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Kapitel 1


Die Nacht war dunkel und mondlos kein Stern war am nächtlichen Himmel zu sehen. Der Regen peitschte den zwei Reitern ins Gesicht und erschwerte ihnen die Sicht erheblich. Nur das schwere Schnauben ihrer Pferde war zu hören, die sich mühevoll einen Weg durch den aufgeweichten Waldboden bahnten. Seit zwei Tagen und zwei Nächten waren sie bereits unterwegs auch gönnten sie sich nur kurze Ruhepausen. Die Angst entdeckt zu werden trieb sie immer weiter voran. Der Weg vom Silbertal zu den weitläufigen Ebenen des Elbenlandes Artant war weit und gefahrvoll. Stets hielten sie sich abseits der Wege und vermieden die Dörfer und Städte auf ihrem Weg. Zwar war dies beschwerlicher doch die Gefahr einem Söldner oder treuen Anhänger des dunklen Herrschers in die Arme zu laufen war geringer.

Seit drei Stunden ritten sie mittlerweile bereits durch diesen Wald, der kein Ende zu nehmen schien. Immer wieder richtete sich einer der beiden Reiter auf, um sich zu orientieren. Seufzend ließ er sich zurück in den Sattel fallen und brachte sein Pferd zum Stehen.
»Es hat keinen Sinn weiter zu reiten. Wenn wir weiter reiten, verirren wir uns nur. Es ist vermutlich besser, wenn wir einen geeigneten Rastplatz suchen und bis zum Morgengrauen uns gedulden.« Aramar wandte seinen Kopf in Richtung seines Begleiters, der seinen Kopf gesenkt hielt, um sein Gesicht ein wenig vor dem Regen zu schützen.
»Höchstwahrscheinlich hast du recht.« Antwortete dieser mit kraftloser und müder stimme.
»Dieser Baum dort drüben scheint mir ein wenig Schutz vor dem Regen zu bieten.« Bei diesen Worten deutete Aramar auf einen großen Baum, dessen Blätterdach dicht genug war, um den größten Teil des Regens abzuhalten. »Ruht euch ein klein wenig aus, während ich nach Holz suche, um uns einen Unterschlupf zu bauen.«
Schweigend beobachtete Persegu wie Aramar vom Pferd stieg ihm die Zügel seines Pferdes in die Hand drückte und im dichten Unterholz verschwand. Wäre er nur jünger gewesen so hätte er ihm geholfen doch der lange Ritt hatte seine wenigen Kräfte erschöpft. Er war zu alt geworden für solch lange reisen. Mit letzter Kraft stieg Persegu aus dem Sattel schritt langsam auf den Baum zu und ließ sich an dessen Stamm zu Boden sinken. Der Regen der vorhin noch unerbittlich auf ihn niederprasselte verebbte und nur noch wenige tropfen fielen auf ihn hernieder. Für einen kurzen Moment wollte er nur seine Augen schließen doch die bleierne Müdigkeit, die sich über ihn senkte, ließ ihn sofort einschlafen.

Das Geräusch von brechenden Ästen und dass schlagen auf Holz riss Persegu aus dem Schlaf. Schlaftrunken rieb er sich die Augen blinzelte in die tiefschwarze Nacht und versuchte etwas zu erkennen. Schemenhaft erkannte er die Umrisse einer Gestalt die etwa fünf Schritte von ihm entfernt auf dem Boden kniete. Reflexartig tastete seine rechte Hand nach dem Griff seines Schwertes. Egal wer diese Person auch war, wenn es sein Schicksal war, hier in der Abgeschiedenheit zu sterben so würde er dennoch nicht gehen, ohne diesen Eindringling mit sich zu nehmen. Persegu richtete sich ein wenig auf, um für den Angriff in einer besseren Position zu sein. In diesem Moment zerbrach ein Ast unter seinem Gewicht. Ihm stockte der Atem und die Gestalt, die zuvor ihm noch den Rücken zugekehrt hatte, drehte sich jetzt zu ihm herum.
»Verzeiht wenn ich euch geweckt habe Vater.« Aramar sprach leise, so als ob er Angst hätte, jemand anderes könnte mithören. »Ich habe versucht aus dem, was ich finden konnte, uns einen kleinen Unterschlupf zu bauen. Es ist zwar nicht das Beste doch sollte es für diese eine Nacht reichen. Ich wünschte ich könnte euch ein Feuer entzünden an dem ihr euch erwärmen könnt doch befürchte ich, dass ich sie somit auf uns aufmerksam mache.« Persegu musste über diese Entschuldigung lächeln.
Seit ihrer Abreise wurde Aramar nie müde sich für jede Kleinigkeit zu entschuldigen, die er ihm nicht bieten konnte. Als sie sich auf den Weg gemacht hatten, war ihm bewusst gewesen, dass sie sehr viel entbehren mussten.
»Sei ohne Sorge mein Sohn mir, fehlt es an nichts. Jetzt setzt dich ein wenig zu mir und ruh dich aus.« Persegu lehnte sich erleichtert an den Baumstamm.
Wie konnte er seinen eigenen Sohn nur für einen fremden halten? Dies war unverzeihlich. Es auf sein hohes Alter abzuschieben wäre zwar eine Lösung doch entschuldigte dies nichts.

Schweigend beobachtete er Aramar wie dieser seine Waffen vom Boden aufhob und sich zu ihm begab. Schon sehr bald musste Persegu eine Entscheidung treffen, wer von seinen beiden Söhnen den Thron des Silbertales besteigen sollte. Aramar war zwar gerecht, gutherzig und gebildet, gute Eigenschaften für einen zukünftigen Herrscher, doch fehlte es ihm an Mut und Stärke. Balbar hingegen liebte es sich bedienen zu lassen und ging nicht gerade sanft mit seinen Untergebenen um. Keinen Kampf ließ er aus. Hätte er doch nur einen Sohn, der die Eigenschaften seiner beiden Söhne in sich trug, so wäre seine Entscheidung ein Leichtes. Wie viele Winter er noch erleben würde, war ungewiss. Seine Entscheidung musste er bald fällen ansonsten drohte das Land nach seinem Ableben in völliges Chaos zu versinken.
Seit der großen Schlacht zwischen den freien Völkern Arasias und dem dunklen Herrscher war nichts mehr so, wie es einmal war. Er selbst hatte die Zeit des Glücks und Friedens nicht erlebt, konnte sich aber noch genau daran erinnern, wie er seinem Vater voller Begeisterung zuhörte, wenn ihm dieser von der alten Zeit erzählte. Als sein Vater gestorben war, hatte er sich geschworen alles zu tun, um seinem Volk etwas von diesem alten Glück zurückzugeben. Egal wer von seinen beiden Söhnen der nächste König werden würde keiner von ihnen konnte einer friedvollen Zukunft entgegenblicken.

Die einzige Hoffnung, die es noch in diesen dunklen Zeiten gab, war eine Prophezeiung, die nur die Elben kannten. Aus diesem Grund hatte er sich auf diese lange und beschwerliche Reise gewagt. Nur eines war ihm ganz und gar nicht klar, warum sein jüngster Sohn ihn begleiten sollte. Morgen, wenn sie ihr Ziel erreicht hatten, würde er die Wahrheit erfahren.
»Versucht ein wenig zu schlafen. Ich werde Wache halten und euch im Morgengrauen wecken.« Die besorgte Stimme seines Sohnes holte Persegu aus seinen Gedanken.
Persegu war viel zu müde, um zu antworten, stattdessen nickte er nur zustimmend. Aramar wartete geduldig, bis sein Vater sich hingelegt hatte, und breitete dann seinen Umhang über ihn aus. Wenigstens er sollte ein wenig Schlaf finden und zu neuen Kräften kommen.

Kapitel 2


Im Morgengrauen weckte Aramar seinen Vater, denn der Weg zum Elbental war noch weit und schwierig. Wenn sie ihr Ziel noch heute erreichen wollten, mussten sie so früh wie möglich aufbrechen. Ginge es nach ihm, so würden sie sich Zeit lassen, doch sein Vater drängte darauf so wenig Pausen wie möglich zu machen, auch wenn er sich vor Erschöpfung kaum noch auf dem Pferd halten konnte. Schweigend beobachtete er ihn, wie er sich mühsam vom Nachtlager erhob und sich streckte. Viel zum Essen gab es nicht mehr und so mussten sie sich mit etwas Brot und getrocknetem Fleisch begnügen. Nachdem sie sich einigermaßen gestärkt hatten, begann Aramar die Pferde aufzuzäumen und zu satteln. Kaum hatte er diese Arbeit verrichtet so saß sein Vater auch schon wieder im Sattel und ritt schweigend in den Wald hinein. Nachdenklich beobachtete Aramar in eine kurze Weile, bevor er sich ebenfalls in den Sattel schwang und ihm nachritt. Schon seit einiger Zeit war ihm aufgefallen, dass sein Vater sich immer mehr zurückzog. Auch die Tatsache, dass sein Bruder Balbar jetzt das Königreich leitete, gefiel Aramar keineswegs. Gewiss hielt er sich nicht für den besseren von beiden doch jeder im gesamten Königreich wusste, wie skrupellos und selbstsüchtig sein Bruder war. Kurz vor ihrer Abreise hatte er mehrmals seinen Vater angefleht ihn zurückzulassen und Balbar mitzunehmen, doch hatte er stets diesen Wunsch abgeschlagen. Ohne seinen Beschluss zu erklären, beließ Persegu es dabei.

Nachdem sie mehrere Stunden durch den Wald geritten waren, stets abseits der Wege, hatten sie endlich den Waldrand erreicht. Ein beißender Geruch stieg ihnen in die Nase. Aramar glaubte, verbranntes Fleisch und Holz zu riechen. Dies konnte unmöglich sein. Die Grenzen zum Elbenreich waren gut beschützt, auch wenn man ihre Wachen nicht sah, so wussten die Elben ganz genau, wer ihr Reich betrat und wieder verließ. Nur das blanke Entsetzen im Gesicht seines Vaters zeugte von einer anderen Wahrheit. Als Aramar neben seinen Vater ritt gewahr er den Anblick, den sein Vater vor Entsetzen erbleichen ließ. Vor ihnen erstreckte sich ein weites grünes Tal, das vom Wald umrandet war. In der Mitte schlängelte sich ein Fluss, der nicht allzu breit war. Genau an diesem Fluss lag ein kleines Lager, das völlig dem Erdboden gleichgemacht wurde. Der Angriff auf dieses Lager konnte noch nicht so lange her sein, da überall noch schwarze Rauchwolken aufstiegen und hier und da ein kleines Feuer brannte. Die Angreifer hatten niemanden verschont so, wie es aus der Entfernung aussah. Überall lagen die Toten manche von ihnen hatten noch versucht zu fliehen doch hatte es ihnen nichts genützt.
»Was ist hier geschehen?« Keuchte Aramar, seine Augen wollten einfach nicht glauben, was sie dort sahen.
»Ich weiß es nicht, doch sollten wir es herausfinden.« Persegu zog sein Schwert und wollte gerade ins Tal hinunter reiten, als eine Stimme hinter ihnen sie zusammenzucken ließ.
»Es wäre töricht von euch den geschützten Wald zu verlassen.« Beide blickten in das Gesicht eines Elben der sie beide freundlich anblickte. Er war groß gewachsen und von schlankem Wuchs, sein langes blondes Haar war in seinem Nacken zusammengebunden und sein Gesicht war länglich und schmal. Die perfekt geformte Nase und die zierlichen Lippen vollendeten die Perfektion, die dieses Wesen umgab. Tunika und Hose waren in einem dunklen Grün gehalten, was sie somit fast unsichtbar im Wald machte. Nur Stiefel, der lederne Brustharnisch, die Armschienen, Stiefelstulpen sowie der Pfeilköcher waren braun. Jedes Teil war mit aufwendigen Verzierungen versehen dessen Bedeutung nur die Elben kannten und eingeweihten.
»Argâroth es ist lange her. Was ist hier geschehen?« Persegu nickte dem Elben freundlich, zu deutete danach in Richtung des Lagers und sah ihn fragend an.
»Das wissen wir selber nicht so genau. Als wir hier ankamen, war der Angriff bereits vorüber, lediglich etwas weiter südlich von hier haben wir Spuren von mehreren Reitern gefunden. Drei meiner Männer verfolgen sie.« Argâroth blickte missmutig in Richtung des zerstörten Lagers.
»Von welchem Stamm waren diese Elben?« Fragte Aramar und der Elb sah ihn überrascht an.
»Dies waren keine Elben. Es waren Menschen, die aus dem Norden geflohen waren. Mein Herr gewährte ihnen, durch unser Land zu reisen.«
»Menschen? Ich dachte eure Grenzen seien gut beschützt oder habt ihr sie etwa mit Absicht sterben lassen?« Argâroth warf Aramar einen wütenden Blick zu, wandte sich jedoch beim Sprechen an Persegu.
»Euer Sohn hat eine scharfe und flinke Zunge. Wäre er genauso geschickt im Umgang mit dem Schwert, so hättet ihr einen vortrefflichen Nachfolger. Doch sollten wir hier nicht zu lange verweilen, denn überall treiben die Schergen des dunklen Lords ihr Unwesen, auch hier in unseren Landen. Folgt mir die anderen, werden bestimmt schon auf uns warten.« Argâroth drehte sich herum und ging schnellen Schrittes in den weiter in den Wald hinein. Persegu warf seinen Sohn einen kurzen ermahnenden Blick zu, da dieses vor Wut über des Elben Worte kochte, bevor er Argâroth folgte. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, folgte ihnen Aramar.

Nach ein paar Minuten hatten sie die kleine Gruppe wartender Elben erreicht. Es waren fünf an der Zahl und alle trugen die gleichen Sachen. Aufmerksam beobachteten sie den Wald, kein Geräusch und keine Bewegung, blieben ihren scharfen Augen verborgen. Ihre Bögen hielten sie in ihren Händen jederzeit bereit, um von ihnen Gebrauch zu machen. Als die drei Männer sich ihnen näherten, wandten sie sich ihnen zu senkten ihren Kopf, um Persegu und Aramar ihre Ehrerbietung zu zeigen. Persegu nickte ihnen freundlich zu und Aramar tat es seinem Vater nach.
»Sagt Argâroth warum seit ihr hier? Nach eurer Kleidung zu urteilen seit ihr nicht auf einen Kampf vorbereitet.« Persegu kannte die Elben schon sein halbes Leben lang, um zu wissen, wann sie sich in einem Krieg befanden und wann nicht.
»Mein Herr hat uns ausgeschickt, um euch zu suchen. Er erwartete euch gestern schon, doch als ihr nicht eintraft befürchtete er, euch könnte etwas zugestoßen sein. Jetzt sollten wir uns aber schnellstmöglich auf den Rückweg machen denn es gibt eine Menge zu besprechen.« Argâroth gab seinen Leuten das Zeichen zum Aufbruch.
»Da wir abseits der Wege geritten sind, dauerte der Weg zu euch etwas länger, auch überraschte uns das Unwetter gestern Nacht.« Erklärte Persegu ihre Verspätung.
Schweigend nickte Argâroth Persegu zu, bevor er sich an die Spitze seiner Leute setzte und in den Wald hineinritt. Stundenlang ritten sie durch den Wald, der kein Ende zu nehmen schien, bis sich vor ihnen eine Lichtung auftat. Aramar staunte nicht schlecht, da er immer angenommen hatte, dass die Elben in prächtigen Bauten wohnten, die alles übertrafen, was man sich vorstellen konnte. Doch nichts von dem, was er sich vorgestellt hatte, traf zu. Die Lichtung, die sich vor ihnen befand, war kreisförmig, was aber natürlichen Ursprungs war. In gewissen Abständen von zwanzig bis dreißig Metern waren in den Bäumen Plattformen errichtet worden von, wo man die Umgebung und die Lichtung gut beobachten konnte. Auch wenn man die Wachposten nicht sehen, konnte so waren sie dennoch da nur gut getarnt im dichten Laub der Bäume. Auf der Lichtung standen unzählige Holzhäuser deren Fassaden reich verziert waren doch konnte Aramar nicht erkennen mit was. Manche von ihnen waren kreisförmig andere wiederum viereckig, doch hatte sie alle eines gemeinsam, sie waren so angelegt, dass sie mit der Natur harmonierten. Je näher sie der Siedlung kamen umso deutlicher war zu erkennen, was für ein geschäftiges Treiben dort herrschte. Überall wohin man blickte, kümmerte sich Elben um die Waffen und Pferde der anwesenden Gäste, die Elbinen bereiteten essen und versorgten alle mit dem nötigsten.

»Man wird sich um eure Pferde kümmern und euch einen Ort zeigen, wo ihr euch erfrischen und ausruhen könnt. Ich werde meinem Herrn berichten, dass ihr eingetroffen seid. Man wird euch dann holen, wenn die Versammlung einberufen wird.« Argâroth winkte eine junge Elbin zu sich heran, die gerade aus einem der Häuser gekommen war.
»Ich danke euch Argâroth. Dies ist sehr aufmerksam von euch.« Persegu streckte seine Glieder und freute sich darauf für ein paar Tage nicht im Sattel sitzen zu müssen, sondern auf einem bequemen Stuhl oder Bett. Bereitwillig folgten die zwei Männer der Elbin, die sie zu einem kleinen Holzhaus führte, das etwas außerhalb lag. Genau wie alle anderen Häuser war es mit zahlreichen Verzierungen versehen, die aus seltsamen Symbolen und schnörkeln bestanden. Mit höchstem Interesse betrachtete Aramar diese Verzierungen und nahm sich vor bei nächster Gelegenheit einen der Elben nach deren Bedeutung zu fragen. Schon seit einer frühesten Kindheit interessierte er sich brennend für die Kultur der anderen Völker Arasias zum Unmut seines Vaters, der es lieber gesehen hätte, wenn er sich mehr in der Kampfkunst und Staatsführung interessiert hätte. Irgendwann so wusste Aramar würde er seinem Vater beweisen, dass mehr in ihm steckte als ein Tagträumer. Er brauchte nur eine Chance.

Impressum

Texte: Akashi
Tag der Veröffentlichung: 11.10.2012

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