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Wie alles begann...

Lächelnd winkt Tara ihren davonfahrenden Eltern nach. Ein ganzes Wochenende allein zuhause. Es ist der Anfang der Sommerferien und sie kann machen was sie will. Ihre Eltern haben das Ende der Straße erreicht und hupen noch ein letztes Mal zum Abschied. Tara winkt noch einmal und dreht sich dann um und schließt die Tür hinter sich. Mit zielsicheren Schritten schlägt sie die Richtung zum Wohnzimmer ein, doch als sie an der Tür zum Arbeitszimmer ihres Vaters vorbei kommt, stocken ihre Schritte. Wenn er da ist, will er nicht gestört werden und es ist ihr verboten das Zimmer zu betreten. Aber jetzt wo er weg ist, da kann sie doch einen Blick riskieren, oder? Langsam nähert sie sich der Tür. Aber soll sie das Verbot wirklich missachten? Er wird schon seine Gründe haben und er vertraut ihr. Ach was, er wird gar nicht merken, dass sie im Zimmer gewesen ist. Zögernd streckt sie die Hand nach der Klinke aus und drückt sie nach unten. Ein leichter Druck und die Tür schwingt nach innen. Noch ein Stück und Tara kann durch den Spalt das Zimmer betreten. Die Tür schließt sie wieder hinter sich. Staunend dreht sie sich im Kreis. So hat sie es sich gar nicht vorgestellt. Die Wände sind rundherum mit einer idyllischen Waldlandschaft geschmückt. Es erinnert sie an einen Märchenwald und auch die seltsam anmutenden Wesen, die zwischen den mächtigen Stämmen der alten Bäume hervorlugen, erinnern sie daran. Die seltsamen Gestalten scheinen mit den Elementen in Verbindung zu stehen, denn eine sieht aus, wie eine große Flamme in Gestalt eines Menschen, ein anderes schwebt in der Luft und ist fast durchsichtig. Es besteht fast nur aus Flügeln und zwei Armen. Ein weiteres Wesen sieht aus wie ein großer Busch, dem man die Gestalt eines Menschen gegeben hat und der gelernt hat zu laufen. Dann gibt es noch zwei weitere Wesen. Das eine sieht aus, wie aus Wasser geformt und das letzte ist das seltsamste. Sein schlanker, großer Körper ist weiß und wird von einem fließenden, blauen Gewand umhüllt. Die langen Haare sind feuerrot und die Augen grün. Aus dem Rücken kommen ein paar großer, weißer Flügel. Alle anderen Wesen blicken in seine Richtung und auch Tara fühle sich magisch davon angezogen. Sie steht staunend davor und kann ihren Blick nicht vor der Figur lösen. Doch plötzlich stutzt sie. Hat das Wesen ihr gerade zugezwinkert? Nein, das kann nicht sein. Sie muss zu lange hier gestanden haben und ihre Sinne haben ihr einen Streich gespielt. Bilder können doch nicht zwinkern. Tara wendet ihre Aufmerksamkeit wieder dem Rest des Zimmers zu. Neben der Tür ist ein Regal, das sie beim Betreten des Zimmers noch nicht bemerkt hat. Es ist voller Bücher. Neugierig strebt Tara darauf zu. Mal gucken, was ihr Vater so liest. Etwas fällt ihr sofort auf. Auf allen Titeln steht das Wort „Element“ oder „Feuer“, „Wasser“, „Luft“ und „Erde“. Beispielsweise „Das Geheimnis der Elemente“ oder „Die Elementkönigin“. An letzterem bleiben Taras Augen hängen. Das hört sich interessant an. Es hat etwas von einem Märchen. Sie zieht es heraus und sieht sich den Buchumschlag an. Erstaunt bemerkt sie, dass auf dem Einband die geflügelte Frau, die ihr auch schon auf der Wand aufgefallen ist, zusehen ist. Steht darin vielleicht, was das für eine Frau ist? Tara hält das Buch immer noch in der Hand, als sie wie in Trance das Arbeitszimmer ihres Vaters verlässt und nach oben in ihr Zimmer geht. Sie will unbedingt wissen, was das für ein Wesen ist. Aber dazu muss sie das Buch lesen. Ihr Vater wird es doch nie bemerken.
Taras Zimmer ist in drei Bereiche aufgeteilt. Direkt an der Wand neben der Tür steht ihr Bett und ihr Kleiderschrank. Unter einem Fenster steht ihr Schreibtisch mit dem Computer und unter einem großen Dachfenster sind ein paar gemütliche Sessel, ein Tisch und ihr eigener Fernseher. Auf diese Sitzgruppe steuert Tara jetzt zu. Sie kuschelt sich in ihren roten Lieblingssessel und öffnet das Buch. Auf der ersten Seite sind die Symbole für die vier Elemente, die auch die anderen Wesen im Arbeitszimmer ihres Vaters verkörpert haben, zu sehen. Dann beginnt der Text.
Kaum hat Tara die ersten paar Seiten gelesen, da ist sie davon wie gefesselt. Es ist wie eine Geschichte und trotzdem hat etwas in Tara das Gefühl, das dies die Wahrheit ist. Sie kann es sich nicht erklären, was es ist, doch es zwingt sie regelrecht weiterzulesen.
Der Text handelt von verschiedenen Mädchen, die ihre Eltern verlieren und dann anfangen in ihren Träumen durch einen Märchenwald in Gestalt des geflügelten Wesens vom Buchdeckel zu wandern. Dort müssen sie gegen böse Gestalten kämpfen, die sie entweder gefangen nehmen oder töten wollen. Dabei kämpfen sie selber mit den vier Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde. Mit der Zeit finden sie von jedem Elementarwesen einen Freund, die sie dann nach Kräften unterstützen. Mit jedem Kampf werden sie stärker und verändern sich in beiden Welten. Zum Schluss werden sie zur Elementkönigin gekrönt und bringen Frieden in die Stämme der Elemente. Doch sobald sie sterben entbrennt der Streit von neuem und man wartet auf eine neue Königin. Während keine Königin da ist, haben alle Elementarwesen das Gefühl etwas ganz wichtiges verloren zu haben und versuchen verzweifelt es zu finden. Auch wenn die meisten von ihnen nach einiger Zeit schon nicht mehr wissen, was sie überhaupt suchen. Wenn bei einer neuen Königin die Kräfte erwacht sind oder kurz vor dem Erwachen stehen, wird das Gefühl der Wesen sogar noch stärker. Es treibt sie solange an, bis die Königin gefunden ist.
Tara liest das Buch den ganzen Tag und die ganze Nacht und steht nur kurz auf, um sich etwas zu essen nach oben zu holen. So sehr fesselt sie die Geschichte.
Als die ersten Sonnenstrahlen durch die Fenster fallen, klappt sie es zu. Jetzt weiß sie, was es mit der geheimnisvollen geflügelten Frau im Arbeitszimmer ihres Vaters auf sich hat und warum die anderen Figuren in ihre Richtung sehen. Aber sie hat auch gesehen, das am Ende des Buches noch einige leere Seiten sind, nachdem stand, dass seit einem Jahrhundert die Elementkönigin nicht wieder aufgetaucht ist.
Nachdenklich erhebt sich Tara und geht nach unten. Sie muss das Buch wieder zurückstellen. Vor der Tür zum Arbeitszimmer bleibt sie noch einmal stehen. Nie hat sie gedacht, das ihr Vater solche Bücher liest. Aber das ist doch egal. Es muss wieder zurück. Entschlossen drückt sie die Türklinke herunter und betritt das Zimmer. Täuscht sie sich, oder haben die Figuren an der Wand einen anderen Platz eingenommen? Nein, das kann nicht sein. Sie muss sich irren. Mit einem Ruck dreht sie sich zum Bücherregal und stellt das Buch an seinen Platz. Dann verlässt sie das Zimmer und geht in die Küche. Ihr Magen knurrt schon eine ganze Weile und sie will sich ein Brot machen. Als sie fertig ist, bemerkt sie wie müde sie ist. Um nicht einzuschlafen, geht sie ins Wohnzimmer um Fernsehen zu schauen. Doch kaum hat sie es sich auf der Couch gemütlich gemacht, da ist Tara auch schon eingeschlafen. Als am späten Vormittag das Telephon klingelt, wacht sie nicht auf. Erst kurz danach regt sie sich und steht auf, um sich Nudeln zu kochen. Mit diesen verzieht sie sich wieder auf die Couch und sieht fern. Später ruft sie eine Freundin an und verabredet sich mit ihr im Freibad. Das vorher noch jemand angerufen hat, sieht sie nicht. Zusammen mit ihren Freundinnen verbringt sie einen schönen Nachmittag im Freien. Das Buch und das Arbeitszimmer ihres Vaters sind vergessen. Die Nacht verbringt sie bei ihrer besten Freundin Antonia.
Als sie am Nachmittag des Sonntages nach Hause kommt, ahnt sie noch nicht, was sie erwarten wird. Kaum hat sie die Tür hinter sich geschlossen und ist in ihr Zimmer gegangen, da läutet auch schon die Türklingel. Erstaunt rennt sie nach unten. Ihre Eltern würden doch nicht klingeln, oder? Wer kann das nur sein? Vor der Tür steht eine fremde Frau und ein fremder Mann.

Im Heim

Betrübt starrt Tara vor sich hin. Seit dem Anfang der Sommerferien mit der schrecklichen Nachricht sind fast alle Wochen schon vorbei. Nächste Woche wird sie auf eine neue Schule in einem neuen Ort gehen. Sie wird niemanden kennen und niemand wird wissen, dass sie in einem Heim lebt und eine Waise ist. Keiner kann sie deswegen hänseln. Ihre Gedanken wandern zurück zu jenem Moment.
Sie war gerade nach Hause gekommen, als es an der Tür läutete. Als sie öffnete standen zwei fremde Leute davor. Die Frau hatte gefragt, ob sie Tara Maria Meier wäre. Verwundert hatte sie das bestätigt und wissen wollen, wozu das wichtig wäre. Da hatte man ihr gesagt, dass ihre Eltern tot seien und sie jetzt in ein Heim müsse. Zuerst hatte sie das für einen scheußlichen Scherz gehalten, doch als man ihr die Bilder vom Unfall und den Leichen zeigte, da musste sie es glauben. Vergeblich versuchte sie die Augen vor den Tatsachen zu verschließen. Man sagte ihr noch, dass man sie morgen abholen würde und sie solle ihre Koffer packen. Um ihr Erbe würde sich ein Notar bis zu ihrem achtzehnten Geburtstag kümmern. Außerdem würde sie die Schule wechseln, da es in der Nähe ihrer jetzigen Schule kein Kinderheim gäbe. Am nächsten Tag waren sie wiedergekommen und nach einer langen Fahrt war sie schließlich hier angekommen. Man hatte sie in ein Zimmer geführt und erst mal in Ruhe gelassen. Das alles hatte sie wie in Trance wahrgenommen und auch später saß sie meist einfach nur da und starrte vor sich hin. Nur Abends schien sie aus ihrem Trübsal herauszufinden. Dann holte sie das Buch aus dem Arbeitszimmer ihres Vaters hervor. Sie hatte es mitgenommen. Tara hatte das Gefühl, das es sie tröstet. Es erinnerte sie an ihre Eltern und gab ihr Hoffnung auf ein besseres Leben. Die Mädchen in dem Buch hatten schließlich auch ihre Eltern verloren, doch sie hatten eine Aufgabe gefunden, die sie den Schmerz vergessen ließ. Das wünschte sich Tara auch.
Während sie so dasitzt und an Früher denkt, lauscht sie in sich hinein. Da ist etwas, dass vorher noch nicht da gewesen ist. Es scheint ihr fast so, als wenn etwas Neues in ihrer Seele erwacht ist. Dieses Ding lauert die ganze Zeit am Rande ihres Bewusstseins und scheint nur auf einen Moment der Unachtsamkeit zu warten. Tara weiß nicht, worauf es wartet, aber sie will es auch nicht wirklich herausfinden.
Da plötzlich sagt eine Männerstimme hinter ihr: „Wach endlich auf!“ Daraufhin wächst das Neue in ihr an und droht ihr Bewusstsein hinwegzufegen. In diesem Moment fühlt sie sich unendlich stark und zugleich auch so schwach. Doch es gelingt ihr fast sofort das Ding wieder in den hintersten Winkel ihrer Seele zu verbannen. Dann dreht sie sich um. Hinter ihr steht ein alter Mann mit fast weißen Haaren und einem ziemlich runzeligen Gesicht. Das einzige, was in dem ganzen noch jung wirkt, sind seine lebhaften braunen Augen, mit denen er Tara jetzt freundschaftlich zuzwinkert. Sein runzeliger Mund verzieht sich zu einem wissenden Lächeln und dann dreht er sich um und geht. Tara kann ihm nur verwundert nach starren und sich nicht rühren. Dann sinkt sie erschöpft wie nach einem Marathonlauf wieder in ihren Sessel zurück.
Was war das denn nur gewesen? Diese Frage lässt sie den Rest des Tages nicht mehr los.
Als sie schließlich nach dem Abendessen in ihr Zimmer geht, fällt sie gleich auf ihr Bett. Bevor sie sich wieder erheben kann, um sich umzuziehen, ist sie auch schon eingeschlafen. Später sieht noch eine Betreuerin nach ihr und freut sich, sie endlich wieder früher schlafen zu sehen.

Tara schlägt die Augen auf. Über ihr sind jede Menge Blätter, die hell im Sonnenlicht leuchten und ein sanftes grünes Licht zur Erde schicken. Der Wind rauscht durch sie und ein leises Rauschen erfüllt die Luft, das nur vom hellen Lied der Vögel unterbrochen wird. Unter ihr spürt sie weiches Moos und sie riecht den würzigen Duft eines Waldes.
Verwundert setzt sich Tara auf und sieht sich um. Sie sitzt zwischen den Wurzeln eines Jahrhunderte alten Baumes am Rande einer wunderschönen Lichtung. Dann sieht sie an sich runter. Ziemlich erschrocken muss sie feststellen, dass sie anders aussieht. Die Haut an ihren Händen ist schneeweiß, ebenso wie ihre bloßen Füße. Ihre Beine und Arme, ebenso wie der Rest des Körpers sind in ein blaues Gewand gehüllt, das sich angenehm leicht und wie ein sanfter Wasserfilm anfühlt. Doch als sie darüber streicht, kann sie erkennen, dass es fester Stoff ist.
Als sie sich vorbeugt, um aufzustehen, fällt ihr eine Flut von feuerroten langen Haaren ins Gesicht. Normalerweise hat sie doch braune und kurze Haare. Während sie versucht sich hochzustemmen, stellt sie fest, dass da ein ungewohntes Gewicht auf ihrem Rücken ist. Vorsichtig fasst Tara nach hinten und bemerkt zu ihrem Entsetzen zarte Federn. Sie muss einen Spiegel finden. Es kann doch nicht wahr sein, dass sie . . . Nein, ganz sicher nicht!
Suchend läuft sie auf der Lichtung umher. Es muss doch irgendwo Wasser geben. Ah ja, da hinter den Büschen schimmert es. Vorsichtig bahnt sie sich ihren Weg durch das Gebüsch. Dahinter ist wirklich ein kleiner Teich. Er liegt da wie ein Spiegel. Keine Welle ist darauf zu sehen. Nur einige Lichtstrahlen, die den Weg durch das Blätterdach gefunden haben, zaubern leuchtende Lichtreflexe darauf. Einen Moment bleibt Tara wie verzaubert stehen und schaut sich um. Es ist so friedlich hier. Doch dann reißt sie sich von dem Anblick los und schreitet auf den Teich zu. Was sie sieht erschreckt sie. Ihr Aussehen gleicht dem der Figur auf dem Buch aufs Haar.
Verschreckt weicht sie vom Teich zurück und lässt sich auf dem Boden nieder. „Ganz ruhig, Tara!“, versucht sie sich selbst zu beruhigen. „Du hast nur zu viel an deine Eltern und die komische Figur auf dem Buch gedacht, und das ganze hat sich jetzt zu diesem verrückten Traum entwickelt. Du wirst jeden Moment aufwachen und deinen normalen Körper wieder haben.“ Doch ganz überzeugt ist sie von dieser Erklärung noch nicht. Da ist schließlich immer noch dieses seltsame Gefühl, dass sie schon die ganze Zeit begleitet. Bis jetzt hat es unruhig gewirkt, doch nun scheint es zufrieden zu sein. Es ist ganz ruhig und versucht nicht, sich einen Weg in ihr Bewusstsein zu bahnen. Das kommt ihr seltsam vor.
Plötzlich raschelt es hinter Tara und sie dreht sich um. Da steht ein seltsames kleines Wesen mit einem Buckel, verfilzten schwarzen Haaren aus denen ein Paar Hörner hervorragen. Es sieht sie aus großen, gelb glühenden Augen an und sein froschartiges Maul verzieht sich zu einer Grimasse eines höhnischen Grinsens. Zumindest kommt es Tara so vor. Dann beginnt es mit krächzender Stimme zu sprechen: „Es ist also schon wieder einer dieser unwissenden Menschen zu uns gekommen. Na, da wollen wir dich doch gleich mal wieder dahin zurückschicken, wo du herkommst. Los, kämpf mit mir!“
Tara sieht ihn verdattert an. „Wie, meinst du das? Ich will erst mal wissen wo ich hier bin und was du für ein komisches Wesen bist.“ Es lacht laut auf. „Das ist typisch für euch Menschen. Ihr habt keine Ahnung.“ Dann stürmt es ohne Vorwarnung auf Tara los.
Ohne das sie weiß, was sie machen muss, stößt sie sich von der Erde ab und fliegt in die Luft. Es fühlt sich toll an zu fliegen. Sie ist federleicht und kann den Wind ganz genau spüren. Wenn sie sich konzentriert, dann kann sie seinem Weg folgen und ihn lenken. Das überrascht sie. Doch dann erkennt sie den Wert dieser Fähigkeit. Damit kann sie einen Gegenangriff starten, wenn ihr Gegner unbedingt kämpfen will. Sie wartet ab, bis eine besonders starke Böe an ihr vorbei kommt. Gedanklich greift sie nach ihr, stoppt sie und schleudert sie dem Wesen mit voller Wucht entgegen. Der macht ein ziemlich überraschtes Gesicht, als ihn aus heiterem Himmel der Wind erfasst und mehrere Meter in die Luft hebt und im Teich wieder ablädt. Tara kann nicht anders. Sie muss bei diesem Anblick einfach lachen, was das Wesen überhaupt nicht so witzig findet. Eher steigert sich seine Wut. „Na warte. Dir wird das Lachen schon noch vergehen, wenn ich erst mal fertig bin mit dir. Gegen einen so starken Kobold, wie ich es bin, hast du keine Chance.“, stößt er hervor, während er aus dem Wasser watet. „Ach, ein Kobold bist du also. Die habe ich mir irgendwie immer anders vorgestellt.“, meint Tara darauf.
Plötzlich ist eine Stimme in ihrem Kopf, die ihr zuflüstert, sie solle den Kobold im Wasser halten. Sie weiß auf einmal, dass er dann keine Chance mehr gegen sie haben wird.
Tara schließt die Augen und stellt sich vor, wie das Wasser des Teiches sich um den Kobold herum hebt und sich zu einer Blütenknospe entwickelt.
Sie öffnet die Augen und da ist er wirklich in eine Knospe aus Wasser eingeschlossen. Verdutzt starrt er zu ihr hoch. Da kommt ihr noch eine Idee und sie lächelt verschmitzt. Wieder schließt sie die Augen um sich besser zu konzentrieren. Dann stellt sie sich vor, wie das Wasser der Knospe langsam kälter wird und sich so weit abkühlt, bis es zu Eis gefriert. Als sie hinschaut, ist da wirklich die schönste Eisknospe, die sie je gesehen hat. Nur der hässliche Kobold in der Mitte stört etwas. Erst jetzt landet Tara wieder. Sie fühlt sich richtig gut und denkt, dass sie jetzt so schnell nichts mehr erschrecken kann. Doch da soll sie sich irren.

Tara schlägt zum zweiten Mal an diesem Tag, wie es ihr vorkommt, die Augen auf. Doch diesmal ist es dunkel und nicht hell. Wo sind die Bäume hin? Statt des Vogelgezwitschers herrscht nun Totenstille.
Überrascht setzt sie sich in ihrem Bett auf. „Wie, ich liege in meinem Bett?“, denkt sie. Also ist ihr Traum jetzt vorbei. Sie hat bestimmt nur zu viel an das Buch gedacht. Da fällt ihr ein, dass sie mal nachsehen kann, ob nicht eines der Mädchen solch ein ähnliches Abenteuer erlebt hatte.
Hastig schwingt Tara ihre Beine aus dem Bett und knipst das Licht an. Dann läuft sie zu ihrem Schrank und holte das Buch hervor. Zusammen mit ihm kehrt sie zur Wärme ihres Bettes zurück. Dort macht sie es sich bequem und sieht erst mal im Inhaltsverzeichnis nach, ob dort nichts steht, dass auf so eine Geschichte hindeuten könnte. Zu ihrer Überraschung findet sie ein neues Kapitel vor, dass sie noch nicht kennt. Neugierig, was das sein könnte, blättert sie dorthin und beginnt zu lesen:
„Tara schlägt die Augen auf. Über ihr sind jede Menge Blätter, die hell im Sonnenlicht leuchten und ein sanftes grünes Licht zur Erde schicken. Der Wind rauscht durch sie und ein leises Rauschen erfüllt die Luft, das nur vom hellen Lied der Vögel unterbrochen wird. Unter ihr spürt sie weiches Moos und sie riecht den würzigen Duft eines Waldes.“
Erschrocken hält Tara im Lesen inne. Aber genau das ist ihr doch gerade in ihrem Traum passiert. Wie kann das in dem Buch stehen? Träumt sie vielleicht immer noch? Sie zwickt sich in den Arm und unterdrückt einen Schmerzensschrei. Nein, sie träumt nicht. Hastig blättert sie zum Ende des Kapitels. Was sie dort sieht, verschlägt ihr schier den Atem. Vor ihren Augen bilden sich wie von Geisterhand immer neue Worte. Ganze Zeilen, ganze Seiten sogar. So etwas hat sie noch nie gesehen. Erschüttert klappt sie das Buch zu und legt es zur Seite. Sie schließt die Augen und versucht sich einzureden, dass sie immer noch träumt. Aber tief in ihrem innersten weiß sie, dass sie nie geträumt hat. Alles war passiert ist, ist echt gewesen.
So sitzt sie lange da und konzentriert sich auf ihr inneres. Das hat ihr immer geholfen sich zu beruhigen. Doch heute bringt es nichts. Nur dieses neue Bewusstsein, wie sie das seit neustens vorhandene Gefühl nennt, ist nicht mehr so unruhig, wie es die letzten Tage über gewesen ist. Es scheint irgendwie zufrieden.
Irgendwann klopft es an ihre Tür und die Betreuerin Kate kommt herein. „Guten Morgen!“, ertönt ihre Stimme fröhlich in die bis dahin bestehenden Stille. Tara öffnet ihre Augen und blinzelt in das Sonnenlicht, das durch die nun offenen Jalousien fällt. Kate steht vor ihr und betrachtet sie besorgt. „Guten Morgen, Kate!“, erwidert Tara ihren Gruß. Sie freut sich, als sie das verdutzte Gesicht der jungen Frau sieht.
Kate setzt sich neben sie. „Na, dir scheint es ja besser zu gehen, wenn du mal meinen Morgengruß erwiderst. Aber warum sitzt du schon so früh hier?“ Tara lächelt. Schnell überlegt sie, was sie sagen soll um sie nicht zu beunruhigen. Es würde ja auch zu fantastisch klingen, wenn sie sagt, sie hat während des Schlafens ein Paralleluniversum besucht, dort gegen einen Kobold gekämpft und nach dem Aufwachen hat sie gesehen, wie sich in ihrem Buch eine neue Geschichte wie von Geisterhand selbst gebildet hat mit dem von ihr gerade Erlebten. Nein, dass kann sie wirklich nicht sagen. Also antwortet sie: „Ich hatte einen Albtraum und konnte nach dem Aufwachen nicht wieder einschlafen. Da habe ich mich hingesetzt und ein bisschen in dem Buch geblättert. Irgendwann bin ich dann wieder halb eingeschlafen, bis du gerade hereingekommen bist.“ Dann springt sie auf und läuft zu ihrem Kleiderschrank. „Aber jetzt habe ich Hunger. Was gibt’s zum Frühstück?“ Kate lacht. Es ist das erste Mal, dass Tara sich nach Essen erkundigt und sagt, sie habe Hunger. „Es gibt Toast mit Aufstrich oder Aufschnitt. Ganz nach Geschmack. Wer will kann auch Müsli essen. Na ja, ich muss dann mal wieder. Da sind noch ein paar andere Kinder, die ich wecken soll.“ Kate steht auf und geht zur Tür. „Bis gleich im Speisesaal.“ Dann ist sie draußen. Tara kann einige Kinder auf den Fluren schreien und lachen hören.
Nachdem sie angezogen ist, geht sie nicht gleich hinaus. Erst einmal nimmt sie noch mal ihr Buch in die Hand. Sie kann sehen, dass ihre Geschichte schon wieder weitergegangen ist. Vorsichtig versteckt sie es im Schrank. Sie hat das Gefühl, dass niemals jemand dieses Buch in die Hände bekommen darf. Erst als sie sicher ist, das niemand das Buch finden wird, geht sie zum Frühstücken. Sie ist ganz sicher, dass das Buch in den falschen Händen großen Schaden anrichten kann, sollte jemand sein Geheimnis herausbekommen.
Der Speisesaal ist voll als Tara hereinkommt. Nur wenige Plätze sind noch leer. Einer ist neben Kate. Als diese sie sieht, winkt diese sie zu sich heran. Erleichtert lässt Tara sich auf den Stuhl sinken. Da sie die ganze Zeit mit niemandem gesprochen hat, ist sie ängstlich gewesen sich zu anderen hinzusetzen. Kate lächelt sie freundlich an. Auf dem Tisch ist alles, was man sich zum Frühstück nur wünschen kann. Hungrig greift Tara zu. Die ganze Zeit sagt sie kein Wort. Erst als sie satt ist, lehnt sie sich zurück und sieht zu Kate. Auch diese ist mit Essen fertig. „Na, hat es dir geschmeckt?“, fragt sie. Tara nickt. „Was machen wir heute?“, will sie wissen. Kate antwortet: „Jeder darf auf dem Grundstück machen, was er will. Du solltest vielleicht mal wieder raus gehen. Du bist wirklich blass.“ „Gut, mach ich. Ich habe das Gefühl, dass heute ein ganz wundervoller Tag wird.“, meint Tara darauf bloß.
Der Raum beginnt sich zu leeren. Nur noch die letzten Nachzügler sitzen an den Tischen. Auch Tara und Kate stehen auf und verlassen den Raum durch die Terrassentür. Draußen scheint die Sonne warm auf Taras Gesicht. Seit Wochen ist ihr nicht mehr so wohl in ihrer Haut gewesen. Im warmen Sonnenschein scheint sie wieder richtig aufzublühen.
Tara setzt sich auf eine der Schaukeln. Ein leichter, warmer Wind bläst ihr ins Gesicht. Sie schließt die Augen und genießt das wärmende Gefühl des Sonnenlichts und das sanfte Streicheln des Windes.
Auf einmal denkt sie den alten Mann von gestern zu sehen und ihm zuzuwinken. Als sie die Augen öffnet, da steht er wirklich in ihrer Nähe und sieht sie an. Kaum bemerkt er ihren Blick, da kommt er auch schon auf sie zu und meint: „Du bist also endlich aufgewacht. Es hat diesmal aber ganz schön lange gedauert. Jetzt wird die Sucherei erst so richtig losgehen. Aber das macht ja nichts.“ Tara sieht ihn verständnislos an. „Was meinen sie damit?“ Enttäuscht schüttelt er seinen Kopf. „Ach Mädchen. Das ihr am Anfang aber auch gar nichts merkt und glaubt, das alles sein nur ein Traum.“ Jetzt ist Tara neugierig geworden. „Was für ein Traum? Ich hatte diese Nacht einen sehr ungewöhnlichen Traum, aber ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich ein Traum war. Danach gingen die Merkwürdigkeiten nämlich weiter.“ Jetzt scheint auch der Alte interessiert zu sein, denn er setzt sich auf die Schaukel neben ihr. „Erzähl mir von deinem Traum.“, fordert er sie mit freundlicher Stimme auf. Erst jetzt fällt ihr auf, wie sehr seine Stimme der ihres Vaters ähnelt. Er hat genauso tief gesprochen und dabei immer so warm und liebevoll geklungen. Sie vertraut dem Mann, also beginnt sie zu erzählen. „Damit sie meinen Traum verstehen, muss ich erst die Geschichte erzählen, wie ich hierher gekommen bin.“, fängt sie an. Sie sieht ihn an und er nickt zum Zeichen seiner Zustimmung. Also fährt sie fort: „Am ersten Wochenende der Sommerferien sind meine Eltern allein weggefahren. Ich blieb daheim, da ich nicht mitwollte. Ich wollte dann auch erst mal ins Wohnzimmer gehen und Fernsehen gucken, aber als ich an Vaters Arbeitszimmer vorbeikam, da wollte ich mal hineinschauen. Wenn er da war, durfte ich das nie. Ich war ziemlich überrascht vom Inneren. Die Wände waren rundum mit einem Märchenwald geschmückt. Seltsame Wesen, die irgendetwas mit Elementen zu tun hatten, kamen aus den Schatten der Bäume hervor. Eines dieser Wesen war am seltsamsten. Es hatte rote Haare, grüne Augen, ein Gewand aus blauer Seide und Flügel. Als ich sie angeschaut habe, hatte ich das Gefühl, sie blinzle mich an. Dann habe ich mir seine Bücher angesehen und das Buch „Die Elementkönigin“ mitgenommen. Ich habe es die ganze Nacht gelesen. Es war ziemlich spannend. Am nächsten Tag standen dann auf einmal diese Leute vor meiner Tür. Sie sagten mir meine Eltern seien tot und ich müsse ins Heim. Dann kam ich hierher. Das Buch nahm ich mit. Jeden Abend lese ich darin. Gestern Abend hatte ich dann einen Traum. Ich war diese Elementkönigin und musste gegen einen Kobold kämpfen. Ich habe ihn besiegt. Dann lief ich noch ein bisschen in dem Wald herum und habe ihn mir angeguckt. Als ich schließlich aufgewacht bin, habe ich erst mal das Buch geholt. Da war auf einmal eine neue Geschichte drin. Ich wollte sie lesen und da haben sich vor meinen Augen wie von Geisterhand neue Zeilen gebildet. Was ich gelesen habe, das war meine Geschichte. Genau das, was ich gerade glaubte geträumt zu haben.“ Sie schweigt und auch ihr Zuhörer unterbricht die Stille dann erst mal nicht. Sie lauschen beide dem Geschrei der anderen Kinder. Schließlich bricht der Mann das Schweigen.
„Ich habe das Gefühl, das du von jetzt an noch mehr solcher Träume haben wirst. Aber da du das Buch kennst hast du den anderen Mädchen gegenüber einen Vorteil. Sie haben nie gewusst, was auf sie zukommt. Aber du wirst auch wie die anderen Mädchen Gefährten finden müssen. Ansonsten wirst du nicht genug Kraft haben für die Aufgaben, die vor dir liegen. Halt also die Augen auf und du wirst sie schnell finden.“ Tara hat ihm verwundert zugehört. Er scheint viel zu wissen über ihre Situation und auch über ihre Vorgängerinnen. Gerade, als sie ihn fragen will, woher er das alles weiß, bemerkt sie, dass er schon wieder auf dem Weg zum Tor des Heims ist.
Den Rest des Tages verbringt Tara draußen und erkundet das Gelände des Kinderheims. Kate, die immer wieder ein Auge auf sie hat, freut sich sie so fröhlich zu sehen. Am Abend schließlich fühlt sie sich richtig erschöpft. Aber nicht so eine Erschöpfung, die man hat, wenn man nichts tut, sondern so eine, die man nach dem Sportunterricht hat, wenn man sich richtig anstrengen musste. Als Kate wieder in ihr Zimmer zur Abendrunde kommt, ist Tara schon fertig umgezogen und schlüpft gerade ins Bett.
„Wie geht es dir jetzt? Du scheinst ja viel Spaß gehabt zu haben den Tag über.“ Sie setzt sich zu Tara aufs Bett. „Ich habe mir mal endlich mein neues Zuhause angeschaut. Wo ich ja jetzt nächste Woche wieder zur Schule muss, da sollte ich mich wenigstens ein bisschen hier auskennen. Aber nach dem Tag an der frischen Luft fühle ich mich viel erschöpfter, als die ganzen Wochen vorher. Trotzdem fühle ich mich richtig gut.“ Sie lächelt Kate glücklich an.
„Das ist schön zu hören. Morgen machen wir übrigens einen Tagesausflug in die Stadt. Wenn du willst, kannst du die dann auch gleich kennenlernen und vielleicht noch etwas Kontakt mit den anderen Kindern knüpfen.“ Tara nickt begeistert.
„Dann bis morgen früh. Schlaf gut.“ Kate verabschiedet sich und beendet ihren Abendrundgang durch die Zimmer.

Zurück in der anderen Welt

Tara wacht wieder in dem Wald auf. Doch diesmal ist sie nicht ganz so verwirrt. Außerdem ist sie diesmal sicher, das es kein Traum ist. Warum sie sich so sicher ist, weis sie auch nicht so genau, aber sie spürt es einfach.
Neugierig, wo sie diesmal gelandet ist, beginnt sie sich umzuschauen. Der Wald sieht nicht wirklich anders aus, als die Nacht zuvor. Doch sie kann keinen See in der Nähe entdecken. Dafür stolpert sie nach einer Weile über einen kleinen Waldbach. Dort setzt sie sich unter einen der großen Bäume ins Moos und genießt den Frieden, den dieser Platz ausstrahlt. Das Murmeln des Baches vermischt sich mit dem Rauschen der Blätter und dem Gesang der Vögel zu einer Melodie, der man einfach nur den ganzen Tag lauschen möchte.
Wie Tara so still am Bach sitzt kann sie auch wunderbar kleine und auch größere Tiere beobachten, die an den Bach zum Trinken kommen. Dann verhält sie sich noch ruhiger und die Tiere bemerken sie nicht.
Als die Sonne langsam ihren höchsten Stand erreicht, kommt ihr die Idee, noch einmal die Fähigkeiten von gestern auszuprobieren.
Also setzt sie sich aufrecht hin und einer Eingebung folgend konzentriert sie sich auf den Bach vor sich. Plötzlich bemerkt sie eine Veränderung. Kleine Wasserkugeln haben sich vom Rest gelöst und schweben nun langsam auf Tara zu. Als die ersten sie erreichen, fangen sie an um sie zu tanzen. Fasziniert beobachtet sie dieses Schauspiel.
Doch plötzlich knackt ein Zweig in ihrer Nähe und zerstört ihre Konzentration. Das Wasser fällt mit einem lauten Platsch zurück zu Boden. Verärgert sucht Tara nach dem Übeltäter, kann aber nur einen Hirsch entdecken, der gerade aus dem Unterholz zum Bach gekommen ist.
Als der Hirsch wieder abgezogen ist, nimmt sie ihre Übungen wieder auf. Die nassen Flecken auf dem Boden will sie nun gefrieren lassen, so wie den Kobold gestern. Doch heute muss sie sich sehr viel mehr dafür anstrengen. Doch schließlich hat sie es geschafft.
Aber es hat sie viel Kraft gekostet.
Erschöpft schläft sie daraufhin im Moos ein. Das Lied des Waldes singt sie dabei in den Schlaf.

Der Ausflug

Tara wacht schon früh wieder auf. Sie ist sich sicher, grade erst eingeschlafen zu sein. Doch diesmal ist sie wieder in ihrem Zimmer. Es ist noch nicht ganz hell. Ein Blick auf ihren Wecker zeigt ihr, das es grade erst 5 Uhr ist. Noch schlafen alle anderen. Doch sie kann nicht wieder einschlafen. Sie ist viel zu aufgeregt wegen des Ausfluges heute.
Ob die anderen Kinder wohl mit ihr reden werden? Schließlich hat sie die anderen in den letzten Wochen kein bisschen beachtet. Bestimmt konnten sie Tara jetzt nicht leiden.
Angst beschleicht sie. Um sich abzulenken, steht sie schnell auf und nutzt die Zeit alleine um sich eine lange Dusche zu gönnen, bevor die anderen Mädchen aufstehen und das Bad vollkommen überfüllt ist.
Eine Stunde später ist sie zurück in ihrem Zimmer. Da endlich kann man die ersten Geräusche im Haus hören. Die ersten der anderen Kinder werden wach.
Doch Tara kümmert sich darum erstmal nicht. Lieber sucht sie sich in Ruhe ihre Kleidung raus und schminkt sich dezent.
Dann holt sie das Buch aus seinem Versteck. Als sie es auf der vorher letzten Seite aufschlägt, hat es sich mal wieder von selbst weitergeschrieben. Sogar ihre Begegnung mit dem Mann gestern steht dort. Und natürlich ihr Traum. Doch es steht nix da, was sie nicht schon weis. Trotzdem liest sie alles aufmerksam durch.
Plötzlich hört sie Kates Stimme durch den Gang auf ihr Zimmer zukommen. Eilig verstaut sie das Buch wieder in seinem Versteck. Kaum hat sie sich dann dem Fenster zugewendet um es zu öffnen, klopft es auch schon an ihre Tür.
"Herein."
"Guten Morgen Tara." Kates Kopf schiebt sich als erstes durch den Spalt in der Tür, bevor sie komplett ins Zimmer kommt. "Schon aufgeregt? Nach dem Frühstück gehts ab in die Stadt."
Ein kühler Luftzug bringt Taras braune Haare etwas durcheinander und unwirsch fährt sie mit der Hand durch die kurzen Strähnen.
"Meinetwegen könnts gleich losgehen. Ich glaub ich krieg nichts zum Frühstück runter. Bin viel zu aufgeregt."
Sie folgt der lachenden Erzieherin aus dem Zimmer und geht in den Speisesaal.
Nach einer Ewigkeit, so kommt es ihr vor, sind endlich alle fertig mit essen. Sie selbst hat wirklich nicht viel essen können, aber wenigstens eine Schale Müsli hat sie gegessen.
Als sie schließlich aufstehen dürfen ist Tara eine der ersten, die den Speisesaal verlässt. Doch keine 10 Minuten später steht sie bereit in der Eingangshalle und wartet ungeduldig, das die anderen Kinder und die Erzieher auch endlich ankommen.
Eine Viertelstunde später ist es endlich soweit. Laut schnatternd verlässt die Kinderschar das Heimgelände. Das Alter der Kinder geht von 6 bis 17 Jahren. Die meisten sind aber um die 12. Kleinere Kinder werden häufiger adoptiert. Ab einem gewissen Alter ist die Wahrscheinlichkeit adoptiert zu werden nicht mehr so groß. Und Tara will auch gar nicht adoptiert werden. Sie will keine neuen Eltern. Deshalb ist sie ganz froh, das sie mit 16 bestimmt nicht mehr ausgesucht wird.
Als es nun wirklich los geht in die Stadt, da wird Tara wieder etwas ängstlich. Vorher hat sie es durch das Beeilen geschafft, die Angst in den Hintergrund zu drängen. Jetzt trottet sie den anderen am Ende der Gruppe hinterher und hofft, das niemand auf die Idee kommt sie zu ärgern oder zu beschimpfen.


Fortsetzung folgt, wenn gewünscht ...

Impressum

Texte: Alle Rechte bei mir!
Tag der Veröffentlichung: 13.03.2011

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