

Warum tat er das?

Hatte ich was falsch gemacht?

Hasste er mich?

War der Pakt wieder aufgelöst, hatte er seine Rolle bekommen?

Jetzt schon?

Auch wenn er sie hatte, so hätte er mir wenigstens bescheid sagen können!

Ich konnte förmlich spüren, wie die Wut plötzlich in mir aufkeimte, es fiel mir schwer, Alex nicht sofort umzubringen. Ich hatte gerade Mordslust, einen Menschen leiden zu sehen.

„Claire, was machst du da!“, schrie George mir zu, als ich auch schon aufgesprungen war.

Mit nur einem Ziel. Alex.

Meine Hand umklammerte meinen Schuh, nur um ihn keine Sekunde später, auf das knutschende Pärchen zu werfen. Perplex ließen sie voneinander los, als der Schuh nur knapp den Kopf des Mädchens verfehlte, die ich nicht kannte und auch noch nie gesehen hatte.- Glück für sie.

„Sag mal, spinnst du?“; schrie sie mich an und hielt immer noch die Hand von Alex umklammert, der mich tierisch wütend anfunkelte.

Wetten, dass er nur sauer war, weil ich diese „Ach-so-romantische-Stimmung“, versaut hatte?

„Hat dir jemand das Wort erteilt?“, fauchte ich sie an und hielt drohend den anderen Schuh in Angriffsposition.

Sie öffnete ihren Mund, schien es sich jedoch noch anders überlegt zuhaben und schloss ihn prompt wieder. Ihr tödlicher Blick entging mir dabei nicht. Mein Herz pochte wie noch nie, es war unvergleichbar. Ich war schon so lange nicht mehr so sauer gewesen, zuletzt, als mein Vater einfach verschwunden war.

„Und jetzt zu dir, mein Freundchen!“, spie ich Alex ins Gesicht.

„Wenn du schon mit einer deiner Schlampen rummachst, dann sag mir doch vorher Bescheid, ja? Dann darf ich meine Rolle auch mal für kurze Zeit ablegen und meinen Spaß haben, hast du verstanden?“, fauchte ich und knallt ihm noch eine, ehe ich mich auf Absatz umdrehte und so schnell wie möglich das Weite suchen wollte.- Weg von dem Szenarium, dass mich ganz zittrig machte.

Ehe ich mich versehen hatte, spürte ich die Tränen, die mir unweigerlich flossen.

Mein Herz war gebrochen, ich hatte doch gewusst, dass das Spiel ein schlimmes Ende nehmen würde.

Es traf immer mich.

In dem Land der vielen Träume

„Willst du mich eigentlich veräppeln? Erst sagst du, wir sollen ein auf „Happy Pärchen“ machen und dann gehst du mir sozusagen fremd! Und dann willst du mir echt weismachen, dass nichts geschehen wäre?“, rastete ich nun vollkommen aus. Der Typ hatte wirklich nicht mehr alle Tassen in Schrank! Er belog mich nach Strich und Faden! Eigentlich hatte ich vor, den Samstag in meinem Bett zu verbringen, ganz viel Eis und Schokolade zu konsumieren, aber ich hatte mich doch noch dazu aufrappeln können, aus dem Bett zu kommen, um die Situation nun vollends klären zu können,- hatte ich jedenfalls geglaubt.

„Ach was, wer ist mir fremd gegangen?“, schrie er mich zurück an und erstach mich mit seinen Blicken. Er stand direkt an seiner Küchentheke.

„Was soll das bitte bedeuten?“, gestikulierte ich wild umher. „Schließlich war ich nicht derjenige, der mit seinen Lippen an jemand anderem geklebt hat!“

„Ach was, wetten du hast noch viel mehr, als mit ihm rumgeknutscht, als ich nicht mehr da war und endlich meinen Spaß hatte, als reinzukommen und zu sehen was du machst? Du sahst meiner Meinung nach ziemlich geschmeichelt aus!“, fauchte er mich an. Man konnte förmlich spüren, wie die Temperatur im Raum sank. Mein Puls erhöhte sich bestimmt auf den doppelten Rhythmus. Ich war fuchsteufelswild sauer, auf den Kerl, der mir versuchte weis zu machen, ich wäre ihm als erstes fremdgegangen.

„Bist du doof? Ich habe doch nur mit George gesprochen, mehr ist da auch nicht geschehen, im Gegensatz zu dir und dieser Schlampe da!“

„Nenn Vale nicht Schlampe, schließlich steht die echte Schlampe direkt vor mir!“, zischte er mich laut an. -Boom. Er hatte mich getroffen. Ich hatte das Gefühl, dass mein Herz jeden Moment zu Porzellan gefrieren könnte und dann mit nur einem sachten Stoß in tausende Teile zerspringen würde. Ich war keine Schlampe und das wusste ich auch, aber trotzdem tat es weh, zu wissen, wie er wirklich von mir dachte.

Aber der Name Vale sagte mir etwas, ich hatte ihn bestimmt schon einmal in irgendeiner Zeitschrift gelesen...nur wer war das noch einmal?

Keine Sekunde später fiel mir der Groschen.

Vale war keiner geringere, als seine Ex.

Vale Ferendes.

„Ach, wenn ich eine Schlampe sein soll, dann bin ich halt eine. Im Gegensatz zu dir, laufe ich nicht wieder zu meiner Ex und treibe wilde Sachen mit ihr an der Wand- vor aller Öffentlichkeit!“, meinte ich provozierend. Vor Wut verzog er sein Gesicht, er ballte seine Hand zu einer Faust. Er rang mit sich.

Und zum ersten Mal hatte ich wirkliche Angst vor Alex.

„Ich habe nichts getrieben! Das warst ja mal du, vielleicht hast du dich ja mit ihm in eine Ecke gezogen und ihm es direkt besorgt?“, stichelte er weiter auf mich ein.

Mir fiel auf, dass er versuchte, keinen Augenkontakt zu mir aufzunehmen. Aber ich konnte sehen, dass ihn etwas bedrückte, es war nicht zu übersehen.

„Du bist ein Arschloch, Alex! Ein mieses, dummes Arschloch! Du bist ein Heuchler, ein Dummkopf...“, weiter kam ich nicht, denn da sprang Alex schon auf und ich spürte, wie ein brennender Schmerz sich über meine Wange zog.

Erstaunt und zugleich schockiert, torkelte ich ein paar Schritte nach hinten und hielt mir die pochende Wange.

Er hatte mir ins Gesicht geschlagen, er hatte mir wirklich... .

„Claire...“, hauchte er leise und vollkommen zerbrochen. „Es tut mir leid...“, aber da hatte ich mich schon auf Absatz umgedreht und schlug die Haustür hinter mir zu.

Ich wollte einfach nur noch weg von hier, weg von ihm. Ich hatte mich immer gefragt, warum Menschen immer von Fahrzeugen angefahren wurden, wenn sie in einen mentalen Schock hatten. Sie waren unzurechnungsfähig.

Und jetzt wusste ich, wie es sich anfühlte, von einem Fahrzeug erfasst zu werden, keinen Schmerz zu fühlen, sondern sich einfach zu wünschen, man wäre tot. Ich wusste, wie erlösend es war.

Bewegungslos am Boden zu liegen, die Augen zu schließen und sich zu wünschen, es wäre doch zu ende.

Alles wurde schwarz.

Es war zu Ende.

 

 *********

„Papa, ist das Kleid schön genug?“, fragte ich meinen Daddi und blickte ich mit Kulleraugen an. Ich hatte furchtbare Angst davor, was mich erwarten würde. In die Grundschule kam man ja schließlich nur einmal im Leben.

„Du bist eine wunderschöne Prinzessin“, meinte mein Daddi und nahm mich in seine kräftigen Arme, um mich noch einmal zu umarmen. Gleich, gleich würde ich einen großen Schritt in meine Zukunft wagen.

Zärtlich und behutsam stellte er mich wieder ab. Überall waren Eltern mit ihren Kindern, um ihnen noch viel Glück für den ersten Tag zu wünschen. Ich strahlte über das ganze Gesicht, gleich war es so weit!

Und wie auf Knopfdruck, klingelte es zur aller ersten Stunde.

„Viel Glück, mein Spätzchen“, wünschte mir auch nun meine Mutter, die genauso wie ich strahlte. Sie war wunderschön, wenn sie lächelte und ich wünschte mir, dass sie es auch für immer tun würde.

„Danke, Mama!“ Ich winkte ihnen noch zum Abschied, als ich auch schon zu meiner besten Freundin, Bella rannte. „Ich habe Angst“, flüsterte sie ganz hibbelig und fummelte an ihrer Schultasche.

„Ich doch auch, aber zusammen stehen wir das durch, nicht wahr?“, flüsterte ich ihr aufmunternd zu und drückte ihre Hand, um ihr zuzeigen, dass ich für sie da war.

„Ich auch für dich“, flüsterte sie zaghaft, sie hatte verstanden.

 

„Schaut doch mal da! Die neuen Erstklässler, sind sie nicht süß?“ meinte ein Drittklässler sarkastisch und fing an zu lachen, woraufhin die anderen mit einstimmten.

Ich funkelte den braunhaarigen Jungen an, der uns nur spöttisch anschaute. „Du warst doch auch einmal ein Erstklässler, nicht wahr?“, funkelte ich ihn wütend an. Sofort verstummte er und hob erstaunt seine Augenbrauen.

„Na sieh mal eine an, dafür, dass du so klein bist, bist du aber ganz schön vorlaut“, spottete er.

„Bin ich gar nicht!“, piepste ich . „Es ist nur unfair, dass du so fies zu uns bist, obwohl du genauso wie wir einmal warst!“ Wir waren draußen auf dem Schulhof, wo es ziemlich windig war. Ich hatte Angst, als ich sah, wieviele Kinder um ums herumstanden. Die meisten waren aus der dritten, oder sogar schon aus der vierten Klasse.

„Du solltest lieber ein wenig freundlicher zu mir sein, sonst könnte etwas schlimmes passieren...“, drohte der Junge mir. Seine braunen Augen leuchteten amüsiert auf.

„Was sollte denn schon passieren?“, fragte ich ihn unwissend.

Ich sah nur noch, wie er die Hand hob, jedoch gestoppt wurde, als er ausholen wollte.

„Hör auf, sie ist kleiner und jünger als du, Jonas!“, mahnte ihn ein schöner, schwarzhaariger Junge mit strahlend blauen Augen.

„Was geht dich die ganze Sache überhaupt an, Alex?“, fragte Joans ihn zickig und entriss ihm seinen Arm. „Lass mich in Ruhe und komm nicht noch einmal in meine Nähe!“, fauchte Jonas Alex an und verschwand direkt danach, nachdem er mir noch einen wütenden Blick zugeworfen hatte.

Nach und nach löste sich auch die Menschenmenge, sodass wir nur noch ungefähr fünf Leute waren.

„Ich habe deine Hilfe nicht gebraucht!“, bellte ich Alex wütend an und merkte, wie seine blauen Augen amüsiert aufblinkten. Mit verschränkten Armen schaute ich ihn an.

„Du kannst mir ein andermal danken, aber meine Eltern haben mir beigebracht, dass man Mädchen nicht schlägt“, belehrte er mich und ich mochte den Klang seiner Stimme. Sie klang melodisch.

„Und was würde passieren, wenn du jemals ein Mädchen schlagen würdest, wenn du sie lieben würdest, wie deine Mutter deinen Vater liebt?“, wollte ich plötzlich wissen. Ich wusste nicht warum, ich diese Frage gestellt habe, aber sie war mir plötzlich aus dem Mund gekommen.

Er schaute mich ernst an.

„Ich würde alles für sie opfern, um ihr Vertrauen wiederzuerlangen und fragen, ob sie mich heiraten will. Aber sag mal, willst du etwa von mir geliebt werden?“, fragte er süffisant und ich quiekte auf.

Sofort lief ich rot an und stammelte immer wieder etwas, ehe ich mit einem „Blödmann“ die Flucht ergriff und schnell wieder versuchte, ins Klassenzimmer zu kommen.

Ich war doch erst sieben Jahre alt!

**********

„Nein, bitte! Claire! Du musst aufwachen! Sei stark! Sei da, für deine Mutter, für Bella...für mich!“, weinte eine melodische Stimme und ich spürte, wie Tränen meine Wange hinunterkullerten. Es waren nicht meine, es waren die, der fremden Person. Sie waren warm und hinterließen eine kalte Spur. „Ich, es tut mir leid, es tut mir so unfassbar leid, aber bitte verlass mich nicht!“, schrie er und schüttelte meinen leblosen Körper. Wer war der Mann, wer war ich?

„Sir, wir müssen sie jetzt ins Krankenhaus bringen, bitte treten Sie weg“, forderte ihn jemand auf, aber er rührte sich nicht vom Fleck.

„Bleib bei mir, ich liebe dich doch“, hauchte er und ließ von mir ab.

Liebe? Was war das?

 

 *********

„Wetten, dass ich schneller bin?“, fragte ich Bella und erhöhte mein Lauftempo, Bella folgte mir nur knapp.

„Niemals!“, lachte sie und ich gab mein bestes, um als erstes im Park anzukommen, wo unsere Eltern auf uns warteten, um mit uns zu picknicken.

„Siehst du? Ich gewinne!“, schrie ich ihr zu und bog haarscharf um die Ecke, nur um sofort darauf gegen jemanden zu rennen. Verwirrt blinzelte ich ein paar Mal, um meine volle Sicht zu erlangen.

„Wir sehen uns!“, schrie Bella mir zu und raste an mir vorbei. „Hey!“, protestierte ich noch, schmollte aber dann kurz darauf, mein Sieg war mir gerade durch die Lappen gegangen!

Ich hechelte nach Luft, - der Lauf hatte mir ganz schön zu gesetzt - und schaute in zwei leuchtend blaue Augen, die mich fragend anblickten. Dennoch leuchteten sie amüsiert auf.

„Es tut mir leid, dass ich in dich gelaufen bin...“, entschuldigte ich mich stotternd, als ich sah, dass ein ziemlich süßer Junge vor mir stand, der bestimmt schon vierzehn war. Sofort fing mein Herz an zu rasen.

„Ach was, dafür braucht sich so etwas Schönes wie du dich doch nicht entschuldigen!“, schmeichelte er mir säuselnd und sofort lief ich rot an. Mein Blick war starr auf den schmutzigen Boden unter mir gerichtet, der nur danach schrie, gesäubert zu werden.

„Danke“, atmete ich lautlos und kaute auf meiner Unterlippe. Ich war ganz schön nervös!

„Alex, wir müssen!“, schrie eine Frau nach ihm, worauf er genervt die Augen verdrehte.

„Ja!“, antwortete er ihr noch ehe er sich zum gehen wandte.

„Sehen wir uns noch?“, fragte er mich, worauf ich meine Schultern zuckte. „Mal schauen, was das Schicksal so bringt“, murmelte ich berührt und winkte ihm noch zum Abschied, als er sich lächelnd von mir wandte.

Kurz bevor er noch um die Ecke verschwand, wohin auch immer, drehte er sich zu mir und gab mir noch ein letztes Lächeln- welches ich prompt erwiderte.

Es waren doch nicht alle Jungen Idioten, wie ich immer geglaubt hatte.

*********

 

„Claire, wenn du aufwachst, dann gehen wir jeden Tag shoppen, Eis essen und dann können wir endlich nach Australien fliegen, wie du es immer haben wolltest! Du wirst dann endlich diesen süßen Schauspieler kennenlernen, den du schon immer gemocht hast, weil er so toll war. Ich weiß immer noch nicht, was du an ihm findest, er ist bestimmt vierzig Jahre älter als du, aber ich verspreche dir, wenn du endlich wieder aufhörst zu träumen, fliegen wir in den Sommerferien dahin. Aber bitte, wach endlich nur auf“, meinte eine weibliche Stimme unendlich traurig, aber da wurde auch alles wieder schwarz.

Mir wurde das alles zu viel, es waren zu viele Stimmen, die ich nicht kannte.

 

"Es ist schön zu wissen, dass du kostenlos bist!"

Alex

„Denken Sie, dass sie noch eine Chance hat?“, fragte ich den Doktor, er schüttelte nur den Kopf. Ich hatte es gewusst, tief in meinem Inneren, hatte sich das Wort „Tot“ schon viel früher eingenistet. Ich hatte schon gewusst, dass sie es nicht überleben würde, aber es noch einmal zu hören, bestätigt zu bekommen, sie wäre nie mehr wieder am Bewusstsein, dass tat noch viel mehr weh. -Sie wäre nie wieder da.

„Es tut mir aufrichtig leid, aber aus dem Koma zu erwachen, wie es bei ihr der Fall ist, ist schier unmöglich“, erklärte er mir bedauernd. „Worauf wir nur hoffen können, ist ein Wunder, aber diese geschehen fast nie.“

Ich schloss meine Augen, um tief Luft holen zu können, ohne in Tränen ausbrechen zu müssen. Meine Augen brannten, schrieen nach Erlösung, mein Herz war gebrochen, - diese Situation, alles war meine Schuld und ich konnte nichts tun, um alles rückgängig zu machen.

„Wenn in den nächsten drei Wochen nichts geschieht, müssen wir die lebenserhaltenden Geräte ausschalten“, sagte er, ehe er sich verabschiedete und mich alleine ließ. Mit einem dicken Kloß im Hals, schnappte ich mir einen Stuhl und setzte mich direkt neben Claire, - die ständigen Geräusche, die von den verschiedenen Geräten ausgingen, ignorierte ich gewissenhaft. Meine Augen ruhten lange auf ihrem wunderschönen Gesicht, das sich immer gerötet hatte, als wir uns angeschrieen haben. Ich vermisste, ihre wunderschönen grünen Augen, die mich angefunkelt haben, als ich mal wieder das typische Arschloch gewesen war.

Ich hatte sie seit der dritten Klasse nicht vergessen können, sie war so süß und als ich sie mit vierzehn Jahren wieder getroffen hatte, war ich wie vom Donner gerührt gewesen! Sie war so unwissend in mich hineingerannt, war errötet und hatte mehrmals angestammelt. Ich wollte sie nicht mehr aus den Augen lassen, aber dann hatte ich sie ja wieder gesehen, - in der Gasse. Das musste einfach Schicksal gewesen sein und das, was wegen mir geschehen war, war einzig und alleine meine Schuld. Nicht zu vergeben, dafür verabscheute ich mich.

Wieder blickte ich auf ihren Kopf, der eine große Verletzung aufwies, die hinter den weißen Verbänden versteckt war, um sie vor Infektionen zu schützen.

Ich berührte sachte ihre Hand, die neben ihr ausgestreckt lag und verschränkte meine Hand mit der ihrer.

Sie zog sie nicht zurück, wie auch? Sie war eiskalt, es war, als wäre sie schon längst tot.

Mir hatte der Arzt gesagt, sie würde jedes Wort von mir hören können, aber nichts erwidern können, oder eine Reaktion vermitteln können.

Sie war wie eine Statue. Ich holte tief Atem, um ihr zu erzählen, was ich zu erzählen hatte.

„Ich weiß, du hasst mich jetzt, aber das, was ich dir angetan habe, werde ich mir nie wieder verzeihen. Du kannst mich dafür hassen, was ich angestellt habe, du kannst mich ruinieren, wenn du willst, du kannst wirklich alles machen, aber vergiss nie, dass ich...dich liebe, wirklich für immer lieben werde.

Ich weiß nicht, kannst du dich nicht mehr erinnern? Die Zeit im Kindergarten, als Jonas einmal wieder den bösen Bubi spielen wollte?“, fragte ich sie rhetorisch und ein kleines Lächeln zierte mein Gesicht. Es tat gut, sich an die alte Zeit zu erinnern.

„Du warst so süß und später, ganze fünf Jahre später warst du einfach bezaubernd...ich weiß nicht, vielleicht wäre alles ganz anders gelaufen, wenn ich nicht zu diesem Vorsprechen gegangen wäre? Meine Mutter mich nicht gerufen hätte? Ich bin mir sicher, ich hätte dich nach einem weiteren Treffen gefragt, jetzt habe ich alles zerstört. Das mit Vale war wegen dem George, ich hatte wirklich gedacht, ihr hättet etwas am Laufen gehabt“, erzählte ich ihr und holte tief Luft.

„Er war bei mir, direkt einem Tag nach deinem Unfall, er hat mir alles erzählt und das mit Vale...es ist unverzeihlich, genauso wie ich dich immer beleidigt habe. Ich war so dumm...“, flüsterte ich niedergeschlagen und ließ meinen Tränen freien Lauf.

„So dumm... .“

 

„Nein Sir, ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass ich das nicht mehr machen möchte“, erklärte ich Giovanni Pastellos nochmals. Er schaute mich immer noch verwundert an. „Aber Alex, das ist eine einmalige Chance! Du könntest in ganz Europa berühmt werden und nicht nur international! Das ist garantiert!“, versuchte er nochmals verzweifelt mich vor einem Rücktritt zu bewahren. Ich schüttelte wieder nur meinen Kopf. Wie konnte ich den Film noch drehen wollen? Das ging einfach nicht. „Nein, Giovanni. Das geht wirklich nicht, lass in dem Film lieber Justin oder Finn spielen, ich kann das leider nicht mehr“, bestätigte ich nochmals. „Wirklich nicht?“, fragte er ganz niedergeschlagen nach. „Wirklich nicht“, antwortete ich dem Italiener, der nur geschlagen seine Schultern sinken ließ.

„Was kann ich noch dagegen machen? „Nichts.“

„ Alex, es war schön, dich kennengelernt zu haben. Vielleicht ein andermal?“, fragte er mich und ich nickte daraufhin.

Vielleicht würde ich ihn im Leben noch einmal sehen, aber das glaubte ich kaum.- Hier hatte alles angefangen, also würde hier auch alles enden.

 

„Alex, das kannst du doch nicht machen! Hat dir unser Kuss denn überhaupt nichts bedeutet?“, schrie Vale vollkommen aufgelöst und griff mit einem festen Griff nach meiner Hand. Sie verstand einfach nicht, ich wollte sie nicht!

„Glaubst du wirklich, ich habe es ernst gemeint mit dir, als du mich das letzte mal nach Strich und Faden belogen und betrogen hast?“, fauchte ich sie an und entzog mich ihrem Griff.

„Du hast mich doch auf der Party angemacht und nicht verkehrt herum, und das mit letztem Mal war ein Versehen gewesen!“

„Versehen! Natürlich!“, meinte ich sarkastisch und schnitt eine Grimasse. „Mit jemandem, den man besten Freund nannte, im Bett zu landen und das dann noch in meinem Zimmer, natürlich war das nuuuur ein Versehen!“, sagte ich angriffslustig. „Du hast mich doch geliebt und ich liebe dich immer noch! Warum kannst du der Schlampe verzeihen und mir nicht?“ Wütend funkelte ich sie an. Sie hatte sich in letzter Zeit rapide verändert. Sie war hässlicher geworden, ihr Charakter zumindest. Sonst sah sie noch wie früher aus, nur dass ihre braunen Haare ein wenig länger geworden waren.

„Du warst nur hinter meinem Geld her...und hinter Dean, ist das nicht offensichtlich? Im Gegensatz zu dir hat sie es ernst gemeint, du dummes Gör!“, verteidigte ich Claire. Vale war ein schrecklicher Mensch, mir tat der Typ, der sie jemals abbekommen würde, unendlich leid, aber vielleicht war er im innerem genauso schlimm wie sie? Wer wusste schon.

„Als ob, wer würde es schon mit dir ernst meinen? Fick dich und weiß du was? Ich wünsche der Bitch den Tod, möge sie verrecken und du endlich einsehen, was du auf dieser Welt anrichtest!“, schrie sie mit voller Inbrunst und schlug die Tür hinter sich zu.

Ich war wütend, auf sie, auf mich, auf alle Menschen auf dieser Welt. Warum musste auch immer mein Leben aus den Fugen geraten?

War der Preis dafür zu hoch, einmal ein wunderbarer Star zu sein, der das machen konnte, was er liebte?

Schauspielern.

 

 

Auch zwei Tage später besuchte ich Claire und fand ihre Mutter im Wartezimmer- weinend. Ich brachte es kaum übers Herz, nicht zu ihr zu gehen und ihr beizustehen, schließlich war ich derjenige, der ihrer Tochter diese  ganze Situation eingebrockt hatte.

Sie sah aus, als hätte sie drei ganze Nächte durchgemacht, ohne einmal mit der Wimper zu zucken, vielleicht hatte sie das wirklich?

Ich atmete zwei Mal tief ein und aus und steuerte direkt auf Claires Mutter zu.

„Miss Harris, es tut mir aufrichtig...“, setzte ich an, wurde aber indem unterbrochen, dass sie mir um den Hals fiel und mich fest an sich drückte. Perplex schaute ich ihr erstmal auf den Kopf, ehe ich ihre Umarmung auch erwiderte, die förmlich nach Halt schrie. Wir standen noch eine lange Zeit so, ehe sie mit weinerlicher Stimme anfing, zu sprechen:,,Sie hat dich geliebt, das war unübersehbar, warum musste das geschehen, warum?“ Sie fing wieder an zu schluchzen und ich drückte sie noch fester an mich. „Es tut mir leid, es war alles meine Schuld...“, fing ich trocken an und schaute ausdruckslos an die weiße, kahle Wand im Wartezimmer. „Du bist an gar nichts Schuld, niemand ist an diesem Unfall schuld, alles kommt, wie es kommt, aber ich verstehe nur nicht, warum es meine Claire sein musste!“, sagte sie untröstlich und begann wieder zu schluchzen.

„Ich war gerade beim Doktor, ihr Zustand hat sich verschlechtert, ihr Herz schlägt langsamer als zuvor, vielleicht überlebt sie die nächsten zwei Wochen nicht mehr“, weinte sie sich bei mir aus und fing an, unkontrolliert zu zucken. Mir stockte der Atem. Das durfte nicht geschehen, ich konnte Claire nicht verlieren. „Ich verspreche ihnen, ich tue alles, was in meiner Macht steht, um sie zurück ins Leben zu holen“, versprach ich ihr und versuchte wenigstens, nicht selber die Fassung zu verlieren.

 

Ich legte die rote Rose zu den anderen in die Vase, die in ihrer schönsten Pracht blühte. Ich brachte ihr jeden Tag mehrere mit, damit auch in schlechten Zeiten, etwas Schönes in Raum Platz fand. Das Krankenzimmer war recht schmal und auch sehr spärlich eingerichtet. In der Ecke stand nur ein Schrank, der mit ihren Klamotten befüllt war.

Ich schnappte mir wie auch die anderen Male meinen Stuhl und setzte mich an ihre Seite um ihr von meinem Tag zu berichten.

 

*********

„Es war einfach furchtbar Vale wiederzusehen, ich habe wirklich sehr mit mir ringen müssen, sie nicht gleich persönlich aus dem Zimmer zu schmeißen, denn du musst wissen, sowas wie sie verdient wirklich nur das Letzte. Du würdest sie nicht mögen, ich kann mich wirklich nicht erinnern, was ich an ihr gemocht habe“, erzählte mir die melodische Stimme, wie sooft. Ich liebte den Klang, er kam jeden Tag, um mir zu erzählen, wie schlimm sein Tag war, wie sehr er mich vermisste und wie schrecklich leid ihm alles tat. Es fiel mir schwer, ihm nicht antworten zu können, ich wollte unbedingt wissen, wer er war und warum er das alles sagte. Doch immer wenn er mehr sprach, rührte sich etwas in mir, aber trotzdem erschien mir kein Bild vor meinen Augen. Es blieb alles wie sooft schwarz, nur seine Stimme war in mir zu hören.

„Um ehrlich zu sein, ich möchte keinen Gedanken mehr an sie verschwenden, sie ist es nicht wert. Und du glaubst mir nicht was ich getan habe! Ich habe Giovanni gesagt, dass ich die Rolle nicht mehr haben wolle und er sie einem anderem geben könnte. Du hättest einmal seinen Gesichtsausdruck sehen sollen! Ich sag`s dir! Schockiert war er!“, erzählte er in seinem Element, verstummte aber schlagartig. „Ich wünschte, du könntest es sehen, aber Claire, bitte, ich weiß nicht, ob du mich wahrnimmst, aber bitte, bitte gib doch ein Lebenszeichen von dir! Sonst...“, es herrschte kurz Ruhe, ehe er weitersprach. „Sonst schalten sie die Monitore ab und du würdest alle Personen niedergeschlagen zurücklassen, bitte Claire, kämpfe.. .“

Claire, ich hieß Claire, aber ich verstand nicht, warum er unbedingt wollte, dass ich am Leben blieb.

Ein Gefühl sagte mir, dass nichts auf mich warten würde, wenn ich überleben würde, aber mein Verstand wollte, dass ich weiterkämpfte und stark blieb.

Nur wusste ich nicht, was richtig oder falsch war.

Gefühl, oder Verstand?

 

 

 

 

 

Das liegt außerhalb meines Relevanzkorridors!

3 Wochen später

 

„Claire, bist du dir sicher, dass du nichts brauchst? Keinen Kakao, keinen Tee, nicht doch noch eine weitere Decke?“, fragte meine Mutter abermals besorgt. „Der Arzt hat gesagt, du brauchst Ruhe, denkst du nicht, dass es besser wäre, wenn du den Fernseher ausschaltest?“ Ich seufzte wie sooft in letzter Zeit und schloss kurz die Augen, nur um sie kurz darauf wieder zu öffnen.

 

„Nein Mum, es geht mir gut. Ich denke es ist sogar besser, wenn du dich mal ausruhst. Wie gesagt, ich bin ok und möchte gerne weiter schauen“; sagte ich und zeigte auf den Fernseher, der im Wohnzimmer stand. Meine Mutter zuckte die Schultern und gab es auf mich weiter zu verwöhnen. Mit einem genuscheltem „Übertreib es nicht“ verließ sie den Raum und ließ mich endlich alleine.

 

Manchmal konnte sie echt nerven, dennoch liebte ich sie so wie sie war. Ich versuchte keine Gedanken an den Unfall zu verschwenden, und dennoch, immer wieder erschien mir die Szene, wie das Auto auf mich zugeschossen kam und mich traf, vor meinen inneren Gedanken.

Das Problem war, dass ich nicht wusste, was danach geschehen war. Der Doktor hatte mir gesagt, dass ich drei Wochen im Koma gelegen hatte und es ein Wunder war, dass ich wieder aufgewacht bin.

Und immer wenn mir einer mit dem Namen „Alex“ kam, hatte ich nur ein riesiges Fragezeichen über meinem Kopf schweben. Bella hatte mir erzählt, dass ich vor dem Unfall einen furchtbaren Streit mit ihm gehabt hätte, aber wie konnte ich mit einer fremden Person streiten bzw. gestritten haben?

- Das ging doch nicht! Ich wurde einfach von dem Auto angefahren, weil ich nicht auf den Verkehr geachtet hatte. Einen Alex kannte ich schlichtweg einfach nicht.

„Und wir alle warten gespannt auf ihn! Vielleicht bekommen wir heute eine Antwort darauf, warum er seine Filmrolle hat schmeißen lassen?“, sagte die Moderatorin und erzählte noch ein paar uninteressant Kleinigkeiten. Ich hasste den Promiklatsch. Ein Promi hier und ein Promi hier. Leid taten sie mir schon, aber sie haben sich ihren Wunschberuf ausgesucht und nicht ich. Da konnte ich wohl meine Meinung geigen, wenn sie rumheulen, wenn sie meckern, warum ihnen immer einer nachlief und Fotos schoss.

„Alex Davis, meine Lieben, ist gerade eben angetroffen!“, schrie sie über den Lärm hinweg und ich fischte mir gelangweilt ein paar Gummibärchen aus der Tüte. Hatte dieser Alex etwas mit mir zu tun? Ich schüttelte meinen Kopf, nein, bestimmt nicht. Warum sollte ich mit einem Prominenten befreundet gewesen sein?

Ich wechselte den Sender und gab mich mit einer Komödie zufrieden.

Der unbekannte Alex war vergessen.

 

 

„Lieber Schokolade, oder Vanille?“, sprach Bella mit sich selber und betrachtete die Speisekarte, die sie in ihrer Hand hielt. „Ich tendiere für Schokolade, aber Vanille ist auch so eine zuckersüße Verführung“, seufzte sie und lehnte sich erschöft zurück. Was auch klar ist, nach dieser endlos langen Shooping-Tour, ein Wunder, dass ich nicht wieder in Koma gefallen bin.-Die Ironie lässt grüßen.

„Ich bestelle mir Vanille und du dir Schokolade, ok? Du kannst dich gerne mal bei mir bedienen“, sagte ich breitwillig. Sofort strahlte sie über`s ganze Gesicht und nahm meinen Vorschlag dankend an. Ich winkte nur ab, wenn es nur ein paar Kleinigkeiten waren, die sie glücklich machten, war ich auch fröhlich. Ich räusperte mich kurz.

„Also, du weißt doch, dass ich keine Ahnung mehr habe, wer dieser Alex ist, von dem du immer in der letzten Woche gesprochen hast, oder?“ Sie nickte steif und ich sah, wie sie ernst wurde.

„Könntest du mir...bitte mehr über ihn erzählen? Was für eine Beziehung wir zueinander hatten, wie er so war...?“, bat ich sie.

„Na klar, mache ich das!“, rief sie und zögerte nicht, ehe sie anfing zu erzählen:,, Alex, wie der so ist, naja. Lass mich das mal kurz zusammenfassen., Er ist ein Arschloch, ein Egoist, jedoch die verständnisvollste und aufrichtigste Person die ich kenne. Von außen hin zeigt er, dass er unverletzlich wäre und hasst es, wenn man ihm widerspricht. Wenn man ihn jedoch näher kennenlernt, merkt man, dass da weitaus mehr ist. Du hast dich echt jedesmal mit dem Typen gestritten und dich immer über ihn hergemacht! Aber weißt du was?“, fragte sie mich und ich schüttelte wie mechanisch meinen Kopf.

„Irgendwie war nicht zu übersehen, dass ihr beide euch geliebt habt. Na klar, hat Alex den Fehler begonnen und mit seiner Ex rumgemacht, aber nur, weil er eifersüchtig war und... .“ „Stop!“, unterbrach ich sie. „Woher weißt du soviel?“, wollte ich mit erhobener Augenbraue wissen.

„Er ist jeden Tag zu dir gekommen, als du naja, also da gelegen hast und hat dir eine Rose mitgebracht. Einmal habe ich sogar mitbekommen wie er etwas sehr schönes und süßes gesagt hast. Ich bin fast davongeschmolzen!“, schwärmte sie. „Was, was hat er gesagt?“, wollte ich drängend wissen und rückte mit dem Stuhl noch näher an sie. „Ich denke, dass solltest du lieber ihn selber sagen. Wenn ich es jetzt tun würde, käme es falsch rüber“, sagte sie kichernd und gab dem Kellner die Bestellung auf. Was hatte Alex mir gesagt?

„Kannst du mir zeigen, wie er aussieht?“ Sie zögerte nicht und fischte ihr en Smartphone aus der Tasche, suchte kurz und zeigte es mir dann. Vor Schreck weiteten sich meine Pupillen und mir verschlug es die Sprache, als ich sah, wer dieser Typ war, in den ich angeblich verliebt war. -Dieser Promi aus dem Fernseher!

„Nein! Niemals! Doch nicht etwa in IHN! Bella! Sag mir, dass das nicht stimmt!“

„Das stimmt aber und jetzt beruhig dich doch! Der Doktor hat mir schon gesagt, dass du vieles vergessen würdest, aber das du ihn vergessen würdest...ach. Wie wär`s, wenn du jetzt einfach dein Eis isst und versuchst, dich nicht zu überanzustrengen, ok?“ Widerwillig schnappte ich mir den Löffel und schob eine ganz große Portion von der leckeren gefrorenen Süßigkeit in meinen Mund, genießen konnte ich sie jedoch nicht ganz, wie auch?

Ich war mit einem berühmten Schauspieler zusammengewesen und konnte mich nicht mal an ihn erinnern!

„Wann kommst du eigentlich wieder in die Schule?“, brach sie die gähnend <leere und angespannte Stille zwischen uns. Ich wusste es nicht, vielleicht erst in zwei Wochen, aber so schlimm war das ja nicht mehr. Meine Prüfungen hatte ich ja schon hinter mir gebracht, und in ein paar Wochen war schon mein Abschlussball. -Dann konnte ich endlich auf`s College und das Leben hinter mir lassen.

„Bald“, antwortete ich einfach und war weiterhin bei dem Gedanken, wie Alex doch jetzt so war. Wie es ihm ging und was er gerade durchmachte.

 

 

Und jetzt wusste ich, wie es sich anfühlte, von einem Fahrzeug erfasst zu werden, keinen Schmerz zu fühlen, sondern sich einfach zu wünschen, man wäre tot. Ich wusste, wie erlösend es war.

Bewegungslos am Boden zu liegen, die Augen zu schließen und sich zu wünschen, es wäre doch zu ende.

Alles wurde schwarz.

Es war zu Ende.

 

Erschrocken öffnete ich wieder meine Augen und bemerkte, dass immer wieder dieselbe Szene vor meinen Augen auftauchten. Ich war mir sicher, dass dies direkt unmittelbar vor dem Unfall geschehen war! „Geht es dir gut, dich scheint etwas zu bedrücken“, fragte Bella und betrachtete mich skeptisch von der Seite. „Nein, alles ok“, winkte ich mit meiner Hand ab. -Aber ob es mir wirklich gut ging, stand in den Sternen. Irgendwas schien mir zu fehlen, aber dieses „etwas“ war nicht hier.

„Weißt du was mir aufgefallen ist, Claire?“ Fragend schaute ich sie an. „Na dein Geburtstag! Wir müssen ihn noch zusammen nachfeiern!“, meinte sie bestimmend und packte mich an meiner Hand. „Oh bitte nicht, Bella! Biiitte!“, versuchte ich noch zu protestieren, scheiterte jedoch klaglos. -Ohne einen Gedanken zu verschwenden, was passieren könnte, zog sie mit sich. Und dennoch, ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Gesichtszüge, als mir einfiel, dass ich wirklich schon 18 war. Sie zahlte und verschwand mit mir nach draußen.

 

„Weißt du, da du dich nicht so anstrengen darfst, habe ich mir einfach gedacht, dass wir den Tag mit einem Picknick im Park verbringen, wenn das ok ist. Dafür, dass wir bald November haben, ist es ziemlich warm“, erzählte sie mir und fing schon einmal an, die Decke auf dem Boden auszubreiten. Ich war auch verwundert, dass der heutige Tag ziemlich trocken war, um die 18 Grad, vielleicht lag es einfach an der Klimaerwärmung? -Bestimmt.

„Danke...für alles. Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen würde“, sagte ich gerührt und wollte ihr beim Auspacken helfen, jedoch stoppte sie mich. „Nein, Claire! Du setzt dich einfach nur hin und machst nichts! Heute werde ich alles machen!“, sagte sie ohne Widerworte. Ich gab mich geschlagen und machte es mir auf der roten, flauschigen Decke bequem und staunte nicht schlecht, als ich sah, was sie alles an Proviant mitgenommen hatte. Es gab einfach alles, selbst Kuchen hatte sie mitgenommen!

Beim Anblick lief mir schon das Wasser im Mund zusammen und ich merkte erst jetzt, wie hungrig ich doch war.

„Bella...ich liebe dich!“, sagte ich, ehe ich mich über die köstlichen Dinge hermachté. „Ich weiß, Shawty! Ich dich auch!“ „Shawty?“, fragte ich mit vollem Mund, der Erdbeerkuchen war einfach nur köstlich, sie lächelte nur und nahm einen Schluck Wasser.

„Ich nenne dich ab jetzt so, habe ich mal irgendwo gehört, das Wort ist einfach nur zauberhaft!“, setzte sie grinsend an, worauf wir beide wie in alten Zeiten ausgelassen lachten. -Wie sehr ich das doch vermisst hatte.

 

„Magst du noch etwas machen?“ fragte sie mich nach einer Ewigkeit. Wir hatten noch über ein paar Kleinigkeiten geredet, wie es ihrem Freund ging, was in der Schule so zwischenzeitlich geschehen war und ob es neue News gab. „Eigentlich nichts, sollen wir noch etwas spazieren gehen?“ Sie nickte freudig und stöhnte kurz darauf. „Mensch, ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal so viel gegessen habe!“, lachte sie und räumte mit mir währenddessen wieder alles ein.

Die Tüten, in denen unsere Klamotten von der heutigen Shopping-Tour waren, hatten wir bei ihr untergebracht. Sie wollte unbedingt, dass ich heute bei ihr schliefe. Langsam hatte der Wind schon wieder angesetzt und ich genoss die warme Brise, die mir die Haare aus dem Gesicht wehte.

Die Narbe, die ich am Kopf hatte, konnte ich verbergen, da ich eine schöne, zuckersüße baby-blaue Mütze anhatte.

„Ich weiß, aber ich habe da eine Frage...würdest du Alex gerne wiedersehen?“ Ich zuckte die Schultern, wenn ich ehrlich war, wusste ich darauf keine Antwort. Wie es ja schien, hatte ich alles vergessen, was ihn betraf.

„Du meintest doch, dass er mich lieben würde, oder?“- Sie nickte. „Glaubst du, dass ein „Neuanfang“ das richtige wär? Ich denke, dass ich ihn wirklich einmal treffen sollte. Vielleicht würde das helfen...“, flüsterte ich eher zu mir, als dass ich klar und deutlich zu ihr sprach. Kurz herrschte Stille, als sie wie so oft meine Hand ergriff und mich wieder mitzog.

„Weißt du was, heute habe ich eine menge tolle Ideen“, freute sie sich. „Bella, Baba, du solltest nicht immer meine Hand ergreifen, langsam wird das zu auffällig“, meinte ich mit einem doppeldeutigem Blick. Ab dem „Baba“ konnte sie sich nicht mehr halten und es fiel ihr schwer, aufhören zu lachen.

„Du bringst es echt, Shawty!“

 

 

Immer wieder klopfte sie an die Tür der imposanten Villa, die mir unwirklich vorkam. Wie im Traum, als wär ich eine Prinzessin, die nur darauf wartete, in das Schloss zu kommen.

„Alex, mensch! Mach doch einfach bitte nur die Tür auf, ich bin`s! BEEEELLA!“, schrie sie wie am Spieß und ich wollte schon ansetzten, dass das nichts half und es besser wär, dass wir endlich verschwänden, aber da wurde die Tür schon mir einem leisem Geräusch geöffnet.

„Ich dachte schon, dass das einer dieser dummen Pappa...Claire“, hauchte er und ich stolperte, ein...zwei Schritte nach vorne.

Es kam mir vor, als würden alle Erinnerungen wieder kommen, mein Kopf schien einfach nur zu explodieren. Seine Augen...die Augen sprachen mehr als tausend Worte. Perplex hielt ich inne, als mir immer wieder die Worte „Ich liebe dich“ in den Sinn kamen.

Wie vom Donner gerührt, lief ich auf Alex zu und umarmte ihn. Wenn er mich wegstoßen würde, so wusste ich, dass ich falsch lag, dass er seine Meinung doch geändert hatte.

Es kam mir vor, als würde mein Herz jeden Moment aufhören zu schlagen.

Schauspieler dich in mein Herz!

 „Claire“ stammelte Alex erneut ziemlich verwundert und schob mich sachte von sich. Sofort fühlte ich mich unendlich alleine, er hatte sich von mir abgewandt.

Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter, der sich gebildet hatte. Ich konnte mich erinnern, an alles was in der letzten Zeit geschehen war. Und ich konnte mich auch wieder erinnern, wie er mir inmmer etwas zugeflüstert hatte, als ich im Krankenhaus lag. -Und an die Ohrfeige ebenfalls.

Perplex und ein wenig durch den Wind glitt meine Hand wie von selbst an meine Wange. „Du hast mich geschlagen“, meinte ich daher mit einer rauen, kratzigen Stimme.

Ich blickte in seine Augen. Ich sah, wie sich vereinzelt Tränen in ihnen bildeten.

„Bella...könntest du...?“, die Bitte von Alex blieb unausgesprochen und doch verstand sie und ging schnell, um uns beide alleine zu lassen. Es war ein stummer Abschied. Einen kurzen Moment herrschte eine renitente Stimmung, ich holte tief Luft. Ich hatte Alex den Schlag schon längst verziehen, aber das er mich abgewiesen hatte, konnte ich nicht aushalten.

Und in diesem Moment wünschte ich, dass ich mich doch nicht an alles erinnert hätte. Viel lieber wäre ich unwissend geblieben.

„Du weißt genau, wie sehr es mir leid tut“, hauchte er und hob seinen Arm, ließ ihn jedoch wieder sinken.

„Ich weiß es eben nicht“, antwortete ich darauf.

Ich konnte auch hier stehen und weinen. Ich konnte hier auch um etwas betteln, was ich nie bekommen könnte. „Was muss ich tun, damit du mir glaubst?“, fragte er mich und schaute starr auf den Boden. „Ich weiß es nicht.“ Ich fühlte mich leer, ich wollte einfach nur noch weg von hier.

„Ich wollte dir nur noch sagen, dass...“, setzte ich an, wurde jedoch von Alex unterbrochen.

„Warte!“, rief er völlig entgeistert und flitzte durch die Tür.

 

Mit offenem Mund schaute ich auf die offene Tür, die nun einfach...offen stand. Sie war genauso wie ich. Ein Mittel zum Zweck. Und doch wollte ich wissen, warum ich warten musste. Von der Neugierde gepackt, schloss ich die Tür hinter mir und trat ein. Ich wusste, dass das dumm war, erst gerade eben hatte ich meine ganzen Erinnerungen erlangt und nun stand ich in der Villa des Jungen, den ich liebte und der mich dennoch zurückgewiesen hatte.

Ich wusste nicht, wie lange ich ihm dabei zusah, wie er immer wieder Schränke öffnete und Fotos auf dem ganzem Boden verteilte, nur um kurz darauf noch mehr Fotos auf den Boden zu werfen. „Ich muss es doch noch haben!“, sprach er mit sich selbst und hetzte sich noch mehr ab. „Kann ich denn jetzt gehen?“, fragte ich und versuchte so neutral wie möglich zu klingen.

„Nein!“, rief er entsetzt und fuhr sich durch seine schwarzen Haare die ich geliebt hatte und immer noch liebte.

„Ich weiß jetzt, wo es ist!“, meinte er und schellte an mir vorbei. Ich war wie paralysiert. Was tat er? Was suchte er für ein Foto? Wütend schaute ich ihn an, als er außer Atem wieder kam.

 

„Hier hast du deinen Beweis“, sagte er schweratmend und hielt mir ein Foto vor die Nase. Ich spielte mit dem Gedanken es mir nicht anzusehen, entschied mich jedoch dagegen.

„Kannst du dich noch erinnern? Das Foto wurde mit der ganzen Grundschule aufgenommen, als du in die erste Klasse gegangen bist, war ich in der dritten“, erzäühlte er.

„Verarsch mich nicht! Du warst niemals mit mir in der selben Grundschule!“

„Doch!“, widersprach er mir und zeigte auf einen süßen kleinen Jungen, der widerspenstiges Haar hatte.

Er war ganz deutlich zu erkennen. Er sah genauso aus wie Alex, nur in Kleinversion.

 

„Kannst du dich noch erinnern, als du diese Auseinandersetzung mit dem Jungen hattest? Ich war der Junge, der dir geholfen hat“, erzählte er mir und ich glaubte ihm. Ich glaubte ihm jedes verdammte Wort, welches er sagte.

„Wir haben uns immer wiedergetroffen, als Teenager, immer wieder.“ Mein Herz wog schwer in meiner Brust. Es war...es war ohne Worte.

„Ich glaube an Schicksal, Claire! Ich glaube daran, dass wir zusammengehören!“, hauchte er und ergriff meine Hand.

„Du musst wissen, dass ich dich liebe. Du musst wissen, dass es mir leid tut, was ich dir alles angetan habe! Du musst wissen, dass ich alles wieder machen werde, um dich zurückzuerlangen und du musst...“, sagte er weinend, doch ich brach ihn zum Schweigen, als ich meinen Zeigefinger auf seinen Mund legte.

Er sollte aufhören zu weinen, eigentlich hätte es anders rum sein sollen. Ich hätte weinen sollen und jetzt stand ich hier, wie in in einer ganz anderen Welt. Ich verstand kaum etwas und doch erschien alles Komplex zueinander zu gehören.

Ich erinnerte mich noch ganz genau an die Szene in der Grundschule. Es war wahrhaftig Alex gewesen! „Hör auf zu weinen!“, wimmerte ich und fiel ihm in die Arme.

Zusammen ließen wir unserer Trauer freien Lauf und ich stellte fest, dass ich mich in jedem Punkt geirrt hatte, der Alex anbelangte.

 

„Was sollen wir jetzt tun?“ fragte ich in die Stille und kuschelte mich noch näher an Alex, der seine Arme um mich geschlungen hatte und mich so fest an sich drückte, als würde er mich nie wieder gehen lassen.

Ich holte tief Atem, nur um seinen Duft wieder in mich einzunehmen. Wie sehr ich ihn doch vermisst hatte!

„Ich weiß es nicht“, gestand er und wog mich in Sicherheit. „Ich bin nur froh, dass alles zwischen uns geklärt ist, auch wenn nichts mehr wie früher sein wird.“ Ich gähnte herzhaft.

„Schlaf, ich sage deiner Mutter Bescheid, dass du hier bist“, flüsterte er noch in mein Ohr, ehe ich in einen tiefen Schlaf fiel.

 

„Ich kann nicht glauben, dass Claire das wirklich macht! Ich habe immer gedacht, dass sie ein andere Typ von Mädchen ist“, meinte Bella ganz in Gedanken versunken.

Sie straffte ihr rot-schimmerndes Kleid und spitzte ihre Lippen, als sie eine Naht an ihrem Kleid vorfand. „Ich auch, als ich sie kennengelernt habe, war sie irgendwie...taffer“, stimmte Sale ihr zu und machte sich weiter daran, ihre Schminke aufzutragen. Ich grummelte nur vor mich hin.

Immer sprachen sie von mir, als wäre ich nie da! Selbst nach vier Jahren hatte sich dies nicht geändert! „Wir müssen doch noch zum Friseur!“, quietschte meine beste Freundin auf, als sie einen Blick auf die Uhr geworfen hatte. Ich seufzte genervt auf.

Mussten wir denn perfekt aussehen, es war doch nur so eine dämliche Feier, mehr auch nicht! Innerhalb weniger Stunden wäre sie vorbei und was dann? -Genau! Nichts. „Claire, du willst doch nicht zu deiner eigen...“, fing sie an mich zu tadeln, doch da verschwamm alles.

 

„Wenn wir zusammenziehen, dann besorge ich mir Ohrstöpsel“, nuschelte Alex vor sich hin .

„Warum denn das?“, fragte ich ihn noch ganz verschlafen und streckte meine Arme aus. Sofort ergriff er diese und ich platzierte mich gemütlich auf seinen Oberkörper.

„Du redest im Schlaf“, beklagte er sich. „Was habe ich denn gesagt?“, fragte ich ihn verwundert, er grinste nur verschwörerisch. „Ach nichts...“, winkte er ab.

„Ich habe Angst vor der Zukunft“, meinte ich plötzlich und wechselte somit das Thema.

„Wovor?“

„Ich weiß es leider nicht, manchmal habe ich das Gefühl, dass etwas passiert, was mich zu einem Wrack macht. Das ich wieder verletzt werde...“

„Ich werde versuchen dich zu beschützen, bei allem was ich habe“, versprach Alex mir.

Ich nickte und glaubte ihm. „Küss mich“, flüsterte ich ihm zu, und das ließ er sich nicht zweimal sagen und legte seine Lippen sachte auf die meine. „Ich liebe dich“, hauchte er immer wieder zwischen den Küssen, doch es blieb nicht nur bei der Aussage, wie ich am Ende des Tages erfahren würde.

Mit einer Leichtigkeit streifte er sich das T-Shirt ab und küsste mich noch intensiver. Wie von alleine öffnete ich seine Jeans und wagte einen großen Schritt in meine Zukunft.

 

„Man, kann mich mal keiner alleine lassen?“, meinte ich genervt und kickte den daherliegenden Stift zur Seite. Immer wieder liefen einige Schaupieler in der Halbzeit des Stücks von Romeo und Julia in der Alex Regie führte, herum. Zwar war das Stück bis jetzt ein riesiger Erfolg, aber mich nervten diese Fragen immer wieder. Immer wollten alle wissen, wie es mir ginge und ob ich mich doch nicht setzen wolle.

„In fünf Minuten fahren wir mit der Aufführung fort“, ertönte die Stimme aus den Lautsprechern und forderte die Zuschauer somit auf, ihren alten Platz wieder anzunehmen.

Nachdem ich den Rest wieder aufgebaut hatte, setzte ich mich in die erste Reihe. Eigentlich saß Alex neben mir, doch er tauchte nicht auf. Fragend schaute ich umher, sah jedoch nur eine Menge unbekannter Gesichter und ein strahlendes Licht, welches mir in die Augen schien.

Verärgert schirmte ich es mir mit einer Hand ab.

Am liebsten hätte ich dem Techniker gesagt, er solle dieses verdammte Licht von mir nehmen, doch es kam ganz anders. Als ich mir der Stille bewusst wurde, und alle Blicke die mich durchbohrten, fühlte ich mich plötzlich ganz fehl am Platz.

Und endlich öffneten sich die Vorhänge und alles war ganz anders, wie ich es mit ein paar Leuten eigentlich vorbereitet hatte. Direkt vor mir, war die Gasse, in der ich Alex getroffen hatte, nur als Bühnenbild.

Und als ich sah, wie Alex mit einer anderen Schauspielerin, die mir verblüffend ähnlich sah, die Bühne betrat, hielt ich den Atem an. Und als die zweite Szene gespielt wurde, regristrierte ich erst, dass nicht der nächste Akt von Romeo und Julia gespielt wurde, sondern die Geschichte von mir und Alex!

Während des ganzen Schauspiels sagte ich kein Wort, Alex schauspielerte sich eindeutig in mein Herz. Und mir wurde einmal mehr bewusst, warum ich Alex so dermaßen liebte.

„Claire, bevor du auf das College gehst, wollte ich dich noch etwas fragen..., oder dich eher lieber um etwas beten“, sagte er zu der Person, die für mich oben stand. „Was denn?“, hakte sie interessiert nach und sezte sich auf den Koffer, der auf dem Boden thronte.

„Ich würde mich dafür hassen, wenn ich dich so gehen lassen würde“ , sagte er und zog ein schwarzes, kleines, eckiges Samtkästchen aus seiner Tasche und erhob sich plötzlich.

Anstatt weiter mit der Schauspielerin auf der Bühne zu sprechen, sprang er hinunter und kam mit langsamen Schritten direkt auf mich zu. Ich hatte das Gefühl, dass mein Herz jeden Moment aus der Brust springen würde.

Er kniete sich vor mich hin und es schien mir so, als würden seine Augen in die Tiefen meiner Seele hieinschauen.

„Heirate mich.“

Es ist zu dunkel, ich höre nichts!

„Ich habe nur „Ja“ gesagt, damit es dir nicht peinlich wäre, wenn ich „Nein“ gesagt hätte. Also bild´dir nichts ein“, erklärte ich ihm schon bestimmt zum hundersten Mal.

„Sie lügt“, mischte Bella sich ein und zog noch ihr Make-Up nach. Kaum zu glauben, dass heute unser Abschlussball ist und wir endlich fertig mit der Schule waren!

„Wir kauen das Thema bestimmt schon länger als eine Woche durch, könnten wir endlich einen Schlussstrich ziehen?“, fragte ich die beiden.

 

„Nope“, grinste Alex und richtete seinen Smoking zurecht. Ich gab ja zu, dass er furchtbar anziehend in seinem Outfit aussah, aber das tat gerade nicht zur Sache.

„Ihr seid verlooo-oobt!“, sang Bella fröhlich weiter und ich merkte schon, dass sie eine Menge Spaß an der Planung der Hochzeit haben würde.

„Wenn ich sage, dass ich annehme, nervt ihr dann nicht mehr?“ Sofort quietschte Bella laut auf und hoppelte ganz außer sich durch mein Zimmer. „Ich muss das deiner Mutter erzählen!“, rief sie noch, ehe sie durch die Tür verschwand.

Mit einem Griff zog Alex mich an sich und gab mir einen langen, intensiven Kuss, den ich ohne zu zögern erwiderte.

Automatisch schlang ich meine Arme um seinen Hals und seufzte auf, als er sich von mir löste.

 

„Du bist echt anstrengend, wusstest du das?“ Ich spitzte nur meine Lippen und lächelte dann kurz darauf. „Anders bin ich leider nicht zu haben“, meinte ich daher und schnappte mir dann noch schnell das Kleid, welches Alex mir einmal geschenkt hatte.

„Ich weiß“, lächelte er. „Du kannst fantastisch zeichnen...mich auch“, kess lächelte er mich an. „Meinetwegen hättest du mich auch nackt zeichnen können“, murmelte er, ich gab ihm einen Klaps auf seine Schulter und verdrehte meine Augen. „Träum weiter“, meinte ich nur.

„Dir ist doch klar, dass ich dich erst heirate, wenn Männer auch endlich schwanger werden können!“, säuselte ich und grinste mir diabolisch einen ab, als ich sah, wie sein Blick entgleiste.„Aber das wird nie geschehen!“, beklagte er sich.„Ich weiß!“

 

 

Liebes Tagebuch,

ich weiß, ich habe echt lange nicht mehr hineingeschrieben (ok, es waren vier Jahre, aber was soll´s), hoffe, du verzeihst es mir! In der Zeit ist eine Menge passiert, aber ich denke, es könnte doppelt solange dauern, wenn ich alles hineinschreibe, sowohl ich ja so gut wie fast alles vergessen habe!

 

Ich habe es mir immer noch nicht abgewöhnt, Mist zu schreiben, manchmal frage ich mich, was bloß los mit mir ist!

Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass Sale sagen würde, dass ich als Kind die falschen Medikamente bekommen habe. Ich habe ja vollkommen vergessen, dass du sie ja noch nicht einmal kennst!

Weißt du? Ich bin endlich in Australien, so wie ich es mir schon immer gewünscht habe!

Das verdanke ich nur Bella!

 

Sie hat alles bezahlt, alleine hätte ich das nie finanzieren können. Sale ist mir sehr ans Herz gewachsen, wir wollen alle zusammen ein paar Jahre in Australien verbringen, ein wenig das Leben genießen, bevor es dann zurückgeht.

Bella, Sale, Alex und ich. Obwohl ich nicht weiß, was dann mit ihr passiert, schließlich wohnt sie hier. Sie ist hier aufgewachsen, studiert hier. Würde sie mit uns kommen?

Ich weiß selber nicht einmal, ob ich hier weg möchte. Vielleicht bringe ich Alex dazu, hier herzuziehen? Wer weiß! Es ist einfach bezaubernd hier. (Ich fühle mich immer noch seltsam, schließlich bin ich 19 und schreibe in ein Tagebuch, welches vollkommen mit pinken Strasssteinen besetzt ist)

Erst letztens waren Alex und ich im Freiwildzoo und du glaubst nicht, was ihm passiert ist! Jedenfalls würde er mich umbringen, wenn er das jemals lesen würde, also schreibe ich es lieber nicht..

 

Seitdem wir zusammen in der Villa wohnen, die wir uns alle teilen, ist Alex ziemlich neugierig geworden.

Er steckt seine Nase einfach überall hinein! Ob er es witzig finden würde, wenn ich ein paar Babyfotos auf Facebook veröffentlich würde? (Ich schätze mal nicht, aber ich habe sie ja gefunden, auch wenn sie seeehr gut versteckt waren!)

 

Gerade ist eine SMS von meiner Mutter erschienen, weißt du, was nicht zu fassen ist? Sie hat endlich einen neuen Mann gefunden! Der Glückliche heißt „Erik“ und ist genauso alt wie meine mum und arbeitet als Anwalt. Beide wollen uns bald mal besuchen kommen, ich bin schon neugierig, zu erfahren, wie er persönlich ist.

Aber er scheint meiner Mutter gut zu tun! Wusstest du, dass es mega heiß auf diesem Kontinenten ist?

Ich würde am liebsten so freizügig wie möglich nachst schlafen, aber ich denke, dass würde Alex nur weiter erfreuen.

Erst letztens hat er mir in der Umkleidekabine eines Dessousladen aufgelauert. Es war ziemlich peinlich, als viele seiner Fans hinter ihm her gestürmt sind und sich alle um ihn gescharrt hatten.

Ich verstehe immer noch nicht, warum er dann den Umhang zur Seite ziehen musste, um sich ausgerechnet bei mir zu verstecken.

Zuerst hatte er mich anzüglich angegrinst, kurz darauf, war ich dann diejeniege, die wie am Spieß geschrien hatte, als jemand hineingestürmt ist und immer seinen Namen gerufen hat. -Als wir der Presse unserer Verlobung preisgegeben haben, wusste ich schon, dass ich mich von meiner Privatsphäre verabschieden konnte, aber das war mir doch schon ein Stück zu viel gewesen.

 

In Handumdrehen warf ich beide raus.

Langsam wird Alex beänstigend. Naja, er schlummert gerade tief und fest neben mir, das Problem ist jedoch, dass er beim Schlafen gerne anfängt zu sabbern und das ist...naja.

 

Ich versuche mir zu merken, dass ich das mal aufnehmen sollte, als ich ihn mal auf das Problem angesprochen hatte, hat er mir nicht geglaubt.

 

Ich versuche mich danach später daran zu erinnern! -Falls ich das wieder einmal nicht vergesse.

 

Heute Nachmittag waren wir zusammen am Strand und haben uns einfach auf die faule Socke gelegt, es tat gut, einfach nichts zu tun und seine Sorgen vergessen zu können.

Bella nervt mich schon die ganze Zeit wegen meines Hochzeitskleids! Am liebsten hätte sie es, wenn ich Alex hier am Strand heiraten würde und das in einem Kleid, dass sie erst letztens in einem Brautgeschäft gesehen hat. (Ich habe das Gefühl, dass sie es schon längst gekauft hat, in letzter Zeit hat sie diesen „Ich-Weiß-Etwas-Was-Du-Nicht-Weiß“-Blick und schaut mich in letzter Zeit auch noch immer so verschwörerisch an. Ich frage mich, was sie machen würde, wenn ich an dem Tag meiner Hochzeit nicht kommen würde, aber ich weiß selber nicht einmal, wann der Termin dafür ist.

Ich weiß noch, wie ich Alex erklärt hatte, dass ich ihn heiraten würde, wenn Männer auch schwanger werden können. -Das witzige ist, dass er das immer noch glaubt!

Ich werde mal schauen, wann er endlich versteht, dass ich für den Schritt bereit bin!Aber ich weiß nicht, ob ich bereit für ein Kind bin. Ich habe schon öfters Alex dabei beobachtet, als er Kinder beim Spielen beobachtet hat. Ich denke kaum, dass er ein Pedophiler Mensch ist, vielleicht möchte er eine Familie gründen?

Wenn ich ehrlich bin, wollte ich nie Kinder und hatte auch nie vor, welche zu bekommen. Glaubst du, er würde mich dafür verlassen?

Ich weiß es nicht, am liebsten würde ich gar nicht darüber nachdenken! Ich mache mir einfach viel zu viele Sorgen über meine Zukunft. Langsam werde ich müde, selbst die komischen Geräusche, die Alex beim Schlafen macht, halten mich nicht wach. An Ohrstöpsel sollte ich auch noch denken.

Seit er in mein Leben getreten ist, hat sich alles grundlegend verändert. Er macht es viel spannender. Immer wieder erwartet mich etwas Neues.

Er überrascht mich immer wieder auf´s neue.

Er ist mein Gegenstück, wobei ich wirklich auch daran glaube, dass ich seins bin.

 

Ich bin dann auch mal schlafen, vielleicht schreibe ich morgen wieder rein, aber ich denke eher nicht. Schließlich sind wir morgen für drei Tage wandern! Ob mich irgendein wild-kreischender Fan von Alex aufsuchen und aufspießen würde?

-Mein Leben ist wirklich nur noch voller Überraschungen!

Claire.

 

 

„Kannst du mal aufhören mich zu küssen, langsam kann ich meine Lippen nicht mehr spüren!“, beklagte ich mich bei Alex und wandte mich schließlich stur von ihm ab.

Ausgelassen lachte er, als wäre nichst. Ich wünschte, ich könnte auch sagen, dass nichts wäre, aber wenn man seine Fans, die an jeder Ecke auf diesem Kontinent lauerte, einfach so ignorieren könnte, würde ich das auch machen.

Aber das war eben nicht so, sie versteckten sich sogar in Mülltonnen. Ich hatte Angst, dass sie selbst in der freien Wildbahn, in der wir beide campten, waren.

„Ich könnte mich an diesen Ausblick gewöhnen“, säuselte ich schläfrig und schaute in den schwarzen Sternenhimmel. Das nannte ich mal ein romantisches Date.

„Ich auch“, murmelte Alex nun auch endlich leicht verträumt. Ich gab ihn einen Klaps, weil er mich anschaute und nicht nach oben.

„Ich bin müde“, gähnte ich und schloss meine Augen.

„Dann schlaf“, vernahm ich seine Worte, den Rest, den er murmelte, verstand ich nicht mehr ,ich war längst eingeschlafen.

 

 

 

"Ich hasse alle! Nur diesen Stein da nicht, den mag ich."

Epilog:

 

 „Kannst du dich endlich mal beeilen?“, murrte ich vor mich hin und hob nach Bellas Aufforderung erneut meine Arme in die Höhe.

„Wenn du die ganze Zeit nicht so zimperlich sein würdest, würde alles viel schneller verlaufen“, warf sie mir vor und zog mit Sale das Kleid zurecht, welches sie mir gerade über den Kopf gezogen hatten.

„Du siehst aus wie eine Prinzessin“, schwärmte meine andere beste Freundin, ich konnte glatt schwören, das ich lauter kleiner Herzchen um sie herum schwirren sehen konnte.

 

Sie sah ganz knuffig mit ihren braunen, kurzen Haaren aus, die zu einer lockeren Hochsteckfrisur hochgebunden hatte. (Ich fragte mich immer noch, wie sie das geschafft hatte.) Vor lauter Freude schienen ihre Augen zu strahlen. Ich hatte das Gefühl, dass ich nur ein Anprobeständer war.

„Weißt du, mich wird das Gefühl nicht los, dass heute irgendetwas passiert“, sprach ich eher zu mir selbst, als zu den anderen.

"Ach papperlapapp! Wenn wir erst alles fertig organisiert haben, wird alles perfekt! Du wirst sehen, alles wird wie geschmiert verlaufen!“, versuchte Bella mich zu beruhigen. Meine Hochzeit war schon in knapp zwei Stunden, ob wir bis dahin alles schon fertig haben würden? Schließlich mussten noch meiner Haare wie das Make-Up gemacht werden!

„Aua!“, schrie ich, als mich Bella mit etwas Spitzem an der Taille erwischte. Ich verzog mein Gesicht, vielleicht wäre das weiße, strahlende Kleid dann bei der Trauer blutrot? „Hab dich nicht so.“

Ich verkniff mir meinen zickigen Kommentar und berührte mein leichtes, luftiges Kleid, welches im Wind von Australien nur so dahin schweben würde. Ich würde meinen Bräutigam tatsächlich am Strand heiraten!

„Selbst die taffeste Braut ist ein kleines Mädchen im Herzen!“, sang Sale vor sich hin und verschwand, ehe ich sie noch mit etwas abwerfen konnte.

 

„Ach Schatz! Ich bin sooo stolz auf dich!“, weinte meine Mutter und schniefte erneut in ihr Taschentuch. Ich wusste nicht wie oft ich sie an dem Tag schon zu beruhigen versuchte, die Trauung hatte noch nicht einmal angefangen!

 

„Mum, bring mich nicht dazu, dich aus dem Raum zu schmeißen!“, drohte ich ihr. Sofort hörte sie auf zu weinen und ließ mich los. „Wenn es sein muss“, meinte sie traurig und ging wie ein begossener Pudel hinaus.

Ich verdrehte nur meine Augen, in letzter Zeit hatte sie wirkliche Stimmungsschwankungen. An meiner Hochzeit konnte das nun wahrlich nicht liegen!

„Ich bin dafür, dass wir ihre Frisur so lassen, das sieht einfach schlicht und bezaubernd zugleich aus!“, warf eine Freundin von Alex in die hitzige Diskussion ein. Sofort war eine andere dagegen: ,,Nein! Das muss extravagant sein! Sie muss sich an diesen Tag erinnern, wie auch an ihre Frisur!“

Ich schüttelte nur meinen Kopf. Desto schneller ich hier fertig war, desto schneller war ich mit Alex in den Flitterwochen. Er wollte mir nicht verraten, wohin die Reise ging, aber das war mir auch relativ egal. Solange ich bei ihm war, war mir alles andere unwichtig.

 

Liebes Tagebuch,

ich weiß, eigentlich sollte ich nach der Zeremonie hineinschreiben, aber die ganzen Leute gehen mir allmähnlich auf die Nerven. Ich sollte ihnen zwar dankbar sein, dass sie mir helfen, aber manchmal war weniger schließlich mehr, oder nicht?

Leider habe ich knapp nur zehn Minuten, um dir ein wenig zu erzählen, was in letzter Zeit geschehen ist. Meine Mutter ist vor circa einer Woche in Australien eingetroffen und weint seitdem ständig. Doch manchmal ist sie von einem auf den anderen Moment die glücklichste Person auf der Welt, ob sie vielleicht...schwanger ist? Ich weiß nicht, ihr Verhalten macht mich einfach stutzig. (Und in letzter Zeit scheint sie nur zu essen)

Ihr Freund, von dem ich ja letztens geschrieben habe, ist ein wahrer Traummann! Ich bin so glücklich, das meine Mutter ihn gefunden hat! Ich verstehe mich auch sehr gut mit ihm.

 

Hast du gewusst, das Alex es nicht lassen konnte, hier hineinzulesen? Ich war nicht sauer gewesen, viel lieber habe ich ihn ausgelacht, als er das Foto, welches ich einmal von ihm gemacht habe, hier hineingeklebt habe, gesehen hat. -Schadenfreude pur. Seitdem schaut er täglich hinein, aber er muss ja nicht wissen, dass ich heimlich noch ein zweites führe, oder? (Scherz, oder auch nicht?)

Sale und Bella sind meine Brautjungfern, das war schließlich schon klar gewesen. Bella ist ein ziemlicher Wachhund geworden, sie hält mich von allem fern, was mich verletzten könnte. (Selbst Messer in die Hand zu nehmen, erlaubt sie mir nicht!)

 

Vielleicht sollte sie doch lieber ein Bodyguard werden?

So gerne ich weiterschreiben möchte, aber die Pflicht ruft! (Ich habe immer noch das Gefühl, dass etwas passiert!)

 

Claire

 

 

Ich konnte spüren, wie mein Herz unaufhörbar immer schneller pochte, alle Blicke waren auf mich gerichtet. Wir heirateten nur unter engsten Verwandten, auch Alex Eltern waren da. -Nur mein Vater nicht, aber das war auch gut so. Schließlich waren alle Leute bei uns, die wir liebten. Die Musik war wie eine Melodie in meine Ohren, sie führte mich immer näher zu Alex, der vorne auf mich wartete. Ich wusste, das ich mich nicht beklagen sollte, aber die Schuhe die ich anhatte, waren der Horror. Der Sand stoppte mich immer am weitergehen, es fiel mir schwer, einen Schritt vor den anderen zu setzen.

Mutig hob ich meinen Blick und schaute direkt in die Augen von Alex, der nur knapp zehn Sekunden von mir entfernt war. Sie strahlten förmlich und sein breites, wunderschönes Lächeln entging mir nicht.

Und wie mein Gefühl seit heute morgen vorhergesehen hatte, geschah etwas:

Ich stolperte über etwas Dahergelegtes und machte Bekanntschaft mit dem Boden, während Alex sich nicht mehr einbekam vor Lachen.

 

"Magst du mir echt nicht sagen, wohin die Flitterwochen gehen?", grummelte ich vor mich hin und unterdrückte ein herzhaftes Gähnen. Wie lange waren wir schon mit dem Flugzeug unterwegs? Zwei, vier, oder doch schon sechs Stunden?

"Darf ich Ihnen noch etwas zu trinken bringen?", fragte eine hübsch, aussehende Flugbegleiterin die mir schon seit Stunden auf die Nerven ging. Ich hatte eher gedacht, dass man in der First-Class seine Ruhe haben würde, aber dies war anscheinend nicht so. Mir entging auch nicht der Blick, der anscheinend nur Alex galt, meinem Ehemann. Zufrieden lächelte ich vor mich hin und streckte meine Hand so aus, das sie den schönen Ring, den er mir angesteckt hatte, gut sehen konnte.

 

Ich war mir sicher, dass sie ihn sah, aber trotzallem schien sie das nicht zu stören!

"Nein danke", entgegnete Alex nur und schaute dann mich an. "Möchtest du denn gerne etwas haben?" Ich schüttelte nur meinen Kopf, mir war meine gute Laune vergangen.

"Rufen Sie mich einfach, wenn Sie etwas brauchen", meinte sie...wieder nur an Alex gewandt! Als sie schließlich weg war, rückte ich so weit von Alex weg, was sich schwieriger als gedacht gestaltete.

"Wenn dich jede Frau so begafft, überlege ich mir, mich noch von dir scheiden zu lassen", drohte ich ihm. "Würdest du eh nicht machen", sagte er ganz von sich überzeugt und lächelte süffisanft vor sich hin. "Ich bin der einzige, mit Ausnahme von den Gästen, die wissen, was an dem Tag deiner Hochzeit passiert ist. Es muss doch nicht jeder wissen, das du wegen eines Steines hingefallen bist und dein Kleid gerissen ist, nette Unterwäsche hattest du überigens...habe ich noch etwas vergessen? Achja, du hast tatsächlich vergessen, was du vorne sagen solltest...", zählte er nochmals alle peinlichen Dinge auf, die geschehen waren.

 

"Jaja", maulte ich und zog eine Grimasse, während ich meinen Kinn auf das Kissen vor mir legte. "Verrätst du mir denn noch wenigstens, wohin die Flitterwochen gehen?", fragte ich dann.

"Hmm, anfangs wollte ich in den Dschungel...", ich ließ ihn nicht ausreden. "In den Dschungel?", fragte ich vollkommen überrascht. Er nickte.

"Aber dann habe ich es mir doch anders überlegt", beruhigte er mich. "Schatz, wir fliegen nach Russland!", meinte er euthusiastisch und klatschte freudig in die Hände. Er wurde immer mehr zu einem Kleinkind.

"Russland? "Was willst du denn in Russland?" 

"Ach, ich wollte nur mal schauen, wie du dich dort machst, außerdem möchtest du nicht sehen, aus welchem Land ich eigentlich wirklich stamme?", meinte er beleidigt. Mit offenem Mund schaute ich ihn an. Alex war Russe und das erfuhr ich erst jetzt? 

"Jetzt schau doch nicht wie ein Pudel, den es schlecht im Hundesalon getroffen hat, ich werde dich beschützen, schließlich...", hauchte er und kam meinem Gesicht immer näher" bist du jetzt meins", ehe er seine Lippen auf meine legte und mich in eine tiefe, innige Umarmung zog.

 

 

Nachwort

Viele von euch haben gefragt, ob es einen zweiten Teil geben wird- leider nicht, ABER stattdessen gibt es eine ganz neue Version des Buches! Zwar werden viele alte Szenen aufgegriffen, sprich: Die Handlung bleibt im wesentlichem. Dennoch werde ich viel mehr in die Vergangenheit eingehen, die die beiden zusammen hatten (Im neuem Buch), sodass ich viele weitere süße Szenen herzaubern kann. Gott, ich werde ganz wuschelig, wenn ich nur daran denke, wie süß sie in der Grundschule zusammen waren. :x Ich hoffe, ihr freut euch drauf!

 

 

 

 

Bis dann! 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 31.08.2013

Alle Rechte vorbehalten

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