Cover

Die Begegnung




Er stöhnt genervt auf. Wie konnten Mädchen nur so nervig sein. Nirgends hat man seine Ruhe. Weder in der Schule noch in seinem Stammclub. Ständig klebten sie an ihm.
"Alex hier ....Alex da"
Das war ja nicht zum aushalten. Die interessierten sich doch sowieso nur für sein Aussehen und weil er mit seiner Crew schon recht bekannt war für ihn. Keine von ihnen blickt hinter die Fassade des Playboys.
Abwesend starrt er auf die tanzende Menge vor ihm. Es waren einige wirklich gute Tänzer dabei, aber keiner konnte ihm das Wasser reichen. Ganz unbewusst checkt er sie aus und registriert schon mehr im Unterbewusstsein, wie gut oder schlecht sie sind.
Plötzlich geht ein Raunen durch die Menge, das sogar noch die laute Musik übertönt. Die Leute hören auf zu tanzen und bilden stattdessen eine freie Fläche in der Mitte.
Dann eine Ansage vom DJ:
"Hey Leute. Das erlebt ihr nicht jeden Tag! Silver ist hier. So eine Vorstellung seht ihr so schnell nicht wieder, also lehnt euch zurück und genießt die Show!"
Damit betritt eine junge Frau die freie Fläche. Alex registriert, das der Name Silver wirklich zu ihr passt. Ihre langen gelockten Haare, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hat, haben wirklich die Farbe von Silber. Nicht so, wie das bei alten Leuten aussieht, also ins weise gehend, sondern richtig silbern. Und er ist sich fast sicher, das ihre Augen violett sind, aber bei dem Licht kann man nie wissen.
Dann beginnt die Musik und Alex ist wie gefesselt. Er kann seinen Blick nicht mehr von Silver nehmen. So hat er noch nie jemanden tanzen sehen. Ihre Bewegungen sind grazil und präzise und es sieht kein bisschen so aus, als ob sie sich anstrengen würde. Es sieht aus wie ein Spiel. Man könnte fast meinen, sie schwebt über die Tanzfläche. Und dann hat man wirklich den Eindruck sie fliegt. Im Takt der Musik springt sie immer wieder in die Luft und vollführt dort Saltos, Schrauben und vieles mehr im Gleichklang der Musik. Ihre Füße oder auch mal Hände berühren nur den Boden, wenn sie sich wieder abstoßen muss. Ihre Haare ziehen dabei einen silbernen Lichtstreifen hinter ihr her.
Das ganze dauert gut eine halbe Stunde in der sich niemand auf der Tanzfläche bewegt und nur diesem geheimnisvollen Mädchen zuschaut. Jeder scheint in eine Art Starre verfallen zu sein, wie Alex auch. Er vergisst alles um sich herum. Die nervigen Mädels, die ständig mit ihm flirten. Seinen Drink, den er noch in der Hand hält, weil er eigentlich daraus hatte trinken wollen. Seine Freunde und Crewkollegen. Einfach alles. Nur noch das tanzende Mädchen scheint zu existieren.
Dann ist die Musik aus und die Stimme des DJ's dröhnt wieder aus den Lautsprechern.
"Sorry Leute, aber die Show ist nun leider vorbei. Wenn ihr Glück habt, dann taucht Silver ja noch einmal in einem Club auf, in dem ihr grad seit, aber für heute werdet ihr sie nicht mehr tanzen sehn. Nun wünsche ich euch noch viel Spaß beim weiterfeiern. LETS PARTY!"
Den letzten Part brüllt er regelrecht um gleich darauf die nächste Platte aufzulegen. Die Menge antwortet, indem sie dich Lücke auf der Tanzfläche wieder schließt und die Partyverrückten dort wieder anfangen zur Musik zu tanzen. Dabei versperren sie Alex den Blick auf Silver.
Diese verschwindet unterdessen, von einem Security begleitet, durch den Hinterausgang des Clubs in die Nacht.

Der Morgen danach




Piep. Piiep. PIEP. PIIEP.
Das nervtötende Gepiepse ihres Weckers reist sie aus dem Schlaf. Am liebsten hätte sie sich wieder umgedreht und wäre wieder eingeschlafen, aber das ging nicht. Das Frühstück für die Zwillinge macht sich nicht von alleine und die Waschmaschine muss auch noch angestellte werden bevor sie die Wohnung verlassen kann.
Gezwungenermaßen stellt sie ihren Wecker ab und schlurft erst einmal ins Bad. Nach einer kalten Dusche ist sie schon um einiges wacher.
Der nächste Gang führt in die Küche. Dort stellt sie sich einen Kaffee an, auch wenn er ihr eigentlich nicht wirklich schmeckt, aber er macht sie vollends wach. Während das Wasser für den Kaffee vorbereitet wird fängt sie schon einmal an drei Brotbüchsen fertig zu machen. In jede kommen 3 Schnitten Brot, ein Apfel und ein kleiner Jogurt. Dann ist der Kaffee endlich durch gelaufen und mit der Tasse in der Hand deckt sie schnell den Tisch für die Kleinen und sich mit Müslischalen und einem Glas Orangensaft.
Bevor sie ihre Geschwister dann zum Frühstück hohlen muss, verschwindet sie noch einmal in ihrem Zimmer, bindet ihre langen Haare um ihrem Kopf zu einem flachen Kranz zusammen und setzt sich die braune Perücke auf, die früher ihre Mutter getragen hatte, als ihre Haare von der Chemo ausgefallen waren. Der Pony fällt ihr in die Augen und verdeckt so etwas ihre violetten Augen. Diese sind der Grund für ihren Namen, Lila, und zusammen mit ihren Haaren der Grund ihres Mobbings zur Grundschulzeit und in der Mittelschule.
Noch einmal kontrolliert sie im Spiegel, das die Perücke richtig sitzt, dann schnappt sie sich ihre Büchertasche und verlässt ihr Zimmer. Auf dem Weg zurück zur Küche klopft sie an das Zimmer der Zwillinge.
"Aufstehen Glen und Haru. Frühstück ist fertig und ihr müsst zur Schule."
Von drinnen kommt nur ein langgezogenes "Jahaa" aus zwei Mündern gleichzeitig.
In der Küche angekommen setzt sich Lila schon mal und beginnt ihr Müsli zu essen. Sie ist immer noch ausgepowert von letzter Nacht. Nach ihrem Job hätte sie nicht noch in den Club gehen sollen. Jetzt bereut sie es ein wenig, aber gestern hat sie es einfach gebraucht mal wieder zu tanzen und nicht immer nur hinter der Bar stehen zu müssen oder zu kellnern.
Nach fünf Minuten kommen ihre beiden kleinen Brüder in die Küche gestürmt. Beide stürzen sich auf das Müsli als wären sie am verhungern. Ein leichtes Lächeln schleicht sich auf Lilas Gesicht. Sie liebt ihre Brüder. Sie sind die einzige Familie, die sie noch hat. Auch wenn sie eigentlich nicht blutsverwandt sind.
Die Eltern der Zwillinge hatten Lila damals adoptiert, weil sie glaubten keine eigenen Kinder bekommen zu können. Doch nach ein paar Jahren waren plötzlich die Zwillinge unterwegs gewesen. Doch kurz nach der Geburt der beiden war ihr Vater bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Also hatte ihre Mutter sie ganz alleine großziehen müssen. Sobald Lila in der Mittelschule war hat sie sich einen Job gesucht um ihre Mutter zu entlasten. Trotz der harten Arbeit waren sie glücklich gewesen zu viert.
Dann im letzten Jahr an der Mittelschule kam die Diagnose. Ihre Mutter hatte Krebs im Endstadium. Man hat noch versucht mit Chemo zu therapieren, aber nur etwas mehr als ein halbes Jahr später war sie dann gestorben. Seit dem kümmerte sich Lila um alles. Sie arbeitet jeden Nachmittag und unter der Woche jede zweite Nacht, sowie jede Nacht am Wochenende, um genug Geld für alle zusammen zu kriegen. Sie will nicht, das ihre Familie auseinander gerissen wird.
Die zwei Jungs springen vom Tisch auf.
"Wir sind fertig mit Essen. Sind dann auf dem Weg in die Schule. Bis heut Abend Lila. Wir haben dich lieb." Beide sagen es mal wieder synchron und stürmen auf sie zu um sie zu umarmen und sich ihre Brotbox abzuholen.
Liebevoll wuschelt sie den beiden Jungs durchs braune Haar.
"Viel Spaß in der Schule ihr beiden. Lasst euch nicht zu sehr von den Lehrern ärgern und ärgert die armen Lehrer auch nicht zu sehr."
"Wir doch nicht! Wir sind dann weg!"
Und damit sind sie auch schon im Flur und zur Haustür raus. Die Mittelschule ist etwas weiter entfernt als die Highschool, weshalb Lila noch Zeit hat die Küche wieder aufzuräumen und die Waschmaschine zu befüllen.
Dann macht auch sie sich auf den Weg zur Schule.

Je näher sie der Schule kommt, desto mehr sinkt ihre Gestalt in sich zusammen. Ihr Blick bleibt auf dem Boden gehaftet. Möglichst wenig auffallen. Es ist schon schlimm genug, das die meisten sie noch von früher kennen. Aber durch die Perücke fällt sie weniger auf und wird auch mehr in Ruhe gelassen als früher.
Heute scheint ein guter Tag zu werden. Sie ist im Klassenzimmer ohne irgendwelche Zwischenfälle angekommen. Mit immer noch gesenktem Kopf verzieht sie sich sofort auf ihren Platz in der hintersten Reihe. Der Platz neben ihr ist wie immer frei.
Gedanklich ist sie bei ihrem Kellnerjob am Nachmittag und bei der Liste von Lebensmitteln, die sie noch besorgen muss. Dann kommt ihre Mathelehrerin rein und unterbricht so ihre Gedanken.
Nach drei Stunden ist endlich Frühstückspause. Eine halbe Stunde Freiheit vom Schultrott. Lila ist eine der ersten, die mit dem ersten Gong der Schulglocke auf dem Weg zur Klassentür ist. Mit zügigem Schritt eilt sie auf die kleine Baumgruppe an der Grenze des Schulgeländes zu. Dort ist sie immer, wenn das Wetter gut ist, und isst dort ihre Brotbox.
Normalerweise ist sie dort vollkommen ungestört. Doch heute nicht.
Sie sitzt noch keine 5 Minuten zwischen mehreren Büschen, die sie gut vor den Blicken anderer verbergen, da kommt plötzlich die komplette Dancing-Crew von Alex Glory auf die Baumgruppe zu. Nur ein paar Meter von ihr entfernt lassen sie sich nieder. Und mit ihnen kommen auch die unvermeidlichen schwärmenden Mädchen. Aber das ist ja auch kein Wunder.
Alex, Tim und John sehen wirklich sehr gut aus. Durchs ständige Tanzen haben sie Traumkörper und ihre Gesichter sehen wirklich gut aus. John hat braune Haare, die er sich lässig nach oben gestylt hat und lachende Braune Augen. Er ist immerzu am flirten. Tim dagegen ist der typische Surfertyp. Seine blonden Haare sind zur Surferfrisur gestylt und seine blauen Augen strahlen die Mädels regelrecht an.
Doch der bestaussehendste der drei ist Alex. Seine schwarzen Haare sind etwas länger und ein paar Strähnen fallen ihm immer vorwitzig in die grünen Augen, in denen sich jedes Mädchen sofort verlieren könnte.
Auch Lila ist von seinem Zauber nicht verschont, aber sie weis, das sie nie eine Chance bei ihm haben würde. Deshalb beobachtet sie die drei auch nur aus dem Hintergrund, ohne das es jemand bemerkt. Und heute hat sie anscheinend den Jackpot geknackt. Von ihrem Platz aus kann sie Alex so lange ansehen, wie sie will, ohne das andre Mädchen dazwischen stehen oder sie gesehn wird. Sie muss nicht darauf achten, das es jemand merkt.
Verträumt beobachtet sie die drei und bekommt nur am Rande mit, was sie besprechen. Es geht um einen Tanzwettkampf, an dem die drei anscheinend einzeln teilnehmen wollen. Und dann sagte einer der drei was von einem Preisgeld. Sofort war sie hellwach. 1000 Euro erwartet den Gewinner dieses Wettbewerbs. Und die drei sind sich sicher, das einer von ihnen gewinnen wird.
1000 Euro! Was sie sich damit alles für die Zwillinge würde leisten können. Sie könnte ihnen endlich mal wieder neue Kleidung kaufen. Oder neue Ranzen für die Schule. Vielleicht könnte sie auch einfach die Wohnung renovieren. Nötig hat sie es an einigen Ecken schon lange. Doch das alles lässt sich nur verwirklichen, wenn sie diesen Wettbewerb gewinnt. Wo und wann findet der eigentlich statt? Sie hat noch nichts davon gehört.
Aber als sie den Jungs weiter zuhört erfährt sie, das er erst in einem Monat ist und man sich eine Woche vorher bei DJ Starlight anmelden muss. Das ist der Privat-DJ von "Starlight Express", des angesagtesten Clubs in der Stadt. Und sie kennt ihn persönlich! Natürlich nur unter ihrem Künstlernamen: Silver.
Den hat er ihr damals gegeben als sie in seinem Club das erste Mal zum tanzen war. Seit damals hat sie in allen Clubs der Stadt die Erlaubnis zu tanzen wie sie will. Also auch die ganzen Gefährlichen Moves, wie Salto und Schraube. Nur wusste niemand, das Silver eigentlich Lila Faber ist.
Vielleicht sollte sie dieses Wochenende mal wieder das "Starlight Express" besuchen, denkt sich Lila mit einem Schmunzeln auf den Lippen.
Da klingelt es plötzlich zum Pausenende und alles verzieht sich wieder nach drinnen, um den Rest des Schultages hinter sich zu bringen. Immer noch leicht grinsend folgt Lila den anderen unauffällig.

Wiedersehen am Wochenende




Der Rest des Schultages verlief ereignislos. Genauso wie die komplette restliche Woche. Die Kellnerarbeit ist wie immer, genauso wie ihr Job hinter der Bar von "Lago di Luna". Wenigstens muss sie am Wochenende nur Freitagabend arbeiten, was bedeutet, sie kann Samstag ins "Starlight" und mal wieder feiern gehen.
Aber bevor sie wirklich los kann, muss sie sich noch etwas gedulden. Die Zwillinge sollen nichts davon mitbekommen. Also muss sie abwarten, bis sie im Bett sind und schlafen.
Um sich die Zeit zu verkürzen geht sie schon mal nach dem Abendessen duschen und macht sich zurecht. Ihre Haare dreht sie sich zu Locken. Dann fasst sie sie wieder zu einem Pferdeschwanz zusammen, wobei sie einige Strähnen herauslässt, die nun ihr Gesicht einrahmen und wunderbar betonen. Dann schminkt sie sich. Etwas Kajal und Lidschatten und einen dezenten Lipgloss. Wimperntusche braucht sie zum Glück nicht. Ihre Wimpern sind lang und dunkel und sehen immer so aus, als ob sie Wimperntusche benutzt hat.
Dann sucht sie sich noch ihre Klamotten raus. Während sie ihren Kleiderschrank durchsucht, kann sie die ersten Geräusche aus dem Zimmer der Jungen hören, die darauf hindeuten, das sie ins Bett gehen.
Gerade, als sie sich für eine schwarze Dreiviertelhose mit einem grünen enganliegendem Neckholdertop entschieden hat, verklingen die Geräusche in der Wohnung endgültig. Als sie sich angezogen hat und noch ein paar Perlmutohringe, die aussehen wie grüne Blumen, sowie ihre Lieblingskette mit einem silbernen Herzen mit Flügeln als Anhänger und ein Paar silberne Armreifen angelegt hat ist ihr Outfit komplett und sie ist Startklar. Doch sie geht noch nicht gleich los. Es ist gerade einmal halb 11 und ihre Brüder brauchen erfahrungsgemäß immer eine Weile, bis sie wirklich richtig tief schlafen und nichts mehr mitkriegen. Also nimmt sie noch das Buch, das sie zur Zeit ließt zur Hand und beschließt noch eine halbe Stunde zu lesen.
Als es schließlich 11 ist, verlässt sie leise die Wohnung und zieht erst ihre schwarzen Chucks an, als sie die Tür hinter sich zugezogen hat. Dann macht sie sich auf in Richtung Innenstadt. Ihre Haare hat sie unter einer Kapuzenjacke versteckt, die sie noch schnell auf dem Weg nach draußen gegriffen hat. Sie will schließlich nicht schon auf dem Weg erkannt werden. Silver ist ein bekannter Name im Nachtleben der Stadt.
Nach 20 min laufen ist sie endlich am "Starlight Express" angekommen. Heute ist eine besonders lange Schlange vor dem Eingang und die Kontrollen scheinen besonders gründlich zu sein. Das kann nur bedeuten, das heute der Meister persönlich auflegt. Lila kann ein Lächeln nicht unterdrücken, als sie beobachtet, wie ein eindeutig zu junges Mädel versucht mit einem der Türsteher zu flirten, um doch hineinzukommen. Sie wird das nicht nötig haben. Noch nicht einmal in der Schlange wird sie sich anstellen müssen.
Gelassen schlendert sie an der Schlange vorbei nach vorne zu den beiden Schränken von Männern, die am Eingang wirklich jeden genau unter die Lupe nehmen. Noch immer trägt sie ihre Kapuze, die auch ziemlich ihr Gesicht versteckt. Eine Hand hat sie in ihre Jackentasche geschoben und dort umschließt sie das Schreiben, das ihr sofortigen Einlass in den Club zu jeder Zeit gewährt.
Misstrauisch beobachten die beiden Türsteher sie, wie sie immer näher kommt. Einer der beiden verlässt seinen Posten und kommt ihr entgegen.
"Hey du! Wenn du rein willst, wirst du dich genauso anstellen müssen, wie alle anderen auch. Hier gibt es keine Extrawürste."
Er klingt echt richtig abweisend und wenn sie sich nicht so sicher wäre, dass er sein Verhalten gleich ändern wird, hätte sie sich wirklich umgedreht und sich hinten angestellt. Doch so antwortet sie ihm frech:
"Ich bekomme aber immer ne Extrawurst, wenn ich komm. Hat DJ Starlight persönlich angeordnet. Kannsts ja selbst lesen, wenn dus net glaubst."
Damit hält sie ihm ihr Schreiben unter die Nase. Skeptisch nimmt er es entgegen und faltet es langsam auseinander. Dann fängt er langsam an zu lesen und mit jedem Wort wird sein Gesicht überraschter. Dann fragt er nur noch:
"Wo sind die silbernen Haare?"
Als sie eine Strähne aus der Kapuze nach vorne zieht, nickt er nur noch, gibt ihr den Zettel zurück und bedeutet ihr ihm zu folgen. Auf den fragenden Blick seines Kollegen sagt er nur:
"Hoher Besuch für unsren DJ."
Dann ist sie drinnen, verfolgt von den verwunderten und auch neidischen Blicken der Menschen, die noch immer in der Schlange warten müssen.
Die Garderobe und die Kasse beachtet sie nicht weiter und läuft gleich die Treppe nach unten in den Partybereich. Niemand hält sie auf. Anscheinend hat der Türsteher entsprechende Anweisungen, wie er und die andren reagieren sollen, wenn sie kommt.
Der Partybereich ist schon sehr voll und es ist verdammt mühsam voran zu kommen. Außerdem ist es warm und stickig. Aber Lila liebt diese Atmosphäre. Hier fühlt sie sich wohl und stark. Dann ist sie nicht mehr die kleine schüchterne Lila, die sich alles gefallen lässt, sonder die selbstbewusste Silver, die weis, was sie will.
Zielstrebig hält sie auf das DJ-Pult zu. Er hat sie anscheinend schon bemerkt, aber ist noch nicht darauf gekommen, wer sie ist. Auf jeden Fall schaut er ihr entgegen.
Dann hat sie ihr Ziel erreicht.
"Ja bitte. Was möchtest du denn Kleine?"
Er hat sie wohl echt nicht erkannt. Erheitert lacht Lila auf.
"Also so was. Da komm ich nur 2 Monate nicht vorbei und schon hast du mich vergessen? Wie gemein."
Als sie das sagt schaut er ziemlich dumm aus der Wäsche. Um ihm auf die Sprünge zu helfen, sagt sie:
"Erinnerst du dich an silberne Haare und violette Augen?"
Plötzlich kommt ein Leuchten in seine Augen und er umarmt sie stürmisch.
"Silver! Du bist wirklich lange nicht mehr da gewesen. Ohne dich ist es doch so einsam hier. Du musst definitiv wieder öfter kommen. Aber mit dieser Kapuze auf kann dich wirklich niemand erkennen. Willst du wieder tanzen heute? Und hast du schon von dem Tanzwettbewerb in einem Monat gehört, der hier stattfindet?"
"Langsam Langsam! Du erdrückst mich gleich. Also eine Frage nach der anderen. Ich werde auf jeden Fall heute tanzen. Und ja, ich habe auch von deinem Tanzwettbewerb gehört, das ist auch ein Grund, warum ich heute gekommen bin. Ich habe gehofft, dass du mir noch ein Paar Infos dazu geben kannst. Hab nicht so viele Infos kriegen können. Nur im Vorbeigehn bei nem kurzen Gespräch."
"Da hab ich dann später nen Flyer für dich. Da steht wirklich alles drin. Erinner mich nochmal dran, wenn du getanzt hast. Aber was andres. Welche Musik willst du und willst du gleich anfangen?"
Er wirkt richtig aufgeregt und scheint sich ehrlich zu freuen, das sie mal wieder da ist.
"Leg auf, was du willst, hauptsache, es ist rockig. Aber ich will noch nicht gleich anfangen. Werd mich erst mal so unters Volk mischen und nen bissl Spaß haben und mich auch aufwärmen. Ich komm dann wieder her, wenn ich richtig anfangen will, ok?"
"In Ordnung. Dann bis gleich meine Schöne."
Damit mischt sie sich unter die feiernden Menschen. Durch ihre Kapuze wird sie etwas befremdlich angeschaut, aber sie will noch nicht gestört werden und tanzen ohne, dass alle eine tolle Show erwarten. Dabei bemerkt sie nicht, wer noch im Club ist und sie schon beobachtet, seit sie zum DJ gegangen ist.

Alex ist verwirrt. Wer kommt den bitte mit einer Kapuze über den Kopf in einen Club und spricht dann mit dem DJ um anschließend tanzen zu gehen. Vielleicht ist es ja seine Freundin?
Das es ein Mädchen ist, das hat er erkannt. Und sie scheint eine echt tolle Figur zu haben. Das kann man trotz der etwas unförmigen Kapuzenjacke erkennen.
Als sie nun anfängt zur Musik zu tanzen, kann er seine Augen nur schwer wieder von ihr lösen, als Tim ihn anspricht.
"War ne echt gute Idee hierher zu kommen um schon mal den DJ vor dem Wettbewerb kennen zu lernen. Er ist der Veranstalter, da wird er bestimmt auch selbst auflegen. Da is es net verkehrt nach seinem Stil schon mal zu trainieren."
Abgelenkt nickt Alex nur. Das Mädchen mit der Kapuze fasziniert ihn. Irgendwie hat er das Verlangen mit ihr zu tanzen. Und das einige andere junge Männer gerade anfangen sie anzutanzen passt ihm gar nicht. Er hat sie zuerst gesehen. Die sollen gefälligst ihre Finger von ihr lassen.
Entschlossen steht er auf und macht sich auf den Weg zur Tanzfläche. Seine Freunde und die unvermeidlichen Mädchen um ihn ignoriert er einfach.
Moment! Was hatte er da gerade gedacht? Das hört sich ja fast so an, als ob er sie als sein Eigentum sehen würde. Ach Quatsch!
Er schüttelt leicht den Kopf um diese komischen Gedanken abzuschütteln. Seinen Weg hat er trotzdem nicht unterbrochen.
Er tanzt sich durch die Menge in ihre Richtung. Immer wieder kann er ihre Kapuze sehen und ständig sind junge Männer um sie herum. Aber sie ist auch zu sexy wenn sie tanzt. Selbst in diesem unförmigen und bestimmt viel zu warmen Oberteil. Aus den Augenwinkeln kriegt Alex mit, dass sogar der DJ sie ständig beobachtet.
Dann ist er endlich angekommen und sein Blick zu den anderen Männern ist unmissverständlich: Finger weg!
Sie verstehen auch sofort und jetzt hat er sie ganz für sich allein.
Er passt sich ihren Bewegungen an und sie sich seinen. Ihre Körper bewegen sich zur Musik und jeder kann sehen, was für gute Tänzer sie sind. Es macht einfach Spaß ihnen zuzuschauen. Doch nicht alle Blicke sind bewundernd. Einige Mädchen betrachten diese Fremde da vor ihm eindeutig mit hasserfüllten Blicken. Andere sind einfach nur neidisch.
Plötzlich bewegt sie sich weg von ihm und steuert die Bar an. Ohne groß nachzudenken folgt Alex ihr. Er will mehr über sie wissen.
Sie bestellt sich eine große Cola, was ihn doch etwas verwundert. Es ist selten, das sich jemand etwas nicht alkoholisches bestellt.
"Keinen Cocktail? Ich dacht immer, ihr Mädels liebt die so sehr?" Diese Fragen sind ihm raus gerutscht, ohne das er es gewollt hat. Ein helles Lachen ist die Antwort darauf. Sofort liebt er dieses Lachen und will es wieder hören.
"Ich will gleich noch richtig tanzen und dabei ist Alkohol im Blut nur hinderlich. Aber ansonsten trink ich auch ganz gerne mal nen Cocktail, so langs net zu viel wird."
Mit der Antwort hat er nun nicht gerechnet. Was sie wohl meint mit richtig tanzen? Doch bevor er sie fragen kann, unterbricht sie ihn schon wieder.
"Ich muss schon sagen, du bist richtig gut im Tanzen, Alex. So viel Spaß wie bei dir hatte ich schon lange nicht mehr, wenn ich mit jemanden getanzt habe. Da werde ich mich bei dem Wettbewerb schon ganz schön anstrengen müssen, wenn ich mich doch entschließe mitzumachen."
Er ist verwirrt. Woher kennt sie seinen Namen und das er plant bei diesem Wettbewerb mitzumachen? Genau das fragt er sie dann auch.
"Ich bitte dich. Du bist quasi eine Berühmtheit. Man müsste schon mit Scheuklappen durchs Leben gehn, um dich net zu kennen. Des mitm Wettbewerb hab ich im Vorbeigehen bei nem Gespräch gehört. Aber ich selbst bin mir noch nen bissl unschlüssig."
"Ok, das heißt, du kennst meinen Namen, aber ich deinen nicht. Genauso wenig wie dein Gesicht. Nimm doch mal die Kapuze ab."
Er ist neugierig, was ihn wohl erwartet. Vielleicht hat er sie ja schon mal gesehen. Doch er wird enttäuscht.
"Meinen richtigen Namen werde ich dir nicht sagen, aber mein Gesicht wirst du nachher noch sehen, wenn ich richtig tanze. Da wirst du dann auch meinen Künstlernamen erfahren. DJ Starlight hat mir den gegeben. Er ist der Meinung, er passt perfekt zu mir."
Ein Stich fährt in sein Herz bei diesen Worten. Dieser DJ, der sie sowieso schon die ganze Zeit beobachtet, kennt sie also so gut, dass er ihr einen Namen gegeben hat. Und er darf noch nicht einmal ihr Gesicht sehen?
Halt! Was ist nur los mit ihm? Er wird doch wohl nicht eifersüchtig sein wegen eines Mädchens, das er gerade erst kennengelernt hat? Nein, das kann nicht sein.
Genervt schüttelt er diese Gedanken sofort wieder ab.
Sie unterhalten sich noch eine Weile und er versucht noch öfter, ihren Namen herauszufinden, doch sie bleibt stur. Im Laufe des Gesprächs hat er sie überreden können, wenigstens auf alkoholfreie Cocktails umzusteigen. Nach einer Weile ist ihm aufgefallen, dass sie nie etwas zahlt. Als er sie darauf anspricht, ist ihre Antwort nur:
"Ich bekomme alles von ihm bezahlt."
Dabei zeigt sie auf den DJ.
Schon wieder der! Alex muss es langsam zugeben. Er ist eifersüchtig.
Plötzlich schaut sie auf die Uhr hinter der Bar.
"Oh. Es ist Zeit. Wenn du mich entschuldigst. War nett mit dir zu reden. Man sieht sich."
Damit ist sie schon auf dem Weg in Richtung des DJ-Pults. Alex bleibt völlig überrumpelt an der Bar zurück.
Sie redet nur kurz mit DJ Starlight. Dann wendet er sich an die feiernde Masse zu seinen Füßen.
"Hey Leute! Ich brauch mal ne freie Fläche zu meinen Füßen. Ihr werdet hier gleich ne ganz große Show zu sehen kriegen. Ich verspreche euch, so was habt ihr noch net gesehn!"
Augenblicklich kommen alle seiner Aufforderung nach. Vor seinem Pult entsteht eine erstaunlich große freie Fläche, dafür, dass der Club schon fast überfüllt wirkt. Sie ist bestimmt 5x5 Meter groß.
Aber Alex achtet nicht so wirklich darauf. Seine Augen sind auf das geheimnisvolle Mädchen gerichtet, das gerade seine Kapuzenjacke auszieht. Das erste, was er sehen kann ist ein grünes Top, das ihre perfekte Figur noch mehr betont. Dann zieht sie auch ihre Kapuze nach unten und eine Flut von silbernen Haaren kommen zum Vorschein. Aus ihrem wunderschönen Gesicht strahlen zwei violette Augen in seine Richtung, während sie sich in der Mitte der freien Fläche positioniert.
"Und da ist sie. Die fantastische Silver. Rock die Menge meine Schöne!"
Mit dieser Ansage legt er das erste Lied auf. Es ist "Tanz aus der Reihe" von Silbermond.
Und wie auch beim ersten Mal kann Alex seinen Blick nicht von Silver nehmen, als sie tanzt. Er glaubt eine Elfe bei ihrem Tanz beobachten zu dürfen. Er und der Rest des Clubs sind für eine halbe Stunde in ihrem Bann.
Als sie aufhört zu tanzen, will er gleich zu ihr. Doch die Leute, die wieder auf die Tanzfläche strömen, versperren ihm den Weg. Er kann nur noch beobachten, wie Silver sich von DJ Starlight mit einer herzlichen Umarmung verabschiedet und von einem Security in Richtung Hintertür begleitet wird.
Wiedereinmal lodert die Flamme der Eifersucht heiß in ihm, als er die Umarmung der beiden sehen muss. Doch er kann nichts ausrichten und sie ist wieder einmal aus seinem Blickfeld verschwunden. Seine einzige Hoffnung sie wiederzutreffen ist nun der Wettbewerb. Auch wenn er weis, das er nicht gewinnen wird, wenn sie mitmacht. Niemand könnte sich ihrem Zauber entziehen, wenn sie tanzt. Nicht ein Jurymitglied könnte ihr den Preis abschlagen. Davon ist er überzeugt.
Niedergeschlagen kehrt er zu seinen Freunden und den noch immer nervenden Mädchen zurück. Ohne die fragenden Blicke seiner Freunde oder die Flirt versuche der Mädchen zu beachten setzt er sich auf seinen alten Platz und stürzt den Rest des Abends einen Drink nach dem anderen in sich.

Lila folgt dem Security zur Hintertür. In der Tasche hat sie den Flyer vom Tanzwettbewerb mit allen nötigen Informationen.
Inzwischen ist es kurz nach 1 und die Gasse hinter dem Club ist nur durch kleine Lampen erhellt, die kaum Licht spenden. Kaum das die Tür hinter ihr zugefallen ist, legt sie sich mit geübter Hand ihren Zopf zu einem Kranz um den Kopf und zieht die Perücke aus ihrer Tasche. Dann verlässt sie mit schnellem Schritt die Gasse und macht sich auf den Weg nach Hause. Dabei lässt sie die vergangenen Stunden noch einmal Revue passieren.
Nach langer Zeit hat sie mal wieder DJ Starlight gesehen, wenn man so will, ein Freund von ihr. Auch wenn er nicht wirklich viel von ihr weis. Dann hat sie locker getanzt. Dabei haben einige Jungs versucht mit ihr zu tanzen. Aber keiner von ihnen konnte sich wirklich ihrem Rhythmus anpassen. Bis plötzlich Alex da war. DER Alex Glory, das Idol der Mädchen schlecht hin. Und er hat sich nicht von den anderen Mädchen ablenken lassen, die versucht haben mit ihm zu tanzen. Er ist ihr sogar zur Bar gefolgt und hat sich mit ihr unterhalten. Obwohl er ihr Gesicht nicht sehen konnte und sie ihm ihren Namen nicht verraten hat. Als sie dann zu ihrer Show gegangen ist, sind seine Augen ihr gefolgt. Sie konnte seinen Blick die ganze Zeit in ihrem Rücken spüren. Beim Aufstellen in der Mitte der Tanzfläche hat sie einen Blick auf sein Gesicht erhaschen können. Darauf war reine Überraschung und Faszination zu sehen und noch etwas, das sie nicht ganz zuordnen konnte.
Während sie noch darüber nachdenkt, was das wohl gewesen sein könnte, ist sie vor ihrer Wohnungstür angekommen. Leise schließt sie die Tür auf und ohne Licht anzumachen schleicht sie in ihr Zimmer. Erst dort macht sie Licht. Dann zieht sie sich nur noch schnell um und fällt total fertig ins Bett. Ihr letzter Gedanke gilt Alex und was wohl passiert, wenn sie sich das nächste mal als Alex und Silver wiedersehen. Das er sie als Lila wahrnimmt, da ist sie sich sicher, dass das nie passieren wird.

Die Suche nach der Unbekannten




Am nächsten Morgen wacht Lila erst um 10 Uhr auf. Ihre beiden Brüder sind schon wach und haben sich selbst Frühstück gemacht, damit sie noch etwas schlafen kann. Die beiden kennen das schon, das sie am Wochenende etwas länger schläft um den Schlaf, den sie unter der Woche verpasst, nachzuholen. Deshalb sind sie auch immer ganz leise, bis sie aufsteht.
Heute haben sie ihr sogar auch Frühstück gemacht, so dass sie erst einmal nichts zu tun hat. Doch bevor sie isst, verschwindet sie erst mal unter der Dusche.
Eine halbe Stunde später erscheint sie frisch geduscht in der Küche, die silbernen Haare noch etwas feucht, und freut sich über den frischen Kaffee, den ihr Haru gerade hinstellt.
"Danke ihr beiden. Ihr seid die besten. Was würde ich nur ohne euch machen?"
Mit den Worten nimmt sie die Zwillinge in den Arm und drückt sie an sich. Glen antwortet darauf nur trocken:
"Du würdest weniger arbeiten ohne uns. Da is es das mindeste, was wir tun können, dich ausschlafen zu lassen, mal Frühstück zu machen und nen bissl im Haushalt helfen. Also mach nich aus ner Mücke nen Elefanten, Schwesterchen."
Lila lacht laut auf und lässt Haru und Glen los. So war Glen. Immer eine trockene Antwort parat. Damit hat er schon so manchen Lehrer in der Schule zur Weißglut getrieben und in der Klasse für Heiterkeitsausbrüche gesorgt.
Nach dem Frühstück macht sie sich dann mit den beiden Jungs an Wohnungsputz. Es herrscht Arbeitsteilung. Die Jungs räumen auf und wischen Staub. Außerdem saugen sie die Räume durch. Währenddessen bringt Lila die Küche in Ordnung, wäscht Wäsche und reinigt das Bad. Zwischendurch wird Mittag gekocht. Danach geht es weiter mit Hausputz. Diese Woche ist ihre Familie auch dran mit Hausflur putzen. Das eine Stockwerk Treppe putzen ist schnell zwischendurch erledigt. Bevor sie dann das Abendessen für sich und die Jungs hinstellt wird noch eben die frische Wäsche gebügelt und in die Kleiderschränke einsortiert. Die Jungs sind schon kurz nach dem Mittag mit ihren Aufgaben fertig gewesen und nach draußen gelaufen um sich mit ihren Freunden zu treffen.
Pünktlich zum Abendessen sind sie wieder zurück. Gemeinsam vor dem Fernseher lassen sie das Wochenende ausklingen. Morgen geht wieder eine neue Woche voll von Schule und Arbeit los. Doch davon lassen die drei sich nicht beeindrucken und genießen einfach die letzten Stunden des Wochenendes.

Alex wacht auf, als die Sonne ihm direkt ins Gesicht scheint. Gequält stöhnt er auf. Das Licht tut ihm in den Augen weh und sein Kopf bringt ihn um. Verdammt! So einen schrecklichen Kater hat er schon lange nicht mehr gehabt. Warum hat er auch so viel getrunken? Ach ja! Er war gefrustet gewesen wegen dieser geheimnisvollen Silver. Warum ist es so einfach bei anderen Mädchen ihre Lebensgeschichte herauszufinden, auch wenn ers gar nicht wissen will und bei ihr kann er noch nicht einmal ihren Namen erfahren. Und dieser nervige DJ Starlight scheint alles zu wissen. Da interessiert er sich mal wirklich für ein Mädchen und sie ist nicht an ihm interessiert. Dazu kommt noch dieser nervige DJ, der anscheinend alles über sie weis und viel zu vertraut für seinen Geschmack mit ihr umgeht. Und er selbst muss bis zum Tanzwettbewerb warten um sie wiederzusehen. Die beiden dagegen werden wahrscheinlich dauernd miteinander abhängen. Wenn er nur daran denkt wird er schon wieder eifersüchtig.
Inzwischen hat er sich aus dem Bett gequält und sich unter die Dusche geschleppt. Nach dem kalten Wasser fühlt er sich schon etwas besser. Noch eine Tasse Kaffee und eine Kopfschmerztablette und schon fühlt er sich wieder fast normal.
Seine Eltern sind mal wieder auf einem ihrer Wochenendtrips und somit hat er das Haus für sich allein.
Seine Gedanken schweifen wieder zu Silver. Gibt es vielleicht doch eine Möglichkeit sie vor dem Tanzwettbewerb wiederzusehen? Das wäre höchstens Zufall, wenn sie mal in einem Club auftaucht, wo er auch ist. Aber wenn er Glück hat kann er im Internet etwas über sie raus finden.
Also setzt er sich vor seinen Laptop und gibt bei Google Silver + tanzen ein. Es kommen einige Videos von Youtube, die sie bei ihren Shows zeigen. Immer wieder in anderen Clubs, aber doch recht häufig auch im Starlight Express. Die restlichen Seiten sind Fanseiten, auf denen hitzig diskutiert wird, wo sie wohl das nächste Mal auftaucht und wer sie wirklich ist. Es gibt auch ein paar Theorien, das sie ein Vampir wäre, die sich unter die Menschen mischt, um etwas Spaß zu haben und man sie deshalb nie tagsüber sehen kann. Schließlich kommt sie immer erst, wenn es dunkel ist. Auch taucht sie nur in dieser Stadt auf und sonst nirgendwo.
Das Internet bringt also nicht wirklich was. Vampir, so ein Quatsch aber auch. Enttäuscht klappt Alex seinen Laptop wieder zu. Nur die Videos von ihren Shows waren klasse, auch wenn sie nicht immer die beste Qualität hatten.
Da muss er sich wohl eine andere Möglichkeit suchen, um an Infos über sie ran zu kommen. Der einzige von dem er aber weis, das sie mit ihm zu tun hat ist DJ Starlight. Und ihn wollte er eigentlich nicht fragen, wenn es sich vermeiden lässt. Doch so wie es aussieht kommt er da wohl nicht drum herum.
Also noch einmal an den PC gesetzt und Infos über ihn gesucht. Da findet sich schon einiges mehr. Zum Beispiel sein richtiger Name. Er heißt Thomas Light und ist gerade mal 20. Also ist er nur 2 Jahre älter als er selbst. Alex beschließt ihn morgen nach der Schule aufzusuchen. Heute wird das nichts mehr, da er noch Hausaufgaben machen muss und es jetzt schon 5 Uhr ist.
Also macht er sich erst mal was zu essen und vergräbt sich dann hinter seinen Schulsachen. Um 22 Uhr ist er endlich fertig. Was müssen Lehrer auch immer übers Wochenende so viel aufgeben. Er macht sich nur noch eben fürs Bett fertig und geht dann schlafen.
Irgendwann zwischendurch sind seine Eltern nach Hause gekommen, aber sie wollten ihn nicht bei seinen Hausaufgaben stören.

Montagmorgen. Sein Handywecker reist ihn aus seinen Träumen. Er hat von Silver geträumt. Ihr Gesicht war wieder von einer Kapuze verdeckt, doch er wusste trotzdem, dass sie es ist. Genau bevor er aufgewacht ist, hat sie noch etwas gesagt. Angestrengt versucht sich Alex zu erinnern. War das "Finde mich." gewesen? Ganz sicher ist er sich nicht, aber er hofft es.
Verschlafen schlurft er ins Bad und springt unter die Dusche. Eine halbe Stunde später kommt er wacher wieder heraus. Nachdem er sich schnell seine Lieblingsjeans und ein schwarzes T-Shirt angezogen hat, schnappt er sich noch seine Schultasche und einen Apfel aus der Küche. Dann ist er auch schon unterwegs zur Schule.
Dort warten schon seine Freunde Tim und John auf ihn.
"Hey Mann! Was war denn mit dir plötzlich los am Samstag? Und gestern warst du auch net zu erreichen." Tim ist verwirrt über das Verhalten seines besten Freundes.
"Sorry, hatte gestern nen üblen Kater. Hab Samstag einfach zu viel getrunken. Bins wohl einfach net gewohnt, das mich nen Mädel abblitzen lässt.", versucht Alex zu scherzen.
Seine Freunde sehen sich gegenseitig an und nicken wissend. Ihnen ist sofort klar, dass das nicht alles ist. So wie es aussieht hat ihr bester Freund sich bis über beide Ohren verknallt.
"Lasst uns hier nicht länger rumstehn. Der Unterricht fängt gleich an."
Alex ist der Blick seiner Freunde nicht entgangen. Es ist ihm ziemlich unangenehm, dass sie ihn so gut kennen und um Fragen zu vermeiden wechselt er schnell das Thema. Und bevor die beiden noch antworten können ist er schon auf den Weg ins Schulgebäude.

Wie jeden Montagmorgen wird Lila von ihrem Wecker geweckt. Sie macht das Frühstück für sich und ihre Brüder und sich selbst fertig für die Schule. Nachdem sie die Küche wieder aufgeräumt hat und die Spülmaschine angestellt, macht sie sich auf den Weg zur Schule. Am Eingang steht Alex Glory und seine zwei Freunde. Scheinbar ist er auch grade erst angekommen. Ihr Herz fängt schneller an zu schlagen und sie wird etwas nervös. Leise flüstert sie : "Idiotin! Er wird dich nicht wiedererkennen!" Doch insgeheim wünscht sie sich genau das. Mit gesenktem Kopf eilt sie an den dreien Vorbei. Dabei bekommt sie Alex Antwort auf eine Frage von Tim mit:
"Sorry, hatte gestern nen üblen Kater. Hab Samstag einfach zu viel getrunken. Bins wohl einfach net gewohnt, das mich nen Mädel abblitzen lässt."
Bei welchem Mädchen er wohl abgeblitzt ist? Sie wüsste keines, dass ihn abweisen würde, sich selbst mit eingeschlossen. Und wie es aussah mag er dieses Mädchen echt gerne. Eifersucht auf diese Unbekannte kommt in ihr hoch. Doch sofort kämpft sie die wieder zurück. Eigentlich sollte sie sich doch darüber im klaren sein, dass er sie niemals wahrnehmen würde. Sie spielt einfach nicht in seiner Liga.
Mit diesen Gedanken eilt sie zu ihrem Klassenzimmer. Doch auch den Rest des Unterrichtstages schweifen ihre Gedanken immer wieder zu diesem einen Satz. Wie dieses Mädchen wohl aussieht? Geht sie vielleicht auf unsere Schule? Ist sie neu in der Stadt? Hat Alex vielleicht wirklich bald eine feste Freundin? Wie werden wohl die anderen Mädchen reagieren, wenn sie es erfahren? All diese Fragen gehen ihr immer wieder durch den Kopf. Vom Unterricht weis sie am Ende des Schultages gar nichts mehr.

Auch Alex ist ziemlich abgelenkt vom Unterricht. Ständig muss er an Silver denken und daran, ob er wohl etwas von DJ Starlight über sie erfahren kann. Vielleicht will er ihm ja gar nichts verraten, weil er sie für sich selbst will. Es kann auch sein, dass er nicht da ist, oder ihm einfach nicht die Tür aufmacht.
In der Pause dachte er einmal sie gesehen zu haben. Ein Mädchen mit ziemlich alten Klamotten, die ihre Figur mehr verstecken als enthüllen, eilt vor ihm durch den Gang. Doch trotzdem kann er erkennen, dass ihre Figur der von Silver sehr ähnelt. Auch ihre Art sich zu bewegen ist ähnlich, selbst wie sich so geduckt läuft und versucht nicht aufzufallen. Aber sie hat braune Haare. Ihr Gesicht und ihre Augen kann er leider nicht erkennen. Das alles hat er realisiert in dem Moment, in dem sie nicht von den Schülermassen verschluckt wurde. Doch sie ist bestimmt nicht seine Silver. Die Haarfarbe passt einfach nicht. Außerdem könnte sie auch etwas kleiner als Silver sein. Genau kann er das bei ihrem geduckten Gang nicht schätzen.
Endlich tönt der Gong zum Schulschluss. Eigentlich will er sich schnell verdrücken, doch da hat er die Rechnung ohne seine Freunde gemacht.
"Hey Alex, wir wollen noch nen bissl in die Stadt mit den Mädels abhängen. Du kommst doch auch mit, oder?" John ist so gut gelaunt wie immer.
"Sorry Leute, aber ich hab noch was zu erledigen. Das nächste Mal, in Ordnung?" Alex will so schnell wie möglich nach draußen.
"Na gut, da kann man nichts machen. Meld dich, wenn dus dir doch noch anders überlegst." John ist enttäuscht und auch Tim merkt man eine kleine Enttäuschung an. Genauso wie den Mädels, die schon wieder um sie herumschwirren.
"Mach ich. Bis später!" Damit macht er sich endlich auf den Weg zu Thomas Light.

Endlich steht er vor dem Wohnungsblock, in dem Thomas Light, alias DJ Starlight, wohnen soll. Nervös sucht er die Klingelschilder nach dem richtigen Namen ab. Da ist er ja. Jetzt muss er nur Glück haben und er ist zuhause.
Mit nervösem Gefühl im Bauch drückt er die Klingel. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Flüchten ist nicht mehr drin. So nervös war er noch nie, fällt ihm gerade auf. Noch nicht mal bei einem Wettbewerb.
"Ja? Wer ist da bitte?"
Eine männliche Stimme kommt aus dem Lautsprecher neben der Tür.
"Mein Name ist Alex Glory und ich hätte eine Frage an Sie. Dürfte ich eben rauf kommen? Es spricht sich leichter, wenn man sich gegenübersteht."
Seine Stimme klingt sicherer, als er sich fühlt.
"Ok, komm rauf. Ist der dritte Stock."
Damit erklingt das Summen des Türöffners. War ja leichter als er gedacht hatte.
Mit leicht zittrigen Knien macht er sich auf den Weg nach oben. Kurz vor dem Treppenabsatz des dritten Stocks bleibt er noch mal kurz stehen und holt tief Luft um sich zu beruhigen. Dann bewältigt er die letzten Stufen und steht DJ Starlight gegenüber.
"Ach jetzt weis ich wieder wer du bist. Wusst doch, das ich deinen Namen schon mal gehört hab. Du bist ziemlich bekannt mit deiner Tanzcrew. Und du hast am Samstag ganz schön heftig mit Silver geflirtet. Aber komm doch erst mal rein." So wird er von Thomas begrüßt, der schon an der Tür gewartet hat.
Etwas schüchtern folgt er ihm in seine Wohnung und schaut sich neugierig um. Sie ist größer als man in diesem alten Wohnungsblock erwartet hätte. Aber durch die ganzen Platten und CDs, die überall verteilt sich, wirkt sie trotzdem sehr klein und eng.
Das Wohnzimmer, in das er geführt wird ist recht hell. Eine gemütliche Couch steht in der Mitte des Raumes, direkt gegenüber von einem kleinen Fernseher. Davor ist ein kleiner Tisch und daneben steht noch ein Sessel. Die Wände sind weis, aber mit Postern von verschiedenen Bands zugeklebt. Der Rest ist mit Regalen voller CDs, Platten und Bücher voll gestellt. Erhellt wird das ganze von zwei großen Fenstern und einer Balkontür.
"Setz dich doch. Willst du was trinken? Ich kann mir schon vorstellen, weswegen du hergekommen bist. Du willst was über Silver wissen, stimmts?"
"Ich hätte gerne was zu trinken, danke. Und ja, ich will etwas über Silver wissen." Doch bevor er noch eine richtige Frage stellen kann, ist Thomas schon aus dem Zimmer in die Küche unterwegs. Eine Minute später ist er mit zwei Cola zurück. Eine davon drückt er Alex in die Hand. Dann setzt er sich in den Sessel und dreht in so zur Couch, dass er Alex problemlos anschauen kann.
"Um deinen Fragen etwas vorzugreifen. Ich weis nicht, wie sie wirklich heißt. Sie wollte mir ihren Namen nie verraten, deshalb hab ich Silver erfunden. Ich weis eigentlich gar nichts von ihr, außer, dass sie super tanzen kann." Sein Gegenüber nimmt einen großen Schluck aus seiner Cola.
"Willst du hören, wie ich sie kennengelernt habe?" Mit dieser Frage von Thomas hat er nicht gerechnet. Doch er nickt begeistert.
"Schieß los!" fordert er ihn auf.

"Das ist jetzt bestimmt schon 3, sogar fast 4 Jahre, her. Ich hatte mir damals schon nen Ruf als DJ aufgebaut und gerade die Festanstellung im "Starlight Express" gekriegt. An einem meiner Abende kam nen junges Mädchen in den Club mit einem Kopftuch drum, wodurch man keine Haare gesehen hat. Nach anfänglichem Zögern ist sie irgendwann doch auf die Tanzfläche. Man hat ihr angesehen, dass sie gerne zur Musik tanzen würde, aber sich noch nicht traut. Als sie also auf die Tanzfläche ist hat sie auch erst mal recht zögerlich getanzt. Doch mit jedem Lied ist sie mutiger geworden. Zum Schluss hat sie sich von selbst eine Fläche frei getanzt und die anderen haben aufgehört gehabt und ihr nur noch zugeschaut. Bei einem ihrer Sprünge hat sie dann das Tuch verloren und die silbernen Haare sind hervorgekommen. In dem Moment sah sie einfach nur wunderschön aus. Erst hat sie es nicht gemerkt, aber als sie es gemerkt hat, hat sie erschrocken angehalten mit tanzen. Ich hatte das Gefühl, sie hat regelrecht Panik, weil ihre Haare zu sehen waren. Deshalb hab ich ne Durchsage gemacht. Ich habe sie als unseren Überraschungsgast für den Abend vorgestellt und mir auf die Schnelle den Namen Silver für sie ausgedacht. Hat ja auch super zu ihren tollen Haare gepasst. Als sie mich angesehen hat, habe ich sie zu mir gewunken. Die anderen Besucher haben wieder weiter getanzt, sie ist zu mir gekommen. Hat sich bei mir bedankt. Ich wollte ihren richtigen Namen wissen, aber sie wollte ihn mir nicht sagen. Also hab ich ihr gesagt, sie kann ruhig öfter kommen und hier tanzen. Erst sah es nicht so aus, als ob sie das auch will, aber nach 2 Wochen ist sie tatsächlich wiedergekommen. Nach dem 5. Mal hab ich ihr dann ihren Freifahrtschein in den Club gegeben. Damit kriegt sie alles kostenlos. Des wird dann von meinem Gehalt abgezogen. Aber so oft ich sie auch nach ihrem richtigen Namen gefragt habe, nie wollte sie ihn mir sagen. Du siehst also, ich bin genauso schlau wie du."
Damit schließt Thomas sein erstes Erlebnis mit Silver ab.
Eine Zeitlang sind beide still und trinken ihre Cola. Dann ergreift Alex das Wort.
"Mist. Jetzt bleibt mir doch nichts andres übrig, als auf den Tanzwettbewerb zu hoffen. Oder ein Wunder, dass ich sie schon davor sehen werde."
"Dich hats anscheinend ganz schön erwischt. Der größte Playboy der Stadt ist verliebt. Auch mal was andres." Thomas ist ziemlich belustigt, aber auch ehrlich erstaunt über Alex Reaktion.
"Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass sie zum Tanzwettbewerb kommen wird. Ich habe das Gefühl, sie braucht Geld. Und wenn sie zusätzliches Geld mit ihrer großen Leidenschaft, dem Tanzen, verdienen kann, dann wird sie sich dass nicht entgehen lassen.", versucht er Alex Hoffnung zu geben.
"Wie kommst du zu der Annahme, dass sie Geld braucht?"
"Sie ist nur sehr selten in den Clubs und dann trinkt sie auch nur die billigsten Drinks und selbst davon höchstens zwei. Außerdem ist sie oft müde, wenn sie kommt, also wird sie sehr wahrscheinlich irgendwo arbeiten. Logische Schlussfolgerung: Sie braucht für irgendwas Geld."
Dazu kann Alex nichts sagen. So gut kennt er sie noch nicht. Aber Thomas scheint sie ziemlich genau beobachtet haben um das alles sagen zu können. Irgendwie gefällt ihm dieser Gedanke gar nicht.
Sie unterhalten sich noch ein bisschen über den Tanzwettbewerb, dann verabschiedet sich Alex wieder.
"Danke für die Cola und die Geschichte. Wir sehen uns!"
"Kein Problem. Bis demnächst."
Damit macht sich Alex wieder auf den Heimweg. Seine Freunde noch anrufen und mit ihnen noch durch die Stadt zu gehen, darauf hat er keine Lust. Da wird er sich wohl für morgen eine Ausrede einfallen lassen müssen, warum er sich nicht gemeldet hat. Aber damit kann er sich auch noch morgen beschäftigen.

Doch mitten auf dem Heimweg entscheidet er sich um. Statt direkt nach Hause zu gehen, nimmt er den Umweg durch die Innenstadt. Einerseits will er zwar alleine sein, doch andererseits will er auch unter Menschen sein. Zu Hause würde er ja doch nur rumsitzen und Trübsal blasen. Hier in der Stadt besteht die Chance, dass er zufällig Silver begegnet. Zumindest, so denkt er sich, ist die Wahrscheinlichkeit höher, als dass sie an seine Haustür klopft. Außerdem können ihn seine Freunde etwas von seinen Gedanken ablenken, wenn er doch auf sie treffen sollte.
Es sind viele Jugendliche in der Stadt unterwegs, aber das ist bei dem Wetter auch nicht verwunderlich. Die Sonne strahlt nur so vom Himmel und wärmt alles, was ihre Strahlen treffen. Eine sanfte Brise sorgt für eine angenehme Abkühlung und das leuchtende Blau des Himmels wird nur ab und zu von einem Schleierwölkchen unterbrochen. Niemand bleibt da drinnen, außer man muss arbeiten. Bei dieser Menschenmenge ist die Chance, dass Alex auf seine Freunde trifft, nicht so hoch. Aber das er Silver in der Menge ausmachen kann, ist auch nicht sehr wahrscheinlich.
Jedoch geschieht plötzlich das Unglaubliche. Gerade als er an einem kleinen Café vorbei läuft, erklingt aus dessen Innerem ein Lachen, dass er niemals verwechseln würde. Es ist Silvers wunderschönes Lachen. Neugierig versucht er nach drinnen zu spähen, aber er kann nichts erkennen. Hineingehen traut er sich nicht. Er ist zu nervös sie wiederzusehen. Kurzentschlossen setzt er sich an einen der Tische vor dem Café. Irgendwann wird sie ja mal raus kommen müssen.

Lila ist nach der Schule gleich zu ihrem Nebenjob in den kleinen Café "Bella Italia" gegangen. Dort arbeitet sie als Kellnerin. Heute hat sie wirklich viel zu tun. Bei dem schönen Wetter scheint heute jeder draußen zu sein. In einer kurzen Pause, in der sie mal nichts zu tun haben, erzählt ihr ihre Kollegin Miri die neusten Geschichten ihres kleinen Jonas. Das ist ihr 3 Jahre alter Sohn. Gerade ist er in den Kindergarten gekommen und bringt nun seine Erzieherinnen zur Verzweiflung. Bei einer besonders lustigen Anekdote des kleinen Jonas muss Lila laut auflachen. Erschrocken schaut sie sich um, doch es scheint niemanden gestört zu haben.
Als ihr Blick einige Minuten später nach draußen fällt, entdeckt sie einen neuen Kunden. Also wieder an die Arbeit.
Beim Rausgehen kontrolliert, ob sie auch alles dabei hat, den Block, einen Stift und die Geldtasche. Deshalb schaut sie erst richtig zu ihrem neuen Kunden, als sie schon fast bei ihm ist.
Sie kann es nicht fassen. Das ist ALEX GLORY!!!
Nervös geht sie auf ihn zu. Hoffentlich erkennt er mich nicht wieder. Aber woher denn? Meine Haarfarbe ist nicht die gleiche und meine Stimme wird er auch nicht erkennen, da es im "Starlight" die Musik so laut war. Aber was, wenn er mich doch erkennt? Dann geht das Mobbing wieder los.
Jetzt steht sie direkt vor ihm und versucht ihre Nervosität hinter einem Lächeln zu verstecken. Es klappt ganz gut, als sie sich vorstellt, dass ein alter Mann vor ihr sitzt. Man hört auch ihrer Stimme nichts an.
"Guten Tag, wissen Sie schon, was Sie bestellen?"
Er sieht sie etwas merkwürdig an und mustert sie genau. Hoffentlich hat er nichts bemerkt.
"Ich nehme einen großen Erdbeerbecher bitte. Sag mal, hast du ne Schwester? Ich hab nämlich letztens nen Mädchen getroffen, die genau so violette Augen hatte wie du, aber ihre Haare waren Silber. Sie sieht dir nen bissl ähnlich."
Mit dieser Frage hat sie nicht gerechnet. Anscheinend bemerkt er ihre Ähnlichkeit, aber glaubt an eine Schwester.
"Tut mir leid, aber ich habe nur 2 jüngere Brüder und mit denen bin ich noch nicht einmal blutsverwandt. Ich wurde adoptiert. Sollte ich also noch richtige Geschwister haben, so kenne ich die nicht." Sie schafft es immer noch zu lächeln, obwohl sie so nervös ist, dass ihre Hände zittern.
"Schade. Naja, hätte ja sein können. Trotzdem danke."
"Kein Problem. Der Erdbeerbecher kommt gleich."
Endlich kann sie wieder nach drinnen. Den Eisbecher lässt sie Miri raus bringen, die sie sowieso schon um den hübschen Kunden beneidet hatte. Noch einmal würde sie ihre Nervosität nicht überspielen können.
Als sie abends schließlich nach Hause geht, kann sie immer noch nicht glauben, dass Alex bei ihr im Café war. Selbst wenn sie jetzt noch daran denkt, dann bekommt sie weiche Knie.
Doch daheim bei ihren Brüdern lässt sie sich wieder nichts anmerken. Stattdessen macht sie das Abendessen wie immer, kümmert sich noch etwas um den Haushalt und macht sich dann auf zu ihrem zweiten Job im Club "Lago di Luna", dem kleinsten Club der Stadt. Dort wird sie wieder bis 2 Uhr hinter der Bar stehen und Drinks mixen. Dabei kann sie wunderbar abschalten. Nur noch die Rezepte der Drinks haben Platz in ihrem Kopf und die laute Musik tut ihr übriges um den Rest zu übertönen.

Eine neue Freundschaft?




Dienstag Morgen. Alex ist mal wieder auf den Weg in die Schule. Aber er fühlt sich ziemlich gerädert. Es könnte daran liegen, dass er nicht wirklich viel geschlafen hat. Natürlich hat er immer wieder an Silver gedacht, aber auch die Kellnerin von gestern ist in seinem Kopf herum gespuckt. Von irgendwo her kennt er sie, aber er ist einfach nicht darauf gekommen, von wo. Nur an eine Ausrede für seine Freunde hat er nicht mehr gedacht.
Er ist so unkonzentriert, dass er gar nicht merkt, dass er beinahe an seinen Freunden vorbei läuft Erst als Tim ihm fast ins Ohr schreit, bemerkt er sie.
"Oh hey. Hab euch gar nicht gesehen."
"Das haben wir gemerkt. Du hast uns auch nicht gehört, als wir dich angesprochen haben. Was ist denn los?" John klingt leicht sauer.
"Tut mir echt leid. Ich bin nur einfach total müde. Hab fast nicht geschlafen letzte Nacht. Zumindest kommt es mir so vor."
Mit dieser Aussage lassen sich seine zwei Freunde erst einmal besänftigen. Sie nehmen ihn in die Mitte und gemeinsam machen sie sich auf den Weg zum Unterricht.
"Aber mal was anderes. Warum hast du dich gestern nicht mehr gemeldet?" Tim schaut ihn neugierig an.
"Ich wollte euch noch anrufen, aber mein Akku war leer und ich konnte euch in der Menge auch nicht finden."
Das scheint sie zufrieden zu stellen.

In der Pause will er sich verdrücken. Er will mal alleine sein. Kaum klingelt es, schon ist er aus der Klassenzimmer heraus. Seine Freunde können gar nicht so schnell gucken, so schnell ist er weg. Auf der Suche nach einem ruhigen Platz sieht er plötzlich eine bekannte Gestalt. Das ist doch die Kellnerin von gestern, die da vorne läuft.
Neugierig, wo sie wohl hin will, folgt er ihr.
Zu seiner Verwunderung läuft sie fast über den gesamten Schulhof bis zu der kleinen Baumgruppe in der einen Ecke. Auf die hat er ja noch nie wirklich geachtet. Sie verschwindet darin und er folgt ihr einfach.
Dort auf dem Boden sitzt sie und hat ihr Essen ausgepackt. Gerade will sie in eines der Brote beißen, da bemerkt sie Alex.
"Kann ich mich zu dir setzen?", fragt er sie schnell, und bevor sie etwas anderes sagen kann, sitzt er auch schon. Da bleibt ihr nichts anderes übrig, als zu nicken. Doch ansonsten bleibt sie still und starrt mehr auf ihr Essen. Auch Alex hat sein Essen herausgeholt. Doch er beobachtet sie dabei. Deshalb erwischt er sie auch immer wieder, wie sie zwischen ihrem Pony hindurch zu ihm hinschaut. Und jedes Mal, wenn sie merkt, dass er es gesehen hat, schaut sie verlegen weg.
Das ist ja süß! Sie ist ja total schüchtern, denkt sich Alex dabei. Schließlich unterbricht er die Stille.
"Du bist doch die Kellnerin aus dem Café "Bella Italia". Ich hab doch gestern gewusst, dass ich dich schon mal gesehen hab. Du gehst also auch hier auf die Schule. Ich bin Alex Glory, und wie heißt du?"
Leise antwortet sie nach einem Moment. "Ich bin Lila Rei. Wer du bist, wusste ich schon. Du bist eine Berühmtheit in der Stadt. Wer dich nicht kennt, der ist mit Scheuklappen durch die Welt gewandert. Deine zwei Freunde sind genau so berühmt. Wo hast du sie eigentlich gelassen?"
Mit der Frage hat sie Alex überrascht.
"Öhm. Ich wollt mal alleine sein und net dauernd von lauter nervenden Tussen umgeben sein. Aber Tim und John würden des net verstehn, deshalb hab ich mich ohne die ausm Staub gemacht. Dabei hab ich dich dann zufällig hier getroffen."
So ehrlich hat er noch niemandem gegenüber gesagt, was er von diesen aufgetakelten Mädchen um ihn herum hält. Er ist selbst überrascht, dass er das getan hat.
"Ach so. Mich würde es aber auch nerven, ständig von so oberflächlichen Zicken umschwärmt zu werden. Wobei es in meinem Fall eher Machos wären, wenn ich denn beliebt sein würde. Aber des wird nie passieren."
"Wieso denn nicht? Du siehst so klasse aus. Wenn du dich nur ein bisschen anders anziehen würdest, wärst du wahrscheinlich das schönste Mädchen an der Schule. Warum solltest du dann nicht beliebt sein?" Alex kann es nicht verstehn.
"Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich seit der Grundschulzeit von den anderen wegen meines andersartigen Aussehen und weil ich adoptiert bin gemobbt wurde. Jetzt geht es, aber ich werde immer noch gemieden. Das ist aber besser, als Prügel, Beschimpfungen und bestohlen zu werden. Oder wenn sie deine Sachen kaputt machen, einfach nur zum Spaß. Aber das ganze kannst du ja nicht wissen, weil du einer der wenigen bist, die erst in der Highschool-Zeit zu uns gekommen bist. Du hast mich deshalb in der Mittelschule und Grundschule nicht gekannt."
Alex ist geschockt, dass ihr so etwas passiert ist.
"Aber abgesehen von deinen Augen bist du doch gar nicht so anders. Und weil jemand adoptiert worden ist, sollte man ihn nicht mobben. Das ist grässlich."
"Früher waren meine Haare noch viel heller. Sie sahen fast weiß oder auch silbern aus, je nachdem wie das Licht darauf gefallen ist. Das war allen unheimlich. Sie haben gesagt, meine richtigen Eltern müssten Monster gewesen sein, damit ich so aussehen könnte. Als meine Adoptiveltern dann meine Brüder gekriegt haben, hatte ich Angst, dass sie mich nicht mehr wollen würden, weil ich ja so monstermäßig aussehe. Aber ich habe schnell gemerkt, dass das Quatsch ist. Sie waren noch genauso lieb zu mir wie vorher und haben mich immer noch so behandelt, als wenn ich ihre eigene Tochter wäre. Deshalb kümmer ich mich jetzt auch um Haru und Glen, nachdem meine beiden Eltern tot sind. Darum arbeite ich auch als Kellnerin in dem Café"
Alex kann Tränen in ihren Augen erkennen, die sie krampfhaft versucht zurückzuhalten. Er ist sich sicher, dass sie das noch nie jemanden erzählt hat und sie immer noch sehr verletzt von damals ist, auch wenn sie versucht es zu überspielen.
Plötzlich hält er sie in seinen Armen. Ihr Gesicht ist an seiner Brust verborgen und seine eine Hand streichelt ihr beruhigend den Rücken rauf und runter, während die andere Hand durch ihre Haare fährt.
"Du kannst ruhig weinen. Jeder wäre traurig und verletzt, wenn ihm das passiert wäre. Ich werde es auch für mich behalten. Mach dir keine Sorgen. Ich lasse nicht zu, dass du noch einmal so verletzt wirst." Und sie fängt wirklich an zu weinen. Wie sie da so bebend und schluchzend in seinen Armen liegt, wirkt sie so zerbrechlich und verletzlich Wie lange sie wohl schon stark sein musste und ganz alleine mit allem klar kommen muss? Bestimmt schon viel zu lange. Alex nimmt sich vor, sie von nun an zu beschützen. Er will nicht, dass sie noch einmal so alleine ist, wie sie anscheinend die letzten Jahre war.
Und dann macht er etwas, womit er selbst nicht gerechnet hätte. Er erzählt ihr von sich damals.
"Weist du, ich war in der Mittelschule auch nicht der beliebte Junge, der ich heute bin. Damals hab ich eine Zahnspange getragen und von meiner Mutter regelmäßig peinliche Haarschnitte verpasst gekriegt. Deswegen bin ich auch gemobbt worden. Aber nachdem ich die Spange endlich los geworden bin und endlich vom Friseur ne ordentliche Frisur gekriegt hab, da hat das schlagartig aufgehört, weil die Mädels sich alle in mich verliebt haben. Aber ich hab des Mobbing von dem Mädels vorher nicht vergessen gehabt und musste immerzu denken: Ihr Heuchler! Ich war dann ganz froh, als ich weg von denen auf ne andre Schule gekommen bin. Hier fühl ich mich viel wohler, auch wenn ich weis, dass die Mädels mich immer noch nur wegen meines Aussehens und dem Tanzen mögen. Aber sie haben mich vorher wenigstens nicht gemobbt. Ich will trotzdem irgendwann eine Freundin, die mich so mag, wie ich bin und nicht nur wegen meines Aussehens. Und dann ist mir auch egal, ob sie eine "Schönheit" wie diese Tussen ist, oder auch nicht. Hauptsache sie mag mich und ich sie."
Lilas Umarmung wird noch fester nachdem er geendet hat. Und endlich hat sie aufgehört zu schluchzen.
"Ich bin mir sicher, dass du irgendwann so ein Mädchen finden wirst.", antwortet sie ihm leise.

Lila ist sich aber auch sicher, dass nicht sie dieses Mädchen sein wird. Alex verdient ein außergewöhnliches Mädchen. Und sie ist eher durchschnittlich, wenn nicht sogar hässlich mit diesen Haaren und Augen. Aber sie ist erstaunt, dass er auch einmal gemobbt wurde. Das hätte sie nun am wenigsten erwartet. Genau sowenig, wie sie gedacht hatte, dass sie ihm ihre Geschichte erzählen würde. Oder das sie anfangen würde zu weinen und von ihm in den Arm genommen wird. Doch es fühlt sich verdammt gut an in seinen Armen zu liegen. Fast wünscht sie sich, dass dieser Moment niemals enden würde. Hier fühlt sie sich sicher, beschützt und verstanden, aber das wichtigste ist, sie fühlt sich nicht mehr allein.
Langsam löst sie sich von ihm.
"Danke, jetzt geht es wieder. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das einem Fremden erzählen würde und dann noch anfangen würde zu weinen. Das ist mir irgendwie etwas peinlich."
Schüchtern und ein bisschen ängstlich traut sie sich erst jetzt wieder in sein Gesicht zu schauen. Sie hat einen Ausdruck von Belustigung erwartet und vielleicht auch Spott, aber stattdessen schaut er sie mit echter Anteilnahme und ganz freundlich und offen an. Nichts verlogenes ist in seinem Blick zu sehen.
Erleichtert darüber muss sie einfach lächeln. Daraufhin kann sie etwas echt seltsames beobachten. Alex wirkt erst überrascht und dann total verlegen. Sein Gesicht wird sogar leicht rot und er schaut zur Seite. Das sieht irgendwie süß aus. Lila ist sich sicher, dass sie eine der Ersten ist, wenn nicht sogar die einzige, die ihn jemals so gesehen hat. Dieser Gedanke gefällt ihr. Vielleicht ist sie auch die einzige, der er von seinem Mobbing erzählt hat?
"Wenn du mal wieder jemanden zum Reden brauchst, kannst du ja gerne zu mir kommen." Alex Stimme reißt sie aus ihren Gedanken.
"O-Okay" Etwas überrascht von diesem Vorschlag kann sie nichts anderes sagen.
"Gib mir mal dein Handy. Ich trag meine Nummer bei dir ein."
Sie zieht es aus ihrer Tasche und reicht es ihm. Ziemlich schnell hat er seine Nummer eingegeben, dann klingelt sein Handy.
"So, jetzt hab ich auch deinen Nummer." Damit gibt er ihr das Handy wieder.
"Wann arbeitest du eigentlich immer?" Der plötzliche Themenwechsel überrascht sie etwas.
"Jeden Nachmittag außer Sonntags bin ich im Café "Bella Italia". Am Samstag bin ich auch manchmal Vormittags. Dann arbeite ich noch im Club "Lago di Luna" an der Bar. Ein bis zwei Nächte am Wochenende und drei unter der Woche. Das Geld von unseren Eltern muss für die Schule und die Wohnungskosten reichen. Davon können wir nicht auch noch Essen und Kleidung und so kaufen. Dafür ist dann das Geld von meinen Jobs."
"Das ist ne ganze Menge, die du da arbeitest. Wann lernst du denn dann für die Schule?"
"Zwischendurch wenn ich mal weniger auf der Arbeit zu tun habe, oder neben den Haushaltsaufgaben. Wenn Klausuren anstehen, dann sprech ich mir den Stoff auf meinen MP3-Player und hör ihn immer wieder durch. Außerdem pass ich im Unterricht auf. Da kriegt man dann meistens schon ne Menge mit."
"WOW. Das ist fantastisch, wie du Schule und Arbeit unter einen Hut kriegst. Und dann noch den Haushalt und die Erziehung von zwei pubertierenden Jungs. Du bist echt unglaublich."
Alex klingt echt bewundernd und auch sein Blick drückt pure Bewunderung für Lila aus.
"Ich könnte das glaub ich nicht so gut. Mein Respekt."
"Ach was, so toll ist das doch gar nicht. Außerdem ist es notwendig."
Ihr ist es peinlich, wie er sie so bewundernd ansieht.
Durch den Gong wird sie von weiteren Fragen erlöst.
Schnell packt sie ihre Sachen wieder ein.
"Wir müssen zurück zum Unterricht."
"Stimmt." Auch Alex packt seine Sachen ein und folgt ihr zurück zum Schulgebäude.
"Es war schön mich mit dir zu unterhalten. Das sollten wir mal öfters tun. Ich glaube mit dir könnte ich auch ernstere Gespräche führen. Tim und John wollen ständig über Mädels und Partys reden und die Mädchen plappern ständig nur über Mode oder lästern über andere. Du bist da ganz anders. Das gefällt mir." Wieder hat er es geschafft sie zu überraschen und aus dem Konzept zu bringen.
"Okay, wenn du willst. Ich hab nichts dagegen. Mir hat unser Gespräch auch gefallen. Also bis demnächst. Ich muss jetzt wirklich zu meinem Klassenraum."
Beide müssen in unterschiedliche Richtungen. Als sie sich verabschieden wollen, kommen Tim und John um die Ecke.
"Hey Alex! Da bist du ja. Wir haben dich schon überall gesucht. Du warst so schnell weg."
"Bis dann.", murmelt Alex leise zu Lila, dann dreht er sich zu seinen Freunden um.
"Hey Leute. Sorry, aber ich musste noch zu unserem Lateinlehrer. Es ging um mein Referat übernächste Stunde.", hört Lila ihn seinen Freunden antworten. Sie selbst geht leicht lächelnd zu ihrem nächsten Unterricht. Wenn sie sich nicht irrt, dann ist es Chemie. Vielleicht kann sie ja eine Freundin von Alex werden? Er hat selbst gesagt, dass er sich noch einmal mit ihr unterhalten will. Das bedeutet doch, dass sie anders ist als die Mädchen, die sonst um ihn sind, oder?
Diese Fragen beschäftigen sie, bis der Lehrer mit dem Unterricht beginnt. Dann verdrängt sie sie und konzentriert sich ganz auf den Stoff. Chemie ist nicht gerade ihr stärkstes Fach und sie kann sich nicht leisten mal nicht aufzupassen. In Englisch wäre das was anderes.

Auch Alex denkt an sein Gespräch mit Lila zurück. Sie ist einfach unglaublich. So ein Mädchen hat er noch nie getroffen. Er will sie auf jeden Fall noch näher kennenlernen. Sie kann ihn bestimmt noch öfter überraschen. Bei ihr scheint man nie wissen zu können, woran man gerade ist. Ist sie nun ein verängstigtes Mobbingopfer oder die starke junge Frau, die alleine für ihre kleine Familie sorgt und nebenbei noch die Schule bewältigt? Er weis es einfach nicht. Bestimmt wird das nächste Mal eine neue Seite hinzukommen, die ihn noch mehr verwirrt. Die Vorstellung findet er sehr lustig, so dass er vor sich hin schmunzelt. Dafür erntet er schräge Seitenblicke von Tim, der neben ihm sitzt. Doch Alex denkt gar nicht daran sich Tim zu erklären, auch wenn er seinen neugierigen Blick wohl bemerkt. Lila soll sein Geheimnis bleiben.
Am Nachmittag hat er sich überreden lassen, doch wieder mal etwas mit Tim und John zu unternehmen. Zusammen sitzen sie bei Tim und unterhalten sich über Mädels und über den Tanzwettbewerb. Doch er ist nicht bei der Sache. Seine Gedanken schweifen ständig zu Lila und Silver. Beide Mädchen faszinieren ihn auf ihre eigene Weise. Silver mit ihrer selbstbewussten Art und dem tollen Tanzstil zieht ihn in ihren Bann. Lila dagegen weckt den Beschützerinstinkt in ihm. Und gleichzeitig muss er ihre Stärke bewundern. Er ist sich sicher, dass sie auch ohne ihn als Beschützer auskommen würde, aber die Vorstellung, dass sie ganz alleine mit allem zurechtkommen muss, gefällt ihm nicht. Außerdem hat er festgestellt, das er mit ihr über Dinge reden kann, über die er mit sonst niemandem sprechen kann. Ansonsten hätte er ihr nie von seinem eigenen Mobbing erzählt. Er nimmt sich vor, sich wieder mit ihr zu treffen und ihr zu helfen. Als er diese Entscheidung getroffen hat, fällt es ihm auch wieder leichter sich zu konzentrieren.

Der Fremde




Lila dagegen verbringt den Nachmittag mal wieder als Kellnerin. Das gute Wetter hält weiterhin an, deshalb hat sie wieder gut zu tun. Aber es bedeutet nicht nur viel Arbeit, sondern auch gutes Trinkgeld, auch wenn es unter den Kolleginnen gerecht aufgeteilt wird. Es ist ein guter Zusatz zu ihrem Haushaltsgeld. Öfters schon konnte sie sich oder den Jungs damit einen besonderen Wunsch erfüllen.
Nach einer Stunde Arbeit kommen mal wieder Glen und Haru vorbei. Die beiden besuchen sie öfter mal bei der Arbeit. Sie sind die Lieblinge der Belegschaft und bekommen von jedem etwas zugesteckt. Wenn sie wollen, können sie echt süß sein. Nur nicht immer. Wenn es um Lila geht, da kennen die beiden keinen Spaß. Sobald sie sehen, dass einer der Gäste ihre Schwester dumm von der Seite anmacht, gehen sie dazwischen. Und gegen die geballte Zwillingspower kommt keiner an. Wenn sie es darauf anlegen, können sie echt jeden verwirren. Da fängt der eine den Satz an und der andere beendet ihn. Wie sie wohl auf Alex reagieren würden, wenn sie ihn kennenlernen? Ganz unvermittelt kommt Lila dieser Gedanke. Doch schnell schüttelt sie ihn wieder ab. Wie kommt sie nur darauf, dass Alex so viel mit ihr zu tun bekommen könnte, dass er auch ihre Brüder kennenlernen würde. Dieser Gedanke ist absurd. Er kann unmöglich Interesse daran haben, ein so unbedeutendes Mädchen wie sie es ist besser kennenzulernen und in seiner Nähe zu haben. Auch wenn er was anderes in der Pause gesagt hat. Bestimmt hat er das nur gesagt, weil er sie beruhigen wollte als sie so geweint hat. Wahrscheinlich fiel ihm nichts besseres ein. Genau, das wird es gewesen sein. Ihr Blick schweift wieder zu den Zwillingen, die gerade mit Miri schwatzen. Doch sofort wird sie wieder abgelenkt. Ein neuer Kunde hat das Café betreten und sie eilt mit Block und Stift zu ihm um seine Bestellung aufzunehmen.
Nach Schichtende macht sie sich mit Glen und Haru auf den Weg nach Hause. Unterwegs gehen sie noch einmal kurz in den Supermarkt. Heute gibt es Äpfel und Kartoffeln im Angebot.
Mit ihren Brüdern schäkernd verlasst sie kurz darauf wieder den Supermarkt. Die beiden haben ihr die Einkäufe abgenommen. Gerade schaut sie zu Glen, der mal wieder eine Anekdote ihres Mathelehrers erzählt, da passiert es. Sie läuft in jemanden hinein und fällt rückwärts auf ihren Po.
„Lila!“ Ein erschrockener Ausruf kommt von beiden Jungs gleichzeitig. Sie will sehen, wogegen sie gelaufen ist und hebt ihren Blick. Als erstes bemerkt sie ein Paar grauer Chucks, die direkt vor ihr stehen. Den Blick weiter nach oben wandernd folgt dem eine lässige Jeans und ein weißes T-Shirt. So weit nicht ungewöhnlich. Diese Person ist nur sehr groß und wirklich gut gebaut. Nun schaut sie in sein Gesicht. Ein junger Mann, vielleicht 3 Jahre älter als sie, blickt ihr aus lila Augen entgegen. Diese Augen sind nur ein bisschen dunkler als ihre eigenen. Sehr helle Haare fallen ihm vorwitzig in sein Gesicht. Im Licht schimmern sie silber, so wie ihre eigenen Haare. Sie ist ganz fasziniert von diesem Fremden und als er ihr seine Hand entgegenstreckt, da ergreift sie diese total verdattert. Das die Zwillinge ihn schon eine ganze Weile beschimpfen bekommt sie erst jetzt langsam mit. Gerade, als sie die beiden zurechtweisen will, da wird sie wieder von dem Fremden abgelenkt, der sie mit Schwung nach oben zieht direkt in seine Arme.
„Alles in Ordnung bei dir?“ Seine Stimme ist angenehm tief. Sie lässt Frauen einen angenehmen Schauer über den Rücken laufen und ihn noch mehr an schmachten, als sie es ohnehin bei seinem Aussehen schon tun würden. Sprachlos kann sie nur nicken.
„Dann ist gut. Es tut mir übrigens wirklich leid. Ich habe euch nicht gesehen. Ich war gerade auf der Suche nach einer Adresse. Die müsste hier irgendwo in der Nähe sein.“
„Ach so. Naja, es ist ja nichts passiert. Und ich habe ja auch nicht wirklich darauf geachtet, wo ich hin laufe. Also bin ich auch ein bisschen selbst dran schuld. Wir müssen jetzt auch weiter. Das Abendessen wartet nicht. Auf Wiedersehen.“ Lila hat sich wieder gefangen. Mit einem Blick bringt sie ihre Brüder zum Verstummen und sie machen sich auf den Weg nach Hause. Das Aussehen dieses Kerls ist doch wirklich fast genauso wie ihres. Entweder ist sie doch nicht so ungewöhnlich, wie sie dachte, oder er ist ein extremer Fan von Silver.
Aber kaum sind sie in ihrer Wohnung angekommen, vergisst sie den Fremden auch schon wieder. Der Alltagstrott mit Abendbrot bereiten und Haushalt führen hat sie wieder eingeholt. Ihre Brüder verziehen sich nach dem Essen ins Wohnzimmer und schauen sich irgendeinen Comedian an. Währenddessen räumt Lila die Küche auf und erledigt ihre wichtigsten Hausaufgaben. Dann nimmt sie noch einen Teil ihrer Notizen auf, damit sie diese bei der Arbeit auch lernen kann. Schließlich ist es fast 22 Uhr abends. Haru und Glen machen sich so langsam fertig fürs Bett. Lila dagegen macht sich fertig für ihren anderen Nebenjob. Schnell springt sie noch unter die Dusche und schlüpft in neue Kleidung. Die Perücke sitzt mit ein paar gekonnten Handgriffen wieder perfekt. Jetzt trägt sie eine weiße Bluse mit dem Logo des Clubs und eine schwarze Dreiviertelhose. Ihre Füße sind in bequemen Turnschuhen. In anderen Schuhen würden ihre Füße sie auf dem Weg nach Hause umbringen. Wenn viel los ist, dann müssen alle ständig auf Achse sein. Da bleibt kein Moment um sich bei der Arbeit kurz auszuruhen und die Füße zu entlasten.
Um halb 11 beginnt sie ihre Schicht. Die ersten Gäste sind schon eine Zeit lang da und dementsprechend auch der ein oder andere etwas angetrunken. Es kommt auch schon einmal vor, dass sie einem ein Getränk verweigern muss, weil er offensichtlich schon so zu ist. Doch das ist so früh selten. Trotzdem hat sie es schon oft genug erlebt, so dass sie nicht aus der Ruhe gerät, als er beginnt sie zu beschimpfen. Als es zu viel wird, ruft sie einfach die Security und überlässt ihnen den Betrunkenen. Als sie einen Moment Zeit hatte einen Blick über die Menge schweifen zu lassen, dachte sie Alex gesehen zu haben, aber sie muss sich geirrt haben. Was sollte er in diesem kleinen Club. Er ist eher in den großen und beliebten Clubs anzutreffen. Und dort sind auch ihre Schulkameraden. Für Lila ein entscheidender Pluspunkt für das „Lago di Luna“. Es besteht keine Gefahr, dass jemand, der sie kennt, sehen könnte.
Doch plötzlich steht er vor ihr. Sie dreht sich zu dem neuen Kunden, der einen Wodka-O bestellt und ist geschockt. Da steht doch tatsächlich Alex an der Bar. Jetzt hat er sie auch erkannt.
„Hey Lila. Ich wusste gar nicht, dass du hier auch arbeitest. Brauchst du so viel Geld, dass der Job im Café nicht reicht? Ist es nicht total gefährlich, in nen Club und dann noch so spät zu arbeiten?“
Sie würde es ihm am liebsten in Ruhe und ohne schreien zu müssen erklären, doch das ist hier nicht möglich. Deshalb stellt sie ihm seine Bestellung hin und sagt nur.
„Ich erklärs dir morgen. Hier ists zu laut.“
Doch damit gibt sich Alex nicht zufrieden.
„Wann hast du Schluss? Es ist jetz bald halb 3.“
„Ich bin in ner halben Stunde fertig. Wieso?“
„Dann warte ich auf dich und bring dich nach Hause. Es ist gefährlich so spät noch draußen alleine rum zulaufen. Dabei kannst dus mir ja auch schon erklären.“
Er wartet nur noch auf ein bestätigendes Nicken von Lila, dann verschwindet er für eine halbe Stunde wieder in der Menge.
Nun kann Lila das Ende ihrer Schicht gar nicht mehr erwarten. Sie wird von Alex nach Hause gebracht werden. Aber hoffentlich will er nicht, dass sie den Job aufgibt. Das könnte sie nicht. Es war schwer genug einen zweiten Job zu dem Kellnerjob im Café zu finden.
Endlich kann sie durch die Hintertür nach draußen. Alex hat sie nicht mehr gesehen und sie macht sich schon Sorgen, dass er sie vielleicht wieder vergessen hat. Doch das braucht sie nicht. Er steht gegenüber der Tür lässig an die Wand gelehnt. Als er sie nun entdeckt, stößt er sich weg und kommt auf sie zu.
„Hey. Da bist du ja endlich.“
„Tut mir leid. Ich konnte nicht eher weg, weil mein Ersatz sich etwas verspätet hat. Ich konnte meinen Kollegen doch nicht alleine lassen mit den ganzen Bestellungen.“
„Natürlich nicht. Lass uns gehen.“
Nebeneinander gehend machen sie sich auf den Weg. Zuerst herrscht Schweigen zwischen ihnen. Alex weis anscheinend nicht, wie er anfangen soll mit fragen und Lila weis nicht, wie sie anfangen soll.
Schließlich bricht Alex das Schweigen.
„Jetzt erzähl mal. Warum musst du auch in dem Club arbeiten?“
Innerlich spannt sie sich an. Nun ist es so weit.
„Es ist einfach so, dass nur mit beiden Jobs genug Geld da ist, dass wir uns auch mal einen Sonderwunsch leisten können oder Geld zum Sparen haben. Nur mit dem Kellnern alleine decke ich gerade mal den Mindestbedarf ab von uns drei. Ich könnte noch nicht mal Geburtstagsgeschenke für die Zwillinge besorgen. Ich musste ewig suchen, bis ich eine Stelle gefunden hab, die mich angenommen hat. Aber jetzt kann ich wenigstens zwischendurch einmal ein paar Extraausgaben haben.“
Sie traut sich nicht, zu ihm zu schauen. Die ganze Zeit schaut sie auf den Boden vor sich.
„Ach so. Hättest du mir doch auch schon heut Mittag erzählen können. Ich war ziemlich überrascht, dich hinter der Bar zu sehen. Aber ist es net ganz schön gefährlich mit den ganzen Betrunkenen und wenn du nachts alleine nach Hause laufen musst?“
„Um die Betrunkenen kümmern sich die Securitys und dann sind da ja auch noch meine männlichen Kollegen. Für den Heimweg hab ich immer ein Pfefferspray in der Tasche und außerdem hab ich mal einen Selbstverteidigungskurs gemacht. Ab und zu begleitet mich auch mal einer der Kollegen, wenn wir gemeinsam Schichtende haben. Es ist also gar nicht so gefährlich.“
Jetzt schaut sie doch zu Alex. Doch dieser schaut mit nachdenklichem Gesicht nach vorne auf die Straße.
„Wann musst du denn immer hier arbeiten?“ Der Heimweg wird heute wohl mit allerlei Fragen angefüllt sein.
„Ich arbeite fast jedes Wochenende, aber Sonntags meistens nicht. Unter der Woche hab ich nur 2 bis 3 Schichten, die meistens auch recht früh anfangen und deshalb auch früher enden. Dann kann ich noch genug schlafen um in der Schule aufpassen zu können.“
„Wenigstens leidet die Schule nicht darunter. Eine Frage hätte ich noch.“ Abwartend schaut er zu Lila. Diese nickt nur.
„Hättest du was dagegen, wenn ich dich nach der Arbeit abhole und nach Hause bringe? Mir gefällt der Gedanke nicht, dass du alleine hier durch die Nacht läufst.“ Sein Gesicht hat einen fast flehenden Ausdruck. Als ob er mit allen Mitteln sicher gehen will, dass sie zustimmt.
„Ok, wenn es dir nicht zu viel wird. Meistens arbeite ich Dienstag und Donnerstag. Ab und zu arbeite ich auch am Mittwoch. Die Schicht geht dann für mich nur bis 1. Wenn du wirklich immer so lange auf bleiben willst, nur um mich nach Hause zu begleiten, dann hab ich nichts dagegen.“
Schüchtern lächelt sie zu ihm hoch. In dem Moment wird ihr klar, dass er wirklich einen Kopf größer ist und durch das viele Tanzen auch einen wirklich gut gebauten Körper hat. Wenn sie mit ihm zusammen unterwegs ist, dann werden sich irgendwelche Penner oder betrunkenen Halbstarke ihr vielleicht gar nicht mehr nähern. Sie hat zwar versucht es herunterzuspielen, aber ab und zu bekam sich auf dem Nachhauseweg doch Schwierigkeiten.
In dem Moment kommen sie vor dem kleinen Wohnungsblock an, in dem auch die Wohnung von Lila und ihren Brüdern ist.
„Wir sind da. Danke fürs nach Hause bringen. Bis morgen in der Schule.“ Leise verabschiedet sie sich von Alex. Dieser überrascht sie, als sie ihren Schlüssel aus ihrer Handtasche kramt. Er zieht sie in seine Arme und umarmt sie. Dabei sagt er:
„Gute Nacht. Schlaf gut Lila. Bis morgen in der Schule. Wenn du nichts dagegen hast, dann komm ich wieder zu den Bäumen in der Pause.“
Völlig perplex kann sie nur nicken. Daraufhin lässt er sie wieder los und wendet sich mit seinem einmaligen Lächeln auf dem Gesicht zum Gehen. Jetzt hat Lila auch ihren Schlüssel gefunden und kann endlich nach drinnen. Ihr will noch nicht wirklich in den Kopf, dass Alex sie gerade umarmt hat. Wie in Trance schleicht sie in ihr Zimmer um die Zwillinge nicht zu stören und zieht sich schnell fürs Bett um. Ein Top und Hotpants reichen vollkommen als Schlafanzug. Erst als sie unter ihre Decke gekuschelt im Dunkeln liegt, wird ihr richtig bewusst, was gerade vor der Haustür passiert ist. Alex Glory, der beliebteste und begehrteste Junge der Schule hat sie umarmt und gemeint, dass sie wieder zusammen Mittag essen würden. Was bedeutet, dass sie ihn morgen auf jeden Fall wiedersehen wird. Es fällt ihr schwer mit diesen Gedanken einzuschlafen, doch irgendwann schafft sie es doch.

Frustriert war er gestern in sein Hotel zurückgekehrt. Zwar hatte er die Adresse der Pflegeeltern endlich herausgefunden und am Nachmittag auch das Haus gefunden, doch musste er feststellen, dass jetzt jemand anderes dort lebt. Die Eltern sind vor einigen Jahren gestorben und was mit den Kindern geschehen ist konnten die neuen Besitzer des Hauses ihm nicht sagen. Ob sie in ein Heim gekommen sind? Wenn ja, wird es schwierig werden, sie zu finden. Doch davon will er sich nicht entmutigen lassen. Heute direkt nach dem Frühstück will er weitere Nachforschungen anstellen. Vielleicht wissen die Nachbarn aus der Gegend etwas über den Verbleib der Kinder.
Wieder in dem gleichen Stadtviertel wie gestern angekommen, beginnt er gleich mit seinem Unterfangen. Doch er hat keinen Erfolg. Niemand weis etwas. Fast will er schon aufgeben, da trifft er auf eine alte Dame. Einen Versuch will er noch starten, also spricht er sie an.
„Entschuldigen Sie, könnten Sie mir vielleicht helfen?“
„Das kommt ganz darauf an, wobei, junger Mann.“
„Ich bin auf der Suche nach Familie Rei, musste aber erfahren, dass die Eltern verstorben sind. Wissen sie vielleicht, was danach aus den Kindern geworden ist?“
„Ich erinnere mich gut an die Familie. Ihre Adoptivtochter sah zwar wirklich ungewöhnlich aus mit ihren silbernen Haaren und den lila Augen, aber sie war so nett und freundlich. Die Zwillinge Haru und Glen waren zwei richtige Wirbelwinde und haben alle auf Trab gehalten. Allen haben sie Streiche gespielt. So weit ich weis, sind sie nach dem Tod der Mutter in eine kleine Wohnung gezogen und die Tochter kümmert sich um die Zwillinge. Ich hab sie schon häufig in einem Café in der Stadt kellnern sehen. Die genaue Adresse weis ich leider nicht, aber fragen sie doch beim Einwohnermeldeamt nach. Die müssten die genaue Adresse kennen.“
Hoch erfreut über diese Information bedankt er sich bei der freundlichen Dame und macht sich direkt auf den Weg zum Einwohnermeldeamt.
Nach zweistündigem Warten bekommt er endlich die ersehnte Adresse. Doch sein erster Weg führt ihn nicht zur Wohnung der kleinen Familie, sondern in die Innenstadt um sich ein Mittagessen zu besorgen.
Mit gefülltem Magen macht er sich wieder auf den Weg. Sein Ziel ist ein Mietwohnungskomplex, der seine besten Tage schon hinter sich hat. Auf sein Klingeln an der Wohnungstür öffnet aber niemand. Von einem Nachbarn erfährt er, dass sie erst gegen 5 wieder zurückkommen werden. Also beschließt er noch einmal in sein Zimmer im Hotel zurückzukehren und es später erneut zu versuchen.

Lila hat sich in der Pause wieder mit Alex getroffen. Er hat es noch einmal geschafft von Tim und John wegzukommen und unbemerkt zu den Bäumen zu gelangen. Sie haben sich über ihre zwei Jobs unterhalten und er hat sie viel über ihre Familie, vor allem ihre Brüder ausgefragt. Viel zu schnell mussten sie wieder in den Unterricht. Beim kellnern am Nachmittag war sie immer wieder abgelenkt. Immer wieder schweiften ihre Gedanken zu Alex ab. Glen und Haru merkten gleich, dass sie anders war als sonst und fingen an sie auszufragen. Dann ist auch noch Alex mit seinen Freunden aufgetaucht und hat sie mit seinem Lächeln und einem verschwörerischen Augenzwinkern vollkommen aus der Fassung gebracht. Natürlich ist auch das den Zwillingen nicht entgangen und haben ihn so lange er mit seinen Freunden geblieben ist, nicht aus den Augen gelassen. Nun auf dem Heimweg fragen sie Lila über ihn aus. Doch sie will nichts verraten. Und wenn sie das wirklich nicht will, dann bekommen auch ihre zwei Lieblinge nichts aus ihr heraus.
Nun steht sie in der Küche und will gerade anfangen, das Abendessen zu kochen, da klingelt es an der Tür.
„Macht ihr mal auf. Ich bin grad in der Küche beschäftigt.“, ruft sie zu den Zwillingen ins Wohnzimmer.
Sie hört wie einer der Beiden in Richtung Flur läuft und ist beruhigt. Doch nicht für lange.
„Lila, komm mal eben. Da ist jemand, der fragt nach dir.“, kann sie Haru rufen hören. Völlig verwirrt, wer das wohl sein könnte, folgt sie Haru zur Wohnungstür.
Dort steht der junge Mann mit den silbernen Haaren und den lila Augen, der sie gestern umgelaufen hat.
„Ja, bitte? Kann ich ihnen helfen?“
Auch in seinen Augen blitzt Erkennen auf. Er erinnert sich anscheinend auch an sie.
„Ich suche die Pflegetochter von Familie Rei. Sie hat lila Augen und silberne Haare, wie ich. Wie ich sehe, hast du deine Haare gefärbt, deswegen habe ich dich gestern nicht erkannt.“
Völlig verwirrt schaut sie auf diesen Fremden. Was will er bloß von ihr?
„Stimmt, ich bin die Pflegetochter der Rei´s. Warum haben Sie mich gesucht?“
„Das wird eine etwas längere Erklärung. Könnte ich vielleicht reinkommen? Es ist etwas unpassend, das zwischen Tür und Angel zu erklären.“
Kurz überlegt sie, ob sie ihn wirklich in die Wohnung lassen soll. Aber sie sind ja zu dritt. Sollte er etwas in Richtung eines Überfalls planen, könnten sie ihn bestimmt überwältigen. Also nickt sie und tritt zur Seite. Gemeinsam begeben sie sich ins Wohnzimmer.
„Glen, mach doch bitte den Fernseher aus.“ Damit setzt sie sich neben den Angesprochenen auf die Couch und Haru setzt sich auf ihre andere Seite.
„Setzen Sie sich.“, fordert sie den jungen Mann auf. Der lässt sich nicht lange bitten und zieht sich den Sessel zurecht. Nun sitzt er ihnen schräg gegenüber.
„Dann fangen Sie mal an zu erklären.“ Nicht nur Lila schaut erwartungsvoll zu ihm. Auch die Zwillinge schauen zu ihm, auch wenn ihre Blick mehr feindselig ist. Sie sind bereit, ihre Schwester jederzeit zu verteidigen.
Der Fremde setzt an zu sprechen.
„Mein Name ist Connor Levi. Ihr könnt mich auch ruhig duzen. Ich bin erst 20 und wenn ich mit „Sie“ angesprochen werde, fühle ich mich immer so alt. Ich habe bis vor einem Jahr in Amerika zusammen mit meiner Mutter gelebt. Jetzt sind wir beide zurückgekommen und wollten meine Tante und ihre Familie besuchen. Doch wir mussten feststellen, dass sie schon lange tot sind. Wir wurden nie benachrichtigt. Doch es sind nicht alle tot. Die kleinste, meine Cousine, hat überlebt. Sie kam in ein Heim. Wir haben versucht sie zu finden, denn wir wollen sie zu uns nehmen. Doch das war gar nicht so einfach. Dann haben wir eine Spur gefunden, nur damit ich gestern feststellen musste, dass die Pflegeeltern auch verstorben sind. Ich habe erst befürchtet, dass ich wieder in den Heimen nachfragen muss und es noch länger dauert, bis ich sie finde. Aber eine alte Dame konnte mir dann sagen, dass die Kinder immer noch in der Stadt leben. Beim Einwohnermeldeamt habe ich dann die aktuelle Adresse erfahren, aber heute Nachmittag niemanden in der Wohnung angetroffen. Deswegen bin ich jetzt noch einmal da.“
Er zeigt auf Lila.
„Du bist meine Cousine. Aber mich würde schon mal interessieren, wie du es geschafft hast, dass deine Haare gefärbt bleiben. Bei mir hält das gerade mal bis zum nächsten Duschen. Egal mit welchem Mittel ich es versucht habe.“
Die drei Rei´s sind geschockt. Nun ist also doch noch jemand aus Lilas richtiger Familie aufgetaucht. Sofort klammern sich Haru und Glen an Lila.
„Lila gehört zu unserer Familie. Du kannst sie uns nicht wegnehmen!“ Beide haben mal wieder synchron gesprochen und ihr Blick ist noch feindseliger geworden.
„Ich will sie euch auch nicht wegnehmen. Wir haben schließlich schon erfahren gehabt, dass es euch auch gibt. Als ich gestern Abend mit meiner Mutter telefoniert habe, da war sie gleich damit einverstanden, dass ihr auch mit zu uns ziehen könnt, wenn ihr wollt. Dann müsstet ihr nicht mehr alleine hier leben. Natürlich könnt ihr euch das genau unter euch überlegen und besprechen. Ihr müsst euch nicht sofort entscheiden.“
Endlich kommt Lila auch dazu etwas zu sagen.
„Ich habe also noch Familie? Nachdem meine ganze Familie tot aufgefunden wurde, hat man versucht, noch andere Verwandte von mir zu finden, aber man konnte niemanden erreichen. Deshalb bin ich in das Heim damals gekommen. Aber ich musste oft die Heime wechseln, weil ständig Gelder gekürzt wurden. Ich war richtig froh, als ich adoptiert wurde. Aber in der Schule bin ich wegen meines Aussehens lange Zeit gehänselt worden. Deshalb hab ich nach dem Tod unserer Mutter ihre Perücke genommen. Ich hab meine Haare also nicht gefärbt.“
Damit zieht sie ihre Perücke ab und das lange silberne Haar fließt ihr über den Rücken. Nun ist die Ähnlichkeit zwischen den beiden offensichtlich.
„Ich habe noch eine Frage. Wieso sehen wir so anders aus? Ich habe außer dir noch nie jemanden gesehn, der so aussieht wie ich. An meine Familie kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Es ist einfach schon zu lange her.“
Connor lacht.
„Das ist einfach zu erklären. Das Aussehen ist typisch für unsere Familie. Egal wer in unsere Familie eingeheiratet hat, dieses Aussehen hat sich immer an die Kinder weitervererbt. Deine Mutter sah dir unheimlich ähnlich, genauso wie deine große Schwester und dein Bruder. Wir haben noch alte Fotos von euch in unserer Familie. Wenn du willst, kannst du sie dir einmal ansehen.“
Lilas Augen strahlen vor Freude. Sie wird nach langer Zeit wieder die Gesichter ihrer Familie sehen. Dann fällt ihr Blick auf die Uhr über dem Fernseher.
„Oh, es ist ja schon gleich 6 Uhr. Connor, willst du vielleicht mit uns zu Abend essen? Ich war gerade am Kochen, als du gekommen bist. Es sind Spagetti mit Gemüse-Sahnesoße geplant.“
„Ich esse gerne mit. In meinem Hotel werde ich nichts mehr bekommen.“
Gemeinsam begeben sie sich in die Küche und machen da weiter, wo Lila beim Türklingeln unterbrochen wurde. Beim Gemüse putzen. Jeder packt nun mit an, damit das Essen möglichst schnell auf dem Tisch steht.
Als sie endlich alle zusammen mit einem großen Teller Spagetti mit Soße vor sich sitzen, herrscht erst einmal Schweigen. Jeder von ihnen ist nur damit beschäftigt zu essen. Aber nicht lange und die ersten Gespräche kommen auf. Connor will viel über Lila erfahren und fragt sie regelrecht aus. Die Zwillinge fahren ihn nach einer Weile deswegen ziemlich wütend an. Auch Lila hat viele Fragen. Vor allem über ihre richtige Familie, doch auch über ihre Tante und Cousin. Deren Leben in Amerika interessiert sie am meisten. Als es schließlich schon auf 22 Uhr zu geht und Haru und auch Glen immer wieder anfangen zu gähnen, beschließt Connor zu gehen und morgen wieder zu kommen.
Lila ist zwar etwas traurig darüber, sie hätte ihn gerne noch mehr gefragt, aber zu lange sollte sie auch nicht mehr auf bleiben. Morgen ist wieder Schule. Da ist es nur richtig, dass er für heute geht. Er will ja noch länger bleiben hat er gesagt, da kann sie sich jederzeit weiter mit ihm unterhalten.

Am nächsten Morgen, Lila und ihre Brüder wollen gerade die Wohnung verlassen, kommt auf einmal Connor um die Ecke des Flures.
„Guten Morgen Lila! Hast du was dagegen, wenn ich euch begleite? Wir könnten uns noch etwas unterhalten.“
Etwas unsicher, was die Zwillinge davon halten würden, schaut sie zu ihnen. Die nicken nur leicht und erleichtert lächelt sie Connor an.
„Klar kannst du uns begleiten.“
Auf diesem Schulweg wird sogar noch mehr geredet als sonst. Haru und Glen scheinen Connor akzeptiert zu haben und beteiligen sich nun mehr am Gespräch als am Abend zuvor. Und Connor beantwortet bereitwillig alle Fragen.
Unter anderem wollen sie wissen, wie es den in Amerika so ist. Und er erzählt. Von der Schule, von seinen Freunden und von den Städten, in denen er gelebt hat. Und überall gibt es eine kleine, lustige Geschichte dazu. Die Zwillinge hängen regelrecht an seinen Lippen. Erst bei ihrer Schule können sie sich loseisen, doch auch nur schweren Herzens. Erst muss ihnen Connor versprechen nach der Schule auf sie zu warten und noch mehr zu erzählen. Nur noch zu zweit machen sie sich dann auf den Weg zu Lilas Schule.
„Warum habt ihr so lange in Amerika gelebt?“ Diesmal beginnt Lila das Gespräch.
„Den genauen Grund hat mir meine Mutter nie gesagt, aber es war wohl wegen meines Vaters. So weit ich weis, war er Amerikaner und hat meine Mutter zu sich geholt, als sie von ihm schwanger gewesen ist. Doch schon bald nach meiner Geburt haben sie sich getrennt. Deshalb habe ich ihn nie wirklich kennengelernt. Für ein Ticket nach Deutschland zurück hat sie kein Geld gehabt. Und ihre Eltern wollte sie nicht um Hilfe bitten, weil die schon dagegen gewesen waren, dass sie überhaupt nach Amerika gegangen ist. Also hat sie sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten und mich groß gezogen. Jeden Cent, den sie nicht gebraucht hat, hat sie für zwei Tickets zur Seite gelegt. Dann mussten wir immer wieder unvorhergesehen umziehen, weil sie ihren Job verloren hat oder einen besseren angeboten gekriegt hat. Irgendwann hat sie dann sogar eine richtig hohe Stellung in einer Modefirma angeboten gekriegt. Da konnten wir nicht mehr so einfach wieder wegfahren. Außerdem hatte ich auch alle meine Freunde in Amerika und kannte nichts anderes. Also sind wir weiterhin geblieben. Weil man in der Firma gewusst hat, dass meine Mutter aus Deutschland ist, hat man ihr dann den Auftrag gegeben, eine Tochterfirma hier aufzubauen. Also sind wir vor einem Jahr dann hierher umgezogen. Natürlich hat sie gleich nach ihrer Familie gesucht, aber was dabei heraus gekommen ist, weist du ja.“
Nach dieser langen Aussage haben sie den Eingang zum Schulgelände erreicht. Connor wird von allen angestarrt, die an ihnen vorbei laufen. Auch auf Lila wird der ein oder andere neugierige Blick geworfen, aber der junge Mann ist doch interessanter. Aber das ist ja auch kein Wunder. Schließlich ist er der erste - nach Silver - mit dieser Haarfarbe. Lila kann schon regelrecht hören, wie sie anfangen werden zu spekulieren, in welcher Beziehung er zu Silver steht. Sie wird man mit etwas Glück nicht wirklich beachten, so dass sie von den Gerüchten verschont werden wird. Auch Connor bemerkt die Aufregung um sie herum. Auch Lilas Unbehagen im Mittelpunkt zu stehen, bemerkt er. Dementsprechend kurz fällt auch der Abschied aus.
„Soll ich dich auch nach der Schule abholen?“ Abwartend schaut er das etwas kleinere Mädchen an.
„Nein. Ich muss direkt nach der Schule zu meinem Nebenjob. Komm doch einfach mit den Zwillingen zu mir, nachdem du sie abgeholt hast. Sie besuchen mich sowieso immer bei der Arbeit.“ Zurückhaltend lächelt sie ihn an. Sein eigenes Lächeln fällt wesentlich breiter aus. Dann zieht er sie noch einmal kurz in eine Umarmung, bevor er sich umdreht und zurück in sein Hotel geht. Lila dagegen verschwindet im Schulgebäude. Die Blicke ihrer Mitschüler folgen Connor, so kann sie unerkannt in der Schülermasse untertauchen.
Im Unterricht passt sie nicht wirklich auf. Stattdessen denkt sie über ihre Zukunft nach, die sich plötzlich vor ihr auftut. Nie hat sie über die Möglichkeit einer neuen Familie für sich und die Zwillinge nachgedacht, nachdem ihre Eltern gestorben waren. Und nun könnte sie ihre Verantwortung wieder abgeben, die sie so plötzlich hatte übernehmen müssen. Auch die Jobs könnte sie wieder aufgeben. Wie in einer Trance geht der frühe Vormittag an ihr vorbei. Erst zur Pause taucht sie aus ihren Überlegungen wieder auf.
Wie üblich verschwindet sie zu ihrem Rückzugsort hinter der Baumgruppe. Trotz ihrer Überlegungen hat sie die Gerüchte über Connor mitbekommen und hofft nun, diesen ganzen wilden Vermutungen etwas entgehen zu können.
Doch lange bleibt sie nicht alleine. Ein leises Blätterrascheln, das nicht von der leichten Brise kommen kann, kündigt ihren Besucher an.

Wer ist der Typ an Silvers Seite?




Alex hat es wieder geschafft, seine Freunde abzuhängen. Den ganzen Vormittag über hat er sich von den Mädels Gerüchte über diesen Fremden am Schultor anhören können. Angeblich soll er silberne Haare und violette Augen gehabt haben. Es hat ihn an Silver erinnert, nur, dass es diesmal ein Mann war. Auch hat er wohl jemanden begleitet, aber niemand kann sich mehr genau an das Mädchen erinnern.
Nun ist er in der Pause und unterwegs zu der Baumgruppe auf dem Schulhof. Wenn er Glück hat, dann erzählt ihm wenigstens Lila nichts über diesen Fremden. Von ihr will er am allerwenigsten hören, dass sie über ihn schwärmt oder irgendwas in der Art.
Er hat Glück. Sie ist wirklich schon dort. Nur scheint sie etwas abgelenkt zu sein. Erst, als er gegen einen Zweig stößt, schreckt sie auf und schaut zu ihm.
„Hey! Worüber hast du nachgedacht, dass du nicht gemerkt hast, wie ich näher gekommen bin?“
Neben Lila lässt er sich auf den Boden plumpsen und wickelt sein Pausenbrot aus.
„Nein, darüber habe ich nicht nachgedacht. Ich hab gestern Besuch von einem Cousin von mir gekriegt, der bis vor einem Jahr in Amerika gewohnt hat. Er und seine Tante wussten nichts von dem Tod meiner Familie und man konnte sie auch nicht erreichen. Deshalb hat man mich zu einer Pflegefamilie gegeben. Als sie wiedergekommen sind, haben sie erst von der ganzen Sache erfahren und dann versucht mich zu finden. Das hat aber ne ganze Weile gedauert, deshalb ist er jetzt erst zu mir gekommen. Nun haben er und meine Tante mir und den Zwillingen angeboten, dass wir zu ihnen ziehen könnten, anstatt alleine zu leben. Dann muss ich nicht mehr alleine die Verantwortung tragen und kann mich auf die Schule konzentrieren. Und über diesen Vorschlag denke ich nun schon den ganzen Vormittag nach, kann mich aber einfach nicht entscheiden. Weil eigentlich will ich nicht wirklich weg von hier.“
Alex ist erschrocken, als er hört, dass Lila eventuell wegziehen wird. Dann würde er ja seine erste wirkliche Freundin verlieren. Diese Vorstellung gefällt ihm gar nicht. Aber andererseits will er ihr auch nicht die Möglichkeit nehmen wieder mit einer Familie zusammen zu leben.
„Das ist doch eigentlich ein super Vorschlag für euch drei. Ich fänds nur nen bissl schade, weil ich echt gerne mit dir befreundet bin. Du bist net so oberflächlich wie die anderen Mädels und man kann sich echt super mit dir unterhalten. Nur wenn du wegziehst, werden wir wahrscheinlich nicht mehr so viel Kontakt haben und die Vorstellung gefällt mir nicht so sehr. Aber trotzdem freu ich mich für dich, dass du doch noch Familie hast, zu der du gehen kannst.“
Lila nimmt das ganze mit einem Nicken auf. Danach verfallen beide in Schweigen und essen nebeneinandersitzend ihr Pausenbrot. Beim Klingeln zum Pausenende gehen sie diesmal gemeinsam ins Schulhaus und trennen sich erst vor Lilas Klassenraum.

Der Rest der Woche geht an beiden wieder nur vorbei. Lila trifft weiterhin ihren Cousin und sie versuchen sich besser kennen zu lernen. Alex dagegen ist immer noch von den Gerüchten über den gutaussehenden Fremden genervt. In den Pausen treffen sie Lila und Alex aber immer wieder. Alex schafft es jedes Mal Tim und John zu entkommen. Nur seine beiden Freunde finden es nicht so toll. In dieser Woche scheint er keine wirkliche Zeit mehr für sie zu haben. Natürlich machen sie sich Gedanken deswegen und vermuten ein Mädchen dahinter. Aber sie können nicht verstehen, warum Alex ihnen nicht von ihr erzählt. Also versuchen sie ihm zu folgen. Nur ist Alex zu geschickt, so
dass sie nichts herausfinden.

Am Samstagabend schließlich bereitet sich Lila wieder auf einen Clubbesuch vor. Schließlich will sie für den Tanzwettbewerb trainieren. Diesmal will Connor sie aber begleiten. Er will sich selbst einmal von ihren Tanzkünsten überzeugen.
Sie haben abgemacht, dass er sie um 22.00 Uhr abholt. In der Zeit macht sie sich chic. Sie nimmt die Perücke ab und steigt noch einmal unter die Dusche. Mit Sorgfalt wäscht sie ihre langen Locken, damit sie nachher so richtig schön im Licht des Clubs glänzen. Sie will es sich nicht eingestehen, aber sie hofft, dass Alex auch da sein und sie so schön finden wird. Nach der Dusche, steht sie in ein Handtuch gewickelt vor dem Spiegel und versucht ihre Locke zu bändigen. Diesmal will sie keinen Pferdeschwanz wie sonst machen, sondern etwas besonderes. Aber noch hat sie keine Idee. Eine Frisur nach der anderen Probiert sie, ohne wirklich zufrieden zu sein. Schließlich entscheidet sie sich dazu, ihre Haare einfach mal offen zu lassen und nur jeweils zwei Strähnen von vorne hinten in einem kleinen Zopf zusammen zu flechten. So fallen sie ihr auch nicht mehr zu sehr in das Gesicht beim Tanzen. Nun muss sie nur noch ihr Kleidungsproblem lösen. Meist trägt sie ja einfach eine enge Hose und irgendein Top oder auch mal ein schönes T-Shirt, aber heute will sie mal etwas anderes.
Nach einem Blick in ihren Schrank, entscheidet sie sich kurzerhand für einen rot-schwarz karierten Faltenrock, der nur bis etwa zur Hälfte ihrer Oberschenkel geht. Darunter zieht sie eine schwarze Leggins, die auch nicht viel länger als der Rock ist. Zusätzlich kommen noch schwarze Kniestrümpfe und dunkelrote Chucks. Nun fehlt ihr nur noch ihre Oberbekleidung. Und da sie schon mit schwarz-rot angefangen hat, kann sie ja auch so weitermachen. Sie zeiht ein einfaches rotes T-Shirt hervor. Dieses hat etwas Überlänge und geht noch etwa 10 cm über den Rock, ansonsten liegt es sehr eng an. Nun zieht sie noch ein Netztop in schwarz darüber. Jetzt fehlen nur noch die Details und sie ist fertig. Zu diesem Outfit passt ein Nietengürtel, den sie sich schräg über die Hüfte hängt. Dazu kommen noch fingerlose, etwas längere Handschuhe, der eine rot, der andere schwarz. Damit ist ihr Outfit perfekt.
Nun kommt der letzte Teil. Eine halbe Stunde hat sie noch, bevor Connor vorbei kommt. Deshalb setzt sie sich nun vor ihren Schminkspiegel und beginnt sie dezent zu schminken. Erst werden die Augen mit etwas Kajal umrandet und dann trägt sie einen schwarzen Lidschatten auf, der in ein dunkles Rot übergeht. Zum Schluss trägt sie noch einen dezenten Lipgloss auf und dann ist sie fertig.
Von den Zwillingen ist nur noch wenig zu hören aus ihrem Zimmer. Aber das ist auch kein Wunder, stellt sie nach einem Blick auf die Uhr fest. Nun ist es fünf vor 10. Leise verlässt sie ihr Zimmer und sucht Schlüssel, Handy und Geldbeutel zusammen. Nun dürfte auch jeden Moment Connor kommen.
Und so ist es auch. Die Türklingel geht genau in dem Moment, in dem sie an Connor denkt. Leise ruft sie in die Wohnung:
„Ich bin dann weg. Gute Nacht.“
Es kommt nur ein zweistimmiges „Viel Spaß!“ zurück.
Doch darauf hat sie nur gewartet und ist gleich darauf zur Tür hinaus.
„Hey, Li...“
Connor verstummt mitten im Satz. Nun schaut sie hoch in sein Gesicht. Und sie kann nicht anders, als leise zu lachen. Aber sein Gesichtsausdruck sieht wirklich zu drollig aus. Augen weit aufgerissen und Mund weit offen und immer wieder auf und zu schnappend wie ein Fisch.
„Mund zu, es zieht.“, kommt es trocken von ihr, nachdem sie sie vom Lachen erholt hat. Und es hilft. Connor fängt sich wieder.
„WOW! Lila, du siehst einfach wunderschön aus. Du solltest immer so rumlaufen, anstatt deine schönen Haare unter dieser Perücke zu verstecken. Und auch die Klamotten sehen um Längen schärfer aus, als die, die du sonst trägst. Da werde ich ja richtig auf dich aufpassen müssen, damit kein anderer Kerl dich mir wegnimmt.“
Verschmitzt zwinkert er ihr zu und lächelt sie schief an.
„Keine Sorge, mit dir an meiner Seite traut sich sowieso niemand an mich ran. Tun sie zwar sonst auch nicht, weil immer nen paar Security auf mich aufpassen, aber jetzt erst recht nicht mehr.“
Nun lässt sie auch ihren Blick über Connor gleiten. Seine Haare sind mit Gel zu einem gewollten Out-of-Bed-Look gebracht worden und geben ihm ein etwas verwegenes Aussehen. Sein Oberkörper steckt in einem ebenfalls rot-schwarz karierten Hemd, wobei die ersten Paar Knöpfe offen gelassen wurden und so einen Blick auf seine muskulöse Brust gewähren. Damit passt er perfekt zu ihr, als hätten sie sich abgesprochen. Seine Beine dagegen stecken in einer lässigen Jeans, die vor allem seinen knackigen Hintern zu betonen scheint.
„Das Kompliment kann ich übrigens nur zurückgeben. Du siehst selbst wirklich toll aus. Die Mädels im Club werden sich um deine Aufmerksamkeit reißen.“, ist Lilas Fazit nach ihrer Musterung.
„So können wir uns sehen lassen.“
Gemeinsam machen sie auf den Weg in die Stadt, das Nachtleben unsicher machen. Sie haben sich für das „Starlight Express“ entschieden, aus dem einfachen Grund, dass dort auch der Tanzwettbewerb stattfinden wird. Und sie gehen ja nicht nur weg um Connor ihre Tanzkünste vorzuführen, sondern auch um für den Wettbewerb zu trainieren.
Diesmal nutzen sie nicht Silvers Vorteil, an der Schlange des Clubs vorbei zu kommen. Lila ist sich auch gar nicht sicher, ob es auch mit Begleitung funktionieren würde. Außerdem will sie heute länger da bleiben. Die anderen Male ist sie immer direkt nach ihrem Auftritt wieder nach draußen gegangen.
Die beiden haben Glück. Die Schlange ist recht kurz und sie müssen nicht lange warten. Doch die ganze Zeit werden sie angegafft wegen ihrer Haarfarbe. Lila weis schon, warum sie sonst ihre Haare unter einer Kapuze versteckt.
Drinnen folgen sie der immer lauter werdenden Musik zum Hauptclubraum. Hier legt auch meistens DJ Starlight auf und Silver ihre Auftritte hin. Bevor aber die Musik zu laut wird um sich ohne zu schreien zu unterhalten, erinnert Lila ihren Cousin noch einmal daran, sie nur noch Silver zu nennen. Schließlich soll ihre Identität ja nicht auffliegen.

Alex hat sich mit seinen Freunden im „Starlight Express“ verabredet. Sie wollen noch ein bisschen DJ Starlight studieren. Zumindest Tim und John wollen das machen. Er hingegen hat noch einen anderen Grund, dort hin zu wollen. Insgeheim hofft er, dass er Silver wieder dort treffen wird. Es wäre nicht zu verwunderlich, schließlich will sie ja eventuell auch zum Tanzwettbewerb. Wenn sie heute kommt, ist das die Gelegenheit, sie noch einmal anzusprechen.
Doch bis jetzt ist noch nichts geschehen. Es ist 10 Uhr und der Club beginnt bereits sich gut zu füllen. Die ersten haben sich schon auf die Tanzfläche gewagt, aber die meisten stehen noch am Rand oder an der Bar mit ihrem ersten Getränk in der Hand. Auch Alex und seine Gruppe steht noch am Rand und sie unterhalten sich. Etwa eine halbe Stunde später beschließen die drei aber doch endlich tanzen zu gehen. Gerade als Alex die Tanzfläche betreten will, fällt sein Blick auf den Eingang zum Raum. Dort steht eine Person, die sofort seinen Blick gefangen hält. Sie hat lange silberne Haare und das Licht leuchtet geradezu darauf. In dem Moment weis er, dass Silver gekommen ist. Da macht sie einen Schritt zur Seite und neben sie tritt ein junger Mann, vielleicht etwas älter als er selbst. Doch er hat ebenso silberne Haare wie sie, nur etwas kürzer. Und Alex könnte wetten, auch genau so violette Augen. Aber das kann er auf diese Entfernung nicht genau sehen. Nun legt dieser Typ seiner Silver auch noch einen Arm vertraulich um ihre Schultern. Er kneift die Augen zu Schlitzen zusammen und wirft ihm einen Todesblick zu. Was fällt diesem Kerl ein, ihr so nahe zu kommen? Da ist wieder dieses befremdliche Eifersuchtsgefühl, dass ihm schon das letzte Mal befallen hat bei DJ Starlight.
Nun ist jeder Gedanke an Tanzen vergessen. Stattdessen bleibt Alex stehen und beobachtet weiter Silver. Und als wenn sie seinen Blick gespürt hätte, dreht sie sich zu ihm. Über die Menge hinweg treffen sich ihre Augen und lassen sich nicht mehr los. Alex fühlt sich unter diesem intensiven Blick wie erstarrt. Erst realisiert er nicht, dass dieser intensive Blick immer näher kommt. Dann stehen sie sich plötzlich gegenüber und Alex ist im ersten Moment sprachlos. Ihr Outfit gehört seiner Meinung nach verboten. Durch den Rock kommen ihre langen, schlanken Beine richtig gut zur Geltung und dieses Oberteil betont ihre schlanke Taille nur noch mehr. Und die offenen Haare, die ihr in sanften Wellen über den Rücken fallen, stehen ihr richtig gut.
Nach diesem musternden Blick, bemerkt er nun auch, dass der junge Mann sie begleitet hat. Doch er beschließt, ihn erst einmal zu ignorieren.
„Hey Silver. Schön dich wieder hier zu sehen. Willst du heute wieder eine Vorstellung geben?“
Dabei lächelt er sie strahlend an. Zufrieden bemerkt er die leichte Röte, die sich auf ihre Wangen schleicht.
„Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Hauptsächlich bin ich hier, um ihm meine Tanzkünste zu zeigen.“ Dabei zeigt sie auf ihren Begleiter.
„Ob ich ihm auch alles zeige, weis ich noch nicht. Das entscheide ich dann je nach Laune.“, redet sie weiter.
Alex nickt nur.
„Magst du was trinken? Wieder einen alkoholfreien Cocktail?“, fragt er dann. Er weis nicht genau, was er sonst sagen soll. Am liebsten würde er ja fragen, in welcher Beziehung sie zu diesem anderen Typen steht, aber er will nicht als eifersüchtig oder ähnliches rüber kommen.
Silver nickt zu seiner Frage.
„Magst du auch was?“, wendet sie sich dann an ihre Begleitung.
„Gerne. Am liebsten ein Bier.“
Silver schnappt sich daraufhin Alex Arm und meint nur.
„Warte einen Moment hier, dann holen wir die Getränke.“
Und schon zieht sie ihn in Richtung der Bar.
Zehn Minuten später sind sie zurück mit den Getränken und Alex konnte endlich den Gesprächsknoten lösen. Jetzt unterhalten sie sich über verschiedene Tanzstile und Techniken und wie man am besten noch andere Elemente mit einbinden kann. Auch der andere beteiligt sich an ihrem Gespräch und erzählt von seinen Erfahrungen aus Amerika.
Irgendwann gehen Alex und Silver dann gemeinsam auf die Tanzfläche und legen wieder einen heißen Tanz hin. Es fühlt sich einfach nur wunderbar an zusammen zu tanzen und die Welt um sich herum zu vergessen. Zumindest empfindet das Alex so. In dem Moment ist sogar Silvers Begleiter komplett vergessen.
Insgesamt wird es ein wirklich schöner Abend. Irgendwann tanzen sie zu dritt und niemand traut sich so recht an sie ran. Das hat den Vorteil, dass sie jede Menge Platz auf der Tanzfläche haben. Silver hat sich von Alex zu ein, zwei alkoholischen Cocktails überreden lassen, womit letztendlich die Tanzshow ins Wasser gefallen ist. Alex hat sich sogar im Laufe des Abends überwinden können, nach Silvers Begleiter zu fragen, aber er ist abgeblockt worden. Auch sonst war nichts persönliches aus ihr herauszubekommen. Nur einmal ist ihr etwas über Zwillinge herausgerutscht, doch das bringt Alex nicht wirklich weiter.
Tim und John haben sich irgendwann auch zu ihnen gesellt und sich wirklich gut mit dem silberhaarigen jungen Mann verstanden. Sie haben dann über amerikanische Filme und Schauspieler diskutiert.
Gemeinsam hat man dann den Club verlassen, nur um sich draußen zu trennen. Doch Silver gibt Alex beim Abschied ein Versprechen.
„Spätestens beim Tanzwettbewerb werden wir uns wiedersehen. In der ein oder anderen Form. Versprochen.“, und damit dreht sie sich um und geht zusammen mit ihrer Begleitung.

Lila und der Fremde




Am Sonntag schließlich ist Alex sogar für seine Freunde nicht wirklich ansprechbar. Die ganze Zeit denkt er an gestern zurück. Immer wieder ruft er sich jeden Moment mit Silver in sein Gedächtnis. Das einzige, was ihm sauer aufstößt, ist die Gegenwart dieses silberhaarigen Schönlings. Und dann musste er auch noch mit ihr mitgehen. Wahrscheinlich verbringt er auch noch den heutigen Tag mit ihr. Die beiden wirkten sehr vertraut miteinander. Alex könnte sogar wetten, dass dieser sehr viel mehr über Silver weis, als er selbst. Und das regt ihn auf. Doch ob er etwas aus diesem Typen herauskriegen würde, ist fraglich. Ständig wechselt seine Stimmung von super gut zu depressiv.
Seine Eltern sind ganz froh, dass er ihnen so weit wie möglich aus dem Weg geht. Sie wissen einfach nicht, wie sie mit seinen Stimmungsschwankungen umgehen sollen.
Am Montag schließlich geht es ihm wieder etwas besser, trotz eines sehr verwirrenden Traums in der Nacht. Er hat von Silver und diesem Typen geträumt. Er wollte zu ihnen gehen, aber egal wie sehr er sich angestrengt hat, sie sind einfach nicht näher gekommen. Und dann musste er beobachten, wie dieser Kerl sich zu seiner Silver beugt und sie beinahe in einen Kuss verwickelt. Dann hat sich das Bild geändert. Silver war plötzlich alleine und diesmal kommt sie auf ihn zu. Sein Blick hängt an ihren violetten Augen. Doch bevor sie ihn ganz erreicht hat, verändert sie sich langsam. Ihre Haare werden kürzer und dunkler, bis sie braun sind. Auch ihre Kleidung ändert sich. Sie betont nicht mehr so ihre Figur, sondern versteckt mehr. Im ersten Moment ist er irritiert. Doch dann kommt die Erkenntnis. Da steht Lila vor ihm. Er weis nicht wieso. Die einzige Gemeinsamkeit zwischen den beiden Mädchen sind die Augen. Wieso er die beiden nun austauscht, ist ihm nicht so ganz klar. Aufgewacht ist er dann, als Lila ihm ein strahlendes Lächeln geschenkt hat.
So sehr ihn dieser Traum auch verwirrt hat, so sehr hat er auch seine Stimmungsschwankungen besänftigt. Die Aussicht in aller Ruhe mit Lila reden zu können, hat seine Gefühle etwas beruhigt. Dementsprechend fröhlich macht er sich dann auch auf den Weg in die Schule. In den ersten paar Stunden kann er gar nicht richtig aufpassen, weil er nur der Pause entgegenfiebert. Seine beiden Kumpels haben ihn früh schon abgefangen und gleich versucht auszufragen, was am Sonntag mit ihm los war. Der Stundengong hat ihn glücklicherweise vor einer ausführlichen Antwort bewahrt.
Nun sitzt er in einer Doppelstunde Englisch und langweilt sich. Seiner Lehrerin hört er nur mit halben Ohr zu. Stattdessen wandert sein Blick immer wieder zur Uhr, nur um dann festzustellen, dass der Zeiger sich nicht nennenswert von seinem vorherigen Platz wegbewegt hat. Beinahe hätte er sogar verpasst, dass sie Aufgaben in ihrem Buch bearbeiten sollen, aber sein Banknachbar hat ihn noch rechtzeitig darauf aufmerksam gemacht, bevor ihre Lehrerin ihn bemerkt hätte.
Als er endlich mit diesen Aufgaben fertig ist, hat sich auch endlich einmal der Zeiger der Uhr bemerkbar voranbewegt.
Endlich ist es fünf Minuten vor der Pause. Unauffällig beginnt Alex schon einmal seine Sachen zusammen zu packen, um dann sofort aus der Tür zu verschwinden sobald es klingelt. Dann endlich ist es soweit. Mit dem Verkünden der Hausaufgaben schließt die Lehrerin für den heutigen Tag mit ihrem Unterricht. Nur einen Moment später tönt der Gong und er springt fast schon auf. Bevor noch ein anderer seiner Klassenkameraden seine Tasche gepackt hat, ist er auch schon zur Tür hinaus und auf dem Weg zum Pausenhof.
So früh, wie er dran ist, ist der Hof noch ziemlich leer. Mit schnellen Schritten hält er auf die Baumgruppe zu und hofft, dass seine Freunde ihn nicht darin verschwinden sehen. Ein absichernder Blick zur Schultür und er sieht, dass die beiden das Gebäude noch nicht verlassen haben. Dafür bemerkt er Lila durch die Tür treten. Da muss er ja gar nicht mehr lange warten, bis er sich mit ihr in Ruhe unterhalten kann.
Kaum sitzt er gemütlich an einen Baum gelehnt, hört er es auch schon rascheln und einen Moment später lässt sich Lila neben ihn plumpsen. Beide schweigen erst einmal und essen ihr Pausenbrot. Die Stille ist angenehm. Sie müssen nichts sagen um sich in ihrer Gegenwart wohl zu fühlen. Alex hat noch nicht einmal mehr das Bedürfnis ihr von seinem Wochenende zu berichten. Er will einfach nur ihre Nähe genießen.
Doch irgendwann durchbricht Lila die Stille.
„Du bist in letzter Zeit oft hier. Ist dir der ganze Trubel dauernd um dich herum zu viel?“
Die Frage überrascht ihn etwas. Darüber hat er sich noch nie so genau Gedanken gemacht. Er fühlt sich hier einfach um so vieles wohler. Aber etwas sagt ihm, dass das nicht an dem Ort liegt, sondern an seiner Gesellschaft. Nur, wie soll er ihr das erklären?
„Das ist es nicht nur. Ich finde dich richtig nett und obwohl wir uns noch nicht wirklich lange kennen, habe ich jetzt schon das Gefühl, dir alles erzählen zu können und sicher zu sein, dass du niemandem etwas davon erzählen wirst. Dadurch kann ich ich selbst sein und muss keine Fassade für andere aufrecht halten. Selbst bei Tim und John kann ich nicht immer ich selbst sein. Du bist so was wie mein Ruhepol geworden, der mir meine Energie zurück gibt, um weiterhin die Fassade für meine Fans aufrecht zu erhalten. Dazu kommt noch, dass die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, dass ich dich bald nicht mehr sehen kann und da will ich halt möglichst viel Zeit mit dir verbringen.“
Er ist von seiner Antwort selbst etwas überrascht. Eigentlich hatte er nicht genau gewusst, was er sagen will, doch kaum hat er angefangen, sind die Wörter einfach so gekommen. Und sie sind die reine Wahrheit. Doch das ist ihm erst klar geworden, als er geantwortet hat.
Als Lila nichts dazu sagt, dreht er sich vorsichtig zu ihr. Anscheinend ist auch sie von seiner Antwort überrascht, wenn er nach ihrem verblüfften Gesichtsausdruck gehen kann. Doch als sie merkt, dass er zu ihr schaut, dreht auch sie sich und beide lächeln sich schüchtern an. Die Antwort hat sie beide verlegen gemacht.
„WOW. Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet. Du bist der erste, der mir gesagt hat, dass er meine Gegenwart mag und auch braucht. Das hat mich jetzt überrascht. Aber es freut mich. Ich bin auch gerne in deiner Nähe.“
Alex Herz macht einen Satz bei dem letzten Teil. Es macht ihn wirklich glücklich, dass sie genauso gerne bei ihm ist, wie er bei ihr.
Wieder versinken sie in Schweigen und genießen die Nähe des Anderen. Bis schließlich der Gong das Ende der Pause verkündet. Gemeinsam stehen sie auf und treten aus dem Gebüsch heraus. Alle anderen Schüler haben sich schon dem Schulhaus zugewendet und sind auf den Weg in die Klassenräume. Niemand achtet mehr auf sie, so dass sie nebeneinander her zurück laufen. Erst im Treppenhaus trennen sie sich und Alex verabschiedet sich mit der Frage, ob sie sich morgen wieder bei den Bäumen treffen.
„Meinetwegen gerne. Aber macht es deinen anderen Freunden nichts aus, wenn du immer von ihnen verschwindest, ohne ihnen zu sagen, wohin du gehst?“
„Ich denke nicht, ansonsten hätten sie mich schon längst darauf angesprochen. Und nachmittags unternehme ich ja auch sehr viel mit ihnen. Vernachlässigen tue ich sie ja auf jeden Fall nicht. Dann also bis morgen.“
Sie nicken sich noch einmal zu und Lila verschwindet in den zweiten Stock, während Alex in den Keller muss für den Geschichtsunterricht.
Genauso schleppend wie die ersten zwei Stunden geht auch der Rest des Schultages an ihm vorbei und gemeinsam mit Tim und John macht er sich auf den Nachhauseweg. Sie wollen zusammen für Mathe lernen, weil sie in zwei Wochen Schulaufgabe schreiben. John hat Mathe schon immer am besten von ihnen dreien verstanden und hat es sich zur Aufgabe gemacht, es seinen beiden Freunden zu erklären. Und die Strategie geht schon seit Jahren auf. Dank ihm bringen alle drei wirklich gute Noten nach Hause. Der Lernnachmittag hat noch den Vorteil, dass es Alex erfolgreich von weiteren Gedanken über Silver und ihren Begleiter ablenkt.
Erst als Alex wieder allein in seinem Zimmer ist, kommen die ganzen Fragen und Erinnerungen zurück. Um wieder einen freien Kopf zu bekommen, beschließt er spontan vor dem Abendbrot noch etwas durch die Stadt zu laufen.

Bei Lila derweil läuft der Tag etwas anders. Im Unterricht kann sie sich etwas besser konzentrieren als Alex, auch wenn ihre Gedanken ab und zu bei dem Gespräch aus der Pause hängen bleiben. Nachmittags dann macht sie sich wieder auf den Weg zum Café „Bella Italia“, um ihre Schicht als Kellnerin anzutreten. Auf dem Weg bekommt sie eine überraschende SMS. Sie ist von Connor. Er schreibt ihr, dass seine Mutter versucht, eine Möglichkeit zu finden, dass sie zu fünft in ihrer Stadt wohnen bleiben können. Aber noch steht leider nichts fest, also muss sie weiterhin damit rechnen umziehen zu müssen. Viele Gedanken macht sie sich aber noch nicht darum. Lieber bereitet sie sich darauf vor, dass sie umziehen muss. Und davor muss noch einiges erledigt werden. Etwas davon will sie gleich heute in Angriff nehmen. Ihre Jobs kann sie ja nicht behalten, wenn sie bei ihrer Tante lebt. Also will sie gleich ihren Chef schonend darauf vorbereiten, dass sie wohl aufhören wird. Und selbst wenn ihre Tante es schafft, dass sie hier her zieht, wird Lila ihre Jobs nicht mehr brauchen. Den Job im „Lago die Luna“ wird sie auch bei ihrer nächsten Schicht kündigen. Lange wird eine Entscheidung wegen des Umzuges wohl nicht auf sich warten lassen und bis dahin wird ihr angespartes Geld auf jeden Fall reichen, so dass sie es sich leisten kann eine Zeit lang nicht zu arbeiten.
Endlich ist sie bei dem Café angekommen. Mit einem Kopfnicken begrüßt sie ihre Kollegin, die schon sehr beschäftigt ist. Heute sind sie schon gut besucht.
Lila beeilt sich mit dem Umziehen und übernimmt gleich hinter der Theke die Zubereitung der wartenden Bestellungen. Eine ganze Weile sieht es so aus, als ob diese nie enden würden, doch dann ist alles abgearbeitet und Lila selbst kann sich eine kleine Pause gönnen. Ihr Chef ist inzwischen auch angekommen und vor einiger Zeit in seinem Büro verschwunden. Nun will sie die Gelegenheit nutzen und mit ihm sprechen.
Leise klopft sie an die Bürotür und wartet auf das „Herein.“. Vorsichtig geht sie in den Raum und schließt die Tür wieder hinter sich. Etwas nervös ist sie ja schon, wie ihr Chef auf ihr plötzliches Kündigungsgesuch reagieren wird.
„Ah, Lila. Was kann ich für dich tun?“, erklingt auch schon die tiefe Stimme ihres Arbeitgebers. Dabei zeigt er auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch und sie kommt der stummen Aufforderung nach.
Einen Moment sucht sie noch nach Worten und knetet ihre Hände nervös in ihrem Schoß.
„Ich wollte kurz mit Ihnen sprechen, Herr Rossi.“ Sie macht eine kurze Pause und ihr Gegenüber wartet geduldig, dass sie weiterspricht.
„Und zwar ist es so, dass sich herausgestellt hat, dass ich noch Familie habe. Meine Tante und mein Cousin haben in Amerika gelebt und nichts vom Tod meiner Eltern mitbekommen. Man hat sie einfach nicht gefunden, um es ihnen zu sagen. Jetzt sind sie aber wieder in Deutschland und wollen, dass ich und die Zwillinge zu ihnen ziehen. Wir werden dann aber nicht mehr in dieser Stadt bleiben, deswegen werde ich nicht weiter hier arbeiten können. Ich weis nicht genau, wann es genau so weit ist mit dem Umzug, aber ich wollte ihnen frühzeitig Bescheid sagen.“
Wieder verstummt sie und wartet nun darauf, dass ihr Chef etwas sagt.
„Da freu ich mich aber für euch drei, dass ihr wieder zu einer Familie kommt. Das ist für Kinder doch immer noch das beste. Ist natürlich schade, dass wir eine so gute Arbeitskraft verlieren, aber es ist vollkommen verständlich, warum du aufhören willst. Ich nehme an, dass du zum Ende des Monats aufhören wirst?“
Lila nickt nur bestätigend.
„Ich weis einfach nicht, wann der Termin für den Umzug festgelegt wird. Da ist es besser, wenn ich so früh wie möglich aufhören zu arbeiten.“
Auch ihr Chef nickt. Kurz schütteln sich beide noch einmal die Hände und dann geht Lila zurück an ihre Arbeit. Der Laden ist schon wieder gut gefüllt.
Später am Nachmittag kommen auch Haru und Glen vorbei und warten auf das Ende ihrer Schicht. Zehn Minuten bevor sie gehen kann, kommt auch Connor zur Tür herein und wartet mit den Zwillingen zusammen.
Gemeinsam verlassen sie schließlich das Café. Währenddessen erzählt Connor, dass er den Auftrag bekommen hat, schon einmal nach einer Wohnung für fünf Personen zu suchen, auch wenn noch nichts entschieden ist. Er war bei verschiedenen Maklern und hat sich schon einmal Angebote geholt. Die will er ihnen gleich in ihrer Wohnung zeigen.

Alex wanderte etwas gedankenverloren durch die Innenstadt. Als er schließlich aufschaut, bemerkt er, dass er in der Nähe des Cafés „Bella Italia“ ist. Dort arbeitet doch auch Lila. Wenn er Glück hat, ist sie auch heute dort. Spontan entschließt er sich dazu, einen Abstecher dahin zu machen.
In dem Moment in dem er um die Häuserecke biegt und den Eingang des Cafés sehen kann, kommt auch Lila aus der Tür. Im ersten Moment will Alex sie rufen, doch da bemerkt er die anderen Personen bei ihr.
Die ersten, die er sieht, sind zwei Jungen, die sich sehr ähnlich sehen. Das sind wahrscheinlich die Zwillinge, von denen sie ihm erzählt hat. Doch die dritte Person, die dazu tritt, überrascht ihn. Es ist der gleiche Typ, den er auch bei Silver im „Starlight Express“ gesehen hat.
Was macht Lila mit diesem Typ? Woher kennt sie ihn? Kennt sie vielleicht auch Silver? Vielleicht sogar ihren richtigen Namen?
Alex ist verwirrt. In der Zeit, wo er die vier einfach nur beobachtet, entfernen sich diese immer weiter von ihm, bis sie schließlich um eine Ecke biegen und aus seinem Blickfeld verschwinden. Er dreht sich auch wieder um und macht sich mit dem Kopf voller Fragen auf den Heimweg.
Als er die Haustür aufschließt, kommt ihm schon das Geschirr klappern aus der Küche entgegen. Seine Mutter hat wohl schon das Abendbrot vorbereitet.

Alex macht eine Entdeckung & Streit

Als er endlich alleine in seinem Zimmer ist, stürzen die Fragen nur so auf ihn ein. Wer war dieser silberhaarige Schönling? Warum war er sowohl mit Lila als auch mit Silver zusammen unterwegs? Wieso scheint er beide so gut zu kennen? Woher kommt er so plötzlich? Wieso sieht er beiden so ähnlich? Und warum interessiert ihn selbst das alles so?

Mit all diesen Fragen im Kopf lässt er sich auf sein Bett fallen und starrt die Decke an. Er versucht wenigstens ein paar Antworten auf seine Fragen zu kriegen. Nur leider ist das nicht so leicht. Warum ihn dieser Fremde an Silvers Seite stört, hat er schnell erkannt. Er ist schlicht und einfach eifersüchtig. Doch auf Lila kann er sich nicht wirklich einen Reim machen. Erst dachte er ja, es wäre die Angst, sie als Freundin zu verlieren, doch das passt nicht so ganz zu seinem Gefühl. Das kommt eher dem Gefühl der Eifersucht näher, das er auch bei Silver hat. Aber warum sollte er auch wegen Lila eifersüchtig sein? Eine ganze Weile grübelt er, bis er schließlich ohne es zu merken einschläft.

 

Er steht auf einer Tanzfläche eines Clubs. Um ihn herum amüsieren sich alle. Gerade will er auch anfangen zu tanzen, als sein Blick auf zwei Mädchen gelenkt wird. Links steht Silver und lächelt ihn an, während sie auf ihn zu kommt. Rechts neben ihr läuft Lila. Erst nun, wo er beide Mädchen direkt neben einander sieht, merkt er, wie sehr sie sich doch ähneln. Sie haben die gleiche Statur, die gleiche Größe, das gleiche Lächeln und die selben Augen. Nur die Kleidung und die Haare sind unterschiedlich. Beide Mädchen kommen bei ihm an und jede umarmt ihn von einer Seite und gibt ihm einen Kuss auf je eine Wange. Doch dabei will er es nicht belassen. Nach einander küsst er beide Mädchen direkt auf den Mund. Ohne Zunge, aber dafür sehr lange und liebevoll. Und beide erwidern in der gleichen Weise. Nun tanzen sie zu dritt. Nach einer Weile merkt er aber, wie beide Mädchen immer näher zueinander rücken und schließlich ist es fast so, als verschmelzen sie miteinander. Zum Schluss steht nur noch ein Mädchen vor ihm. Sie hat Silvers Kleidung, aber Lilas Haare und lächelt ihn atemraubend an. Gerade, als er sich wieder zu ihr beugen will, um sie zu küssen, kommt ein nerviger Piepston.

 

Der Ton kommt von seinem Wecker. Alex setzt sich etwas orientierungslos auf und schaltet ihn ab. Er ist immer noch leicht gefangen in seinem Traum. Er hat beide Mädchen geküsst und dann sind sie ein und die selbe Person geworden. Das er beide geküsst hat, kann er ja noch irgendwo verstehen. Anscheinend ist er in beide verliebt. Nur, warum sie schließlich ein und die selbe Person geworden sind, kann er nicht nachvollziehen. Ihre Persönlichkeiten sind das genaue Gegenteil voneinander, soweit er das beurteilen kann.

Noch immer tief in Gedanken macht er sich für einen weiteren Schultag fertig.

 

Bei Lila sieht der neue Morgen in etwa ähnlich aus. Gestern hat sie sich noch ganz gut ablenken können, so lange Connor da war. Doch in dem Moment, in dem die Haustür hinter ihm zugefallen war, sind ihre Gedanken zu Alex gewandert. Vor allem zu dem gemeinsam Abend im „Starlight Express“ und zu ihrem Gespräch in der Schule. Sie hat sogar von ihm geträumt. Und in ihrem Traum hat er sie geküsst. Mitten auf den Mund. Sie wurde noch nie geküsst. Aber sie würde sich wünschen, dass Alex sie mal richtig küssen würde. Doch dafür müsste sie ihm sagen, dass sie und Silver ein und die selbe Person sind.

Während sie sich für die Schule fertig macht, stellt sie sich vor, wie Alex wohl reagieren würde, wenn sie ihm ihr Geheimnis verrät. In ihrer Vorstellung ist er nicht sauer auf sie, sondern freut sich und bittet sie seine Freundin zu sein und mit ihm zusammen zu tanzen.

So in ihren Gedanken versunken befestigt sie ihre Perücke mit routinierten Handgriffen. Schließlich ist diese Prozedur beendet und mit ihrer Schultasche verlässt sie ihr Zimmer. Auf dem Weg in die Küche weckt sie ihre Brüder wie jeden Morgen. Nach dem gemeinsamen Frühstück verlassen sie wie jeden Morgen zu dritt die Wohnung und gehen zu ihren Schulen. Connor ist heute nicht mit dabei. Gestern erwähnte er etwas von einem Auftrag seiner Mutter, den er erledigen müsse.

Haru und Glen haben sich schon von Lila verabschiedet. Diese muss aber noch ein Stück bis zu ihrer eigenen Schule alleine gehen. Doch heute erlebt sie eine kleine Überraschung.

Aus einer Seitengasse kommt Alex nur einen Moment bevor sie selbst an dieser vorbei gegangen wäre. Er sieht sie und wartet auf sie.

„Guten Morgen Lila. Haben wir schon immer ein Stück den gleichen Schulweg gehabt? Ist mir bisher noch nie aufgefallen.“

„Wir sind sonst nie zur gleichen Zeit unterwegs gewesen. Da trifft man sich nun mal nicht. Außerdem bin ich nicht gerade auffällig, also wirst du es auch gar nicht bemerkt haben, wenn wir doch mal zur gleichen Zeit unterwegs gewesen sind. Du kennst mich ja erst seit dem einen Tag in der Pause.“

„Auch wieder wahr. Aber ich ärgere mich echt, dass ich dich nicht eher kennengelernt habe. Dann hätten wir viel mehr Zeit miteinander gehabt. Steht jetzt eigentlich ein Umzugsdatum fest?“

„Es ist noch nichts konkret, aber sobald eine Wohnung für uns alle gefunden ist, wird es wohl nicht mehr so lange dauern. Wie läuft es eigentlich mit dem Tanzen?“

Mit dieser Frage hat sie Alex zum Reden gebracht. Bis zur Schule redet er nur noch vom Training und dem kommendem Wettbewerb. Lila hört ihm zu und stellt zwischendurch mal die ein oder andere Frage.

Als sie dann zusammen das Schulgelände betreten, werden sie von allen Seiten komisch angeschaut. Niemand hat sie vorher zusammen gesehen und die meisten kennen Lila noch nicht einmal. Vor allem die Mädchen, die auf Alex stehen, schauen ziemlich neidisch aus der Wäsche. Von ihnen ist noch nie eine mit ihm alleine zur Schule gekommen. Die beiden aber beachten das Getuschel und die Blicke um sie herum gar nicht, sondern unterhalten sich in aller Seelenruhe weiter.

„Uff.“

Mitten im Satz unterbricht sich Alex plötzlich. Von hinten hat ihn jemand angesprungen. Lila und er drehen sich um und blicken in die lächelnden Gesichter von Tim und John.

„Guten Morgen Leute.“

„Hey Alter.“, kommt es von den beiden zurück.

„Wer ist denn die Süße da neben dir?“, fragt Tim.

Lila wird merkt die Hitze in ihrem Gesicht aufsteigen und weiß, dass sie höchstwahrscheinlich gerade rot wird. Alex sieht auch leicht verlegen aus.

„Das ist Lila, eine Freundin von mir.“

Dann wendet er sich zu ihr und bestellt die beiden Jungs vor.

„Die beiden tanzen mit mir und sind meine besten Freunde seit dem Kindergarten.“

„Freut mich.“

Lila lächelt sie schüchtern an. Tim ist sofort neben ihr und hat einen Arm um ihre Schulter geschlungen. Doch noch bevor er etwas sagen kann, hat Alex ihn schon wieder weggezogen.

 

Impressum

Texte: Idee und Charaktere sind von mir.
Bildmaterialien: Cover von tessamelody.
Tag der Veröffentlichung: 21.04.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Vielen Dank an tessamelody für das tolle Cover :)

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