Cover

Titel

Familie Tod

 

 von

 

Wine van Velzen

Rechte und Impressum

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Alle Rechte vorbehalten © November 2019.

 

 

 

Impressum

 

Text: Wine van Velzen

Cover: Wine van Velzen

 

Vorwort

Thriller - Familie Tod - 

 

Thomas Weber bricht im Badezimmer zusammen.

Der Baumogul und Familienvater kann nicht reanimiert werden.

Todesursache:

Herzversagen.

Knapp ein Jahr später stirbt Kai, Sohn von Thomas und Carola Weber.

Todesursache:

Neurovegetativer Zusammenbruch mit Atem- und Herzstillstand aufgrund eines Epilepsie - Anfalles.

 

Nur wenige Monate nach dem Tod des Sohnes wird die jüngste Tochter Jenny ins Krankenhaus eingeliefert.

Die Ursachen ihrer Krämpfe und Schmerzen sind zunächst nicht erklärbar,

bis sich herausstellt, Jenny Weber wurde vergiftet.

 

Starben Vater und Sohn wirklich infolge einer Krankheit?

Oder wurden sie ebenfalls vergiftet?

Gab es einen Mörder oder sind es tragische Unglücke?

Hauptkommissar Daniel Berger findet Alarmierendes heraus.

 

Ein brisanter Thriller, dessen Ende nicht vorhersehbar ist.

1. Kapitel

Familie Tod

 

Thomas Weber fühlte sich seit einigen Tagen unwohl. Schüttelfrost wechselte sich mit Magenkrämpfen und Kopfschmerzen ab. Er torkelte leicht, hatte Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht. Der Fünfzigjährige, der keinen Alkohol trank, fühlte sich, als stände er unter Alkoholeinfluss. Passend dazu war die schleppende Aussprache, die zeitgleich mit den anderen Symptomen auftrat. Thomas Weber nahm an, es sei ein tückischer Grippevirus, den er sich eingefangen hat. Und gerade den konnte er nicht gebrauchen. Krank werden oder sein, war etwas, dass für den Baumogul nicht infrage kam. Seit Jahren schonte er weder Körper noch Geist. Stets war er auf der Ostalb auf der Suche nach den besten Bauplätzen und solchen, die es werden würden. Natürlich hatte er Freunde in den Ausschüssen, die ihm gerne das ein und andere Grundstück zuschanzten. Ebenso bekam er Baugenehmigungen, die schneller bearbeitet und bewilligt wurden, als es bei Otto Normalverbraucher der Fall war.

Weber zeigte sich stets großzügig und erkenntlich. Er hat das Einkaufszentrum in der Ortsmitte gebaut, ebenso einen Kinderspielplatz und die Schillerschule bekam ein neues Dach. Die kleine Stadt dankte es ihm, indem sie den Baumogul zum Ehrenbürger ernannte und im Neubaugebiet Rodelwiesen wurde eine Seitenstraße nach ihm benannt.

Doch all das interessierte Thomas Weber in diesem Moment wenig. Er fühlte sich krank und angegriffen.

Mit beiden Händen hielt er sich am Waschbecken fest und starte mit fiebrig glänzenden Augen sein Spiegelbild an. Er sollte bereits auf den Weg zur Baustelle sein. Die Magenkrämpfe raubten ihm den Atem, der Schweiß lief ihm aus allen Poren. Thomas Weber konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Mit letzter Kraft rief er nach seiner Ehefrau.

Carola Weber hörte das Würgen und Gestöhne ihres Mannes und eilte in das Badezimmer. Seit Tagen lag sie ihm in den Ohren, einen Arzt aufzusuchen. Anfangs, als die Symptome auftraten, meinte sie die Desorientiertheit, die schleppende Aussprache könnten Vorboten eines Schlaganfalles sein. Carola wollte, dass Thomas zum Arzt ginge. Der Baumogul winkte unwirsch ab.

»Das geht wieder vorbei, wegen einer Unpässlichkeit brauche ich keinen Arzt«, erklärte er schroff.

Carola fügte sich, so wie sie es die letzten fünfundzwanzig Jahre auch getan hat. Thomas Wort war in ihrer Familie Gesetz und man widersprach ihm nicht. Das lernte auch sein Sohn Kai und die Töchter Rachel und Jenny bereits als Kleinkinder. Es setzte die ein und andere Ohrfeige, wenn die Sprösslinge ihrem Vater nicht gehorchten oder es wagten, ihm zu widersprechen. Kai, der Älteste, der eigentlich der Haupterbe sein sollte, war für seinen Vater die reinste Enttäuschung. Mit fünf Jahren bekam der Junge den ersten epileptischen Anfall. Kai fiel ohne Vorwarnung auf den gefliesten Küchenboden, krampfte unkontrolliert und kam wenige Minuten später wieder zur Besinnung. Das Kind war durcheinander, weinte laut und das Kindermädchen hatte Mühe, es zu beruhigen. Der zweite Anfall ließ nicht lange auf sich warten. Carola war anwesend und zutiefst erschrocken. Sie rief den Notarzt. Die Diagnose war für Thomas Weber erschütternd. Sein Sohn hatte die Epilepsieform Grand Mal. Eine chronische Erkrankung des zentralen Nervensystems. Mit dieser Krankheit schied das Kind als Haupterbe aus und wurde von da ab von seinem Vater so weit wie möglich ignoriert.

Die Anfälle häuften sich, Kai verlor während der Krämpfe das Bewusstsein, nässte unkontrolliert ein, Hirnzellen starben aufgrund des Sauerstoffmangels ab. Trotz intensiver Behandlung und Einnahme von Medikamenten traten die Anfälle weiterhin sporadisch auf. Für Thomas Weber war sein Sohn der größte Misserfolg seines Lebens. Er schämte und weigerte sich, ihn in der Öffentlichkeit zu zeigen. Kai wuchs abgeschottet in seinem Zimmer auf. Betreut wurde er vom langjährigen Hausarzt Dr. Krause und einem Kindermädchen. Weder Vater noch Mutter kümmerten sich um die Belange ihres Sohnes. Beide waren der Auffassung, dass er in der Obhut der Erzieherin gut aufgehoben sei. Später wurde er in ein Internat abgeschoben und besuchte seine Familie nur in den Sommerferien und zu Weihnachten. Kais Schulnoten ließen erkennen, dass er wahrscheinlich nur einen durchschnittlichen Realschulabschluss schaffen würde – wenn überhaupt. Mit Sechzehn kam er zurück ins Elternhaus und bewohnt von da an wieder sein altes Kinderzimmer. Die Anfälle traten nach der Pubertät nur noch selten auf. Dennoch trug er am Arm ein Epi-Care. Ein Sensor, der auf tonisch-klonische Anfälle reagiert und den eingespeicherten Notruf verständigte. Obwohl die Epilepsie Kai kaum noch beeinträchtigte, er in den weiteren Jahren zu einem stillen, jungen Mann wurde, blieb das Verhältnis zum Vater angespannt.

Anders war es mit Rachel. Das Mädchen war zwei Jahre jünger als ihr Bruder. Kerngesund, begabt, freundlich, aufmerksam aber auch hartnäckig und stur. Thomas Weber erzog das Kind mit strenger Hand, schließlich sollte sie irgendwann in die Fußstapfen ihres Vaters treten.

Rachel war sieben Jahre, als ihre Mutter noch einmal schwanger wurde. Das Mädchen wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. Auf der einen Seite wollte sie gern ein Geschwisterchen, am liebsten eine Schwester, mit der sie wie mit ihren Puppen spielen wollte. Auf der anderen Seite hatte sie Angst, dass ihre Eltern dem neuen Familienmitglied zu viel Beachtung schenken würden und sie nicht mehr die Nummer Eins bei ihnen wäre.

Rachels Ängste und Eifersucht waren unnötig. Als Jenny geboren wurde, stand bereits ein Kindermädchen bereit, das sich dem Baby annahm.

Beide Mädchen kamen nach der Grundschule ebenfalls in ein Internat. Rachel studierte danach Betriebswirtschaft, Jenny wollte nach dem Abitur Jura studieren. Die Geschwister hatten kaum Kontakt zueinander. Der Altersunterschied war zu groß und auch die Internatsaufenthalte der Mädchen verhinderten, eine tiefe Bindung herzustellen. Ihr Verhalten gegenseitig war freundlich aber auch zurückhaltend. Nur Jenny suchte oft Kais Nähe und saß gern in dessen Zimmer, wenn sie in den Ferien nach Hause kam. Sie hörten gemeinsam Musik oder sprachen leise miteinander. Eine fröhliche Stimmung gab es selten in diesem Haus, umso erstaunter war Carola, wenn sie Tochter und Sohn lachen hörte.

*

 

Im Badezimmer fand Carola ihren Ehemann am Boden kniend vor. Sein Körper krampfte und er atmete stoßweise.

»Hilf mir«, stöhnte er und legte die eine Hand auf den Oberbauch. Mit der anderen zog er die Krawatte auf, die ihm die Kehle zuzuschnüren drohte. Entsetzt über den schlechten Zustand ihres Ehemannes kniete sie sich zu ihm hinunter und sprach beruhigend auf ihn ein. Thomas Weber schrie qualvoll auf, als ein scharfer Schmerz durch seine Eingeweide schoss. Er hielt sich den Bauch, beugte den Oberkörper nach vorn. Seine Finger verkrampften, die Augen quollen hervor, sein Körper wurde heftig durchgeschüttelt und der Schweiß tränkte sein schneeweißes Hemd. Der Baumogul kollabierte. Hart schlug sein Körper auf die kalten Fliesen auf, als er das Bewusstsein verlor. Carola stand auf, lief ins angrenzende Schlafzimmer und nahm das Telefon vom Nachttisch. Mit zitternden Fingern wählte sie den Notruf.

 

»Herzstillstand«, stellte der Notarzt fest.

Der Sanitäter setzte dem Baumogul die Sauerstoffmaske auf und der Notarzt drückte im Takt auf seinem Brustkorb. Nach wenigen Minuten entschied er:

»Wir müssen ihn reanimieren. Machen Sie seine Brust frei, wir werden den Defibrator einsetzen.«

Der Sanitäter öffnete den roten Koffer, nahm die beiden Elektroden heraus. Die linke Elektrode klebte er rechts über der Brust fest, die andere links unter der anderen.

»Bei drei Schock!«, rief der Arzt laut. »Alle weg von ihm

Carola zuckte zusammen.

»Eins, Zwei, Drei!«

Thomas Webers Oberkörper zuckte heftig nach oben.

Sofort tastete der Notarzt nach dem Puls … doch er fand ihn nicht.

»Noch mal! Alle weg von ihm. Eins, Zwei und Drei

Wieder bäumte sich der leblose Körper auf – und wieder tastete der Arzt nach dem Puls.

Carola stand schockiert in der Ecke und starrte ihren leblosen Ehemann in das bleiche Gesicht. Sollte ihre Ehe hier und jetzt enden? Würde Thomas nicht zu retten sein?

Die Stimme des Arztes riss sie aus ihren Gedanken.

»Es ist zwecklos.«

Er sah auf seine Armbanduhr und bestimmte den offiziellen Todeszeitpunkt. Danach rief er auf dem Polizeirevier an. Dies war Vorschrift. Wenn ein Mensch zu Tode kam und der Grund nicht klar ersichtlich war, dann musste der Arzt dies melden.

Die Polizisten trafen wenig später ein. Der Arzt erklärte kurz, dass er einen Herzinfarkt vermutet, da die Ehefrau während der Wartezeit auf die Beamten erklärt hatte, dass der Tote bereits vor einem Jahr einen Infarkt erlitten hat.

Hauptkommissar Daniel Berger, der auf den Heimweg war, hörte über Funk, dass es einen Toten gab. Kurzentschlossen fuhr er zu der angegebenen Adresse. Alles war besser, als in der trostlosen Wohnung zu sein, in der er lebte. Es gab keine Frau und keine Freundin in seinem Leben. Bekanntschaften, blieben nicht lange, da er die Frauen berufsbedingt ständig versetzte und Dates platzen ließ. Daniel Berger hatte sich mit seinen achtunddreißig Jahren damit abgefunden, dass er mit seinem Beruf verheiratet und eine Beziehung zu einer Frau zum Scheitern verurteilt war.

Vor dem schmucken Haus stand bereits ein Streifenwagen, als er eintraf. Der Hauptkommissar sprach erst mit den beiden Polizisten, danach mit dem Notarzt und schließlich mit Carola Weber. Die nannte Berger den Hausarzt, der ihren Ehemann betreut hatte und das Krankenhaus, in dem er damals eingewiesen wurde. Für den Hauptkommissar schien der Fall kein Fall zu sein, doch das müsste die Staatsanwaltschaft entscheiden. Er verließ die trauernde Witwe und machte sich über Thomas Webers Tod keine weiteren Gedanken.

 

Bereits nach drei Tagen stand fest, dass es keine Ermittlungen geben würde. Es gab keine Obduktion, da der Staatsanwalt in der Krankenakte las, dass Thomas Weber bereits im Vorjahr einen Herzinfarkt erlitten hatte. Den roten Rand um seinem Mund, der im Bericht des Notarztes vermerkt wurde, schob er der Beatmungsmaske zu. Es gab für ihn keinen Verdacht auf einen unnatürlichen Tod. Er gab die Leiche frei. Carola beauftragte daraufhin das Beerdigungsinstitut, in dem ihr Ehemann in einem Kühlfach lag, und erklärte, dass der Leichnam verbrannt werden sollte.

*

 

Carola, Rachel und Jenny standen schwarz gekleidet in der Kirche. Sie wirkten gefasst und starr. Carola stand kurz vor ihrem fünfzigsten Geburtstag. Mit Botox versuchte sie die Falten, die sich immer tiefer in ihrem Gesicht eingruben, zu kaschieren und zu glätten. Dementsprechend wirkte ihr Gesicht wie eine Maske, ohne jegliches Minenspiel. Rachel, die mit dreiundzwanzig die Probleme ihrer Mutter noch nicht hatte, griff nach deren Hand und drückte sie. Carola brachte ein klägliches Lächeln zustande und erwiderte den Druck. Jenny war blass und in sich gekehrt. Der Beisetzung ging ein heftiger Streit voraus. Jenny, die mit ihren sechzehn Jahren noch immer in der Pubertät steckte, bestand darauf, dass Kai ebenso bei der Andachtsfeier dabei sein sollte. Ihre Mutter lehnte es rigoros ab. Rachel hörte dem Disput zu, hielt sich aber heraus.

»Kaum jemand weiß, dass es Kai überhaupt gibt. Warum Fragen aufwerfen, die ich nicht bereit bin zu beantworten. Die ganze Stadt wird auf dem Friedhof sein. Was, wenn Kai ausgerechnet dann einen Anfall bekommt? Nein, der Junge wird nicht mitkommen und ich werde darüber nicht weiter mit dir diskutieren, Jenny.«

Kai stand oben an der Treppe und hielt sich die Ohren zu. Er wollte nicht, dass Mutter und Schwester sich wegen ihm stritten. Er selbst hatte nicht die geringste Ambition, seinem Vater das letzte Geleit zu geben. Er kannte diesen Mann kaum, der ihn, seit er denken konnte, beinahe ausnahmslos übersah und ignorierte.

Jenny verließ aufgebracht das Wohnzimmer und ging hinaus in den Garten, um sich zu beruhigen. Doch schnell ging sie wieder zurück ins Haus. Die Paparazzi lauerten am Zaun und kaum, als sie die Terrasse betrat, ging das Blitzlichtgewitter los und Fragen wurden gerufen, die sie auf keinen Fall beantworten wollte. Frustriert und nun völlig genervt, ging sie in ihr Zimmer und schlug heftig die Tür hinter sich zu. Sie kam erst herunter, als Rachel am Treppenabsatz stand und rief, dass der Wagen vor der Haustür stehe und sie losfahren wollten.

 

Die drei Frauen sahen auf das aufgestellte Foto, mit dem schwarzen Trauerflor am Rahmen. Es zeigte Ehemann und Vater, wie er lächelnd in die Kamera blickte. Ein seltener Anblick, denn der Baumogul hatte so gut wie immer einen grimmig harten Gesichtsausdruck. Das Bild wurde vom Fotografen der regionalen Zeitung gemacht, als die Stadt Thomas Weber zum Ehrenbürger ernannte.

Um den Altar stand ein Meer aus Blumengestecke und Kränze. Der Duft der Blumen war süß und schwer. Rachel atmete in das Taschentuch in ihren Händen. Ihr wurde von dem Geruch übel. Ständig lief ein Schauer des Ekels über ihren Körper. Die Trauergäste, die sie von hinten sahen, nahmen an, dass sie weinte, und hatten Mitleid mit der jungen Frau.

Jenny und Carola blieben während der Aussegnung stehen, auch als einige Menschen nach vorne kamen und Reden hielten. Bei allen ging es um den gutherzigen, freundlichen, spendablen Baumogul, der so viel für die Stadt und ihre Bürger getan hatte.

Die Urne, die der Bürgermeister persönlich trug, wurde von dem langen Zug der Trauergäste bis zum ausgehobenen Familiengrab begleitet. Carola ging mit gesenktem Kopf neben dem Bürgermeister, dahinter Rachel und Jenny.

Bei der Beisetzung sprach der Pfarrer einige Worte und endete mit Psalm 23:

»Er weidet mich auf einer grünen Aue…«.

Alle Anwesenden kondolierten und so manch einer hatte ein tröstendes Wort für die Witwe und die Halbwaisen. Niemand schien Kai vermisst zu haben. Es wurde nicht eine Frage nach ihm gestellt.

 

Die Witwe hatte vorab Einladungen verschickt, in denen sie den Bürgermeister und dessen Frau, so wie einige Architekten, Banker und enge Mitarbeiter der Firma nach der Beisetzung zum Essen in ein Lokal einlud. Wie so oft verschwand schon bald der trauernde Blick der Gäste. Es wurde gelacht, gemunkelt und der ein und andere fragte nach, wie es denn nun mit der Firma weitergehen sollte. Carola erklärte kurzangebunden, dass sie und ihre älteste Tochter sich einarbeiten werden, um sie weiterzuführen, bis Rachel alleine den Betrieb übernehmen würde. Bis dahin stand ein Anwalt und zwei weitere Männer aus dem Unternehmen ihnen zur Seite. Sie würden die Frauen einarbeiten.

*

 

Im Eigenheim der Webers hatte sich nach dem Tod des despotischen Ehemannes und Vaters die Atmosphäre merklich verändert. Das strenge Regime, mit dem Thomas Weber Haus, Familie und den Betrieb zusammengehalten hatte, wich einer beinahe fröhlichen Stimmung. Carola bestand darauf, dass beim Abendessen ihre drei Kinder mit ihr zusammen am Tisch saßen. Sie versuchten sich anzunähern, was zuerst nur sehr holprig gelang. Rachel hatte den Kopf voll mit Zahlen und Aufträgen, Kai konnte sich nur bedingt an Gesprächen beteiligen und sich mit erheblichen Einschränkungen seiner Familie gegenüber öffnen. Jenny war ein Teenager, der aufmüpfig und unzufrieden war. Sie hat nach der Beerdigung durchgesetzt, das Internat verlassen zu dürfen. Seit einigen Wochen ging sie auf das Gymnasium in der Stadt. Ihre Mitschüler hielten sich ihr gegenüber nach wie vor zurück. Freundschaften hatte das Mädchen noch keine geschlossen, was ihre Launen und Wutausbrüche noch heftiger werden ließen. Jenny fühlte sich von jedem und allen angegriffen, sie baute unüberwindbare Mauern um sich auf, die immer größer wurden. Nur das Verhältnis zu ihrem Bruder blieb liebevoll und festigte sich noch mehr nach dem Tod des Vaters.

Carola wollte, dass sich Kai in dem Betrieb einbringt. Doch ohne Ausbildung war das schwierig. Kai dachte lange über den Vorschlag seiner Mutter nach. Jetzt, da der Vater, der ihn verleugnete, nicht mehr am Leben war, schienen sich Perspektiven aufzutun, die sein Leben in eine andere Richtung lenken konnten. Mit seiner Krankheit kam er zurecht, das Epi - Care trug er am Arm, die Medikamente nahm er regelmäßig ein. Es gab somit keinen Grund, nicht einer Arbeit nachzugehen. Carola war bewusst, dass ihr Sohn aufgrund der mangelnden Intelligenz keinen leitenden Posten einnehmen konnte und auf den Bau wollte sie ihn auch nicht schicken. So blieb nur eine Halbtagesstelle in der Verwaltung, die er auch angelernt ausüben konnte. Ernsthaft überlegte sie, dass ihr Sohn ihren Mädchennamen annehmen sollte, damit man ihn nicht mit dem großen Baumogul in Verbindung brachte. Vielleicht, sollte er sich weigern, gab es noch andere Möglichkeiten, um zu vertuschen, dass er Thomas Webers Sohn war. Kai hatte ihr verständnislos zugehört, als sie ihm diesen Vorschlag unterbreitete. Er wollte, dass seine Mutter auf ihn stolz war, zumal sie sich endlich für ihn zu interessieren schien. Das Ausmaß der Gespräche und der gesamte Inhalt waren ihm nicht ganz klar, dennoch wollte er tun, was seine Mutter glücklich machen würde.

 

Rachel biss die Zähne zusammen und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen wie wütend sie auf ihre Mutter war. Sie verstand nicht, weshalb die sich bemühte, für Kai einen Job in der Firma zu finden.

»Dieser Volltrottel ist doch zu nichts nütze. Er ist dumm, kann nichts und er wird selbst mit vielen Hilfestellungen niemals selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen können. Warum bemüht sie sich so um ihn? Jetzt, nachdem Vater tot ist, versucht sie einen auf heile Familie zu machen.«

Aufgewühlt lief Rachel in ihrem Büro auf und ab. Die Wut in ihr steigerte sich, hüllte sie in die dunkle Wolke der Eifersucht.

 »Tzz … dafür ist es wohl ein bisschen zu spät, Mutter. Du bist schwach. Schwach, schwach, schwach! Niemals werden wir eine Familie sein, die das Wohl des anderen im Sinn hat. Wir sind alle Egoisten und so wird es bleiben, trotz der dämlichen Anstrengungen, die du unternimmst und zu unternehmen gedenkst.«

Missgelaunt nahm sie die Kaffeetasse vom Schreibtisch und warf sie blindwütig gegen die Wand.

Das zaghafte Klopfen an die Bürotür erschreckte die junge Frau. Hastig fuhr sie sich durchs Haar und bückte sich, um die Scherben aufzusammeln. Frau Trautwein öffnete langsam die Tür und sah hinein. Sie schätzte die Situation sofort richtig ein. Schließlich war sie über fünfzehn Jahre die Sekretärin von Thomas Weber gewesen. Auch er konnte sich nicht immer beherrschen und sie hatte bereits viele Scherben in diesem Büro aufgesammelt.

»Alles in Ordnung, Frau Weber?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, lief sie in den angrenzenden kleinen Waschraum und öffnete unter dem Becken das Schränkchen. Mit Schaufel und Kehrwisch kehrte sie zurück ins Büro. Rachel legte die eingesammelten Scherben auf die Schaufel und nickte der Angestellten kurz zu, bevor sie das Büro verließ.

Ich muss mich beruhigen, dachte sie und atmete mehrmals tief durch. In dem Moment sah sie ihre Mutter aus einem der anderen Büroräume kommen. Hastig lief sie durch den Gang, hetzte in die kleine Vorhalle zum Ausgang und

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Cover: Wine van Velzen
Lektorat: W. Lipp und Michael Schönberg
Tag der Veröffentlichung: 30.12.2019
ISBN: 978-3-7487-2498-8

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine Familie, Freunde und Leser/innen Ich habe, wie bei meinen anderen Büchern, wieder sehr viel recherchiert, bevor ich die ein und andere Szene/Kapitel geschrieben habe. Da ich als Self-Publisher alles selbst mache, ist es immer wieder ein enormer Zeitaufwand, bis man überhaupt die ersten Zeilen schreibt. Dennoch macht mir die Arbeit noch immer sehr viel Spaß. Auch das Cover habe ich wieder selbst erstellt. Diesmal mit dem Gesicht einer Kindheitsfreundin, die es mir freundlicherweise zur Verfügung stellte. Vielen Dank dafür an Rosi Reis.

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