»Mina! Nicht schon wieder!« Meine Chefin sieht mich wütend an. »Tut mir Leid Frau Neumann! Kommt nicht wieder vor.«, so entschuldige ich mich und gehe nach hinten, um mich umzuziehen. Verdammt, Mina! Du musst das in den Griff bekommen!, weist mich mein Gewissen an. Nachdem ich mein Arbeitsshirt angezogen habe, gehe ich wieder nach vorne an den Empfang. »Du übernimmst fürs erste den Empfang. Wenn Karim da ist, dann bist du dafür zuständig, den Kunden die Haare zu waschen. Das Schneiden übernehme ich. Und sonst fegst du bitte immer wieder den Boden. Verstanden?« Ich nicke. »Sehr wohl, Frau Neumann.« Jetzt lächelt mich meine Chefin etwas gutmütiger an. »Du weißt, dass ich nicht gerne so streng mit dir bin. Aber wenn du immer so spät kommst, dann zwingst du mich dazu. Hast du wenigstens dein Berichtsheft fertig?«, fragt sie mich. Ich sehe sie entschuldigend an. »Tut mir Leid, aber ich musste meinen Eltern in der Kneipe helfen und hatte keine Zeit.« Sie seufzt und sieht mich Kopf schüttelnd an. »Aber heute nach der Arbeit fange ich sofort damit an.« Sie nickt. »Gut, aber spätestens am Donnerstag möchte ich das Berichtsheft auf meinem Tisch haben.« Ich verspreche es ihr und gehe dann hinter dem Thresen, um die Anrufe der Kunden anzunehmen.
Nachdem ich schließlich den letzten Anruf angenommen habe, ruft meine Chefin nach mir. »Du wäschst bitte eben die Haare dieser Dame und ich hole eben den Wagen, damit ich ihr gleich die Haare schneiden kann.« Ich nicke und bitte die Kundin mir zum Waschbecken zu folgen. Sie setzt sich hin und ich lege ihr ein Handtuch um die Schultern, damit ihre Klamotten nicht nass werden. Anschließend stelle ich das Wasser auf warm und prüfe es, damit es nicht zu heiß ist. »Passt Ihnen die Temperatur so?«, frage ich die Kundin höflich. »Ja, die Temperatur passt perfekt.« Ich lächle und bitte sie ihren Kopf nach hinten zu lehnen. Sie tut es und ich beginne ihre Haare zu waschen. Gleichzeitig massiere ich sanft ihre Kopfhaut, was der Kundin ein genießerisches Seufzen entlockt. »Ist das so angenehm?«, frage ich schmunzelnd. »Das ist perfekt. Du machst das sehr gut muss ich sagen...« »Vielen Dank für das Kompliment. Wir sind nun auch fertig...«, sage ich, stelle das Wasser ab und rubble sanft ihre Haare trocken. Genau in diesem Moment kommt meine Chefin wieder. »Und? Hat meine Auszubildende ihre Aufgabe gut gemacht?«, fragt Frau Neumann die Kundin. Diese strahlt. »Ich bin mehr als zufrieden. Ihre Azubine macht sich sehr gut.« Ich werde verlegen und stehe nur schweigend daneben. Frau Neumann lacht. »Das freut mich. So Mina, ich übernehme jetzt mal. Geh du doch bitte zu diesem jungen Mann rüber und frag ihn was er möchte. Anschließend sagst du ihm, dass ich nach der Dame zu ihn komme und du bietest ihn einen Kaffee an.« Ich nehme ihre freundlichen und klaren Anweisungen an und gehe zu dem jungen Mann rüber, der mir auf irgendeine Art und Weise bekannt vorkommt. Aber ich weiß noch nicht woher.
»Guten Tag!«, begrüße ich ihn lächelnd. »Guten Tag, Mina.«, antwortet er und ich stutze. »Woher wissen Sie meinen Namen?« Der junge Mann zeigt mir beim Lächeln seine strahlend weiße Zähne. »Ihre Chefin hat sie gerade so genannt.« Peinlich!, denke ich und haue mir innerlich gegen die Stirn. »Achja, stimmt. Was kann ich für Sie tun?«, fahre ich direkt fort. »Ich hätte ebenfalls gerne eine Haarwäsche und dann einmal einfach die Haare nach geschnitten. Hinten halt etwas kürzer und vorne sollte es so lang bleiben.« Ich nicke. »Meine Chefin ist sofort für Sie da. Darf ich Ihnen einen Kaffee bringen?« »Ja gerne und kein Problem. Aber die Haare wäschst du mir doch bitte, oder?« Ich lächle leicht und merke zeitgleich, wie meine Wangen warm werden. »Wenn Sie das möchten dann gerne.«, antworte ich und gehe zu meiner Chefin. Ihr sage ich die Wünsche des Kunden. »Gut, du machst ihn dann jetzt den Kaffee und nachdem er ihn getrunken hat, wäschst du ihm die Haare. Ich muss der Kundin hier noch die Haare färben. Das dauert also noch knapp eine Stunde.« Ich bin einverstanden und gehe in die Küche. Dort setze ich einen frischen Kaffee auf. Woran erinnert mich dieser Typ nur? Irgendwas an ihm kommt mir so richtig bekannt vor. Ich weiß, dass ich ihn irgendwo schon mal gesehen habe, nur wo?, denke ich und kaue auf meiner Unterlippe herum. Keine zwei Minuten ist der Kaffee fertig und ich stelle den Becher auf einen Unterteller ab, packe zwei Päckchen Milch, zwei Päckchen Zucker und einen kleinen Keks dabei und gehe damit los. Pass bloß auf, Mina. du weißt wie tollpatschig du bist., so höre ich mein Gewissen sagen. Ich nicke unauffällig und versuche mich weiter zu konzentrieren. Doch blöderweise habe ich den Besen nicht ordentlich bei Seite geräumt und so kommt es, dass ich kurz bevor ich bei dem netten Herren ankomme, über den Besen stolpere und der Kaffee ergießt sich auf seinem weißen Shirt. Er springt sofort erschrocken auf und ich schlage ebenso meine Hände vor dem Mund zusammen. »Mina!«, höre ich auch im nächsten Moment meine Chefin rufen, die sofort zu mir kommt. »Es tut mir schrecklich Leid! Meine Azubine ist etwas tollpatschig. Mina jetzt hol doch bitte ein Handtuch, damit der junge Mann sich etwas trocken rubbeln kann.« Ich gehe sofort peinlich gerührt zum Regal mit den Handtüchern und nehme eines heraus. Anschließet gehe ich sofort zurück und reiche es ihm. »E...Es t tut m mir f fürchterlich l leid! E es w war n nicht mit A Absicht!«, so entschuldige ich mich ebenfalls.Der junge Mann lacht nur und nimmt das Handtuch entgegen, womit er sich seinen Oberkörper abtrocknet. Das weiße Shirt, was jetzt eng an seinem Oberkörper klebt, wirkt jetzt leicht durchsichtig und man kann seine Muskeln deutlich durch schimmern sehen. Ich muss schlucken. »Es tut mir wirklich sehr leid...«, beharre ich. Wieder lacht er. »Schon gut, das passiert jeden mal.« »Und es ist nichts passiert? Sie haben sich nicht verbrannt?«, fragt meine Chefin ihn jetzt besorgt. »Nein, es ist wirklich alles gut. Es war nur der Schreck.« »Wir werden natürlich für die Reinigungskosten aufkommen.« Der junge Mann schüttelt den Kopf. »Das ist nicht nötig. Wirklich nicht!«, beharrt er und meine Chefin gibt auf. »Gut. Mina, kümmerst du dich dann bitte darum, dass die Scherben verschwinden? Aber bitte schneide dich nicht...« Ich antworte nicht, sondern gehe sofort in die Knie und fange damit an die Scherben aufzuheben, während meine Chefin wieder zur Kundin geht.
Der junge Mann hilft mir freundlicherweise. »Das wäre nicht nötig gewesen...«, äußere ich mich, als wir wieder aufstehen und ich die Scherben in einen Eimer werfe, wo schon ein paar Scherben sind. »Das macht mir nichts aus...«, sagt er, als er mir folgt. Ich wasche meine Hände und sehe ihn dann schüchtern an. »Bitte lass mich dich zu einem Kaffee einladen. Das ist das Mindeste was ich tun kann.«, bitte ich ihn. Doch er lächelt nur und hebt beschwichtigend die Hände. »Das ist echt nicht nötig, Mina. Es war nur ein Missgeschick und das kann passieren. Bitte lass es gut sein, ja?« Ich gebe schließlich nach. »Na gut...soll ich Ihnen dann jetzt die Haare waschen?«, frage ich ihn und er schenkt mir wieder ein Lächeln. »Ja gleich bitte. Ich gehe mir nur eben das Shirt ausziehen und wechsle es durch meine Strickjacke aus, ja?« Ich nicke und sehe ihm kurz nach.
Etwas später kommt er zurück und hat tatsächlich nur die Strickjacke an. Wieder muss ich schlucken. »So, ich bin bereit für eine Haarwäsche.«, grinst er und setzt sich auf den Stuhl vor dem Waschbecken. ich muss lächeln und beginne mit der Haarwäsche, wobei wir über belanglose Dinge reden. Ich merke, dass ich mich in seiner Nähe sehr wohl fühle. Als würde ich ihn schon Jahre lang kennen und nicht nur fünf Minuten.Und so vergeht die Zeit und während meine Chefin seine Haare schneidet, mache ich den Arbeitsplatz sauber. Zwischendurch schaue ich zu ihm rüber.
»So, sie sind fertig, junger Mann. Sie dürfen dann bei Mina zahlen gehen. Mina? Machst du die Abrechnung?« Ich nicke und gehe wieder hinter dem Thresen. »Und was bekommst du von mir?«, fragt er mich lächelnd. Ich tippe alles in die Kasse ein. »Eine Haarwäsche und Föhnen, dann Schneiden...Insgesamt 45,00€.«, antworte ich und sehe ihn an. Er lächelt und gibt mir 60 €. »Teilt euch den Rest bitte als kleines Trinkgeld.« Ich muss schlucken. »Das kann ich nicht annehmen...« Er sieht mich verwundert an. »Warum nicht?« Ich verschränke die Arme vor meiner Brust. »Genau so wenig wie Sie meine Einladung zum Kaffee ablehnen.« Der junge Mann lacht. »Na gut. Sagen wir mal so: Du nimmst das Trinkgeld an, wir machen ein Foto zusammen und ich nehme die Einladung zum Kaffee an?«, schlägt er vor. »Warum sollte ich mit Ihnen ein Foto machen wollen?« Er zuckt mit den Schultern. »Sagen wir so: Sonst reißen sich die Mädels darum, eines mit mir machen zu können...«, antwortet er grinsend. Ich nicke. »Wenn es sein muss?«, antworte ich nun und packe das Restgeld in die Tringelddose, gehe um den Thresen herum und wir machen das Foto. »Wann wollen wir den Kaffee trinken gehen?«, fragt er mich. »Wir können uns ja hier treffen...«, schlage ich vor. »Und sonst können wir schreiben. Gibst du mir deine Nummer?«, fragt er mich. Na komm, es ist ja nur zum Zweck..., denke ich und nicke. »Aber nicht weiter geben...«, warne ich ihn und nehme sein Handy in meine Hand und gebe meine Nummer ein. »Keine Sorge. Dann bis dann! Ich schreibe dir!«, so verabschiedet er sich grinsend und ich schaue ihm kurz nach. Anschließend werde ich von meiner Chefin gerufen und so gehe ich zu ihr und lasse mir wieder etwas erklären.
Es sind ein paar Tage vergangen seit dem Vorfall mit dem Typen. Und bis jetzt hat er mir nicht geschrieben. So ein Mist. Dabei wollte er mir unbedingt schreiben!, denke ich seufzend.
Aber du hast eh keine Zeit, um darüber nach zu denken. Du musst deine Bahn erwischen, mit der du zur Berufsschule fährst., denke ich weiter und gehe die Straße runter zur Bahn.
Ich versuche dem Lokführer noch ein Zeichen zu geben, dass er die Bahn anhält, doch die fährt gerade weg, als ich beim Bahnhof ankomme. Nicht schon wieder!, denke ich und stütze mich keuchend auf meinen Oberschenkeln ab. »Du bist so ein Trottel, Mina!«, murmle ich zu mir selbst. Anschließend nehme ich mein Handy und rufe Kai meinen besten Freund an.
Telefonat zwischen Mina (M) und Kai (K)
K: »Hallo Mina...Was ist los?«
M: »Ich habe meine Bahn verpasst. Kannst du bitte Bescheid geben, dass ich etwas später komme?«
K: (seufzt stark) »Das wird Frau Dresdner nicht sehr gefallen, aber ja ich sag Bescheid.«
M: »Vielen Dank! Ich bringe dir auch einen Starbucks mit auf den Weg!«
K: (lacht) »Dankeschön. Dann bitte einen großen Kaffee, schwarz mit vier Löffel Zucker! Und bitte einen großen Cookie dazu!«
M: (lachen) »Natürlich, den bringe ich dir auch mit. Dann bis so 20 vor Neun, denke ich mal...Wenn ich Glück habe.«
K: »Jo, bis dann!«
Telefonat zwischen Mina (M) und Kai (K) zu Ende
Ich lege auf und warte weiter auf meinen Zug. Das wird gleich einen riesen Donnerwetter geben, Mina..., denke ich seufzend. Zehn Minuten später kommt mein Zug und ich steige ein.
Bewaffnet mit einem großen Kaffee für Kai und einem großen Ice Frappé für mich, sowie einer Tüte mit zwei Cookies betrete ich schließlich die Klasse. »Guten Morgen, Frau Dresdner...Tut mir leid, dass ich so spät dran bin, ich habe meinen Zug verpasst...« Sie sieht mich kurz strafend an, ehe ihr Blick auf die Sachen fällt. »Anscheinend hatten Sie dennoch genug Zeit um zu Starbucks zu gehen...nächstes Mal bringen Sie für uns alle etwas mit, wenn Sie zu spät sind. Setzen Sie sich jetzt...«, sagt sie streng. Ich spüre wie mein Gesicht rot anläuft und gehe schnell zu Kais und meinem Platz, wo ich mich ohne ein Wort zu sagen setze. Dieser nimmt mir direkt seinen Kaffee ab. »Dankeschön!«, so bedankt er sich grinsend. »So Frau Sievert, würden Sie dann jetzt bitte Ihre Hausaufgaben rausholen? Wir würden Sie gerne besprechen und Sie sind mit der nächsten Aufgabe dran!«, fordert Frau Dresdner mich jetzt auf. »Natürlich...«, murmle ich und hole meine Sachen aus der Tasche. »Also die Lösung der Aufgabe ist...«
Später in der Pause will ich mich schnell raus schleichen. Doch meine Lehrerin macht mir einen Strich durch die Rechnung. »Frau Sievert, bitte bleiben Sie noch kurz hier..,«, fordert sie mich auf. Mist!, denke ich und drehe mich nochmal um. »Ich warte draußen.« Kai tätschelt nochmal meine Schulter und verlässt die Klasse. Frau Dresdner packt ihre Tasche und sieht mich an. Und seufzt. »Das geht so nicht weiter...Sie kommen andauernd zu spät oder gar nicht. Was ist los?« Ich kaue wieder auf meiner Unterlippe herum. »Tut mir Leid, ich habe meinen Eltern in der Kneipe geholfen und deswegen heute Morgen den Wecker nicht gehört.« Meine Lehrerin schüttelt den Kopf. »Frau Sievert, Sie kommen mit andauernd mit derselben Leier. Diese Ausbildung hier ist ihr Hauptberuf! Daran sollten Sie an erster Stelle denken! Ich muss das jetzt leider ihrer Chefin mitteilen. Das geht so nicht. Und reden Sie nochmal mit ihren Eltern. Sie wissen, dass Sie gerade erst aus der Probezeit raus sind, oder?« Ich nicke. »Ich werde mit meinen Eltern reden...Aber bitte sagen Sie nichts Frau Neumann. Ich werde es wieder hin bekommen...Versprochen!« Frau Dresdner sieht mich nochmal kurz an. Anscheinend seufzt sie wieder. »Na gut, aber beim nächsten Mal schreibe ich ein Fax an ihre Chefin. Und dann lasse ich nicht so einfach mit mir reden!« Ich bedanke mich mehrmals. »Schön gut und jetzt ab in die Pause mit Ihnen!« Gemeinsam verlassen wir die Klasse und ich gehe zu Kai. Den nehme ich an die Hand und zerre ich nach draußen.
»Hat Sie dir arg den Kopf abgerissen?«, fragt er, als wir draußen sind. »Ich konnte sie gerade noch davon abhalten, meiner Chefin ein Fax zu schreiben...« Kai macht große Augen. »Oh Mann. Das kann echt ins Auge gehen, Mina...« Ich rolle mit den Augen. »Du sagst mir nichts neues.« Kai lacht. »Okay, Themawechsel: Schon was von diesem heißen Typen gehört?« Ich schüttle den Kopf. »Nein...Dabei wollte er unbedingt meine Nummer haben. Immerhin schulde ich ihm noch einen Kaffee...Aber bis jetzt keine Nachricht...« Kai nickt. »Aber er hat dir nicht einmal seinen Namen verraten?« Wieder schüttle ich den Kopf. »Nein, ich weiß nicht mal warum er das nicht gemacht hat. Immerhin kennt er meinen ja auch.« Kai zuckt mit den Schultern. »Naja, wir Jungs sind da halt ganz eigen. Aber was ist, gucken wir heute ein paar Filme bei dir?« Ich nicke. »Klar, das haben wir ja schon ausgemacht. Du bringst die Snacks mit und ich liefere Cola und die Pizza und die Filme.« Kai salutiert. »Abgemacht! Und jetzt auf zu Biologie!«, lacht er als es klingelt und ich hake mich lachend bei ihm unter. So gehen wir wieder ins Gebäude zurück.
Wir sitzen gerade in meinem Zimmer und zappen unschlüssig durch die Kanäle, als ein Bericht im Fernsehen läuft. »Wincent Weiss bringt heute seine erste Single "Regenbogen" raus! Der Newcomer der bei DSDS dabei war, will sich nun seinen großen Traum erfüllen und als Popmusiker die Charts stürmen.«, sagt die Nachrichtensprecherin gerade. Und als ein Bild von Wincent gezeigt wird, fällt mir fast mein Stück Pizza aus der Hand. »Was ist los?«, fragt Kai. Ich zeige auf den Bildschirm. »D das ist der Typ, der bei mir war! Verdammt, ich wusste doch, dass er mir irgendwie bekannt vor kommt!«, rufe ich jetzt aus. Kai fängt schallend an zu lachen. »Du hast Wincent Weiss eine Kaffee-Dusche verpasst?! Das ist echt geil!«, ruft mein Kumpel jetzt aus. Ich boxxe seine Schulter. »Das ist nicht lustig!«, schimpfe ich. »Aber funny!«, antwortet er grinsend und hält eine Tüte Chrunchips hoch. Ich verdrehe die Augen. Im selben Moment piept mein Handy. Ich nehme es in die Hand und sehe, dass ich eine Nachricht von einer unbekannten Nummer habe. Ich sehe sie mir an.
›Hey Mina. Es tut mir Leid, dass ich mich jetzt erst melde...Ich hatte ein paar Sachen zu erledigen. Aber jetzt habe ich endlich Zeit gefunden, um dir zu schreiben. Wann hast du Zeit für den Kaffee?‹ Ich zeige Kai die Nachricht. »Krass. Du hast jetzt die Nummer von Wincent Weiss...« Ich nicke. »Was soll ich jetzt antworten?«, frage ich ihn. »Na, vielleicht warum er dir nicht seinen Namen verraten hat. Mich würde das jedenfalls brennend interessieren...« Ich nicke und tippe eine Antwort.
›Hey du großer Unbekannter. Mich würde es mal interessieren, warum du mir deinen Namen nicht verraten hast. Immerhin weißt du ja meinen. Und ich musste es übers Fernsehen erfahren.‹, antworte ich schließlich und starre auf den Display. Schließlich werden die Haken blau und unter der Nummer erscheint das Wort "schreibt...". Bis mein Handy wieder piept und ich eine Antwort bekomme.
›Ja...Das tut mir auch echt leid... Ich wusste nicht, wie genau ich mich dir vorstellen könnte, ohne dass es protzig rüberkommt. Magst du trotzdem noch den Kaffee mit mir trinken gehen?‹ Ich muss lächeln. Will mich aber auch nicht direkt so an ihn ran werfen.
›Mal sehen...Vielleicht sollten wir erst etwas schreiben...Wir kennen uns ja nur vom Sehen.‹ Wieder erscheint das Zeichen, das Wincent am Schreiben ist.
›Darf ich dich bitte kennen lernen? Ich bin ein ganz lieber und beim Kaffee trinken ist es besser als über WhatsApp. Anschließend können wir auch etwas spazieren gehen, wenn du magst.‹ Ich denke kurz nach.
›Okay, aber nur weil ich dir den Kaffee noch schulde. Hol mich morgen um 13 Uhr bei meiner Arbeit ab. Dann können wir sehen, ob wir uns wirklich nett finden oder nicht.‹ Nachdem ich die Nachricht abgeschickt habe, lege ich das Handy bei Seite. Immerhin habe ich Kai zu Besuch und soviel am Handy hocken ist unhöflich.
Am nächsten Tag komme ich zum Glück pünktlich auf der Arbeit an. »Wow...Mina, dass ich das noch erleben darf.«, so begrüßt meine Chefin mich. »Ich geh mich eben umziehen...«, murmle ich und verschwinde nach hinten.
Schnell umgezogen und meine Haare zusammen gebunden gehe ich direkt wieder nach vorne. »So Mina, du übernimmst wieder den Telefondienst und wenn du magst, kannst du zwischendurch an deinem Berichtsheft arbeiten. Vielleicht kannst du es mir dann hinterher vorlegen.«, so weist Frau Neumann mich ein. »Sehr wohl.«, antworte ich und begebe mich an den Thresen.
Heute ist ein sehr ruhiger Tag und so habe ich viel Zeit, mich um mein Berichtsheft zu kümmern. Karim und Frau Neumann kümmern sich währenddessen um die paar Kunden, die vorbei kommen und ich fege immer wieder die Haare weg. Meine Güte, die Zeit geht heute nicht um., denke ich gelangweilt, während ich über mein Heft hänge.
»So Mina, jetzt erzähl mal...Was machst du heute schönes nach der Arbeit?«, fragt Frau Neumann mich, während sie mein Berichtsheft kontrolliert. Ich kratze mir verlegen am Hinterkopf. »Nun ja...Ich werde um 13 Uhr abgeholt...« Meine Chefin lächelt. »Das ist ja fein. Von wem?« Soll ich ihr sagen, dass Wincent Weiss mich abholt?, frage ich mich in Gedanken. »Wenn du es mir nicht sagen möchtest, dann ist es auch okay. Aber ich wünsche dir viel Spaß später.« Ich lächle und sehe ihr weiter zu. »Danke, ist mit meinem Berichtsheft alles okay?« Frau Neumann sieht mich zufrieden an. »Wie immer und es ist ja nicht so, dass ich mit deiner Arbeit nicht zufrieden bin. Es liegt nur mehr daran, dass du immer zu spät kommst. Und das müssen wir in den Griff bekommen. Ansonsten sind deine Leistungen eins a. Und falls es wirklich nur an der Arbeit in der Kneipe deiner Eltern geht, dann schlag ich vor, dass ich mal mit ihnen rede. Wenn das okay ist.« Ich sehe sie an. »Es ist halt so, dass wir das Geld brauchen und meine Eltern auf meine Hilfe angewiesen sind.« Sie schüttelt den Kopf. »Es geht aber nicht, dass du immer zu spät zur Schule und zur Arbeit kommst. Deine Ausbildung ist dein Hauptberuf und wenn du deinen Eltern in der Kneipe helfen sollst, dann solltest du das vielleicht auf einen Tag in der Woche beschränken.« Jetzt sehe ich meine Chefin entsetzt an. »Aber das ist mein freier Tag!« Sie nickt. »Eben. Also entweder nur an deinen freien Tag oder du sagst, dass du nicht mehr helfen kannst. Wie gesagt, sonst rede ich nochmal mit deinen Eltern.« Ich schüttle den Kopf. »Nein, nein. Ich rede mit meinen Eltern. Versprochen.« Jetzt lächelt sie. »Gut, dann mach bitte die Arbeitsplätze und die Frisierwagen sauber und fege und Wischen den Boden, und dann kannst du gehen. Okay?« Ich nicke. »Danke Chefin.«, antworte ich und mache mich an die Arbeit.
Um 13 Uhr
»Einen schönen Feierabend, Mina.«, wünscht mir meine Chefin, als wir beide den Laden verlassen. »Das wünsche ich Ihnen auch.«, wünsche ich und setze mich auf die Mauer neben dem Geschäft. Jetzt warte ich auf Wincent. Natürlich wundere ich mich, warum er nicht schon längst da ist. Vielleicht kommt er doch nicht..., gibt mein Gewissen als Kommentar von sich. Ach Quatsch. Er ist bestimmt unterwegs..., denke ich und schaue auf mein Handy. Er war gestern Abend das letzte Mal online. Ob ich ihn mal anrufen soll?, frage ich mich grübelnd. Denk nicht so viel nach, sondern mach es!, sagt mein Gewissen und ich seufze.
Telefonat zwischen Mina (M) und Wincent (W)
W: »Hey Mina...Was gibt's?«
M: »Hast du unsere Verabredung vergessen? Du solltest mich doch abholen. Und ich warte schon seit zehn Minuten.«
W: »Oh Mist. Stimmt ja. Gib mir bitte noch weitere zehn Minuten. Ich mache mich sofort auf den Weg zu dir, versprochen!«
M: »Na gut. Aber ich warte keine Minute länger!«
W: »Keine Sorge, ich bin sofort da!«
Telefonat zwischen Mina (M) und Wincent (W) zu Ende
Und so bleibe ich seufzend auf der Mauer sitzen und warte weiter auf ihn.
Wincent
Mist. Jetzt bin ich zu spät. Das kann doch auch nur mir passieren!, denke ich und schlüpfe schnell in meine Schuhe und ziehe mir meine Lederjacke über. Sie ist bestimmt sauer auf mich., füge ich in Gedanken hinzu und verlasse meine Wohnung.
Sie sitzt auf der Mauer vor dem Friseursalon und erwartet mich bereits. »Es tut mir wirklich sehr Leid, dass ich zu spät gekommen bin!«, so entschuldige ich mich und versuche sie mit einem Lächeln zu besänftigen. Und es scheint zu klappen. »Ist okay. Sagen wir, ich zahle den Kaffee und du den Muffin?« Ich lache. »Einverstanden!«, antworte ich und halte ihr meinen Arm zum Einhaken hin. »Wollen wir dann?« Jetzt lacht Mina ebenfalls, hakt sich bei mir unter und wir gehen los.
Das Café ist zum Glück nicht weit entfernt und so kommen wir nach ein paar Minuten an. Dort halte ich ihr die Tür auf und lasse sie vortreten. Sie lächelt und betritt das Geschäft. Mir fällt erneut auf, dass sie sehr schön aussieht. Aber du kannst nichts mit einem Fan anfangen., denke ich. Gleichzeitig höre ich mein Gewissen lachen. Woher weißt du, dass sie ein Fan ist? Hast du sie das überhaupt schon mal gefragt? »Alles okay?«, fragt sie mich. Ich komme wieder in die Realität zurück. »Ja klar, komm wir suchen uns einen netten Platz und bestellen uns etwas.« »Sehr gerne.«, antwortet sie und wir gehen zu einem Tisch und setzen uns.
Wincent
»Also gut, Mina. Erzähl doch mal was von dir...«, fange ich lächelnd an. Sie schmunzelt. »Was möchtest du denn wissen?«, fragt sie mich. Ich zucke mit den Schultern. »Einfach alles was man wissen muss. Was sind deine Hobbys, hast du Geschwister? Was für Musik hörst du? Was liest du gerne, wenn du liest? Treibst du bestimmte Sportarten?«, so überhäufe ich sie einfach mit Fragen. »Puh, das sind viele Fragen. Also gut. Meine Hobbys sind Lesen, Malen, Musik hören und fotografieren. Geschwister habe ich keine. Musik höre ich guten, ehrlichen Rock wie Bon Jovi, ACDC, oder auch Metal Rock wie Metallica. Und wenn ich mal etwas melancholisch bin, dann greife ich auf deutsche Musik zurück wie von Revolverheld oder Christia Stürmer.« Ich nicke. »Das hört sich doch gut an. Hörst du vielleicht auch etwas von mir? Ja okay, hab jetzt nur einen Song, aber...« Sie schmunzelt. »Nein, ich habe deinen Song noch nicht gehört. Aber wo du bei DSDS warst, da habe ich dich singen hören.« Ich lache leise. »Wie lautet dein Urteil?« Sie schaut mich an und scheint zu überlegen, was sie sagen soll. »Also, ich würde mal sagen...Als du 2013 Halt dich an mir fest von Revolverheld gesungen bei DSDS hast, da war ich ganz baff...Aber bitte sing nicht mehr auf Englisch, okay? Bleib lieber bei deutscher Musik.« Ich grinse breit. »Ja, das habe ich auch vor...Ich schreibe sogar schon an ein paar Songs für mein erstes Album. Aber pssst...Ist noch top secret.«, erkläre ich ihr mit einem Zwinkern.
Schließlich kommen unsere Getränke und die Gebäcke. »Dankeschön.«, so bedanke ich mich bei der Kellnerin und lächle sie freundlich an. »Sehr gerne, Süßer.« Sie zwinkert mir zu und verschwindet wieder. Ich nehme meine Serviette in die Hand und sehe, dass sie mir ihre Nummer aufgeschrieben hat. »Chaleen also...« Mina sieht mich amüsiert an. Ich zucke mit den Schultern und packe die Serviette bei Seite. »So etwas erlebe ich schon seit gut zwei Jahren. DSDS war irgendwie ein Fehler...Ich versuche es auf einen anderen Weg mit der Musik.« Sie lächelt. »Scheint ja schon mal etwas zu klappen. Immerhin hast du deine erste Single raus gebracht.« Ich lache. »Ja, das stimmt wohl irgendwie...Aber noch habe ich kein eigenes Album, womit ich meine ersten Konzerte geben kann.« Sie denkt nach. »Hast du denn schon Ideen für Songs?« Ich nicke. »Für einen. Jedenfalls die Grundidee.« Mina nickt. »Na gut. Vielleicht kommt ja noch die richtige Inspiration...Was machst du so in der Freiheit?« Auf meinen Lippen breitet sich ein breites Grinsen aus. »Ich skate seit 13 Jahren oder snowboarde gerne.« Mina grinst. »Wow! Kannst du mir das Skaten vielleicht mal beibringen?« »Aber natürlich, wenn du willst...Wann hast du Zeit?« Mina sieht mich mit angehobener Augenbraue an. »Ich habe wahrscheinlich mehr Zeit als du.« Ich lache. »Das ist wahr. Aber heute denke ich habe ich genug Zeit. Also? Wollen wir nach dem Kaffee in den Park?«
Mina
Ich lächle. »Gerne, aber wir haben doch kein Skateboard?« Wincent lacht. »Na und? Das können wir doch schnell besorgen. Meine Wohnung ist nicht so weit entfernt.« Ich nicke. »Gut, dann ist es ausgemacht.«, antworte ich lächelnd und trinke meinen Kaffee weiter.
Mina
»So und wo müssen wir lang?«, frage ich ihn, als wir das Café verlassen. Wincent nimmt wie selbstverständlich meine Hand und führt mich die Straße runter. »Folge mir einfach.«, antwortet er lachend und ich sehe etwas in Gedanken versunken auf unsere Hände. Seine Hand fühlt sich warm und rau, aber doch noch etwas weich an. Jetzt komm mal wieder auf den Teppich, Mina! Ihr kennt euch gar nicht wirklich, also kannst du auch keine Gefühle entwickeln! Mein Gewissen meint es wie immer besser. Aber es hat wie so oft Recht. Es wäre zu früh...Viel zu früh.
»Home sweet Home!«, sagt er und sieht mich stolz grinsend an. Ich sehe mich in seiner Wohnung um. »Woooow! Wie kannst du dir diese Wohnung leisten?« Er lacht. »Ich arbeite nebenbei hier in München in einem Restaurant...Und nebenbei mache ich noch mein Abitur. Also die Musik ist mehr so als Nebenjob...«, antwortet er lachend. Ich nicke. »Soso...Was willst du studieren?«, frage ich ihn neugierig. »BWL oder Sozialpädagogik. Ich würde vielleicht gerne Erzieher werden. Ich mach auch mit Kindern im Alter von zwei bis sechs Jahren Sport. Also ich schule deren Motorik.« Wieder mal bin ich mehr als beeindruckt. »Wow, dann hast du ja viel zu tun.« Wincent bejaht es. »Aber jetzt wollen wir in den Park. Komm.« Wincent nimmt Knie-und Ellenbogenschützer, sowie einen Helm mit und das Skateboard. »Du fährst mit Schutz?« Er nickt. »Ich möchte den Kindern ein Vorbild sein. Aber heute ist diese Ausrüstung für dich gedacht. Schließlich ist es doch dein erstes Mal auf dem Brett, oder?« Mein Gesicht wird direkt wieder warm. Da bist du mal wieder in ein fettes Fettnäpfchen getreten!, denke ich seufzend. »Na dann los.«, entgegne ich und gehe vor.
Auf dem Weg zum Park sagt keiner ein Wort. Aber ich genieße das Schweigen. Und Wincent anscheinend auch.
»So und jetzt musst du dich einfach nur auf das Brett stellen und ich schiebe dich etwas vorwärts.«, sagt Wincent, als ich etwas später die Schützer und den Helm an habe. »Okay gut.«, antworte ich und tue was er sagt. Aber sofort rudere ich unsicher mit meinen Armen umher, da mir mein Gleichgewicht droht zu entfliehen. »Vorsicht.« Wincent lacht und nimmt meine Hände. »So und jetzt musst du mir einfach versuchen zu vertrauen, okay?« Ich nicke und sobald er lächelt, fällt es mir direkt leicht. Ich merke, dass man ihm ruhig vertrauen kann. Dass er einen wie ein Rettungsring auffangen wird, wenn man ins Wasser fallen sollte. »Dann wollen wir mal.« Er lächelt breiter und geht ein paar Schritte los, wobei er mich vorsichtig mit sich zieht. Ich quietsche erschrocken auf. »Wincent!« Dieser lacht. »Ich bin da, hab keine Angst.«, so beruhigt er mich. Okay Mina, du fährst zum ersten Mal Skateboard. Sieh mal., denke ich und mit der Zeit macht es mir Spaß.
»Bist du jetzt bereit ein Stück allein zu fahren?«, fragt Wincent mich grinsend. Ich sehe ihn sofort unsicher an. »Ich glaube nicht. Vielleicht sollten wir das so am Anfang machen.« Wincent lacht. »Na komm schon. Versuche es. Ich bleibe auch bei dir und fange dich im Notfall auf. Versprochen!« Ich sehe ihn skeptisch an und grüne Augen treffen auf zwei treue und unglaublich freundlich wirkende. schokobraune Augen. Ich seufze. »Na gut, aber du musst mich wirklich auffangen. Bitte...«Wincent nickt. »Keine Angst. Ich passe auf dich auf! Du wirst dir nicht weh tun!« Wieder nicke ich und atme tief ein und aus. Gleichzeitig lassen wir langsam unsere Hände los und ich rolle auf dem Skateboard davon. Meine Arme breite ich links und rechts neben meinem Körper aus, um so das Gleichgewicht halten zu können. Wincent joggt leicht neben mir her. »Super machst du das! Und wie fühlst du dich?« Ich muss leicht lachen. »Ungewohnt...Aber irgendwie auch mega schön.« Wieder lacht er. »Versuch doch mal schneller zu fahren...«, schlägt er vor. Jetzt sehe ich ihn wieder ängstlich an. »Bist du verrückt?« Er lacht. »Etwas ja. Aber versuche es mal. Ich bin doch bei dir.« Ich nicke nur und obwohl ich eine riesen Angst davor habe, nehme ich den einen Fuß vorsichtig vom Brett und nehme so Anlauf und das Brett wird schneller. Schnell stelle ich mich wieder ordentlich auf das Brett. »Whooooaaaa, Vorsicht! Skateboard-Anfänger ist unterwegs!«, rufe ich den vorbei kommenden Passanten entgegen und muss lachen. Ich fühle mich mehr als frei und habe Spaß. Aber auch Wincent freut sich und joggt weiter neben mir her. Für ihn bin ich wohl noch nicht zu schnell.
»Wie bremse ich jetzt?«, frage ich, als wir langsam zur Straße kommen. »Ich bremse dich lieber. Warte!« Wincent läuft an mir vorbei und stellt sich mir in den Weg. »Fahr einfach auf mich zu. Ich fange dich auf.« Ich kichere und tue was er von mir verlangt. Meine Arme halte ich jetzt so, dass ich sie dann gegen seine Schultern drücke, wenn er mich auffängt.
»Et voila, ich habe dich!« Er grinst breit, als er mich dann aufhält und ich steige kichernd vom Brett. Dabei falle ich leicht gegen seine Brust. »Vorsicht.« Er lächelt sanft. »Sorry, meine Motorik ist wohl etwas durcheinander gerade.« Hinterher lachen wir beide. »Na komm, ich lad dich auf ein Eis ein und dann kann ich dich ja nachhause bringen.« Ich nicke. »Das ist sehr lieb von dir.« Wincent nickt und nimmt mir den Helm vom Kopf. »Das mach ich doch gerne. Dafür sind Freunde doch da, oder?« Ich sehe ihn überrascht an. »Wir sind also Freunde?« Jetzt kratzt er sich verlegen am Hinterkopf. »Natürlich nur wenn du willst...« Jetzt lache ich wieder. »Okay, dann sind wir Freunde.«, entgegne ich nun und halte ihn meine Hand hin. Er schlägt grinsend ein. »Gut, dann ab zur Eisdiele...Freundin.« Ich erwidere sein Grinsen und los geht es.
Wincent
Wir betreten die Eisdiele und suchen uns einen Platz in einer etwas abgelegenen Ecke. »Wollen wir uns den riesen Schoko-Becher für zwei teilen?«, frage ich sie mit einem kurzen Blick in die Karte. Sie hebt eine Augenbraue an. »Der ist für Pärchen...« Ich zucke mit den Schultern. »Hier steht nichts davon, dass man zusammen sein muss, wenn man den essen möchte.« Mina runzelt die Stirn. »Na gut, wenn du möchtest, dann gerne.« Ich lächle und hebe die Hand, um nach einer Bedienung zu rufen. Nachdem ich bestellt habe und die Bedienung wieder weg ist, sieht sie mich wieder neugierig an. »Hast du denn Geschwister?« Ich nicke lächelnd. »Ich habe eine kleine Schwester.«, antworte ich lächelnd. »Wie alt ist sie?«, fragt Mina. Ich lache. »Sind wir hier bei einem Interview? Wo sind die Kameras?« Jetzt lacht sie auch. »Tut mir Leid, ich bin halt neugierig.« Ich muss schmunzeln. »Sie ist 11.«, antworte ich weiter. »Vermisst du sie sehr?« Ich nicke. »Ja, aber immer wenn sie Geburtstag hat oder wenn es Weihnachten ist, dann besuche ich meine Familie.« Sie lächelt. »Das ist echt schön.« Ich nicke und will ihr gerade eine Frage stellen, als unser Eis gebracht wird und wir uns erstmal darauf konzentrieren.
»Wie stehst du zu deiner Familie?«, frage ich dann etwas später. Sie sieht auf. »Warum willst du das wissen?« Ich grinse. »Ich sagte doch, dass ich dich kennen lernen will. Also?« Sie zuckt mit ihren Schultern. »Also eigentlich normal. Nur dass mein Vater gerne will, dass ich die Kneipe übernehme. Ich möchte aber Friseurin werden und das will er nicht verstehen.« Ich nicke. »Das kenne ich. Meine Mutter ist mit meiner Entscheidung Musik zum Hauptberuf zu machen auch nicht glücklich. Immerhin will ich meinen Job im Restaurant kündigen, falls der Song gut klappen sollte.« Mina macht große Augen. »Naja, das ist ja auch riskant oder nicht? Man weiß doch nicht, ob es was wird...« Ich nicke. »Das weiß ich. Aber im Leben gibt es nie eine Garantie.«, antworte ich und zwinkere ihr zu. »Da hast du auch wieder Recht. Hauptsache du glaubst daran, dann wird es auch was!« Ich nicke. »Und das tue ich. Und du solltest nochmals mit deinen Eltern reden, beziehungsweise mit deinem Vater. Er sollte es dich selber entscheiden lassen, was du machen willst und dir nicht seine Wunsch aufzwingen.«
Mina
»Na gut, das mache ich. Ich muss eh nochmal mit ihnen reden, weil ich mich mehr auf meine Ausbildung konzentrieren und nicht so viel in der Kneipe helfen soll.« Jetzt runzelt er seine Stirn. »Warum stellen deine Eltern niemanden ein?« Ich seufze. »Die Kneipe läuft leider nicht ganz so gut, dass es für eine Aushilfskraft reicht. Außerdem ist mein Vater auch zu geizig.« Wincent schiebt sich einen Löffel voll Eis in den Mund und kaut den Happen. Dabei sieht er kurz in Gedanken versunken aus dem Fenster. Auch ich nehme mir etwas vom Eis und verfalle ebenfalls ins Schweigen.
Nachdem wir den Eisbecher aufgegessen haben und Wincent ihn bezahlt hat, verlassen wir das Geschäft. »Wollen wir noch etwas spazieren gehen?«, frage ich ihn. Er sieht kurz auf seine Uhr. »Wir spazieren ja zu dir...Ich muss um 18 Uhr arbeiten und wir haben schon halb fünf. Ich wollte vorher noch schnell duschen gehen. Wohnst du weit weg?« »Nein, nur ca. 15 Minuten Fußweg. Meinst du, dass du das dann noch schaffst?« Er denkt wieder kurz nach. »In welcher Straße ist denn die Kneipe deiner Eltern?« »In der Akazienstraße.« Wieder denkt er nach. »Na gut. Zurück brauche ich dann denke ich nur knapp zehn Minuten mit dem Skateboard. Also sollte das klappen.« Ich nicke. »Also los.« Wieder nimmt er meine Hand und gemeinsam machen wir uns auf dem Weg zur Kneipe meiner Eltern.
»Mina Sievert! Da bist du ja endlich! Wo warst du denn so lange?« Mein Vater kommt uns mit einem leeren Tablett in der Hand entgegen. »Ich war noch mit einem Freund unterwegs. Papa, das ist Wincent Weiß. Wincent, das ist Günter Sievert, mein Vater...«, so stelle ich die beiden einander vor. Wincent lächelt und hält meinem Vater die Hand hin. »Guten Tag, Herr Sievert.« »Guten Tag.«, so erwidert dieser den Gruß und beide schütteln sich die Hand. Anschließend wendet er sich an mich. »Mach dich bitte fertig und dann hilfst du Mama im Service.« Ich will gerade etwas darauf erwidern, doch der Blick meines Vaters duldet keinen Widerspruch. »Ist gut. Ich verabschiede mich nur kurz von Wincent und dann komme ich nach. Versprochen.« Mein Vater ist damit einverstanden, nickt Wincent nochmal zum Abschied zu und verschwindet in der Kneipe. Mein neuer Freund räuspert sich. »Ich rede schon noch mit ihm, aber jetzt nicht. Heute scheint es mal gut zu laufen, da brauchen sie mich.« Daraufhin nickt er nur. »Also gut, dann sehen wir uns...vielleicht morgen nochmal? Wir können uns ja hier treffen oder du kommst in die Rosenstraße. Dort arbeite ich.« »Ab wann hast du Feierabend?«, erwidere ich seine Frage mit einer Gegenfrage. »Gegen halb zwei. Wir können dann ja spazieren gehen oder nochmal skaten. Oder wir chillen bei mir und unterhalten uns einfach oder oder...« Ich lache. »Okay, abgemacht.« Er grinst und nimmt mich nochmal in den Arm. »Bis morgen.« Nachdem er das sagt, stellt er sein Skateboard ab und springt auf. Ich schaue ihm noch kurz nach, wie er die Straße runter fährt, ehe ich die Kneipe betrete, um mich für die Schicht fertig zu machen.
Wincent
Ich werde am nächsten Tag aus dem Schlaf gerissen. Mein Handy klingelt. Ich gehe ran und höre, dass mein Chef mich bittet die Mittelschicht von 12-20 Uhr zu schieben. Ichs seufze innerlich. Somit fällt das Skaten mit Mina ins Wasser. Aber da ich das Geld brauche sage ich natürlich zu und lege auf. Anschließend gehe ich auf WhatsApp und schreibe Mina eine Nachricht.
›Hey Mina. Das mit dem Skaten wird leider nichts, ich muss für jemanden einspringen. Also arbeite ich von 12-20 Uhr. Aber wir können etwas essen gehen und dann uns in eine Bar setzen und etwas trinken. Wenn du Lust hast.‹ Nachdem ich die Nachricht abgeschickt habe, stehe ich auf und mache mir mein Frühstück zurecht, was aus einem Rührei und Aufbackbrötchen besteht. Dieses genieße ich am Küchentisch, wobei ich etwas Heavy Metal-Musik höre. Hinterher spüle ich das Geschirr und gehe duschen.
Nach der heißen Dusche binde ich mir ein Handtuch um meine Lenden und rubble mir das Haar mit einem weiteren etwas trocken, was ich mir dann um meinen Hals lege. So gehe ich in mein Schlafzimmer und nehme mein Handy. Ich habe eine Nachricht. Schnell gehe ich auf WhatsApp und sehe, dass Mina mir geschrieben hat.
›Hey Wincent. Ja das geht klar, immerhin haben wir ja jetzt Wochenende nach der Arbeit. Soll ich trotzdem zum Restaurant kommen oder wollen wir uns wo anders treffen?‹ Ich lächle und tippe meine Antwort ins Handy.
›Nein, der Treffpunkt bleibt derselbe. Freue mich schon. Bis später!‹ Ich schicke die Nachricht ab und werfe das Handy auf mein Bett. Anschließend krame ich mir eine Jeans und ein schwarzes Hemd, sowie eine frische Boxershorts und Socken. Die Socken, die Shorts und die Jeans ziehe ich an, das Hemd hänge ich an den Schrank. Dann baue ich mein Bügelbrett auf und bereite das Bügeleisen vor. Schnell bügle ich das Hemd, ehe ich es auf einem Kleiderbügel am Schrank hänge. Zufrieden mit meinem Werk räume ich das Brett und das Bügeleisen wieder weg und setze mich noch etwas auf meinem Balkon, da ich noch etwas Zeit habe, bevor ich los muss. Die milde Spätsommerluft weht mir durchs Haar und ich schließe meine Augen. So erinnere ich mich an die vielen Diskussionen mit meiner Mum wegen meines Wunsches mit der Musik meine Brötchen zu verdienen. Sie sagte mir immer, dass ich was Bodenständiges machen sollte und mich lieber auf die Arbeit im Restaurant konzentrieren soll. Aber ich wusste von Anfang an, dass die Arbeit Im Restaurant nur vorübergehend war. Meine Zukunft wollte ich mit Musik finanzieren. Und immerhin kam ich bei DSDS unter die letzten 29. Und doch weiß ich, dass ich bei dieser Show nie wieder mit machen wollte. Also stellte ich ein Cover zu "Unter meiner Haut" von Elif Demirezer auf YouTube, wovon ich eine Akustikversion mit dem Klavier hoch lud. Es war kaum zu glauben, aber Gestört aber Geil spielten mit Koby Funk meinen Remix des Songs sogar auf einem Festival. Und im Juli diesen Jahres belegte Mein Remix sogar den sechsten Platz in den deutschen Single-Charts. Was der Antrieb für mich war, einen Song zu schreiben. Wodurch ich schließlich diesen Monat den Song "Regenbogen" veröffentlicht habe.
Langsam komme ich wieder in die Realität zurück. Jetzt muss ich mich wirklich fertig machen und mein Skateboard schnappen und dann los zur Arbeit. Gesagt getan, so gehe ich wieder rein, schließe die Tür zum Balkon und nehme das Hemd vom Bügel. Ich ziehe es an, stopfe es ordentlich in die Hose und fahre mir einmal durch mein Haar. Anschließend Portmornee, Handy, Wasserflaschen, sowie Ladekabel in den Rucksack und dann schnell ab aus der Wohnung und los geht es.
Mina
Ich bin gerade Zuhause und überlege, ob es eine gute Entscheidung war, dass ich heute mit Wincent was trinken gehen soll. Immerhin kennen wir uns noch nicht so lange. Und wenn ich Alkohol intus habe, dann bin ich unberechenbar. Aber du solltest es versuchen, Mina. Vielleicht wird ja was aus euch beiden. Als ich den Tipp meines Gewissens höre, schüttle ich den Kopf, um den Gedanken bei Seite zu räumen. Nein, das würde nicht gehen. Immerhin wird er langsam berühmt und bald ist er kein einfacher Kerl mehr, mit dem man einfach mal was trinken kann. Und wahrscheinlich bin ich noch nicht mal sein Typ., denke ich seufzend, während ich mich für die Arbeit zurecht mache.
Und so kommt es, dass ich später auf der Arbeit etwas mehr als durcheinander bin. Mal vergesse ich es, den Termin einer Kundin einzutragen, dann kippe ich beinahe den Wischeimer aus und dann spüle ich einer Kundin ausversehen etwas Wasser ins Gesicht. Meine Chefin scheint dabei auch noch zu merken, dass etwas nicht mit mir stimmt. Denn sie kommt zu mir und sieht mich streng und auch etwas besorgt an. »Was ist los mit dir? Du bist den ganzen Tag schon so unkonzentriert...« Ich seufze. »Es tut mir ja leid...«, murmle ich. »Was ist denn los?«, wiederholt sie ihre Frage. Ich seufze. »Es ist dieser Typ der bei uns im Salon war. Es ist Wincent Weiß gewesen und ja...Mit ihm hatte ich halt gestern diese Verabredung...«, fange ich an und meine Chefin lächelt wissend. »Soso...« Ich nicke. »Und heute Abend treffen wir uns wieder. Er wollte mich zum Essen einladen und dann wollte er mit mir etwas trinken gehen...Und ich weiß halt nicht...« »Ob du dich darauf einlassen sollst...Richtig?«, so beendet sie den Satz für mich. Und ich nicke. »Aber die Antwort ist doch ganz leicht, Mina. Lass dich doch einfach drauf ein. Was soll schon passieren? Und so kannst du ihn vielleicht nochmal etwas besser kennen lernen.« In diesem Moment fallen mir schon ein paar Sachen ein, die passieren könnten. Aber ich binde sie ihr nicht auf die Nase. »Na komm...geh mit ihm aus und sieh was passiert. Lass dich mal auf was ein. Mehr als schief gehen kann es nicht.« Ich nicke. »Na gut, du hast ja Recht...« Frau Neumann lächelt. »Habe ich das nicht immer? So und jetzt lass uns die letzten Stunden noch 100% geben und dann haben wir Wochenende!« Ich muss leicht lachen und mache mich wieder an die Arbeit.
Mina
Um viertel vor acht stehe ich in der Rosenstraße, vor einem kleinen Restaurant. Soll ich wirklich rein gehen?, frag ich mich unsicher. Ja beweg dich! Du bist schon hier her gelaufen, also geh jetzt rein!, weist mich jetzt mein Gewissen an. Aber irgendwas in mir sträubt sich gewaltig dagegen. Jetzt sei nicht so ein Angsthase!, höre ich mein Gewissen schreien. »Nein, ich kann das nicht!«, spreche ich mir leise zu und drehe mich um. Schnell gehe ich weg vom Restaurant. Doch im selben Moment höre ich auch schon jemanden nach mir rufen. »Mina? Wo gehst du hin?« Mist!, denke ich und fühle mich ertappt. Langsam drehe ich mich um. Wincent steht hinter mir und sieht mich etwas verwirrt und überrascht an. »Ich wollte nur etwas die Straße auf und ab laufen...«, lüge ich also. Wincent sieht mich skeptisch an. »Aha...Wollen wir dann jetzt los?« Na komm, jetzt gib dir einen Ruck., denke ich. »Ja, gerne.« Er nickt und kommt zu mir. »Gut, ich habe einen riesen Hunger. Aber lass uns wo anders hingehen. Muss hier weg.« Ich lache. »War es so schlimm?« Er nickt. »Heute war die Hölle los. Das kannst du mir glauben! Aber jetzt genießen wir den Abend. Wie war es bei dir?« Ich muss an meine ganzen Fehler von heute denken. »Ganz nett.«, lüge ich also wieder. Wincent lacht. »Dann war wenigstens Dein Tag erfolgreich.«, sagt Wincent und wir gehen wieder schweigend nebeneinander her. Sein Skateboard steckt in seinem Rucksack. »Fährst du immer auf dem Skateboard zur Arbeit?« Er nickt. »Ja, so spar ich das Geld für den Bus und kann mehr Geld für meinen Motorrad- Führerschein zurücklegen.« Ich muss lächeln. »Du willst Motorrad fahren?« Wieder nickt er. »Ja, nächstes Jahr will ich anfangen.« Ich bin ehrlich beeindruckt. »Alles gut? Du wirkst so überrascht...« Ich lache. »Ich bin nicht überrascht. Ich bin wirklich beeindruckt.« Er sieht mich staunend an. »Du findest Motorrad fahren beeindruckend?« Ich nicke. »Vielleicht nimmst du mich ja mal mit, wenn du den Schein hast.« Jetzt grinst er. »Das geht klar. Aber erst essen wir hier ein paar Burger mit Pommes!« Ich muss auch grinsen und so betreten wir das Geschäft.
Das Essen verläuft mehr uninteressant ab, da wir mehr über belanglose Dinge reden. Zwischendurch werfen wir uns gegenseitig mit Pommes ab und trinken hinterher zum Nachtisch einen großen Milchshake. »Du musst den Shake mal mit Pommes probieren.«, schlage ich vor und nehme eine der letzten Fritten. Wincent sieht mich etwas angewidert an. »Das soll schmecken?«, fragt er skeptisch. Ich kichere und schiebe mir die Fritte in den Mund, hinterher Einen Schluck vom Shake. »Mmmmmh...«, gebe ich als genießerischen Laut von mir. »Probier mal!«, sage ich und wiederhole die Prozedur. Schließlich gibt er auf und probiert es. Ich warte gespannt ab. Doch er schüttelt sich hinterher. »Tut mir leid. Das ist echt nicht mein Ding.« Ich lache und trinke weiter. »Dann halt nicht.«
»Wo wollen wir jetzt hin? Also in welche Bar?« Wincent nimmt meine Hand und zieht mich direkt die Straße entlang, nachdem wir den Burgerladen verlassen haben. »Ich weiß schon wo wir was trinken gehen können!«
"The High" leuchtet uns am Ende der Blumenstraße in roten Neonbuchstaben entgegen. »Lass uns hier rein gehen. Hier bin ich immer mit ein paar Freunden und Kollegen, wenn ich die Zeit dafür habe.« Ich sehe ihn amüsiert an. »Mir ist alles recht. Ich passe mich dir an.« Wincent lacht und gemeinsam gehen wir in die Bar.
»Was möchtest du gerne? Auch Bier?« Ich verziehe das Gesicht. »Ich nehme einen Cuba Libre.« Wincent nickt. »Bin gleich wieder da.«, sagt er und geht rüber zur Bar. Als er kurze Zeit später wieder kommt hat er ein Bier für sich und einen Cuba Libre für mich in der Hand. Er setzt sich wieder zu mir und stellt mir meinen Cocktail hin. »So, wollen wir anstoßen? Wir müssen uns dabei aber in die Augen sehen.« Ich muss schmunzeln. »Warum das denn?« Wincent beugt sich so nah zu mir hin, dass mir der Geruch seines Aftershaves entgegen weht und ich auch einen Hauch von Pfefferminze rieche. Na klar, Zahnpasta riecht auch nach Minze du Depp., denke ich mir dabei und ich werde leicht benommen. »Beim Zuprosten schaut man sich in die Augen und die Gläser dürfen sich nicht überkreuzen – sonst drohen sieben Jahre schlechter Sex. Wusstest du das nicht?« Ich muss leicht lachen. »Naja, ich denke an den Spruch halt nicht...« Wincent zwinkert. »Dann sollten wir es richtig machen, damit wir keine sieben Jahre schlechten Sex haben.« Schnell räuspere ich mich. »Also prost.«, sage ich und halte ihm mein Glas hin. Wincent sieht mich kurz an, lässt sein Glas aber gegen das meine klirren. »Prost.«
Wincent
Wir unterhalten uns prächtig über ein paar Filme und über Musik, die wir hören. Dabei merken wir, dass wir so gut wie denselben Musikgeschmack haben. Es ist sehr erfrischend mit Mina hier zu sitzen und zu reden. »Welche sind deine absolute Lieblingshelden von Marvel?«, frage ich sie. Ihre Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen. »Ganz klar Thor, Hulk und Loki am Ende. Deine?« Ich sehe sie kurz stutzend an. Dann antworte ich. »Spiderman, Captain America und Natascha Romanov.« Sie grinst. »Ja Romanov und Cap sind auch cool, aber mein Typ ist mehr der Thor.« Nachdem sie das sagt, nimmt sie einen Schluck von ihrem Cocktail. »Du stehst also auf Muskelprotze?«, frage ich sie belustigt. »Kann sein.« Sie nimmt noch ein paar Schlücke. »Trinkst du auch Tequila?«, frag ich sie. Mina zuckt mit den Schultern. »Ab und zu...Eigentlich trinke ich fast alles. Nur Wodka ist nicht so mein Fall.« Ich nicke. »Okay. Dann hole ich uns mal ein paar Shots.« Gesagt getan und so stehe ich auf und gehe wieder zur Bar. Dort bestelle ich für jeden fünf kleine Shots.
Die Stunden ziehen ins Land und Mina ist bereits mehr als voll. Sie kichert und gluckst wie ein kleines Mädchen, was ich sehr süß finde. Aber auch ich bin leicht angeheitert. Aber noch nicht so ganz wie die Kleine vor mir. »Soll ich dich nachhause bringen?«, frage ich sie besorgt. »Warum denn??? Es ischt doch so scheeeen. Lassch unsch Sbaß habbben.«, lallt sie. Doch ich schüttle den Kopf. »Nein, du hast genug.«, entscheide ich letztendlich und nehme ihr den letzten Shot ab. »Hey!«, beschwert sie sich. »Du wirst es mir danken.« Ich ziehe mir die Jacke an, nehme den Rucksack auf den Rücken und helfe ihr vorsichtig auf. »Du bischt eine Sbaßbremse...«, meckert sie lallend. »Manchmal muss ich das sein.«, entgegne ich und nehme ihren Arm und lege ihn über meine Schulter. Anschließend hebe ich sie hoch und trage sie aus der Bar. »lasch misch runda!«, lallt sie, doch ich gehe einfach weiter. Hoffentlich kann ich sie wenigstens bis zu mir nachhause tragen..., denke ich. Aber findest du, dass es okay ist? Sieist betrunken..., meint mein Gewissen. Aber dieses Mal ignoriere ich es. Ich kann sie schlecht nachhause laufen lassen. Also ist die Option sie zu mir zu nehmen besser. »Wincend...lassch misch bidde runda...«, murmelt Mina wieder. »Nein, das kann ich nicht. Ich nehme dich mit zu mir. Dort schläfst du deinen Rausch aus...« Mina windet sich jetzt. »Aber sich mussch...«, fängt sie an und im selben Moment übergibt sie sich über ihre kompletten Sachen. »Baaah, Mina!«, rufe ich erschrocken aus und lasse sie langsam runter. »Isch hab gesagt, dasssch du misch runda lassschen schollst!« Ich seufze. »Ja, das hast du...Mist, kannst du gehen oder soll ich dich weiter tragen?« Sie hebt ihre Arme hoch. »Dragg misch...« Ich muss leicht lächeln und so hebe ich sie vorsichtig hoch und laufe weiter.
Zuhause angekommen, trage ich sie ins Bad. Da Mina nicht mehr wirklich aufnahmefähig ist, schäle ich sie aus ihren vollgekotzten Sachen. Diese schmeiße ich mit ein paar andere Sachen in die Waschmaschine. Das sie jetzt lediglich ihre Unterwäsche anhat, ignoriere ich geflissentlich. Stattdessen hebe ich sie hoch und trage sie in mein Zimmer, wo ich sie auf das Bett absetze. Hinterher nehme ich ein Hemd aus meinem Schrank, gehe damit zu ihr und ziehe es ihr an. Wie ein Sack kippt sie im Anschluss nach hinten und schläft direkt ein. Ich seufze und decke sie zu. Dann nehme ich die andere Decke und das Kissen und verschwinde damit im Wohnzimmer, wo ich mir mein Schlafplatz auf dem Sofa fertig mache. Das wird morgen früh ein Spaß., mit diesen Gedanken werfe ich mich auf das Sofa, decke mich zu und falle direkt in einen traumlosen Schlaf.
Mina
Tock-Tock-Tock, Tock-Tock-Tock.
Wie ein dumpfes Hämmern schallt es in meinem Kopf wieder. Mit einem gequältem Gesichtsausdruck setze ich mich auf und reibe meine Schläfen. Meine Augen will ich noch nicht öffnen. Ich hab einfach etwas Angst vor der Helligkeit. Ich will nicht aufstehen. Lieber liegen bleiben. Und am besten weiter schlafen. Und doch weiß ich, dass mich mein Kopf davon abhalten wird. Ich fahre mir verschlafen über mein Gesicht und langsam öffne ich doch meine Augen- nur um sie direkt wieder zu schließen. Da mir jetzt nicht nur das Licht in den Augen brennt, sondern auch die Kopfschmerzen stärker werden. Und ich dachte nicht, dass das möglich wäre. Verdammt dieser verdammte Schädel!, denke ich übellaunig. Tja, wer saufen kann, der kann auch aufstehen. Also hoch jetzt!, befiehlt mir mein Gewissen. Natürlich stehe ich vorsichtig auf. Erst jetzt merke ich, dass ich nicht nur nicht bei mir Zuhause bin, sondern dass ich bis auf meine Unterwäsche ein mir viel zu großes Hemd trage. Jetzt stellen sich die Fragen: Wie bin ich hierher gekommen und wer hat mich aus- und umgezogen? Langsam und Schritt für Schritt schleiche ich zur Tür und öffne sie. Anschließend gehe ich den Flur entlang und mir wird leicht übel, als mir der Duft von Eier und Speck entgegen schlägt. Oh Gott, hoffentlich muss ich nicht gleich kotzen..., denke ich und gehe in die Küche, wo ich Wincent am Herd stehen sehe. »Morgen...«, brumme ich leise zur Begrüßung. Er dreht sich halb zu mir um und lächelt leicht. »Aspirin und dein Glas Wasser ist bereits bereit an deinem Platz.«, erklärt er und widmet sich wieder dem Essen zu. »Danke...«, brumme ich erneut und setze mich. Schnell schmeiße ich mir die Tabletten rein und spüle diese mit einem großen Schluck Wasser hinter die Kiemen. Wincent kommt jetzt mit den Eiern zu mir, was er jeweils auf beide Eier verteilt. »Tut mir leid, aber ich bekomme nichts runter...«, murmle ich als Entschuldigung vor mich hin und sehe zu ihm auf. »Iss wenigstens eine Scheibe Toast mit etwas Ei...Du musst etwas im Magen haben. Vielleicht geht es dir dann besser...« Ich seufze. »Oder ich muss kotzen.« »Bitte Mina...« Ich seufze erneut. »Ich versuchs okay?« Wincent sieht mich zufrieden an und räumt die Pfanne weg. Hinterher setzt er sich mir gegenüber. »Guten Appetit.«, wünscht er mir. Ich nicke. »Dir auch.«
»Du...«, fange ich im weiteren Verlauf des Frühstücks an. »Hmh?« Er sieht mich fragend an. Ich zupfe am Hemdkragen herum. »Wie kommt es, dass ich nur meine Unterwäsche und das Hemd trage?« Wincent räuspert sich und schluckt seinen Happen runter. »Deine Sachen waren komplett voll gekotzt.« Ich nicke und denke nach, dabei spiele ich in meinem Rührei herum. »Hab ich mich umgezogen?« Er schüttelt den Kopf. »Du warst dazu nicht mehr fähig.« Wieder versinke ich nach einem Nicken kurz in den Gedanken, ehe ich schnell aufschrecke. »Hatten wir...?!« Wincent sieht mich für einen Moment an, und lacht direkt wieder los. »Um Gottes Willen, Nein! Ich nutze doch kein Mädchen im betrunkenen Zustand aus.« »Wo hast du geschlafen?«, frage ich weiter. Dabei nehme ich einen Schluck von meinem Orangensaft. »Nachdem ich dich ins Bett gebracht habe, bin ich mit Decke und Kissen ins Wohnzimmer gegangen und habe auf der Couch geschlafen.«, erklärt er. »Okay.« Wincent lächelt. »Deine Sachen sind im Trockner. Wollen wir nach dem Frühstück noch etwas chillen? Oder möchtest du nachhause?« Ich sehe ihn entschuldigend an. »Ich muss nachhause. Meine Eltern und Kai machen sich bestimmt schon Sorgen.« Auf einmal verschwindet sein Lächeln. »Ist Kai dein Freund?« Meine Augen weiten sich, als ich das höre und fange direkt an zu lachen. »Oh Gott Nein! Er ist wie ein großer Bruder für mich!«, rufe ich lachend aus. Gleichzeitig freue ich mich, dass die Aspirin gerade wirkt, sonst wäre mein Lachen ein fataler Fehler gewesen. Mein Gegenüber nickt nur und trinkt etwas von seinem Kaffee. Ich beobachte ihn etwas amüsiert. »Du kommst auf Ideen...« Er zuckt mit den Schultern. »Es hätte doch sein können.« Abermals lache ich los. »Hätte hätte, Fahrradkette.«
Gegen 14:30 Uhr ist meine Wäsche dann endlich fertig und Wincent gibt mir die Sachen. »Ist es okay, wenn ich kurz duschen gehe?« Er nickt. »Natürlich. Einmal am Ende des Flures.« Ich bedanke mich und gehe ins Bad. »Warte...« Ich drehe mich kurz vorm Bad noch einmal um. Wincent reicht mir eine Boxershorts. »Danke?«, sage ich verunsichert. »Na, du willst bestimmt nicht in der selben Unterhose nachhause gehen, oder?«, fragt er mit einem amüsiertem Grinsen im Gesicht. Ich schüttle den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Danke nochmal.« Wincent nickt, ich zeige noch ein schiefes Lächeln und verschwinde im Bad. Dort ziehe ich mich aus und betrete die Dusche. Sofort stelle ich das Wasser an und lasse es über meinem Körper fließen. Dabei seufze ich auf, als es die Verspannungen in meinen Muskeln löst. Ein genießerisches Seufzen entflieht meiner Kehle. Das hatte ich jetzt gebraucht.
Frisch geduscht und angezogen verlasse ich das Bad. Während ich meine Unterhose zusammen geknüllt in meiner Faust habe, überreiche ich Wincent das Hemd. »Danke dafür...es war echt nett von dir.« Wincent lächelt. »Ist doch kein Thema.« Ich nicke. »Wo ist meine Handtasche?« Er gibt mir kurz ein Zeichen zu warten und geht anscheinend ins Wohnzimmer zurück. Hinterher kommt er wieder und gibt sie mir. »Dein Handy ist auch drinnen...Du hast wahrscheinlich wahnsinnig viele Nachrichten bekommen...« Ich seufze stöhnend auf. »Na toll! Naja, dann sollte ich schnell nachhause gehen...« Er nickt. Ich verfrachte schnell meine Unterhose in die Tasche, stelle sie kurz ab und schlüpfe in meine Schuhe. »Hatte ich nicht eine Jacke an gestern?« Wincent verneint es. »Dabei habe ich mich schon gewundert. Nachts ist es ja nicht besonders warm. Aber hier...« Er nimmt eine Jacke vom Haken. Ich werde rot, als ich sehe, dass es diese ist, die er am Tag unseres Kennen lernens getragen hat. Er grinst und ich nehme sie schweigend an. Meine Arme gleiten in die viel zu langen Ärmel und schnell ziehe ich den Reißverschluss der Jacke zu.
»Also...nochmal Danke für alles...«, murmle ich verlegen. »Wie gesagt: Kein Thema. Schreibst du mir, wenn du Zuhause angekommen bist?« Mit einem Nicken nehme ich die Tasche von der Komode und gehe zur Tür. Er folgt mir. »Ja das mache ich.« Er öffnet sie mir und schenkt mir noch ein Lächeln. »Wir können uns ja bald mal wieder treffen und dann skaten wir wieder oder gehen ins Kino oder so...« Ich kann wieder nur nicken. Jetzt wollte ich eigentlich nur nachhause und schlafen. »Komm mal her...« Wincent lacht und nimmt mich in den Arm. Ich erwidere die Geste überrascht, und atme direkt seinen Geruch ein, der mir die Sinne benebelt. Nachdem wir uns voneinander lösen kann ich nicht schnell genug aus der Wohnung und dem Wohnhaus verschwinden. Von dort aus renne ich den Weg nachhause und verkrieche mich direkt in mein Zimmer.
Wincent
Als Mina weg ist ziehe ich mich ins Wohnzimmer zurück. Dort setze ich mich auf die Couch und denke nach. Ich denke an die letzte Nacht und daran, wie sie aufgestanden und zu mir in die Küche gekommen ist. Sie sah vollkommen fertig aus. Was für eine Nacht., denke ich amüsiert. Und in diesem Moment kommt mir eine Idee. »Genau. Was für eine Nacht!« Sofort springe ich auf und krame Papier und einen Stift hervor. Damit setze ich mich wieder und fange an, die daraus entstehenden Zeilen aufzuschreiben.
Was für eine Nacht, bin mit nem' Schädel aufgewacht.
Gieß den Kaffee wie in Zeitlupe in das Glas.
Ey wenn du magst kannst du noch bleiben.
Folg ein unsicheres schweigen, du schließt die Tür,
es ist still ich schau dir nach.
Die erste Strophe ist wie im Flug entstanden und so singe ich diese mehrmals durch. Die Melodie kam mir auch direkt in den Sinn.
»Was für eine Nacht, bin mit nem' Schädel aufgewacht.
Gieß den Kaffee wie in Zeitlupe in das Glas.
Ey wenn du magst kannst du noch bleiben.
Folg ein unsicheres schweigen, du schließt die Tür,
es ist still ich schau dir nach...« Anschließend denke ich weiter. Dabei laufe ich im Wohnzimmer auf und ab und fahre mir mehrmals durch mein Haar. Es muss doch was geben, das ich als Refrain nutzen kann!, denke ich. Und dann trifft mich die Idee wie ein Paukenschlag.
Und mit dir Trompeten,
Geigen und Chöre irgendwas gegen die Stille hier.
Dann Paukenschläge auf Trommelwirrbel und ein leises Klavier.
Wieder singe ich den Part vor, um eine weitere Idee zu bekommen. Und es war so, als habe ich gerade Einen Fluss. »Ey, da müsste Musik sein...«, murmle ich vor mich hin, während ich die nächsten Zeilen notiere.
Ey da müsste Musik sein!
Überall wo du bist.
Und wenn es am schönsten ist spiel es wieder und wieder.
Ey da müsste Musik sein!
Wo auch immer du bist, denn wenn es am schönsten ist,
wenn es am schönsten ist.
Hinterher singe ich die Strophe sowie den Refrain nochmal durch und dichte sofort die zweite Strophe los.
Das letzte mal am Meer, ne halbe Ewigkeit schon her.
Pack meine Besten und das nötigste zusammen.
Endlich mal raus aus uns'rer Heimat, sie wird im Spiegel immer kleiner,
und schon davorne küsst das Meerwasser den Sand.
Und mit uns Trompeten, Geigen und Chöre
irgendwas gegen die Stille hier.
Dann Paukenschläge auf Trommelwirrbel und ein leises Klavier.
Oh Wow! Es ist so, als würden die Ideen einfach nur so aus meinen Kopf laufen!, denke ich begeistert und wiederhole den Refrain.
Ey da müsste Musik sein!
Überall wo du bist.
Und wenn es am schönsten ist spiel es wieder, und wieder.
Ey da müsste Musik sein!
Wo auch immer du bist,
denn wenn es am schönsten ist spiel es wieder und wieder
Spiel es wieder und wieder!
Wieder und wieder!
Spiel es wieder und wieder!
Ey da müsste Musik sein.
Lächelnd sehe ich vor mich hin und murmle ein paar Worte, die mir in den Sinn kommen. Sie werden direkt auf das Papier verbannt. Dabei beschließe ich, dass ich den Song mit derselben Zeile aus dem Refrain beende.
Wenn wir uns verlieben
Wenn das Leben uns umhaut
Und wir besoffen vor Glück sind
Müsste da nicht Musik sein?
Ey da müsste Musik sein!
Wo auch immer du bist,
denn wenn es am schönsten ist spiel es wieder und wieder
Ey da müsste Musik sein!
Wo auch immer du bist,
denn wenn es am schönsten ist spiel es wieder und wieder
Spiel es wieder und wieder!
Wieder und wieder!
Spiel es wieder und wieder!
Ey da müsste Musik sein
Ey da müsste Musik sein!
Jetzt muss ich nur noch den Namen über den Song schreiben. Und den hatte ich schon im Kopf. Und so schreibe ich "Musik sein" als Überschrift zum Song.
Wincent
Seit dem Wochenende ist nun gut eine Woche vergangen. Seitdem haben wir vielleicht mal etwas geschrieben, uns aber nicht getroffen. Aber meine Woche war auch voll gepackt mit Arbeit. Und ihre wahrscheinlich auch.
Und jetzt sitze ich gerade auf meinem Balkon und spiele die Melodie meines zukünftigen zweiten Songs und denke nach. Soll ich ihr den Song vielleicht vorsingen? Aber wer weiß, ob sie ihn mag? Es kann ja sein, dass sie ihn scheiße findet. Und dann? Diese Gedanken machten mich etwas wahnsinnig. Ach Wincent, du denkst zu viel nach. Mehr als ihn scheiße finden kann sie doch nicht. Du kannst es doch probieren. Was hast du schon zu verlieren? Mein Gewissen hat wie so oft Recht, leider. Na gut...vielleicht hat sie ja die Tage Zeit zum Treffen und dann singe ich ihr den Song vor., denke ich und lehne mich entspannt zurück. Anschließend nehme ich mein Handy in die Hand und gehe auf WhatsApp. Und ich habe Glück. Mina ist gerade online.
Chatverlauf zwischen Wincent (W) und Mina (M)
W: ›Hey Mina :) Wie geht es dir?‹
M: ›Hey. Ja mir geht es gut und dir?‹
W: ›Mir auch. Du, hast du vielleicht die Tage Zeit und Lust dich mit mir zu treffen?‹
Es dauert eine Weile, bis das Wort "schreibt..." unter ihren Namen erscheint.
M: ›Puh, also wir haben heute Montag wieder...Ich denke, dass ich erst am Samstag gegen 14 Uhr Zeit habe. Was wollen wir denn machen?‹
Ich grinse, als ich die Antwort ins Handy tippe.
W: ›Tja, das ist eine Überraschung. ;) Aber Samstag um 14 Uhr geht klar. Dann sehen wir uns dann.‹
M: ›Genau. So und jetzt muss ich noch weiter lernen. Wir können ja heute Abend noch was schreiben.‹
W: ›Kein Problem. Dann bis später.‹
M: ›Jo, bis dann.‹ (geht off)
Chatverlauf zwischen Wincent (W) und MIna (M) zu Ende
Okay, dann habe ich noch genug Zeit, um mich zu entscheiden, ob ich ihr den Song vorsingen soll oder nicht. Aber jetzt sollte ich mich langsam für die Arbeit fertig machen. Schließlich will meine Wohnung bezahlt werden und dazu muss ich Geld verdienen.
Mina
Samstag
Ich sitze Zuhause und muss gleich los. Dabei fällt mir auf, dass ich vergessen habe, mir den Namen der Straße zu merken, wo Wincent wohnt. Also schreibe ich ihn schnell eine Nachricht. ›Hey. Kannst du mir sagen wie deine Straße heißt?‹ Sofort erscheint das Wort "schreibt..." unter seinem Namen. ›Klar, ich wohne in der Göthestraße 88 a.‹ Ich lese die Nachricht nur ohne zu antworten und mache mich stattdessen einfach auf den Weg zu ihm nachhause.
Gute 20 Minuten später komme ich an und ich gehe direkt zum Wohnhaus. Dort betätige ich die Tür klingel und im nächsten Moment ertönt ein Surren. Ich öffne die Haustür und gehe die Treppe hoch, die mich zu seine Wohnung bringt. »Hey...« Wincent sieht mich strahlend an. Hab ich was verpasst? »Hey. Alles gut?« Er lacht. »Natürlich ist alles gut! Komm rein.« Ich lasse es mir nicht zweimal sagen und so folge ich ihn rein. »Magst du was trinken?«, fragt er. »Ein Tee wäre nett. Wenn du welchen da hast.« »Klar, immer. Schwarzen oder Kräutertee?«, fragt er. »Ich nehme den schwarzen.« Er grinst. »Kommt sofort!« Ich sehe ihm schmunzelnd nach, ehe ich ins Wohnzimmer gehe und mich auf das Sofa setze. So warte ich auf Wincent und den Tee.
»So, einmal eine Kanne Tee. Ich habe auch Zucker und Milch vorbereitet. Ich hatte sogar ein paar Kekse.«, sagt er lachend und stellt Ein Tablett auf dem Kleinen Tisch ab. »Hast du irgendwas? Du bist so aufgedreht...« »Bin ich das? Ist mir gar nicht aufgefallen. Ist das schlimm?« Ich verneine es lachend. »Nein, nein. Aber ich hab halt das Gefühl, dass du etwas auf den Herzen hast.« Wincent lacht und gießt mir etwas Tee ein. »Das habe ich auch indirekt. Aber ich brauche dafür meine Gitarre.« Ich sehe ihn überrascht an. »Okay?«, frage ich verwirrt. Er steht auf und sagt dass er gleich wieder da ist. Und schon verschwindet er kurz, nur um dann mit seiner Gitarre und einem Zettel wieder zu kommen. Er setzt sich wieder hin und atmet tief durch. »Ich bin gerade etwas nervös. Bitte sei nicht zu streng mit mir...«, bittet er mich. Ich nicke. »Versprochen!« Wincent nickt und fängt an, auf der Gitarre eine Melodie zu spielen und singt auch schon direkt los.
»Was für eine Nacht, bin mit nem' Schädel aufgewacht.
Gieß den Kaffee wie in Zeitlupe in das Glas.
Ey wenn du magst kannst du noch bleiben.
Folg ein unsicheres schweigen, du schließt die Tür,
es ist still ich schau dir nach.« Mich überkommt bereits ab Anfang der ersten Strophe eine Gänsehaut. Und so reibe ich meine Arme, höre aber weiterhin zu, wie er mit seiner gefühlvollen Stimme singt.
»Und mit dir Trompeten,
Geigen und Chöre irgendwas gegen die Stille hier.
Dann Paukenschläge auf Trommelwirrbel und ein leises Klavier.«
»Ey da müsste Musik sein!
Überall wo du bist.
Und wenn es am schönsten ist spiel es wieder und wieder.
Ey da müsste Musik sein!
Wo auch immer du bist, denn wenn es am schönsten ist
wenn es am schönsten ist.« Ich beobachte ihn lächelnd, wie er mit geschlossenen Augen vor mir sitzt und auf der Gitarre spielt und dazu singt.
»Das letzte mal am Meer, ne halbe Ewigkeit schon her.
Pack meine Besten und das nötigste zusammen.
Endlich mal raus aus uns'rer Heimat, sie wird im Spiegel immer kleiner,
und schon davorne küsst das Meerwasser den Sand.
Und mit uns Trompeten, Geigen und Chöre
irgendwas gegen die Stille hier.
Dann Paukenschläge auf Trommelwirrbel und ein leises Klavier.« In meinem Kopf tauchen direkt Bilder auf, wie er am Meer entlang läuft und singt. Seine Stimme ist so schön!, denke ich und mir entfleucht ein Seufzen.
»Ey da müsste Musik sein!
Überall wo du bist.
Und wenn es am schönsten ist spiel es wieder und wieder.«
»Ey da müsste Musik sein!
Wo auch immer du bist,
denn wenn es am schönsten ist spiel es wieder und wieder
Spiel es wieder und wieder!
Wieder und wieder!
Spiel es wieder und wieder!
Ey da müsste Musik sein.«
»Wenn wir uns verlieben
Wenn das Leben uns umhaut
Und wir besoffen vor Glück sind
Müsste da nicht Musik sein?« Als er diesen Part so leise und sanft singt, steigen mir leichte Tränen in die Augen und ich muss sie arg zurück halten, um nicht los zu heulen. So sehr berührt er mich.
»Ey da müsste Musik sein!
Wo auch immer du bist,
denn wenn es am schönsten ist spiel es wieder und wieder.«
»Ey da müsste Musik sein!
Wo auch immer du bist,
denn wenn es am schönsten ist spiel es wieder und wieder.«
»Spiel es wieder und wieder!
Wieder und wieder!
Spiel es wieder und wieder!
Ey da müsste Musik sein.«
»Ey da müsste Musik sein!«
Er lässt die Melodie ausklingen und sieht mich erwartungsvoll an. »Und? Gefällt dir der Song?« Ich lache leicht und wische meine Amateur-Tränen weg. »Es ist echt wunderschön. Deine Stimme ist so voller Gefühl und so schön tief. Wooow!« Wincent lächelt und ich glaube zusehen, dass seine Wangen leicht rot werden. »So gut bin ich auch nicht.« Ich rolle mit den Augen. »Jetzt sei mal nicht so bescheiden! Du solltest mit dem Song zu einem Plattenlabel gehen!« Wincent sieht mich skeptisch an. »Bist du verrückt? Das reicht doch niemals...für einen Plattenvertrag. Mit Regenbogen bin ich noch nicht mal aufgetreten.« Ich zucke mit den Schultern. »Aber du kannst es mit diesem Song noch einmal richtig versuchen!« Wincent lacht. »Weißt du wie lange es dauern kann, bis dieser Song produziert ist? Und dann noch der ganze Marketingkram. Außerdem müsste ich dann noch viel mehr Songs schreiben, um ein ganzes Album machen zu können. Und glaub mir. Daran versuche ich mich eigentlich schon seit 2013. Und das ist echt viel Arbeit.« Ich mache ein gespielt mitleidiges Gesicht. »Och du armer Winnie...« Jetzt sieht er mich mit angehobener Augenbraue an. »Lass deinen Sarkasmus mal stecken.« Ich beuge mich zu ihm vor. »Ich frag dich mal was: Willst du deinen Lebensunterhalt mit Musik verdienen oder in diesem Restaurant vergammeln?« »Was soll das Mina? Du kannst mich nicht zwingen.« Ich nicke ihm zustimmend zu. »Da hast du Recht. Aber ich möchte dich halt dazu ermuntern, es mal zu versuchen! Du hast Talent. Und das weißt du.« Er packt seine Gitarre weg und steht auf. »Verdammt Mina. Du denkst, dass es so einfach ist...« Ich lache. »Nein, ich weiß sogar dass es schwer sein wird, beziehungsweise ich kann es mir vorstellen. Aber man sollte wenigstens den ersten Schritt wagen. Aber wenn das nicht dein großer Traum ist, dann auch gut. Dann verotte doch in diesem Restaurant. Aber ich sehe es mir nicht an. Kannst dich ja bei mir melden, wenn du es dir anders überlegt hast. Weil wenn du es versuchen möchtest, dann stehe ich zu 1000% hinter dir!« Nachdem ich das sage stehe ich auf und gehe mit meiner Tasche in den Flur. Dort ziehe ich meine Schuhe und Jacke wieder an. »Warte...bleib doch...« Wincent ist mir gefolgt.
»Wincent, ich habe keine Lust auf diese miese Laune, die du anscheinend gerade hast. Deswegen sag ich dir, dass du dir überlegen sollst, was du willst. Du hast ja meine Nummer. Wir sehen uns bestimmt noch zwischendurch.« Ich drücke seinen Oberarm kurz, öffne dann die Tür und verlasse seine Wohnung.
Mina
Seufzend sehe ich auf mein Handy. Ignoriert Wincent mich jetzt etwa?, frage ich mich in Gedanken. Kai stupst mich leicht an. »Pack das Handy weg! Die Dresdner schaut schon so zu uns her...«, zischt er mir leise zu. Ich nicke und verfrachte mein Handy schnell in meine Tasche. »Mina? Kommen Sie bitte an die Tafel und erklären uns die nächste Aufgabe?«, fragt mich jetzt die eben benannte Person. Ich stehe schnell auf und gehe zur Tafel. »Selbstverständlich, Frau Dresdner!«
Als es eine halbe Stunde später klingelt, flüchte ich schnell aus der Klasse, mit Kai im Schlepptau. »Zieh doch nicht so!«, bittet er mich. Doch ich ziehe ihn schweigend weiter hinter mir her, bis wir an unserer Ecke ankommen. Dort lasse ich ihn los. »Ich fasse es nicht. Da will ich ihn ermutigen, seinen Traum wahr werden zu lassen und er ist so stur und ignoriert mich! Was geht nur bei ihm schief?!« Kai sieht mich lächelnd an. »Was ist?«, frage ich ihn. »Man könnte meinen, dass du in ihn verliebt bist. So wie du dich aufregst.« Jetzt sehe ich ihn an und breche in schallendes Gelächter aus. »Verliebt? Ich in Wincent? Das ist doch absurd!« Mein bester Freund sieht mich jetzt wohlwissend an. »Du spinnst, Kai! Wir sind ja noch nicht mal so etwas wie richtige Freunde!« Daraufhin zuckt er mit seinen Schultern. »Man muss nicht unbedingt Freunde werden, um sich in jemanden zu verlieben. Außerdem was ist schon dabei? Er sieht doch echt schnuckelig aus?« Ich schnaufe. »Dann nimm du ihn doch...« Kai lacht. »Ich glaube nicht, dass ich der Richtige für Wincent wäre.« Ich verdrehe lachend meine Augen. »Ja ne, ist mir auch klar.« Kai grinst und wir setzen uns hin. »Aber sei mal ehrlich. Du magst ihn...« Ich sehe ihn verblüfft an. »Das habe ich auch nicht bestritten...« »Du magst mich also?«, höre ich plötzlich jemanden sagen und sehe auf. Wincent steht auf einmal lächelnd vor mir. »W Wincent... Was machst du denn hier?« Er lächelt schief und setzt sich neben mich. »Ach, ich genieße heute meinen freien Tag und hab mich daran erinnert, dass du heute Berufsschule hast. Und du musst Kai sein.« Kai muss mindestens genau so verwirrt wie ich sein, denn seinem Blick nach zu urteilen, kann er es immer noch nicht glauben, dass Wincent Weiss ihm seine Hand hin hält. Peinlicher geht es ja wohl kaum!, denke ich und seufze innerlich. Dabei gebe ich Kai einen unauffälligen Stoß, sodass er es bemerkt und Wincents Hand nimmt. »Äh ja. Ich Bin Kai, der beste Freund von Mina.« Wincent nickt. »Das habe ich mit bekommen... Du machst auch eine Friseur-Lehre?« Kai nickt. »Also... Was willst du hier auf einmal? Immerhin ist es jetzt fast eine Woche her seitdem wir uns zum letzten Mal gesprochen haben...« Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich etwas beleidigt bin. Schließlich soll er es ja merken. Wincent kratzt sich verlegen am Hinterkopf. »Naja...Es kann sein, dass ich nach unserem Gespräch etwas nach gedacht habe.« Ich sehe ihn erwartungsvoll an. »Und auf welches Ergebnis bist du gekommen?« Er presst seine Kiefer aufeinander und lässt sie etwas mahlen. »Vielleicht hast du ja Recht und ich sollte es versuchen...« Ich sehe ihn mit angehobener Augenbraue an. »Ach solltest du das?« Er sieht mich verlegen an. »Würdest du mich begleiten?« Ich sehe ihn kurz an und tue so, als würde ich überlegen. »Na gut, aber eine Bedingung.« Jetzt sieht er mich erwartungsvoll an. »Und die wäre?« Ich sehe ihn breit grinsend an. »Kai und ich bekommen zu jedem Konzert Tickets, solltest du groß raus kommen.« Wincent lacht. »Ich werde sehen was sich machen lässt!«
Ich nicke. »Gut. Also in zwei Stunden haben wir Schulschluss. Du kannst ja so lange in der Cafeteria warten, wenn du magst.«, schlage ich ihm vor. Wincent zuckt mit den Schultern. »Klar warum nicht. Dann bis später.« Genau als wir aufstehen und ihm ins Gebäude folgen, klingelt es auch schon und der Unterricht ruft.
Mina
Der Unterricht ist vorbei und Kai und ich gehen zu Wincent in die Cafeteria, der dort auf uns wartet. »Hey, bist du bereit? Wir wollen zu mir und uns einen Schlachtplan überlegen.« Wincent lächelt. »Wer genau ist wir?« Ich zeige erst auf Kai, dann auf ihn und zum Schluss auf mich. »Zu dritt bringt es wahrscheinlich viel besser.« »Na gut. Wenn's sein muss. Dann lasst uns los.« Er steht auf, leert seinen Becher Kaffee und gibt diesen bei der Cafeteria-Dame ab. Hinterher kommt er zu uns und wir machen uns auf den Weg zu mir nachhause.
„Guten Tag. Mein Name ist Mina Sievert. Ich hätte ein kleines Anliegen und zwar habe ich einen Freund, der sehr gut, nein der sogar perfekt und wunderschön singen kann. Und wir würden gerne vorbei kommen um eine CD abzugeben. Wäre das möglich?« Ich warte die Antwort ab und auf einmal sinken meine Mundwinkel nach unten. »Achso Sie haben gerade keinen Platz in Ihrem Kliental. Okay. Ja trotzdem noch vielen Dank und Ihnen auch einen schönen Tag. Auf wiederhören...« Ich lege auf und streich die Nummer weg. Kai ist inzwischen auch am telefonieren und auch er scheint nicht so einen großen Erfolg zu haben. Wincent beobachtet uns Beide. »Was ist Wincent? Willst du nicht herum telefonieren? Wir machen das alles nur für dich.« Er runzelt die Stirn. »Ich weiß, aber irgendwie denke ich, dass wir es vielleicht doch lassen sollten. Ich meine ihr habt bestimmt schon bei gut 100 Plattenlabels angerufen, ohne Erfolg...« Sofort unterbreche ich ihn. »Whoa Wincent, das ist jetzt nicht dein Ernst. Oder? Verdammt, du hast doch versprochen, dass wir es versuchen. Und wir haben nicht mal 100% gegeben und du willst es direkt hinschmeißen? Willst du mich verarschen?« Er schüttelt den Kopf. »Nein, aber ich hab es schon mal versucht. Mit Regenbogen und wie du gemerkt hast, hat es nicht so gut funktioniert.« Ich verdrehe die Augen. »Der Song ist doch auch noch nicht lange draußen und er wird immerhin im Radio rauf und runter gespielt. Vielleicht...« Mein Gesicht hellt sich auf einmal auf. »Natürlich! Ich weiß was wir machen! Wartet hier! Ich bin gleich wieder da!« Ich springe vom Stuhl, verlasse das Zimmer und renne die Treppe runter. Mein nächster Gang führt mich in die Küche, wo meine Mutter gerade das Essen zubereitet. »Mama, Mama!«, fange ich an. Diese sieht mich jetzt überrascht an. »Was ist Schatz?« Ich erzähle ihr von meinem Plan. Es musste doch etwas bringen. »Ich bespreche es nachher mit deinem Vater, okay? Aber versprechen kann ich nichts.« Ich falle ihr trotzdem dankbar um den Hals. »Danke Mama! Du bist die Beste!« Sie lacht. »Noch wissen wir nicht, ob es klappt. Aber versuchen werden wir es. Du kennst deinen Vater. So und jetzt ruf doch die Jungs runter und decke den Tisch. Das Essen ist gleich fertig.« Angestachelt von der guten Laune gehe ich zur Treppe. »Kai, Wincent. Runter kommen. Das Essen ist fertig!«
Wincent
»Vielen Dank für die Einladung, Frau Sievert.«, bedanke ich mich höflich während des Essens. Sie lächelt und macht eine wegwerfende Handbewegung. »Doch nicht dafür. Für Minas Freunde haben wir immer genug zu essen da, oder Kai?« Dieser sieht uns ertappt an, als er sich bereits die dritte Portion vom Auflauf nimmt. Minas Mutter lacht. »Nimm dir ruhig noch was. Ich hab das Essen für Minas Vater schon zurück gelegt.« Wir lachen alle herzlich und so geht das Essen weiter.
Nach dem Essen helfe ich Frau Sievert noch beim Abwasch, ehe ich danach wieder zu Kai und Mina ins Zimmer gehe. Diese haben wohl gerade etwas besprochen, wobei ich sie wohl unterbrochen habe. »Hey, ist alles okay?«, frage ich und sehe beide leicht skeptisch an. »Ja klar. Es ist alles in Ordnung. Kai wollte jetzt gerade nur gehen. Er muss zum Fußballtraining. Oder Kai?« Dieser sieht sie kurz an, reagiert dann aber sofort. »Ja stimmt. Also dann. Man sieht sich bestimmt nochmal...« Mit diesen Worten verschwindet er auch schon und ich bin mit Mina alleine.
»Ist wirklich alles in Ordnung?«, frage ich immer noch leicht skeptisch. Mina lächelt. »Aber natürlich. Na komm, lass uns noch ein paar Filme schauen. Du hast irgendwie Recht. Wir haben heute schon genug getan. Jetzt ist Zeit für Chillie-Millie.« Sie grinst mich breit an und ich zucke mit meinen Schultern. »Von mir aus.«
Und so vergehen auch wieder die Stunden und so verabschiede ich mich gegen 20 Uhr und fahre nachhause. Mina war die ganze Zeit sehr schweigsam, hatte aber die ganze Zeit so ein breites Grinsen auf den Lippen. So als hätte sie ein Geheimnis vor mir. Aber gut. Ich werde es bestimmt noch früh genug erfahren. Jetzt heißt es erstmal Zuhause ankommen und dann ab ins Bett. Morgen muss ich wieder früh raus und vor der Arbeit natürlich noch duschen.
Zwei Wochen später
Wieder haben wir uns schon etwas nicht gesehen. Aber immerhin haben wir über WhatsApp geschrieben- das ist ja wenigstens etwas. Und jetzt sitze ich gerade Zuhause beim Frühstück und denke nach, als mein Handy klingelt. Ich sehe, dass Mina mir eine Nachricht über WhatsApp geschickt hat. Ich lächle und öffne unseren Chat. ›Guten Morgen!
Wincent
Samstag
Es ist kurz nach 20 Uhr und so stehe ich vor der Wohnungstür von Mina und ihren Eltern. Ich betätige die Klingel und kurz darauf öffnet Frau Sievert mir die Tür. »Oh hi Wincent. Mina ist in der Kneipe, wenn du sie suchst. Sie musste noch helfen, bevor sie übt.« Ich stutze kurz, aber sage dann, dass ich in die Kneipe gehen würde. Ihre Mutter führt mich zu einem Eingang zur Kneipe durch den Flur in der Wohnung, der über eine Treppe mit einem unteren Flur verbunden ist. »Der führt dich ins Lager und gerade aus ist eine weitere Tür. Wenn du da durch gehst, dann bist du richtig.«, sagt Frau Sievert. »Danke.«, antworte ich lächelnd und gehe die Treppe runter und durch den besagten Flur, bis ich ins Lager komme und durch eine weitere Tür in den Gästebereich. Wow, was ist denn hier los?, frage ich mich und sehe mich um. In einer freien Ecke sind Paletten aufgestellt und darauf eine große Platte aus Eiche festgemacht. Darauf stand ein Mikrofonständer und dahinter ein Hocker. »Hey Großer, da bist du ja!« Ich drehe mich um und sehe Mina grinsend hinter mir stehen. »Hey Kleine. Was wird das hier? Du sagtest doch, dass ihr keine Bühne habt?« Sie zuckt mit den Schultern. »Hatten wir bis heute Vormittag auch nicht. Aber wir haben schnell eine gebaut.« Ich nicke. »Wo soll ich mich hinsetzen?« Sie deutet auf die Bühne. »Dort auf den Hocker bitte.« Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Sie drückt mir noch eine Gitarre in die Hand. »Mina... Was wird das hier?« Mina lacht. »Na du wirst hier heute deine Chance haben, dein Talent unter Beweis zu stellen! Du kannst doch zwei Songs singen. Dein Cover zu unter meiner Haut und deine eigene Single Regenbogen. Und du hast jetzt noch zwei Stunden Zeit zu üben. Wir haben die Kneipe so lange geschlossen.« Ich sehe sie fassungslos an. »Dafür hast du mich also wirklich herbestellt? Ich dachte...Mann Mina!« »Wincent, du liebst es doch auf der Bühne zu stehen und zu singen. Was ist jetzt also dein Problem?« Ich seufze. »Weil du mich halt in so eine Art Falle gelockt hast...Warum hast du mir nicht die Wahrheit gesagt?« Jetzt sah sie mich mit ihrem "Ist das dein Ernst"-Blick an. »Es tut mir ja leid, dass ich dir eine Freude machen wollte und es somit als Überraschung gedacht war!« Jetzt sieht sie mich verletzt an und ich fahre mir mit der einen Hand über mein Gesicht und seufze. »Natürlich musst du auch nicht singen. Ich dachte nur, dass ich dir eine Freude machen könnte.« Mina nimmt mir die Gitarre wieder aus der Hand und packt sie weg. Anschließend verlässt sie die Kneipe und ich sehe ihr nur nach. Ich meine sogar zu sehen, dass sie in ihrem Gesicht rum wischt.
Mina
Na toll. Jetzt habe ich mir umsonst die Mühe gemacht. Der Herr Weiß macht einen Rückzieher. Draußen kommen mir dann noch diese verdammten Tränen. Und genau in diesem Moment kommen Kai und mein Vater mit Kisten bepackt zu mir. »Hey Mäuschen, was ist denn los? Weinst du etwa?« Mein Vater nimmt mich in den Arm. »Es geht schon...Er wird heute nicht auftreten und das ist auch okay so...«, murmle ich leise vor mich hin. »Sein Ernst jetzt? Na warte...« Kai stapft mit der Kiste beladen in die Kneipe und ich löse mich schnell von meinem Vater und eile ihm hinterher.
»Willst du uns verarschen, Wincent? Wir reißen uns hier den Arsch für dich auf und wollen dir eine Freude machen und du reagierst ablehnend und bringst meine beste Freundin zum Weinen? Und das obwohl wir dier sogar helfen wollen an einem Plattenlabel zu kommen?« Wincent sah ihn einfach nur schweigend an. »Jetzt sag doch was!«, fährt Kai fort. Doch als er nichts sagt, komme ich dazu. »Kai, lass mal gut sein. Wir können ihn nicht zwingen. Wenn er nicht will, dann ist es auch in Ordnung. Es ist sein Leben und wir dürfen uns nicht einmischen.« »Aber Mina...«, fängt Kai wieder an. Doch ich schüttle Den Kopf. »Nein Kai, es ist schon gut. Aber wenn er jetzt nichts mehr zu sagen hat, dann sollte er jetzt gehen.« Ich sehe, wie Wincent den Mund auf macht und anscheinend doch noch etwas sagen will, sich dann aber noch dagegen entscheidet und dann die Kneipe verlässt. Ich seufze tief aus und kneife mir in den Nasenrücken.
Gegen 22 Uhr öffnen wir die Kneipe und eine Traube von Menschen kommt direkt rein. Das wird gleich ein Spaß. Dabei habe wir gestern und heute schon Werbung gemacht, dass der ehemalige DSDS-Teilnehmer Wincent Weiss heute hier sein wird. Na toll., denke ich seufzend und sehe zu meinem Vater, der mir aufmunternd zu lächelt. Ich erwidere es kurz und steige dann auf die kleine Bühne und schalte Das Mikrofon an.
»Guten Abend. Ich weiß, dass ihr alle hier seid, um einen besonderen Musiker singen zu hören. Nur leider muss ich euch etwas mit teilen. Wincent Weiss ging es vorhin nicht so gut und er musste leider absagen. Es tut mir leid, falls ihr jetzt zu enttäuscht seid, aber als Entschädigung gibt es für jeden ein Freigetränk bei meinem Vater an der Bar. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit und ich wünsche euch einen schönen Abend.« Die kleine Menge sahen sich jetzt verwirrt an, setzen sich dann aber an die kleinen Tische. Ich verlasse die Bühne und setze mich zu meinem Vater an die Bar und lasse mir ein Bier geben.
Wincent
Um zehn nach zehn komme ich schließlich wieder bei der Kneipe an. Ich habe es mir urplötzlich anders überlegt. Ich bin so ein Idiot! Immerhin wollte sie mir nur etwas gutes tun und ich reagiere so über. Mit diesen Gedanken gehe ich rein und sehe mich suchend nach Mina um. Diese finde ich an der Bar sitzend vor einer Flasche Bier. Und sie sieht enttäuscht und auch etwas wütend aus. Los, gehe schon zu ihr und sprich sie an!, so weist mich mein Gewissen an. Und das tue ich dann auch.
»Mina?«, murmle ich leise und tippe sie leicht an. Sie erstarrt leicht, als sie sich zu mir umdreht. »Was willst du hier?«, fragt sie zurück. Ich muss kurz schlucken, als ich die Wut in ihren Augen sehe. »Ich wollte mich für mein Verhalten entschuldigen...Ich war gemein zu dir und habe überreagiert. Bitte verzeihe mir.« »Aha. War es das jetzt?« Ich schüttle den Kopf. »Ich wollte wissen, ob ich vielleicht doch noch eine Chance für meinen Auftritt bekomme?« Jetzt sieht sie mich überrascht an. »Willst du mich verarschen?« Wieder schüttle ich den Kopf. »Nein, ich meine es vollkommen ernst...Bitte, lass es mich doch noch versuchen...« Mina runzelt die Stirn. »Ich weiß nicht recht...« Ich setze mich auf den Hocker neben sie und sehe sie mit einem Hundeblick an. »Mina, ich flehe dich an. Lass mich bitte auftreten. Ich möchte es jetzt wirklich!« Mina sieht mich weiter mit diesem skeptischen Blick an und sagt kein Wort. Und damit macht sie mich verrückt. »Du wirst also wirklich auftreten und du veräppelst mich nicht?«, fragt sie jetzt. »Ich verspreche es dir hoch und heilig.« Ein Seufzen verlässt ihrer Kehle und sie verdreht ihre Augen. »Dann geh ins Lager, um dich kurz warm zu machen. Ich kündige dich an.« Ich springe mit großen Augen auf. »Danke! Danke! Du bist die Beste!« Ich küsse noch ihre Wange, wobei sich ein Kribbelndes Gefühl in meinem Bauch breit macht. Auch Mina sieht mich kurz an, und ich sehe, dass ihre Wangen leicht rot sind. Aber sie sammelt sich schnell. »Jetzt mach schon die Flatter!« Ich nicke grinsend und verschwinde im Lager, wo ich meine Sing-Übungen mache.
»Hey Leute, ich bin es nochmal. Also...es gibt doch eine kleine Änderung...Und zwar geht es Wincent wohl wieder besser, so dass er gleich auftreten wird. Ich hoffe, dass ihr euch freut und es genießen werdet. Viel Spaß!«, höre ich Mina sagen und nachdem ich meine Übung fertig gemacht habe, gehe ich wieder nach vorne, betrete die Bühne und setze mich auf den Hocker. Alle Blicke im Raum richten sich auf mich und ein paar jubeln mir zu. »Guten Abend! Also als erstes wollte ich mich nochmal bei Mina und ihren Eltern bedanken, die mir diesen Auftritt ermöglichen. Aber auch bei Kai, der mir meinen Kopf gewaschen hat. Und natürlich freue ich mich hier sitzen zu dürfen und für euch zu singen. Als erstes singe ich den Song "Unter meiner Haut" für euch!«, nach dieser Anleitung spiele ich auch schon das Intro auf der Gitarre, die Mina mir gegeben hat.
»Die Straße leuchtet nur für uns
Komm, ich zeig dir meine Stadt
Und wir feiern die Straßen voller Menschen
Und wir singen die ganze Nacht
Du versprichst mir heute alles
Und ich schwör auf jedes Wort
Unser Himmel färbt sich dunkelrot
Und du sagst,
du musst jetzt fort
Nein, ich lass dich nicht raus
Nein, ich lass dich nicht gehen
Und ich weiß und ich weiß Und ich weiß und ich weiß
Ich tu mir grad weh
Doch ich trag dich unter meiner Haut
Ich behalt dich unter meiner Haut
Ganz egal, wie lange es brennt
Ganz egal, was jetzt noch kommt
Vielleicht singen wir irgendwann
Wieder Panic At The Disco-Songs
Und ich kann auch nicht nach Haus.«
Das kleine Publikum klatscht im Takt der Musik und manche singen leise mit. Ich strahle ins Publikum und lege viel Gefühl in meine Stimme.
»Denn das Brennen hört nicht auf
Ich habe Angst uns zu verpassen
Ich habe Angst wir lösen uns auf
Und es wird schon wieder hell
Wir sehen alle Lichter gehen
Im Tunnel noch einen leisen Kuss
Und du lässt mich stehen
Nein, ich lass dich nicht raus
Nein, ich lass dich nicht gehen
Und ich weiß und ich weiß Und ich weiß und ich weiß
Ich tu mir grad weh
Doch ich trag dich unter meiner Haut
Ich behalt dich unter meiner Haut
Ganz egal, wie lang es brennt
Ganz egal, was jetzt noch kommt
Vielleicht singen wir irgendwann
Wieder Panic At The Disco-Songs
Ich trag mein Herz Vor dir her
Doch meine Beine laufen weiter
Meine Füße sind schon taub
Unsre Stadt schon fast vergessen
Doch bis dahin
Trag ich dich unter meiner Haut
Ich behalt dich unter meiner Haut
Ganz egal, wie lang es brennt
Ganz egal, was jetzt noch kommt
Vielleicht singen wir irgendwann
Wieder Panic At The Disco-Songs
Doch ich trag dich
Oh Ich behalt dich
Und vielleicht singen wir irgendwann
Vielleicht singen wir irgendwann
Vielleicht singen wir irgendwann
Wieder Panic At The Disco-Songs.«
Am Ende des Songs werde ich mit Applaus belohnt, wofür ich mich natürlich bedanke. Ich merke, dass ein paar Leute sogar den Auftritt gefilmt haben und muss deswegen schmunzeln. »Wow! Ihr zeigt verdammt viel Power, das muss ich euch lassen! Aber einen Song habe ich noch für euch. Und diesen singe ich für eine besondere Freundin, die ebenfalls hier ist. Mina? Diesen Song widme ich heute nur für dich!«, und kurz darauf fange ich auch schon an zu singen und zu spielen, wobei sich unsere Blicke treffen.
»Von hier - nach da.
Von mir - zu dir.
Bleib hier - bin da.
Sind hier - gefangen.
Ich in deinen, du in meinen, du in meinen, ich in deinen Armen.
Du am schlafen und ich immer, und ich immer noch hellwach.
Ich in deinen, du in meinen und wir zwei in unseren Armen.
Du am träumen - ich am warten
Bis die Tage wieder werden, wie sie früher mal waren.«
»Bis wir die Farben wieder sehen und der Regen einen Bogen macht.
Regenbogen.
Regenbogen.
Und der Regen einen Bogen macht,
Regenbogen.«
»Fang an - hör auf.
Von gehen - zu stehen.
Aus an - wird aus.
Es brennt - wach auf.
Ich in deinen, du in meinen, du in meinen, ich in deinen Armen.
Du am schlafen und ich immer, und ich immer noch hellwach.
Ich in deinen, du in meinen und wir zwei in unseren Armen.«
»Du am träumen - ich am warten
Bis die Tage wieder werden, wie sie früher mal waren.«
»Bis wir die Farben wieder sehen und der Regen einen Bogen macht.
Regenbogen.
Regenbogen.
Und der Regen einen Bogen macht,
Regenbogen.
Regenbogen.
Und der Regen einen Bogen macht,
Regenbogen.« Nachdem ich den letzten Klang des Liedes ausklingen lassen habe, sehe ich wieder in die Gesichter des kleinen Publikums und bei manchen kann ich sogar leichte Tränen in den Augen sehen. »Vielen Dank, dass ich für euch singen durfte. Habt noch einen schönen Abend!« Mit diesen Worten verabschiede ich mich und gehe wieder zu Mina.

Mina
»Hey...« Wincent lächelt mich an, als er sich zu mir setzt. »Hey...«, erwidere ich. »Ich hoffe, dass es dir gefallen hat.«, fährt er fort. Ich rolle mit meinen Augen und boxe seine Schulter. »Glaubst du wirklich, dass ich sonst so eine Aktion gestartet hätte? Wenn es nicht so wäre?« Ich reibe lachend meine Schulter. »Nein, das glaube ich nicht. Bekomme ich denn ein Bier als Belohnung?« Sie runzelt die Stirn. »Hast du es dir denn verdient?« Ich zucke mit den Schultern. »Ich denke schon.« Mina schüttelt jetzt lachend den Kopf. »Na gut, ausnahmsweise. Ein Bier bitte noch Papa.«
Mina
17.12.2015
Seit seinem Auftritt bei uns in der Kneipe sind fast zwei Monate vergangen und Weihnachten rückt nun immer näher. Wincent hat sich für zwei Wochen Urlaub genommen und ist zu seiner Familie gefahren und kommt erst im Neujahr wieder. Und so sitze ich Zuhause und weiß nichts mit meiner Zeit anzufangen, da meine Eltern die Kneipe für den Rest des Jahres geschlossen hat, genau wie Frau Neumann den Salon. Kai aber ist arbeiten und so bin ich allein und langweile mich. Wincent schreibt mir zwar ab und zu eine Nachricht oder schickt mir ein Selfie, mehr höre ich aber sonst nicht von ihm. Was willst du denn auch erwarten? Er ist bei seiner Familie, da hat er keine Zeit mit dir zu schreiben., denke ich vor mich hin. »Mina, hier ist ein kleines Paket für dich angekommen!«, so höre ich die Stimme meiner Mutter Hochrufen.
Verwirrt komme ich runter. Meine Mutter hält mir lächelnd ein kleines Paket hin. »Wincent wollte dir wohl eine kleine Freude machen.« Ich stutze und nehme das Paket entgegen. Ich gehe damit ins Wohnzimmer und öffne den Karton. Zum Vorschein kommt ein weiteres Päckchen. Und auf dem Päckchen ist ein kleiner Umschlag geklebt. Ich öffne diesen und hole einen kleinen Zettel heraus. Ich falte ihn aus einander und lese den Satz "Nicht vor Weihnachten öffnen!" Ich muss leicht schmunzeln und nehme mein Handy. Ich mache ein Selfie von mir, so dass man mich mit dem Päckchen sieht. Anschließend schicke ich das Bild an Wincent und schreibe darunter:›Das Paket hat sein Ziel erreicht. ;)‹ Zum Glück erscheint sofort das Wort "schreibt..." unter seinem Namen. Yes, er ist online!, denke ich zufrieden und warte auf seine Antwort. Ja, ich muss schon zugeben, dass ich das Schreiben mit ihm genieße und ihn auch etwas vermisse- was aber nicht bedeutet, dass ich in ihn verliebt bin! ›Das freut mich, Kleine! :D Aber denk daran: Erst Weihnachten öffnen!‹ Ich lächle bei seiner Antwort und schicke ihn lediglich den Daumen hoch als Emoji, ehe das Handy wieder weg kommt und ich mein Paket verstaue. Ich betrachte es kurz und muss mir eingestehen, dass ich sehr neugierig bin, was in diesem Paket alles drinnen ist.
24.12.2015
Heute ist es so weit, wir haben Weihnachten. Heute darf ich das Paket öffnen. Ich bin echt neugierig und aufgeregt. Und gespannt bin ich auch. Auf was für Ideen er eigentlich kommt. Ich habe nichts für ihn, aber er schenkt mir etwas zu Weihnachten. Das ist doch verrückt!, denke ich mit einem Lächeln im Gesicht und sehe nachdenklich an die Decke.
Bei uns machen wir es am heiligen Abend wie folgt: Am Vormittag kaufen meine Eltern noch einmal die nötigen Sachen, die vergessen wurden und am frühen Nachmittag schmücken Papa und ich den Weihnachtsbaum, während Mama in der Küche steht, um noch schnell einen frischen Nudel und Kartoffelsalat zu machen. Gegen Abend kommen Oma, Opa, Tante, Onkel und meine Cousins und wir essen gemeinsam. Nachdem Essen gehen Mama, meine Großeltern meine Tante mit Onkel und den Cousins eine Runde spazieren. Währenddessen legen Papa und ich die Geschenke unter dem Baum, sodass die Jungs glauben, dass der Weihnachtsmann genau in dem Moment gekommen ist, als sie leider nicht da waren. Wenn der Rest der Familie wieder da ist, dann setzen wir uns im Kreis vor dem Baum und knobeln aus, wer als erstes ein Päckchen öffnen darf. Und so kommt es, dass ich am Ende noch zwei Geschenke habe. Neben einer neuen Anlage von meiner Tante und meinem Onkel, sowie ein paar neue Klamotten von meinen Eltern, wartet noch Wincents Geschenk und das Geschenk von meinen Großeltern auf mich. Diese lächeln mich etwas aufgeregt an. »So Mina, du bist dran mit würfeln.« Ich nicke lächelnd und würfle. Leider bekomme ich eine Drei und muss noch warten. Während die anderen immer wieder würfeln, denke ich an Wincent, denn ich merke es nicht, dass ich schon wieder dran bin. Dieses Mal würfle ich eine Sechs und so reicht mir mein Opa einen Umschlag. »Eine Kleinigkeit von Oma und mir.«, äußert er sich lächelnd. Ich erwidere es und bedanke mich. Anschließend öffne ich den Umschlag und mir wird etwas übel. »Oma! Opa! Ist das euer Ernst??« Meine Großeltern haben mir einen Scheck über 3000€ geschenkt mit dem Titel: Für deinen Führerschein und einem Anfängerauto. Der Rest, wenn etwas über sein sollte, kommt auf dein Sparkonto zurück, was wir dir nach deiner Geburt eingerichtet haben." Meine Großeltern lächeln mich beide an. »Und ob das unser Ernst ist, du bist immerhin unsere Enkelin. Und wir möchten, dass du unabhängig bist.« Ich falle meinen Großeltern dankend um den Hals. »Vielen Dank! Ihr seid die besten!« Beide lachen. »Na komm, du hast noch das Geschenk von deinem Freund vor dir.« Ich werde rot und setze mich wieder hin. »Er ist nur ein Freund, nicht mein Freund.«, murmle ich vor mich hin und lege das Päckchen auf meinem Schoß und öffne es. Mir bleibt sofort die Spucke weg, als ich mein Geschenk heraus hole. Er ist doch verrückt!, denke ich und habe ein Kleid in meinen Händen. (Bild vom Kleid ist oben). Ich hatte das Kleid im Schaufenster gesehen, als wir mal durch die Innenstadt gelaufen sind. »Mina, da ist noch ein Umschlag.« Ich nehme diesen und öffne ihn. Es befinden sich zwei Tickets nach Eutin. Und ein kleiner Zettel mit einer Nachricht befindet sich im Umschlag. Für den 29.12. Bis zum 2.1.16 lade ich dich zu mir nach Hause ein. Beide Tickets sind für deine Hin und Rückfahrt. Vergiss das Kleid bitte nicht. ;), lese ich schmunzelnd und schüttele leicht den Kopf. Süß ist er ja. Meine Eltern sehen mich an. »Wusstet ihr davon?« Beide sehen sich kurz an, ehe Mama entschuldigend die Schultern hebt. »Wir durften dir nichts sagen, Schatz. Tut mir leid. Gibst du mir bitte den Scheck von Oma und Opa? Ich räume ihn weg und anfang nächsten Jahres melden wir dich bei einer Fahrschule an, okay?« Ich nicke und gebe meiner Mutter den Umschlag, den sie im Büro verstaut. »So, wer möchte jetzt noch etwas Eis?«, fragt Papa, der aufsteht und in die Hände klatscht. Alle heben sofort die Hand und so verbringen wir noch eine ruhige Weihnachtszeit.
28.12.15, um 18:45 Uhr
Mina
Heute ist es so weit. Ich sitze im Zug nach Eutin und sehe aus dem Fenster. Ich fahre etwas über elf Stunden nach Eutin, dafür brauche ich richtiges Sitzfleisch. Das wird ein Spaß!, denke ich seufzend. In meinen Ohren habe ich meine Kopfhörer und wie es der Zufall will, läuft gerade der Song Regenbogen von Wincent auf Spotify. Während ich Musik höre, lehnt mein Kopf am Fenster und ich sehe in Gedanken raus. Ich bin echt gespannt, was Wincent mit mir vor hat, dass er mir ein Kleid und Tickets für den kleinen Kurzausflug schenkt. Ich sollte mich wohl einfach überraschen lassen. Immerhin werde ich es wohl früh genug erfahren. Also lasse ich meine Gedanken fallen und entspanne mich einfach nur etwas. Bis ich schließlich einschlafe und in einen kleinen Traum verfalle.
Traum*
Ich fahre lachend auf meinem Skateboard neben Wincent her. Wir haben beide Spaß und er fährt sofort schnell. Sein Blick ist herausfordernd und ich gehe sofort darauf ein. Wir fahren lachend um die Wette, wobei ich sogar gewinne. Nach dem Wettrennen wechselt sich das Bild und ich stehe auf einem Steg, der in die Nordsee führt, und sehe in die Ferne. Dabei genieße ich das vollkommene Gefühl der Stille und Freiheit, bis sich schließlich zwei starke Arme von hinten um meinen Bauch schlingen. Ich erschrecke mich leicht und sehe halb nach hinten und Wincent sieht mich lächelnd an. Auch ich muss lächeln und ehe ich mich versehe, da liegen seine Lippen auf den meinen und er küsst mich.
Traum Ende*
Am Morgen des 29.12.15 schrecke ich schließlich aus meinem Traum und muss mich erst einmal sammeln und ausgiebig strecken, bis ich wach bin. Am Himmel geht gerade die Sonne auf und ich muss lächeln. Mit einem kurzen Blick auf meiner Uhr wird mir klar, dass ich gleich an meinem Ziel angekommen bin.
»Mina!« Wincent ruft vom weiten meinen Namen. Ich laufe grinsend mit meiner Reisetasche bewaffnet auf ihn zu und springe förmlich in seine Arme. »Wincent!«, rufe auch ich und lasse mich von ihm etwas durch die Luft wirbeln, was so rüber kommt, als wären wir ein Paar. Was wir aber definitiv nicht sind! Nachdem er mich runter lässt, sieht er mich lächelnd an und streicht mir eine Strähne aus meinem Gesicht. »Wir haben uns ja echt eine ganze Weile nicht gesehen, hmh?« Ich lächle zurück. »Das ist wahr. Und vielen Dank nochmal für das reizende Geschenk.«, entgegne ich schmunzelnd. Er lächelt nur und kratzt sich leicht am Hinterkopf. »Das war doch nur eine Kleinigkeit unter Freunden.« Ich runzle die Stirn. »Richtig, man schenkt einem Freund einfach ein Kleid und Tickets für eine Hin und Rückfahrt.« Sein Lächeln wird schlagartig gelöscht. »Dir gefällt das Kleid also nicht?« In diesem Moment konnte ich mir in den Arsch treten. »Quatsch! Natürlich mag ich das Kleid! Bitte denk nicht so schlecht von mir. Ich war nur sehr überrascht, da ich nichts für dich hatte.« Jetzt lacht Wincent und macht eine wegwerfende Handbewegung. »Dein Geschenk für mich ist, dass du jetzt hier bist. So und jetzt komm. Du bist bestimmt sehr erschöpft und solltest dich noch etwas ausruhen. Ich brauch auch noch ein paar Stündchen Schlaf.« Ich schmunzle und folge ihm. Er hat mir mein Gepäck wie ein Gentleman abgenommen und gemeinsam gehen wir zu einem Volvo, im typischen Familienkutschen- Stil.
Im Haus ist noch alles still, als wir es betreten. Ich sehe mich als erstes etwas um und entdecke ein paar Fotos von den Familienmitgliedern. Auf einem Bild sieht man einen Jungen, der ein Baby auf dem Arm hält und etwas mürrisch in die Kamera sieht. Und doch spürt man, dass der Junge das Baby liebt. »Das bin ich mit meiner kleinen Schwester Shayenne...« Ich drehe mich etwas erschrocken um und sehe Wincent hinter mir stehen. Ich sehe ihn lächelnd an. »Du siehst ja sehr begeistert aus auf diesem Foto.« Er zuckt leise lachend die Schultern. »Auch wenn es ironisch klingen mag, aber ich bin nicht so der Junge, der sich gerne ablichten lässt.« Ich stutze. »Warum sollte das ironisch sein? Ich mag auch nicht gerne, wenn man Fotos von mir macht.« Er zuckt nur leicht lächelnd mit den Schultern. »Ach, ist nicht so wichtig. Na komm, ich zeig dir dein Zimmer.« Ich folge ihm die Treppe hoch und er führt mich bis fast zum Ende des Flures in ein gemütlich und doch sporadisch eingerichtetes Gästezimmer. »So, dann wünsche ich dir nochmal eine gute Nacht...« Mittlerweile war es fast sechs Uhr. Ich nicke. »Das wünsche ich dir auch, danke.« Wincent nickt und so bleiben wir kurz schweigend vor einander stehen und es entsteht diese peinliche Stille. Wincent sammelt sich als erstes und räuspert sich. »Gut, dann ja...bis später dann.« Er haut leicht am Türrahmen beim Gehen und ich sehe ihm hinterher. Mir erscheint mein Traum wieder vor meinem inneren Auge. Okay, diese Stille war gerade etwas...komisch., denke ich, verwerfe den Gedanken aber wieder und schlüpfe aus meinen Schuhen und meiner Jeans, und lege mich nochmal ins Bett. Ich schlafe schnell ein und dieses Mal sogar traumlos.
Als ich das nächste Mal aufwache und auf mein Handy sehe ist es gerade mal kurz nach acht. Ich lächle leicht müde und schreibe Wincent eine Nachricht. ›Hey, falls du schon wach bist, ich hätte da eine Frage... Wo ist das Bad? Ich würde gerne duschen gehen...‹ Dieses Mal antwortet er nicht sofort. Aber vermutlich schläft er auch noch. Ich habe mir noch schnell eine Jogginghose angezogen und gehe aus meinem Zimmer raus. Unten höre ich schon das Geräusch vom klapperndem Geschirr. Ich entscheide mich dazu, dass ich einfach runter gehen sollte.
»Verzeihung? Frau Weiß?« Ich fühle mich gerade etwas unbehaglich. »Ja?« Die Frau dreht sich lächelnd zu mir um. »Guten Morgen, Mina. Bist du gut bei uns angekommen? Wincent hat schon so viel von dir erzählt. Ich bin seine Mutter Karen. Wir dutzen uns hier alle. Gott, wie unhöflich ich gerade bin. Du hattest eine Frage?« Etwas perplex von der plötzlichen Umarmung und der großen Ansammlung von Worten sehe ich sie etwas peinlich berührt an. »Naja, ich wollte fragen, wo das Bad ist? Ich wolle duschen gehen, wenn es okay ist?« Karen lächelt mich breit strahlend an und ich entdecke in ihr sofort Wincent wieder. »Aber natürlich ist es okay. Ihr Kinder habt euer Bad oben. Am Anfang des Flures auf der rechten Seite von der Treppe.« Ich bedanke mich höflich, gehe schnell nach oben in mein Zimmer und nehme mir frische Klamotten zum Anziehen aus der Tasche und gehe in Richtung Bad. Dort gehe ich so rein und erschrecke mich. Wincent steht nur in Boxershorts am Waschbecken und rasiert sich. Ich stehe wie erstarrt da und starre auf seinem fast nackten Körper. Mensch, Mina! Reiß dich verdammt nochmal zusammen!, schimpft mein Gewissen mit mir. »Gefällt dir was du da siehst?«, fragt Wincent, der mich mit einem Grinsen beschenkt und sein Gesicht abtrocknet. Ich muss hart schlucken. »I ich w wollte nicht s starren. T tut mir l leid. I ich wollte n nur duschen...Ähm tut mir leid, wirklich.« Er lacht und räumt seine Sachen weg, und trägt noch etwas Aftershave auf, ehe er mit seinen zusammen geknüllten Sachen auf den Arm zu mir kommt. »Keine Sorge, es gibt ja nichts an mir, was neu für dich sein könnte. Zumindest ist ja das intimste Körperteil bedeckt.« Er zwinkert und geht an mir vorbei. Ich bleibe vermutlich mit hochrotem Gesicht im Bad zurück und starre ihm nach. Anschließend seufze ich tief aus und lehne meinen Kopf erschöpft an die kalten Fliesen, um mich von den kurzen Schrecken zu erholen. Nachdem ich mich wieder gesammelt habe, ziehe ich mich aus und gehe unter die Dusche, um mir die Reise, sowie die ganze Aufregung vom Körper zu waschen.
Als ich später runter komme sitzt die Familie bereits am Tisch. Auch Wincent sitzt bereits und empfängt mich mit einem warmen Lächeln, wobei ich auch etwas Schelm heraus fischen kann. Sofort wird mein Hals trocken. »Du musst also Mina sein!« Ein älterer Herr steht auf und hält mir seine Hand hin. Er sieht wie eine ältere Ausgabe von Wincent aus und ich merke, dass mir gerade sein Großvater vor mir steht. Meine ausgestreckte Hand ignoriert dieser geflissentlich und nimmt mich so in den Arm, wie seine Mutter es zuvor bereits getan hat. »Mein Name ist Hans Weiß, ich bin der Opa von Wincent und Shayenne. Die sitzt neben meinem Enkel und schmiert sich gerade ihr Nutellabrot. Auf der anderen Seite von ihm darfst du natürlich Platz nehmen. Du sitzt neben mir und die Dame die auf den Platz danach sitzt ist Hildegard meine Frau. Karen kennst du wahrscheinlich schon.« Ich nicke und winke schüchtern in die Menge. Hildegard steht lächelnd auf und umarmt mich ebenfalls. »Wincent, du hast gar nicht gesagt, wie hübsch deine Freundin ist! Ist sie nicht hübsch?«, fragt sie und ich schüttele Shayennes Hand, die sich etwas schüchtern gibt, was ich aber verstehen kann. Ich bin auch icht so der direkte Typ. »Oma, Mina ist nicht meine Freundin. Wir sind nur Freunde.« Anstatt etwas zu sagen, setze ich mich einfach auf meinen Platz. »So und jetzt habt ihr das arme Mädchen genug überfordert. Mina Schätzchen, darf ich dir Kaffee oder Tee anbieten?«
»Deine Familie ist echt...offen und herzlich...« , stelle ich fest, als Wincent und ich am Meer entlang spazieren. Er lacht leicht und fährt durch sein Haar. »Tut mir leid, dass du so überrumpelt wurdest. Meine Familie ist immer so. Ich hätte dich vorwarnen sollen.« Ich lache und stoße ihn etwas mit meiner Hüfte an. »Ist schon gut, du hast eine tolle Familie.« Er lächelt. »Ja, meine Familie ist echt toll. Aber jetzt genug geredet. Komm, wer als letztes beim Steg ist, ist eine lahme Ente!« Ich laufe ihm sofort lachend hinterher. Der Tag hat echt schön gestartet und ich bin schon gespannt, wie die nächsten Tage im Norden sein werden.
Wincent
Ich genieße die Ruhe wirklich sehr und das man mit Mina so gut schweigen kann, finde ich sehr entspannend. Sonst wollen die Mädchen immer mit mir über jede Kleinigkeit reden, was mich schon etwas gestresst hat. Da schweige ich lieber hin und wieder und bin einfach nur mit dem Mädchen unterwegs, mit dem ich befreundet bin oder mit dem ich was habe. »Zeig mir bitte deine Welt!« Ich sehe Mina an und sie lächelt. »Wie meinst du das?«, frage ich jetzt. »Na, ich möchte, dass du mir Eutin zeigst, deine Schule, deine Lieblingsplätze wo du mit deinen Freunden gechillt hast. Einfach alles!« Ich lache. »Ich wollte dir morgen sogar wirklich etwas die Stadt zeigen. Heute solltest du erstmal ankommen und den Tag ruhiger genießen. Aber was ich dir sagen kann ist, dass der Steg zu meinen Lieblingsplätzen gehört.« , erkläre ich zwinkernd. Ich lächle.«
»Na gut. Ich freue mich.« Ich grinse zufrieden. »Dann haben wir es geklärt.« Sie nickt gut gelaunt und lässt ihren Blick in die Ferne schweifen. Ich beobachte sie und muss lächeln. Kann das sein, dass da jemand am Schwärmen ist?, höre ich mein Gewissen sagen. Quatsch, wir sind nur Freunde!, widerspreche ich in Gedanken und lehne mich seufzend nach hinten und schließe etwas meine Augen. Dabei verschwinde ich in einem Tagtraum.
Traum*
Ich sehe Mina, die auf dem Steg steht, der in die Ostsee führt. Ich lächle und schleiche mich leise von hinten an sie heran und lege meine Arme um ihren Bauch. Sie zuckt leicht erschrocken zusammen und sieht halb in meine Richtung. Ich sehe sie lächelnd an und lege meinen Kopf dabei auf ihrer Schulter. Auch sie lächelt und unsere Augen sind auf einander fixiert. Und ehe ich mich versehe, da lege ich meine Lippen auch schon auf den ihren und küsse sie.
Traum Ende*
Was war das denn?, frage ich mich gedanklich und schüttele kurz meinen Kopf, um mich zu sammeln. »Ist alles okay?«, so reißt sie mich aus meinen Gedanken und sieht mich amüsiert an. Ich sehe sie verwirrt an. »Ja klar, warum sollte nichts okay sein?« Sie lächelt. »Du wirkst so verträumt.« Ich räuspere mich leicht und spüre, dass mein Gesicht vor Scham etwas heiß wird. »Nein, Nein. Bei mir ist alles in Ordnung. Mach dir da mal keine Gedanken, okay?« Mina zuckt mit den Schultern und sieht wieder in die Ferne. Ich beobachte sie leicht lächelnd von der Seite und erinnere mich wieder an den Traum zurück. Der Kuss hatte sich sehr schön angefühlt. So sanft und warm, und irgendwie sehr liebevoll. Aber was mich verwirrt ist, dass ich gerade eigentlich keine Beziehung haben will. Nicht nachdem meine letzte Freundin mich vor meinem Umzug nach München so scheiße behandelt hat. Und doch habe ich das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit, wenn ich mit Mina zusammen bin, was schon etwas erschreckend ist. Da ist wohl doch jemand verliebt., stellt mein inneres Ich fest. Wieder streite ich es in Gedanken ab. Das bin ich definitiv nicht!, denke ich und wende mich wieder an Mina. »Wollen wir wieder nach Hause? Es wird doch bestimmt etwas kühl.« Sie sieht zu mir und nickt. »Gerne, dann sollten wir los.« Wir beide stehen auf und gehen gemeinsam zum Auto, womit wir gemeinsam nach Hause fahren.
Als wir bei meiner Mutter Zuhause ankommen sitzen meine Großeltern mit Shayenne am Esstisch und spielen Karten. Meine Mutter ist nicht da. »Wo ist Mama?«, frage ich Opa. »Sie muss heute nochmal arbeiten. Kommt Kinder, setzt euch doch. Ihr könnt gleich mit uns etwas Mau Mau spielen.« Shayenne zeigt auf den Stuhl neben sich. »Winnie sitzt neben mir!« Ich lache und tue sofort was meine kleine Schwester möchte. Mina setzt sich schmunzelnd auf meiner anderen Seite. Sie legt ihren Arm auf meiner Schulter und grinst mich von der Seite aus an. »Winnie also?«, fragt sie amüsiert und ich verdrehe leicht meine Augen. »Ja, meine kleine Schwester nennt mich gerne so. Aber ich mag den Spitznamen nicht sonderlich.« Sie lacht leicht. »Das kann ich verstehen. Ich würde auch nicht gerne wie Winnie Pooh genannt werden.«, sagt sie und wuschelt durch mein Haar. Ich zucke lachend zurück. »Hey meine Frisur!« Mina kichert. »Bist du ein Mädchen, oder was?« , fragt sie mich. »Hey, nicht sabbeln, wir wollen jetzt Mau Mau spielen. Mina darf die Karten mischen und austeilen.« Wir lachen und Mina nimmt sich die Karten und erfüllt ihre Aufgaben.
Mina
So am frühen Nachmittag ziehe ich mich etwas zurück und rufe Zuhause an, was ich am Morgen echt vergessen habe. Aber Gott sei Dank ist meine Mutter nicht beleidigt. Ich sage ihr, dass ich sicher bei Wincent angekommen bin und erzähle ihr auch, dass wir am Steg waren. Nachdem wir danach noch etwas geredet haben legen wir auf und gehe aus dem Zimmer. Ich nehme Gitarrenklänge wahr. Wincent ist in seinem Zimmer und spielt auf seiner Gitarre, und singt dabei. Vor ihm liegt ein kleines schwarzes Buch. Ich lehne mich im Türrahmen und lausche seiner Stimme, die leicht rauh klingt.
»Ich fühle es noch als wär' es gestern
Du hast mich jeden Morgen wachgeküsst
Ich seh' dich noch als wär' es gestern
Wie du verplant mit dir selber sprichst
Mit Leichtigkeit und einem Lächeln
Hast du meine Fehler übersehen
In unsren eigenen acht Wänden
War ein Ende nie abzusehen.«
»Was kann die Zeit für ein Arschloch sein?«
»Ich fühl' mich herzlos, wenn du mich vermisst.
Aber ich weiß, dass es so besser ist
Ich lass dein Herz los, ich lasse es ziehen.
Da draußen ist jemand, der es verdient.
Fang an zu leben, geh raus in die Welt
Auch wenn der Gedanke mich daran schon quält.
Ich wünsch' dir das Beste und noch so viel mehr.
Dich gehen zu lassen fällt mir schwer
Fällt mir so schwer...«
Er scheint gemerkt zu haben, dass ich ihm zuhöre, denn er hört umgehend auf und sieht auf. Braune Augen treffen auf Grün. »Wie lange stehst du schon da?«, fragt er. Ich komme zu ihn ins Zimmer und sehe ihn entschuldigend an, als ich mich auf sein Bett setze. »Du singst echt schön.« Er beißt seine Kiefer auf einander. »Fang jetzt bitte nicht wieder mit diesem Thema an, Mina. Nicht heute, bitte.« Ich sehe ihn verständnislos an. »Aber warum nicht? Du hast richtiges Talent und das weißt du.« Wincent seufzt und sieht mich an. »Hör zu, Mina. Übermorgen ist Silvester und ich möchte dieses Jahr entspannt abschließen, mit dir und meiner Familie und meinen Freunden. Und das ohne Groll. Ist das okay?« Ich nicke. »Ja, ist gut. Ich habe verstanden.« Jetzt hellt sich sein Gesicht wieder auf und er spielt extra nochmal den Song Musik sein für mich. Ich schaue ihm beim Spielen zu und lausche seiner Stimme, die wirklich bühnenreif ist.
30.12.15
Mina
Am nächsten Morgen komme ich gerade frisch geduscht aus dem Bad, als mir Wincent entgegen kommt. Ich werde sofort rot, da ich nur ein Handtuch um meinen schmalen Körper trage. Mist, ich muss daran denken, dass ich nicht Zuhause bin. Schalt doch einfach mal dein Hirn ein, Mina!, schimpfe ich mit mir in Gedanken. »Hey...«, murmle ich verlegen und sehe zu ihm hoch. Er sieht mir fest in die Augen. »Hey Mina. Gut geschlafen?« Ich lächle leicht verlegen und fasse kurz an den Turban, was ich mir um mein nasses Haar gebunden habe. Mit der anderen Hand halte ich de Knoten vom Handtuch fest, damit es sich nicht im überraschendem Moment lösen kann. »Ja, das habe ich. Und du?« Er zeigt mir beim Lächeln wieder seine strahlend weißen Zähne. »Ein hübsches Mädchen ist in meiner Nähe. Also, was glaubst du denn?« Im einen Moment denke ich wie süß das klingt, bis mir klar wird, was das bedeutet. Ich boxe strafend seine Brust. »Hey, das tat weh. Wofür war das denn?«, fragt er und reibt sich leicht verschmitzt lächelnd seine Brust. »Du hast dir doch nicht auf meinen Kosten...«, fange ich an und er sieht mich kurz wie perplex an, ehe er laut losprustend auflacht. »Du glaubst, dass ich mir auf deinen Kosten einen...Dein Ernst? Mina, das würde ich nie tun!« Mein Gesicht fühlt sich kochend heiß an. »T tut mir Leid, aber deine Aussage klang so danach...« Er beruhigt sich lachend. »Also, wenn ich diese Gelüste habe, dann mache ich es erstens nicht auf Kosten von einer Freundin und zweitens nicht im Hause meiner Mutter. Und drittens mache ich es wenn ganz klassisch unter der Dusche, beziehungsweise nachts im Bett. Also Mina, du amüsierst mich gerade.« Während er das sagt, wünsche ich mir, dass sich der Erdboden unter meinen Füßen öffnet und mich umgehend verschluckt. Wincent sieht mich grinsend an. »Ich meinte damit lediglich, weil mich deine Anwesenheit beruhigt und ich dich wirklich hübsch finde. Ich meine es aus harmlosen Gründen.« »I ich sollte mich jetzt anziehen gehen. Gleich wird es bestimmt Frühstück geben und ich will nicht, dass mich Shayenne oder deine Mutter so sieht.« So flüchte ich schnell ins Gästezimmer. Verdammt, das war so peinlich! Wie komme ich nur auf eine so dumme Idee??, denke ich und lasse mich seufzend auf das Bett fallen.
Als ich gerade am Frühstückstisch sitze, kommt kurz darauf Wincent gut gelaunt runter. Ich muss sofort an seine Erklärung denken und verschlucke mich etwas an meinem Kaffee. Wincents Großmutter Hildegard klopft mir besorgt den Rücken. Ich nicke und huste leicht. »Ja, bitte machen Sie sich keine Sorgen.« Sie lächelt. »Dann bin ich ja beruhigt, aber bitte lass das Siezen. Ich fühle mich noch nicht so alt dafür.« Ich nicke leicht lächelnd und als ich zu Wincent sehe, bemerke ich, dass er mich leicht grinsend beobachtet. Ich versuche ihm mit meinen Blicken zu sagen, dass er mich nicht so ansehen soll. Er antwortet ebenfalls mit seinen Blicken, dass er weiß, weswegen ich mich verschluckt habe. Daraufhin verdrehe ich meine Augen und unterhalte mich weiter mit seiner liebevollen Großmutter und zeige ihrem Enkelsohn die kalte Schulter.
Nach dem Frühstück habe ich mich dafür bereit erklärt den Abwasch zu erledigen. Dabei denke ich nach. Ich habe mich wirklich wie ein Idiot benommen. Wie komme ich nur auf so eine dumme Idee. Ach jetzt halt mal den Ball flach, Mina. Es ist ja nicht so, dass er sauer auf dich wäre., meldet sich nun mein Gewissen. Ich seufze leise auf. »Hey, wieder alles gut?« Ich zucke erschrocken zusammen, als Wincent neben mir auftaucht. Ich sehe ihn an und zucke mit den Schultern. »Natürlich ist alles mit mir okay. Und bei dir?«, frage ich zurück. Er grinst. »Bei mir ist immer alles okay. Wollen wir dann gleich etwas Eutin erkunden? Vielleicht können wir ja auch Marco treffen.« Ich sehe ihn verwirrt an, als er sich dazu entschließt das Geschirr abzutrocknen. »Wer ist Marco?« Er grinst erneut und stellt den Becher auf die Arbeitsfläche ab. »Er ist mein bester Freund aus Kindheitszeiten. Wir kennen seit 21 Jahren.« Ich rechne kurz in Gedanken nach. »Wie süß, dann kennt ihr euch ja schon von Anfang an.« Er nickt grinsend und räumt das restliche Geschirr weg. »So, dann ruf ich Marco mal an und kläre es ab.«
Kurz darauf sitzen wir auch schon im Auto und fahren zu Marco. Ich muss zugeben, dass ich etwas nervös bin, da ich bisher noch keinen von seinen Freunden kannte.
Wincent steuert das Auto auf den Parkplatz und wir halten schließlich. »So, hier sind wir nun.«, er lächelt mich an, als er das sagt. Ich nicke lediglich. Was ist, wenn er mich nicht mag? Wenn er glaubt, dass ich eine Zicke bin? Oder dass ich als Freundin nicht zu Wincent passe?, diese Fragen schwirren mir gerade durch den Kopf. »Hey, alles gut?«, fragt Wincent und sieht mich an. Ich nicke und lächle leicht. »Ja, ich bin nur etwas nervös. Immerhin lerne ich zum ersten Mal einen deiner Freunde kennen. Und dann gleich den Besten.« Wincent lacht. »Mina, du bist echt süß. Marco ist sehr lieb. Er mag erstmal alle. Nur wenn du einen scheiß Charakter hättest, was nicht zutrifft, dann würde er dich ablehnen. Marco ist ein sehr cooler Mensch und mag erstmal jeden, den ich ihn vorstelle.« Ich nicke. Das klingt ja echt beruhigend., stelle ich in Gedanken fest und folge Wincent nach dem Aussteigen zur Tür.
Marco ist groß, etwas korpulenter und hat kurzes, braunes Haar. Seine Augen sind blau und strahlen mich freundlich an, als ich seine Hand schüttle. »Schön dich endlich kennen zu lernen, Mina! Der Winnie hat schon viel von dir erzählt... Aua!« Ich sehe Wincent, wie er seinem Freund eine Nackenschelle verpasst. »Du Labertasche. Dir darf man gar nichts erzählen, was?« Hinterher lacht er und auch Marco grinst seinen Kumpel breit an. »Ich sag doch nicht was du alles erzählst.« Jetzt mische ich mich mal ein.
»Nur gutes hoffe ich?« , frage ich an Beide gerichtet. Marco lächelt. »Natürlich! Er lässt kein schlechtes Haar an dir aus. Das glaub mir mal. Nicht wahr, Winnie Pooh?« Ich zucke leicht erschrocken zusammen, als Wincent ihn lachend in den Schwitzkasten nimmt und mit seiner Faust seinen Kopf massiert. »Halt die Klappe!« Auch Marco lacht und befreit sich locker aus dem Griff. »Ja, ist ja schon gut.«
»Du machst also eine Lehre zur Friseurin?« Wir sitzen gerade im Wohnzimmer seines Elternhauses und er bringt uns Kaffee und Tee an den Tisch. »Ja, aber das hat dir Wincent bestimmt schon gesagt.«, antworte ich lächelnd. »Ja und er sagte mir auch, dass du schon mal seine Haare geschnitten hast. Würdest du es vielleicht auch mal bei mir machen? Natürlich, wenn sie wieder länger sind. Ich war gerade erst beim Friseur.« Ich nicke lächelnd. »Wenn ich dann hier bin oder du in München, dann kannst du gerne mal zu mir auf die Arbeit kommen.« Marco nickt zufrieden. »Dann sehen wir uns ja bald.« Ich nicke lächelnd. »Gut, ich freu mich.«
Wir haben den ganzen restlichen Tag noch mit Marco verbracht. Beide haben mir ihre alte Schule gezeigt und ihre Lieblingsplätze. Und dabei ist die Zeit wie im Flug vergangen, so das es Zeit wurde, wieder nach Hause zu fahren.
»Vielen Dank für den Tag, Marco. Es hat mich gefreut dich kennen zu lernen.«, ich nehme ihn in den Arm, was er zum Glück nicht ablehnt. Aber Wincent sagte ja, dass er sehr herzlich ist. »Die Freude ist ganz meiner Seits. Wir sehen uns bestimmt bald wieder.« Nachdem er das sagt, sieht er Wincent noch einmal an, der seinen Blick etwas warnend erwidert. Anschließend verabschieden auch die Beiden sich und wir steigen ins Auto, um wieder zurück zu fahren. Was am nächsten Tag passiert, das werdet ihr noch früh genug erfahren.
Wincent
Ich muss schon zugeben, dass ich etwas nervös gewesen bin, was Marcos Reaktion auf Mina betrifft. Auch wenn ich weiß, dass er sehr offen ist, hatte ich kurz die Zweifel, ob er Mina akzeptiert. Dadurch hat es mich daher noch umso mehr gefreut, dass die Beiden sich auf Anhieb verstanden haben. Und meine Bedenken wurden somit aus dem Weg geräumt. Und so höre ich jetzt auf, darüber nach zu denken und konzentriere mich auf die Straße.
Zuhause angekommen merken wir, dass alle aus geflogen sind. Okay, dann sind wir wohl allein., denke ich und folge Mina ins Haus. »Was wollen wir machen?«, fragt sie und sieht mich an. Ich denke kurz nach. »Naja, wir könnten uns etwas zu essen machen und es dann gemütlich vor dem Fernseher essen. Und dann können wir noch ein oder zwei Filme schauen. Und wir chillen gemütlich.«, schlage ich lächelnd vor. Sie lächelt. »Das klingt gut. Woran hast du denn gedacht?« Wieder denke ich nach. »Also eine Idee habe ich jetzt nicht wirklich, aber wir können ja schauen, was der Kühlschrank zu bieten hat.« Ich gehe in die Küche und schaue nach. Hmmmmh, die Sachen scheinen alle schon für morgen zu sein... »Ich glaube, dass wir mit einer Pizza vorlieb nehmen müssen.« Mina zuckt lächelnd mit den Schultern. »Ist auch okay. Wir wollen ja nicht die Sachen für morgen nehmen.« Ich nicke und nehme den Flyer vom Lieferservice und rufe an, um uns die Pizzen zu bestellen.
Nachdem ich das erledigt habe, setze ich mich zu ihr auf die Couch und sehe sie an. »Sag mal, da wir alleine sind. Wie gefällt es dir genau bei meiner Familie?« Mina dreht sich ebenfalls in meine Richtung und spielt an ihren Fingern herum. »Ich finde deine Familie echt toll. Und man merkt einfach, dass ihr euch sehr nah steht. Besonders bei dir und deinem Großvater.« Ich nicke leicht lächelnd und sehe auf meine Hände. »Alles gut?«, fragt sie nach und legt eine Hand auf meine. Ich bekomme sofort einen leichten Stromschlag, der durch meinen gesamten Körper zieht. »Ja...Ich musste nur kurz nach denken. Das ist alles.« Mina legt ihren Kopf schief. »Worüber denn?« Ich sehe wieder auf und sehe in ihre Augen. »Naja, ich weiß eigentlich nicht warum ich dir das jetzt sage...aber ich spüre irgendwie, dass ich dir vertrauen kann, obwohl wir uns jetzt schon etwas länger kennen.« Ich nicke. »Du musst es mir nicht sagen, Wincent. Ich verstehe dich und naja, wir kennen uns wahrscheinlich auch noch nicht lang genug, um solche Geheimnisse preis zu geben, wie du gerade eines hast.« Ich sehe Mina an. »Deswegen hadere ich nicht. Ich meine, auch wenn wir uns noch nicht so lange kennen, habe ich das Gefühl, dass ich dir blind trauen kann. Verstehst du jetzt was ich meine?« Mina nickt erneut und rutscht etwas näher zu mir hin. Sie legt ihre Hand jetzt ganz auf meine und streichelt sie sanft. Ich bekomme eine Gänsehaut. »Du kannst mir wirklich...vertrauen. Ich verrate niemanden etwas. Versprochen.« Ich lasse meine Kiefer mahlen und nicke, dabei sehe ich auf unsere Hände. Das Gefühl Ihrer Hand auf meiner ist sehr schön, auch wenn es etwas ungewohnt für mich ist. »Du kannst es mir erzählen, wenn du bereit bist. Ja?« Ich nicke und lächle sie leicht an. »Danke.« Auch sie lächelt. »Dafür nicht.« Ich seufze und sehe ihr in die Augen. Unsere Köpfe kommen sich langsam immer näher und ich kann es nicht unterdrücken. Es ist so, als wäre eine magnetische Kraft zwischen uns. Keiner scheint es zu unterbrechen wollen. Unsere Köpfe sind jetzt nur noch soweit von einander entfernt, dass lediglich ein Stück Papier zwischen ihnen passt. Verdammt, warum zieht sich keiner von uns zurück? Wir dürfen uns nicht küssen. Wir sind nur Freunde. Mehr nicht., denke ich gerade.
Während wir uns in die Augen sehen und der minimale Abstand noch ein ganz kleines Stück kleiner wird, ertönt genau im richtigen Moment die Klingel. Schnell erhebe ich mich räuspernd. »Ich hole schnell unser Essen. Such du doch schon mal einen Film aus.«, sage ich und reiche ihr die Fernbedienung. Mina nickt. »Bis gleich.«, sagt sie nur. Ich nicke und gehe zur Tür.
Mina
Als er weg ist, atme ich kurz aus und und fahre mir durch mein Haar. Wir haben uns wirklich fast geküsst. Das war echt verdammt knapp. Ich seufze und warte darauf, dass er wieder kommt.
»So, hier bin ich wieder. Einmal Funghi/ Hawaii beide Sorten halb halb für dich und für mich Margherita und Salami halb halb für mich.« Wincent grinst und setzt sich wieder zu mir hin. »Uuuuh, das hört sich lecker an. Und lecker sieht sie auch aus.«, stelle ich grinsend fest. »Ohja, das ist der beste Italiener in ganz Eutin. Wir bestellen da immer.« Ich nicke und nehme ein Stück. »Guten Appetit, Wincent.« Er erwidert meinen Wunsch. »Dir auch einen guten Appetit, Mina.« Ich nicke leicht lächelnd und beginne zu essen. Dabei fällt mir auf, dass die Spannung zwischen uns in diesem Moment sehr greifbar ist. Es fühlt sich gerade echt stocksteif an. Wie kann man die Stimmung wieder lösen? »Magst du vielleicht auch ein Bier?« So reißt er mich ungehofft aus meinen Gedanken. »Klar, gerne.«, antworte ich lächelnd und sehe wieder auf den Fernseher. »Gut.« Er steht wieder auf und geht in die Küche.
»So, ich habe uns beiden ein Haake Beck geholt. Anderes haben wir leider nicht da.« Ich zucke mit den Schultern. »Es ist okay. Ich bin nicht so wählerisch.« Er setzt sich zu mir und gibt mir meine Dose. »Gut, dann lass uns anstoßen, hmh?« Ich nicke und nehme meine Dose und halte es in seine Richtung. Er
lässt seine Dose gegen meine prallen. Dabei sehen wir uns natürlich wieder in die Augen und ich muss schlucken, da ich ein Gefühl bekomme, was nicht wirklich angemessen ist. Ich unterdrücke es daher und konzentriere mich wieder auf den Fernseher und auf meine Pizza, sowie auf das Bier.
31.12.15
Mina
Ich streiche mehrmals über mein Kleid und sehe mich bewundernd im Spiegel an. Wincent hat einen sehr guten Geschmack was Mode angeht, dass muss man ihn lassen. Ich sehe sehr elegant aus. Nur mit meinen Haaren bin ich noch nicht ganz zu 100% zufrieden. Es stellt sich mir nämlich die Frage: Trage ich sie offen oder stecke ich sie hoch?
»Ich würde sie in Wellen offen tragen.« Ich drehe mich erschrocken um und entdecke Wincents Mutter im Türrahmen gelehnt stehen. Sie kommt lächelnd zu mir und streicht über mein Haar. »Dürfte ich kurz mit dir reden? Von Frau zu Frau?« Ich nicke nur und setze mich neben sie auf das Bett. »Was gibt es denn?«, frage ich sie. Karen räuspert sich und streicht an ihre. Hals entlang. »Es geht um meinen Sohn.« Ich runzle die Stirn. »Was ist mit ihm?« Ein zaghaftes Lächeln erscheint jetzt auf ihren Lippen. »Ich weiß nicht, ob du es bemerkt hast. Aber er ist in deiner Nähe so entspannt und fröhlich. Ich habe ihn seit Monaten nicht so glücklich erlebt wie er es jetzt ist.« Ich sehe sie jetzt verwirrter an als vorher. »Ja und? Ich verstehe nicht ganz worauf du hinaus möchtest.« Sie seufzt lächelnd und sieht mich einfach nur an. »Ich möchte, dass es so bleibt, deswegen bitte ich dich: Zeig ihm was Liebe bedeutet. Gib ihm das Gefühl, dass du mehr als nur eine gute Freundin bist. Bitte Mina, ich möchte, dass er wieder unbeschwert lachen und sein Leben genießen kann. Und ich spüre einfach, dass ihr Beide mehr für einander empfindet, als nur freundschaftliche Gefühle. Ich merke wie gewaltig es zwischen euch knistert.« Ich schüttle verwirrt meinen Kopf. »Du willst, dass ich...mit Wincent anbandel? So ganz ohne Gefühle?« Sie schüttelt den Kopf. »Ich weiß, dass ihr beide für einander Gefühle hegt. Ich merke das. Ihr wollt es nur nicht zugeben. Besonders mein Sohn ist was das angeht sehr verschlossen.« »Aber das ist doch nicht meine Schuld.« Wieder schüttelt sie den Kopf. »Das sagte ich auch nicht. Das war seine Ex. Sie hat ihm unglaublich weh getan, bevor er nach München zog. Er wollte ihr einen Antrag machen... Und sie hat ihn nicht nur abgelehnt, sondern auch noch betrogen. Mit irgend einem Typen, den sie in der Nacht zuvor in einer Kneipe aufgegabelt hat. Er war am Boden zerstört. Erst seit dem er dich kennt...er kann lachen, zeigt wieder seine Freude und du animierst ihn sogar dazu weiter mit der Musik zu machen.« Ich muss mich räuspern. »Was das angeht, ich versuche es. Aber er ist echt stur. Ich meine, es ist sein großer Traum und er will nicht weiter machen. Dabei hat er schon einen Song raus gebracht und einen weiteren Song geschrieben.« Und anscheinend noch einen Song mehr., füge ich in Gedanken hinzu. Seine Mutter lächelt. »Bitte Mina. Versuche es. Ihr wärt echt ein süßes Paar.« Ich schüttele den Kopf. »Es tut mir leid, Karten. Selbst wenn ich es wollte, ich kann es nicht. Entweder kommt es von selbst oder gar nicht. Ich möchte nicht verkuppelt werden und das sieht Wincent bestimmt auch so. Wenn du mich bitte entschuldigen würdest, ich möchte mich zu Ende frisieren.« Karen drückt nochmal meine Hand und steht auf. »Tut mir leid, wenn ich dir zu nah getreten bin. Es war ein Versuch wert.« Ich nicke. »Bist du nicht, ich möchte es nur nicht. Für mich ist er halt nur ein Freund. Das musst du verstehen.« Wieder nickt sie und lässt mich allein. Ich seufze aus und fahre mit meinem Herrichten fort.
Mina
Nach diesem komischen Gespräch komme ich runter und sehe Wincent, der mit dem Rücken zu mir steht. Er trägt eine schwarze Jeans und ein schwarzes Hemd. »Verzeihung?«, frage ich lächelnd und tippe ihn von hinten auf die Schulter. Er dreht sich um und sofort fängt er an zu strahlen. »Mina, wow! Du siehst wunderschön aus!« Ich lächle verlegen und lasse mich von ihm unterhalb seines Armes durch drehen. »Vielen Dank für das Kompliment.«, entgegne ich lächelnd. »Du siehst auch sehr gut aus.«, füge ich lächelnd hinzu. Er lacht. »Vielen lieben Dank. Wollen wir dann los?« Ich nicke lächelnd und hake mich bei ihm unter. Sein Großvater folgt uns mit dem Schlüssel. »Ich fahre euch. Wincent meint, dass ihr wahrscheinlich heute Nacht nicht nach Hause kommen werdet. Wenn doch, dann ruft vorher an. Ich hole euch dann ab.« Ich sehe kurz zu Wincent. »Wir kommen nicht nach Hause?« Er zuckt mit den Schultern. »Ja, mal sehen wie lange wir weg bleiben. Immerhin ist heute Abend Silvester. Da ist man nicht so früh wieder zurück.« Ich lächle nur und gehe mit ihm und Hans zum Auto. Dort öffnet er mir die hintere Tür und lässt mich einsteigen, ehe er sich zu mir setzt. Wir schnallen uns alle an und los geht die Fahrt.
»Bitte meldet euch wirklich, wenn ich euch abholen soll.« Wincent lächelt seinen Großvater an. »Opa, ich bin 22 Jahre alt. Wir schaffen das schon. Ich passe auf Mina auf. Mach dir keine Sorgen.« Hans nickt. »Gut, tut mir Leid, Großer. Aber manchmal sehe ich in dir noch meinen kleinen Jungen, der mit mir angeln geht.« Ich beobachte gerührt, wie die Beiden sich umarmen. »Und das werden wir Neujahr machen, wie jedes Jahr. Bis nachher.« Er löst sich und steigt mit mir aus dem Wagen aus. »So, dann wollen wir mal rein, hmh?« Ich nicke lächelnd und gehe mit ihm mit.
Ich sehe ihn staunend an, als wir das Haus von Marcos Eltern betreten. Wincent grinst frech. »Habe ich nicht erwähnt, dass wir auf einer Silvesterparty gehen?« Ich verneine es Kopf schüttelnd. »Nein, aber ich hätte mir denken sollen, dass irgend etwas in der Richtung kommt.« Er nickt grinsend. »Eben und jetzt haben wir genug geredet. Jetzt wird gefeiert!« Ich folge ihm lachend und wir suchen als erstes Marco, um ihn zu begrüßen. »Heeeey, Wincent und die kleine Friseurin sind da!« Marco grinst und umarmt uns beide gleichzeitig. »Mina, du siehst wunderbar aus! Das Kleid steht dir ausgezeichnet!«, fügt er noch grinsend hinzu. »Vielen Dank für das Kompliment. Wincent hat das Kleid ausgesucht. Es war ein Weihnachtsgeschenk.« Marco nickt wissend. »Ich weiß. Ich wollte es nur nochmal sagen, da ich Wincent bei der Suche geholfen habe.« »Jaja, du Sabbeltasche. Mina, hör nicht auf ihn. Er war nur meine Begleitung.« Ich lache und küsse unüberlegt seine Wange. Als ich es merke, löse ich mich schnell wieder und wir sehen uns an. Er beißt seine Kiefer auf einander, lächelt aber leicht. Anschließend geht er zu Marco. »So, wir holen uns mal ein Bier. Mina, wir kommen gleich wieder.« Ich sehe den Beiden nur überrascht nach und warte wie abgestellt und nicht wieder abgeholt auf seine Rückkehr.
Wincent
»Also gut, Winnie. Wann sagst du ihr endlich, dass du volle Kanne auf sie stehst?«, fragt Marco, als wir in der Küche stehen und er zwei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank holt. Ich sehe ihn überrascht an. »Ich weiß echt nicht was du meinst.« Marco verdreht seine Augen. »Ach komm, ich bin nicht blind. Es merkt doch ein Blinder mit Krückstock, dass du sie am liebsten...« Ich verpasse ihn sofort einen Schlag auf die Schulter. »Halt die Klappe, Marco! Mina ist nicht so wie die anderen. Ich benutze sie doch nicht für eine Nacht.« Marco lacht prustend los. »Ach nein? Ich sehe doch, wie du sie förmlich ausziehst mit deinen Blicken.« Ich muss lachen. »Jaja, übertreib mal nicht! Ich gehe jetzt wieder zu ihr und hör auf so einen Mist zu labern.« Mit den Worten verlasse ich die Küche und gehe zu Mina zurück, die sich gerade auf die Couch gesetzt hat und sich mit einen alten Klassenkameraden von mir unterhält.
»Hey na? Amüsierst du dich?« Mina zuckt leicht die Schultern. »Ja, geht ne? Du hast mich nur direkt allein gelassen. Aber ich habe jemanden zum quatschen gefunden, also denke ich schon, dass ich mich amüsiere.« Ouh, habe ich jetzt also wieder etwas falsch gemacht? »Das tut mir auch echt leid. Ähm, möchtest du etwas trinken oder essen? Oder wollen wir uns umsehen, oder etwas tanzen?« Mina sieht mich weiterhin nur an. »Du weißt doch, dass ich nicht tanzen kann.« Ich lache und auch dieses Mal lasse ich die Ausrede nicht gelten. »Ach, das trifft doch so gut wie auf jeden hier zu. Na komm, wir gehen jetzt tanzen. Ich lasse kein Nein zu.« Ohne weiteres ziehe ich sie sanft hinter mir hier nach draußen in den Garten, wo ein alter Schulfreund von mir den Hobby-DJ spielt. Es ist Manuel Weber, wie ich ihn gerade erkenne und winke ihm zurück. »Kennst du hier alle?«, fragt Mina mich jetzt. Ich zucke mit den Schultern und tanze mit ihr. »Bis vielleicht auf eine Hand voll, ja. Schlimm?« Sie schüttelt den Kopf. »Quatsch, ich wusste nur nicht, dass ich jetzt fast deinen kompletten Freundeskreis kennen lernen würde.« Ich lache. »Naja, es sind alles Schulkameraden aber zu meinen Freunden zähle ich vielleicht nur Marco, Manuel und dich. Ich hab nicht viele Freunde, aber diese paar reichen mir. Ich hab lieber eine Handvoll wahre Freunde, als tausende falsche, verstehst du?« Mina nickt. »Ja, das verstehe ich. Und ich finde es schön, dass du mich zu der Handvoll dazu zählst.« Ich grinse und lasse sie unter meiner Hand hindurch tanzen. »Du darfst dich auch geehrt fühlen. Immerhin kennen wir uns nur ein paar Monate, aber ich habe das Gefühl, als würde ich dich schon viel länger kennen.« Jetzt sehen wir uns wieder etwas länger an, bis mich eines der Gäste ablenkt und uns etwas zu trinken in die Hand drückt.
-31.12.15, 23:50 Uhr-
Mina
In zehn Minuten ist es so weit. In zehn Minuten beginnt das neue Jahr. Und ich fühle mich gerade wie beflügelt. Es ist alles so leicht und ich schwebe auf Füßen durch den Garten, als würde ich auf Wolken schweben. Als gäbe es keine Hindernisse mehr für mich. Als könnte ich alles erreichen, was ich nur will. So fühle ich mich gerade. 2016 wird sich alles ändern. Ich werde mich komplett neu erfinden. Mich in erster Linie vor allem nur auf meine Ausbildung konzentrieren und mich gegen meine Eltern auflehnen. Sie sollen merken, dass ich nicht ihre Angestellte, sondern ihre Tochter bin.
»Mina, komm da runter. Wir wollen gleich auf das neue Jahr anstoßen. Der Countdown fängt gleich an.« So werde ich aus meiner Trance raus gerissen und ich sehe vom Baum aus runter zu Wincent. Ich hatte nicht bemerkt, dass ich auf den Baum geklettert bin und mich im alten Baumhaus von Marco befinde. Ich kichere und setze mich auf den Boden hin. »Fängst du mich denn auf?«, frage ich zurück und bemerke, wie belegt meine Stimme klingt. Er nickt lächelnd und hält mir seine Arme entgegen gestreckt. »Lass dich fallen. Ich fange dich auf.« Ich nicke und atme tief ein und aus, rutsche zum Rand und lass mich schließlich wie ein Sack Mehl zu Boden fallen, direkt in seine Arme. Er grinst mich an. »Mir fällt immer wieder auf, dass du echt leicht bist.« Ich lache und haue seine Brust. »Halt die Klappe und lass uns jetzt zu den anderen gehen. Ich will den Countdown nicht verpassen.« Wincent lacht und geht los.
Wir kommen gerade noch pünktlich, da es noch eine halbe Minute bis Mitternacht war. Er lässt mich runter und wir gehen zu der Menge, die sich schon im Garten versammelt hat. »10...9...8...7...6...5...4...3...2...1...
Frohes neues Jahr 2016!«, schreien alle beseelt in Richtung Himmel und als ich sehe, wie sich die verschiedenen Pärchen küssen, da kommt es einfach über mich und ich ziehe Wincent an mich heran, ziehe mich an ihm hoch und küsse ihn.
Wincent
Ich reiße meine Augen erschrocken auf, als sich ihre Lippen auf meine legen. Und doch bewegen sich meine Lippen ganz automatisch mit ihren und erwidere ihren Kuss genau so wie sie ihn begonnen hat. Dabei verschwindet alles um uns herum und ich sehe nur sie, wie sie mich küssend in meinen Armen liegt. Um uns herum sehe ich lediglich die Funken von den Feuerwerkskörpern, die bei der Explosion entstehen. Wie ein Feuerwerk..., denke ich in diesem Moment und ziehe sie noch viel enger an mich heran und lasse meine Zunge an ihrer Unterlippe entlang streichen, um sie um Einlass zu bitten. Diesen gewährt sie mir sofort und so gleitet meine Zunge in ihren Mund und umspielt ihre.
Wir lösen uns keuchend von einander. »Wow, Mina... Ich... Verdammt, was war das hier gerade?«, frage ich sie und versuche meinen Atem wieder zu beruhigen. Mina grinst und wischt sich an den Mundwinkeln entlang. »Also, so weit ich weiß, war das ein sehr intensiver Kuss... würde ich zumindest sagen.« Ich grinse und fahre mir durch mein Haar. »Ja, das habe ich gemerkt. Aber...Warum?« Sie sieht mich kurz irritiert an, ehe sie antwortet. »Nun, ja... Weil sich alle geküsst haben...War es so...schlimm?« Sie sieht mich fragend an und in diesem Moment weiß ich nicht, was ich sagen soll. »Schon gut, Wincent. Hab schon verstanden.« Sie schiebt sich an mir vorbei und will gehen. Aber ich halte sie schnell fest. »Hey, jetzt Lauf bitte nicht weg.« Sie dreht sich halb zu mir. »Warum nicht? Ich küsse dich und du kannst mir nicht sagen, ob dir der Kuss gefallen hat oder nicht. Wincent, das ist erniedrigend.« Ich sehe verbissen nickend zu Boden. »Es tut mir leid, Mina. Aber du sollst wissen, dass der Kuss für mich nicht widerlich war, oder was du sonst gerade denkst.« Sie schnaubt. »Aber gut scheinst du ihn auch nicht gefunden zu haben.« Ich verdrehe die Augen. »Mina! Das habe ich nicht gesagt!« »Schon mal etwas von Körpersprache gehört?«, fährt sie mich jetzt an und ab da reicht es mir. Ich packe sie und ziehe sie an mich heran. Dieses Mal küsse ich sie und nicht umgekehrt. Doch leider ist dieser Kuss mehr von Wut oder sonstigen schlechten Gefühlen gefüllt. Kurz darauf lösen wir uns von einander und wir beide keuchen stark. »Und? Willst du mir es jetzt mit gleicher Münze heim zahlen?« »Du verstehst es nicht. Aber vergiss es einfach, Wincent. Okay? Es ist egal. Vergiss die beiden Küsse einfach. Können wir nach Hause fahren? Ich bin echt...müde.« Jetzt lasse ich resigniert die Schultern hängen. Weicht sie mir jetzt also aus? Ist das ihr Ernst?, frage ich mich, folge ihr aber ohne weiteres und so verabschieden wir uns erst noch von Marco, ehe ich dann meinen Opa anrufe, der uns etwas später abholt.
Die Fahrt nach Hause verläuft eher still. Selbst mein Opa scheint zu merken, das etwas nicht stimmt und ich bin ihm dankbar, dass er nicht neugierig nach fragt. Ich sehe immer wieder durch den Rückspiegel zu Mina. Diese hat sich hinten zurück gezogen und lehnt ihren Kopf am Fenster. So sieht sie merklich traurig auf die Straßen, was mir einen weiteren Schlag in die Magengegend verpasst.
»Mina, geh doch bitte schon mal ins Haus ja?«, bittet Opa sie freundlich. Mina schenkt ihm ein leichtes, zaghaftes Lächeln und tut, worum er sie gebeten hat. Mein Opa sieht ihr nach und wendet seine Aufmerksamkeit mir zu, als sie im Haus verschwunden ist. »Mein lieber Enkel, was hast du getan, dass dieses Mädchen, was ich bis dato nur gut gelaunt erlebt habe, jetzt so unglaublich traurig ist?« Als ich etwas sagen möchte, schneidet er mir sofort das Wort ab. »Und sag bitte nicht, dass du nichts getan hast.« Und so seufze ich. Ich weiß, dass es keinen Sinn hat, ihn anzulügen. Immerhin hat mein Großvater mich wie ein Vater aufgezogen und das machte es mir unmöglich, ihm nicht die Wahrheit zu sagen. »Sie hat mich zum Start des neuen Jahres geküsst und...ich konnte nicht sagen, wie ich den Kuss fand.«, gestehe ich ihm. Dass ich sie daraufhin ebenfalls geküsst habe, das lasse ich lieber außen vor. Mein Opa seufzt tief aus. »Wincent...Merkst du nicht, dass dieses Mädchen dich mag? Beziehungsweise, dass sie dich mehr mag, als nur ein Freund?« Ich sehe schweigend aus dem Fenster und erinnere mich an den Moment, in dem wir uns fast geküsst haben. Da hatte ich ein leichtes Gefühl von...sehr enger Zuneigung für Mina empfunden. Aber mir wird im nächsten Moment bewusst, dass es nicht mit uns funktionieren kann. Ich bin nicht der Richtige für sie. Ich tue ihr nur weh! Ich schnalle mich ab und steige aus. »Wincent, wir waren noch nicht fertig.« Doch ich schüttele den Kopf. »Doch. Wir sind fertig. Ich muss...mit Mina reden. Danke für deinen Versuch, aber das muss ich ganz allein klären. Damit hast du nichts zu tun, Opa. Tut mir leid.« Mit diesen Worten gehe ich ins Haus und gehe zum Gästezimmer. Dort stehe ich vor der Tür und klopfe an. »Mina? Bitte, lass uns reden.« Ich bekomme keine Antwort. »Mina? Bitte sag doch etwas.«, flüstere ich und klopfe ein weiteres Mal an die Tür. »Was denn?«, höre ich im selben Moment hinter mir und ich zucke leicht erschrocken zusammen, als ich mich umdrehe. Mina steht im Pyjama vor mir und hat ihre Kulturtasche in der einen Hand und einen Knäuel schmutziger Wäsche in der anderen. »Können wir reden?«, frage ich sie direkt und sehe in ihre grünen Augen. Sie runzelt direkt wieder die Stirn. »Und worüber? Wenn du den Kuss meinst... Vergiss es einfach. Wincent, wenn dir der Kuss nichts bedeutet hat, dann ist es okay. Wahrscheinlich hat er mir auch nicht so viel bedeutet und es liegt wohl am Alkohol, dass ich so zickig gewirkt habe. Es tut mir leid. Lass es uns einfach vergessen ja?« So lächelt sie mich an und drückt meinen Oberarm. Ich nicke erleichtert und kann ebenfalls ein Lächeln aufbringen. »Das ist eine sehr gute Idee, Mina. Danke sehr. Ich ähm... Naja dann wünsche ich dir mal eine gute Nacht.« Ich tätschle noch einmal ihre Schulter, ehe ich mich in mein Zimmer begebe. Dort mache ich mich fürs Bett fertig und lege mich direkt schlafen. So kann mein 2016 doch noch gut starten.
02.01.2016:
Mina
»Ich wünsche dir alles gute nochmal und ziere dich bitte nicht dich bei uns zu melden und du bist jederzeit herzlich willkommen, okay?« Wincents Opa hat sich bereit erklärt, mich zum Bahnhof zu bringen. Wincent wollte zwar auch gerne mit, aber ich habe ihn gebeten Zuhause zu bleiben. Deswegen habe ich mich dort schon von ihm verabschiedet. Nach diesem Kuss kann ich ihn nicht wirklich unter die Augen treten, auch wenn ich ihm gesagt habe, dass alles okay sei. »Danke, Harald. Ich hatte bei euch eine sehr schöne Zeit. Besonders gestern mit euch allen nochmal Eislaufen zu gehen war echt lustig.« Hans lacht. »Ja, das war es. Es freut mich, dass es dir gefallen hat. Und die Sache mit Wincent und dir... Es wird sich alles klären. Ihr müsst einfach noch einmal mit einander reden. Okay?« Ich nehme ihn nochmal lächelnd in den Arm und bedanke mich ein weiteres Mal. »Ich melde mich, sobald ich Zuhause angekommen bin. Und hoffentlich kommt ihr mich auch mal in München besuchen.« Der alte Mann nickt lächelnd. »Das werden wir, versprochen. So Kleines, jetzt geh mal rein, sonst fährt der Zug ohne dich.« Ich gucke auf die Uhr und könnte mir gegen die Stirn hauen. Hans hatte Recht. »Danke. Ähm bis bald.«, so verabschiede ich mich und renne noch schnell das kleine Stück zum Zug, in dem ich einsteige und mich dann erschöpft in meinen Sitz fallen lasse. Anschließend stöpsle ich meine Ohren erneut mit meinen Kopfhörern zu und lasse mich dieses Mal mit Musik von Ed Sheeran berauschen. Dabei lasse ich die letzten Monate noch einmal Revue passieren, wobei mir eines klar wird: Wie soll ich jemanden vermissen, der nicht zu mir gehört?
Mit dieser Feststellung fahre ich nach Hause und lasse den Wincent Weiß aus Eutin hinter mir. Jetzt muss ich mich auf mein Leben konzentrieren. Auf meine Ausbildung, meine Familie und Freunde und auf mein eigenes Leben. Und ob es ein Wiedersehen mit dem gut aussehenden jungen Mann gibt,tja... Das meine Lieben, ist eine ganz andere Geschichte.
Ende
Texte: Julia Bielicki aka Wince_We
Bildmaterialien: Unknown
Cover: Julia Bielicki aka Wince_We
Lektorat: Ich selbst
Übersetzung: Unknown
Satz: Unknown
Tag der Veröffentlichung: 30.04.2020
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