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Kapitel 1


Jessicas Sicht:

Irland, wie sehr ich es vermisste. Seit einer Woche war ich nun schon hier in London, doch immer mehr sehnte ich mich nach meiner Heimat. Ich vermisste den salzigen Geschmack in der Luft, der jeden Tag vom Meer her herüberwehte, die grünen Wiesen, dass Blöcken der Schafe, dass wiehern der Pferde und vor allem unsere Musik. Nun gut, ich hatte meine Freundin Jules hierher begleitet, doch hätte ich gewusst, wie sehr mich das Heimweh packen würde, hätte ich dem niemals zugestimmt. Mir ging es hier zwar nicht schlecht, alle waren sehr freundlich und bemühten sich sehr, doch so richtigen Anschluss fand ich trotzdem nicht. Seit meiner frühesten Kindheit wurde mir eingetrichtert, dass die Engländer grausame und gefühllose Menschen seien. Im Grunde glaubte ich daran nicht, doch auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte, so blieb doch ein wenig von all dem haften. Es war bekannt, das Iren und Briten sich nicht leiden konnten, so verwunderte es mich doch sehr, als Jules mich bat, sie zu ihren Freunden nach London zu begleiten. Meinen Eltern erzählten wir davon nichts, da sie dem niemals zugestimmt hätten. Jules Eltern waren dagegen anders. Der Grund dafür war, dass Jules aus der Stadt kam und ich vom Lande. Da meine Neugierde stärker war, stimmte ich dem zu, außerdem wollte ich herausfinden, ob etwas an all dem dran war. Anfänglich ging ich mit lauter Vorurteilen an die Sache heran, doch jetzt, nach einer Woche, konnte ich sagen, dass nichts von all dem stimmte. Wir hatten eine Menge Spaß, doch dieses typische englische Wetter machte mir zu schaffen. Dieses grau in grau konnte einen wirklich depressiv machen. Zu allem Überfluss machte mich dieser Ben auch noch fertig. Ben war für mich ein großes Geheimnis. Er verhielt sich mir gegenüber sehr zurückhaltend und kühl. Jules meinte zwar dies würde sich noch legen, doch stets, wenn ich ihn ansprach, sah er mich total verzweifelt an und wich mir aus. Zwei Tage lang versuchte ich mich ihm zu nähern, doch schließlich gab ich auf, da er mir immer wieder unmissverständlich zu verstehen gab, dass er mit mir nichts zu tun haben wollte.

Jetzt saß ich hier im Garten, von einem der Freunde von Jules, und hing meinen Gedanken nach. Ich hoffte sehr, dass die restlichen sieben Tage schnell vorbei gingen, denn länger würde ich es hier bestimmt nicht mehr aushalten. Die schritte einer herannahenden Person ließ mich aufschrecken. Verwirrt hob ich meinen Kopf und sah diesen Ben vor mir stehen, der mich mit einem prüfenden Blick musterte. Gut, er sah wirklich nicht schlecht aus, das musste ich mir selber eingestehen. Er hatte ein ovales Gesicht, braunes kurzes Haar, eine breite und hohe Stirn, lebhafte braune Augen, dichte geschwungene Brauen, eine schön geformte Nase, volle Lippen, ein markantes Kinn, das seinem Aussehen etwas Verführerisches verlieh.
»Hey, alles in Ordnung?« Sein Blick verriet eine gewisse Besorgnis.
»Ja, wieso?« Meine Stimme klang bissiger als erwartet.
»Nur so. Du sitzt hier schon seit Stunden und da wollte ich einfach mal nachfragen. Mehr nicht.« In seiner Stimme schwang Enttäuschung mit.
»Seit wann interessiert dich das denn? Ist ja was ganz Neues.«
Okay, dies war jetzt wirklich nicht sehr freundlich, doch ich wurde einfach nicht aus ihm schlau. Seit Tagen ging er mir aus dem Weg und jetzt machte er sich auf einmal Sorgen. Mit Sicherheit hatte ihn Jules geschickt, eine andere Erklärung hatte ich nicht dafür. Als ich ihn ansah, bereute ich sofort meine Worte, denn er sah mich mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung an. Ich senkte verlegen meinen Kopf.
»Tut … tut mir leid. Doch ehrlich gesagt werde ich einfach nicht schlau aus dir. Seit unserer ersten Begegnung tust du so als hätte ich eine ansteckende Krankheit. Deine ständigen Stimmungsschwankungen mir gegenüber gehen mir langsam auf die Nerven. Sag mir doch einfach was ich falsch gemacht habe.« Ich hob meinen Blick und sah ihm fest in die Augen.
»Es liegt nicht an dir, sondern an mir. Ich bin ein totaler Idiot, ich weiß. Es tut mir wirklich leid, wenn ich dich in deinen Gefühlen verletzt habe. Dies war nie meine Absicht gewesen. Frieden?« Er lächelte mich unsicher an und streckte mir seine Hand entgegen.
»Frieden.« Grinste ich zurück und ergriff seine Hand.

Gut, ich konnte seinem Charme einfach nicht widerstehen. In dem Moment, wo sich unsere Hände berührten, durchzuckte ein Kribbeln meinen Körper. Ben schien es ebenfalls zu spüren, denn urplötzlich zog er seine Hand zurück und biss sich leicht auf die Unterlippe. Ich vermutete, dass er augenblicklich sich umdrehen würde, und wie immer ohne ein Wort zu sagen, verschwinden würde. Doch dieses Mal war es anders. Anstatt zu verschwinden, schnappte er sich einen Stuhl und setzte sich mir gegenüber.
»Erzählst du mir etwas über dich?« Diese Frage erstaunte mich jetzt.
»Wieso sollte ich?« Ich kniff meine Augen zusammen und musterte ihn genau.
»Nun, ich möchte gern mehr über dich erfahren.« Er lächelte mich aufmunternd an.
»Ich werde dir erst etwas von mir erzählen, wenn du mir zuerst etwas über dich erzählst.« Konterte ich und grinste ihn frech an.
»Sag mal, sind alle irischen Frauen so bissig?«
»Kommt auf den gegenüber an.«
»Also gut, was möchtest du denn gerne wissen?« Ben hatte allerhand mühe einen Lachanfall zu unterdrücken. Dies konnte man an seinen zuckenden Mundwinkeln sehen.
»Hast du eine Freundin, oder bist du verheiratet?«
Kaum hatte ich die Worte gesprochen, wünschte ich mir auch schon sie nicht gesagt zu haben. Was sollte er denn jetzt bloß von mir denken? Eindeutiger ging es wohl nicht mehr, jetzt glaubte er bestimmt ich wollte ihn anbaggern. Doch Bens Gesichtsausdruck hatte sich schlagartig verändert. Er sah jetzt unendlich traurig aus und in seinen Augen gewahrte ich eine Leere, die ich nie zuvor gesehen hatte.

»Ich … ich hatte mal eine.« Gab er tonlos von sich.
»Schon gut, du brauchst nicht darüber zu reden. Tut mir leid, die Frage war total idiotisch von mir.« Gab ich hastig von mir.
»Nein, nein. Es ist glaube ich an der Zeit, dir zu erklären, warum ich mich dir gegenüber so verhalten habe. Es mag sich jetzt zwar verrückt anhören, doch du hast ihre Augen und dies macht mich ziemlich nervös, weißt du.« Er lächelte mich krampfhaft an, doch seine Augen waren immer noch leer.
»Wie meinst du das?« Ich schluckte schwer.
»Ich werde es dir erzählen, hör einfach zu. Damals war mein Leben noch einfacher. Ich war frei und ungebunden. Ich war ein einfacher Junge und liebte die Musik. Ich lebte mein Leben so als wäre jeder Tag mein Letzter. Woher sollte ich denn wissen, dass sich eine Woche später mein Leben grundlegend verändern sollte? Wegen eines Mädchens. Eines Mädchen, das zu jener Zeit noch friedlich in einem Bett in Irland schlief.« Er lächelte leicht und sah verträumt in die Luft.
»Sie hat in Irland gelebt und Du hier in England. Doch wo und wann seit ihr euch denn begegnet?« Ich sah ihn neugierig an.
»Es war eine Woche später. Ihr Auto war liegen geblieben, und wie der Zufall es wollte, fuhr ich gerade diese Strecke entlang. Als ich sie entdeckte, hielt ich an, um ihr zu helfen. In dem Moment, wo ich ihr Gesicht sah, war es um mich geschehen. Es war nicht so das Ich nie zuvor ein schöneres Mädchen gesehen hatte, doch aus irgendeinem Grund konnte ich meine Augen nicht von ihr abwenden. Da ich nicht sonderlich viel Ahnung von Autos hatte, konnte ich ihr natürlich nicht helfen. Doch ich wartete mit ihr gemeinsam auf den Abschleppdienst. Wir sprachen kein Wort, doch ich sah sie die ganze Zeit an und prägte mir jedes kleinste Detail von ihr ein. Ich wusste nur eins: Ich wollte sie kennenlernen und ich musste sie unbedingt wiedersehen. Wie der Zufall es wollte, sollte ich sie am gleichen Abend wiedersehen.« Er schwieg und seufzte kurz auf.
Wie gebannt hörte ich ihm zu. Ich ahnte, dass ich eine Liebesgeschichte zu hören bekam, wie sie nie jemand zuvor gehört hatte. Ich selbst hatte keine Ahnung von der Liebe, geschweige denn wie es sich anfühlte jemanden bedingungslos, zu lieben. Ich hatte zwar ein paar Beziehungen gehabt, doch war es nie was Ernstes gewesen. Immer war ich eher der Typ, mit dem man Freundschaften schloss, doch schien es als würde die Liebe einen großen Bogen um mich herum machen. Das Vertrauen, das Ben mir jetzt entgegenbrachte, rührte mich fast zu tränen. Dies war also der Grund, warum er mir stets aus dem Weg gegangen war. Ich erinnerte ihn in gewisser Weise an seine große Liebe. Allein die Tatsache, dass diese Frau aus Irland kam, ließ meine Neugierde ins unermessliche steigen und so wollte ich ihm aufmerksam zuhören.

Kapitel 2


Bens Sicht:

Ben erzählt seine Geschichte:

Ich musste sie wiedersehen, da sie mir nicht mehr aus dem Kopf ging. Doch ich wusste überhaupt nichts von ihr, nicht einmal ihren Namen geschweige denn, wo sie wohnte. Doch das Schicksal meinte es gut mit mir, denn am gleichen Abend noch, traf ich sie zufällig in einer Bar wieder, wo ich mich gerade aufhielt. Ich hatte es mir gerade gemütlich gemacht, als ich sie die Tür hereinkommen sah. Zuerst dachte ich meine Fantasie spielte mir einen Streich und ich rieb mir die Augen. Doch es war keine Fantasievorstellung, sie war es wirklich. Ich überlegte mir fieberhaft, wie ich sie ansprechen könnte, da ich nicht wie ein blöder Trottel wirken wollte. Ich war so in Gedanken vertieft, und zerbrach mir meinen Kopf darüber, was ich sagen sollte, dass ich gar nicht mitbekam, wie sie plötzlich vor mir stand. Sie sagte kein Wort, sondern stand einfach nur da und sah mich an. Als ich meinen Blick hob, war es wie zuvor. Ich bekam einfach keinen vernünftigen Satz zusammen und starrte sie wieder nur an. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht und ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss.

»Schon seltsam das Wir uns hier wiedersehen. Ich hatte vorhin gar nicht die Gelegenheit mich bei dir zu bedanken.« Sie sah mich mit ihren braunen Augen an und ich hatte das Gefühl mich in ihnen zu verlieren.
»Ähm, ich hab doch nicht getan.« Gab ich verlegen zu.
»Das stimmt wohl, doch ich kenne niemanden, der freiwillig geschlagene zwei Stunden mit mir auf den Abschleppdienst gewartet hätte.« Lachte sie auf.
»Schön blöd was? Darf ich dich zu einem Drink einladen?« Oh Mann, dies war der blödeste Anmachspruch, den ich kannte.
»Sehr gerne.« Ihr Lächeln war einfach umwerfend.
Sie setzte sich neben mich und wir fingen an, uns sehr lebhaft zu unterhalten. Es war als würden wir uns schon eine Ewigkeit kennen. Ich hielt dies immer für absoluten Blödsinn und konnte mir nicht vorstellen, dass es so was wirklich geben sollte, genauso wie Liebe auf den ersten Blick. Doch genau das war es in diesem Moment. Ich hatte mich unsterblich in sie verliebt, aber hatte nicht den Mut es ihr zu sagen.
»Wo wohnst du eigentlich?« Da ich schon betrunken genug war, fiel es mir leicht diese Frage zu stellen.
»Ich lebe in Irland.« Sie sah mich aufmerksam an.
»Irland? Was machst du dann hier? Urlaub, Freunde besuchen oder Familie?« Ich wurde neugierig.
»Um ehrlich zu sein, nichts von alledem. Ich bin hier um die Beerdigung meiner Mutter zu organisieren. Sie hat ihr ganzes Leben in Irland verbracht, aber nie ihre wahre Heimat vergessen. Aus Liebe zu meinem Vater blieb sie in einem Land, das für sie völlig fremd und unwirklich war. Kurz bevor sie gestorben ist, hatte sie nur noch diesen einen letzten Wunsch. Ich bin hier um ihn zu erfüllen.«

Die ganze Nacht über erzählten wir uns unser Leben. Je mehr ich über sie erfuhr umso faszinierender fand ich sie. Ich hätte eine Ewigkeit mit ihr dort sitzen können, doch irgendwann verabschiedete sie sich und erklärte mir das Sie müde sei und das sie am nächsten Tag früh rausmüsste, da sie zum Zentralfriedhof von London wollte. Doch bevor sie ging, verabredete ich mich mit ihr für den nächsten Tag. Allein der Gedanke, sie längere Zeit nicht zu sehen, war unerträglich. Zu meiner Freude stimmte sie zu und ich freute mich wie ein kleines Kind darauf.
Die restliche Nacht über bekam ich kaum ein Auge zu, immer wieder sah ich ihr Gesicht vor meinen Augen. Ich konnte es kaum erwarten, sie wiederzusehen. Als endlich der Zeitpunkt kam, dass ich mich mit ihr treffen würde, überkam mich eine Nervosität, wie ich sie niemals zuvor gespürt hatte. Am vereinbarten Treffpunkt wartete ich auf sie. Pünktlich auf die Minute erschien sie. Da sie zuvor auf dem Friedhof war, wirkte sie niedergeschlagen und ich wusste nicht so recht, wie ich mich ihr gegenüber verhalten sollte. Sie schien meine Unsicherheit zu spüren und verdrängte ihre traurige Stimmung. Wir begannen herumzualbern und führten uns auf wie kleine Kinder.

Wieso ich sie um diesen Tag gebeten hatte, ist mir noch bis heute unbegreiflich, doch ich hatte es einfach getan. Ich wollte mit ihr zusammen sein und nichts weiter. Es konnte einfach kein Zufall sein das Wir uns begegnet sind. Nein, es musste Schicksal sein oder vielleicht höhere Bestimmung, wenn man daran glaubte. Doch egal was es auch gewesen war, ich war glücklich, dass mir dieser Tag vergönnt wurde. Ich hatte nie an die wahre große Liebe geglaubt, wahrscheinlich lag es daran, dass ich ihr nie zuvor begegnet war, bis zu jenem schicksalhaften Tag.
Ihre ganze Art und Weise zog mich auf eine magische Art an. Die Art, wie sie ihren Kopf zur Seite legte, wenn sie mir eine Frage stellte, oder ganz einfach ihr Lachen und wie ihre Augen dabei strahlten. Nie zuvor hatte mich ein menschliches Wesen so sehr fasziniert wie sie. Ob sie genauso empfand wie ich das wusste ich nicht. Doch zu diesem Zeitpunkt war es mir relativ egal, ich dachte nur daran sie kennenzulernen, mit ihr etwas zu unternehmen. Ich genoss jeden Augenblick und wollte ihr unbedingt meine Welt zeigen, wie ich lebte, wie mein Land war.
Jeder auf der Welt weiß, das England und Irland nicht gerade die besten Freunde sind, doch ich wollte ihr zeigen, dass wir nicht so waren, wie die meisten glaubten. Genauso wollte ich wissen, wie sie lebte, was sie mochte, was sie hasste, was sie liebte und was ihre geheimsten Wünsche waren. Ich wollte alles mit ihr teilen, sogar mein Leben. Wer jemals geliebt hat, konnte dies wohl nachvollziehen, für alle anderen hörte sich dies total verrückt an.

In der Gegenwart:

Ich stand mit dem Rücken zu Jessica und sah verträumt in die Ferne. Inzwischen fing es bereits an dunkel zu werden, vereinzelt blitzte ein Scheinwerfer eines vorüberfahrenden Autos auf. Es kam mir vor als wäre alles erst gestern geschehen, doch seit jenem Tag waren fünf Jahre vergangen. Warum erzählte ich ihr Dies alles? Lag es vielleicht daran, dass sie mich ein wenig an sie erinnerte? Oder lag es einfach an der Art, wie sie mit mir sprach? Vielleicht lag es auch daran, dass sie aus dem gleichen Land kam wie Julia. Egal aus welchem Grund, ich wusste nur das Ich das dringende Bedürfnis hatte es zu erzählen. Julia, mit keinem Wort hatte ich ihren Namen erwähnt, doch erschien es mir als trüge jedes Wort ihren Namen.
Ich seufzte kurz auf und drehte mich herum. Seitdem ich angefangen hatte zu erzählen, hatte Jessica kein einziges Wort gesagt. Sie hatte mich noch nicht einmal unterbrochen, um mir Fragen zu stellen. Auch jetzt schwieg sie, obwohl ich aufgehört hatte zu erzählen. Natürlich hätte ich noch stundenlang weiter erzählen können, doch für heute reichte es, da die Nacht bereits hereinbrach und ich mit meinen Erinnerungen jetzt lieber allein sein wollte. Ich beobachtete sie eine Weile, doch es tat sich nichts, keine Regung, gerade als ich sie ansprechen wollte, hob sie ihren Kopf und sah mich durchdringend an.
»Von diesem Augenblick an hast du sie geliebt, nicht wahr?« Es war als wollte sie bis in meine Seele sehen.
»Ja.« Erwiderte ich kurz.
»Darf ich dich fragen, wie die Frau hieß? Ich meine nur, wenn es nicht zu persönlich ist.« Sie wirkte unsicher.
»Julia. Ihr Name war Julia Callahan.« Ich drehte mich wieder herum und sah in den Himmel.
»Julia Callahan.« Hörte ich sie murmeln.
»Jessica, ich möchte dich jetzt gerne darum bitten mich alleine zu lassen, da ich gerne allein sein möchte und außerdem wird es bereits dunkel draußen. Jules möchte bestimmt auch nach Hause. Wir setzten unser Gespräch ein anderes Mal fort. Ich werde dich anrufen.« Es klang unhöflicher als ich beabsichtigt hatte.
»Ich verstehe. Ich bedanke mich bei dir für dieses Vertrauen.« Sie lächelte mich an und reichte mir ihre Hand.

Ich nahm ihre Hand und schüttelte sie zum Abschied. Aus Höflichkeit begleitete ich Sie noch bis zur Tür. Ich sah ihr noch eine Weile hinterher, und erst als ich sie nicht mehr sehen konnte, ging ich zurück in den Garten. Irgendetwas hatte diese Person an sich, doch ich wusste einfach nicht, was es war. Sie hatte Erinnerungen in mir geweckt, die ich schon lange für verloren geglaubt hatte. Hatten alle Iren diese Wirkung auf mich? Ich lachte auf, denn dieser Gedanke allein war schon total verrückt.
Ich nahm mir ein Bier aus der Bar und setzte mich auf den Gartenstuhl. Es war schon zu komisch, eine mir unbekannte Frau, hatte das erreicht, woran schon so viele gescheitert waren. Sie hatte mich dazu gebracht, diese Geschichte zu erzählen, obwohl ich sie immer wie einen Schatz gehütet hatte. Ich lächelte vor mich hin, doch eines musste ich zugeben, ich war schon gespannt auf unsere nächste Begegnung. Doch wann, das wusste ich noch nicht, denn ich brauchte Zeit für mich, Zeit um in meinen Erinnerungen zu versinken und alles wieder neu zu erleben.

Kapitel 3


Jessicas Sicht:

Minutenlang stand ich hier am Straßenrand und sah zu dem Fenster hoch, in dem Ben sein Zimmer hatte. Für einen kurzen Augenblick glaubte ich einen Schatten zu erkennen, doch dieser Moment war so flüchtig das Ich es nicht genau sagen konnte. Jules wollte mich zwar begleiten, doch ich hatte sie eindringlich darum gebeten, mich alleine zu lassen. Ich wolle jetzt keine Gesellschaft. Ein Grollen erklang vom Himmel und ich sah nach oben. Dunkle und unfreundlich aussehende Wolken schoben sich über dem verblassenden Firmament. Die Nacht legte sich über London und mit ihm zog ein Gewitter auf. Ich sollte mir lieber ein Taxi besorgen, denn spätestens in ein paar Minuten würde ich in einem Regenschauer stehen.
Doch ich tat genau das Gegenteil, anstatt mir ein Taxi zu rufen, ging ich die Strecke bis zu Richards Wohnung, in der wir für unseren Aufenthalt untergebracht waren, zu Fuß. Als Kinder hatten wir dies immer getan. Wir liebten den Regen und sobald es anfing zu regnen waren wir auch schon draußen. Dies erweckte zwar den Missmut meiner Mutter, da sie befürchtete wir könnten schwer krank werden, doch dies interessierte uns nicht. Es dauerte auch nicht lange, da brach ein wahrer Wolkenbruch über London herein. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und schloss meine Augen. Die Regentropfen prasselten über mein Gesicht und zum ersten Mal seit meiner Ankunft, fühlte ich mich frei und auch irgendwie auch ein Stück zu Hause.

Aus irgendeinem Grund wollte ich mehr über ihn und dieser Frau wissen. Wer war diese Julia Callahan? Vor allem, warum war sie nicht hier? Es gab so viele Fragen, die ich noch beantwortet haben wollte. Vier Tage hatte ich noch Zeit um dies herauszufinden, denn dann würden Jules und ich zurück nach Irland fliegen, da ich mir einen längeren Aufenthalt hier nicht leisten konnte. Immer noch völlig in Gedanken versunken, hatte ich die Wohnung erreicht. Bis auf die Knochen durchnässt, betrat ich sie und sofort erntete ich einen missbilligenden Blick von Richard, der mit verschränkten Armen in der Tür stand.
Richard schüttelte nur seinen Kopf und murmelte etwas vor sich hin, was ich nicht verstand. Doch ein paar Sekunden später kam er, mit einem Eimer und Putzlappen bewaffnet, zurück. Ich blickte hinter mich und sah, dass ich eine Spur aus Pfützen hinterlassen hatte. Ich senkte verlegen meinen Blick und lächelte Richard entschuldigend an. Doch dieser sah mich immer noch mürrisch an und gab mir mit einem Wink zu verstehen, dass er kein Wort hören wollte. So schnell ich konnte ging ich zu meinem Zimmer. Kaum hatte ich die Türe hinter mir geschlossen atmete ich erleichtert auf. Ich begab mich umgehend ins Bad und entledigte mich meiner nassen Klamotten und zog mir etwas Bequemes an.

Mein Blick fiel auf die Uhr, es war bereits nach 23 Uhr, doch ich war überhaupt noch nicht müde. Da ich eh nicht schlafen konnte, entschied ich mich dazu etwas zu lesen. Ich kramte in meiner Tasche herum und zog ein altes, abgegriffenes Buch heraus. Ein Blick auf das Handy verriet mir, dass meine Mutter mich sage und schreibe 15-mal angerufen hatte. Ich lächelte leicht, denn dies würde sich wohl niemals ändern. Egal wie alt ich auch werden würde, sie würde sich ständig sorgen um mich machen. Na gut, ich musste zugeben, dass ich mich nicht von ihnen verabschiedet hatte, geschweige denn ihr gesagt hatte, wohin ich ging, dafür war leider keine Zeit gewesen. Seit meiner Ankunft, hier in London, hatte sie nichts mehr von mir gehört, und da sie eh nie früh ins Bett ging, konnte ich sie auch jetzt noch anrufen. Ich nahm das Handy in die Hand und wählte ihre Nummer.

»Ja hallo?« Ertönte die sanfte Stimme meiner Mutter.
»Hallo, Mom. Ich bin es Jessica.« Vorsorglich hielt ich den Hörer ein wenig von mir weg, da ich das Temperament meiner Mutter kannte.
»Jess, wo bist du? Wie geht es dir?« Schrie sie außer sich vor Sorge in den Hörer.
»Mom beruhige dich. Mir geht es bestens, du brauchst dir keine Sorgen zu machen.« Versuchte ich sie zu beruhigen.
»Was redest du denn da? Keine Sorgen machen. Natürlich mache ich mir Sorgen um dich, schließlich bist du einfach so verschwunden. Egal wo du dich auch gerade rumtreibst, du kommst auf der Stelle nach Hause. Habe ich mich klar ausgedrückt, junges Fräulein.«
»Das kann ich nicht. Ich hab dir doch erzählt, dass ich mit Jules in Urlaub fliege. Du musst mir einfach vertrauen. Ich wollte mich ja noch von euch verabschieden, doch ihr Wart nicht zu Hause und es musste alles ganz schnell gehen.«
»Dann sage mir wenigstens, wo du bist.« Flehte meine Mutter.
»In London.« Ich biss mir auf die Unterlippe, denn ich kannte die Einstellung meiner Mutter gegenüber England.
»Mein Gott, womit habe ich das alles verdient? Ausgerechnet London, hättest du nicht wenigstens deine Schwester oder deinen Bruder mitnehmen können? Allein der Gedanke, dass du dort ganz allein bist, abgesehen von Julia. Nichts als Kummer und sorgen bereiten einem die eigenen Kinder. Bist du jetzt komplett verrückt geworden?« Jammerte sie ins Telefon.
»Es tut mir wirklich leid, Mom. Doch auch wenn ich es dir versucht hätte zu erklären, du hättest mich niemals fahren lassen. Dieser Urlaub ist mir wirklich sehr wichtig. Du verstehst das einfach nicht. Wenn ich dies nicht getan hätte, würde sich nie etwas in meinem Leben verändern, ich würde genauso wie du eine liebevolle Mutter und Ehefrau werden, doch ich weigere mich zu glauben, dass dies alles sein kann. Ich werde erst wieder nach Hause kommen, wenn dieser Urlaub beendet ist.«
»Versprich mir wenigstens, dass du auf dich aufpasst.« Gab sie kleinlaut von sich.
»Ich verspreche es dir. Bestell Sarah und Brian liebe Grüße von mir und sag ihnen, dass ich sie vermisse. Gib Dad einen Kuss von mir und macht euch bitte keine Sorgen mehr. Ich werde mich jeden Tag bei euch melden.«
»Ja, das mache ich. Bitte pass auf dich auf und egal was auch sein sollte, du kannst jederzeit hier anrufen.«
»Mache ich. Ich muss jetzt Schluss machen. Ich liebe dich, Mom. Bye.«
»Ich liebe dich auch, mein Engel.«

Nachdem wir aufgelegt hatten, begann ich mir das Buch durchzulesen. Egal wie oft ich es auch gelesen hatte, irgendwie kam es mir immer so vor als würde ich es zum ersten Mal lesen. Doch so richtig konnte ich mich nicht darauf konzentrieren. Immer und immer wieder kehrten meine Gedanken zu Ben. Zum ersten Mal an diesem Tag verspürte ich eine gewisse Unruhe in mir. War ich dieser Sache wirklich gewachsen? Konnte ich meine Gefühle abstellen und völlig neutral daran gehen? Selbstzweifel durchströmten mich, denn ich war eher die Person, die sich von ihren Gefühlen leiten ließ. Doch genau dies war mein Problem, allein in den paar Stunden hatte ich angefangen, diesen Ben zu mögen.
Anfänglich hatte ich gedacht er sei ein arroganter, überheblicher Mensch, da er mich regelrecht links liegen ließ. Doch je länger er erzählte umso mehr mochte ich ihn. Vielleicht sollte ich das Ganze einfach vergessen und diesen Urlaub vorzeitig beenden, doch dazu fehlte mir einfach der Mut. Ich wollte allen beweisen, dass ich auf eigenen Füßen stehen konnte. Darum schwor ich mir in diesem Moment, sobald ich merkte, dass ich diese Sache nicht mehr unter Kontrolle hatte, würde ich auf der Stelle zurückfliegen und jeglichen Kontakt zu Ben abbrechen.

Erst zwei Tage später sollte ich wieder etwas von Ben hören. Er teilte mir mit das Er sich erneut mit mir treffen wollte. Nervosität machte sich in mir breit, heute musste ich diese Geschichte beenden, denn morgen war mein letzter Tag in London. Für einen längeren Aufenthalt fehlte mir das Geld und außerdem vermisste ich meine Familie zu sehr. Hier fühlte ich mich einsam und alleine, von daher hatte ich seit zwei Tagen kaum das Zimmer verlassen. Ich hatte mich regelrecht verschanzt und jeglicher Versuch von Jules, mich aufzumuntern, schlug fehl. Ich warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Zwei Stunden hatte ich noch Zeit mich fertigzumachen. Akribisch überprüfte ich immer wieder, ob ich alles hatte, und packte das Wichtigste in meine Tasche.
Auf dem ganzen Weg zu unserem Treffpunkt sah ich immer wieder nach, ob ich auch nichts vergessen hatte. Was war nur mit mir los? Ich war doch sonst nie so nervös. Immer wieder versuchte ich mich selbst zu beruhigen, doch ich scheiterte auf ganzer Linie. Ich erreichte das Café, in dem wir uns treffen wollten, als Erstes und suchte mir einen Platz aus, von dem ich den Eingang im Auge hatte. Von Pünktlichkeit hielt dieser Kerl anscheinend nichts, denn er war schon seit einer halben Stunde überfällig. Nach weiteren zehn Minuten endlosen Wartens entschloss ich mich, zu gehen. Gerade als ich mich erhob, sah ich ihn durch die Türe kommen. Er trug eine alte Jeans und ein ganz normales T-Shirt. Suchend blickte er sich um. Als er mich entdeckte, winkte er mir zu und kam mit einem Lächeln auf mich zu.

Kapitel 4


Bens Sicht:

Den ganzen Tag über hatte ich mich auf diesen Treffen gefreut, und konnte es kaum erwarten, sie wiederzusehen. Doch jetzt, wo ich sie sah, musste ich erkennen, dass sie ziemlich wütend auf mich war, so deutete es ihr Gesichtsausdruck. Nun gut, ich war es auch selber schuld, schließlich hatte ich mich sage und schreibe vierzig Minuten verspätet. Also setzte ich ein unschuldiges Lächeln auf und ging zielstrebig auf sie zu. Doch es half nichts, sie sah mich immer noch so komisch an. Genau das war es, was ich nicht wollte, ich wollte, dass sie fröhlich war und sie mich ebenfalls anlächelte. Was war nur plötzlich los mit mir? Sollte es wirklich so sein, dass diese unscheinbare Person mein Herz erobert hatte? Sei nicht albern Ben, du hast halt kein Glück mit Frauen, ermahnte ich mich selbst. Minutenlang saßen wir uns schweigend gegenüber, und ich überlegte fieberhaft, wie ich ein Gespräch anfangen konnte ohne albern zu wirken, auch sie schien zu überlegen, doch keiner von uns hatte Erfolg dabei. Schließlich fiel mir eine Idee ein und ich lächelte sie an, worauf sie ihre Brauen etwas skeptisch nach oben zog.
»Sag mal, hast du dir schon einmal London angesehen?« Natürlich hatte sie dies bestimmt, schließlich war sie ja schon eine Weile hier.
»Um ehrlich zu sein, nein.« Sie senkte verlegen ihre Augen.
»Du hast wirklich noch nichts von London gesehen?« Diese Antwort überraschte mich jetzt doch, da ich mit einer anderen gerechnet hatte.
Sie nickte nur und hielt weiterhin ihren Blick gesenkt. Ich jubelte innerlich auf, dies war meine Chance ihr etwas von dem zu zeigen, was ich so sehr liebte und mochte. Vielleicht konnte ich auf diesem Wege mehr von ihr erfahren, da sie immer noch für mich ein Buch mit sieben Siegeln war. Äußerlich ließ ich mir nichts anmerken und versuchte so lässig wie möglich zu erscheinen.

»Das kann ich nicht zulassen. Komm, jetzt bin ich dein persönlicher Reiseführer und zeige dir die interessanten Orte von London.« Ich erhob mich und reichte ihr meine Hand.
Zögerlich, fast schon schüchtern ergriff sie meine Hand. In dem Moment, wo sich unsere Hände berührten, fuhr durch meinen Körper ein Kribbeln, das ich schon so lange nicht mehr gespürt hatte. Warum empfand ich mit einem Mal so für sie? War es ihre unbeholfene und etwas schüchterne Art oder war es einfach nur, so dass ich dies hier schon einmal erlebt hatte, nur mit einer anderen Frau? So viele Jahre hatte ich seit damals alleine verbracht, doch jetzt wollte ich nicht mehr alleine sein, ich wollte jemanden an meiner Seite wissen, dem ich alles erzählen konnte, dem ich vertrauen konnte und mit dem ich alt werden konnte. Zwei Stunden lang spazierten wir Seite an Seite durch London. Sie stellte keinerlei Fragen, sondern hörte interessiert zu. Völlig erschöpft vom vielen Reden und Gehen, setzten wir uns schließlich an einen abgelegenen Platz am Rande des Flusses. Hier zog ich mich gerne zurück, wenn ich meinen Gedanken nachhing. Ich legte mich auf den Rücken und streckte meine Glieder von mir und beobachte die vorbeiziehenden Wolken am Himmel.
»Darf ich dich etwas fragen?« Zum ersten Mal nach zwei Stunden ergriff sie das Wort.
»Natürlich.« Ich drehte meinen Kopf in ihre Richtung.
»Deine Geschichte, wie geht sie eigentlich weiter? Ich meine, so kann sie doch nicht enden, oder?« Sie sah mich kurz an, bevor sie ihren Blick wieder auf den Fluss richtete.
»Nein, so endet sie wirklich nicht. Warum interessierst du dich so dafür?« Fragte ich vorsichtig nach.
»Ich weiß nicht. Seit jenem Tag, wo du sie mir erzählst, hast, möchte ich immer mehr erfahren. Außerdem hast du mich eben gehörig versetzt und bist mir jetzt was schuldig.« Antwortete sie zögerlich.
»Nun gut, wenn du es unbedingt wissen möchtest, wie es weitergeht, werde ich es dir gerne erzählen.« Ich richtete meinen Blick wieder gen Himmel und rief mir wieder jedes kleinste Detail in Erinnerung.

Ben erzählt seine Geschichte:

Nachdem ich sie um diesen einen Tag gebeten hatte, und sie dem zugestimmt hatte, zeigte ich ihr London, genau wie dir. Ich gab mich vollkommen damit zufrieden mit ihr einfach nur so spazieren zu gehen, denn das, was ich wollte, war in Erfüllung gegangen. Den ganzen Tag über redeten wir über verschiedene Dinge, ganz alltägliche Dinge, die vollkommen belanglos waren. Am späten Mittag bat sie mich jedoch um einen Gefallen, mit dem ich selbst niemals gerechnet hatte. Sie wollte unbedingt sehen, wo ich lebte und meine Familie kennenlernen. Ohne zu zögern, stimmte ich dem zu. Da mein Elternhaus etwas außerhalb von London lag, bestellte ich uns ein Taxi. Die Fahrt dorthin dauerte ungefähr 20 Minuten, wenn man gut durchkam.
Es war eine unscheinbare Gegend, wo sich kein Tourist hin verirrte. Die Gegend war ruhig und abgelegen. Als Kind fand ich diese Gegend öde und langweilig, doch jetzt zog ich mich gerne hierhin zurück, wenn ich mal ein wenig Abstand zu dem hektischen Treiben in der City brauchte. Die neugierigen Blicke der Nachbarn störten mich wenig, als wir beide auf das Haus meiner Eltern zugingen. Ich kannte sie ja bereits und wusste, dass sie gerne tratschten und von daher ignorierte ich sie einfach. Entschlossen drückte ich die Klingel und kurze Zeit später öffnete mir meine Mutter die Tür. Als sie sah wer vor ihrer Tür stand strahlte sie übers ganze Gesicht, doch als sie Julia erblickte, sah sie mich verwirrt und erstaunt an.

»Hallo Mom, darf ich dir Julia vorstellen. Julia das ist meine Mom, Mom das ist Julia.« Grinste ich sie an.
»Hallo Julia, schön dich kennen zu lernen.« Erwiderte meine Mom freundlich und reichte ihr die Hand.
»Freut mich ebenfalls.« Antwortete Jules und nahm ihre Hand und schüttelte sie.
»Kommt doch rein.« Meine Mom deutete mit einer Handbewegung an das Wir eintreten sollten
Als wir ins Wohnzimmer eintraten, hob mein Dad neugierig seinen Kopf. Mein Dad und ich umarmten uns zur Begrüßung, bevor er Julia ebenfalls neugierig von oben bis unten betrachtete. Anscheinend war sie nach seinem Geschmack, denn er nickte mir anerkennend zu. Nachdem sich die beiden ebenfalls begrüßt hatten, machten wir es uns auf dem Sofa bequem.
»Woher kommst du eigentlich Julia?« Erkundigte sich mein Dad.
»Aus Irland.«
»Oh, das freut mich, einen Gast aus Irland hier zu begrüßen. Wie habt ihr beiden euch eigentlich kennen gelernt?« Mein Dad sah abwechselnd mich und dann Jules an.
»Jetzt hör aber auf James. Bedräng sie doch nicht so sehr.« Fiel meine Mom ihm ins Wort.
»Das tue ich doch gar nicht.« Verteidigte sich mein Dad.
Julia und ich grinsten uns an, denn das Wortgefecht zwischen meinem Dad und meiner Mom dauerte noch eine Ewigkeit an. Bis zum Abend verbrachten wir dort und Julia erzählte uns eine Menge über ihre Heimat, womit sie meine Eltern ganz in ihren Bann zog. Am Abend hatte ich mich mit einigen Freunden verabredet, denn ich wollte, dass Sie sie auch kennen lernt. Julia stimmte dem freudig zu. Den ganzen Abend über lachten und feierten wir ausgelassen. Es war schon komisch, jedem dem Sie begegnete empfing sie freundlich. Jeder mochte sie und niemand behandelte sie wie eine Fremde. Es war als würden sie und ich uns schon seit Ewigkeiten kennen. Viel zu schnell verging dieser eine Tag und am nächsten Tag begleitete ich sie zum Flughafen.

In der Gegenwart:

Jessica hatte wieder schweigend zugehört und ich fragte mich, was sie wohl gerade jetzt dachte. Gerade als ich sie danach fragen wollte, drehte sie ihren Kopf in meine Richtung und schenkte mir ein atemberaubendes Lächeln. Ich hielt meinen Atem an, denn dieses Lächeln raubte mir wirklich den Atem. Dieses Lächeln brannte sich tief in meinen Erinnerungen ein. Zum ersten Mal erschien mir die Sache mit Julia völlig unwichtig und es tat sogar nicht mehr weh an sie zu denken, dafür musste ich nur Jessica ansehen.
»Wenn ich das jetzt richtig deute, geht die Geschichte noch weiter.« Erkundigte sie sich neugierig.
»Ja, das tut sie.« Sagte ich lächelnd.
»Würdest du sie mir noch zu Ende erzählen?«
»Warum hast du es denn so eilig?« Ich hob erstaunt meine Brauen.
»In drei Tagen reise ich schon ab.« Sie sah mich direkt an.
»Drei Tage.« Murmelte ich und ein kurzer heftiger Schmerz durchzuckte meinen Körper.
Drei Tage, dann würde sie aus meinem Leben verschwinden. Daran hatte ich die ganze Zeit über nicht gedacht. Der Gedanke daran schnürte mir meine Kehle zu, ich musste einen Weg finden, um ihr zu sagen, was ich für sie empfand. Ich wollte nicht, dass sie einfach ging und ich sie nie mehr wiedersehen würde. Doch da sie mehr über Julia und mich erfahren wollte, war dies für mich ein perfekter Grund sie jeden Tag zu sehen. Wenn ich es wollte, konnte ich ihr die Geschichte an einem Tag erzählen, doch dies wollte ich ja nicht. Also entschied ich mich dazu, die Geschichte auf diese drei Tage zu verteilen. Ich wollte und konnte sie nicht einfach so gehen lassen, ohne dass sie wusste, was ich für sie empfand.

Kapitel 5


Jessicas Sicht:

»Da bist du ja Jess ich hab dich schon überall gesucht.« Ertönte hinter mir die fröhliche Stimme von Jules.
Völlig regungslos saß ich auf den Stufen, die hinunter zum Garten führten, und starrte einfach vor mich hin. Morgen war der Tag der Abreise. Doch anstatt mich auf die Heimat zu freuen, empfand ich eine tiefe unendliche Traurigkeit. Die letzten Tage hatte ich fast pausenlos mit Ben verbracht, was bei meiner Freundin Jules ein Schmunzeln hervorlockte. Mich interessierte nicht was die anderen über uns dachten doch ahnte ich das man uns ein Verhältnis nachsagte. Die Zeit mit Ben war sehr schön und doch verhielt er sich seit gestern sehr seltsam. Das Gefühl, das er mit etwas sagen wollte, ließ mich nicht los doch sobald ich eine Andeutung in diese Richtung machte wechselte er sehr schnell das Thema.
»Was ist los Jessica? Worüber denkst du nach?« Jules hatte sich in der Zwischenzeit neben mich gesetzt und sah mich mit einer Mischung aus Besorgnis und Neugierde an.
»Ich musste gerade an die Geschichte denken, die mir Ben erzählt hat und dass wir morgen schon abreisen werden.« Gab ich leise von mir.
»Ach ja die geheimnisvolle Julia.« Grinste Jules.
»Geheimnisvolle?« Ich sah sie erstaunt an.
»Ja.« Sie nickte. »Keiner von uns wusste wirklich was von ihr. Selbst Ben noch nicht einmal, auch wenn er es sagt. So schnell wie sie in Sein leben getreten war so schnell war sie auch wieder verschwunden.«
»Das hat er mir erzählt. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum dies so war. Wenn es wirklich eine so große Liebe gewesen war, verstehe ich dies alles nicht.« Ich sah in den Himmel, als ob dort die Antwort auf mich warten würde
»Dies hat niemand von uns verstanden. Doch seitdem er dich getroffen hat, ist er irgendwie anders. Ich glaube er hat großes Interesse an dir.« Sie stupste mich mit einem breiten Grinsen an.

»Was redest du denn da?« Gab ich empört von mir.
»Komm schon das, sieht doch ein Blinder. Ich kenne Ben schon eine Ewigkeit und das einzige Mal, wo er eine Frau so angesehen hat, wie dich ist schon eine ganze Weile her.« Sie zwinkerte mir zu.
»Du bist doch total verrückt.« Keuchte ich und spürte, wie ich rot anlief.
»Das können wir ganz schnell herausfinden. Wir fragen ihn einfach.« Jules sprang auf und ich starrte sie für eine Sekunde völlig fassungslos an.
»Jules nein. Das kannst du nicht tun.« Schrie ich ihr nach und versuchte sie am Arm festzuhalten.
»Warum nicht?« Fragte sie überrascht.
»Weil du es nicht kannst.« Antwortete ich gereizt.
»Nenn mir einen Grund, warum ich es nicht tun kann.« Hackte sie nach.
»Weil. ... naja ...Weil ich glaube, dass er sie immer noch liebt und er sie teilweise in mich sieht.« Gab ich jetzt kleinlaut von mir.
»Wie kommst du denn darauf?« Sie hob erstaunt ihre Brauen.
»Seine ganze Art wie er von ihr erzählt so, als ob sie immer noch ein Teil seines Lebens ist. Ich verstehe nicht viel von Menschen doch eins weiß ich das Er sie immer noch liebt und es immer tun wird.«
»Und was ist mit dir?«
»Mit mir?« Ich sah sie erstaunt an.
»Ja mit dir. Liebst du ihn?« Ihr Blick durchbohrte mich fast.
»Wie kommst du denn jetzt auf diese blöde Idee?« Ich versuchte, mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen.
»Mir ist es nicht entgangen, dass ihr zwei eine Menge Zeit miteinander verbracht habt. Jedes Mal, wenn ihr beiden zusammen wart, warst du immer am Strahlen. So hab ich dich noch nie erlebt. Wenn man bedenkt, das ihr euch am Anfang überhaupt nicht leiden konntet ist diese Entwicklung schon sehr verdächtig.«
»Ich gebe zu, dass ich mich in seiner Nähe wohl fühle und das ich mich in ihm getäuscht habe. Doch mehr ist da nicht.« Ich verschränkte trotzig meine Arme vor der Brust.
»Ich glaub dir kein Wort.« Kicherte Jules.
»Ben ist nur ein Freund, nicht mehr und nicht weniger.«
»Ich sag dir jetzt mal was, sei nicht so blöd und ergreif die Chance. Was zwischen Ben und Julia war, ist Vergangenheit. Auch wenn du es nicht Zugeben willst du liebst ihn. Ich kenn dich schon mein halbes Leben lang und von daher kannst du mir nichts vormachen. Hör auf Dinge zu sehen, die nicht da sind, und fang endlich an dein Leben zu leben. Rede mit ihm darüber und dann wirst du schon sehen, wie er dir gegenüber wirklich empfindet.« Sie sah mich streng an und für einen kurzen Augenblick glaubte ich meine Mutter stände mir gegenüber.

Ich sah sie nur schweigend an und brachte kein Wort heraus. Sie kannte mich wirklich gut, denn mit dem, was sie sagte, hatte sie vollkommen Recht. Ich hatte mich in ihn verliebt, ohne es mir eingestehen zu wollen. Selbst jetzt wo man mich darauf ansprach, wollte ich es nicht wahr haben und verdrängte dieses Gefühl in den hintersten Winkel meines Herzens. Natürlich konnte ich ihn darauf ansprechen, doch die Angst, dass er mich abweisen könnte, war zu groß und nahm mir den Mut dazu. Was wusste ich denn schon von der Liebe? Ich war doch nur eine unscheinbare Frau aus Irland, die auf dem Land lebte und nicht wirklich, was über das Leben wusste.
Und Julia? Ja Julia, sie war, wie ein Schatten der Ben überall hin folgte. Seine Art, wie er über sie redete, seine Augen, die beim Klang ihres Namens leuchteten und die Sehnsucht in seiner Stimme, wenn er über sie sprach, waren doch nur allzu deutliche Zeichen. Du hast ihre Augen, diese Worte von ihm schossen mir wieder durch den Kopf. Egal was ich auch für ihn empfand, wenn er mich ansah, sah er nicht mich, sondern sie, das war mir jetzt klar. Sah ich wirklich Dinge, die nicht da waren? Ich wusste es nicht, doch dies wollte ich herausfinden und ich wusste auch schon wie. Solange ich die Wahrheit nicht wusste, solange würde ich meine Gefühle für ihn Geheimhalten, auch wenn es schwer werden würde. Ich wollte sicher sein, dass sein Herz nicht mehr ihr gehörte.

Den ganzen Tag über sah oder hörte ich nichts von ihm. Auf der einen Seite war es auch gut so, denn der Abschied würde mir sichtlich schwerfallen, doch auf der anderen Seite wollte ich mich von ihm verabschieden. Ich wollte ihm noch einmal in die Augen sehen, noch einmal seine Stimme hören, denn es war ungewiss, wann wir uns wiedersehen würden. Jules erwähnte den Rest des Tages nicht mehr dieses Thema und dafür war ich ihr dankbar. Sie spürte, dass ich mit meinen Gedanken weit weg war, und überließ mich ihnen. Wie sollte ich ihr auch irgendwas erklären, wenn ich selber darauf keine Antwort wusste.
Am späten Nachmittag saßen wir im Garten von Richard und genossen die letzten gemeinsamen Stunden miteinander. Schweigend saß Jules neben mir und warf mir immer wieder einen fragenden Blick zu. Selbst jetzt nach unzähligen Stunden des Kopfzerbrechens wusste ich auf ihren stillen Fragen keine Antwort und von daher schwieg ich weiterhin. Wie in Trance bekam ich nur am Rande mit, worüber sich die anderen unterhielten. Immer und immer wieder ging ich meinen Aufenthalt hier im Geiste durch. Jeder Augenblick mit Ben brannte sich tief in meine Seele ein und niemals würde ich sie wieder vergessen. Nicht nur der Abschied von ihm viel mir schwer, sondern auch der Abschied von diesem Land. Ein Land, das mir immer noch fremd war und doch so vertraut.
Je länger ich so dasaß und über alles nachdachte umso mehr reifte ein Entschluss in mir heran. Ich musste ihn wiedersehen, bevor ich morgen abreisen würde. Ohne ein Wort zu sagen, erhob ich mich und beachtete die fragenden Blicke nicht weiter. Der Weg bis zu Bens Wohnung war nicht weit und so ging ich ihn zu Fuß. Innerhalb von zehn Minuten hatte ich die kleine Strecke hinter mich gelegt. Verunsichert stand ich nun vor seiner Haustüre und zögerte noch die Klingel zu betätigen. Was war, wenn er überhaupt nicht zu Hause war? Sei nicht so feige, redete ich mir selber ein und drückte letztendlich die Klingel. Es dauerte nur ein paar Sekunden und ein völlig verdutzter Ben stand mir gegenüber. Jetzt wo er vor mir stand, kam ich mir ziemlich dämlich vor und versuchte meine Unsicherheit zu verbergen. Ich wollte einfach nur reden und hoffte so zu erfahren, was ich für ihn wirklich bedeutete. Nur so konnte ich wieder zurück nach Irland fliegen.

Kapitel 6


Bens Sicht:

Den ganzen Tag über hatte ich mich in meiner Wohnung verkrochen und hatte mir den Kopf darüber zerbrochen, wie ich Jessica die Wahrheit sagen sollte. Wie sollte ich ihr nur sagen, dass ich mich in sie verliebt hatte? Selbst als Richard mich angerufen hatte und mich gebeten hatte vorbei zu kommen um mit Jules und Jessica ihren letzten Abend hier zu begehen hatte ich verneint. Ich wusste einfach nicht, wie ich mich ihr gegenüber verhalten sollte. Es war absolut kindisch und doch war es so das Ich angst hatte nicht den Mut aufzubringen es ihr, zu sagen. Ich trug einen innerlichen Kampf aus. Auf der einen Seite war dies die letzte Möglichkeit sie zu sehen und auf der anderen Seite redete ich mir selber ein das Es so besser sei sie nicht noch einmal, zu sehen. Sie würde so oder so nach Irland zurückkehren und dann stand ich genauso wie damals verlassen und einsam da. Die Sache mit Julia hatte mir gezeigt, dass eine Beziehung keinen Bestand hatte über eine so große Entfernung. Je länger ich darüber nachdachte umso elender fühlte ich mich. Vor lauter Frust hatte ich angefangen zu trinken oder war es eher das Ich mir Mut antrinken wollte? Ich hatte gerade mein viertes Bier auf, als es unerwartet an der Tür klingelte. Im ersten Moment wollte ich einfach so tun als wäre ich nicht da doch die Neugierde darauf, wer so spät noch bei mir vorbeikam, war größer. Als ich die Türe öffnete, war die Überraschung groß. Ich hatte mit allem gerechnet doch nicht, damit das Jessica vor meiner Tür stand.

»Hey. Was machst du denn hier?« Immer noch völlig verdutzt über ihr Erscheinen redete ich drauf los, ohne nachzudenken.
»Komme ich ungelegen?« Sie wirkte irgendwie nervös und spähte vorsichtig an mir vorbei in meine Wohnung.
»Nein so meinte ich das nicht. Du solltest doch eher bei den anderen sein da Richard soviel ich weiß eine kleine Party für dich und Jules organisiert hat. Aber komm erst einmal rein.« Ich trat zur Seite um Jessica eintreten, zu lassen.
»Das stimmt schon doch hatte ich keine Lust mehr darauf. Ich gebe ehrlich zu das Ich dich noch einmal sehen wollte. Und da du nicht erschienen bist, dachte ich mir ich komme einfach zu dir.« Sie lächelte mich leicht verunsichert an.
»Nun ja ..... wie soll ich sagen ..... ich konnte. Ach ist ja jetzt auch egal. Setzt dich doch. Kann ich dir irgendetwas anbieten?« Ich konnte ihr einfach nicht sagen, dass ich zu feige war, um bei Richard aufzulaufen.
»Nein danke. Wie ich sehe, feierst du hier deine eigene kleine Party.« Ihr Blick wanderte kurz über die leeren Bierflaschen auf dem Tisch und den schon überquellenden Aschenbecher.
»Wenn ich gewusst hätte, das ich Besuch bekommen würde hätte ich hier noch aufgeräumt.« Dies war mir jetzt doch ein wenig peinlich, auch wenn ich nicht der Typ war, der seine Wohnung auf Hochglanz poliert hatte.
»Ich habe damit überhaupt kein Problem. Irgendwie macht es dies hier wohnlicher.« Ich hob erstaunt eine Braue und sie sah mich fragend an. »Was?« Ihr Blick ruhte immer noch auf mir.
»Mit dieser Antwort hatte ich jetzt nicht gerechnet. Die Frauen, die ich kenne, hätten schon längst einen Anfall bekommen und mich darum gebeten es wegzuräumen.
»Vielleicht liegt es daran, dass ich vom Lande komme. Glaub mir, wenn mein Vater und mein Bruder zu Hause sind, sieht es noch schlimmer aus als jetzt bei dir.« Sie grinste mich frech an und in diesem Moment viel mir auf das Ich kaum etwas über sie wusste.

Es war schon seltsam. Die ganze Zeit, wo wir zusammen waren, hatten wir ausschließlich über mein vergangenes Leben geredet und kaum über sie. Was wusste ich eigentlich über sie? Im Grunde nichts außer das Sie aus Irland kam. Ich ließ mich in den Sessel fallen und seufzte unbewusst auf.
»Alles in Ordnung?« Sie sah mich besorgt an und ich lächelte leicht zurück.
»Ja alles in Ordnung. Mir ist nur gerade aufgefallen, dass ich so gut wir gar nichts über dich weiß. Die ganze Zeit über haben wir immer nur über mich und meine Vergangenheit geredet. Und jetzt fliegst du morgen schon ab und ich würde noch gerne so vieles über dich erfahren.« In diesem Moment wünschte ich mir so sehr mehr Zeit mit ihr verbringen, zu können.
»Dann frag doch einfach. Und wenn es die ganze Nacht dauert. Ich habe eh nichts weiter mehr vor.« Ihr Lächeln war einfach umwerfend und für einen kurzen Moment verschlug es mir die Sprache.
»Erzähl mir einfach etwas über dich. Wie du lebst, was du für Hobbys hast, was du so magst. Einfach alles über dich.« Ich lehnte mich in den Sessel zurück, bis die Rückenlehne mir Einhalt gebot, und betrachtete sie genau.
»Wo fang ich da am besten an? Also gut ich wurde in einem kleinen Haus an der Küste geboren. Es liegt etwas außerhalb von Blackrock. Meine Eltern besitzen einen kleinen Reiterhof. Er ist zwar nicht groß aber es reicht, um davon zu leben. Ich habe noch einen älteren Bruder und eine ältere Schwester. Mein Leben selbst ist ziemlich langweilig. Ich arbeite in einem kleinen Blumenladen und verdiene mir nebenbei noch als Reiseleiterin mein Geld. Hört sich ziemlich komisch an, ich weiß. Du fragst dich jetzt sicherlich, warum ich den Beruf als Reiseleiterin nicht als Hauptberuf habe. Ich habe ihn nie gelernt, da wir nicht so viel Geld haben und da ich in der Gegend dort aufgewachsen bin helfe ich ab und zu aus, wenn die Hauptsaison ist. Die meiste Zeit helfe ich meinen Elter aber auf ihrem Hof. Ich bin weder verlobt noch verheiratet und im Großen und Ganzen ist mein Leben absolut normal und stinklangweilig.« Sie sah mich an und zuckte nur mit ihren Schultern.

Ein Leben in Kurzfassung schoss es mir durch den Kopf und ich musste unwillkürlich auflachen. Mein Lachen war anscheinend ansteckend denn mit einem Male fiel sie in mein Lachen mit ein. Als wir uns nach ein paar Minuten beruhigt hatten, stand sie auf und ich beobachtete sie neugierig. Es sah so aus als wollte sie in Richtung Fenster gehen doch sie blieb ungeschickt mit dem Fuß am Tischbein hingen und verlor kurzerhand das Gleichgewicht. Blitzschnell sprang ich vom Sessel auf und konnte sie im letzten Moment noch auffangen. Unsere Blicke trafen sich und ein Kribbeln überzog meine Haut. Ihr schien es nicht anders zu ergehen und bevor wir uns versahen berührten sich unsere Lippen und aus einem ersten zögerlichen Kuss wurde ein verlangender und wilder. Was dann passierte, würde ich mir nie erklären können. Als ich meine Augen geschlossen hatte, sah ich Jules Bild wieder vor meinem geistigen Auge. Warum musste ich ausgerechnet jetzt an sie denken? Ich verdrängte es doch ohne es zu bemerken hatte ich unbewusst ihren Namen laut ausgesprochen. Zuerst begriff ich nicht, was passiert war. Erst als ich einen harten Schlag gegen meine linke Schulter spürte, wurde es mir bewusst. Ich sah in Jessicas entsetztes Gesicht, die sich aus meinen Armen befreit hatte und jetzt Stück für Stück rückwärtsging. Ich streckte meine Hand aus und öffnete meinen Mund um eine Rechtfertigung zu geben, auch wenn sie völlig sinnlos war. Doch sie hob abwehrend ihre Hand und ich sah nur noch, wie sich in ihren Augen Tränen ansammelten, bevor sie sich abrupt umdrehte und zur Türe lief. Ich verfluchte mich leise selber und lief ihr nach. Im letzten Moment erreichte ich sie packte sie am rechten Arm und hielt mit meiner linken Hand die Türe zu.

»Jess warte. Es ist nicht so ...« begann ich und wurde sofort von ihr unterbrochen.
»Hör auf damit. Ich hätte niemals hierher kommen dürfen. Keine Ahnung was ich hier erwartet habe oder was ich zu erwarten hoffte. Nur eines weiß ich jetzt ganz genau. Du empfindest nichts für mich das hast du ja jetzt gerade eindeutig bewiesen. Alles, was du in mir siehst, ist sie. Nein versuche bloß nicht mir zu erklären, dass ich mich täusche. Ich erinnere dich nur daran was du mal zu mir gesagt hast. Wenn ich nur nicht ihre Augen hätte. Wie konnte ich nur so blöd sein und glauben das Du doch, etwas für mich empfinden könntest. Jetzt lass mich gehen.« In ihrer Stimme lag so viel Schmerz, dass es mir selber weh tat. Die letzten Worte hatte sie fast geschrien und ich gab widerwillig den Weg frei.
Jeder Versuch sie vom Gegenteil zu überzeugen war zum Scheitern verurteilt. Ohne mich noch eines Blickes zu würdigen, öffnete sie die Tür und rannte hinaus. Erst als ich ihre Schritte nicht mehr hören konnte, schlug ich die Türe zu und ließ mich dann an der Wand zu Boden sinken. Was hatte mich bloß geritten? Zum ersten Mal war ich wieder über beide Ohren verknallt und in einem einzigen Moment versaute ich alles. Ich rappelte mich wieder auf und ging in die Küche. Selbsthass breitete sich in mir aus und ich schnappte mir Bier aus dem Kühlschrank. Die halbe Nacht lang trank ich, bis ich total betrunken ins Bett wankte. Innerlich erhoffte ich mir das sich die Erde auftun würde, um mich zu verschlingen. Doch sie tat es nicht. Das Einzige, was da war, war dieser unendliche Schmerz in mir, der sich selber mit Alkohol nicht besiegen ließ.

Kapitel 7


Jessicas Sicht:

Ziellos rannte ich durch die Straßen von London. Erst als meine Lungen wie Feuer brannten und ich Mühe hatte zu atmen hielt ich an und lehnte mich gegen einen Baumstamm. Die Tränen liefen mir immer noch unaufhaltsam übers Gesicht. Wie konnte ich nur glauben, dass er etwas für mich empfinden würde? Es war einfach nur töricht und dumm gewesen. Warum hatte ich mich nur von Julia so beeinflussen lassen? Ich hatte nur eine Antwort auf diese Fragen und die war, dass ich mich selber in ihn verliebt hatte. Je mehr ich darüber nachdachte umso verrückter kam mir all dies vor. Hatte ich mir nicht selber am Anfang geschworen sobald ich keine Kontrolle mehr über diese Sache, hatte alles abzubrechen? Es gab nur ein Problem dabei, mein Verstand sagte mir, dass ich ihn vergessen sollte, doch mein Herz sprach eine andere Sprache. Eins war sicher ich musste dringend mit jemandem über diese ganze Sache reden, bevor ich völlig durchdrehte. Es gab nur eine Person, die in Betracht bekam und dies war Julia. Ich wischte mir die letzten Tränen aus dem Gesicht und wollte mich auf dem Weg machen als mir klar wurde, dass ich überhaupt nicht wusste, in welchem Teil Londons ich gerade war. Diesen Teil von London kannte ich nicht und irgendwie musste ich zurück also lief ich eine Weile umher, bis ich endlich ein Taxi fand. Endlich wieder zu Hause angekommen erwartete mich bereits eine völlig besorgte Julia. So wie es den Anschein hatte, war ich länger fort gewesen als mir bewusst war.

»Wo bist du gewesen? Hast du überhaupt eine Ahnung was ich mir für Sorgen gemacht habe?« Julia raste vor Wut aber ich ignorierte diesen Anfall, was bei ihr für Verwunderung sorgte. »Alles in Ordnung mit dir?« Sie ergriff meine Hand und betrachtete mich genau.
Ich spürte, wie erneut die Tränen in mir hochstiegen, und schüttelte nur meinen Kopf. Julia verstand sofort und zog mich hinter sich her in Richtung ihres Zimmers. Kaum hatte ich das Zimmer betreten schloss sie blitzschnell die Türe hinter mir zu und schob mich weiter zum Bett, wo sie mich bestimmend aber sanft zum Hinsetzen zwang.
»Jetzt erzähl, was ist passiert?« Sie setzte sich neben mich und ergriff meine Hand.
»Ich war vorhin bei Ben und ...« Meine Stimme zitterte leicht, und bevor ich weitersprechen konnte, musste ich mich erst einmal wieder fangen. »Wir haben uns geküsst und dabei hat er ihren Namen genannt.« Über die Verzweiflung in meiner Stimme war ich selber überrascht.
»Ihr habt euch geküsst?« Kreischte Julia los und ihr Unterkiefer klappte vor Erstaunen hinunter.
»Du verstehst nicht.« Murmelte ich und starrte auf den Fußboden.
»Ich verstehe schon. Du bist über beide Ohren in ihn verliebt. Und du denkst, dass er nur mit deinen Gefühlen gespielt hat.«
»Du hattest völlig Unrecht. Er empfindet überhaupt nichts für mich.« Ich ignorierte einfach den Teil mit dem verliebt sein und den Gefühlen. Sie sollte ruhig spüren, dass ich ihr auch eine gewisse Schuld an dieser verflixten Situation gab.
»Das glaube ich eher weniger.« Gab sie nachdenklich von sich.
»Was hast du nicht daran verstanden was ich vorhin gesagt habe.« Ich sprang wütend vom Bett auf. Vielleicht war es doch keine so gute Idee von mir gewesen, ausgerechnet mit ihr darüber zu sprechen.
»Jetzt beruhige dich mal wieder. Ich habe dich sehr gut verstanden. Nur kenne ich Ben ein wenig besser und länger wie du.« Verteidigte sie sich und zog dabei einen leichten Schmollmund.
Das mit dem länger und besser mochte ja durchaus stimmen aber dennoch fühlte ich mich einfach nur, wie ein weggeworfenes und benutztes Teil das man nicht mehr benötigte. Um nicht noch mehr Blödsinn von mir zu geben, biss ich mir auf die Unterlippe und schwieg.
»Ich werde mit Ben reden. Dann wird sich mit Sicherheit so manches klären.« Julia hörte sich entschlossen an.
Für ein paar Sekunden starrte ich sie nur fassungslos an. Wenn ich ihr jetzt nicht Einhalt gebot, so würde sie es tun. Dies musste ich unter allen Umständen verhindern. Es musste heute enden, bevor mein Herz komplett zerbrach.
»Du wirst überhaupt nichts tun. Ich schwöre dir Julia, wenn du nur ein Wort zu ihm sagst, dann rede ich kein Wort mehr mit dir.« Keifte ich sie wütend an.
»Schon gut ich werde nichts sagen aber komm mir hinterher bloß nicht angeheult wegen ihm.« Warf sie mir ebenfalls wütend entgegen.

In mir tobte das regelrechte Gefühlschaos. Wut, Enttäuschung, Verbitterung und das Gefühl der Hilflosigkeit wechselten sich gegenseitig ab. Julia, die mir ihren Rücken zugekehrt hatte, würdigte mich keines Blickes mehr. Am liebsten wollte ich zu ihr Rennen und mich in ihre Arme werfen doch die Sturheit in mir siegte. Wenn ich jetzt nachgab, dann würde ich alles zulassen, was sie vorschlug und wollte. Ich wusste nur zu gut, dass es ein Fehler war, sie so anzubrüllen, da sie nichts dafür konnte, was zwischen mir und Ben geschehen war. Da es heute keinerlei Sinn mehr ergab weiter über diese Sache zu reden entschloss ich mich dazu, erst einmal diese Nacht drüber zu schlafen.
Der nächste Tag sah auch nicht viel besser aus. Jeder Gedanke an ihn schmerzte unendlich und trieb mir erneut die Tränen in die Augen. Dass einzige gute an diesem Tag war, das ich nach Hause flog. Unter den anderen herrschte ebenfalls eine bedrückte Stimmung von daher viel ich nicht weiter auf mit meiner schlechten Laune und den immer wiederkehrenden Tränen. Der Abschied von den anderen viel mir sichtlich schwer, womit ich niemals gerechnet hatte, da ich die anderen erst seit Kurzem kannte. Immer wieder erwischte ich mich selber dabei wie ich verstohlen zum Eingang blickte in der Hoffnung Ben würde auftauchen. Doch er tauchte nicht auf. Ein letztes Mal sah ich hoffnungsvoll zum Eingang, bevor ich mit Julia durch die Passkontrolle ging.

Den ganzen Flug über redeten Julia und ich miteinander. Immer wieder entschuldigte ich mich bei ihr für mein unmögliches Verhalten am gestrigen Abend. Auch wenn sie vollstes Verständnis für mich hatte, so blieb sie dennoch der Meinung, dass es von mir ein Fehler sei, nicht mit ihm zu reden. Vielleicht war es ein Fehler doch fühlte ich mich keineswegs in der Lage, mit ihm ein vernünftiges und klärendes Gespräch zu führen. Ich brauchte einfach Zeit um über meine Gefühle und das, was ich wirklich wollte, klar zu werden. Ich musste einfach wieder zu mir selber finden.
In Dublin angekommen erwartete mich mein Bruder bereits. Seltsam dachte ich, als ich ihn erblickte woher wusste er dass wir heute zurückkommen würden denn ich hatte ihm kein Wort darüber erzählt. Ein kurzer Blick zu Julia genügte, um zu verstehen.
»Sieh mich nicht so an und ja ich habe ihn gestern Abend angerufen und bescheid gegeben.« Julia senkte ihren Blick und irgendwie kam sie mir nervös vor.
»Seit wann telefonierst du mit meinem Bruder? Erzählst du mir nicht immer, dass ihr zwei euch überhaupt nicht ausstehen könnt?« Ich knuffte sie leicht in die Seite und grinste dabei breit.
»Ich kann ihn auch nicht leiden. Er ist und bleibt ein arroganter und eingebildeter Kerl. Ich habe ihn lediglich angerufen, weil ich nicht wollte, dass du alleine nach Hause fährst.« Verteidigte sie sich, auch wenn es nicht gerade überzeugend klang.
Irgendetwas lief zwischen den beiden da konnte sie mir erzählen, was sie wollte. Der Abschied von Julia fiel mir am schwersten. Erst nach zwanzig Minuten schafften wir es, uns voneinander zu trennen. In der Zwischenzeit hatte sich mein Bruder meinen Koffer gepackt und zum Auto gebracht. Schweigend umarmten wir uns zur Begrüßung. Er war nie der Typ gewesen, der große Reden schwang und so war es auch diesmal. Erst jetzt wurde mir so richtig bewusst dass ich wieder zu Hause. Irland hatte mich wieder, auch wenn ein Teil meines Herzens in England geblieben war.

Kapitel 8


Bens Sicht:

Seit ihrer Abreise waren jetzt schon vier Monate vergangen doch musste ich immer noch ununterbrochen an sie denken. Auch machte ich mir seit vier Monaten ständig Vorwürfe, dass ich nicht zum Flughafen gefahren war, um diese Sache zu klären. Ich war einfach zu Feige gewesen. Ja das war ich. Zu Feige, um zu alldem Stellung zu nehmen, zu feige meine eigenen Fehler einzugestehen. Jetzt gab es keine Möglichkeit mehr ich hatte verspielt. Weder wusste ich, wo sie sich aufhielt, noch konnte ich sie über Handy erreichen. Ständig kam die Ansage, dass diese Nummer nicht vergeben sei. Hatte sie etwa ihre Nummer geändert oder hatte sie mir womöglich damals die falsche gegeben? Egal was auch von diesen zwei Möglichkeiten in Betracht kam ich saß hier hilflos und wusste nicht mehr weiter. Selbst Julia half mir nicht. Immer wieder sagte sie, sie dürfe mir nichts sagen, da Jess keinerlei Kontakt mit mir haben wollte und sie nicht ihre Freundschaft zu ihr gefährden wollte. Der Einzige der mir helfen wollte war Richard doch wie sollte er mir schon helfen? Er war mit Julia befreundet doch hatte er genauso wenig wie ich Kontakt zu Jessica. Lediglich Julia schien offen und ehrlich mit ihm zu reden da er immer wieder Andeutungen machten, dass er mehr wüsste wie ich. Je mehr zeit verging umso mehr kam ich immer wieder auf die verrücktesten Ideen. Einer von denen war, dass ich mir überlegt hatte, einfach nach Irland zu fliegen und sie auf eigene Faust zu suchen. Doch wo sollte ich anfangen? Auch wenn es nur eine kleine Insel war, so konnte es doch zu einer erfolglosen Suche werden. Es war wie die berüchtigte suche nach der Nadel im Heuhaufen. Um wenigstens zwischendurch mal auf andere Gedanken zu kommen, hatte ich mich heute mich Richard in einem Pub verabredet.

Heute war meine Stimmung auf dem Nullpunkt. Genauso trüb und kalt wie das Wetter draußen. Selbst Richard, der stets gut gelaunt war, hatte es nach einer Weile aufgegeben, mich aufzumuntern. Seit zwei Stunden kippte ich mir ein Bier nach dem anderen in mich hinein. So langsam begann sich alles um mich herum zu drehen doch dieses ignorierte ich wohlweislich. Es war mir egal, was Richard oder ein anderer gerade über mich dachte. Nachdem ich mir ein weiteres Bier in Rekordtempo hineingeschüttet hatte, legte mir Richard seine Hand auf meinen linken Arm, sah mich besorgt an und schüttelte seinen Kopf dabei.
»Ben ich denke du hast jetzt genug.« Redete er beschwichtigend auf mich ein doch ich, schüttelte widerwillig seine Hand von meinem Arm.
»Was du denkst, ist mir völlig wurscht. Ich trinke so viel, wie ich will.« Lallte ich wütend.
»Wenn du eh vorhattest, dich besinnungslos zu besaufen dann frage ich mich, warum ich mitkommen sollte. Ich sehe mir bestimmt nicht an, wie du dich selber so fertig machst. Dadurch wird sich auch nichts ändern.« Der ansonsten so ruhige Richard verlor allmählich seine Geduld mit mir, was ich ihm auch nicht verübeln konnte. Schließlich war ich heute wirklich nicht der beste Gesprächspartner.
»Ihr scheint ja ganz genau zu wissen, wie es mir geht. Dabei wisst ihr überhaupt nichts. So langsam geht ihr mir gehörig auf die Nerven mit euren ständigen gut gemeinten Ratschlägen.« Giftete ich ihn an. Der Alkohol, der durch meine Adern floss, hatte mich völlig im Griff. Ohne zu überlegen sprach ich, dass aus was mir gerade durch den Kopf schoss.
»Dann sag ich dir mal was anderes eigentlich wollte ich dir etwas sehr wichtiges mitteilen doch da du dich wie ein totaler Vollidiot aufführst hat sich die Sache für mich erledigt. Melde dich, wenn du wieder klar im Kopf bist.« Mit diesen Worten stand Richard auf und war im Begriff zugehen.

Für einen kurzen Moment starrte ich ihm fassungslos nach, bevor mein Verstand Alarm schlug. Ich mochte zwar betrunken sein doch Richards Worte verstand ich immer noch. Durch mein Verhalten hatte ich meinem besten Freund sehr verletzt denn nicht ohne Grund sagte er, er wolle mir was Wichtiges mitteilen. Kaum dass ich von dem Stuhl aufgestanden war, drehte sich alles um mich herum. Schnell griff ich nach der Rückenlehne, um mich festzuhalten. Als sich der Schwindel etwas gelegt hatte, ging ich schwankend Richard hinterher um ihn aufzuhalten. An der Tür erreichte ich ihn griff nach seiner linken Schulter und hielt ihn mit aller Kraft fest. Richard drehte sich herum, warf mir einen leicht verächtlichen Blick zu, bevor er meine Hand abschüttelte und sich wieder herumdrehte.
»Jetzt warte doch mal Richard. Ich hab es vorhin nicht so gemeint. Es tut mir leid okay.« Die kühle Nachtluft, die mir entgegen schlug, als Richard die Türe geöffnet hatte, traf mich wie ein Schlag ins Gesicht doch, nachdem dieser erste Moment vorbei war, tat sie mir richtig gut. Richard der mich nicht weiter beachtete ging weiter seines Weges und ich trottete ihm hinterher wie ein Hündchen. Was Besseres fiel mir nicht ein. Ich war einfach zu betrunken, um irgendeinen klaren Gedanken zu fassen. Richard, der es bemerkt hatte, blieb stehen, drehte sich herum und grinste mich breit an. Anscheinend fand er diese ganze Aktion äußerst belustigend, was ich ganz und gar nicht fand. Es war einfach nur demütigend, und wenn ich wieder nüchtern war, würde ich es bereuen und mich in Grund und Boden schämen.
»Was soll dies eigentlich werden, wenn du damit fertig bist?« Sein Grinsen wurde immer breiter, während ich versuchte, so ruhig wie möglich zu bleiben.
»Übertreibe es nicht Richard. Ich habe mich entschuldigt und nun lass es damit genug sein. Was meintest du vorhin damit du wolltest mir was Wichtiges sagen?« Die kalte Luft hier draußen machte mich ein wenig nüchterner und verschaffte mir einen etwas klareren Kopf.

Richards Blick lag prüfend auf mir. Man konnte ihm deutlich ansehen, dass er angestrengt darüber nachdachte, ob er mir die wichtige Neuigkeit mitteilen sollte oder es doch besser lassen sollte. Innig hoffte ich darauf, dass er doch irgendetwas über Jessica in Erfahrung gebracht hatte. Je länger er schwieg umso ungeduldiger wurde ich. Nervös trat ich von einem Fuß auf den anderen. Richard, der dies gewahr schmunzelte, vor sich hin, während er mich weiterhin auf die Folter spannte. Sollte er wirklich etwas über sie wissen und es mir wohlweislich verheimlichen, so würde ich ihm eine reinhauen so viel war sicher. Jede Faser in meinem Körper war zum Zerreißen angespannt. »Eigentlich sollte ich dir gar nichts sagen so wie du dich in letzter Zeit verhältst aber da du mein Freund bist mache ich mal eine Ausnahme. Ich habe heute Mittag mit Julia telefoniert und sie hat uns eingeladen nach Irland zu kommen, um dort ihren Geburtstag zu feiern. Jessica wird auch da sein. Da wir ja alle mit Julia befreundet sind, kann niemand sagen, dass sie dir irgendwas gesagt hat. Nur eines sag ich dir jetzt schon, wenn du es wieder vermasselst, dann sieh zu, wie du damit klarkommst. Dies ist jetzt die Gelegenheit, auf die du so lange gewartet hast.« Richard sah mich ermahnend an und ich nickte nur zu mehr war ich in diesem Moment nicht fähig.
»Wann?« Murmelte ich. Obwohl ich seine Worte deutlich vernommen hatte, wollte ich sie dennoch nicht so recht glauben. Konnte es wirklich möglich sein? Dies, was ich all die Monate erhofft hatte, sollte jetzt in Erfüllung gehen? Es kam mir wie ein Traum vor.
»In vier Tagen. Julia hat bereits die Tickets für uns bestellt und zurücklegen lassen. Du gehst jetzt am besten nach Hause und schläfst deinen Rausch erst mal aus.« Fürsorglich schob mich Richard in Richtung eines Taxis und ich ließ es über mich ergehen. In vier Tagen würde ich sie endlich wiedersehen. In den nächsten Tagen musste ich mir dringend überlegen, was ich sagen sollte, sobald ich vor ihr stand. Dieses Mal wollte ich es keineswegs wieder versammeln.

Impressum

Texte: Akashi
Bildmaterialien: Alle Rechte vorbehalten
Tag der Veröffentlichung: 06.08.2012

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