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Die Verwandlung dauerte genau drei Tage und Nächte bis sie abgeschlossen war. Drei lange und schmerzvolle Tage.

Es begann an einem schicksalsreichen Mittwochnachmittag im September. Ich beschloss, wie jede Woche eine Stunde im Wald joggen zu gehen. Allein. Meine Mutter erlaubt es mir, wenn ich mein Handy dabei habe und mich im Notfall melden kann. Das Handy hätte mir aber an jenem Mittwoch nicht geholfen.

Ich joggte in Richtung Wald. Der Radweg, auf dem ich sonst immer jemanden getroffen habe, war wie leergefegt. Mich beschlich ein unheimliches Gefühl, gerade so als würde ich beobachtet. Ich verwarf es als Humbug. Der Radweg führte erst zwischen bereits abgemähten Feldern hindurch. Wo also sollte sich jemand verstecken und warum? Ich verdrängte das Gefühl. Die Sonne schien und es war ein herrlich warmer Spätsommertag. Aus den Augenwinkeln sah ich etwas umherhuschen. Sofort drehte ich mich um. Nichts. Aber das Gefühl beobachtet zu werden blieb. Leicht beunruhigt lief ich weiter. Wieder huschten schemenhafte Gestalten herum und wieder drehte ich mich um. Nichts. „Spinn ich jetzt?“, fragte ich mich. „Jetzt sehe ich schon mitten am Tag Gespenster.“ Ich lachte. So ein Unsinn. Noch hundert Meter bis zum Wald. Auch der Wald sah heute irgendwie unheimlich aus - gefährlich. Unsinn! Im Wald war Nebel, der sonst nie war. Und immer noch fühlte ich mich beobachtet.

Ich hielt es nicht mehr länger aus. Was wenn sich wirklich jemand hinter den Bäumen versteckte? Irgend so ein Perverser. Man liest ja jeden Tag von Mädchen, die vergewaltigt und umgebracht werden. Sollte ich zur Sicherheit daheim anrufen? Ich zog mein Handy heraus. Funkloch! Auch das gab es hier noch nie! Jetzt bekam ich es mit der Angst zu tun! Nur schnell weg hier! Schnell nach Hause! Ich begann zu rennen! Jetzt hörte ich ein Rascheln und Knacken, wie als ob ich verfolgt würde. Ich drehte mich nicht um. Nur schnell weg! Würde ich mich umdrehen, würde ich wie vorhin niemanden sehen, da war ich mir sicher. Wer auch immer mich verfolgte, er verstand es sich zu verbergen!
War es ein Mensch oder ein Tier? So leise wie es rannte, konnte es nur ein Tier sein? Ein Wolf? Nein Wölfe sind ausgestorben. Bär, Hirsch, Wildschwein. Ich konnte nur hoffen, dass es keines von diesen Tieren war! Ich rannte immer schneller! Die Angst verlieh mir Flügel! „Hoffentlich fall ich jetzt nicht hin, dann wär alles aus!“ Vor lauter Nachdenken schaute ich gar nicht auf den Weg und prompt stolperte ich. Ich konnte mich rechtzeitig auffangen und rannte weiter. Das war das Rascheln rechts von mir und gleich darauf links und dann wieder hinter mir. Das konnte nie und nimmer nur einer sein! Ein ganzes Rudel! Aber wovon? Darüber dachte ich besser daheim in Sicherheit nach! Da vorne hörte der Wald auf! Noch 500 Meter! Es wurde immer lichter!

Da stand er! Ein Junge von etwa 18 Jahren, groß und kräftig und sehr blasse Haut! Gerettet! Wahrscheinlich wäre ich in ihn hineingerannt, aber ich blieb aus unerfindlichen Gründen urplötzlich stehen. „Hallo wir müssen hier weg. Hier gibt es Wölfe!“ „Wir müssen heute gar nirgends wo hin.“

Ich schaute in seine Augen und erschrak. Es waren die Augen eines Raubtieres! ER starrte mich an, gerade so als wäre ich was zum Essen. Plötzlich verstand ich: Er war nicht meine Rettung. Er war mein Verhängnis. ER hatte mich verfolgt! Eigentlich sagte mir mein Verstand, hätte ich jetzt Angst haben müssen, aber ich war nicht dazu im Stande. Ich fühlte mich nur sicher! Mein Verstand protestierte, aber mein Körper gehorchte ihm nicht mehr. Ich stand nur da und starrte den Jungen an.
Aber warum sollte er mich verfolgen? Ich verstand die Welt nicht mehr! Ich spürte, dass ich jetzt weglaufen sollte, aber ich konnte nicht! Außerdem hatte ich das Gefühl, dass er mich leicht wieder einholen könnte. Das Rudel, das mich verfolgt hatte war er. NUR er.

Ich schaute wieder in seine Augen, sie waren pechschwarz, nein sie hatten die Farbe von Onyx. Und der Blick war so durchdringend, dass ich meinen Kopf senken musste. Es war mir als würde er mich hypnotisieren. Ein Bild von einem verschreckten Hasen schoss mir durch den Kopf, der vor einer Schlange sitzt und nur darauf wartet gefressen zu werden.
„Warum rennst du nicht weg, oder schreist?“
Ich schaute auf. Er schaute mich spöttisch an. Hungrig. Seine Stimme klang wie Seide oder Honig, aber alles was mir durch den Kopf ging, nichts konnte diese Stimme beschreiben. So eine Stimme hatte ich noch nie gehört.
„Ich weiß nicht“, gestand ich schließlich leise. „Außerdem ist es doch sinnlos, wo du sowieso schneller bist als ich.“
Ungläubigkeit und Überraschung huschten über sein Gesicht.
„Wie kommst du da drauf?“
„Naja du bist mir gefolgt und du warst links und gleich darauf rechts von mir...“
Ich blickte zu Boden.
„Und jetzt hast du Angst.“
Es war keine Frage. Es war eine Feststellung.
„Nein!“, sagte ich.
„Nein?“
Diesmal drückte auch seine Stimme die Ungläubigkeit aus.
„Du willst nicht schreien oder...?“
„Ich hab keine Angst“, meinte ich fest.
Irgendwie stimmte das auch, obwohl mein Gehirn aufs heftigste dagegen protestierte.
„Ich weiß nicht, was mit dir los ist, aber die anderen haben spätestens
als sie mich gesehen haben gewusst, dass sie das nicht überleben
werden und um Gnade gefleht.“
„Die anderen?“
Ich redete hier mit einem, der gerade gesagt hatte, dass er mich umbringen will.
„Die anderen“, bestätigte er.
„Hast du es immer noch nicht verstanden? Ich werde dich töten.“
„Ich hab keine Angst!“
„Hier geht es nicht um Angst! Sagt dir denn nicht einmal dein Verstand, dass du wegrennen sollst? Willst du dich einfach so abschlachten lassen?“
„Macht dir das etwa jetzt was aus? Vorher hat es dich doch bestimmt auch nicht gekümmert.“
Das war definitiv die falsche Antwort. Er knurrte und kauerte sich zum Angriff hin. Ich blieb stehen und wich nicht einen Schritt zurück.
Kannst du wenigstens irgendwas tun, dass es mir leichter fällt dich zu töten!“, verlangte er.
„Leichter fällt? Soll ich dich etwa anschreien?“
Er blinzelte.
„Das wäre zumindest besser als sich einfach nur umbringen zu lassen.“
„Du hast ein Problem damit zu töten? Warum tust du es dann
überhaupt?“
„Du verstehst das nicht. Du verstehst rein gar nichts!“
„Warum hast du mich dann nicht schon längst umgebracht?“, fragte ich
unverblümt.
Die Frage schien ihn zu überraschen.
„Du wirfst mir vor, dich noch nicht getötet zu haben?“, fragte er mich
leise.
„Ich weiß auch nicht, warum du noch lebst. Normalerweise wärst du
schon tot.“
„Du bist es halt nicht gewöhnt, dass deine Opfer mit dir streiten oder?“
Ich schaute immer noch auf den Boden. Er lachte. Leise und zärtlich, wie es mir schien. Oder hoffte ich, dass es so klang. Weil ich mir eigenartigerweise schon Hoffnungen machte, die völlig absurd waren.
„Du fällst gleich in Ohnmacht hab ich recht?“
„Nöp, falsch.“
Da fing er an zu lachen.
„Was hab ich jetzt schon wieder falsch gemacht? Warum lachst du mich aus?“
Das Lachen verstummte.
„Du bist echt der seltsamste Mensch, der mir je begegnet ist...“
Ich erwiderte gar nichts. Vorsichtig blickte ich nach oben. Er musterte mich prüfend. Er schüttelte fassungslos den Kopf.
„Das ist der Wahnsinn oder?“
„Kann schon sein...“
Ich schaute in seine Augen und war von dem Blick wie gefangen. Er machte einen Schritt auf mich zu.
„Komisch, ich könnte mich daran hindern dich zu beißen, obwohl du verdammt lecker riechst.“
„Dann tu es nicht.“
„Tut mir leid, aber mein Durst ist jetzt schon zu groß. Ich schätze das nächste Mal wirst...“
Ich unterbrach ihn.
„Dir ist schon klar, dass es dann kein nächstes Mal mehr geben wird oder!“
Jetzt schaute er plötzlich schmerzhaft drein.
„Du entschuldigst dich jetzt dafür, dass du mich töten willst? Wie krank ist das denn?“
Das ging zu weit, das ging definitiv zu weit... Ich sah wie die Wut in ihm hochstieg. Und jetzt bekam ich Angst. Er stürzte sich auf mich und von einer Sekunde zur anderen hing er an meinem Hals und biss zu. Ich schrie auf und wollte mich wehren, aber es war, als wäre ich in einem Stahlkäfig. Seine Haut war eiskalt. Mein Herz fing plötzlich wie wild an zu klopfen. Seine Haut auf meiner. Ich konnte nicht mehr klar denken. Und obwohl es definitiv verrückt war, war es mir plötzlich egal. Egal, dass ich jetzt sterben würde. Egal.
Das einzige was ich noch spürte war der Schmerz in meinem Hals und mein klopfendes Herz. Meine Sicht trübte sich. Mein Blick war fast schwarz, da sah ich sein Gesicht. IHN. Er, der mich festhielt und gerade das Blut aus meinem Hals trank! Und ich denke darüber nach, obwohl ich dem Tod schon so nah bin. Wenn ich schon sterben muss, dachte ich... ich wehrte mich nicht mehr.
Er nahm den Kopf von meinem Hals und schaute mich mit Blutverschmiertem Mund an. Seine Augen waren rot. Ich schaute ihn an und einem plötzlichen Verlangen folgend, zog ich seinen Kopf zu mir heran und küsste ihn. Er riss sich los! Einen Augenblick später war er 10 Meter entfernt. Ich blinzelte. Er war weg. Verzweiflung kam in mir hoch.
Er kann mich doch nicht einfach so hier liegen lassen. Ich verblute doch. Ja und sagte eine kleine Stimme in meinem Kopf. Ich war zu schwach die Augen offen zu halten. Jetzt sterbe ich, sagte ich mir. Und ich fiel in eine tiefe Bewusstlosigkeit.

Es brannte. Ich brannte. Wo war ich? In der Hölle? Fühlte sich so der Tod an? Alles um mich herum war schwarz. War ich noch in meinem Körper? Wo sind meine Augen? Ich versuchte sie zu öffnen, aber ich fand sie nicht, meine Hände, meine Beine? Nichts! Ich spürte nur das Feuer, das sich in mir herum fraß. Ich wollte schreien, aber ich konnte nicht. Ich konnte nur darauf warten, dass es irgendwann aufhören würde. Und wenn nicht müsste ich halt ewig so weiter machen! Wie lange ging das schon so? Minuten, Stunden, Tage?
Das letzte, an was ich mich erinnern konnte, war dass ich ihn geküsst hatte. Und er hat mein Blut getrunken. Mir war, als würde ich eine Ewigkeit hier liegen. Das Feuer brannte mal mehr mal weniger stark. Nach und nach spürte ich meinen Körper wieder. Und ich spürte, wie sich das Feuer noch tausendmal schlimmer als vorher durch ihn hindurchfraß. Verbrannte ich gerade bei lebendigem Leib? Das Feuer fraß sich in meine Arme, durch meinen Bauch und in meine Beine. In jedem Zeh brannte es. Aber mit der Zeit ließ es nach. Es zog sich zurück, an die Stelle, wo mein Herz ist. Und dieses pochte verzweifelt, qualvoll. Dann setzte es kurz aus. Ich lebte also noch. Fühlte sich so sterben an? Das Feuer zog sich in mein Herz zurück und dieses pochte immer heftiger. Und noch einmal schien das Feuer an Intensität zu gewinnen. Das Herz, mein Herz, flatterte, pochte noch einmal wie wild und verstummte. War ich jetzt tot? Das Feuer schien sich ausgebrannt zu haben.

Ich fühlte. Mein Körper war noch da, aber er fühlte sich nicht echt an. Ich konnte meine Hand bewegen und meinen Fuß und dann schlug ich die Augen auf.

Alles war so scharf! Ich blickte mich um. Ich lag immer noch auf derselben Stelle, wo er mich zurückgelassen hatte. Ich hörte ein Auto heranfahren und sprang auf. Das heißt ich dachte daran aufzustehen und im selben Moment stand ich schon. Es gab keine Bewegung. Ich blickte mich um. Das Auto, das ich gehört hatte, für auf der Schnellstraße in 1km an mir vorbei. Konnte ich wirklich so weit hören? Wahnsinn!
Und wie alles roch?!

Aber wo war er? Weggelaufen, weil er es nicht geschafft hatte mich zu töten? Ich schnupperte. Tausend Gerüche drangen auf mich ein. Einen davon schien ich zu kennen. Es roch süßer als alles andere, unbeschreiblich gut. So wie als ich in seinen Armen lag. Alles andere roch anders wie früher. Intensiver. Dieser Geruch war auch intensiver, aber zugleich so vertraut. Ich folgte der Spur und rannte durch den Wald. Nach wenigen Sekunden wurde der Geruch sehr stark. Ich blieb stehen.
Mir bot sich ein Bild der Verwüstung. Bäume waren entwurzelt, dicke Kiefern und alte Eichen, waren abgeknickt wie Zahnstocher. Überall lagen Äste verstreut, es sah aus als hätte jemand damit Speerwurf gemacht. Und da saß er. Am Fuß einer großen Fichte, zusammengekauert.
Ich stand abwartend da und überlegte, was ich jetzt tun sollte. Plötzlich schüttelte es ihn vor und zurück, wie als würde er weinen. Warum eigentlich nicht? War er so viel anders, dass er nicht weinen könnte? Eigentlich nicht.
„Warum hab ich mich dieses eine Mal nicht zusammenreißen können. Sie roch so anders, so gut. Warum musste ich sie töten. Wieso hat sie mich davon nicht abhalten können. Ach ja richtig... weil ich ein Monster bin!“
Er sprang auf und hieb mit der Faust an den Stamm der Fichte. Diese schwankte bedrohlich und zerbrach genau an der Stelle, wo er mit der Faust hineingeschlagen hatte. Ohne großartig nachzudenken sprang ich auf und eine Sekunde später hing ich wie ein Äffchen an seinem Rücken.
„Ich wusste doch, dass es ewig schade um mich wäre“, lachte ich.
Er spannte sich an und knurrte. Erschrocken ließ ich ihn los und sprang einen kleinen Satz nach hinten. Okay ich dachte das sei ein kleiner Satz gewesen. Ich hatte mich mit der Kraft um etwa 5 Meter verschätzt und krachte gegen einen Baum. Dieser knirschte bedrohlich. Ich selbst hatte weder blaue Flecken noch Schrammen.
Aber im Moment interessierte mich das herzlich wenig. Nur er interessierte mich. Er drehte sich um und schaute mich sprachlos an. Hatte ich damals als Mensch gedacht er wäre schön, war das nichts im Vergleich zu dem was ich jetzt sah. Unbeschreiblich. Er legte den Kopf schief und runzelte die Stirn.
„Ich glaub ich träume. Zwick mich mal“, meinte er.
Ich grinste und machte vorsichtig ein paar Schritte vor. Jetzt stand ich noch etwa 2 Meter von mir entfernt.
„Du lebst?“
„Genauso wenig wie du!“
Diese Antwort brachte ihn zum durcheinander. Vorsichtig bewegte ich mich einen weiteren Schritt vorwärts.
„Warst du das alles?“
„Äh was?“
„Das alles?“
„Ja.“
„ T'schuldige dass ich dich vorhin angeknurrt habe.“
„Schon in Ordnung.“
„Schon in Ordnung? Du bist nicht sauer, dass ich dein Leben beendet habe? Das du jetzt ein Leben ein verfluchtes Dasein fristen musst?“, fragte er mich fassungslos.
„Mein Leben beendet? Wieso. Das fängt doch jetzt erst an.“
„Du bist unsterblich.“
„Das auch noch? Ist ja echt Wahnsinn!“
„Ich hab dich zum Monster gemacht!“
„Wieso, das verstehe ich nicht?“
„Hast du keinen Durst.“
Ich forstete nach den Gefühlen in mir.
„Nein eher Hunger.“
„Auf was denn?“
„Äh Nudelsalat.“
Er starrte mich entgeistert an.
„Nudelsalat??? Kein Blut, kein rohes Fleisch?“
„Igitt wieso denn?“
„Eigentlich müsstest du jetzt furchtbaren Durst haben und auf alles Blutige losgehen.“
„Wieso?“
„Wieso? Warum wollt ich dich töten? Um dein Blut zu trinken.“
„Warum mein Blut?“
„Ich bin ein Vampir.“
Stille.
„Und du auch.“
„Das heißt ich muss jetzt auch so ein Monster werden und unschuldige Mädchen überfallen?“
Er knirschte mit den Zähnen.
„Eigentlich müsstest du das jetzt schon sein, aber das scheinst du nicht. Komisch.“
Er pflückte ein Eichenblatt.
„Hier iss das.“
„Willst du mich vergiften?“
Er lachte.
„Ich könnte dich gar nicht vergiften.“
„Und mit Chlor oder Arsen?“
„Auch nicht.“
„Mit äh...“
„Gar nichts.“
„Gar nichts?“
„Überhaupt nichts.“
„Ist ja echt krass.“
Er hielt mir das Blatt hin. Ich nahm es und schob es mir in den Mund.
„Und wie schmeckts?“
„Immer noch grün.“
„Wie?“
„Schmeckt wie ganz normales Grünzeug eben.“
„Gar nicht anders?“
„Nöp!“
„Komisch.“
„Ich bin kein richtiger Vampir stimmts?“
„Nein.“
Er lächelte und kam einige Schritte auf mich zu. Mein Herz hätte angefangen zu rasen, hätte ich noch eins gehabt.
„Du hast schöne Augen.“
„Du magst braune Augen?“
„Ja, obwohl sie eigentlich rot hätten sein sollen.“
„ROT!?“
„Ja die Augen von Vampiren sind rot. Vom Blut würde ich sagen. Aber deine sind braun. Wie die eines Menschen.“
„Oh.“
Er grinste.
„Aber deine sind auch braun.“
„Ja ich trag Kontaktlinsen.“
„Wieso das?“
„Na ja, dass sich die Mädchen nicht so erschrecken, wenn sie mich sehen.“
„Ah ja.“
„Nein stimmt nicht. Ich mag meine Augen nicht. Das sind die Augen eines Killers.“
„Und deswegen trägst du Kontaktlinsen?“
„Du machst dich lustig über mich.“
„Nein. Aber warum sind meine dann braun?“
„Tja.“
„Bist du dir sicher, dass ich jetzt ein Vampir bin? Nicht son Mittelding?“
„Nein du musst ein Vampir sein, obwohl du gewisse Abweichungen vom Normal hast.“
„Danke!“
„Obwohl bei dir die Verwandlung auch sehr schnell vonstatten ging.“ „Noch was außergewöhnliches.“
Und du bist dir sicher?
Er trat noch einen Schritt näher und strich mir mit der Hand sanft über die Wange. Es kribbelte.
„Wie fühlt sich das an?“
Was wollte er jetzt hören? Das war toll will mehr oder was?
„Warm oder kalt?“, fragte er in die Stille hinein.
„Warm.“
„Finde ich auch. Du bist eindeutig ein Vampir.“
„Sicher?“
„Ganz sicher.“
Da schien die untergehende Sonne zwischen den Bäumen hindurch. Als die Lichtstrahlen auf sein Gesicht und seine Arme fielen, fing alles an zu glitzern, wie tausend Diamanten. Ich hielt die Luft an. Er war so wunderschön. Ich widerstand dem Drang ihm über den Arm zu streichen. Mein Arm glitzerte nicht.
Ich hielt meinen Arm neben seinen, so dass sie sich nicht berührten. Er schien nur von innen zu leuchten und war im Vergleich zu seiner weißen Haut richtig rosig. Aber dennoch ziemlich blass. Aber daran könnte ich mich gewöhnen.
„Das macht es uns allen leichter.“
„Wieso?“
„Na nehmen wir mal an, du willst dein bisheriges Leben so weiterleben wie bisher, du könntest nicht aus dem Haus, wenn die Sonne scheint und würdest alles Leben um dich rum aussaugen, das wär doch schrecklich.“
„Also scheine ich eine Art Abweichung zu haben, die einen Sinn hat.“
„Aber sicher doch. Stell dir vor, was deine Mutter sagen würde, wenn du mit roten Augen und Blutdurst heimkämst.“
„Mama.“
Oh je was wird sie sagen.
„Was mach ich jetzt?“
„Ich schlage vor, du rufst sie an und sagst ihr sie soll doch bitte kommen.“
„Das ich ausrasten und sie abschlachten kann? Bestimmt nicht.“
„Oh ne fühlst du dich als müsstest du jetzt was trinken, hast du Durst?“
„Nein.“
„Das ist gut, denn wenn du die durchschnittliche Art Vampir wärst, wärst du schon längst über das Dorf hergefallen, oder hättest sämtliche Tiere im Wald getötet.“
„Hab ich aber nicht.“
„Hast du nicht, also ruf deine Mutter an.“
„Meine Stimme klingt anders.“
„Sag ihr du erklärst es ihr wenn sie kommt.“
„Und dann?“
„Das wird sich zeigen...“
„Jaja und nachher mach ich mir Vorwürfe?“
„Ich pass auf dich auf.“
„Ok ich versuchs.“
Ich zog mein Handy aus der Tasche und wählte die Nummer von daheim.
„Hier ist Chris“, meldete sich mein Bruder.
„Du klingst aber komisch ist alles klar?“
„Ja“, antwortete ich etwas gereizt.
Da kam mir eine Idee.
„Ich bin nur gestolpert und hab mir den Knöchel verstaucht. Ich kann nicht mehr laufen. Kannst du Mama bitten, dass sie mich abholt?“
„Abholen wo denn?“
„Ich bin am Waldrand.“
„Ok mach ich. Ich sag ihr Bescheid, sie kommt in 5 Minuten.“
„Ok tschüss!“
„Tschüss!“
Erleichtert schob ich das Handy zu. Das hatte doch ganz gut geklappt.
„Und geht’s deinem Knöchel besser?“, fragte er mich mit gespieltem Ernst und legte einen Arm um meine Hüfte, um mich zu stützen.
Bei seiner Berührung wäre mir das Blut in die Wangen geschossen, aber das war auch ein Vorteil an meinem neuen Ich..... ich würde nie wieder rot werden!
„Und was erzähl ich dann meiner Mutter? Hallo Mama ich bin jetzt ein Vampir aber ich trinke kein Blut?! Wohl eher nicht...“
„Und was mach ich, wenn sie mich jetzt hasst?“

Es war Nacht. Den ganzen Abend hatte ich meine Hausaufgaben gemacht, mein normaler Tagesablauf eben.
Jetzt kam die Nacht. Aber ich fühlte mich gar nicht müde. Da klingelte mein Handy.
„Hey!“
Er war es!
„Oh hey! Kannst du ohne mich keine 2 Stunden auskommen?“
„Das auch, aber bist du eigentlich müde?“
„Nicht das ich wüsste. Ich bin sogar noch ziemlich fit.“
„Ich hab vergessen dir zu sagen...“, er klang ziemlich verlegen.
„Ja?“
Er hatte doch wohl keine Freundin...
„Naja du kannst nicht mehr schlafen.“
Was?
„Nie mehr?“
„Nein nie mehr...“
„Cool!“
Keine Freundin juhu!!
„Cool?“, fragte er mich skeptisch. „Wieso cool? Ich hatte gedacht dass du mich in Gedanken erschießt, wenn ich dir das sage... aber du überraschst mich immer wieder...“
„Nie mehr schlafen? Ist doch wirklich cool. Dann kann ich die ganze Nacht Party machen oder chillen. Es gibt so viel, was ich machen könnte.
„Du wirst es ja sehen! Wenn dir langweilig wird, ruf mich an, dann nehm ich dich mit...“
„Ok! Bis dann“
„Ich geb dir 2 Stunden, dann meldest du dich bestimmt freiwillig...“
„Wir werden es sehen!“
Ich legte auf... So was als nächstes. Zähne putzen... und muss ich eigentlich noch Zähne putzen? Das Gift in meinem Mund müsste ja eigentlich alle Bakterien töten... Naja Vorsicht ist immer gut.... Ich werde eine Liste anfangen müssen mit allen Dingen, die ich noch wissen muss...
Ich wusch mich und putzte mir die Zähne. Danach ging ich in mein Zimmer und setze mich auf Bett. Was wollte ich schon immer mal tun? Mich würde interessieren, was andere nachts tun. Zum Beispiel meine Mitschüler...
Mir kam das fiese Grinsen eines Klassenkameraden in den Kopf. Xxx! Ach ja ich hatte mir ja geschworen, ihm auch mal Angst einzujagen und meine neue Rolle eignete sich dazu besonders gut. Also los!

Ich öffnete das Fenster und atmete die klare, kühle Nachtluft ein. Wäre ich noch ein Mensch gewesen, hätte ich schon gefröstelt, so fühlte sich alles kühl an, aber nicht kalt. Ich sprang aufs Dach, die Ziegel knirschten. Mir fiel ein, dass ich mir einst überlegt hatte mich umzubringen, indem ich aus dem Fenster sprang. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die Straße größeren Schaden erlangen würde als ich, wenn ich jetzt vom Dach sprang.
Ich lachte befreit! Bei meinen Eltern ging das Rollo hoch und mein Vater schaute aus dem Fenster. Verlegen winkte ich ihm zu...
Er riss das Fenster auf.
„Was machst du da!?“
Da war meine Mutter an seiner Seite.
„Komm ich erklärs dir. Obwohl ich das alles auch nicht ganz glauben kann.“
„Danke Mum!“
„Mach keinen Unsinn!“
„Ist doch klar Mum!“
Kann sie Gedanken lesen?
„Ich hab dich lieb!“
„Ich dich auch, ganz egal was auch geschehen ist.“
„Danke!“
Ich bekam einen dicken Kloß im Hals.
„Bis morgen! Schlaft gut!“
„DU auch!“
„Mach ich!“
Ich brauchte ihr ja nicht noch mehr Sorgen machen, wenn ich ihr sagte dass ich jetzt in Zukunft nicht mehr schlafen würde. Aber bestimmt dachte sie sich so was schon. Sie war eben meine Mutter und kannte mich manchmal besser als ich mich selbst.
Ich rannte hinauf zum Dachfirst, stieß ein befreites Lachen aus und sprang vom Dach. Ich hatte mich nur mit der Kraft verschätz. Es war wie fliegen, aber anstatt dass ich nur gen Boden segeln würde, flog ich etwa 50 Meter weit und blieb in einem Ahorn hängen. Ein Ast brach wie ein Streichholz, als ich landete und ich stürzte. Mit dieser neuen, gewaltigen Kraft umzugehen, müsste ich wohl noch lernen.
Ich rannte die Straße entlang. Sonst hatte ich immer Angst im Dunkeln, was wohl dort lauern würde, aber ich sah so weit wie am Tag, nur dass alles jetzt dunkler war.
Ich rannte den Hang hinunter und auf die Hauptstraße und blieb abrupt stehen. Was würden wohl die Autofahrer denken, wenn ich ihnen mit ja... wie viele Sachen hatte ich wohl drauf? Ich beschloss die Zeit zu stoppen.
Eine Minute später war ich im 3 km entfernten Dorf. Ca. 200 km/h nicht schlecht, dachte ich. Wo wohnte er jetzt nochmal genau. Instinktiv hob ich die Nase und schnupperte. Viele Gerüche drangen auf mich ein. Einen dieser Gerüche kannte ich sehr gut.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 04.06.2011

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