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Es war Mittwoch Nachmittag, Shopping Tag! Eigentlich wollten meine Freundin und ich heute das Einkaufszentrum in unserer Stadt unsicher machen, aber da ihr kurzfristig etwas dazwischen gekommen war, zog ich schließlich alleine los.
Im Einkaufszentrum angekommen ließ ich mich von der riesigen Menschenmenge treiben, die sich an diesem verregneten Tag von Geschäft zu Geschäft bewegte. Oh, eine Neueröffnung! Die kleine Boutique, direkt links von der großen gläsernen Eingangstür hatte das letzte Mal, als ich hier gewesen war, noch nicht geöffnet. Vor dem Schaufenster wollte ich stehen bleiben und mir die süßen Oberteile und Röcke ansehen, die ausgestellt waren, doch der Strom schleifte mich gnadenlos weiter. Stehenbleiben war unmöglich. Als die Menge den Eingang erreichte kämpfte ich mich wie wild und verbissen hindurch und konnte mich gerade noch an einem Kleiderständer festklammern. Wie an einem Rettungsring klammerte ich mich daran fest. Geschafft! Aus dem Sog befreit strebte ich sogleich in den Laden hinein, dem Duft neuer Kleidung entgegen. Ich bekam große Augen, dieses Geschäft war wie ein Paradies, wie der Himmel auf Erden. Überall hingen Klamotten, aber das war ja nichts besonderes, doch wunderbarerweise konnte ich auf den ersten Blick nichts entdecken, was mir nicht gefiel. Ein gutes Zeichen für mich, ein schlechtes für meinen Geldbeutel. Aber so etwas banales würde mich jetzt nicht mehr aufhalten.
Wie ein Vampir der Blut witterte, streifte ich durch die Reihen, befühlte hier und da den Stoff, strich bewundernd über das seidige Top und den schwarzen Rock. Manche Stücke gefielen mir so gut, dass ich sie gleich herausnahm und mir über den Arm legte, doch nachdem daraus ein Berg geworden war, lief ich zu den Umkleiden und hatte Glück, denn gerade als ich dort ankam, verließ eine Frau die Linke und ich schlüpfte durch die Öffnung im Vorhang. Bevor jemand protestieren konnte, hatte ich diesen schon energisch zugezogen und hängte die Kleidungsstücke, die ich mir ausgesucht hatte an die Haken. Welches sollte ich zuerst probieren? Ich entschied ich für ein schwarzes Longshirt mit silbernen Stickereien.
In dem Moment, als ich mir den Pulli über den Kopf ziehen wollte, raschelte der Vorhang, der die Umkleide abtrennte. Sofort fuhr ich herum und bekam einen riesen Schreck. Vor mir stand ein Mann. Naja noch nicht ganz ein Mann. Er war so schätzungsweise 20 Jahre alt. Damit also zwei Jahre älter als ich.
Wie war der denn hier reingekommen? Warum hatte ich es nicht gehört? War ich so von den Klamotten fasziniert gewesen, dass ich es nicht mitbekommen hatte?
Eine zarte Röte schlich in mein Gesicht. Ob vor Wut oder vor Scham, wusste ich nicht. Gott sei Dank hatte ich noch etwas an. Nicht auszudenken, wenn er hereingekommen wäre, wenn ich gerade den neuen BH probiert hätte. Mich grauste es allein schon von der Vorstellung.
 „Ich glaube, Sie haben sich vertan, das hier ist eine Damen-Umkleide und außerdem ist sie belegt", wies ich ihn so höflich wie nur eben möglich darauf hin bitte meine Umkleide zu verlassen. Am besten jetzt sofort! Irgendwie fühlte ich mich in seiner Gegenwart wie ein kleines zerbrechliches Käferchen, das aufpassen muss, dass es nicht zertreten wird. Wie unschön! Woher kam dieses Gefühl nur? Normalerweise war ich ja nicht so schnell zu beeindrucken. 
„Oh nein ich bin hier richtig.“ Wie bitte? Hörte ich da richtig? Das war schließlich meine Umkleide und die gab ich so schnell nicht her. Immerhin war ich zuerst hier gewesen. So eine Frechheit! 
„Könnten Sie bitte meine Umkleide verlassen?!“, sagte ich, nun eine Spur schärfer.
 „Oh nein ich gehe nicht. Und du gehst auch nirgendswo mehr hin", antwortete er mir lächelnd. Der hatte doch eine Macke. Was sollte das Gerede?
"Sie verschwinden jetzt sofort aus meiner Umkleide oder ich hole eine Verkäuferin", drohte ich ihm.
"Nein", antwortete er mir bestimmt und lächelte unbeirrt weiter. So ein arroganter Mistkerl! Nur weil er meinte, er war wunderschön, würde ich diese Umkleide verlassen. Vielleicht funktionierte das ja bei anderen. Aber nicht mit mir. Okay er sah nicht schlecht aus, aber auf diese Masche würde ich nicht hereinfallen. Da bemerkte ich, dass er nicht einmal Klamotten dabei hatte und folglich auch nichts anprobieren wollte.
Wenn er mir diese Umkleide nicht streitig machen wollte, warum war er dann hier drin? Kurz überlegte ich, als mir auffiel, dass sein T-Shirt löchrig war und auch die schwarze Lederjacke, die er drüber trug, schien aus dem letzten Jahrhundert. Er wollte also mein Geld.
Ich lachte kurz und humorlos auf. Hier in einer Umkleide mitten in der Öffentlichkeit wollte er mir mein Geld abknöpfen? Aus welchem Jahrhundert kam denn der? Das war ja so was von dreist und absolut peinlich billig. Glaubte er, ich würde jetzt zittern und ihm mein Geld geben? Sollte ich die Verkäuferin bitten, ihn aus meiner Umkleide zu entfernen? Aber andererseits war er ja wirklich ein Fashionnotfall. So konnte man ihn doch nicht herumlaufen lassen.
Also kramte ich in meiner Tasche und zückte meinen Geldbeutel.  
„Hier haben Sie 50¤, mehr habe ich nicht und jetzt lassen Sie mich bitte in Ruhe!“
Dann konnte ich zwar nicht mehr viel einkaufen, aber irgendwie war mir bei seiner Anwesenheit in meiner Kabine ziemlich unwohl und schließlich konnte ich es doch nicht verantworten, wenn er mit diesen steinzeitlichen Klamotten herumlief. So gut wie er aussah. 
Er schaut mich perplex an. „Äh…“
Meine Güte der ist ja schnell von Begriff, dachte ich und grinste.
„Könnten Sie jetzt bitte gehen?“, wollte ich schließlich genervt wissen. Er hatte mein Geld, was wollte er denn noch? Stand einfach da, staunend den Schein anstarrend, den ich ihm in die Hand gedrückt hatte.
So langsam wurde ich wirklich sauer. Was bildete der sich eigentlich ein, hier einfach reinzuspazieren und nicht mehr zu verschwinden. Bitte, da ist der Vorhang und am besten stellst du dich auf die andere Seite, da haben wir beide mehr davon. Das sagte ich natürlich nicht, aber meinem Gesicht waren meine Gedanken wahrscheinlich wie üblich sehr gut anzusehen. Allerdings schien mein Gegenüber gerade andere Probleme zu haben. Er schaute mich nämlich immer noch ziemlich verwundert an. 
„Ich will doch überhaupt nicht dein Geld. Wie kommst du darauf?“ , fragte er fassungslos.
Wie ich darauf komme? Mh mal überlegen. Ein Mann in einer Damenumkleide, der nicht gehen will. Entweder er will mir an die Wäsche oder mein Geld. Ich war jetzt einfach mal vom Geld ausgegangen, aber für den Fall, dass er das Erste im Kopf hatte, würde ich mich auch zu wehren wissen. Nicht umsonst hatte ich letztes Jahr einen Frauen-Selbstverteidigungskurs gemacht. Und ihm zwischen die Beine zu treten, war nun wirklich nicht schwer. Seltsamerweise machte er nicht den Eindruck gleich über mich herfallen zu wollen. Also doch nicht meine Wäsche, aber was denn sonst?
„Was wollen Sie dann?“, wollte ich erstaunt wissen. 
„Dein Blut", antwortete er mir, als wäre es das Natürlichste auf der Welt. Hä?! Der hatte sie doch nicht mehr alle. War ich eine Blutbank oder was? 
„Soll das ein Scherz sein?“, fragte ich nun etwas säuerlich. Meine Antwort schien ihn noch mehr zu verunsichern. 
„Klingt es etwa lustig?“, erwiderte er verwirrt. Klar. Total. Deswegen liege ich auch auf dem Boden und rolle mich vor Lachen. Natürlich nicht! Was geht denn in deiner Birne vor sich? Wenn du Blutmangel hast, geh ins Krankenhaus. Irgendwie hatte er wohl einen leichten Schaden.
„Wieso wollen Sie mein Blut!?“, erkundigte ich mich vorsichtig.
„Ich trinke Blut. Ich bin ein Vampir.", antwortete er ernst. Klar, und ich der Osterhase. Halloween ist seit 5 Monaten vorbei, Süßer.
„Sicher", antwortete ich und versuchte mir meine Skepsis nicht anmerken zu lassen. Wer weiß, vielleicht würde er gefährlich werden, wenn ich ihm wiederspräche und das Letzte, was ich jetzt brauchte, war ein Psycho. Ich wollte doch nur ungestört shoppen, warum verstand er das nicht?

„Das ist das einzige, was dir einfällt?“ Er wirkte enttäuscht. Ich meine Hallo? Was äh hätte ich denn sagen sollen? Oh freut mich, ich bin ein Werwolf, nett dich kennen zu lernen oder was? Wollen wir zusammen den Mond anheulen?
 
„Also erstens sagt man ‚hallo‘, wenn man einfach so in eine belegte Umkleide rein kommt", sagte ich bestimmt. "Und zweitens stellt man sich vor. Also ich heiße…“
 „Du heißt?“ Bitte?! Ehrlich langsam wurde es mir wirklich zu bunt. So schwer von Begriff konnte man doch gar nicht sein.
 „Nein, wie heißt du? Du bist hier in meiner Umkleide, also stellst du dich vor", antworte ich ziemlich genervt.
 „Bitte was?! Ich habe dir soeben gesagt, dass ich dich gleich umbringen werde, und du willst, dass ich mich vorstelle?“, wollte er fast schon verzweifelt wissen. Warum nur hatte ich gerade das Gefühl im falschen Film zu sein.
„Ich will doch nur wissen wie du heißt", meinte ich verzagt, "… also?“
 „Meinetwegen. Ich bin Daniel, bin ein Vampir und will dein Blut.“, erwiderte er entnervt. 
„Schon besser.“ Erleichtert atmete ich auf. Na endlich. Also Daniel hieß er also. Wunderbar. Vielleicht konnte ich ihn jetzt zum Verschwinden bewegen. Ich schlug ja bald Wurzeln hier. Eigentlich hatte ich besseres zu tun, als mich mit einem Psycho zu streiten. 
„Sag mal, warum schreist du nicht, oder rennst kreischend weg?“, fragte er, immer noch verwirrt. Was? Warum sollte ich weglaufen? Das war schließlich meine Umkleide. Vielleicht sollte er ja besser gehen. Ich spielte mit dem Gedanken, plötzlich buh zu machen. Vielleicht erschreckte er sich und verschwand dann? Aber nein, denn er war ja ein Vampir. Wers glaubt. Also gut dann spielen wir mal mit. Ein Vampir. Genau. 
„Nach allem, was ich gelesen habe, würdest du mich locker einholen.“ Lassen wir dich in dem Glauben, du wärst ein Vampir. Nur nicht aufregen Blutsauger, ich glaube dir ja. Du kannst wieder gehen. 
„Sehr richtig.“ Hatte er eine Gehirnwäsche hinter sich? Er war ja total überzeugt von seinem Gefasel.
„Außerdem würde ich so noch andere Menschen mitreinziehen, die unschuldig sind.", bemerkte ich todernst, konnte mir aber ein Grinsen nicht verkneifen. Gleich würde ich in schallendes Gelächter ausbrechen.
"Edel, edel, aber das wird dir auch nicht helfen.“
Wann würde er endlich April, April rufen und mich von dem Nerv tötenden Gerede befreien? Mir war es jetzt endgültig egal, ob sich hier eine versteckte Kamera befand oder ob ich live im fernsehen war. Ich wollte nur noch, dass er aus meiner Kabine verschwand. Die Lust aufs Shoppen war mir mittlerweile vergangen. 
„Schon klar.“ Vor dir kann mich leider momentan niemand retten, da du mitten in meiner Umkleide stehst! 
„Schon klar, sagt sie.“, murmelte er entsetzt. 
Irgendwie wurde mir der Typ unheimlich. Ich hatte das mulmige Gefühl, dass hier keiner im nächsten Augenblick in die Umkleide springen würde und mich aufklärte, also was sollte dann das ganze Geschwafel?
„Was soll ich denn außer schon klar sonst sagen?“, fragte ich vorsichtig. 
„Du wirst gleich sterben, und du bleibst so ruhig.“ Er blickte mich mit seinen goldbraunen Augen traurig an. Wie bitte? Was?! Meinte er das wirklich ernst?
"Bitte sag mir, dass das ein Scherz war.", murmelte ich leise. Furcht keimte in mir auf.
"Jetzt hast du doch Angst", grinste er auf einmal siegesgewiss.
"Nein!", schoss ich sofort zurück. Nicht mit mir!
Eine Sekunde später war er um mich herumgesaust und raunte mir "Buuh!" in den Nacken. Ich lachte laut auf.
"Das war schon alles?", wollte ich wissen und drehte mich zu ihm um. Er stand leicht versetzt vor mir, so dass ich freie Sicht auf den Spiegel hatte und was ich da sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Ich sah nichts. Ich sah nicht das was ich eigentlich sehen sollte. Ich sah nur mich. Nicht ihn. Wie war das möglich?! Er hatte kein Spiegelbild! Mir entwich ein kleiner spitzer Schrei.
Verwundert drehte Daniel sich um, wollte sehen, was mich so erschreckt hatte.
"Warum schreist du? Da ist doch überhaupt nichts.", fragte er mich besorgt.
Keuchend schob ich mich an ihm vorbei zum Spiegel und berührte die Stelle, an der er eigentlich zu sehen sein sollte, legte meine Hand flach an das kühle Glas und drehte mich mit fragendem Gesicht zu ihm um.
"Warum…?" Meine unausgesprochene Frage war sonnenklar.
Er lachte.
"Ich bin ein Vampir, das sagte ich doch bereits."
Mein Kopf fuhr zum Spiegel und wieder zurück. Tonlos formten meine Lippen das Wort. Vampir.
Ich konnte, wollte es nicht glauben. Aber das erklärte das Spiegelbild und sein gesamtes seltsames Verhalten. Plötzlich zuckte die Erkenntnis über sein Gesicht.
"Du hast mir nicht geglaubt oder? Du dachtest, ich nehme dich auf den Arm." Er schnaubte amüsiert, als ich verlegen zu Boden starrte. Kann doch jedem mal passieren oder?
"Bist nicht gerade die Hellste oder? Hier, dein Geld kannst du wieder haben", grinste er und gab mir das Geld zurück. Ich wusste nicht, wo ich hinblicken sollte. Irgendwie war es ziemlich peinlich, dass ich nach den ganzen Vampirbüchern, die daheim in meinem Schrank standen, den waschechten Vampir vor mir nicht erkannte.
Aus irgendeinem Grund hatte ich aber auch nach dieser Enthüllung keine Angst, lag es daran, dass er mir noch nicht ans Blut gegangen war, oder dass alle Vampire, die ich bisher aus Büchern oder Filmen kennen gelernt hatte, ziemlich friedfertig waren. Zu friedfertig?
"Bist du Vegetarier?", wollte ich wissen. Schon wieder hatte ich ihn mit meinen Fragen verwirrt.
"Ich bin was? Ich bin ein Vampir. Ich trinke dein Blut. Ich ernähre mich nicht von Grünzeug. Das esst doch ihr.", bemerkte er abfällig.
"Das meine ich nicht", wies ich ihn zu Recht. "Ich wollte nur wissen, ob du Menschenblut trinkst oder auch Tierblut?"
"Wie kommst du auf so eine kranke Idee? Ich bin zu dir in die Umkleide gekommen, weil ich sehen wollte, wie dir das Top steht oder was? Glaubst du echt, ich würde den armen Tieren etwas tun?", fragte er mich vorwurfsvoll und zog die Stirn kraus. Oh gott wie süß. Also kein Vegetarier.
"Ja äh, also in dem Buch steht, dass es Vampire gibt, die Tierblut trinken, damit sie keine Menschen töten müssen, aber danke, dass du die armen Tier verschonen würdest", schoss ich zurück.
"Man tötet einen Menschen doch nicht, wenn man ihn anzapft. Das stimmt nicht. Vielleicht sollten die komischen anderen Vampire auch das lernen, was man Kontrolle nennt? Oder wie ich sage, die Kunst des Aufhörens."
Okay ich unterhielt mich hier mit einem Vampir über "die Kunst des Aufhörens".
"Willst du dein "schon klar" revidieren?", fragte er mich, völlig aus dem Zusammenhang gerissen.
"Revi was?" Tut mir leid, aber mit komischen Fachbegriffen kann man mich echt jagen.
"Blondine", lachte Daniel worauf ich ihm einen Knuff verpasste. Okay Vampire waren steinhart, da hatte Stephenie Meyer Recht. "Also hast du vor ruhig zu bleiben, wenn ich dir jetzt deinen baldigen Tod in Aussicht stelle?", wollte er immer noch lachend wissen.

„Was soll ich denn bitte sonst machen?“, erkundigte ich mich bissig, sauer, dass er sich über mich lustig machte. Hoffte er wirklich, ich würde jetzt Panik bekommen? Vielleicht gefiel es ihm ja, mir Angst einzujagen. Aber das würde ich mir nicht gefallen lassen. Schon aus Prinzip nicht.
„Kreischend rumrennen, wie schon erwähnt.“ Haha, ich lache später okay?
„Das liegt mir nicht.“, antwortete ich und diesmal meinte ich es ernst.
Sprachlos schaute er mich an. „Das liegt ihr nicht", sagte er mehr zu sich selbst. "Was hast du denn über meinesgleichen gelesen?“
„Das weißt du nicht? Vampire sind zur Zeit total der Renner. Erst Stephenie Meyer mit Twilight, the Vampire Diaries aus Amerika und so weiter…“ Seine Augen wurden kugelrund.
„Aha. Ich hab keine Ahnung wovon du sprichst." Kurze Zeit lang sah er mich mit schiefgelegtem Kopf fragend an. "Also wie geht’s jetzt weiter?"
Ich hustete ironisch. Wer hatte hier die Hosen an? Der Möchtegern-Vampir oder ich?
„Das frägst du mich? Wie hättest du es denn gerne?“, gab ich ihm großzügig die Wahl. Doch er schien davon nicht erfreut sondern vielmehr verzweifelt.
„Du fragst mich wie ich deinen Tod gerne hätte?“, rief er schockiert aus.
Ich wusste nicht genau, was mich da ritt, aber bevor ich es kontrollieren konnte, konterte ich ihm keck: „Gekocht, gebraten, roh, mit Verfolgungsjagd, mit unschuldigen Zivilistenopfern oder ohne?“
 
Wie in Zeitlupe sah ich seine Kinnlade herunterfallen. Vollkommen sprachlos starrte er mich entgeistert an.
Der Anblick war so komisch, dass ich zu kichern begann und schließlich konnte ich mich vor lachen fast nicht mehr halten. Ich meine stellt es euch doch mal vor. Ein Vampir in eurer Umkleide, der den Mund nicht mehr zubekommt.
"Mach den Mund zu, sonst fliegt noch was rein", gackerte ich zwischen zwei Lachanfällen.
Da kam plötzlich Fahrt in ihn, er riss mich mit einem Ruck hoch und drückte mich gnadenlos an die Wand.
"Du wirst jetzt sterben", knurrte er mit Grabesstimme.
Doch ich konnte mich nicht mehr halten und lachte nur noch mehr.
"Lass mich runter, hihi, du ziehst mich aus.", röchelte ich.
Wieder war er total perplex. Kopfschüttelnd stellte er mich wieder hin.
"Du bist echt verrückt", schimpfte er.
"Klar, das sagt hier der Vampir.", grinste ich, immer noch lachend.
"Kannst du nicht mal ernst bleiben?", warf er mir vor.
"Tut mir leid, das ist irgendwie nicht so einfach", antwortete ich und versuchte ein ernstes Gesicht zu machen.
"Also wo waren wir?", wollte er wissen. Beinahe schon wieder ein Grund laut loszulachen. Ein Vampir, der vergisst, dass er mich eigentlich töten wollte. Aber bei dem Ausdruck auf seinem Gesicht verkniff ich es mir doch. Nicht weil er so Furcht einflößend dreinblickte, sondern weil er einfach nur verzweifelt und komplett überfordert war.
"Wenn du willst, kannst du nochmal rausgehen, wieder reinkommen und dann fange ich an zu schreien und renn weg.", schlug ich ihm vor.
"Machst du dich über mich lustig? Du machst dich über mich lustig oder?", murmelte er verzweifelt.
"Nein, wie kommst du darauf. Oh anderer Vorschlag, du besuchst mich heute Abend, vielleicht siehst du im Dunkeln unheimlicher aus." Nur mit Mühe konnte ich ernst bleiben. Von diesem Vorschlag kamen ihm fast die Tränen. Konnten Vampire eigentlich weinen? Das musste ich unbedingt mal recherchieren. Wenn ich ihn jetzt fragen würde, bräche er wahrscheinlich zusammen.
"Ich glaub ich geht dann mal einfach", murmelte er und zeigte auf den Vorhang, der die Kabine abtrennte.
"Aber warum denn?", fragte ich erstaunt. "Wir unterhalten uns doch gerade so nett."
"Siehst du genau das ist das Problem. Normalerweise unterhalte ich mich nicht mit meinen Opfern."
"Warum denn nicht? Mir macht es Spaß mich mit dir zu unterhalten." Jetzt, da ich wusste, dass er nicht nur sinnloses Zeug von sich gegeben hatte, fing es an mir Spaß zu machen.
"Ja das ist das Verrückte an der ganzen Sache. Warum kannst du nicht normal sein und schreiend weglaufen? Warum willst du dich unbedingt mit mir unterhalten?"
"Wann trifft man denn schon mal einen Vampir?"
"Äh die normalen Menschen höchstens einmal im Leben."
"Wieso denn?", frage ich. Naiv.
"Danach sind diese Menschen tot."
"Ach so stimmt." Hähä.
"Also das wird mir hier echt zu blöd. Ich geh jetzt. Wir sehn uns."
"Hey warte!" Ich riss meine Jacke vom Haken und rannte ihm hinterher.
"Warte, wo willst du denn hin?", rief ich ihm hinterher.
Er gab keine Antwort.
"Gehst du jetzt heim und legst dich in deinen Sarg?", fragte ich. "Oder hat Stephenie Meyer recht und ihr schlaft nicht in Särgen."
Er blieb stehen. Langsam drehte er sich um.
"Wer zur Hölle ist Stephenie Meyer?", fuhr er mich auf einmal aggressiv an.
"Das ist jetzt nicht dein Ernst!", antwortete ich entgeistert.
"Wieso? Warum sollte ich die kennen?"
"Sie hat doch die tollen Vampir-Bücher geschrieben."
"Vampirbücher?!"
"Noch nie was von Twilight gehört?", fragte ich ihn entsetzt.
"Nein."
Neben uns geht ein Mädchen vorbei und schaut uns böse ab. Ich korrigiere mich. Ihn böse an.
Er fauchte leise.
"Hey was soll das denn?", zischte ich.
"Warum hat sie mich denn einfach so böse angeschaut?"
"Du kennst die Bücher nicht."
"Ja und?! Ich hab nicht das Gefühl etwas verpasst zu haben."
"Das sagst du nur, weil du sie nicht kennst."
"Sicher doch. Ich meine welcher Trottel würde Vampirbücher lesen, jetzt mal im Ernst?"
"Eigentlich wäre es besser zu fragen, welcher Trottel sie denn nicht liest."
"Was ist an einem Vampir interessant? Wir sind böse. Fressen euch und ihr lest Bücher über uns, wie krank ist das denn?"
"Naja, ganz viele Mädchen lesen die..."
"Du auch?"
"Ja..."
"Stimmt du bist ja verrückt, das hatten wir schon."
"Danke. Wir finden Vampire, naja wie soll ich es sagen... ich finde sie einfach wahnsinnig toll, sie sind so mysteriös, geheimnisvoll, wunderschön, stark, schnell,... weiß nicht, so ein bisschen wie ein Traummann...?"
"Ein Vampir ist ganz sicher kein Traummann. Zumindest nicht für einen Menschen."
"Los komm mit", ich nahm ihn an der Hand und zog ihn mit mir. Die Hand war kalt, aber darauf war ich vorbereitet.
"Wo willst du hin?"
"In das Buchgeschäft, da drüben."
"Ich soll mir doch jetzt nicht im Ernst die Bücher anschauen?!"
"Doch genau das tun wir jetzt."
"Ihr Menschen seid schon seltsam...", murmelte er, ließ sich aber widerstandslos von mir mitziehen.
 
In der Buchhandlung kam er aus dem Staunen überhaupt nicht mehr heraus. Er konnte es gar nicht fassen, dass es so viele Bücher über Vampire gab.
Prüfend nahm er Twilight aus dem Regal.
"Worum geht es darin?", fragte er mich und drehte sich zu mir um.
"Naja es geht um Bella, einen Menschen. Sie trifft auf Edward, einen Vampir, und seine Familie und verliebt sich in ihn.", erklärte ich ihm.
"Das ist ja normal."
"Inwiefern normal?", fragte ich verwundert.
"Weißt du das nicht? Das ist ja die Art und Weise, wie wir unsere Opfer heranlocken. Durch unsere Schönheit."
"Das klingt ziemlich arrogant", meinte ich.
Er lachte leise.
"Findest du?"
"Ja."
"Bin ich denn nicht hübsch?", wollte er wissen.
Darauf gab ich ihm keine Antwort. Aber eigentlich hatte er Recht. Er war ziemlich... heiß. Braunes Haar, (das momentan ziemlich durcheinander war, weil er sich vorhin wegen mir die Haare gerauft hatte), braune Augen, perfekt geschwungene Lippen und eine leicht gebräunte Haut. Ich dachte zwar immer, Vampire wären weiß wie die Nacht, aber mit dem Rest hatten die Bücher schon recht. Vampire sahen einfach zum Anbeißen aus. Dazu steckte er in einer schwarzen Lederjacke, die ihm irgendwie ein Macho-mäßiges Aussehen verlieh und in ausgeblichenen Jeans. Ganz lässig.
"Woran denkst du?" Er riss mich aus meinen Gedanken.
"Äh..." Ich spürte, wie mein Gesicht rot wurde.
"Na komm, sag mir was du denkst", sagte er mit einer rauchigen Stimme und kam mir immer näher.
Mein Herz begann zu rasen und mir wurde schrecklich heiß. Ich konnte mich nicht bewegen und es leider auch nicht verhindern, dass sich meine Gedanken verselbstständigen. Darin legte er gerade eine Hand an meine Taille und seine Lippen sanft auf meine. Sein Geruch vernebelte mir total die Sinne. Männlich. Verführerisch.
Doch leider drehte sich die reelle Version von ihm in letzter Sekunde zum Buchregal und stellte Twilight zurück.
"Ich dachte schon das klappt bei dir nicht", sagte er leise zu sich selbst.
WAS?! Hatte er nur ausprobiert, ob ich genauso beeinflussbar war, wie alle anderen?
"Was war das eben?", fragte ich ihn herausfordernd.
Er ignorierte mich. Empört trommelte ich auf seinen steinharten Oberarm, und obwohl ich nicht gerade klein war, kam ich kaum an seine Schulter. Er war ein Riese. Ich spürte seine durchtrainierten Muskeln und musst mich zusammenreißen, dass ich nicht schon wieder irgendwelche Fantasien bekam.
"Wieso?" Er grinste. "Hat dir das denn nicht gefallen?"
"Das schon aber..." Moment hatte ich gerade zugegeben...? Mist. Mist. Mist.
"Was aber?" Er sah mich immer noch nicht direkt an.
"Das darfst du nicht", stammelte ich.
"Aha, das darf ich nicht." Der Sarkasmus klang deutlich heraus. Wie nett.
"Nein...", murmelte ich hilflos.
"Und warum nicht?", wollte er wissen und sah mir tief in die Augen.
"Weil..., das ist einfach nicht fair." Seine Augen verwirrten mich.
"Ach ja? Und wer will mich davon abhalten? Du etwa?" Spott troff aus seiner Stimme und er drehte sich wieder zum Regal und musterte es prüfend.
"Du bist gemein", rutschte es mir heraus und im gleichen Augenblick verfluchte ich mich, dafür dass meine Stimme total weinerlich klang.
Überrascht drehte er sich um und sah mich wieder an.
"Hab ich dir weh getan?", fragte er ganz leise.
Ich schluckte und blickte zu Boden. Verdammt, irgendwas lief hier total falsch.
Er ging zu mir und hob meinen Kopf an, so dass ich ihm ins Gesicht blicken musste.
"Es tut mir leid", sagte er mit Hundeblick und ich starrte wie gebannt in seine goldbraunen Augen. Doch halt, was tat ich da? Schnell drehte ich den Kopf zur Seite.
"Siehst du du tust es schon wieder.", warf ich ihm vorwurfsvoll vor.
"Was denn?" Seine Stimme klang sanft.
"Du beeinflusst mich."
"Uuups", machte er und richtete sich auf. "Das habe ich gar nicht gemerkt."
"Wie hast du nicht bemerkt? Wie kann man so was nicht bemerken?"
"Naja das ist wie bei euch Menschen. Manchmal flirtet ihr absichtlich, weil ihr wollt, dass jemand anderes euch mag, aber manchmal, flirtet ihr unbewusst und merkt es auch nicht, weil euch die andere Person wirklich gefällt."
"Wie...? Willst du damit sagen...?"
"Ich will damit gar nichts sagen", unterbrach er mich nun plötzlich barsch. "Du bist nur ganz anders als alle anderen Menschen, mit denen ich jemals zu tun hatte. Du schreist nicht, du rennst nicht weg und willst unbedingt dass ich mich vorstelle. Du lachst mich aus und du schleppst mich in einen Buchladen um mir zu beweisen, dass Vampirbücher gut sind. Ich versteh dich einfach nicht."
Was sollte ich antworten? Ich verstand mich ja selbst nicht.
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Daniel drehte sich wieder zum Regal und strich über die Buchrücken.
"Vampir. Vampir, Fee, Vampir", murmelte er. Für ihn schien das Gespräch beendet. Einerseits war ich froh darüber, da wir zu einem etwas brisanten Thema gekommen waren. Mochte ich ihn, weil er ein Vampir war, oder weil er Daniel war? Mochte er mich? Diesen Gedanken verwarf ich sogleich. Ich war ja sein Fresschen, an dem er die "Kunst des Aufhörens" ausprobieren konnte, mehr nicht. Andererseits war es schade, da ich gerne mehr über Vampire herausgefunden hätte. Es kam ja nicht allzu häufig vor, dass man einem Vampir begegnete und das überlebte. Wie es sich wohl anfühlte, wenn man von einem Vampir gebissen wurde.
"Und das?" Er zog ein mir unbekanntes Buch heraus.
"Ziemlich sicher auch Vampir."
"Mhm."
Ich sah ihm dabei zu, wie er die Buchrücken begutachtete, hin und wieder ein Buch herausnahm und ein paar Seiten blätterte.
"Kannst du mich mal beißen?", fragte ich ihn.
Schockiert drehte er sich um. "Hast du sie noch alle? Darüber macht man keine Witze!" Eigentlich war es ja auch kein Witz gewesen. Es interessierte mich tatsächlich.
"Sind alle Menschen heute so lebensmüde wie du?", wollte er ärgerlich wissen. War ich lebensmüde?
"Wieso heute? Gestern war es auch nicht so viel anders, als heute."
"Moment. Welches Jahr haben wir eigentlich?"
"Äh 2012. Wieso?" Er wusste nicht, in welchem Jahr wir uns befanden?
"Meine Güte, habe ich lange geschlafen", staunte er und fasste sich an den Kopf.
"Kommst du aus der Vergangenheit?", fragte ich interessiert.
Er schmunzelte. "Ja, so könnte man es fast nennen." Als er meinen Blick sah, lachte er laut auf. "Das interessiert dich jetzt, stimmts?"
"Ein bisschen", antwortete ich, konnte meine Neugier doch nicht verbergen.
"Also ich habe einen Vorschlag. Wir setzen uns irgendwo zusammen hin, du erzählst mir, was in den ganzen Büchern drin steht und ich sage dir, was falsch ist."
"Einverstanden, aber wir gehen in mein Lieblingscafé", beschloss ich und zog ihn schon mit mir.
"Moment, ich muss das Buch noch zurückstellen. Ich denke Diebe sind auch heute noch nicht gern gesehen oder?" Lachend verließen wir die Buchhandlung und ich zog ihn nach links auf den Ausgang zu.
"Ich dachte wir gehen in dein Lieblingcafé", wollte er wissen und blieb stehen.
"Tun wir auch, es ist genau gegenüber."
"Müssen wir dazu raus gehen?" In diesem Moment blitzten die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolkenwand.
"Nein, hier gibt es einen kleinen geheimen Tunnel, der führt direkt zu einem Busch."
"Was?", fragte er entgeistert. Ironie war damals wohl noch nicht erfunden.
"Ja, wir müssen raus gehen."
"Gibt es hier drin denn keine Cafés?"
"Doch, aber die sind so teuer und mein Lieblingscafé von gegenüber hat wahnsinnig leckere Cupcakes…"
"Aber dazu müssen wir raus…" Endlich kapierte ich worauf er hinaus wollte.
"Du kannst nicht raus, wenn die Sonne scheint oder?"
Stumm nickte er.
"Löst du dich dann in Luft auf? Oder verbrennst du? Nein! Sag mir bitte nicht dass du dann glitzerst."
"WAS?!", rief er empört.
Ich bekam einen erneuten Lachanfall, schnipste an seinem Ohr und machte "pling, pling". Daniel knurrte drohend und vorbeilaufende Passanten blickten uns entgeistert an.
"Du blinkst", lachte ich und wischte mir die Tränen aus den Augen. "Echt jetzt?" "Nein, wer erzählt so einen Schwachsinn? Oh lass mich raten, deine tollen Vampirbücher."
An einer Wand lehnend hielt ich mir den Bauch und nickte. Mir taten vom Lachen schon sämtliche Muskeln in meinem Gesicht weh und auch welche in meiner Bauchgegend, von denen ich bis eben nichts wusste, dass sie existieren. "Also nur, dass wir das geklärt hätten. Vampir glitzern nicht. Sie blinken auch nicht."
"Können Vampire im Dunkeln leuchten?", presste ich zwischen den Lippen hindurch. Das war ein Fehler. Schon allein die Vorstellung von einem grün leuchtenden Vampir brachte mich wieder zum Lachen. Prustend hielt ich mir eine Hand vor den Mund und kicherte hindurch. Daniel hingegen war mal wieder einfach nur schockiert.
"Ja wieso denn nicht? Wenn ihr radioaktiv verseuchtes Zeug esst, dann leuchtet ihr doch grün."
"Und warum solle ich so etwas essen?!"
"Naja sterben könnt ihr ja davon nicht, und woher soll ich das wissen? Vielleicht schmeckt es ja gut. Strahlende Aussichten, nicht?" Und auch diesen Witz verstand Daniel nicht. Wie gut, es war ja auch nicht wirklich lustig, wenn Atomreaktoren kaputt gingen.
"Die Menschheit verdummt. Früher hatten sie alle Angst vor uns, da gab es noch richtige Vampirbücher, wie zum Beispiel Dracula. Und was ist heute? Alles Waschlappen-Vampire, entstanden aus komischen Menschenfantasien. Wenn ein Vampir mal Geld brauchte, konnte er einfach eine Vampirgeschichte schreiben, doch was soll der ganze Unsinn. Glitzernde Vampire. Grausam." Dieser Monolog hätte wahrscheinlich noch ewig gedauert, doch ich hatte jetzt Lust auf einen Cupcake und so zog ich Daniel einfach mit mir. Eine Weile redete er noch vor sich hin, doch schon bald war er vom Einkaufzentrum so fasziniert, dass er die Glitzer-Vampire vergaß.
Die Menschenmassen waren etwas abgeklungen und so konnte man sich einigermaßen ruhig bewegen. An jedem Schaufenster blieb Daniel stehen und bestaunte die Ware. Ich fragte mich insgeheim, wie viele Jahre er "verschlafen" hatte, doch da er mit der Begeisterung eines Kleinkindes von Schaufenster zu Schaufenster lief, stellte ich sie fürs Erste zurück und sah ihm stattdessen dabei zu, wie er fasziniert alle technischen Neuerungen begutachtete. Vor allem die Smartphones schienen es ihm angetan zu haben.
"Weißt du was ein Handy ist?", fragte ich ihn.
"Ich bin doch nicht aus dem Mittelalter", gab er empört zurück. Hätte ja sein können.
"Du brauchst dringend neue Klamotten", stellte ich fest. Er drehte sich zu mir um und blickte an sich herunter.
"Ja, du hast recht. Ich bin sogar überrascht, dass sie so lange gehalten haben. Einmal bin ich aufgewacht und meine Klamotten waren von irgendwelchen Viechern gefressen."
"Motten."
"Ja sagte ich doch Klamotten.", antwortete er.
"Nein, das meinte ich nicht. Deine Klamotten wurden wahrscheinlich von Motten gefressen."
"Kann sein." Er grinste. "Bekomme ich deine 50¤?
"Was?!"
"Du warst doch vorhin so erpicht darauf, mir das Geld zu geben."
"Äh… ja. Da habe ich dich auch für einen geisteskranken Fashionnotfall gehalten."
"Aha und was bin ich jetzt?"
"Immer noch ein Notfall?", lachte ich.
"Na dann wollen wir doch mal dagegen was unternehmen", meinte er und stimmte in mein Lachen ein. "Aber zuerst brauchen wir eine Bank."
Da wusste ich bescheid. Das Einkaufszentrum war so etwas wie ein zweites Zuhause für mich. "Vorne rechts, ist eine kleine Filiale."
"Prima."
Wie selbstverständlich nahm er meine Hand und wir liefen zu der Filiale.
In der Bank fragte er den Beamten kühl nach seinem Konto und gab ihm seinen Ausweis und einen Zettel.
"Ihr Ausweis ist seit 2004 abgelaufen", wagte der Beamte einzuwenden.
"Ist das ein Problem", wollte Daniel drohend wissen und der Mann schrumpfte unter seinem stechenden Blick in sich zusammen. Ich drückte kurz seine Hand und verschwand dann aus der Filiale. Der Vampir blickte mir leicht irritiert hinterher, hatte er Angst, dass ich jetzt doch weglaufen würde? Eigentlich wollte ich nur raus, da ich fürchtete beim Anblick des Beamten einen Lachanfall zu bekommen, und das wäre nicht sehr schicklich gewesen. Wie er so in sich zusammengefallen war. Ich grinste. Da zeigte sich doch deutlich, dass Frauen viel mehr vertrugen als Männer. Gut, ich war wieder ein Sonderfall, da ich es einfach nicht kapiert hatte, dass Daniel ein Vampir war. Kurze Zeit später verließ dieser die Filiale und kam fröhlich grinsend auf mich zu, als er mich entdeckte.
"Zinsen sind doch eine tolle Sache", meinte er.
Verständnislos blickte ich ihn an.
"Naja, wenn man Geld auf der Bank anlegt und dann zehn Jahre verschläft, vermehrt sich das Geld, ohne dass man etwas dafür tun muss."
"Aha darum haben Cullens so viel Geld", mutmaßte ich.
"Wer sind die Cullens?", fragte Daniel neugierig. Erneut drehten sich einige Mädchen zu uns um und schauten böse. "Aha verstehe. Glitzer-Vampire." Ich grinste. Er lernte schnell.
"Jetzt einkaufen?"
"Wie du möchtest", antwortete er.
"Okay, ich such raus und du zahlst, einverstanden?" Ich grinste breit. Das war mein Element.
"Von mir aus."
Ich schleppte ihn in das nächstbeste Modekaufhaus im Einkaufszentrum und steckte ihn in eine Umkleide. Auf dem Weg hatte er sich darüber beschwert, dass die Röcke so kurz waren und die Ausschnitte so weit. Seltsam, der erste Mann, den so etwas störte. Von alten Opis mal abgesehen. Jedenfalls lief ich durch die Reihen, stöberte hier in einem Kleiderständer, wühlte dort auf einem Tisch mit Jeans, legte Stück für Stück auf meinen Arm und lief dann zurück zur Umkleide. Da klopfen bei einem Vorhang mit zwei vollen Händen sich als etwas schwierig erwies, lief ich einfach gegen den Vorhang, in der Hoffnung, dass ich hindurch kam und er dabei nicht abriss. Glück gehabt. Eine Aufhängung hatte zwar ein reißendes Geräusch von sich gegeben, aber der Vorhang war mir nicht über den Kopf gefallen. Aus heiterem Himmel lief ich gegen etwas hartes, das kurz auflachte und mich schließlich aus meinem Vorhang befreite. Klar, Daniel, wer sonst. Er hatte sich bereits die Lederjacke und sein T-Shirt ausgezogen und nahm die neue Kleidung in Empfang. Ich versuchte in der Zwischenzeit möglichst nicht auf seinen muskulösen Oberkörper zu starren. Es war beinahe unmöglich. Doch ein Blick in den Spiegel lenkte mich glücklicherweise ab. Wie konnte er sich denn begutachten, wenn er kein Spiegelbild hatte. Leise fing ich wieder an zu kichern. Daniel steckte noch halb in dem neuen Pullover und dachte natürlich, ich würde über ihn lachen. Demensprechend sauer blickte mir sein Kopf entgegen, als er den Pullover endlich richtig anhatte.
"War schwer, hm?", grinste ich frech.
"Sieht es so schlimm aus, dass du schon wieder lachen musst", fragte er genervt und zwinkerte mir zu.
"Nein, ich frage mich gerade nur, wie du sehen willst, dass es gut aussieht, da du dich ja nicht spiegeln kannst."
Er stutzte.
"Ja, stimmt. Aber weißt du, mir steht einfach alles." Wie konnte man nur so von sich überzeugt sein. Vielleicht sollte ich ihm etwas bringen, dass ihm definitiv nicht stand. Eine Herausforderung. Gab es Umstandsmode für Männer? Naja irgendwie war es auch nicht schwer. Bei der Figur.
Daniel schien meine Gedanken irgendwie erraten zu haben, denn er näherte sich mir, bis sich unsere Nasen fast berührten und legte seine Hand um meinen Nacken.
"Manche Frauen sagen mir ja, dass es ihnen viel besser gefällt, wenn ich überhaupt nichts anhabe", raunte er mir verführerisch zu und mein Herz begann wie wild zu klopfen. Wollte er mich jetzt beeindrucken, indem er mir erzählte, wie viele er schon rumbekommen hatte?
"Weißt du was", antwortete ich ihm und versuchte meine Stimme so sexy klingen zu lassen, wie er und obwohl es sich in meinen Ohren anhörte, als hätte ich Krämpfe, schien es zu wirken. "Ich fände es wirklich erotisch, wenn du einen Eskimomantel mit Kapuze tragen würdest, geschlossen bis zum Hals."

"Wa…?" Er war so perplex, dass er nicht einmal "was" mehr richtig aussprechen konnte. Eins zu eins mein Lieber.

Impressum

Texte: Michaela Tunik-Brecht
Bildmaterialien: Cover von: carolinafabian
Tag der Veröffentlichung: 02.10.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Danke an Jenny Meissner, durch dich gibt es die Fortsetzung :)

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