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I.) Das Stechen im Herzen


Ich erwachte in einer regnerischen Nacht und fühlte plötzlich ein Stechen in meinem Herzen.
Und ich wusste genau was das zu bedeuten hatte. So eilte ich erschrocken zu dir und sah dich dort liegen. „Hey? Was ist los?“ Doch die Frage konnte ich mir sparen. Es war mir bewusst, dass du schmerzen hattest und, dass ich dir dabei nicht helfen konnte.
Ich legte mich zu dir und streichelte dein grau gewordenes Fell.
Von Tag zu Tag sahen wir, dass es dir schlechter geht…
Meine Mutter erzählte mir, wie wir dich das erste Mal gesehen haben.
Du warst kaum größer, als die Hand meines Vaters und pechschwarz, wie Kohle. Nicht einmal deine dunklen Augen konnte man ausmachen, nur dein rotes Halsband war deutlich zu erkennen. Du wurdest uns von einem Pärchen mit samt der Leine in die Hand gedrückt. Sie erzählten uns von deinen vielen Geschwistern und, dass euch keiner haben wollte.
Als meine Mutter mir das sagte, verstand ich es einfach nicht.
Du warst doch so süß!



II.) Wie ein schwarzer Gummiball


Sie erzählte, dass wir beide ungefähr im gleichen Alter waren und wie wir als Babys immer miteinander gespielt haben.
Wir wurden älter und du begannst auf mich aufzupassen. Wie eine große Schwester.

Wenn uns jemand besuchte, warst du die Erste, die nach mir geschaut hatte und Diejenige, die den anderen erlaubte mich hochzunehmen. Die Zeit verging und wir bekamen ein kleines Brüderchen. Geübt warst du allemal im Umgang mit Kindern und ich merkte, wie du dich immer mehr zu einer Mutter entwickeltest, meiner Zweitmutter.
Damals bist du an unseren Gästen wie ein schwarzer Gummiball hinauf gesprungen und hast gequietscht, wie ein hyperaktives kleines Kind. Du hast den Fußball attackiert, wenn wir im Garten gespielt haben und wolltest ihn einfach nicht wieder hergeben.
Wenn wir beide spazieren gegangen sind, bist du immer einige Meter voraus gerannt und hast dann auf mich gewartet.

Als ich dann in deiner Nähe war, ranntest du abermals einige Meter weiter und wedeltest mit dem Schwanz, als wolltest du, dass ich ein wettrennen mit dir veranstalte.
Einmal erlaubte ich mir einen kleinen Spaß und versteckte mich, als du mich nicht beobachtet hattest. Du hast wohl gespürt, dass etwas nicht stimmt und hast gebellt. Ich zeigte mich nicht und du jaultest, als wolltest du mir den Weg zu dir zeigen, wie es eine Mutter bei ihrem Kind tat.

Dass ich aus dem Gebüsch gesprungen kam, verunsicherte dich zuerst, aber du sprangst darauf glücklich um mich herum und nahmst es mir keineswegs übel.
Immer wenn ich von der Schule nachhause kam, hattest du mich übereifrig begrüßt und beinahe umgeschmissen.

Du lebtest dein Leben, so wie du es für richtig gehalten hast. Du kamst zu uns, wenn du fühltest, dass es uns nicht gut ging, oder wenn du dich nicht gut feühltest.


III.) Der kalte Anblick des Leides


Doch irgendwann ging das alles nicht mehr so, wie du wolltest. Du sprangst beispielsweise die acht Stufen von unserer Eingangstür hinunter, weil draußen der Nachbarshund war, den du gut kanntest und mochtest. Aber du hattest dich überschätzt und bist auf den letzten Stufen ziemlich unglücklich gelandet.
Darauf folgte dein erster Krankenhausaufenthalt. Man merkte dir so langsam wirklich dein Alter an. Von da an sprangst du nicht an den Gästen hoch, es ging einfach nicht mehr.
Auch mein spazieren gehen wurdest du immer langsamer, bis du von einem Tag an nur noch Beifuss gingst.
Von Jahr zu Jahr wurde es schlimmer. Du bekamst Gicht und starke Gelenkschmerzen.
Man sah dich immer öfter schlafen und im Schlaf pfienzen. Deine klaren und wunderschönen braunen Augen wurden immer milchiger. In ihnen fand sich immer ein Ausdruck deiner Lebensfreude, doch das wandelte sich so langsam in den kalten Anblick des Leides.
Der Arzt sagte, dass man dir noch etwas Zeit verschaffen könnte, wenn man dich einer OP unterziehen würde, aber dann würde die Gefahr bestehen, dass du niemals wieder aufwachen würdest.
Dein Körper hatte schon so vieles ausgehalten und du hattest ein akzeptables Alter erreicht, indem es zu gefährlich werden würde dich unter Narkose zu setzten.
Und noch mehr Schmerzen konnten und wollten wir dir nicht zumuten…


IV.) Der Tag deiner Erlösung.


Wenige Monate vor deinem 14. Geburtstag entschieden meine Eltern, dem ein Ende zu setzen und dich von deinem Leid zu erlösen. Ich wollte dich nicht gehen lassen, das wussten sie, deswegen sagten sie es mir erst an dem ausgesuchten Tag deiner Erlösung.

Du glaubst mir nicht wie wütend ich war, wie ich dem ganzen Tag lang neben mir stand.
Mein Bruder und ich wurden Widerwillen ins Handball geschickt, während die Beiden mit dir fort fuhren.
Die weißen und kalten Fliesen des Flures, waren dein letztes Hindernis, auf deinem allerletzten Weg, den du durch die Praxis und in deinen Frieden gehen würdest.
Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, alles um mich herum schien zu verschwimmen.
Es war, als hätte mich jemand in einer Glaskugel gefangen genommen.
Als wir heimkehrten, suchten wir dich. Du hattest uns nicht an der Tür begrüßt, wie an jedem Tag. Du lagst auch nicht schlafend in meinem Bett oder in deinem Körbchen…
Wir wussten zwar, dass du nicht mehr da sein würdest, aber glauben konnten wir es einfach nicht.
Ich hatte dich sogar gerufen, doch als du nicht angerannt kamst, fühlte ich wie meine Welt zerbröckelte. Es konnte nicht sein, ich fühlte mich dir noch so nah, vielleicht viel näher, als vorher. Auch dein tapsen auf dem Holzboden konnte ich wahrnehmen.
Ein Schatten huschte an mir vorbei und ich folgte ihm.
Schmerzlich wurde mir bewusst, dass er nicht existierte…

Ich wurde an einen Ort geführt, an dem ich viele Erinnerungen pflegte.
Doch dort hatte jemand eine neue Erinnerung hinzugefügt. Eine Erinnerung, die sowohl Trauer als auch Freude hervorruft.

Diese Erinnerung bist Du, Teddy!






Impressum

Bildmaterialien: me & Famili
Tag der Veröffentlichung: 14.07.2012

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