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I - Nach der langen Stille


London, spätes 19. Jahrhundert.

Ich erinnere mich noch genau an diesen Tag. Es war der fünfte Februar des neuen Jahres, als ich meinen alten Freund Sherlock Holmes am frühen Mittag besuchen wollte und wieder Hals über Kopf in ein kleines Abenteuer verwickelt wurde, aber ich sollte wohl von Anfang an beginnen.
Nun, eigentlich hatte dieser Tag, wie jeder andere auch begonnen.
Ich erwachte, von den sanften Küssen verbunden mit einem lieblichen „Guten Morgen John.“ meiner Frau Marry, aus einem tiefen und erholsamen Schlaf und begab mich noch recht müde, aber doch gut gelaunt ins Bad.
Dort angekommen, führte ich meine morgendliche Körperpflege durch und wechselte meine Kleidung für einen recht kühlen Tag. Ich kehrte darauf zurück in das Schlafzimmer, indem meine Marry bereits auf mich wartete. Sie war längst umgezogen und hatte ihre wunderschönen blonden Haare zu einer simplen und doch gut aussehenden Frisur hochgesteckt.
Wie an jedem Morgen verschwand sie in der Küche und servierte mir schon kurz darauf ein üppiges Frühstück. Doch etwas war anders, ich fühlte, dass dieser Tag keineswegs wie jeder andere auch sein würde. Wohl möglich würde mir dieser Tag lange in Erinnerung bleiben, und damit hatte ich mich nicht getäuscht.
Nun ich saß also im Esszimmer und genieße mein Frühstück, als es an der Tür klopfte.

„Wer besucht uns denn bereits so früh am Morgen?“ fragte ich Marry.

„Das wird wahrscheinlich der Postbote sein John.“ Sagte sie und lächelte mir zu.

„Ah ja, dass wäre möglich.“ Erwiderte ich gähnend, doch das hatte meine Frau nicht mehr gehört, sie war bereits zur Tür geeilt.
Nach wenigen Minuten erschien sie wieder im Türrahmen und hielt vier Briefe und ein kleines Päckchen in der Hand.

„John. Das ist von Sherlock…“ bemerkte sie und ich konnte die Verwunderung aus ihrer klaren Stimme heraushören.

Das nahm ich ihr nicht übel. Mein Freund Sherlock Holmes hatte sich bereits seit einem Monat nicht bei uns gemeldet. Ich wusste natürlich, dass das nicht unbedingt etwas Schlechtes zu bedeuten hatte. Wohlmöglich war er wieder in einer seiner Phasen, indenen er nichts redete und die Zeit an sich vorbei streichen ließ. Meist tat er das, wenn er keine Fälle hatte, die sein Interesse weckten. Später sollte sich herausstellen, dass ich dabei Recht behielt.

„Danke Marry.“ Dass mich ein Päckchen des äußerst begabten Detektivs erreichte, war mir nicht fremd, aber es weckte natürlich auch immer etwas Neugierde, wenn er wieder etwas von sich hören ließ. Immerhin waren wir eine geraume Zeit lang Partner und hatten zusammen schon einige Fälle gelöst.

„Schön, dass er mal wieder was von sich hören lässt, findest du nicht?“ fügte Marry hinzu und übergab mir die Post.

„Ja, wirklich schön.“ Antwortete ich ihr, während ich das Päckchen öffnete, welches nicht größer als meine Faust war, und die Briefe vorerst ignorierte.
Es fand sich eine kleine Spieluhr und darunter eine Notiz in der sauberen Handschrift meines Freundes in dem Packchen. Ich legte die Spieluhr auf den Tisch und musterte den beiliegenden Zettel.
Darauf stand:
„Mein lieber Watson.

Diese Spieluhr ist keine gewöhnliche Spieluhr, wie Sie sich sicherlich denken können.
Es handelt sich um einen Nachbau eines Reliktes der Muslime. Die Schriften darauf habe ich bereits analysiert und kam zu dem Entschluss, dass es sich um die Fünf Säulen handeln muss.
Falls Sie Zeit erübrigen können, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mich am frühen Mittag in der Baker Street aufsuchen könnten. Genaueres werde Ich ihnen Vorort erklären
Ich würde Ihre Unterstützung bei dieser Sache benötigen.

Sherlock Holmes




Er schaffte es auch immer wieder mich für seine Arbeit zu begeistern.
Diesmal war es nicht anders. Ich hatte schon so manches über die fünf Säulen des Glaubens in der Religion der Muslime gehört, aber was das mit einem Fall zutun haben könnte war mir unklar.Trotzdem war ich mir nicht sicher, ob ich seiner Einladung folgen sollte.
Unsere Zeit als Partner lag eigentlich bereits hinter uns.
Ich wollte mich aus solchen Geschehen fernhalten und bodenständig, wie ich war, meine eigene Familie gründen.
Und doch kribbelte es mir in den Fingerspitzen, als ich diesen Brief las.
Sherlock bedeutete für mich sehr viel und ihm ging das genauso. Zumindest sagte mir das meine Intuition und diese hat sich nur sehr selten geirrt.

Mary hatte sich mir gegenüber gesetzt und mich neugierig beobachtet, während ich den Brief las.

„Marry, haben wir heute etwas vor?“ fragte ich sie vorsichtig.
Wenn ein Termin bevorstand, würde dieser wohl vorgehen. Sherlock Holmes hatte schon vieles im Alleingang geschafft. Dass er in der Notiz aber zugab, dass er meine Unterstützung benötigte, verunsicherte mich etwas. Wohlmöglich war das nur ein Versuch mir diesen Fall interessanter zu machen, aber sicher war ich mir dabei nicht.

„Heute ist Mittwoch und Janette hat am gestrigen Abend für heute abgesagt, also … nein Liebling. Ich werde aber gleich zu Mrs. Forrester und Charlie gehen.“ Antwortete sie.
Ihren Beruf als Gouvernante liebte sie genauso, wie sie es liebte, bei der Abenddämmerung mit ihrem Mann durch den Park zu flanieren.
Dass meine Patientin abgesagt hatte und kein Termin bevorstand ließ mein Herz durch Aufregung einen Takt schneller schlagen. Ich konnte meinen Kumpanen also wirklich besuchen gehen, ohne, dass sich Mary daran störte, zumal sie bis zum späten Nachmittag bei der Arbeit sein würde.
/“Ob er das mit einberechnet hatte?“/ Diese Frage tauchte nebenbei in meinem Kopf auf.
Wahrscheinlich wusste Sherlock, das mir heute ausnahmsweise mehr Zeit gegönnt wurde.
E wusste manchmal Dinge, die ich mir nicht erklären konnte.

„Gut. Mary ich werde Sherlock heute Mittag besuchen. Rechne erst heute Abend mit meiner Anwesenheit.“

„Das ist eine gute Idee, ihr habt euch ja seit fast zwei Monaten nicht gesehen. Um wie viel Uhr soll ich denn das Abendessen vorbereiten John?“ fragte sie lächelnd.

„Ich schätze, dass ich gegen sieben Uhr wieder da sein werde.“ Mit diesen Worten biss ich hungrig in mein Buttertoast mit Bacon.

Kurze Zeit darauf säuberte meine Frau den Frühstückstisch und verabschiedete sich von mir.
Ich begleitete sie zu der Tür, wünschte ihr einen schönen Tag und begab mich in mein Arbeitszimmer.
Die Zeit verstrich wie im Flug und als die Sonne auf meinen Schreibtisch und meine Schreibmaschine schien, schaute ich auf die Uhr. Es war bereits zwanzig vor zehn.
So erhob ich mich von meinem Schreibtisch und begab ich zu unserem Kleiderschrank, indem ich auf meiner Seite fein säuberlich meine Jacken, Jacketts und Kleidungsstücke aufbewahrte.
Ein gewohnter griff zu einem dunklen Jackett und meinem Zylinder und ich war bereit auszugehen. Meinen Gehstock in der einen Hand und das Päckchen in der Anderen verließ ich das Haus und rief eine Kutsche.

II - Baker Street 221b


Ich stieg aus der engen Kutsche und fühlte, wie sich der kühle Wind durch meine dicke Kleidung zu fressen versuchte. Glücklicher Weise befand ich mich bereits in der Baker Street, sodass ich diese Kälte nicht lange aushalten musste.
Schnell war das Haus Nummer: 221b erreicht und mit aufkommender Gänsehaut an der verzierten Tür geklopft. Eine alte Dame öffnete die Tür.

„Guten Tag Mrs. Hudson!“ begrüßte ich die Haushälterin freundlich.

„Oh Dr. Watson! Welch eine Freude Sie zu sehen. Wie geht es ihrer Frau?“ sie war höchst erfreut mich zu sehen, was meine Laune trotz dem Wetter sichtlich hob.

„Es freut mich auch Mrs. Hudson. Mary geht es sehr gut, sie wird am Wochenende zu ihrer Freundin in Brooks gehen.“ Antwortete ich der Dame freundlich.

„Das ist schön zu hören.“ Sagte sie lächelnd. „Oh Dr. Watson Sie frieren ja, kommen Sie doch hinein.“

Ich war ihr dankbar mich aus dem ungemütlich kalten Wetter befreit zu haben und nahm meinen Zylinder ab, als ich die Türschwelle überquerte.

„Doktor, ich schätze, sie wollen zu Mr. Holmes. Sie sollten Sich ihn anschauen… er sieht nicht gut aus, das sehe selbst ich mit meinen alten Augen.“ Meinte Mrs. Hudson mit einer sehr ruhigen und besorgten Stimme.

„Das werde ich machen, keine Sorge!“ versicherte ich ihr.

Es war gar nicht so lange her, dass ich meine Geräumigkeiten mit dem, selbst ernannten,
beratenden Detektiv geteilt habe. Es schien sich nichts verändert zu haben. Dieselben Bilder, dieselben alten Zimmerpflanzen und dieselbe besorgte Mrs. Hudson, die mit den Eigenarten ihres Mieters nicht klar kam.
Ich betrat die hölzerne Treppe und ging die knarzenden Stufen zum ersten Stock hinauf, der nun von nur einem Mieter bewohnt wurde. Auch hier hatte sich nicht viel verändert, doch dieser Anschein blieb nicht, als ich an der Tür klopfte und das Zimmer betrat.
Ich war schockiert, was er aus dem Zimmer gemacht hatte. Schockiert ist vielleicht untertrieben.
Alles lag kreuz und quer auf dem Fußboden verteilt, sodass man nur an vereinzelten Stellen das hellbraune Holz des Bodens sichten konnte.
Ich riss mich zusammen und betrat das Wohnzimmer des ersten Stocks nun gänzlich.
„Holmes?“ rief ich in den Urwald der Unordnung.

Es war nichts zu hören, so bahnte ich mir einen Weg zu der Mitte des Raumes um das Zimmer überblicken zu können. Keiner war hier.
Ich sah, dass auf dem überfüllten Schreibtisch des Detektivs ein großflächiger Platz war, wo wohl zuvor etwas gelegen war. Außerdem war das Fenster geöffnet und seine Pfeife war ebenfalls verschwunden. Sherlock war wohl gerade inmitten einer Untersuchung.
Dass er den normalen Ausgang nicht genutzt hatte, zeigte mir, dass er vielleicht etwas wie ein Alibi brauchte. Aber für was er es brauchte war mir noch absolut schleierhaft.
So entschloss ich mich, auf dem Sofa platz zu nehmen und auf Sherlock zu warten. Er hatte wohl erst später mit mir gerechnet.

Ich musste nicht lange warten, da konnte ich schon hören, wie jemand eine Leiter zu dem Fenster dieses Raumes stellte und darauf hinauf kletterte. Es war ein alter Mann, mit langem weißen Haar und einem noch längeren weißen Bart. Seine Kleidung war zerfetzt und schmutzig. Und doch wusste ich, dass dies nur einer sein konnte.

„Hallo Sherlock. Ich bin wohl zu früh, wie ich sehe. Hoffentlich ist Ihnen das nicht ungelgen“ Behauptete ich grinsend.

„Ah, mein treuer Freund, Doktor John Watson. Nein, Sie kommen mir niemals ungelegen! Wollen Sie eine Tasse Tee, bis ich mich frisch gemacht habe?“
Seine Stimme war viel rauer, als ich sie in Erinnerung hatte.
Als er seine Verkleidung abnahm und mich fragend anschaute, stand ich erschrocken auf.
„N.. Nein danke. Holmes, bei Gott, was ist mit Ihnen passiert?“

Er befand sich psychisch und physisch in relativ schlechter Verfassung. Zumindest sagte mir das sein ungepflegtes Erscheinen und seine in sich gefallenen Wangen. Dieses Erscheinungsbild legte er an den Tag, wenn er sich in einer kritischen Phase befand, inder seit geraumer Zeit kein Klient seine Angelegenheiten in die Hände des Meisterdetektivs gelegt hatte. Dass er nun etwas auf der Spur war, beruhigte mich zumindest etwas.
So wie ich seine Augenringe deuten konnte, hatte er seit einigen Tagen unnatürlich wenig geschlafen und wie ich ihn kannte, hatte sich wohl aufgrund seiner Langeweile und Unterbeschäftigung seines genialen Verstandes, Abwechslung im Kokain gesucht.
Ich hatte schon oft versucht ihn von diesen Rauschmitteln abzuhalten, da mir die verheerenden Folgen als Mediziner bewusst waren, doch seine Sucht ließ das nicht zu.
So konnte ich das nicht Verhindern. Damals hatte ich mir selbst die Aufgabe gegeben ihn still zu Beobachten und einzugreifen, wenn seine Sucht überhand erlangte.
Heute war mir das nicht mehr möglich, da ich ihn nicht mehr als Zeitgenossen zählen konnte. Ich lebte zusammen mit Mary und nicht mit meinem „Patienten“ Sherlock Holmes.

„Bei Gott, diese Beschreibung scheint mir passend.“ Gab er preis.

---> FORTSETZUNG FOLGT ;)

Impressum

Texte: Die Charaktere basieren auf den Werken von: Sir Arthur Conan Doyle
Tag der Veröffentlichung: 25.07.2012

Alle Rechte vorbehalten

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