Cover

Vorwort

 

Schwer lag die Last seines Schwertes in seiner Hand. Seine Kräfte schwanden und er hatte Mühe sich in seiner Blut und Schlamm bespritzten Rüstung zu bewegen. Todesschreie, das Klirren aufeinander treffenden Stahls und das Gebrüll eines am Himmel fliegenden Drachens, schwängerte den eiskalten Winterabend. Der Atem des Mannes gefror regelrecht in der Luft. Der Gestank nach Blut, aufgewühlter modriger Erde und Leichen, hingen schwer über dem Schlachtfeld. Die Männer die noch standen streckten die noch lebenden Angreifer nieder. Überall Leichen, Menschen, Elben, Albae, Drachen und anderen Kreaturen. Er sah sich um und Schwermut überkam ihn. Wie konnten sie es nur soweit kommen lassen? Eine männliche Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. „Mein König, ich bin so froh euch am Leben zu sehen“. Schwer atmend auf einem Bein hinkend, kam ein Ritter auf ihn zu. Er stieg über den Ring aus Leichen der sich um ihn aufgehäuft hatte und kniete vor dem Mann nieder. „Bitte Sir Markus, erhebt euch. Förmlichkeiten sind hier nicht mehr angebracht“. Dieser erhob sich unter stöhnen und sah ihm in die müden Augen. Das Gesicht verdreckt, seine glänzende Rüstung verschlammt und verbeult. An den ungeschützten Stellen klafften tiefe Wunden aus denen Blut sickerte. „Mein König, die zweite Welle rückt bereits an, sie werden uns im Morgengrauen erreicht haben. Wir sind in der Unterzahl“. Der große Mann sah über ihn hinweg als würde er etwas am Horizont suchen. Es sah schlecht für sie aus. Die Elben hatten genauso herbe Einbußen erlitten wie die Drachen und Menschen. Einen weiteren heftigen Kampf wäre ihr Untergang. „Sucht nach Athrandiel, wir müssen uns neu formieren, schnell!“ Damit eilte der Ritter über das Schlachtfeld.

Langsam ging er zurück in das Lager, welches geschützt am Waldrand lag. Die Heiler hatten große Mühe die Flut der Verletzten zu behandeln. Ein Zelt nach dem anderen reihte sich geduckt aneinander. Vereinzelte Rauchsäulen stiegen zwischen ihnen empor. Kleine Feuerstellen spendeten den davor sitzenden ein wenig Wärme. Wärend er zwischen ihnen hindurch schritt, erklangen Schmerzensschreie und Gewimmer durch den dünnen Leinenstoff. Hektisch eilten Männer und Frauen zwischen ihnen hindurch, trugen Wassereimer und frische Verbände umher. Bahren mit den Toten wurden zu der großen Feuerstelle am Rand der Zeltstadt getragen um sie dort zu verbrennen. Der Gestank nach verbranntem Fleisch lag über den Zeltdächern und erinnerte an die bereits gefallenen. Niemand beachtete den König, was ihm auch Recht war. Das Zelt des Königs lag in mitten der riesigen Zeltstätte. Die grünen Banner mit dem bronzenen Drachenemblem flatterten im Wind und überragten die Zeltspitzen. Zwei Wachen die den Eingang bewachten, verneigten sich leicht vor ihm und gewährten ihm Einlass. Ein kleines Feuer knisterte in einer Ecke und bewahrte wenigstens den Anschein von Wärme, denn davon fehlte es um einiges in dieser eisigen Jahreszeit. Ein großer hölzerner Tisch nahm den Großteil des Zeltes ein. Auf ihm lagen Landkarten, Pergamentrollen, Federkiele und Tintenfässchen wirr durcheinander. Neben einer fellbedeckten Liege und ein paar wenigen Stühlen war das Zelt leer. Sie waren schließlich im Krieg, da war jedes Pfund überflüssigen Interieurs nur Ballast. Eine dünne Frau mit schwarzem langen Haar kam direkt vom Feuer auf ihn zu und warf sich in seine ausgebreiteten Arme. „Mein König, ihr lebt noch. Ich bin so froh.“ Sie ihre Arme eng um ihn, fest an ihn gedrückt, nicht auf seine verschmutzte Erscheinung achtend. Seine Arme schlangen sich ebenfalls um den schmalen Frauenkörper und zog sie eng an sich. „Wie geht es euch meiner Königin?“ Er schob sie ein Armlänge von sich um ihr ins Gesicht sehen zu können. Sie lächelte verlegen und streichelte ihren kugeligen Bauch. „Uns geht es bestens“. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und spiegelte nur das wieder was seine Frau ihm entgegen brachte. Doch bevor er ihr etwas entgegnen konnte, wurde die Zeltplane zur Seite gezogen und ein großgewachsener Elb trat ein. „Athrandiel mein Freund, schön das ihr so schnell kommen konntet!“ Ließ er die Frau mit einem letzten liebevollen Blick los und wand sich an den Elb. Dieser verbeugte sich vor der Königin. „Königin Ravenna, bitte entschuldigt die Störung. Ich muss den König dringend sprechen!“ Sie nickte nur freundlich und damit gingen die beiden Männer aus dem Zelt. „Was hat das alles zu bedeuten Ragnar?“ fragte er nun den Mann. Dieser sah in die unergründlichen schwarzen Augen des Elb´s und schüttelte ermattet den Kopf. „Die nächste Welle ist schon im Anmarsch, sie werden uns im Morgengrauen erreichen. Wir müssen etwas tun, es sind schon zu viele gestorben. Wir überleben den nächsten Angriff nicht. Die Krieger die noch stehen können sind müde und kraftlos“. Der Elb lief vor ihm auf und ab. Seine Stirn nachdenklich in Falten gelegt blieb er stehen und war einen Blick auf den naheliegenden Wald. „Es gibt eine Möglichkeit, doch...“, stockte der Elb in schwarzer Rüstung. „Was Athrandiel, alles was uns helfen kann müssen wir in Betracht ziehen!“ Ragnar sah ihn verzweifelt an, sein Herz setzte für einen Moment aus als er den Ausdruck in den Augen des Elb´s sah. „Es wird unser Untergang!“ antwortete er mit unheilvoller Stimme.

  

 

Ein gestohlener Kuss

 

Der Abend war lau und sternenklar. Geduckt hinter einer Hecke des prunkvollen Gartens wartete ich das die Wache an mir vorbei lief. Gut versteckt zwischen den grünen Blättern, vernahm ich ihre schweren Schritte auf dem Kies. Dornen stachen durch meine Kleider in die Arme und Beine. Das Messer im Anschlag, schlich ich aus meiner Deckung Richtung des steinernen Balkons. Lautes Gelächter, Musik und das warme Licht der Kerzen strömte mir aus den hohen Glasfenstern entgegen. Nach wenigen Schritten erreichte ich die Säulen auf der der Balkon stand und hangelte mich behände an dem Efeu, der die Säule umringte, empor. Es war für mich ein leichtes die gut fünf Schritt hochzuklettern, ohne dass es mir große Mühe abverlangte. Mit einem lautlosen Sprung landete ich auf den steinernen Fliesen und spähte durch das halb geöffnete Fenster. Dahinter befand sich ein mit rotem Samt ausgelegter Gang, der zu der Festgesellschaft unten im Ballsaal führte. Ein kurzer Blick in das spiegelnde Glas um mich zu vergewissern das mein Gesicht durch die Kapuze verdeckt war. Meine femininen Züge und die Wölbung meiner Brust würden mich zwar als Frau zu erkennen geben, doch zu erkennen war ich nicht. Nach kurzem Umsehen huschte ich den mit prunkvollen Gemälden und hoher Decke geschmückten Flur entlang. Immer auf der Hut vor patrouillierenden Wachen und Gästen, auf leisen Sohlen von einer verzierten Holztür zur nächsten. Irgendwo musste es doch sein! Die Karte des Schlosses im Kopf hielt ich Ausschau nach dem Symbol welches die Tür des Gelehrtenzimmers des Königs zu erkennen geben sollte. Meine leichte Robe bestehend aus einer enganliegenden Hose, weichen Lederstiefeln und einer Jacke mit großer Kapuze und dem Gürtel mit unzähligen Taschen und Messern, raschelte leicht bei jeder meiner Bewegungen. Bedacht darauf kein Geräusch zu machen, schritt ich leisen Fußes bis zum Ende des Ganges in der Hoffnung endlich auf besagte Tür zu treffen. Und endlich ließ sich das kleine Buchsymbol mit dem leuchtenden Stern, eingraviert in der dunklen Holztür erkennen. Leise drehte ich den Türknauf ohne ein Quietschen zu verursachen. Mit leichtem Druck ließ sie sich öffnen und frohlockte als die Tür meinem Druck nachgab. Gespannt wie ein Bogen hielt ich inne und lauschte auf eventuelles Klicken oder Knirschen von möglichen Fallen. Doch es blieb alles ruhig und in einer fließenden Bewegung war ich durch den Spalt gehuscht. Mit einem leisen klicken schnappte der Riegel hinter mir wieder in sein Schloss.

Ich drehte mich vorsichtig um und steckte mein Messer wieder in den Stiefel. Langsam wanderte mein Blick durch den vollgestopften Raum. An den Wänden standen völlig überfüllte Regale mit alten Büchern und Schriftrollen. Auf einem Schreibtisch der direkt vor dem großen Fenster stand, lagen verschiedenen Landkarten, Bücher, Sechstanten und Federn. Der Boden war übersät mit weitere Bücherstapeln, losen Schriften und Karten. Am Fenster stand ein bronzefarbenes Fernglas auf einem Dreibein, welches im einfallenden Mondlicht glänzte. Ich sah mich kurz um und lief an den Regalen entlang. Eilig fuhr mein Finger die verstaubten Buchrücken entlang und im Schnelldurchlauf lasen meine Augen die verschiedenen Buchtitel. In den meisten ging es um Mythen, Geschichten, Tagebüchern von längst verstorbenen Philosophen und Landkarten. Doch das was ich suchte war nicht aufzufinden, egal ob in den Regalen und Bücherstapeln oder auf dem Schreibtisch, nirgends war es zu finden. Leicht frustriert blieb ich stehen und überlegte, dann stellte ich mich mitten in den Raum und schloss meine Augen. Konzentriert auf meine Umgebung tastete ich den Raum ab. In meinem Geiste sah ich das Zimmer leicht verschwommen, in grau und schwarz Tönen. Die Umrisse der Möbel und Gegenstände waren verschwommen, doch in einer Ecke leuchtete es golden auf. Schnell öffnete ich die Augen und ging auf die in einem Regal an der Wand zu. Nach kurzem Suchen fanden meine Finger einen kleinen Mechanismus hinter einem Buch. Nach vorn gezogen kippte es und mit einem leisen Klicken öffnete sich eine kleine Tür. Darin lag ein kleines in blauem Leder gebundenes Buch. Ich holte es aus dem kleinen Fach und bestaunte es kurz. Ein durchsichtiger reiner Kristall war in den Buchdeckel eingelassen, gerade geschliffene Kanten verliehen ihm eine Diamantene Form. Doch bevor ich es mir weiter angucken konnte, vernahmen meine geschulten Ohren Schritte auf dem Korridor. Stimmen näherten sich und kamen direkt auf die Tür zu. Mist! Ich schaute mich eilig in dem Raum um, steckte das kleine Buch in einer meiner unzähligen Taschen und versteckte mich direkt hinter der Tür. Diese flog Sekunden später auf, beinahe hätte sie meine Nase erwischt. Zwei Männer kamen in dem Raum geeilt, der eine in einem weiten Gewand wie sie Magier meist trugen gekleidet und der andere in voller Wachmontur. „Hier ist jemand!“ raunte die dunkle Stimme des Magiers durch den Raum. Ich drückte mich so weit wie möglich in die Schatten hinter der Tür und betete das sie mich nicht sahen. Die paar Kerzen die den Raum erhellten kamen gegen die Dunkelheit nicht an. Auch die Laternen die draußen gegen die nächtliche Finsternis anzukämpfen versuchten, waren nicht sehr hilfreich. Der Magier sah sich gehetzt um und schritt eilig weiter in den Nebenraum, der Wachmann folgte ihm mit seiner klappernden Rüstung. Ich nutzte die Chance und huschte schnell aus meinem Versteck hinaus in den hell beleuchteten Flur. Eilig trugen meine Füße mich leise den Flur entlang, in der Hoffnung das mir keine Wache entgegenkam.

Nach hinten blickend, prallte ich hart gegen jemanden oder etwas. Von dem plötzlichen Stopp überrascht, strauchelte ich fing mich fluchend wieder und sah auf die Gestalt die nun vor mir stand. Ein Mann in ähnlicher Montur wie die meine, doch seine Kapuze verdeckte sein Gesicht. Nur sein, zu einem frechen Grinsen verzogenen, Mund war zu sehen. Ich sammelte mich schnell wieder, was auch gut war, denn von hinten erschallten schon die Rufe der herannahenden Wachen. „Da sind sie! Halt, bleiben Sie stehen!“ Dem kam ich ungern nach und wollte schon an dem Fremden vorbei zum rettenden Ausgang, doch der stellte sich mir in den Weg. „Gebt es mir!“ befahl er mit dunkler Stimme und streckte mir seine offene Hand entgegen. Ich sah sie ihn nur spöttisch an. „Von wegen!“ Damit verpasste ich ihm einen Tritt in die Kniekehle so das er auf ein Bein sackte und ich fliehen konnte.

Den Flur entlang rennend hielt ich auf das Fenster zu welches immer noch offen stand. Doch bevor ich dort ankam, versperrte mir schon ein Trupp Wachen den Weg. Fluchend nahm ich die nächstmögliche Abzweigung weiter in das Innere des Schlosses. Während ich eilig durch die Gänge rannte, wog ich meine Optionen ab und entschied mich die Treppe eine Etage höher zu nehmen, weg von der Festgesellschaft rauf aufs Dach. Einigen Gästen ausweichend die sich in die höheren Etagen verirrt hatten, stieß ich fast mit einem Pärchen zusammen welches im betrunkenen Zustand auf dem Flur torkelnd ein freies Zimmer suchten und hätte fast ein Zimmermädchen zu Tode erschreckt als es um die Ecke kam.

Doch die scheppernden schweren Schritte der Wachen waren nicht die einzigen die mich verfolgten. Vorne weg erkannte ich bei einem kurzen Blick auf meine Verfolger den anderen Dieb, der mir dicht auf den Versen war. Ich legte mit Leichtigkeit noch einen Zahn zu und stieß eine Tür im obersten Stockwerk auf. Mit drei Schritten flog ich durch das Zimmer, in dem gerade eine Orgie stattzufinden schien. Frauen kreischten auf, nackte Leiber die sich in einer Sekunde noch aneinander gerieben hatten, hielten erschrocken inne, als sie uns hereinstürmen sahen gefolgt von einem Dutzend Wachen. Doch ich hatte keinen Blick für solch lüsterne Gesellschaft und stieß das Fenster auf, sprang über die steinerne Balustrade des Balkons und fiel in die Tiefe. Leider wuchs darunter ein großer Busch Rosen, in dem ich fluchend landete und es mir mein Gesicht und einen Ärmel aufriss. Ich merkte wie Blut meine Wange herunterfloss. Aus den Dornen befreiend rannte ich aus dem hellen Lichtkegel den die lichtdurchfluteten Zimmer in den Garten warfen. Sofort waren weitere Wachen vor Ort und verfolgten mich mit ihren langen Pieken und Schwertern. Mein diebischer Verfolger war nicht mehr zu sehen. Ich rannte über den Rasen, zwischen dunklen Bäumen und Büschen hindurch zu der Mauer die das ganze Schloss umgab. Immer die Wachen im Nacken um Brunnen, einzelne Beete und natürlich auch vereinzelte Gäste hetztend. Kurz vor der Mauer hielt ich inne und versteckte mich hinter einem großen Busch. Leicht Außer Atem zwang ich meinen Puls zur Ruhe. Die Wachen blieben direkt vor mir stehen und sahen sich suchend um. Ich konnte nur ihre Stiefel durch die Blätter erkennen und wartete das sie weiterliefen. „Seht ihr sie irgendwo?“ schrie einer der Wachen herrisch, wahrscheinlich der Hauptwachmann. Ein einvernehmliches „Nein!“ kam zurück und sie liefen weiter.

Ich atmete auf. Jetzt nur noch zur Mauer und dann schnell weg von hier. Doch bevor ich aufstehen und zur Mauer, die vielleicht zwanzig Schritt entfernt lag, laufen konnte, spürte ich etwas kaltes hartes Scharfes an meiner Kehle. „Natürlich, Euch hatte ich völlig vergessen!“ Musste ich auflachen als ich meinen Kopf langsam in die Richtung drehte, wo die Hand herkam und ich den Fremden erkannte. Mit einem schnellen Schlag gegen die Hand und einer behänden Drehung wand ich mich aus seinem Griff und hielt ihm nun sein Messer an seine Kehle. Ein tiefes leises Lachen erklang unter der Kapuze. Ich zog ihm diese vom Kopf um ihm in sein Gesicht sehen zu können.

Das erste was mir auffiel waren seine fast Smaragd grünen Augen. Sie sahen mich direkt an, stechend, wissbegierig und lasziv. „Da hätte ich jetzt besser aufpassen müssen“, sagte er mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen. „Mh, man sollte seine Augen immer offenhalten!“ Drückte ich ihm das Messer an seine Kehle. Seine Gesichtszüge waren sehr markant, mit einer Narbe welche sich über sein rechtes Auge bis zu seiner linken Wange zog die sein attraktives Gesicht leicht entstellten. Seine schwarzen mittellangen Haare hingen ihm leicht in sein verschwitztes Gesicht. Er war groß, größer als ich, trotz seiner Jacke konnte ich seinen drahtigen und muskulösen Körper ausmachen. Er beobachtete mich genau und reagierte auf jeder meiner Bewegungen. Doch bevor wir noch ein weiteres Wort wechseln konnten, näherten sich wieder die Wachen. Sie waren schon zu nah, als das wir uns hätten verstecken können. Hektisch sah ich mich um, während er seelenruhig mit erhobenen Händen und dem Messer an seiner Kehle dastand und auf meine Entscheidung wartete. Da es keinen Ausweg gab entschied ich mich widerwillig zu einer Taktik die eigentlich immer funktionierte.

Ich ließ das Messer bis zu seinem Schritt sinken, machte einen Schritt auf ihn zu, legte eine Hand in seinen Nacken und zog sein Gesicht zu mir herunter. Mein Mund drückte sich auf den seinen und wie ein Stromstoß elektrisierte mich diese Berührung. Er selber erst erschrocken, fing nach ein paar Sekunden an meinen Kuss zu erwidern und so verfielen wir in einen sinnlichen Tanz. Seine weichen warmen Lippen berührten die meine erst ganz sanft und vorsichtig, bis sein Kuss fordernder und leidenschaftlicher wurde. Mein ganzer Körper schien in Flammen zu stehen, als ich abbrach und wir uns außer Atem voneinander lösten. In seinem Blick lag ein Feuer, welches auch in mir loderte. Mein Herz schlug hart in meiner Brust. Völlig überrascht von meiner Reaktion, raubte es mir den Atem und ein Kribbeln machte sich in meinem Unterleib breit.

Er versuchte mir das Buch aus der Tasche zu angeln und ich kam wieder in die Wirklichkeit zurück. Das Messer welches ich an seine Kronjuwelen hielt, drückte ich noch etwas fester gegen seine Hose, so dass er sofort innehielt. „Na na na, wir wollen jetzt nicht gierig werden oder?!“ Mit einem schiefen Lächeln im Gesicht zuckte er mit den Schultern und sah mich unschuldig an. „Einen Versuch war es wert!“ Die Wache war schon längst an uns vorbeigegangen und hatten uns, in der Annahme das wir verliebte Gäste waren, einfach ignoriert. Doch ich wollte das Schicksal nicht herausfordern, so sprang ich mit ein paar Schritten auf die Mauer zu und setzte mit einem katzenhaften Sprung hinüber. Mit einem letzten Blick auf den Fremden, der immer noch an derselben Stelle stand rief ich ihm ein: „Wir sehen uns!“ zu und verschwand.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Salomons Buch

 

Nachdem ich mich vom Schloss durch die Stadt wieder in die große Kathedrale geschlichen hatte, lieferte ich das Buch bei unseren Ältesten ab. Ich steuerte direkt auf die große Kirche zu die im äußeren Ring der Stadt lag. Es wurden schon lange keine Messen mehr dort abgehalten und so hat die Stadt eine riesige Bibliothek dort eingerichtet, in der die Gelehrten, Mönche und Geistlichen ihr Wissen sammelten und lehrten. Die Diebesgilde die dort zusätzlich ihr Versteck hatte, in der ich seit meinem dritten Lebensjahr zu Hause war, operierte und trainierte dort im Geheimen. Wir waren nicht einfach nur linke Diebe, sondern Bewahrer des geheimen Wissens, wir arbeiteten für Könige, Gelehrte, Herzöge und jene die sich unsere Dienste leisten und denen wir gute Absichten erlesen konnten. Ich schritt durch das große Holztor welches damals prunkvoll und majestätisch ausgesehen haben musste, jetzt aber von Vandalierern, und dem niederen Volk verunstaltet worden war. Die große Halle in der Mal Bänke und ein Altar gestanden hatten, war nun bis zur Decke mit Bücherregalen und einzelnen kleinen Arbeitstischchen gefüllt. Auch hier quollen die Bücher nur so aus allen Ecken und wurden teilweise von Ketten die von der Decke vertikal entlang der Regale hingen in den Regalen gehalten. Es war dunkel, gerade zu solch später Stunde. Die einzigen Lichtquellen boten die Kerzen die an jeder Regalwand und auf den einzelnen Tischen hingen und standen. Sonst fiel über Tag das Sonnenlicht durch die großen reichverzierten bunten Fenster, doch jetzt bei Nacht, konnte die Bibliothek ein sehr dunkler Ort sein. Trotz des Mondlichtes konnte man die einzelnen Gänge nur schemenhaft erkennen.

Nachdem ich leisen Schrittes einen Gang rechts von mir auf eine Holztür an der Wand zuging, wo die ehemalige Sakristei war, erwartete mich davor schon ein Mönch in einer einfachen braunen Kutte. „Ah guten Abend Lady Jeanne, wart ihr erfolgreich?“ Er lächelte mich mit seinem faltigen Gesicht an und zog das kleine Buch aus meiner Tasche. „Natürlich, wie immer. Auch wenn es kleine Komplikationen gab!“ Ich übergab es ihm mit einem Lächeln und er reichte mir im Gegenzug ein kleines ledernes Säckchen dessen Inhalt leise klimperte. Der Mönch war gut siebzig Jahre alt und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen besorgt an. „Darf ich fragen was passiert ist?“ Ich winkte nur ab. „Ach nichts Wichtiges, nur wurde ich von einem anderen Dieb aufgehalten, der anscheint dasselbe Ziel hatte!“ „Mh, solang er dir nicht bis hier hin gefolgt ist, sollte er keine Probleme machen!“ „Du kennst mich doch, ich verschleiere meine Spuren wie keine anderer“, er lachte leise auf und stimmte mir kopfnickend zu. Ich verabschiedete mich von ihm und machte mich auf meine Gemächer weiter oben im angrenzenden Turm. Ich war müde, diese kleinen Aufträge brachten zwar gutes Geld ein, aber mich zog es in ein Abenteuer. Raus aus der Stadt, raus aus dem Königreich. Zurück in die weite Welt, woher ich kam und wo meine Wurzeln lagen. Ich war schon früher für mehrere Wochen weg gewesen, im Elbenreich welches an dem unseren grenzte bis weit hinaus in den kalten und verschneiten Norden zu den Zwergen in den Eisenbergen und Albae die in den schwarzen schroffen Ebenen noch weiter nördlich wohnten. Doch nach dem unsere Gilde angegriffen und unser Oberhaupt kaltblütig ermordet wurde, waren wir wachsamer geworden. Nur ausgewählte Diebe und Krieger durften auf Missionen außerhalb des Menschenreiches.

In meiner kleinen Kammer in der nur ein Bett, eine Truhe mit meinen Habseligkeiten und einem kleinen Tisch standen zog ich meine Kleidung aus und ließ mir im angrenzenden Badezimmer ein Bad ein. Normalerweise würde das Stunden dauern, doch dank meiner magischen Ausbildung konnte ich den großen hölzernen Bottich innerhalb von Sekunden füllen.

Bevor ich mich in die heißen dampfenden Fluten stürzte, warf ich unabdingbar einen Blick in die polierte lange Silberplatte die mir als Spiegel diente. Die kleinen Wunden die mir der Rosenstrauch in Gesicht und auf den Arm zugesetzt hatte, waren schon fast wieder verheilt. Die einzigen Zeugen waren die feinen Blutspuren die aus den Wunden ausgetreten waren. Der Dreck und Schweiß ließen mein Gesicht und Haare wirr aussehen, aber sonst war ich ganz ansehnlich. Durch das jahrelange Training war ich drahtig und muskulös geworden. Nun ja wie das bei einer Frau halt möglich ist ohne gleich auszusehen wie ein Mann. Bei meiner Größe war das auch nicht besonders schwer. Ich war größer als durchschnittliche Frauen und meine langen roten Haare die ich aus Vorsicht immer zu einem Zopf gebunden hatte vielen jetzt weich meinen Rücken hinunter. Das auffälligste aber, welches ich immer gut unter meiner Kleidung versuchte zu verstecken, waren die Tätowierungen auf meinem ganzen Körper. In einem gold-bronze farbenen Ton wunden sich Schnörkel, Ranken, keltische Symbole und krallenartige Linien über Beine, Arme, Rücken, Hals und Bauch. Sie endeten auf Händen und Füßen in jedem einzelnen Glied in Runen und verbanden sich auf meinem Brustbein zu einem verschnörkeltem keltischen Knoten. Im Mondlicht

schimmerten und leuchteten sie und Unterwasser schienen sie lebendig zu werden.

Woher ich diese Male hatte wusste ich nicht. Seitdem ich denken konnte hatte ich sie schon. Doch sie veränderten sich mit dem Alter und jetzt mit fünfundzwanzig waren sie verschnörkelter denn je. Master Rumbold meinte das ich von einem Drachen geküsst worden wäre, dessen Magie auf mich übertragen worden wurde und diese Male mich dadurch auszeichneten. Während ich in die schäumenden Fluten glitt, dachte ich an die Geschichten die er mir damals dazu erzählte. Von Kindern die ihre Eltern verloren hatten, aufgenommen von Drachen die ihre Bräuche und das Wissen um die Welt in ihnen verbanden und lehrten. Er unterrichtete mich im Umgang mit der Magie und zeigte mir wozu ich fähig war und irgendwann sein könnte. Mich beschlich der Verdacht, das er mehr über mich wusste als er zugeben wollte. Ja es stimmt schon das ich eine Leichtigkeit im Umgang mit der Magie zeigte, wo selbst erfahrene und geübtere Magier Jahre brauchten, lernte ich in Tagen. Aber auch ich musste viele Zauberbücher und Formeln lesen und lernen, meine Kräfte gut einschätzen und nutzten zu können. Ich war noch längst nicht ausgelernt, aber ich wusste damit umzugehen und konnte eigenständig weiter lernen. Aber nicht nur die magischen Kräfte waren mir hold. Auch im Kampf, sei es mit dem Schwert, Dolch oder Bogen war ich talentiert. Ich trainierte jeden Tag, Roan mein Kampfbruder und Lehrmeister hatte mir vieles beigebracht und nahm mich härter ran als all seine anderen Schüler, aber nur dadurch konnte ich lernen und kam an meine Grenzen. Wir wuchsen zusammen auf und bei dem Gedanken an den grobschlächtigen Mann, musste ich grinsen.

Seufzend schloss ich die Augen und ließ das warme Wasser seine Wirkung tun. Meine Muskeln entspannten sich und ich streckte die Glieder. Sobald ich die Augen schloss, sah ich wieder diese grünen Augen vor meinem inneren Auge. Spürte seine Lippen auf den meinen und konnte ihn sogar noch schmecken. Er schmeckte würzig und roch nach Schweiß, Blut und Moschus. Seine Leidenschaft die auch auf mich übergegriffen hatte, hatte uns beide überrascht. Ich hatte keine Nadel oder Symbol an seiner Kleidung gefunden, die auf seine Herkunft hinwies. Unsere Gilde trug ein kleines Tattoo direkt hinterm Ohr, welches zur gegenseitige Erkennung diente. Denn, auch wenn wir in einem Haus lebten, war es so groß und nicht jeder war dauerhaft da, dass man schnell den Überblick verlor wer genau jetzt zur Gilde gehörte.

Er musste also ein freier Dieb gewesen sein der auf eigene Faust handelte. Welches an sich nicht schlimm ist, aber nichts geht um den Schutz einer Gilde, wenn es brenzlich wurde und man Hilfe brauchte. Man war wie eine kleine Familie, auch wenn manchmal der Neid Raufereien entfachte. Stöhnend richtete ich mich auf und stieg aus der Wanne. Es brachte nichts sich um den Fremden Gedanken zu machen, ich würde ihn eh nie wiedersehen. Trotzdem konnte ich ihn und seinen Geschmack nicht aus meinen Gedanken verbannen. Irgendetwas in mir, verlangte danach ihn wieder zu sehen. Ich trocknete mich ab, kämmte meine Haare und machte mich daran ins Bett zu gehen. Das Mondlicht durchflutete die beiden großen Fenster meines kleinen aber gemütliches Zimmers und ließ mich nicht einschlafen. Erst nachdem ich die Laden verschlossen hatte viel ich in einen unruhigen Schlaf.

Noch bevor die Sonne aufging machte ich mich auf den Weg zu den Stallungen. Ich war trotz der kurzen Nacht ausgeschlafen und pfiff gut gelaunt vor mich hin. Ich schritt durch den großen Innenhof wo ein Kampfplatz aufgebaut war mit einem Sandplatz, verschiedenen Strohpuppen und Zielscheiben. Auf der anderen Seite lagen die Pferdeställe, dahinter lagen die großen Wiesen auf denen die Vierbeiner nach Herzenslust grasen konnten. Ein Wiehern lenkte meine Aufmerksamkeit auf den schwarzen Friesenhengst der gerade aus seiner Boxentür sah. Wild mit dem Kopf schlagend und wiehernd trieb er mich zur Eile an. Lachend ging ich zu dem ungeduldigen Tier und rieb ihm sanft die Nüstern. „Ja ist ja gut mein Lieber. Du kommst noch früh genug raus!“ Ich nahm das Halfter vom Haken und streifte es dem Pferd über den Kopf. Eilig drängte er sich durch die Tür als ich ihn aus der Box führte. Neben mir her tänzelnd gingen wir zu der großen saftigen Wiese. Nachdem der Hengst das Klicken des Karabiners hörte, drehte er sich auf dem Absatz um und galoppierte wild buckelnd die Wiese entlang. Ich erfreute mich an der Lebensfreude meines Gefährten und genoss die ersten Sonnenstrahlen die den Tag begrüßten.

Danach machte ich mich daran die Box von Reijkjon auszumisten und neu einzustreuen. Etwas Heu für den Abend legte ich bereit und verließ den Stall wieder Richtung Küche. Geschäftiges Treiben von Köchinnen und Helferinnen herrschte in der kleinen Küche. Es roch nach frischem Brot, Käse, gebratenem Speck und anderer Leckereien. Ich ließ mir einen Teller mit Brot, Eiern und Speck geben und setzte mich zu Roan und Sina. Roan war ein Hüne von Mann, sein roter Rauschebart war voll mit Krümeln als er herzhaft in sein Brot bis und mit Eifer seinen Speck verschlang. Natürlich hatte er schon seinen ersten Bierkrug leer neben sich stehen und wank gerade einer Maid zu ihm doch bitte ein neues zu bringen. Sina hingegen, sah neben ihm aus wie ein Winzling. Sie war vielleicht halb so groß wie er und so zierlich wie eine Elfe. Mit ihren langen blonden Haaren und dem unglaublich hübschen Gesicht, mit den blauen Augen und der hellen Haut wirkte sie zu zierlich um überhaupt ein Schwert zu halten. Das waren aber nicht ihre einzigen Vorzüge, denn sobald sie sich erhob und sie ihre Jacke auszog, kamen einem zwei große Brüste entgegen die sie gekonnt in Szene setzten konnte. Als sie mich sah, erstrahlten ihre Augen und sie wank mir eifrig zu. „Guten Morgen Jeanne, komm setzt dich zu uns!“ Ich setzte mich gegenüber dem seltsamen Paar und fing an meine Eier zu verschlingen. Roan hatte mich noch gar nicht bemerkt, bis ich ihm einen Streifen Speck vom Teller klaute. „Hey! Hol dir selber welchen“, lachend wich ich seiner Gabel aus, die er mir versuchte in meine Hand zu stoßen. Genüsslich schob ich mir das saftige Stück Fleisch in den Mund und grinste ihn frech an. Völlig verdattert sah er zu wie es in meinem Mund verschwand. „Tja da warst du wohl zu langsam!“ Grinste ich triumphierend. Grummelnd senkte er den Kopf und widmete sich wieder seinem Frühstück. Verstohlen sah ich zu Sina die nur mit dem Kopf schüttelte und beteuerte: „Ihm ist gestern ein Auftrag durch die Lappen gegangen. Er wurde fast erwischt und musste die Hälfte seiner Beute zurücklassen!“ „Was musste auch der blöde Köter wieder so schnell aufwachen. Ich hatte Schlafmittel für ein Pferd in sein Futter getan!“ versuchte er sich zu rechtfertigen. Es war mir wie immer eine Freude den beiden bei ihrem Schlagabtausch zu lauschen. Sie waren wie Pech und Schwefel. Und obwohl wir zusammen aufgewachsen waren und Sina meine beste Freundin war, kam ich nicht umhin zu sagen das ich ein wenig eifersüchtig war. Mit den beiden zusammen fühlte ich mich immer wie das fünfte Rad am Wagen. Doch zwischen ihnen herrschte eine Hassliebe in der ich nicht zwischen geraten wollte. So genoss ich es einfach ihnen zuzuhören und Öl ins Feuer zu gießen. Lachend und diskutierend verbrachten wir unser Frühstück, bisMaster Rumbold an unseren Tisch trat und uns drei in sein Arbeitszimmer bat.

Wir folgten dem alten Mönch den sich windenden Gang durch die Kathedrale hoch in sein Arbeitszimmer. Als wir eintraten viel mir sofort das kleine Buch auf, welches ich am Vortag aus dem Königshaus entwendet hatte. „Ihr fragt euch sicher warum ich euch geholt habe?“ leicht hinkend ging er zu seinem Schreibtisch und setzt sich in den Stuhl der dahinterstand. Dann deutete er auf das Buch und fuhr fort. „Dieses Buch ist das Buch Salomon. Ihr kennt es vielleicht aus den Geschichten. Jeanne ihr habt es nicht für einen Auftraggeber gestohlen, sondern für eine Mission.“ Wir sahen ihn nur stumm an und warteten auf eine Erklärung. „Wie ihr in letzter Zeit vielleicht mitbekommen habt, erreichen uns immer mehr Raben von außerhalb aus den Elben- und Zwergenreichen das sich dunkle Mächte in den Landen breitmachen. Dem Ursprung zuerst unbekannt, bis heute. Dieses Buch,“ er nahm das lederne Buch in die Hand so dass die Sonne sich in dem Kristall auf der Vorderseite brach, „soll von einer Quelle, einem Grab tief unter unseren Landen berichten. Dort soll laut der Legende ein Massengrab liegen, welches beschützt von dunklen Mächten und Wesen die mächtigste Waffe und das größte Übel unseres Zeitalters, versteckt hält. Bis jetzt war es nur ein Mythos und nicht nennenswert, doch jetzt wo solch seltsame Dinge passieren rückt diese Legend wieder in den Vordergrund.“

Er machte eine Sprechpause und streckte ächzend sein hinkendes Bein. „Lasst mich raten. Wir sollen das Grab und den Übeltäter finden und zerstören?!“ gähnt Sina fast schon gelangweilt. „Nun ja so einfach wird es nicht werden. Ich konnte das Buch leider nicht entziffern, aber wir vermuten das dort Wege und Hinweise geschrieben stehen die euch zu dem Übel führen. Ich kann euch leider nicht sagen was genau das verursacht, aber ihr werdet das herausfinden!“ „Momentmal,“ ging ich dazwischen, „Wenn ihr das Buch nicht entschlüsseln könnt, wie sollen wir es denn dann lesen können?“ Der Blick des Masters ruhte jetzt auf mir und er bekam einen traurigen Ausdruck. „Nun deswegen habe ich euch gerufen meine liebe Jeanne. Das Buch ist in einer Sprache geschrieben die wir nicht kennen und die in keinem Buch beschrieben oder gar erklärt wird. Aber ein Zeichen haben wir schon mal gesehen!“

Er machte eine bedeutungsvolle Pause und sah auf meine Hand. Er deutete mit dem Finger auf meinen Zeigefinger, worauf sich eine Rune ähnlich eines Drachen befand. Dann schlug er die erste Seite auf und las vor. „Die Eine mit der Rune des Drachen wird mein Vermächtnis und meine Bürde erben. Die Eine wird dem Elend ein Ende setzen!“ Es machte sich Stille im Raum breit. „Das…das kann nicht sein. Das muss eine Verwechslung sein. Es gibt doch bestimmt weitere mit dieser Rune.“ Stotterte ich vor mich hin. Doch der Master schüttelte nur traurig den Kopf. „Leider meine Liebe Jeanne bist du die einzige die dieses Zeichen trägt. Glaubt mir ich habe nichts unversucht gelassen, jemand anderes zu finden. Doch wir haben nicht genug Zeit.“ Seine Stirn war sorgenvoll in Falten gelegt. Er machte sich wirklich Sorgen, das wusste ich. Normalerweise machte er sich selten solche Gedanken und wenn dann war es wirklich schwerwiegend. Aber er hatte Recht, auch mir kamen Gerüchte zu Ohren. Wiederkommende Gildenmitglieder berichteten von seltsamen Geschehnissen und Kreaturen. Auch ich fühlte das etwas Großes im Gange war. Damit überreichte er mir das Buch. „In zwei Tagen werdet ihr aufbrechen und euch auf die Suche machen. Ich stelle euch eure Gefährten zusammen, es sei denn ihr wollt wen bestimmtes mitnehmen!“ Und an mich gerichtet. „Wir wissen das sich dieses Grab im Reich der Albae befindet. Dorthin werdet ihr reisen, währenddessen studiere das Buch und versuche herauszufinden wie ihr es beenden könnt“. Damit entließ er uns aus der Unterredung und wir gingen hinaus. Roan und Sina liefen wild diskutierend vor mir her und berieten sich wen sie mitnehmen wollten. Voller Vorfreude und Abenteuerlust würden sie sich die nächsten zwei Tage darauf vorbereiten.

Ich hatte mich bis zum Abend auf die Wiese gesetzt und versucht die Inschriften und Zeichnungen die das Buch Salomon beinhaltete zu entziffern. Ich erkannte viele Runen wieder, aber ich konnte nicht sagen was sie bedeuteten. Nach mehreren Stunden gab ich es auf. Egal wie sehr ich mich anstrengte, meine Magie versuchte einzusetzen, es gelang mir nicht. Wie soll ich denn so die Mission anführen, geschweige denn dieses Grab finden? Reijkjon hatte es sich in der Zeit neben mir im Gras gemütlich gemacht und döste vor sich hin. Er war ein tolles Pferd.

Ich hatte ihn damals völlig verwahrlost bei einem Bauern gefunden und von dort gerettet. Der Bauer sagte mir das er ihn für die Feldarbeit einsetzen wollte, doch er habe sich so sehr dagegen gewehrt das er ihn so behalten wollte. Doch als Reittier war er genauso ungeeignet. Er konnte es nicht übers Herz bringen ihn zu verkaufen oder zu schlachten. Leider ging der Hof bald ein und er konnte den schönen Hengst nicht mehr ernähren. Als ich ihn fand war er nur noch Haut und Knochen. Doch ich päppelte ihn wieder auf und danach war er kaum wieder zu erkennen. Anfangs war er wild und unzähmbar, doch er war anders. Er sah einem direkt in die Augen, konnte in meine Seele blicken und ich in die Seine. Er war nicht nur ein Pferd. Ich hatte das Gefühl ihn zu kennen und doch war er mir gänzlich fremd.

Seitdem war er mein Beschützer und Reisegefährte. Wir hatten schon viele Missionen gemeistert und ich hoffte noch viele weitere mit ihm erleben zu dürfen. Er war stärker, schneller und klüger, als jedes normale Pferd. Und jetzt lag er neben mir, genoss die letzten Sonnenstrahlen wärend ich mir das Hirn zermarterte.

 

 

 

 

 

 

Alte Bekannte

 

Genervt gab ich auf. „Los mein Großer es geht wieder rein. Morgen gehen wir mal wieder Ausreiten!“ Damit brachte ich ihn wieder in den Stall und ich in die Küche. Nach einem Plausch bei gutem Essen mit den anderen Dieben, wollte ich gerade wieder in meine Kammer gehen, als ein völlig außer Atem und verschwitzter junger Mann in die Küche gerannt kam. Erstmal Luft holend japste er: „Jeanne…Gendrin…er steckt in der Klemme!“

Ich sprang sofort von der Bank auf und zerrte ihn, unter den neugierigen Blicken der anderen, mit zu den Ställen. Wärend ich Reijkjon sattelte der mich etwas mürrisch, um diese Zeit noch gestört zu werden, in den Arm zwickte, erzählte er mir wo der kleine Dieblehrling mal wieder in der Klemme steckte. Ich dankte dem jungen Mann und ritt im vollen Galopp vom Hof und durch ein Tor direkt hinaus auf die Felder. Gendrin war mein Schützling. Sein Vater wollte das er ein Handwerk lernte, doch er war zu nichts nutzt. Egal ob als Bauer, Metzger, Bäcker oder Marktschreier, überall hatte er versagt. Doch stehlen und schleichen, das konnte er. Zwar auch nur mittelmäßig, aber ausbaufähig. So hatte ich den schmächtigen jungen mit den kurzen blonden zotteligen Haaren unter meine Fittiche genommen und ihn ausgebildet. Mittlerweile war ein ganz passabler Dieb aus ihm geworden, doch er brachte es immer noch fertig sich in aussichtslose Situationen bringen zu lassen oder in missliche Lagen zu schlittern.

Der kühle Abendwind peitschte mir ins Gesicht und ließ die Mähne des schwarzen Hengstes wild wehen. Das rhythmische Donnern der Hufe auf der feuchten Erde beruhigte mich jedes mal. Der Weg zu dem kleinen Anwesen wo Gendrin einem kleinen Herzog nur ein paar Juwelen stehlen sollte, war kurz. Innerhalb von Minuten kam das erleuchtete Gut in Sicht.

Ich stoppte in einem nahegelegenen kleinen Waldstück welches direkt an den Mauern des Gutes entlang verlief und sah mich um. Vom Pferderücken aus, sprang ich auf die Mauer und vernahm schon das wilde Gebrüll eines Mannes. Reijkjon um Stille bittend, bat ich ihn hier auf mich zu warten. In den Schatten der herannahenden Nacht schlich ich mich zu dem Gebäudeteil wo die Stimmen her kam. „Du dreckiger Dieb, wie kannst du nur annehmen hier ungeschoren davon zu kommen!...“ weitere Schimpftiraden gingen auf eine am Boden hockenden Gestalt ein.

Ich war so nah dran das ich das Gesicht sehen konnte, es war wirklich Gendrin. Es war geschwollen und teilweise blau von Schlägen die er kassiert hatte. Neben ihm stand ein kleiner dickbäuchiger Mann in Abendgarderobe, der ihn anklagend ansah. Er hatte den Lehrlingsdieb mit einem einfachen Strick an der Wand gefesselt. Er schwor dem jungen Mann nur das schlechteste und ging dann um ihm den angedrohten Knüppel zu holen.

Ich war vorsichtig, da dieser kleine aufgeblasene Wicht wohl nicht mal ein kleines Mädchen überwältigen und fesseln könnte. Irgendwer musste also hier die Drecksarbeit gemacht haben. Ich sah mich um und schlich voran. Als Gendrin mich kommen sah wurde er unruhig und versuchte sich zu befreien. Ich bedeutete ihm mit einem Handzeichen still zu halten damit ich ihm die Fesseln abnehmen konnte. Mit geschickten Handgriffen befreite ich ihn und schubste ihn vorwärts zu der Mauer wo das Pferd schon unruhig wartete. Ich half ihm die Mauer hoch und er ließ sich sofort auf den Rücken von Reijkjon rutschen. Ich setzte mich hinter ihn und wärend wir aus dem Wald hinaus stoben hörten wir das Gezeter des Herzogs.

Doch wir waren nicht die einzigen die des nachts noch unterwegs waren. Ein weiteres Paar Hufe donnerte hinter uns auf den Boden. Es folgte uns ein einsamer Reiter mit wehendem Umhang und Kapuze tief ins Gesicht gezogen. „Übernimm du ihn!“ schrie ich gegen den heulenden Gegenwind Gendrin zu, der schnell die Zügel übernahm. Der Reiter holte unaufhaltsam auf und wollte schon den Sattelgurt mit einem Messer durchschneiden, als ich mich geschickt auf die Kruppe des Pferdes stellte und mit einem präzisen Sprung auf den anderen Reiter setzte. Dieser viel vom Pferd und ich mit ihm. Der Aufprall war hart und es stieß mir so die Luft aus den Lungen, aber ich musste den Fremden festhalten.

Als ich rittlings auf ihm drauf saß, zog ich ihm die Kapuze vom Kopf und zog scharf die Luft ein. Der schon wieder! Es war der Fremde vom vorherigen Tag. Ohnmächtig von dem heftigen Aufprall, lag er unter mir, so das ich ihn erkennen konnte. Gendrin kam mit dem anderen Pferd am Zügel auf uns zugetrabt und blieb neben uns stehen. „Wer ist das?“ fragte er nuschelnd. „Ich weiß es nicht, aber wir werden ihn mitnehmen. Er ist uns nicht umsonst gefolgt.“ Antwortete ich ihm nach Luft ringend. „Meint ihr dass das wirklich eine gute Idee ist?“ Ohne ein weiteres Wort zu wechseln fesselte ich dem Mann die Hände und hob ihn mit Gendrin´s Hilfe auf sein Pferd. Ich nahm hinter dem Jungen im Sattel platzt und zu dritt ritten wir zurück zur Kathedrale.

Dort angekommen kümmerte sich Gendrin um die Pferde. Roan kam uns schon entgegen und als er sah das ich noch jemanden mitgebracht hatte lachte er laut auf. „Jeanne ich habe mich schon immer gefragt wie du Männer aufgabelst, aber das du sie bewusstlos schlägst um sie dann nach Hause zu schleppen, hätte ich nie von dir gedacht!“ Ich fauchte ihn nur an. „Hilf mir lieber ihn in den Kerker zu bringen. Er hat uns verfolgt als ich Gendrin befreit habe!“ Immer noch feixend warf sich der Hühne den schlaffen Körper über die Schulter und folgte mir. Schnellen Schrittes machten wir uns mit dem bewusstlosen Fremden auf in den Kerker.

Der Master kam zu uns geeilt, „Was in Gottes Namen ist hier los um diese Zeit?“ „Jeanne hat sich einen Geliebten geangelt!“ Dafür boxte ich Roan so fest in den Magen das er aufkeuchte. „Er hat uns verfolgt nachdem wir fliehen konnten. Ich kenne ihn, er hat gestern versucht mir das Buch zu stehlen.“ Der Master sah sich den Mann an der jetzt auf einer Pritsche in der feuchten Zelle lag. „Mh, es scheint ihm so gut zu gehen. Warten wir bis er aufwacht und dann schauen wir weiter. Dass er ein so großes Interesse an dem Buch hat macht mir Sorgen, da nur wenige davon wissen! Geht und ruht euch aus, ich wecke euch Jeanne, wenn er wach wird!“

Mit einem letzten Blick auf den unbekannten Mann ging ich widerwillig zurück in meine Kammer, nachdem ich nochmal bei den Pferden und bei Gendrin vorbeigeschaut hatte. Er würde die nächsten Tage wohl nichts sehen können so geschwollen war sein Gesicht. Nach einigem hin und her wälzen in meinem Bett, war ich endlich eingeschlafen. Wilde Träume von Runen, Geistern und anderen seltsamen Wesen ließen mich hin und her wälzen.

Als es an der Tür klopfte machte ich schnell in meinen Unterkleidern auf. Master Rumbold stand davor. „Er ist aufgewacht!“ Schnell zog ich mich an und folgte ihm in den Kerker. Dort stand schon Sina und ein Heiler mit einer Fackel in der Hand vor der Zelle und redeten mit dem Mann. Sie machten mir Platz damit ich in die Zelle blicken konnte wo der Fremde auf der Pritsche saß und sich den Arm hielt. Als er mich sah, leuchteten seine grünen Augen auf und ein schelmisches Grinsen huschte über sein Gesicht. „Lady Jeanne, richtig!“ Es war mehr eine Aussage als eine Frage. Seine Stimme war samtig weich und lasziv. „Wer will das wissen?“ antwortete ich nur knapp. „Oh bitte verzeiht.“ Er stand auf und verbeugte sich galant. „Meine Name ist Alec Morgenstern.“ „Was wollt ihr von mir?“ Er sah mich gespielt verdutzt an. „Tut doch nicht so“, schallte ich ihn. „Erst wolltet ihr mir gestern das Buch abnehmen und heute lockt ihr meinen Lehrling in eine Falle nur damit ich ihn holen komme!“

Verdutzt sahen mich die anderen an. Alec hingegen lächelte mich schief an und zuckte unschuldig mit den Schultern. „Wie sollte ich sonst an euch ran kommen um mich zu revanchieren?!“ Der Master sah in prüfend an. „Woher wisst ihr von dem Buch? Wer schickt euch?“ Alec wand seinen Blick widerwillig dem Mönch zu. „Ich bin mein eigener Herr und ich erfuhr von dem Buch als ich gestern die königlichen Juwelen stehlen wollte. Ich habe Lady Jeanne erkannt und mir gedacht Warum nicht stehlen was die Diebesprinzessin von Theron auch will?“ „Woher kennt ihr meinen Namen?“ fauchte ich ihn an. Mein Blick fixierte ihn und Wut stieg in mir hoch, als ich einen Schritt auf ihn zu machte, so das er nur noch eine Armlänge vor mir stand. Innerlich könnte ich platzen. Was bildet sich dieser Wald und Wiesendieb eigentlich ein? Mal abgesehen das ich keine echte Prinzessin bin, aber einen gewissen Ruf habe ich mir ja schon unter den Dieben gemacht!

So ruhig wie er da stand, müsste man meinen er wäre bei einem Kaffeeklatsch und nicht bei einem Verhör. „Was habt ihr mit dem Buch vor?“ fragte ich gereizt. „Das selbe was ihr auch wollt. Das Böse dieser Welt ausmerzen und vernichten, damit wieder Ruhe in unsere Gefilde kommt. Ich bin zwar ein Dieb, aber wen will man bestehlen, wenn es nichts mehr zu stehlen gibt!“ Sein schelmisches Grinsen verschwand und er wurde ernst. Ich sah ihn nachdenklich an. Er war ehrlich, das spürte ich. Als ich ihn so ansah spürte ich ein Drücken an meinem Geist. „Wir werden ihn morgen mitnehmen!“ beschloss ich und ging ohne ein weiteres Wort. Die anderen sahen mich fassungslos an. „Was? Jeanne…“ doch da war ich schon verschwunden. Das Drücken in meinem Kopf ließ nach je weiter ich von Alec weg kam.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Gefährten

 

Die Nacht war kurz und unruhig, wirre Träume ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Irgendwann konnte ich nicht mehr liegen und ich stand auf. Es war kalt in dem kleinen Raum. Es tat mir fast weh unter der warmen Felldecke raus zu kriechen, doch an Schlaf war nicht mehr zu denken. Sonnenaufgang würden wir los reiten, bis dahin waren es noch ein paar Stunden. So verbrachte ich die Zeit damit mein Reisegepäck zu sammeln und Proviant einzupacken. In einem unscheinbar aussehenden Beutel legte ich meine Münzen und verschloss diese mit einem Zauber. Mit einem leisen Zischen vollendete ich ihn. Jetzt würde keiner außer mir an das Geld kommen und stehlen erst recht nicht. Das Tagebuch des Salomon verstaute ich in einer Gürteltasche direkt neben meinem Messer und anderen kleinen Beutelchen mit Zauberutensilien und weiteren nützlichen Dingen. Das meiste für Proviant, Arznei und Zauberei ließ sich eigentlich immer gut am Wegesrand oder auf Märkten verdienen oder kaufen.

Bepackt mit meinem Gepäck ging ich hinaus in den frühen Morgen. Die kalte Luft verwandelte meinen Atem in kleine Wölkchen und ich freute mich schon auf die Reise. Endlich wieder ein Abenteuer. Die Sonne würde in einer Stunde aufgehen. So bereitete ich mein Pferd vor und ging noch einmal in die Küche um mir einen kleinen Snack zu gönnen bevor es los ging. Wärend ich genüsslich mein Brot genoss, trudelten meine Reisegefährten ein. Neben Roan und Sina würde Alec mitkommen. Ich hatte auch erst überlegt Gendrin mitzunehmen, doch nachdem er sich so blöd hat fangen nehmen lassen, hatte ich es mir anders überlegt. Zumal er, dank seiner nächtlichen Schlägerei, nicht in der Lage war zu reisen.

Für diese Mission brauchten wir Gefährten die mit vollem Verstand dabei waren. Leider gehörte Gendrin nicht dazu. Mit Sina und Roan hatten wir zwei hervorragende Krieger und Spione, mit mir war auch eine Magierin und Diebin dabei. Alec nahm ich eigentlich nur mit, weil er zu viel wusste und wie mein Lehrmeister immer sagt „Kenne deine Freunde, aber kenne deine Feinde noch besser!“ Solange er in meiner Nähe war konnte er wenigstens nicht bei uns herumschnüffeln. Ich würde ein Fesselzauber bei ihm verwenden damit er mir nicht einfach wegrannte, wenn ich es nicht ausdrücklich erlaubte.

Doch noch fehlten uns ein Fährtenleser und ein Gelehrter der sich mit den Bräuchen und Gepflogenheiten der einzelnen Sippen auskannten. Deswegen begleitete uns Daimien, ein schlanker, großer Mann, der aus den Wäldern im Süden kam. Mit seinem langen schwarzen Ledermantel und dem schwarzen Hut mit der großen Krempe, wirkte er wie ein Todeshändler. Jene dunklen Gestalten die für Geld und weitere Kostbarkeiten mordeten, egal ob Tier, Mensch oder andere Wesen. Doch war er einer der besten Fährtenleser und Jäger im ganzen Königreich. Mit seiner großen Armbrust auf dem Rücken und seinem kleinen Haustier, einem weißen Frettchen, war er leicht zu erkennen.

Ich lernte ihn damals auf einer Reise zu der verborgenen Stadt Mora im südlichsten Teil des Reiches, kennen. Er hatte mich vor einer Horde Rieseneber gerettet und meine Verletzungen verbunden. Eine Woche lag ich im Sterben. Doch durch ein Wunder und seinem Wissen über Naturheilpflanzen, überlebte ich den Angriff. Seitdem stand ich in seiner Schuld. Als ich ihm sagte woher ich kam, wurde er hellhörig. Er sprach selten, aber wenn dann liefen mir bei seiner dunklen rauchigen Stimme ein Schauer über den Rücken. Er begleitete mich zurück nach Theron und blieb wegen der Schätze, Möglichkeiten und Frauen. Er hatte irgendetwas an sich das Frauen für ihn interessierten. Ich weiß nicht ob es seine dunkle Aura war oder sein durchtrainierter Körper, aber er zog sie an wie Motten das Licht. Aus seiner Vergangenheit kannte ich nicht viel, aber mich beschlich der Verdacht das hinter seinen braun goldenen Augen nicht nur eine menschliche Seele hauste. Er hatte eine dunkle Seite an sich. Wenn er jagte, jagte er wie ein Tier. Seine Bewegungen so lautlos und unnatürlich schnell. Zumal der Umstand das er an Vollmond immer spurlos verschwand, meinen Verdacht hegte das er Wehrwolfsblut in sich hatte. Doch er lieferte mir nie einen Beweis. Trotz alledem war mein Vertrauen in ihm gegenüber ungebrochen. Obwohl er mein Vater hätte sein können, behandelte er mich wie seine geheime Geliebte. Natürlich nur aus Freundschaft, vielleicht ahnte er das ich sein Geheimnis kannte.

Als unsere Gelehrte begleitete uns Joan. Joan kam aus den heißen Wüstengebieten Jackar. Ihre anmutige Erscheinung ließ eher darauf schließen, dass sie eine Magierin oder Prinzessin war. Ihre schokoladenbraune Haut und ihr kahler Kopf zeichneten sie aus als eine der ältesten Stämme die in den kahlen Wüsten lebten. Ihr voller Mund und das bunte farbenfrohe Gewand waren nicht das einzige was ins Auge stach. Ihre himmelblauen Augen waren ein großer Kontrast und man hatte das Gefühl das sie einem in die Seele blicken könnten. Doch trotz ihrer schlanken Figur und des anmutigen Ganges, war sie eine gute Kämpferin mit dem Messer. Sie sprach alle gängigen Sprachen des Reiches und auch ein paar tote Sprachen die nur noch geschrieben wurden. Mit ihr an unserer Seite brauchten wir uns keine Sorgen machen, wenn es um sprachliche Barrieren ging. Ich traf das erste Mal auf Joan als sie in der Bibliothek anfing zu arbeiten. Erst hielt ich großen Abstand zu ihr wegen ihres fremdartigen Aussehens, doch gerade wegen ihrer Augen konnte ich mich aus Neugierde nicht allzu lang von ihr fernhalten. Und so freundete ich mich mit ihr an. Wir teilten die Vorliebe zu anderen Sprachen, gerade dem Elbischen und sie lehrte mich neue zu sprechen und zu schreiben. Wir mussten im gleichen Alter sein, doch wirkte sie viel erfahrener und reifer.

Nachdem sich unsere Gefährten im Innenhof mit ihren Pferden und Gepäck gesammelt hatten, hielt Master Rumbold noch eine kleine Rede, er segnete uns, wünschte uns gutes Gelingen und bekreuzigte sich als wir vom Hof ritten. Alec ritt mit gefesselten Händen neben mir auf seinem Pferd und sah sich die einzelnen Mitglieder genauer an. „Meint ihr nicht das ich mit beiden Händen besser reiten und kämpfen könnte?“ Ich sah ihn spöttisch von der Seite an. Seine grünen Augen lagen ruhig und abwartend auf mir. „Das mag vielleicht sein, aber ihr scheint ein guter Reiter und Kämpfer zu sein. Ihr werdet das auch so gut hinbekommen!“ Damit ritt ich weiter und würdigte ihm keines Blickes.

Die Stimmung war gut. Roan und Sina stimmten ein Liedchen an, wärend Daimien nur seufzend den Kopf schüttelte. Joan beobachtete unseren Neuling eingehend und ich konzentrierte mich auf unseren Weg. Wir würden bis zum äußersten Rand des Königreichs reiten an dem das Reich der Elben grenzte. Dieses würden wir nach Einwilligung des Elbenkönigs durchqueren und dann weiter zu den Eisenbergen. Dahinter lag das dunkle und verkohlte Reich der Albae. Dort würde es kritisch werden, denn sie waren nicht sehr gastfreundlich was andere Wesen außer ihrer Art anging und ich hoffte ihren Umgang vermeiden zu können. Doch mein größtes Problem bestand immer noch darin, dass ich das Buch nicht entziffern konnte. Ich würde es später am Lagerfeuer nochmal versuchen und konzentrierte mich auf den Weg.

Wir mieden die Hauptstraßen, Feldwege und größere Städte um nicht allzu große Aufmerksamkeit auf uns zu richten. Denn es waren viele dunkle Gestalten unterwegs, denen wir liebend gern aus dem Weg gehen wollten. Mit unserer kleinen Gruppe von sechs Reitern vielen wir nicht weiter auf. Unser erstes Ziel würde das in zwei Tagesritten entfernte kleine Dörfchen Ström sein. Wir würden im nahegelegenen Wald unser Lager aufschlagen und uns ausruhen.

Das Wetter war für den Herbst typisch, grau und kalt. Ich sah in den Himmel hinauf und schätzte das Wetter ab. Es würde in den nächsten Tagen auf jeden Fall regnen, aber ich war dank meines Mantels gegen jedes Wetter geschützt. Ich hatten ihn damals von einem Zwergenkönig geschenkt bekommen als ich in den Eisenbergen einen Auftrag zu erledigen hatte. Als Dank das ich ihm nebenbei eine Felsenschlange vom Hals geschafft hatte, überreichte er mir diesen verzauberten Mantel der mich vor Nässe, Hitze, Kälte und anderen Wetterbedingungen schützte. Er hatte mir auf meinen Reisen schon gute Dienste geleistet und auch auf diesem Abenteuer wollte ich ihn nicht missen.

Das regelmäßige Klopfen der Pferdehufe auf dem feuchten Boden ließ mich schläfrig werden. Bis zum Abend hin hatten wir schon ein gutes Stück geschafft. Wir machten kurz Rast an einem nahen Wald und versorgten unsere Pferde. Roan hatte schon seine dritte Karaffe Bier auf und schwank gen Wald um sich zu erleichtern. Leise vor sich hin grummelnd stapfte er davon. „Er sollte vielleicht nicht immer so viel trinken, dann würde man ihm auch schwierigere Aufträge geben!“ grummelte Sina vor sich hin.

Die beiden waren wie Pech und Schwefel und sie musste ihn schon öfters aus schwierigeren Situationen retten wo er dank seiner Trunkenheit rein geraten war. Ich grinste sie an wärend ich mich auf einen Stein setzte und meine Essen aß. „Tja an dem Tag werden die Flüsse bergauf fließen und am Tage der Mond scheinen!“ Sie schüttelte nur den Kopf und machte sich ebenfalls an ihr Essen. Wir saßen alle gemeinsam zusammen und aßen stillschweigend. Der Wind der zwischen den Bäumen hindurch pfiff und immer stärker wurde, brachte seltsame Geräusche mit sich. Ich war nicht die einzige die aufhorchte und sich suchend nach der Quelle umsah. Es war wie ein Heulen, nur viel schriller und markerschütternder. Es kroch mir eiskalt den Rücken hinunter und man hatte das Gefühl als wäre die Zeit für eine Sekunde stehen geblieben. Wie ein Schrei aus einer anderen Welt, ertönte das mehrstimmige Heulen zwischen Bäumen und Felsen, ohne dass man etwas entdecken konnte. Eine Gänsehaut lief mir den Rücken herunter. Ich kannte dieses Heulen und hoffte inständig, das ich unrecht behielt. Doch bevor ich genauer hinhören konnte, kam Roan aus dem Wald gestapft. „So endlich was zu essen!“ raunte er durch die Runde und ließ sich auf einen Baumstumpf neben Sina fallen, der ächzend unter seinem Gewicht leicht nachgab. Danach war Ruhe. Daimien und Alec denen das Heulen ebenfalls aufgefallen war sahen mich unruhig an. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf die nahe Umgebung in einem Umkreis von zirka zehn Kilometern. Ich suchte nach verräterischen Tieren, magischen Spuren oder Soldaten. Doch bis auf einem Haufen Tierspuren war nichts zu entdecken. Daimien der mich eingehend beobachtete, winkte ich unmerklich mit dem Kopf ab und er aß weiter. Alec sah mich und Daimien nur abwechselnd fragend an. Doch bevor er fragen konnte was gerade geschehen war, warf ich ihm nur einen warnenden Blick zu.

Nach dem wir wieder aufgesessen waren, ließ ich mich etwas nach hinten fallen um dem immer noch wartenden Alec Rede und Antwort zu stehen. Daimien ritt vorne weg. „Was zu Hölle war das vorhin?“ flüsterte er mir zu. Ich sah ihm in die Augen und musste mich konzentrieren, nicht völlig fasziniert in ihnen zu verschwinden. Die Erinnerung an den Kuss ließ mich immer noch erschaudern. „Das war das Geheul von Wargen.“ Der Dieb sah mich nur unverständlich an. Genervt verdrehte ich die Augen und erklärte es ihm. „Meine Güte kennst du dich denn gar nicht mit der Flora und Fauna in deinem eigenen Reich aus? Warge sind eine Mischung aus Wölfen und Kojoten, doch sind sie um einiges Böser, gerissener und brutaler. Zu dem kommt noch dazu das sie für das menschliche Auge unsichtbar sind. Sie treten in Rudeln zwischen zehn und fünfzehn Tieren auf. Sie jagen einfach alles. Eigentlich meiden sie menschliche Siedlungen und Städte, doch irgendetwas vertreibt sie aus ihren Revieren nahe der Eisenberge. Sie haben anscheint gefallen an Menschenfleisch gefunden. Wir müssen uns in Acht nehmen, auch wenn sie noch weit weg sind, sie haben uns gewittert!“

Ich wartete seine Reaktion ab, doch er zuckte nur überheblich mit den Schultern. „Ich habe schon weitaus größeres und tödlicheres getötet. In meiner Anwesenheit brauchst du dir keine Sorgen machen“, mit einem überheblichen Grinsen zwinkerte er mir zu. Seiner Überheblichkeit rächend, verpasste ich seinem Pferd einen kräftigen Klaps auf den Hintern. Dieses welches sich entspannt den Weg entlang getrottet war, erschrak sich und buckelte. Alec rutschte unsanft und dank der gefesselten Hände, unfähig sich fest zu halten, vom Pferd und fiel mit einem dumpfen Aufprall arschwärts in den Dreck. „Vielleicht solltet ihr euch doch Sorgen um eure Reitkünste machen“, feixte ich und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Knurrend und mit zusammen gepressten Zähnen, rappelte er sich wieder auf und klopfte sich den Dreck von seiner Kleidung. Dann machte er sich daran wieder auf sein, mittlerweile grasendes Pferd zu schwingen. Amüsiert setzte ich mich wieder zu Daimien an die Spitze. Er wirkte angespannt und sah immer wieder auf den matschigen Weg vor uns und in die immer dunkler werdenden Büsche und Wälder, die uns umgaben. Die Nacht über würden wir durchreiten und erst am nächsten Mittag haltmachen.

 

 

 

 

Versuchungen

 

Die Nacht verlief ruhig und lautlos. Der Wind nahm immer mehr zu so dass die Bäume sich wild hin und her bogen. Bei manchen hatte ich schon Angst das sie bald umstürzen würden. Die Anspannung des gestrigen Abends hatte sich etwas gelegt. Die anderen hatten die Gefahr ebenfalls erkannt und waren wachsam geblieben. Als wir nun das kleine Dörfchen, bestehend aus einer Handvoll Häusern und einer kleinen Kirche, erreichten lag es ruhig vor uns. Aus den einzelnen Kaminen quoll Rauch heraus und ein paar freilaufende Hühner pickten sich die letzten grünen Gräser aus den völlig durchfurchten und matschigen Wegen. Wir ritten daran vorbei, zu einem großen Bauernhaus und hielten dort an. Ich stieg vom Pferd, klopfte an der Tür und nachdem uns eine runde Bäuerin aufmachte und meiner Frage, ob wir in der Scheune eine Nacht schlafen konnten, nachkam. Sie bot uns noch ein paar Decken und ein warmes Getränk an, ließ uns dann aber in Ruhe.

Wir machten es uns in der Scheune gemütlich wärend die Sonne am Horizont unter ging. Ein kleines Lagerfeuer diente uns als Wärmequelle und ich genoss es, nicht auf dem Pferd nächtigen zu müssen. Diese hatten wir in die noch freien Boxen untergebracht, wo sie zufrieden ihr Heu fraßen. Unter uns herrschte eine zufriedene Stimmung, jeder ging seinen Bedürfnissen nach und machte es sich um das Feuer bequem. Schlürfend und schmatzend aßen wir den angebotenen Eintopf und ließen uns dann satt nieder.

Ich würde mit Roan die zweite Schicht machen und aufpassen. Joan kam auf mich zu als ich wiedermal versuchte die Hieroglyphen zu entziffern. „Lass mal sehen vielleicht kann ich euch ja helfen“, ich übergab ihr seufzend das kleine Buch und sie studierte konzentriert die Buchstaben. „Ich bin ratlos, ich kenne viele Sprachen, gerade die magischen Zeichen und Schriften, aber so etwas habe ich noch nie gesehen!“ Ihre schlanken langen Finger fuhren über jede einzelne Zeile und auf ihrer Stirn bildeten sich Falten. Dann sah sie auf und in ihren blauen Augen las ich Ratlosigkeit. „Es tut mir leid,“ seufzte sie mit ihrem ausländischen Dialekt. „Aber auch ich kenne diese Sprache nicht. Ein paar Symbole und Zeichen kenne ich, doch sie stammen alle aus unterschiedlichen Sprachen und ergeben keinen Sinn!“ Sie gab mir das Buch zurück und ich dankte ihr das sie es wenigstens versucht hatte. „Ihr werdet es schon schaffen“, sprach sie mir noch Mut zu. „Bis jetzt, hat euch der Master noch nichts auferlegt, was ihr nicht geschafft habt!“ Ich verstaute das Buch wieder zurück in meine Tasche und legte mich zum Schlafen ans Feuer. Alec der mir gegenüber auf der anderen Seite des Feuers lag, hatte mich die ganze Zeit beobachtet und grinste mich jetzt schelmisch an. Ich streckte ihm die Zunge raus und sah mich schnell um, um mich zu vergewissern das es keiner gesehen hatte. Roan lag schon schnarchend neben seinem leeren Bierkrug am Feuer, Sina und Joan unterhielten sich leise und Alec und Daimien hielten wache. Ich kuschelte mich in meine Decke und schlief auf der Stelle ein.

„Was möchtest du Jeanne?“ langsam um mich herumlaufend sah mich Alec aufmerksam an. Ich stand einfach nur da, in einem leichten Nachthemd und seufzte bei seinen Worten.

Version:1.0 StartHTML:0000000168 EndHTML:0000004489 StartFragment:0000000435 EndFragment:0000004472

Sein nackter gestählter Oberkörper schimmerte leicht im der umstehenden Kerzen. Bei jeder kleinsten Bewegung zuckten seine Muskeln direkt unter seiner Haut. Er strotzte nur so vor Kraft und Männlichkeit. Ich hatte das Bedürfnis ihn zu berühren, doch ich zügelte mich. Seine bemuskelten Oberarme und breiten Schultern faszinierten mich. „Was möchtest du, dass ich tue?“ Er blieb hinter mir stehen. Sein heißer Atem streifte meinen Nacken, meine Haare hochgebunden, lief mir ein wohliger Schauer über den Rücken. Ich konnte seine Wärme spüre, seine Nähe, sein Verlangen. „Küss mich!“ seufzte ich mit geschlossenen Augen und drehte mich zu ihm um. Als ich sie öffnete glühten seine grünen Augen vor Verlangen und Gier. Wir standen nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, ich traute mich nicht zu atmen. Sein Blick senkte sich von meinen Augen zu meinen leicht geöffneten Lippen. Ohne mich zu berühren kam er mir mit seinem Gesicht immer näher, sein warmer Atem streifte meine Lippen und ich hielt die Luft an. In reger Erwartung und voller Gier schloss ich die Augen und wartete ungeduldig. „Hast du ihn dir überhaupt verdient?“ hauchte er. Frustriert stöhnte ich ein „Ja!“ Seine Lippen hingen direkt vor den meinen, ich konnte ihre Wärme spüren. Ein letztes Mal öffnete ich meine Augen und verlor mich in seinen smaragdgrünen Augen.

Doch bevor er mich küssen konnte wurde ich unsanft geweckt. Ich schrak zusammen und riss meine Augen auf. Fast wäre ich mit Alec´s Kopf zusammengestoßen. In seinem spöttischen Blick loderte das Feuer welches uns Wärme spendete. „Habt ihr schlecht geträumt?“ fragte er grinsend. Meine aufwallenden Gefühle unterdrückend, brauchte ich ein paar Sekunden, bis das Gesagte zu mir durchdrang. Mit einem Kopfschütteln kam ich wieder in die Realität zurück und sah ihn wütend an. „Und selbst wenn, es geht euch nichts an!“ Arroganter Heini. Er lachte nur. „Dann ist ja gut. Los aufstehen, ihr seid mit der nächsten Wache dran!“

Damit ging er rüber auf die andere Seite und ließ mich mit meinen aufgewühlten Gefühlen allein. Einmal durchatmend schälte ich mich aus meinem warmen Fell und setzte mich auf. Mit mir würde Roan Wache halten, der gerade von draußen wieder reinkam. Ich nickte ihm grüßend zu und auch er setzt sich wieder neben mich ans Feuer. „Alles in Ordnung?“ sein prüfender Blick ließ mich erröten. „Ja alles gut, wie sieht’s draußen aus?“ Versuchte ich ihn von mir abzulenken. „Stürmisch und es fängt langsam an zu regnen!“ Damit goss er sich ein weiteres Bier ein und machte es sich an einem Strohballen bequem. „Du solltest wirklich weniger trinken, wenn wir Wache halten. Nicht das du versuchst taumelnd deinen Gegner zu verwirren“. Mit einem leicht verächtlichen schnaufen, hob er den Krug an seine Lippen und trank ihn aus Protest in einem Zug leer. Was sollte ich nur davon halten? Naja solange er noch kämpfen kann, soll es nicht mein Problem sein.

Wärend der Wache sprachen wir nicht viel. Ich ließ zwischendurch meinen Blick über die anderen gleiten und blieb immer bei Alec hängen, der sich ruhig atmend in sein Fell eingerollt hatte. Um die Langeweile etwas zu vertreiben und um wach zu bleiben, versuchte ich mich weiter an Salomons Buch. Doch das brachte gar nichts. Seufzend stand ich auf und ging zum offenen Scheunentor. Es war stockdüster, der Wind wirbelte Laub und Zweige über den zertretenden Boden direkt vor meinen Füßen. Das Licht welches vom Feuer nach draußen schien, reichte vielleicht einVersion:1.0 StartHTML:0000000168 EndHTML:0000003952 StartFragment:0000000435 EndFragment:0000003935

paar Meter in die Dunkelheit, doch das reichte schon um den Umriss der geduckten Gestalt direkt vor mir zu beleuchten.

Ich bewege mich keinen Zentimeter, sah nur den Warg an der mich mit seinen leuchtend gelben Augen fixierte. Mist! Wieso hatte ich sie nicht verspüren können. Ach ja, weil ich von Alec träumen musste! Ich schalte mich selber. Ich weitete mein magisches Feld weiter aus und konnte hinter meinem inneren Auge zwanzig weitere ausmachen. Ruhig atmend und auf die Warge konzentriert, versuchte ich in den Geist des Leittiers zu blicken. Er knurrte leise, als ich langsam in seinen Geist eindrang. Bei Menschen oder anderen sprechenden Wesen konnte ich ihre Gedanken hören und ihre Stimmung leiten, wenn ich mich stark anstrengte. Da Tiere aber nicht reden konnten, zeigten sie mir nur Bilder, Gerüche und Gefühle. Und so auch bei diesem Warg.

Reiner Blutdurst überkam mich. Bilder von gerissenen Rehen, Hasen, Menschen und anderen Opfern die ihnen in die Quere gekommen waren ließen mich würgen. Ich musste mich beruhigen, damit ich nicht in den Strom der Gefühle und Triebe dieses Räubers geriet. Langsam konnte ich mich beruhigen und auch den Warg. Sein gesträubtes nasses grau braunes Fell legte sich und seine zum Angriff gesenkter Kopf hob sich wieder. Ich bat ihn mit seinem Rudel zu verschwinden und uns und dieses Dorf zu verschonen. Ich spürte wie er im Zwiespalt stand, sie waren hungrig und ihr Blutdurst war unstillbar. Obwohl ich seinen Geist manipulieren konnte, war ich nicht in der Lage ihn wie eine Marionette zu kontrollieren. Ich besann mich darauf ihm seine Optionen offen zu legen die ein Kampf mit sich bringen würde. Da auch er ein Rudel beschützen musste, entschied er sich klugerweise nicht anzugreifen. Langsam zog er sich und sein Rudel zurück, ließ mich aber mit einem letzten Knurren wissen, das er mich nicht vergessen würde. Erst jetzt bemerkte ich wie angespannt ich gewesen war und wie viel Kraft mich diese Verbindung gekostet hatte.

Die Anspannung viel von mir ab. Leicht wankend lehnte ich mich an den Torrahmen. Ich war zwar geübt in der Magie, doch jeder Zauber war unterschiedlich kraftraubend und wenn man nicht aufpasste konnte man an manchen sterben. Nach einem prüfenden Blick auf die Umgebung, ging wieder an das lodernde Feuer. Roan sah mich fragend und besorgt an, als er bemerkt hatte wie ausgemergelt ich war. Abwinkend setzte ich mich wieder auf meinen Platz. Er bot mir ohne Worte seine Schulter an, an die ich mich dankbar anlehnte.

Mittlerweile verstanden wir uns ohne Worte. Mir würde es zwar ein Leichtes sein in die Gedanken meiner Gefährten zu gehen, doch ich hatte mir Regeln gesetzt was die Anwendung der Magie an meinen Gefährten anging. Eine besagte: Lese niemals die Gedanken deiner Freunde. Und daran hielt ich mich auch, was natürlich auch gar nicht mehr nötig war, da wir uns eh ohne Worte verstanden. Bis zum nächsten Wachwechsel blieb es ruhig und bis dahin döste ich etwas an Roan´s starker Schulter.

 

Arum

 

Die nächsten zwei Wochen blieben relativ ereignislos. Wir ritten so lange es ging, mieden weiterhin die Hauptstraßen und ritten nur Höfe und Städte an, wenn wir neuen Proviant oder Geld brauchten. Die Stimmung blieb gut, doch meinen Kriegerischen Freunden Roan und Sina juckte es langsam in den Fingern. Sie wollten wieder kämpfen und Blut vergießen. Ich musste sie immer zügeln, wenn wieder eine Schwadron an Soldaten unseren Weg zu kreuzen drohte. Wenn es nach ihnen ging würden sie jede einfach niedermetzeln. Doch das würde nur Aufmerksamkeit auf uns richten und wir kämen nicht schnell genug voran. So ritten sie murrend und jammernd hinter uns her und ließen ihre Energien an umstehenden Bäumen ab.

Die Landschaft veränderte sich langsam. Theron lag in einer großen Ebene mit nur kleinen Wäldern und vielen Felder. Je näher wir Richtung des Elbenreiches kamen, umso hügeliger und waldiger wurde es. Felder und Wiesen gingen über in sanfte Hügel und größere Waldgebiete. Anstatt Bauernhöfen trafen wir vermehrt auf Sägewerke und Förster. Die Unruhen die im Land herrschten wurden deutlicher je weiter wir kamen. Neben den Soldaten trafen wir immer wieder auf leere und ausgebrannte Höfe und kleinere Dörfer. Felder deren Ernten verbrannt worden waren, Leichenberge die noch schwelten und Unruhestifter die umherstreifen.

Einer davon hatte versuch uns am Lager auszurauben, doch Sina hatte ihn schnell zur Rechenschaft gezogen und so ließ er uns in Ruhe. Man hörte teilweise kleine Schlachten und sah Feuer am Horizont. Wenn man nachfragte warum überall diese Unruhen herrschten, hörten wir immer dasselbe. Korruption, Herrscher und Herzöge die wahnsinnig wurden, ausfallende Ernten, Hungersnöte und dergleichen. Wärend unserer bisherigen Reise wuchsen wir etwas weiter zusammen. Joan freundete sich sogar mit dem stillen Daimien an. Ich beobachtete sie immer öfter wie sie sich zum ihm ans Feuer gesellte oder wie er neben ihr her ritt. Meistens war sie es die redete oder auf Tierspuren hindeutete, welche sie interessiert betrachtete. Roan und Sina zankten sich wie jeden Tag und je eintöniger die Tage wurden, umso schlimmer wurde es. Es kam nicht selten vor das wir sie auseinander halten mussten damit sie sich nicht die Köpfe einschlugen. Da war die Aussicht sehr mildernd, das wir bald unser nächstes Ziel erreichen würden. Was Alec anging musste ich eingestehen das er sich gut machte. Er war ein Charmeur und verstand sich darauf sich mit jedem Gut zu tun. Ich blieb trotz der elektrisierenden Träume und seines Charmes, misstrauisch. Mein Blick ließ ihn nie los, egal wohin er ging. Auch mir versuchte er den Hof zu machen, doch so einfach war ich nicht rum zu bekommen. Die anderen mochten mich verspotten und mich mit Sprüchen wie „Hab dich nicht so“ und „Er ist n passabler Kerl“ weich zu klopfen. Doch ich vermochte durch seinen Charme hindurch zu blicken. Mal sehen was er uns noch bringen würde, die Fesseln blieben trotzdem dran.

Unser Ziel war die letzte Große Stadt Arum. Ich kannte diese Stadt wie meine Westentasche. Ihr Bürgermeister war ein alter Freund von mir. Malik war damals Kandidat auf das Amt und hatte mir geholfen nachdem ich gerade noch glimpflich aus einer Verurteilung entkam. Ich sollte wegen Hexerei verbrannt werden, da ich einen Soldaten unverhofft Heilung verschaffen konnte. Damals war Magie noch ein unerwünschtes und verruchtes Thema, was dank der Elben und der Gelehrten jetzt zum täglich Brot gehörte. Er hatte mich mit seinem Einfluss aus den Kerkern befreit und seit dem stand ich in seiner Schuld. Er hatte mir eine Weile Briefe zukommen lassen, in denen er von seinen Erfolgen und seiner Regentschaft schrieb. Doch seit ein paar Monaten vermisste ich seine netten Berichte. So hatte ich nicht ganz eigennützig die Route so geplant, dass wir an Arum vorbeikämen.

Kurz vor der Stadt machten wir auf einem Bauernhof rast. Die Familie kannte ich ganz gut da ich dort eine Weile untergetaucht nachdem ich wieder auf freiem Fuße war. Ich hatte dort mit den Tieren und auch beim Ernten der Felder geholfen. Wir hatten uns gut verstanden und als Dank hatte ich um den Hof verschiedene Schutz- und Gedeihzauber ausgesprochen das sie auch in Zukunft versorgt waren. Als eine dünne Frau aus der Tür trat, sprang ich vom Pferd und viel ihr in die Arme. Die anderen sahen mich etwas verdutzt und peinlich berührt an, aber das störte mich nicht. Wir begrüßten uns schnell und dann quartierten wir uns ein.

Bei einem netten Abendessen vor dem Kamin musste ich einfach fragen. „Erika wie geht es euch? Wie sieht es in der Stadt aus?“ Sie sah betrübt aus. „Jeanne ihr kommt zur richtigen Zeit. Malik braucht dringend eure Hilfe!“ Verwundert legte ich eine Hand auf ihren Arm und sah sie fragend an. „Seit geraumer Zeit herrscht Chaos hinter den Mauern von Arum. Lieferungen werden nicht mehr angenommen, Wachen wurden verdoppelt, es gibt eine Ausgangsperre nach Sonnenuntergang, die Verbrechen und Gewalttaten häufen sich immer mehr und die Menschen leiden. Aufstände belagern schon seit Tagen das Rathaus. Und man munkelt das Malik besessen sei. Er würde seltsame Sachen erzählen, Paranoid werden, sich in seine Kammer einschließen. Nur seine Zofe und seine Berater dürfen hinein.“ Traurig lief ihr eine Träne über die Wange. „Jeanne, ihr müsst etwas unternehmen. Wenn es so weitergeht, dann steht die Stadt bald in Flammen.“

Bei ihren Erzählungen lief es mir kalt den Rücken runter. Das sah Malik nicht ähnlich. Er war immer um sein Volk besorgt, war ein fairer und eifriger Geschäftsmann und Richter. Irgendetwas musste passiert sein. „Ich werde ihm mal einen Besuch abstatten und gucken was da los ist.“ Dankend drückte ich sie noch einmal und ging in den Stall wo wir unser Lager aufgeschlagen hatten. Nachdem ich den anderen meinen Plan erklärt hatten kam mir viel Protest entgegen. „Ich dachte wir meiden die Städte?“ rief Roan dazwischen. „Ja das stimmt, aber ich muss Malik helfen, ich stehe in seiner Schuld. Außerdem könnt ihr nochmal etwas Bummeln gehen bevor wir ins Elbenreich reiten“, entgegnete ich ihren Bedenken. „Das ist eigentlich eine gute Idee“, stimmte mir Joan zu, „ich brauche sowieso noch ein paar Schriften und wollte mich mit dem ansässigen Gelehrten unterhalten. Vielleicht kann er uns weiterhelfen!“ Daimien und Alec sagten gar nichts dazu, sie nickten nur.

Der nächste Tag brach schnell an. Ich fühlte mich seltsam, wenn ich in Alec´s Nähe war. Ich hatte dauerhaft Kopfschmerzen und einen Druck in meinem Kopf, als wenn jemand in meinen Geist eindringen wollte. Zudem ließen mich diese Träume nicht mehr in Ruhe. Es war immer derselbe Ablauf: ich stehe oder sitze demütig mitten im Raum und er kreist um mich herum wie ein Wolf um seine Beute. Die Luft zwischen uns knistert und das Verlangen steigert sich bis ins unerträgliche. Doch kurz bevor er mich küsst, wache ich auf. Wir berühren uns nie, doch dieses Verlangen welches sich seit dem Kuss im Schlosspark in mir breitmachte, störte meine Konzentration und wühlt meine ganze Gefühlswelt auf. Immer wenn er in meiner Nähe war, waren meine Nerven gespannt wie Drahtseile und ich konnte ihn spüren. Unsere Blickkontakte wurden immer intensiver und warum auch immer, wurde es zwischen uns immer aufgeladener. Wenn er mal meine Hand ausversehen berührte, zuckte ich zurück als wenn ich mich verbrannt hätte. Wir umkreisten uns wie zwei Magnete die sich gleichzeitig abstießen und doch anzogen. Das fiel nicht nur mir auf, sondern auch den anderen. Ich erhaschte immer öfters seltsame Blicke gegenüber uns oder wie sie leise tuschelten. Doch ich konnte mich darauf jetzt nicht auch noch konzentrieren.

Wir ließen die Pferde bei Erika und ihrem Mann und machten uns zu Fuß auf den Weg zum Stadttor. Die Sonne schien und schickte die letzten warmen Strahlen zur Erde. Eigentlich ein schöner Tag, wenn da nicht die wütende Menschenmenge wäre, die schon vor den Toren wartete und lauthals gegen die Missstände protestierte. Wir teilten uns auf und versprachen uns bis zum Abend wieder zurück zu sein. Alec würde bei mir bleiben. Mal abgesehen davon das ich ihm immer noch nicht traute, wollte ich ihn im Auge behalten. Die anderen erledigten eigene Einkäufe, gingen in die verschiedenen Tavernen oder auch ins Freudenhaus. Nachdem wir uns durch die Menschenmasse am Tor gerungen hatten, teilten wir uns auf. Ich wollte kurz über den Markt gehen und dann zu Madame Arlí.

Arum war mitten auf einen Hügel erbaut worden. Oben auf der Spitze stand das prächtige Rathaus welches, in seinen Ausmaßen fast schon an ein Schloss grenzte. Darunter lag ringförmig der große Garten eingerahmt von einer Ziermauer. Je weiter runter man zum Fuße des Hügels kam, je ärmer wurde die Gesellschaft. Zwischen den Fachwerkhäusern standen immer wieder kleine Baumgruppen, lagen Plätze wo Märkte, Richtungen und andere öffentliche Veranstaltungen stattfanden. Als Alec und ich an dem Schafott vorbeiliefen, bekam ich unweigerlich eine Gänsehaut und legte einen Zahn zu.

Auf dem Markt war es selbst bei der frühen Stunde schon sehr voll. Überall standen Stände mit Gemüse, Obst, Lederwaren, Fisch und Fleisch, Blumen, Flechtkörbe, Stoffe und dergleichen. Marktschreier priesen ihre Waren an, Diebe ergriffen ihre Chance um in der dichten Menge dem einen oder anderen ein paar Münzen aus der Tasche zu stehlen, Ziegen und Schafe wurden durch die Menge zum Kauf angepriesen und über allem hing der Duft nach frischem Brot und Blumen.

An sich liebte ich den Markt, doch heute wollte ich so schnell wie möglich meine Erledigungen um dann weiter oben meine eigentliche Abholung zu machen. Alec war beeindruckt von den vielen Menschen und dem großen Angebot. Ich zog ihn am Ärmel weiter durch die Menge, an Trickspielern und Wahrsagerinnen vorbei. Schnell kaufte ich etwas Proviant, ließ Alec Lederwaren und dergleichen besorgen und dann verließen wir schnellen Schrittes den völlig überfüllten Platz.

„Ihr hattet es jetzt aber eilig!“ keuchend, nach dem strammen Marsch durch die Menschenmasse, blieb er hinter mir stehen. „Ich mag diese Menschenmengen nicht. Auch wenn man sich gut in ihnen verstecken kann, halten sie nur auf!“ Ich sah ihn abwartend an. „Wo wollt ihr jetzt hin?“ wieder zu Atem gekommen, lief er jetzt wieder hinter mir her. „Ich muss noch zu einer Bekannten. Sie schuldet mir einen Gefallen, den ich jetzt einlösen möchte.“ Ohne mich umzudrehen, steuerte ich direkt auf eine schmale Gasse zu.

Weiter hinten in einem kleinen Innenhof, leicht versteckt, entdeckte ich die verzierte Tür zu einem kleinen Geschäft und trat ein. Eine kleine Glocke erklang und sofort waren wir umhüllt von den verschiedensten Düften. Auf verschiedenen Holztischen, Regalen und Behältern die von der niedrigen Decke hingen, lagen ordentlich aufgereiht verschiedene Kräuter, Elixiere, eingelegte Tierextremitäten, Bücher und Medaillons. „Wow, das nenne ich mal einen gut sortierten Magierladen“, staunte mein Gefährte nicht schlecht. Ich genoss die Atmosphäre hier, sie beruhigte mich und weckte jeden meiner Sinne, doch das alles war nur Schein und mein Gefühl riet mir vorsichtig zu sein.

Eine schwarze Katze sprang elegant von einem der hohen Regale hinunter auf einen Tisch der neben mir stand und forderte mich mit einem Maunzen auf sie zu streicheln. „Hallo Deli, lang nicht mehr gesehen. Wo ist denn deine Herrin?“ fragte ich die Katze leise, woraufhin sie von dem Tisch sprang und durch einen Perlenvorhang in den Nebenraum lief. Kurze Zeit später trat Madame Arlí durch den Vorhang. Mit ihren rabenschwarzen langen Locken wirkte ihr Gesicht noch blasse und schmaler.

Als sie mich entdeckte kam sie freundlich lächelnd auf mich zu. „Ray Jeanne, wie schön dich wieder bei mir willkommen zu heißen!“ Ihre weiten langen Kleider wehten leicht um ihre schlanke Gestalt, wärend sie mit ausgebreiteten Armen auf mich zu lief. Ich erwiderte ihre Umarmung zaghaft und der Duft nach Duft nach Rosen und Honig stieg mir in die Nase. Als Alec den zweiten Namen hörte stutze er kurz und sah mich fragend an. Ich selber kannte den zweiten Namen mit dem sie mich rief, verstand aber nicht warum sie ihn mir gegeben hatte. Auch nach mehrfacher Nachfrage, zwinkerte sie mir nur zu und wank ab. „Arlí, darf ich dir meinen Gefährten Alec vorstellen? Wir sind momentan auf der Durchreise und ich wollte gerne das abholen, was du für mich aufbewahren solltest!“ Als sie Alec ins Auge fasste, erstarrte sie für eine Sekunde. Sie ging auf ihn zu, aber anstatt ihm die Hand zu reichen, umkreiste sie ihn musternd und blieb direkt vor seinem Gesicht stehen. „Er hat etwas an sich.“ Dann musterte sie mich von oben bis unten. Ich wurde rot. Ich wusste was sie sah, sie war beeindruckend, sie wusste immer was in einem vorging. Man konnte sie nicht belügen. „Ihr habt etwas an euch!“ Sie deutete mit dem Finger zwischen uns hin und her. Alec der gar nichts verstand, runzelte schon genervt die Stirn, doch bevor er etwas sagen konnte ging ich dazwischen. „Arlí könntest du bitte…?“ Ich ließ die Bitte offen. „Aber natürlich!“ Schnellen Schrittes ging sie wieder ins Nebenzimmer, ich folgte ihr, deutete Alec aber zu warten. Seufzend hielt er inne und sah gelangweilt durch den Laden.

Im hinteren Raum standen an jeder Wand Regale mit kleinen und größeren Schubladen. Die Seherin ging schnurstracks auf einer der Schubladen zu, murmelte etwas vor sich hin und mit einem leisen Klicken öffnete sich diese wie von Geisterhand. Sie griff vorsichtig hinein und holte einen in ein Leinentuch gewickelten kleinen Gegenstand heraus. Mit einer eleganten Drehung, ging sie auf mich zu und faltete das Tuch auseinander.

Zum Vorschein kam ein kleiner bronzefarbener Schlüssel. Ein verschnörkeltes Symbol mit einem goldenen Stein in der Mitte, diente als Griff. „Ich habe ihn genauso aufbewahrt und bewacht wie ihr es von mir verlangt hattet!“ Ich nahm ihn aus ihrer Hand und wog ihn kurz in mein Handfläche. Die Magie die in ihm floss, kribbelte leicht auf meiner Haut. Ich zog eine Kette aus meiner Tasche, befestigte ihn daran und hing ihn mir um den Hals. Versteckt unter meiner Kleidung lag er kühl auf meiner Brust. „Ich danke euch. Damit sind wir quitt!“ Mit versteinerter Miene nickte sie mir zu und bat mich zu gehen. Ich tat nichts Lieberes und griff beim vorbei gehen nach Alec´s Arm, der mich verwundert ansah. Ohne ein Wort des Abschieds zu verlieren, verließen wir den Laden und eilten zurück in die belebtere Gasse.

„Warum hattet ihr es denn jetzt so eilig?“ Ich sah ihn mit zusammen gepressten Lippen von der Seite an und zog ihn weiter. „Madame Arlí ist eine Hexe und eine Dämonin. Sie ist gefährlich, auch wenn sie nicht danach aussieht.“ Verblüfft sah er mich an. „Aber Dämonen riecht man doch auf einer Meile Entfernung.“ „Ratet mal warum sie einen Kräuterladen aufgemacht hat. Der Duft ist so stark, dass er ihren Gestank übertüncht. So kann sie ihre Opfer ganz bequem anlocken.“ Erschrocken hielt er die Luft an. „Tja, damit hattet ihr nicht gerechnet oder?“ Verächtlich grinste ich in mich hinein.

Auch ich war ihr damals verfallen, konnte mich aber mit einer List von ihr lösen und sie dabei verfluchen. Wer sucht auch schon bei einer Dämonin nach einem Schatz wie den, den ich ihr auferlegt hatte. Es wurde langsam dunkel und ich hielt in einem kleinen Hof unter einer großen Eiche an. Ihre Blätter hatten sich schon rot verfärbt und schmückten das Kopfsteinpflaster mit einem roten Teppich. „So ich habe noch eine weitere Sache zu erledigen. Da kann ich euch aber nicht mitnehmen. Geht zurück zum Gehöft und wartet auf mich!“ Abwendend zum Gehen, griff Alec nach meiner Hand. Als er sie berührte, traf es mich wie ein Blitzschlag. Meine Nervenenden vibrierten und ich erstarrte. Seine Hand warm, stark und erstaunlich weich. Unbeirrt meiner Versuche ihm diese zu entziehen, hielt er sie stoisch fest und zwang mich ihn anzusehen. „Ihr wollt mich hier alleine lassen!“ Es war keine Frage. In seinen Augen las ich Überraschung und auch ein wenig Enttäuschung, es schien ihm gefallen zu haben so an mich gebunden gewesen zu sein. Ich konnte nicht klar denken, löste den Zauber der ihn an mich band und somit auch seine Fesseln. „Wie gesagt kann ich euch nicht mitnehmen, ihr seid frei. Aber seit gewarnt, wenn ihr versucht zu verschwinden, dann werde ich euch finden.“ Verblüfft ließ er mich los und ich verschwand zwischen den Häusern. Alec blieb inmitten der bunten Blätter stehen, das erste Mal wieder frei.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Getilgte Schuld

 

Es war zwar riskant Alec einfach so zu entlassen, aber die Sorge um Malik war größer. Wärend ich durch die Gassen rannte und mir einen Weg zum Rathaus bahnte, ebbte dieses Verlangen ab, welches mich getroffen hatte als Alec meine Hand ergriff. Ich schüttelte mit dem Kopf und sprang mit einem Satz über die kleine Mauer die das prunkvolle Haus umgab. Die Wachen kannten mich zwar, aber ich wollte ungesehen hineingelangen. Ich machte mir sorgen um Malik, wir waren damals ein eingespieltes Team und vielleicht auch mehr.

Dank der Dämmerung geriet ich schnell in das Herrenhaus. Doch ich entschied mich über das Dach zu seinem Zimmer zu klettern. Geschwind angelte ich mich die Mauer hoch und lief auf dem Dach zu seinem Balkon. Die beiden Balkontüren standen weit offen und der Wind wehte die Vorhänge nach draußen. Malik´s Stimme hallte aus seinen Gemächern. Schreie, Gebrüll und Flüche erfüllten die stille Nacht. Das sah ihm gar nicht ähnlich. Eine Magd eilte flüchtend auf den Balkon, als eine Vase hinter ihr zu Bruch ging. Sie wimmerte und zitterte am ganzen Körper.

„Sieh dich nicht um. Sonst bist du tot!“ knurrte ich von oben. Stock steif blieb sie einfach stehen. „Nicke, wenn du verstanden hast!“ befahl ich ihr mit dunkler Stimme. Ich kniete mich noch näher an die Dachkante. Sie nickte und wartete auf weitere Anweisungen. „Gut. Verlasse das Zimmer und lass niemanden hinein. Kehre in einer Stunde zurück!“ Sie nickte wiedermal. „Wenn mich vorher jemand stört, finde ich dich und deine Familie…!“ Aufquietschend machte sie sich auf den Weg zurück in das Zimmer. Ich hörte wie sie jemand anderes mit aus dem Zimmer zerrte und die Tür hinter sich verriegelte.

Ein paar Augenblicke später, sprang ich aus meiner Deckung auf den Balkon. Gedimmtes Licht ließ das Zimmer im halbdunklen. Leisen Schrittes ging ich in das Zimmer und sah mich um. Es sah aus, als wäre eine Horde Wildscheine durch das Zimmer gerannt und hätte es umgewühlt. Kommoden, Stühle, Kleiderständer lagen zerbrochen auf dem Boden, Bilder hingen schief oder zerbrochen an der Wand und Boden, Kleidung lag wild auf dem Boden verteilt und die Vase die die Magd fast abbekommen hätte lag in tausend Scherben zerbrochen vor dem Fenster. Malik lag in seinem Bett, welches völlig im Dunkeln stand, doch ich konnte ihn atmen hören. Er atmete schwer nach seinem Anfall. Ich nahm einen Kerzenleuchter von einer Kommoder und schritt auf das große Himmelbett zu. Je näher ich kam, umso klarer wurden seine Umrisse hinter den zerrissenen Vorhängen.

Ich erschrak als ich sein Gesicht sah. Völlig abgemagert, blass mit blutigen Kratzspuren im Gesicht und Augen die milchig ins Nichts starrend. Seine einst so schöne braune Lockenpracht bestand nur noch aus wenigen gräulichen Haaren die ihm feucht am Kopf klebten. Das einzige was meinen Freund von damals noch ausmachte, war das Tattoo an seinem linken Handgelenk, welches ihn als Bürgermeister kennzeichnete.

Mir liefen Tränen die Wange hinunter und ich musste mich zusammenreißen, dass ich nicht zusammenbrach. Er lag einfach da, die Hände neben sich liegend und mit offenem Mund. „Hallo Malik“, begrüßte ich ihn sanft, keine Reaktion. Ich ging näher an sein Bett, stellte einen Kerzenständer neben ihn auf ein Nachttischchen und setzte mich auf die Bettseite. „Was ist nur mit dir geschehen?“ Meine Stimme brach, als ich seine Hand nahm. Sie war eiskalt. Bei meiner Berührung schien etwas in ihm zu explodieren. Mit einem Satz sprang er auf und legte seine eiskalten Hände um meinen Hals. Wir rollten rücklings auf den Boden, wo er sich auf mich daraufsetzte und meine Kehle mit steinernen Griff zudrückte.

Überrascht von dem plötzlichen Angriff, rang ich nach Luft. Er sah mich mit kaltblütigen milchigen Augen an, röchelte in einer fremden Sprache etwas vor sich hin. Trotz seiner mageren Gestalt, lag er schwer auf meiner Brust. Mit einem gezielten Schlag in das ausgemergelte Gesicht, ließ er von mir ab und fiel neben mich auf den Boden. Luft strömte wieder in meine Lungen und meine Kehle öffnete sich wieder. Hustend und keuchend kam ich wieder hoch und sah nach dem Gespenst welches mal Malik war. Er lag einfach nur da und rührte sich nicht. Schnell fesselte ich seine Hände und Füße mit den Überresten des Vorhanges. Bei jeder meiner Berührungen wollte er mich wieder angreifen, doch ich war jetzt darauf gefasst. Schnell lag er gefesselt vor mir auf dem Boden und ich überlegte was ich tun würde. Sich windend lag er auf dem Boden, krächzende und röchelnde Laute entkamen seiner Kehle und ließen mich erschaudern. Was mir erst auf den zweiten Blick auffiel, war die Wunde an seiner linken Halsseite. Sie sah aus wie ein Biss. Das Zentrum war tief schwarz und wie feine Adern verästelte es sich über den ganzen Körper. Dieses Gift schien nicht nur seinen Körper auszumergeln, sondern auch seine Seele.

Ich zog eine gläserne Stele aus einer meiner Taschen und ging langsam auf ihn zu. „So mein Lieber, das wird jetzt leider sehr unangenehm für dich, aber anders kann ich dich leider nicht heilen. Du musst jetzt sterben!“ Brüllend und sich windend versuchte Malik sich zu befreien, als er die Stele sah. Ja das böse weiß, wann es getötet wird! Mit einem gezielten Sprung und der Stele voraus, hockte ich mich neben ihn und stieß diese in die Bisswunde. Malik schrie, bäumte sich unter mir auf und versuchte sich zu wehren, doch dank meiner Sesselkünste hatte er keine Chance. Die Stehle zog langsam das schwarze Gift aus dem langsam erschlaffenden Körper. Dunkler Nebel wirbelte in dem gläsernen Diamanten auf und verdichtete sich je mehr er aufnahm. Die feinen Adern zogen sich zu ihrem Zentrum zurück, bis sie vollständig von dem Kristall aufgenommen worden waren.

Mit einem letzten Aufbäumen sackte Malik´s Körper zusammen und blieb still. Ich musste mich beeilen, sonst würde er sterben. Eine Zauberformel immer und immer wieder wie ein Mantra vor mich hin murmelnd, konzentrierte ich mich auf die lodernde Energie in mir und dem Kristall. Langsam verblasste der schwarze Nebel und nahm eine silbrig glänzende Farbe an. Mit einer weiteren Formel entließ ich seine Seele wieder aus der Stele und wartete ab. Kurz leuchtete sie unter seiner Haut auf, als sie sich wieder einen Weg in den leblosen Körper bahnte. Hoffend wartete ich auf einer Veränderung und tatsächlich. Nach wenigen Sekunden färbte sich seine Haut wieder rosa, die tiefen Falten und Furchen wurden wieder glatt, sein Körper bekam wieder Fülle, seine Haare sprossen wieder Braun und füllig und in seinen Augen trat wieder dieses samtige Braun.

Erleichtert atmete ich auf. Tränen des Glücks liefen mir über das Gesicht und ich umarmte ihn heftig, als er wieder zu sich kam. „Langsam Langsam“, krächzte er angestrengt. Seine Brust bebte leicht als er versuchte zu Lachen. Er fühlte sich wieder warm und lebendig an und sein wohlriechender angenehmer Duft stieg mir in die Nase. „Wusste gar nicht mehr das du so ran gehst!“ Ich ließ von ihm ab und sah ihm lächelnd in die Augen. Erschrocken sah er mich an. „Was ist denn nur passiert?“ „Komm. Setz dich erst mal auf und zieh dir was an, dann erzähle ich dir alles“. Ich half ihm aufzustehen und er sah sich erschrocken in seinem Zimmer um. „Was ist denn hier passiert?“ Er wollte schon zur Tür gehen um seine Magd zu rufen, doch ich erinnerte ihn daran, dass er nur ein Nachthemd trug.

Schnell eilte er in sein Ankleidezimmer und zog sich um. Mit einer Hose und einem offenen Hemd bekleidet kam er wieder zurück. Er sah scharf aus, seine Bauchmuskeln die sich gut abzeichneten und seine viel zu tiefsitzende Hose brachten mich aus dem Konzept. Lüstern grinsend kam er auf mich zu. „Oder hast du was dagegen das ich mich anziehe!“ Mich wieder sammelnd wandte ich den Blick von ihm ab und schlug ihm sanft auf den Arm. „Du alter Charmeur, bring mich bloß nicht in Versuchung! Gerade erst von den Toten auferstanden und schon wieder ganz der Alte.“

Er lachte auf und ich konnte Leidenschaft in seinen Augen aufflammen sehen. „Es hat dich doch früher auch nichts davon abgehalten!“ leicht rot werdend senkte ich den Blick. Meine Güte, er schaffte es immer noch mich wie ein kleines Mädchen da stehen zu lassen! Er kam langsam auf mich zu, ich wollte etwas Abstand gewinnen, doch ich spürte die Wand hinter mir. Dagegen gepresst, stand er nur wenige Zentimeter vor mir und sah mir tief in die Augen. Sein Körper strahlte eine Hitze ab, die selbst auf der kurzen Distanz durch meine Kleidung drang und mich erwärmte. Mein Herz schlug schneller und meine Hände wurden feucht. Unfähig mich zu bewegen, lag sein flammender Blick auf meinem Gesicht. „Jeanne, was willst du?“ fragte er mit rauer Stimme.

Plötzlich blitzen wieder die Bilder aus meinen Träumen auf und Alec´s grüne Augen loderten vor den meinen. Malik´s Anziehung verschwand und nun galt das Herzklopfen einem anderen.0,

„Bitte entschuldige Malik, aber ich muss wieder los. Unsere Spielchen gefallen mir zwar sehr, aber das müssen wir auf ein anderes Mal verschieben!“ Damit ließ er von mir ab und ich atmete durch. Malik ging einen Schritt zurück und sah mich abschätzend an. „Du hast dich verändert!“ „Tja das tun Menschen nun einmal, wenn sie lange weg waren.“ Seufzte ich erleichtert auf und trat von der Wand weg.

Sein prüfender Blick folgte mir, wärend ich wieder zum immer noch offenen Fenster ging. „Was ist mit mir passiert?“ fragte er noch. Ein letztes Mal drehte ich mich zu ihm um. „Du wurdest gebissen. Das Gift des Wesens hat dich ausgezehrt und dich wahnsinnig machen lassen. Deine Bürger lehnen sich gegen dich auf. Malik…“ eine kurze Pause, um meinen Worten noch mehr Gewicht zu verleihen. „…bring das bitte wieder in Ordnung!“ Er nickte und kam auf mich zu, er nahm meine Hände und gab mir einen sanften Kuss auf die Wange. „Ich danke dir Jeanne, du bist hier immer Willkommen!“ Sein glühender Blick ruhte auf mir. „Sag das nicht zu schnell. Ich musste dich töten, damit ich dich heilen konnte. Ich danke dir für alles was du je für mich getan hast.“ Damit riss ich mich los und floh aus dem zu eng gewordenen Raum hinaus in die kühle Nachtluft. Malik stand da, seufzend. Wie gern hätte er diese hübsche Rothaarige Diebin noch einmal vernascht wie früher. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und seine Magd kam gefolgt mit zwei Wachen hereingestürmt. „Malik Sir, sie sind am Leben?!“ brach es aus der jungen Magd heraus. Malik nickte nur: „Wir haben eine Menge Arbeit vor uns!“ Damit machte er sich ans Werk.

 

 

 

 

 

 

Im Geiste verbunden

 

Ich beeilte mich schnell wieder zu Erika und meinen Gefährten zu kommen. Es war zwar nicht so einfach an den Wachen vorbei durch das Haupttor zu gelangen, aber was wäre ich für eine Diebin, wenn ich das nicht schaffen würde. Der Hof, hell erleuchtet und einladend, war ruhig als ich dort ankam. Auf direktem Weg in die Scheune, roch ich schon das dampfende Essen welches auf mich wartete. Je näher ich meinem Ziel gekommen war, je mehr nahm wieder dieser Druck in meinem Kopf zu und als ich durch das Scheunentor trat und ich in die besorgten Gesichter sah, wurde es fast unerträglich. Zu meiner Verwunderung kam Alec direkt auf mich zu. Einerseits war ich froh das er nicht gegangen und geblieben war, anderer seits hätte mich eine kleine Verfolgungsjagd auch gereizt, wobei sie undeutlich mehr Zeit gekostet hätte. „Jeanne, meine Güte wo wart ihr denn so lange?“ Der Druck ließ nach und ich atmete auf. „Alles gut ich musste noch einem Freund aus der Klemme helfen!“ Alec´s prüfender Blick ging mir auf die Nerven und ich setzte mich zu den anderen ans Feuer. Sina überreichte mir eine Schüssel mit dampfendem Eintopf und ich aß hungrig wärend mir die anderen von ihren Errungenschaften und Beobachtungen erzählten.

Alec hatte sich den ganzen Abend ruhig verhalten, ich spürte seine Blicke auf mir und versuchte diesen zu ignorieren. Wir gingen früh schlafen, da wir morgen durch das Elbenreich reisen würden. Da wir dort mit politischer Vorsicht herangehen mussten, hielt ich mit Joan noch eine kurze Rücksprache bevor auch ich mich hinlegte. Alec lag direkt neben mir und als ich mich umdrehte blickte ich direkt in seine grünen Augen. „Ihr habt euch verändert!“ seine Worte waren genau die selben wie Malik´s. „Wie meint ihr das?“ flüsterte ich ihm leise zu. Er zuckte mit den Schultern und überlegte kurz. „Ihr wirkt lebendiger.“ Ich dachte über seine Worte nach und machte mich daran zu schlafen. Das letzte was ich sah, war sein besorgter Blick.

Der nächste Morgen war nebelig und kühl. Die nächtliche Heilung hatte mir doch mehr Kraft entzogen als mir bewusst war. Es brauchte kaltes Wasser und heißen Haferbrei um meine Lebensgeister wieder aufzuwecken. Mit einem letzten lieben Dank an Erica, verabschiedeten wir uns und saßen auf. Wir ritten früh los, gegen Mittag würden wir zur Waldgrenze kommen. Die Stimmung war gut und ausgelassen. Ich ritt vorne weg und spielte mit dem weißen Frettchen von Daimien. Sein plüschiges weiches Fell unter meinen Fingern beruhigte mich, doch musste ich auf seine kleinen spitzen Zähnchen aufpassen. Reijkjon schien es nicht zu stören das das kleine wuselige Tier auf ihm herum turnte. Er schritt unbeirrt weiter. Alec ritt wie immer neben mir und sah mich immer noch grübelnd an. „Frag endlich sonst platzt dir noch der Schädel!“ ranzte ich ihn genervt an. Sofort setzte er ein schelmisches Grinsen auf. „Ah gut, ihr habt mich bemerkt!“ Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Warum so genervt, Prinzessin? War die Nacht nicht befriedigend gewesen?“ Sein Grinsen wurde immer breiter und ich bereute es ihm seine Fesseln abgenommen zu haben. Meine Wut drohte überzukochen. Tief durchatmend, versuchte ich mich zu beruhigen und seine Unverfrorenheit herunter zu schlucken. Ich würde ihm keine Blöße zeigen. „Und selbst wenn, sollte es euch nicht interessieren!“ Antwortete ich ihm schnippisch. „Nun bei mir bräuchtet ihr euch deswegen keine Sorgen machen. Bis jetzt konnte ich jeder das geben was sie wollte und mehr“. Sein laszives und siegessicheres Grinsen hätte ich ihm am liebsten aus dem Gesicht geschlagen. „Vielleicht solltet ihr es auch mal probieren?!“ Bei seinen Worten kam mir fast die Galle hoch und gleichzeitig wollte ein Teil von mir herausfinden ob er Recht behalten sollte. „Träumt weiter“, antwortete ich ihm verbissen. „Ah eine Herausforderung. Wir werden sehen!“ Zwinkerte er mir verschwörerisch zu, während sein glühender Blick auf meinen Lippen lag. Ich musste mich wieder auf den Weg konzentrieren und zwang mich dazu meinen Blick von ihm abzuwenden.

Der Nebel war so dicht, dass man keine sechs Fuß weit gucken konnte. Plötzlich brach ein riesiger Umriss aus dem dichten Weiß. Alec und Sina die hinter mir ritten griffen sofort nach ihren Waffen. „Steckt eure Waffen wieder weg!“ befahl ich ruhig. Beide sahen mich irritiert an. Je näher wir kamen umso größer und klarer wurde der Umriss. Erst als wir direkt davorstanden, konnte man die Einzelheiten der riesigen Elbenstatue erkennen. Meine Gefährten staunten nicht schlecht, bis auf Joan, war noch keiner von ihnen bei den Elben gewesen. Die aus weißem Marmor geschlagene Statue war ein überlebensgroßes Abbild eines königlichen Kriegers. Seine aufwändige Gewandung mit dem königlichen Wappen, dem gespannte elegante Bogen und die aufwändige Kopfbedeckung zeigten Bildnis eines ehrenwerten Wächters. Schweigend und bedrohlich stand er dort um die Gefahren vom Königreich abzuhalten.

„Worauf warten wir denn noch?“ fragte Roan ungeduldig. Er wollte schon weite reiten, doch ich hielt ihn zurück. „Wir müssen warten! Wir werden abgeholt“. Sina und ich standen vorn, wärend die anderen hinter uns mit den Hufen scharrten. Nach einer Weile hörte ich Daimien scharf die Luft einziehen. Ich sah sofort auch weswegen. Ein Elbenkrieger stand direkt vor uns. Er war wie aus dem nichts erschienen. Ich stieg vom Pferd und begrüßte ihn auf Elbisch. Elben waren an sich etwas größer als Menschen. Als ich vor ihm stand ragte er fast einen Kopf vor mir auf. Sein langes glattes braunes Haar, hatte er vorn zur Seite geflochten. Sein feingliedrigeres Gesicht verzog keine Miene. Als er mich sah, senkte er den Bogen und begrüßte mich ebenso in seiner Sprache. Nachdem ich ihm erklärt hatte weswegen wir den Wald durchqueren wollten, wich seine Anspannung und er richtete das Wort an meine Gefährten. „Seid gegrüßt Gefährten von Ray Jeanne.“ Damit drehte er sich um und verschwand im Wald. Ich saß wieder auf und ritt ihm hinterher. „Bleibt hinter einander. Der Wald ist mit einem Zauber geschützt, sobald ihr vom Weg abkommt seid ihr für immer darin gefangen. Und hier leben weitaus gefährlichere Tiere als in unseren Gefilden!“ Damit setzte sich unsere Gemeinschaft fort, in den dunklen undurchdringlichen Wäldern Elindur´s.

Ohne ein Wort zu verlieren ritten wir bis zum Abend durch den düsteren Wald. Die erdrückende Stille wurde nur durch das Schnauben der Pferde und das dumpfe auftreten der Hufe gestört. Unter dem dichten Blätterdach war es sehr kühl. Die Stille war so drückend, dass man seltsame Geräusche und huschende Schatten meint im dichteren Gehölz und im Schwarz des Waldes gehört und gesehen zu haben. Der Elb der sich als Lorin vorgestellt hatte, ritt seiner inneren Landkarte wachsam voraus. An seiner Haarfarbe und den etwas kleineren Spitzohren, hatte ich sofort erkannt das er zu den Waldläufern gehörte, die für die Patrouillen entlang der Grenzen zuständig waren. Sie gehörten zu den untersten Soldaten, dennoch waren sie gute Krieger und Kämpfer. Selbst die besten Soldaten aus den Menschenreichen kamen gegen sie nicht an.

Ich konnte mich nur noch vage an die Eliant erinnern, was auch wohl daran lag das die Erinnerungen automatisch gelöscht werden, wenn man das Elbenreich verließ. Eliant lag mitten im Elbenreich. Der Wald Elindur erstreckte sich meilenweit von der westlichen Küste nahe Ankersheim bis weit in den Osten. Er war der breite Gürtel zwischen Theron und den Eisenbergen. Es gab neben den Elben nur wenige die sich dort auskannten. Wer sich einmal darin verlief kommt ohne Hilfe nicht wieder heraus. Es gab Mächte und Geheimnisse in diesem Wald, so alt, das selbst der König sie nicht alle kannte. Er hatte etwas magisches und schönes an sich. Ich hatte viele schöne Stunden in ihm verbracht und wäre auch ein paar Mal fast in ihm gestorben. Deswegen war immer Vorsicht geboten, wenn man durch das Elbenreich reiste. Doch da ich eine besondere Stellung im Königreich hatte, dank meiner Verbindung zu dem Elbenprinzen, wurde es mir gestattet meine Erinnerungen zu behalten. Aber auch die verblassten leider von Tag zu Tag. Daher war ich genauso überrascht und verblüfft, als sich der Wald vor uns lichtete und wir auf eine kleine Stadt trafen. Auf der Lichtung standen riesige Bäume mit Stämmen so dick, dass selbst zehn Männer ihn nicht umarmen konnten. An ihren Stämmen schlängelten sich Treppen mit feinen Rankengirlanden die zu den einzelnen Wohnräumen führten. Diese sahen aus wie Knospen einer Blume, mit Fenstern und Türmen, aus denen warmes Licht schien. Unten am Boden waren nur wenige dieser Knospenhäuser in denen hauptsächlich Schmieden, Stallungen und dergleichen untergebracht waren. Überall hingen zu Zierde verschnörkelte Lampen in denen kleine Lichtpunkte flogen. Wie auf einer Perlenkette, reihten sie sich aneinander und erstrahlten die kleine Stadt in ein verwunschenes Licht. Meine Gefährten staunten nicht schlecht, als wir kurz Rast machten um die Pferde zu versorgen und eine Kleinigkeit zu essen.

„Was sind das für Lichter in den Laternen?“ fragte Joan Lorin. Dieser sah auf um der schwarzen Schönheit prüfend in die Augen zu sehen. „Das sind die Samen der Glorienblüte. Über Tag sammeln sie da Licht der Sonne und geben es in der Nacht wieder ab. Man findet sie hier überall im Wald.“ Damit war die Konversation schon beendet. Im Vergleich zu anderen Wächtern war dieses Gespräch schon viel. Joan durfte sich glücklich schätzen, dass sie überhaupt eine Antwort bekommen hatte. Elben sind gegenüber anderen Arten sehr skeptisch, vorsichtig und andere würden sagen hochnäsig. Auch Roan schien der Meinung zu sein, doch bevor er etwas sagen konnte, stieß Sina ihm ihren Ellenbogen in die Seite. Dankend nickte ich ihr zu und wir machten uns daran weiter zu reiten.

Die hier lebenden Elben hatten uns schon seltsam und missbilligend angesehen. Sie trugen alle weich fallende naturfarbene Gewänder, weiche Stiefel, lange glatte meist braune, aber auch silberne Haare. Sie unterschieden sich für den Laien kaum, doch da ich ein Jahr bei ihnen gelebt hatte konnte ich die feinen Unterschiede erkennen. Manche hatten eher schmale lange Gesichter, andere waren keilförmig. Ihre Augen unterschieden sich durch ihre Form. Mal waren sie mandelförmig oder oval. Auch die Ohren hatten teilweise unterschiedliche Größen und Formen, je nachdem zu welcher Riege sie gehörten. Es gab die Waldläufer, Krieger, die Königsgarde, Gelehrte, Magier und andere wichtige Mitglieder. Keines ist unerlässlich und jeder ein Teil eines großen Ganzen. Bis zum Abend ritten wir ohne weitere Pause weiter. Je näher wir Eliant kamen, umso öfter trafen wir auf weitere Wächter und Reisende. Wir erkannten das wir bald da waren, an den Laternen die vermehrt am Wegesrand standen. Wir ritten einer Reisegruppe aus fünf Elben und Elbinnen bis zur Hauptstadt hinterher. Niemand sagte ein Wort. Doch ich konnte die verblüfften Gesichter unserer männlichen Mitglieder erahnen, als sie die wunderschönen Elbinnen sahen. Solche Schönheit hatten sie in ihrem ganzen Leben in der Menschenwelt noch nicht gesehen. Sie alle waren groß schlank und bewegten sich sehr grazil. Ihre makellose ebene helle Haut schien von innen zu strahlen. Doch am anziehendsten waren ihre Stimmen. Glocken klar und rein wurde manch einer in ihren Bann gezogen und Sirenengleich gefesselt. Es gab Gerüchte das sich Menschen so sehr in den Bann haben ziehen lassen, das sie vergaßen zu essen und zu trinken und an Unterernährung gestorben sind. Deswegen war ihre Schönheit mit Vorsicht zu genießen. Gegenüber ihnen war selbst Joan eine hässliche Bauernmagd.

Und ehe wir uns versahen standen wir mitten in Eliant. Trotz der vielen Elben um uns herum die sich wie ein Strom in nur eine Richtung begaben, war es ruhig. Die meisten unterhielten sich leise flüsternd um die anstehende Feierlichkeit nicht zu stören. Wenn man die kleine Elbenstadt von vor Stunden schon beeindruckend fand, dann war Eliant wie ein Märchen. Neben der Vielzahl an Laternen mit ihren kleinen leuchtenden Samen, standen überall wunderschöne Blumen, der Rasen unter den Füßen schien lumineszierend zu leuchten. Die Bäume selber wunden sich in mehreren Strängen ineinander und bildeten kleine Höhlen. Tausende von Knospen hingen an den Stämmen und boten vielen Elben ein Heim. In der Ferne in der die Elben strömten hörte man leise Musik.

Lorin führte uns aus dem Strom zu einem der vielen Stämme. Wir saßen ab und übergaben unsere Pferde den schon wartenden Pflegern. Wir übergaben ihnen etwas widerwillig unsere Rösser und folgten dem Waldelben. Auf einer Terrasse hielten wir an. Es warteten schon drei Elbinnen und zwei Elben auf uns. „Die Damen folgen bitte ihren Zofen für den heutigen Abend!“ Mit einer eleganten Handbewegung deutete er uns mit den Elbendamen mit zu gehen die uns schon erwarteten. Er selber führte die Männer in die andere Richtung. Mit einem letzten Blick auf Alec folgte ich der großen blonden Elbin die gewundene Treppe hinauf. Sie schien geradezu über die Treppenstufen zu schweben. Ihr bodenlanges leichtes Kleid machte keine Geräusche und schmiegte sich eng an ihren schlanken grazilen Körper. Ein Duft von Lilien ging von ihre aus und ich musste mich zusammenreißen nicht darin zu versinken.

Vor einer Knospe blieb sie stehen und öffnete mir die Tür. Mit einer leichten Verbeugung und einer einladenden Handbewegung bat sie mich einzutreten. Ich ging hinein und bewunderte die zwar spartanische, aber doch liebevolle Einrichtung. Ein weiches Bett stand an der einen Wand, ihm gegenüber ein kleiner Schreibtisch mit Tintenfässchen und Feder und daneben führte ein Durchgang zu einem kleinen Badezimmer mit Wanne und Spiegel. Durch eine weitere Tür

 

konnte man auf einen kleinen Balkon gehen und die Aussicht bewundern. An den Wänden hingen viele kleine Bilder von Landschaften, Tieren und Pflanzen. Neben meinem Bett auf einem kleinen Nachtschrank thronte eine wunderschöne petrolfarbene Blume in deren Blüten kleine gelbe Flecken leuchteten. Sie erinnerte mich ein wenig an einen Lapislazuli. Ich hörte im Bad das rauschende Wasser, welches sich in die Wanne ergoss. Ohne ein Wort entließ mich die Elbin in die Wanne und ging hinaus.

Ohne zu zögern, entkleidete ich mich und stieg in die heißen dampfenden Fluten. Die Elbin hatte einen wohlduftenden Badezusatz in das Wasser gegossen, so dass ich in eine duftende Wolke von Rosen und frischem Gras schwebte. Die Augen geschlossen, genoss ich die Wirkung des heißen Wassers. Meine Muskeln entspannten sich und der Schmutz der letzten Wochen viel von mir ab. Die langen Ritte und das ständige draußen sein hatten zwar auch ihr Gutes, doch irgendwann sehnte man sich doch nach einem richtigen Bett und einem heißen Bad. Ich ließ mich von den schweren Düften und den wohltuenden Dämpfen einlullen und schlief ein.

Ein leises Klopfen weckte mich aus den süßen Träumen die meinen Geist umnebelt hatten. „Lady Jeanne, das Fest beginnt bald. Möchtet ihr euch nicht anziehen?“ Die sanfte klare Stimme meiner Zofe ließ mich aufschrecken. Ich antwortete ihr schnell auf elbisch und kletterte aus der Wanne. Mit einem großen weichen Tuch umwickelt kam ich wieder in das Zimmer zurück. Sie wartete dort schon mit neuen Kleidern auf mich. „Das ist für mich?“ fragte ich demütig und streichelte sanft den weichen luftigen Stoff. Sie nickte nur und half mir mich anzuziehen und mir meine Haare zu bürsten.

Normalerweise trug ich immer enganliegende lange Kleidung die effizient und schützend war. Im Kampf brauchte man keine weiten und langen Gewänder die einen nur einschränkten. Doch dieses Kleid war sehr luftig, aus einem fast transparenten mintgrünen Stoff der auf mehreren Lagen aufbaute und meine Arme, Rücken und Taille frei ließen. Es fühlte sich an als wenn ich gar nichts tragen würde. Meine Mahle waren gut sichtbar, der Schnitt spielte mit meiner schlanken Figur und meine seidig gekämmten langen Haare flossen mir den Rücken hinunter wie ein Wasserfall. Ein paar geflochtene Strähnen ließen mein Blickfeld frei. Zum krönenden Abschluss legte mir die stille Zofe eine Halskette an in deren Blütenform ein silberner Tropfen eingefasst war.

Als ich fertig war, sah ich mich in dem Spiegel der an der Wand hing genauer an. Das bin doch nicht etwa ich? Ich sah aus wie einer der ihren, nur wesentlich kleiner und nicht so strahlend. Mit einer kleinen Handbewegung führte mich die Elbin hinaus auf die Terrasse. Die leichten Schuhe die ich trug waren bequem und verliehen mir automatisch einen weichen schwebenden Gang. Ich war anscheinend die letzte unserer Gemeinschaft, denn die Elbendame führte mich direkt in das Zentrum von Eliant.

Um den großen Festplatz waren lange Tische und Bänke platziert auf denen Teller und Schüsseln feinsten Essens standen. Eine Musikgruppe saß in der einen Ecke und ließ sanftes Harfenspiel über die Wiese ertönen. Überall hingen bunte Laternen, bunte Blumen und Girlanden. Das Getuschel und vornehme Gelächter der Elben mischte sich mit der sanften Musik und dem klirren ihrer Gläser. Direkt vor Kopf vor einer riesigen Kathedrale aus vielen zusammen verschlungenen Bäumen saß der Elbenkönig Athrandiel.

Als er mich kommen sah, hob er die Hand und stand auf. Sofort verstummten die Musik und das Gemurmel der Gäste. Die Elbin führte mich in die Mitte der Festtafel, direkt vor den Tisch der Regenten. Mit ausgebreiteten Armen stand der König der Elben nun vor mir. Sein aufwändig besticktes Gewand, welches Tiere und Pflanzen zeigte und seine silberne Krone auf seinem silberhaarigen Haupt bestens zur Geltung brachte, raschelte leise als er sich bewegte. „Seid gegrüßt meine Familie. Da nun unser letzter Gast zu unserem Mondlichterfest erschienen ist, darf ich euch diese vorstellen“. Er ging um seinen Tisch herum und trat auf mich zu. Seine dunklen Augen ruhten nun auf mir und seine Hände lagen auf meinen Schultern. Der Elbenkönig war eine Erscheinung für sich. Er strahlte Macht, Güte und Vertrauen aus. Doch der Anblick täuschte. Aus eigener Erfahrung wusste ich das er genauso tödlich wie hinterlistig sein konnte. Doch zu mir war er immer wie ein gerechter Freund und Vater gewesen. „Lady Jeanne brauche ich euch ja nicht vorstellen. Ihr ist die Ehre in diesem Jahr zugeteilt, den Monddrachen in Empfang zu nehmen…“ Den Blick immer noch auf Athrandiel gerichtet, sah ich ihn völlig überrascht an. „Eure Hoheit, bitte verzeiht meine Verblüffung. Ich danke euch für die Einladung zu diesem heiligen Fest und für die Ehre die mir zu teil wird, doch wie komme ich dazu?“ Ein sanftes Lächeln lag auf seinen Lippen. „Wie ihr wisst, Lady Jeanne, wird das Medium nicht von uns ausgewählt, sondern durch unsere Seherin die mit den Drachen in Verbindung steht. Nun dieses Jahr hat sie euch kommen sehen und sich für euch entschieden“. Völlig sprachlos, stand ich neben dem Oberhaupt des Elbenreiches.

Eine Gänsehaut lief mir den Rücken hinunter. Ich hatte diese Zeremonie schon beim letzten Mal beiwohnen dürfen und es war beeindruckt gewesen. Das ich nun die Auserwählte war, war die größte Ehre die man als Außenstehender erwiesen bekommen konnte. Diese Zeremonie war den Elben sehr wichtig. Jedes Jahr aufs Neue wird die Mondgöttin geehrt und für gute Ernten, Gesundheit und Frieden gebeten. Dazu wird ein Elb ernannt der als Medium dient und den Segen entgegen nimmt. Zu früheren Zeiten, Zeiten des Krieges, wurden auch so die nächsten Drachenreiter ernannt, hatte mir Athrandiel erzählt.

Ein Raunen ging durch die Menge und spätestens jetzt, lagen alle Blicke auf mir. „Aber davor, darf ich noch ihre Gefährten begrüßen.“ Damit wand er sich leicht verbeugend an meine Freunde. Endlich hatte auch ich sie entdeckt. Sie saßen zur linken der Königin. Alle waren ebenfalls in Elbentracht gekleidet. Selbst Daimien hatte seinen schwarzen Mantel abgelegt. Roan schien es zwar überhaupt nicht in den Kram zu passen, doch er wagte es nicht sich mit dem Elbenkönig anzulegen.

„Nun, fangen wir an!“ Mit einem vielsagenden Blick, reichte er mir seine Hand. Ich legte die meine in Seine und schritt wie in Trance mit ihm auf den See zu der direkt auf der Lichtung lag. Es war wie in einem Traum. Ich war gefangen in den schwarzen Augen des Königs, konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden. Seine Aura war so magisch und anziehend, es war kein Wunder das die Menschenfrauen ihm so verfallen waren. Doch ich wusste um die Tücke die dahintersteckte, konnte ihm aber vertrauen. Er war wie ein Vater für mich gewesen und so ließ ich mich von ihm in das kühle Nass des Sees führen.

Das Wasser ging mir bis zur Wade als er anhielt. Er streckte seine Arme aus wie ein Vogel und reckte seinen Kopf gen Himmel. Ich tat es ihm gleich. Als eine Wolke den silbernen Vollmond wieder frei gab, spürte ich sein Licht auf meiner Haut. Völlig schwerelos wurde ich von ihm emporgezogen, bis meine Zehenspitzen über dem Wasser schwebten. Dem Singsang der Stimme Athrandiel´s und dem Licht verfallen, verfiel ich in eine andere Welt. Ich schwebte im Nichts. Vor mir ein silberner Drache, groß imposant und voller Anmut stand er vor mir. Ohne ein Wort zu sagen, kam er näher und legte eine Kralle auf meine Brust, das Zentrum meiner Zeichnungen. Diese erleuchteten augenblicklich und schienen lebendig zu werden. Sie flossen um meinen Körper, sammelten sich im Zentrum und hüllten mich in ein strahlendes Licht. Plötzlich sah ich alles. Die Entstehungsgeschichte unserer Welt.

Zu Anfang gab es nur Land, Tiere und Pflanzen. Drachen lebten in jedem Winkel der Erde, friedlich und in Harmonie mit der Natur. Doch ein Feuerball stürzte nach Jahren des Friedens vom Himmel und hinterließ verbrannte Erde hinter den Bergen. Dunkle Kreaturen entflohen seiner heißen Glut. Die ersten Albae entstanden. Sie waren gierig und grauenvoll. Sie vernichteten die Pflanzenwelt, verwandelten gutmütige Tiere in böse Geschöpfe und überrannten alles Gute. Selbst die Drachen hatten keine Chance. Aus Verzweiflung erschufen sie die Elben, aus reinem Mondlicht und dem heiligen Wasser des Sees. Sie kämpften erbittert gegen die Flut der düsteren Soldaten und trieben sie zurück in ihr Reich. Um sie dort halten zu können erschufen sie weitere Arten. Menschen, Zwerge und weitere Völker wurden geboren um die Welt zu schützen.

Doch auch leider hatten sie ihre Makel und schon bald stellten diese sich gegen sie. Enttäuscht und entsetzt von den Taten ihrer Schöpfungen flohen die Drachen. Die Elben waren ihr einziger Schutz und so zogen sie sich in die entlegensten Winkel der Welt zurück. Nur wenige jener verschiedener Arten wurden auserkoren um das Geheimnis ihrer zu wahren und das Reich gegen die Finsternis zu schützen. Gekennzeichnet mit den Malen der Drachen und der Elben hatten sie Kräfte die ihnen halfen dagegen anzukämpfen.

Die Zeit verging, ein Jahrtausend nach dem anderen verflog und von Jahr zu Jahr schwanden diese Wächter. Nur noch wenige wurden ernannt. Die Zeiten waren ruhig. Die Albae hielten sich versteckt in ihrem Reich, wartend und lauernd, auf den richtigen Zeitpunkt um ihr Reich wieder zurück zu erobern.

Und nun ist die Zeit gekommen. Nur noch wenige Wächter leben auf dieser Welt, doch mit Hilfe eines uralten Artefakts, verborgen in den Grabstätten Muria´s des Reiches und der Albae, würden die Albae besiegt werden.

Bilder der Zerstörung, Auferstehung und der Wächter huschten schnell hinter meinem inneren Auge vorbei. Unendliche Macht durchströmte mich. „Ihr seid jetzt eine der wenigen die diese Welt nun mit dem Segen der Drachen beschützt. Hüte dieses Geheimnis. Es gibt Mächte da draußen die darum wissen und euch tot sehen wollen“. Riet mir der Drache und verschwand wieder. Dann war es vorbei. Mein Geist glitt wieder zurück in meinen Körper. Sanft in den See hinab schwebend kam ich langsam wieder zu mir. Athrandiel´s Singsang verebbte langsam und alles versank in tiefer Stille. Athrandiel sah mich mit einem überraschten Blick an. Er wusste das der Drache mich zu einem Reiter ernannt hatte.

Wärend er mich wieder aus dem See begleitete, setzte das sanfte Harfenspiel wieder ein und er begleitete mich zu seinem Tisch. „Ihr ward wunderschön. Bewahrt unser Geheimnis und erfüllt euren Schwur.“ Flüsterte er mir noch leise ins Ohr als wir uns an den Tisch setzten. Ich durfte auf den freien Platz rechts neben ihm platzt nehmen. Ich hatte nur benommen genickt und mich hingesetzt.

Ich fühlte mich, wie erwacht. Alles war viel klarer. Meine Sinne geschärft, meine Gefühle geordnet und zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich die Zeichen und Symbole auf meiner Haut lesen. „Freunde, das Mondlichterfest dient nicht nur zur Bestimmung des nächsten Mediums, sondern auch als Dank an unsere Schöpfer und der Magie der wir entsprangen. Nun esst, trinkt und feiert!“ Damit setzte sich auch Athrandiel und das Fest konnte anfangen.

Die vielen Schüsseln mit verschiedensten Köstlichkeiten die das Elbenreich zu bieten hatten, rochen göttlich. „Ich bin froh euch wieder zu sehen!“ Nahm ich die Stimme rechts von mir war. Zum ersten Mal sah ich mich um und freute mich meinen Waffenbruder Rathiel zu sehen. Er, der Sohn seines Vaters, Prinz von Eliant, sah genauso aus wie er. Langes silbernes Haar, feine elfenbeinfarbene Haut, ein schmal scharf geschnittenes Gesicht und wieder diese schwarzen Augen in denen man sich verlieren konnte. Freudestrahlend legte ich ihm meine Hand auf die Seine. „Das kann ich nur erwidern!“ Alec der direkt neben dem Prinzen saß, sah mich mit großen Augen an. Die anderen hatten sich von dem kleinen Schock erholt, begrüßten mich kurz und machten sich dann über das herrliche Essen her. Da die Elben im Einklang der Natur lebten, jagten sie keine Tiere um sie zu essen, sondern aßen rein vegetarisch.

Wärend des Essens unterhielt ich mich angeregt mit Rathiel und genoss seine Nähe. Wir hatten uns Jahre nicht mehr gesehen, aus gutem Grund. Doch, ihn jetzt hier zu sehen und ihm wieder so nahe zu sein bereitete mir höchste Glücksgefühle und eine lange nicht mehr gespürte Wärme. Auch er war froh, sah ich ihm an und konnte es regelrecht spüren. Tänzer hatten sich in der Mitte der Festtafel zusammengefunden und boten ein spektakuläres Schauspiel. Auch ich wurde von Rathiel aufgefordert und so folgte ich ihm Hand in Hand unter die bereits tanzenden Elben. Ihre Gewänder wehten und drehten sich mit jeder Bewegung und jedem Schritt und bildeten ein imposantes Bildnis.

Ich ließ mich von Rathiel durch den Tanz führen. Seine Berührungen waren sanft, bestimmt und fließend. Es war mir ein leichtes seinen Schritten zu folgen und so schwebten wir regelrecht über den weichen Gras. Meine Zeichen leuchteten jedes Mal auf, wenn das Mondlicht sie beschien. Ein tanzender Silberstreif inmitten von wunderschönen Elben.

Ich hätte ewig so weiter tanzen können, aber ich wusste um die Gefahr. Es waren schon Menschen gestorben in dem tödlichen Sog den diese Gefühle auslösten. So begleitete mich Rathiel wieder zurück zu meinem Platz, doch ich wollte nicht wieder sitzen und so gingen wir mit Alec im Schlepptau ein wenig spazieren. Alec traute den überirdischen Elben nicht und war ohne wiederrede mit uns gekommen. Das wir uns auf elbisch unterhielten störte ihn nicht, er wollte nur in meiner Nähe bleiben.

„Wie ist es dir ergangen?“ sein mitleidiger Blick ließ mich traurig werden. „Nachdem ich euch verlassen musste bin ich viel herumbekommen. Doch letztendlich hat mich Master Rumbold gefunden. Er ist der Beschützer des Wissens in Theron. Er fand mich halb tot in den Gassen, nachdem ich mir aus Trauer und Trennungsschmerz fast das Herz aus der Brust geschnitten hatte.“ Sein Blick verfinsterte sich. „Wieso bist du dann nicht geblieben? Bei dem was du für uns getan hast, hätte mein Vater bestimmt zugelassen das du meine Prinzessin werden dürftest. Wir stehen in tieferer Schuld bei dir, als jedem im ganzen Königreich!“ Ich schüttelte mit dem Kopf.

Langsam gingen wir durch die imposante Kathedrale. Durch die kunstvollen Fenster viel das sanfte Mondlicht und bildete ein Lichtermeer aus vielen kleinen Lichtpunkten. „Wie gern ich das getan hätte, aber es hatte mich etwas getrieben. Du weißt doch dieses Ziehen, welches ich nicht loswerden konnte!“ Er nickte nur und starrte auf den Boden. Er hatte es immer gespürt, egal wie glücklich sie zusammen waren, sie gehörte einfach nicht hier hin. Auch ihn hatte es fast zerrissen, das Band welches sie verband war stark. War es immer noch. Als eines Tages bei einem Kampf ihnen das Symbol auf die Haut gebrannt war, welches sie als Waffenbrüder zeichnete, war ihnen klar gewesen, dass sie als Liebespaar keine Zukunft hatten. Der Schmerz war trotzdem groß gewesen.

„Aber ich sehe das du neue Gefährten gefunden hast!“ Mit einem Blick nach Alec der sich eher gelangweilt umsah, sah er mir wieder in die Augen und blieb stehen. Ich sah ebenfalls nach Alec und dieser Druck im Kopf wurde wieder stärker, als er in meine Richtung sah. „Euch verbindet ebenfalls etwas“, sein Blick ruhte auf mir. Überrascht sah ich in an. „Das selbe hat auch Madame Arlí gesagt, was soll das bedeuten?“ Bei ihrem Namen verfinsterte sich sein Gesicht. Wütend drehte er sich weg und Schritt auf und ab. „Ich habe dir doch gesagt, du sollst dich von ihr fernhalten!“ Sein wunderschönes Gesicht verzog sich zu einer dunklen fiesen Fratze.

Ich ging sofort auf ihn zu und hielt sein Gesicht in meinen Händen. „Ich weiß Liebster,“ sprach ich ihn an um ihn zu beruhigen. „…doch ich musste etwas holen, etwas was mir sehr wichtig war und was ich nur bei ihr verwahren konnte!“ Er sah mich immer noch wütend an. Ich stellte mich auf meine Zehenspitzen und küsste ihn sanft auf den Mund. Ich spürte das seine Anspannung verschwand. Er legte seine Arme um mich und zog mich noch näher an sich heran. Eine Flut der Leidenschaft und Hitze stieg in mir auf. Seine Küsse wurden direkter und fordernder. Es fühlte sich fast wie damals an, doch es hatte sich etwas verändert. Das spürte auch er und ließ von mir ab. Seine Hände noch auf meiner Hüfte ruhend, sah er mich, jetzt wieder mit seinem hübschen Antlitz, in die Augen. „Es hat sich wirklich etwas verändert!“

Ein Räuspern holte mich wieder in die Realität zurück und auch der Druck kam wieder. Alec stand ein paar Schritte von uns entfernt. Dann blickte Rathiel zwischen mir und ihm hin und her. „Er ist es!“ „Wie bitte?“ fragte ich ihn überrascht. Er lächelte mich jetzt wissend an. „Ihr seid miteinander verbunden!“ Laut loslachend, sah ich ihn nur völlig verdattert an. Wütend trat ich einen Schritt zurück und sah den Elb an. Trotz seines Lachens las ich Verbitterung in seinen Augen. Alec kam näher und fragte mich grollend: „Was hat dieses Spitzohr zu lachen?“ Die Beleidigung überhörend erklärte Rathiel wieder in unserer Sprache. „Sir Alec, ihr wisst was Waffenbrüder sind?“ mit verschränkten Armen und mit leichtem Spott in der Stimme, richtete er seine Frage an meinen Gefährten.

Dieser grinste überheblich. „Natürlich weiß ich was Waffenbrüder sind. Waffenbrüder werden zwei Personen die im Kampfe perfekt miteinander harmonieren und die Stärken des anderen ergänzen!“ „Ja eine sehr grobe Zusammenfassung, aber nicht falsch!“ Ich rollte mit den Augen. Ich kannte diesen Lehrerton den er immer anschlug, wenn er jedem altklug sein Wissen preisgab. „Die magische Verbindung zwischen Waffenbrüdern entsteht durch sich zwei harmonierende Individuen, wärend des Kampfes. Dabei brennt sich das Mal des anderen in die Haut. Dabei zog er seinen Ärmel hoch und deutete auf die Rune die dort rot schimmerte. Meine war an der selben Stelle. Von da an sind sie unzertrennlich. Sie nehmen einen Platz in dem Geist des jeweils anderen ein, teilen Gefühle, Schmerz und Gedanken. Es zerbricht nur, wenn einer von beiden stirbt!“ Alec zog verächtlich eine Augenbraue hoch und schnaubte nur. „Diese Magie Gequatscht ist doch Humbug!“ Ich zeigte ihm die Stelle auf meinem Unterarm, wo sich die rote Rune eingebrannt hatte.

„Was hat das nun mit uns zu tun?“ wand ich mich wieder an Rathiel. „Nun ja das Band der Waffenbrüder ist schon sehr stark, doch dass der Vereinten ist umso stärker. Verbundene Seelen, auch wenn sie nie etwas miteinander zu tun hatten und haben, wenn sie vereint sind, sind sie stärker als jeder Waffenbruder. Sie teilen nicht nur Gefühle und Gedanken, sondern auch die Fähigkeiten des anderen in sich auf. Ob sie sie nutzen oder nicht ist eine andere Sache.“ Alec und ich sahen ihn immer noch verwirrt an. „Ich spüre dich schon seitdem ihr den Wald betreten habt. Und mir ist von vorneherein deine Veränderung aufgefallen.“ Er machte eine kurze Pause und sah mir in die Augen. „Deine Kopfschmerzen, haben einen Grund…“ Er kam mir wieder näher, legte einen Finger unter mein Kinn und küsste mich sanft. Sein Kuss war sanft und hinterließ ein Kribbeln auf meinen Lippen. Mein Herz setzte für einen Schlag aus. Ein leises Stöhnen entrann meiner Kehle. Mein Körper erinnerte sich nur gut an ihn. Sofort pochte es wieder hinter meinen Augen. Mein Herz flatterte und es kribbelte. Sein Kuss war so sanft und leicht, wie ein Schmetterling. Doch rief er alte Gefühle wach, die mich zu verschlingen drohten, wenn da nicht noch etwas anderes wäre.

Mit einem Blick auf Alec, der rot vor Wut angelaufen war, zog er sich wieder zurück. Ich spürte wie der Druck wieder nachließ. „Er schreit dich mental an, wenn ich dich küsse!“ Sein süffisantes Grinsen schockierte mich. „Bitte was?“ Mit einem Blick auf Alec, der genauso verblüfft dreinschaute, machte es langsam klick. Mein Blick wanderte von einem zum anderen. „Nein!“ schrie ich aus. Ich wusste was das bedeutete. „Nein, das ist nicht möglich. Er?“ Rathiel lachte laut auf. „Es tut mir leid meine Liebe. Das wars dann wohl mit unserer unendlichen Liebe“. Wut stieg in mir auf. „Das ist nicht dein ernst?“ „Ihr braucht mich nicht so anzublaffen Lady Jeanne, da seid ihr ganz selbst mit dabei!“

Rathiel hob unschuldig seine Hände, doch sein Grinsen ließ Zweifel an seiner Aussage. Alec kam auf ihn zu gestürmt, packte ihn am Kragen und fixierte ihn mit den Augen. „Das reicht Elb! Wie könnt ihr nur solche Behauptungen aufstellen?“ Rathiel wurde ernst. „Ich warne euch, eure erste Beleidigung wäre schon euer tot, mich jetzt so anzugehen und einen Lügner zu nennen kostet es euch vielleicht wirklich!“ Seine schwarzen Augen färbten sich noch dunkler und eine dunkle Aura bildete sich um ihn. Alec ließ sofort von ihm ab. „Erforscht eure Gefühle. Ihr wisst das ich recht habe!“

Mir wurde das alles zu viel. Wie konnte mir das nur passieren? Mir, die sich nie binden wollte, die frei leben und sich niemanden auf erzwungen sein durfte. Ein Waffenbruder war wenigstens noch nützlich und mal eine Romanze tat auch niemanden weh, schließlich hatte man ja Bedürfnisse. Aber einen Vereinten zu haben, jemand mit dem man sein restliches Leben verbringen muss, angekettet wie ein Tier. Nein! Ich drehte mich um und rannte, weg von allem.

Alles um mich verschwamm zu einer bunten undeutlichen Masse. Ich hörte noch Rathiel in meinem Kopf, der nach mir rief, doch ich machte dicht und rannte blindlings los. Die Feier, die vielen Elben, die Musik, all das musste ich loswerden. Meine Füße trugen mich schnell aus der Stadt raus, in den Wald hinein. Das Gewand flatterte um meinen Körper, der Wind bließ mir kühl ins Gesicht und der Rhythmus meines Atems passte sich meiner Laufgeschwindigkeit an. Der Wald flog an mir vorbei als ich durch die Nacht rannte. Weg, einfach nur weg von meinen Problemen und Sorgen. So hatte ich es schon früher getan…

 

 

 

 

 

Der goldene Drache

 

Ich weiß nicht wie lange ich schon rannte, doch irgendwann schmerzten meine Füße und ich blieb schwer atmend stehen. Normalerweise war ich nicht so schnell aus der Puste zu bekommen, doch nach diesem Gewaltlauf kam selbst ich an meine Grenzen. Schnaufend und an einen Baum gestützt, sah ich mich um. Überall waren nur dunkle Bäume, über mir ein dichtes Blätterdach. Ich musste kurz wieder zu Atem kommen. Wo war ich nur? Vor mir konnte ich eine kleine Lichtung ausmachen.

Als ich aus dem Dickicht trat öffnete sich der Wald vor mir und eine riesige Felsspalte tat sich im Boden auf. Ich starrte vorsichtig in den dunklen Abgrund, konnte aber nichts erkennen. Selbst der Grund blieb mir verborgen. Warme Luft stieg aus der Tiefe empor, wie der Atem eines riesigen Drachen. Dahinter über einem Hügel schien der Mond, klar und hell. Erhitzt und müde schleppte ich mich mit meinen durchgelaufenen Schuhen an der Felsspalte entlang zu dem Hügel. Am Fuße angekommen brach ich weinend zusammen. Es war einfach alles zu viel. Auch wenn es eine große Ehre war als Wächter des Reiches ernannt zu werden und als Medium auf dem Mondlichterfest gedient zu haben, war es eine Bürde. Dann noch die Gewissheit das ich nie wieder frei sein würde würden, da ich mit einem Mann verbunden war den ich kaum kannte noch mochte und zu allem Übel das Wissen, dass wenn wir scheiterten mit unserer Reise, die Welt unterginge und das Böse die Herrschaft übernahm.

Es war einfach alles zu viel. Dicke Tränen rollten meine Wange hinunter und mischten sich mit dem Blut aus den Wunden in meinem Gesicht. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich durch Dornen gelaufen war. Das Kleid war zerrissen und hing nur noch in Fetzen von meinem Körper, Arme und Beine sowie mein Gesicht waren überzogen von dicken blutigen Striemen. Doch das alles war mir egal, ich wollte nur alleine sein.

Irgendwann schien ich eingeschlafen zu sein, denn ich wachte mit gehörigen Kopfschmerzen wieder auf. Irgendwer versuchte dringend in meinen Geist zu gelangen. Ich spürte Rathiel, doch auch ihn wollte ich nicht sprechen. Sein Gelächter um meine Situation hatten keine plus Punkte bei mir eingeheimst. Wut kochte wieder in mir hoch. Ich stand auf und streckte mich. Frustriert trat ich gegen den Felsen an den ich gelehnt geschlafen hatte und verfluchte mich sofort als der Schmerz prompt durch meine Zehen fuhr. Mit einem aufseufzen bewegte sich dieser.

Erschrocken sprang ich zurück und sah mir den Steinhaufen genauer an. Mit Schrecken erkannte ich das dieser Schuppen hatte und atmete. Wer stört mich in meinem Schlaf? Ertönte es in meinem Kopf, dann bewegte sich der gesamte Fels. Gewaltige Flügel streckten, ein mächtiger Schwanz entrollte sich und zwei goldfarbene Augen starrten mich an. Ich hatte einen Drachen geweckt. Dieser stand auf und zeigte sich in seiner ganzen Pracht. Stämmige Beine, ein eleganter Hals auf dessen Ende ein riesiger konisch zulaufender Kopf saß in dessen Maul dolchgroße scharfe Zähne steckten. Seine riesigen Flügel überspannten das ganze freie Areal um die Felsspalte. Seine mächtigen schwertgroßen Klauen rissen Brocken aus dem Gestein und hinterließen tiefe Furchen. Doch am beeindruckendsten waren seine Gold schillernden Schuppen die, groß wie Tore, seinen ganzen Körper zierten und ihn vor Angreifern schützen.

Schnell kniete ich nieder und senkte den Blick. „Bitte verzeiht mir die Störung. Ich wusste nicht das ihr hier lebt!“ Sein riesiger Kopf schwenkte zu mir hinunter und sein heißer Atem bließ mir entgegen. Ihr seid eine Wächterin. Erhebt euch! Seine tiefe Stimme hallte in meinem ganzen Körper wieder. Wie in Trance stand ich auf und sah in seine goldenen Augen. Sein Blick begutachtete mich und blieb auf meinen Malen hängen. Was führt euch beim heutigen Mondlichterfest hier hinaus in den dunklen gefährlichen Wald? „Es wurde mir einfach zu voll!“ Ihr seid eine schlechte Lügnerin. Ich schluckte schwer. Ihr wisst das ich eure Gedanken lesen kann! Ihr seid mit mir verbunden genauso wie mit eurem Waffenbruder und eurem Gefährten. Wieso habt ihr nur solche Angst davor? „Ihr könnt meine Gefühle lesen, beantwortet das nicht eure Frage?“ Er kniff die Augen etwas enger zusammen und schüttelte dann den Kopf. Ein Lachen erfüllte meinen Geist. Ihr seid mutig, mutig und dumm einem Drachen wie mir so zu entgegnen. Ihr seid wie euer Vater in jungen Jahren, genauso ein hitzköpfiger unüberlegter Kämpfer. Aber hatte Talent und eine Gabe. Überrascht sah ich ihn an. „Ihr kanntet meinen Vater?“ Der Drache sah mich prüfend an. Ja ich kannte euren Vater. Er gehörte zu den letzten Wächtern die auf dieser Erde wandelten die auf uns Drachen in den Kampf gezogen waren. Damals lebten Drachen und Menschen friedlich nebeneinander. „Erzählt mir mehr, bitte. Ich kenne niemanden der mir etwas über meine Vergangenheit erzählen kann.“ Er schüttelte sanft mit seinem Kopf. Das stimmt nicht. Die Hexe kennt eure wahre Herkunft. Sie kennt euren wahren Namen. Ich überlegte kurz. „Nennt sie mich deswegen Ray?“ Wieder nickte er. „Wer bin ich dann? Und wo komme ich her? Was ist mit meinen Eltern passiert?“ Fragen über Fragen, aber es ist nicht die richtige Zeit um sie euch zu beantworten. Ihr werdet es bald selbst herausfinden. Eines ist aber gesagt, ihr seid wie euer Vater, mutig, treu, ehrlich und wagemutig. Die Gabe eures Vaters tragt auch ihr inne. Ein Lächeln huschte über meine Lippen. Doch so sehr ihr mich amüsiert, ihr könnt hier nicht bleiben. Dieser Ort ist heilig und einer der letzten Ruhestätte die wir Drachen nutzen können. Uns verbergen können vor den neugierigen und mordlustigen Augen der Menschen und Albae. Ein bitterer Beigeschmack lag in seiner Stimme und ich sah zurück in den Wald, der mir jetzt wesentlich beängstigender vorkam. Lass deinen Waffenbruder in deinen Geist. Ich bekomme noch Kopfschmerzen! Damit drehte er sich weg und rollte sich wieder ein.

Widerwillig öffnete ich meinen Geist für Rathiel. Jeanne, wage es nicht noch einmal mich auszuschließen. Wo um alles in der Welt bist du? Keifte er mich an und eine Welle der Wut und Verzweiflung überrollte meinen Geist. Ich schickte ihm die Bilder, den Weg den ich genommen hatte und wo ich gerade war. Er wird diese Lichtung nicht finden. Egal wie viele Bilder ihr ihm sendet! Lachte der Drache höhnisch auf. Ich drehte mich zu ihm um. „Wieso das nicht?“ Nur Wächter können die magische Barriere durchschreiten, denn dieser Boden ist heilig und nur dem Guten ist der Zutritt gestattet. „Aber er ist mein Waffenbruder!“ Wieder ein leichtes Beben. Selbst ihnen ist es nicht gestattet. Nun geht ihm entgegen, sonst verpasst ihr ihn noch. Mit einer Kralle deutete er in Richtung einer hohen Eiche die den Rest des Waldes überragte. „Ich danke euch für die kurze Rast und vergebt mir die Störung“. Damit drehte ich mich um und folgte seinem Wink. Er sah mir noch eine Weile hinterher.

Plötzlich spürte ich einen Windhauch hinter mir und einen Flügel an meiner Seite. Ich hielt an und drehte mich um. Der goldene Drache stand direkt hinter mir. Ihr werdet auf eurer Reise vielen Hindernissen und Gegenwehr meistern müssen. Nimmt dies als Geschenk. Damit reichte er mir eine seiner goldenen Schuppen die so groß war wie meine Handfläche. Sie war relativ leicht, funkelte im Mondlicht und war warm. Ruft mich wenn ihr Hilfe braucht, wenn euch kein Ausweg mehr bleibt. Aber gebt gut Acht, Drachenschuppen sind begehrt. Es wurde schon getötet um eine zu ergattern. Ich nickte ihm dankend zu. Einen Moment sahen wir uns nur in die Augen und verharrten voreinander. Lasst eure Gefühle zu. Verbündete, Vereinte und Waffenbrüder sind nicht nur lästige Anhängsel. Sie sind sehr nützlich und werden euch das Leben retten. Ich nickte ihm zu, verbeugte mich und sah ihm zu wie er wieder in die Mitte des Felsen schritt und sich dort wieder einrollte. Mit der goldenen Schuppe in der Hand lief ich auf den Waldrand zu, auf das Donnerwetter wartend.

 

 

 

 

 

 

 

 

Gefährten

 

Es dauerte nicht lange, als ich schon das Donnern der Hufe zweier Pferde hörte. Zwischen den Bäumen tauchten zwei Reiter auf ungezäumten Schimmeln auf. Als der suchende Blick Rathiel´s meine zerrissenen Kleider und den blutigen Striemen erblickten, flammte Wut in seinen Augen auf. Aufsitzen! Sofort! Ich tat wie ihm geheißen und sprang hinter ihm aufs Pferd. Sein Körper war warm und tröstend. Doch er bebte vor Zorn. Sein Rücken war angespannt und hart. Ich schlang meine Arme um seine Taille und drückte mich an ihn, während ich sich das Pferd unter uns sich seinen Weg durch das Unterholz bahnte. Langsam schien er sich zu entspannen, da er mich nun wieder bei sich hatte. Die Schuppe gut versteckt in einer der vielen Falten meines Kleides. Ohne ein weiteres Wort ritten wir, mit dem Wächter der den Prinzen beschützte, zurück nach Eliant.

Das Fest war noch in vollem Gange, als wir uns von den Pferden schwangen. Niemandem war es anscheint aufgefallen das ich verschwunden war, außer Alec und Rathiel natürlich. Der großgewachsene Elb warf mich mit Leichtigkeit über seine Schulter und trug mich hoch in seine Gemächer. Der Wächter der ihn begleitet hatte, kümmerte sich derweil um die Pferde. Ohne nur eine Miene zu verziehen hatten mich die beiden Elben eingeholt.

Das Schloss welches sich über der Kathedrale hoch in die Bäume schraubte, bot durch die riesigen bodentiefen Fenster die jeden Gang schmückten einen wunderschönen Ausblick, weit über den Wald hinaus. „Würdest du mich jetzt bitte runter lassen? Ich kann selber laufen! Außerdem wird mir von deinem Gehopse ganz schlecht“. Aus dem nichts wurde ich herumgewirbelt und stand wieder auf meinen Füßen. Seine Hände neben meinen Kopf gegen die Wand gestemmt, presste er mich gegen die Wand und sah mich mit Zorn und Trauer in den Augen an. „Hast du eigentlich eine Ahnung wie es mir momentan mit deiner Situation geht?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, küsste er mich hart auf den Mund. Sein drahtiger Körper presste sich an den meinen und raubte mir den Atem. Sein Körper schmiegte sich perfekt gegen den meinen und ich konnte nicht anders als auf ihn zu reagieren.

Ich schmeckte den süßen Wein auf seinen Lippen, für den die Elben aus Eliant so bekannt waren und der so sündhaft teuer in den Menschenreichen weiterverkauft wurden. Er biss mir mit seinem Eckzahn etwas unsanft auf die Lippe, so dass ich auf quietschte. Mit einem Ruck ließ er von mir ab und sah mit tiefschwarzen lüsternen Augen auf den Blutstropfen der auf meiner Lippe klebte. Schwer atmend und benommen von dem wilden Kuss standen wir uns beide gegenüber. Mein Körper lechzte nach mehr und schmerzte verlangend.

„Weißt du eigentlich wie es schwer es war dich gehen zu lassen?“ Er raunte seine Worte nur leise. „Dich meine Geliebte, meine zukünftige Frau. Dich hinaus in die Welt zulassen, zu wissen das du irgendwann deinen Gefährten treffen, nur ihm gehören wirst!“ Ich sah ihn einfach nur stumm an. Seine Gefühle überschwemmten mich, ließen mich zittern, übermannten mich.

Ich zog sein Gesicht zu mir herunter. Seine Lippen trafen hart auf die meinen. Seine Finger glitten an meinem Körper entlang und ließen mich bei jeder Berührung aufstöhnen. Ich konnte dem nicht mehr standhalten. Seitdem ich hier war konnte ich an nichts anderes mehr denken, als Rathiel und ich vereint.

Doch ein stechender Schmerz in meinem Kopf setzen unserer Liebelei ein jähes Ende. Ich schrie spitz auf und sackte zusammen. Rathiel fing mich auf und sah völlig irritiert auf mich hinunter. Ich ließ meine Barriere hinunter und wurde von einer Flut an Gefühlen und Bildern erschlagen. Alec der gefangen in den Armen einer hübschen Elbin lag die ihn gegen seinen Willen, was sehr beeindruckend war, versuchte zu verführen. Wütend durchbrach ich seine Mauer und schrie ihn an. Wehe, dann wars das mit unserer Gefährten Sache! Erschrocken zuckte er zurück und sah natürlich auch durch meine Augen. Ach, die wehrte Lady Jeanne darf sich mit ihrem Elbenprinzen vergnügen und ich muss keusch sein? – Ihr habt keine Ahnung wovon ihr da redet! Keifte ich zurück.

Rathiel musste schmunzeln, als er unsere Unterhaltung verfolgt. „Du musst ihm eingestehen, wo er recht hat, hat er Recht!“ Wütend funkelte ich auch ihn an. Wieder an Alec gerichtet keifte ich, wir treffen uns in deinem Gemach! Damit endete unser Gespräch. Ich seufzte schwer. „Es tut mir leid Rathiel, ich habe mich von meinen Gefühlen mitreißen lassen.“ Auch er sah mich entschuldigend an. „Ich muss mich entschuldigen. Ich hätte nicht so forsch sein dürfen. Du gehörst jetzt zu einem anderen. Ich muss dich endlich gehen lassen und mir wohl oder übel eine eigene Prinzessin suchen“. Seine Worte zerstachen mein Herz wie tausend Klingen, doch ich musste ihm Recht geben. Es war besser so, wir waren schließlich noch Waffenbrüder. „Es sei denn du brauchst irgendwann mal wieder einen Elben der dich beglücken kann, dann darfst du jeder Zeit zu mir kommen, egal ob verheiratet oder nicht. Du bist und bleibst meine wahre Liebe!“ Mit einem verschmitzten und traurigen Lächeln erklärte er mir den Weg zu Alec´s Gemächern und machte sich wieder daran zur Feier zurück zu gehen.

Mein Herz raste bei dem Gedanken, den Mann nahe zu kommen der mich in meinen Träumen immer wieder knapp beglückte. Ich hoffte zu mindestens das er kommen würde und von der Elbin ablassen konnte. Als ich vor seiner Tür stand, wurde mir erst mal mein Aussehen bewusst. Das Kleid bedeckte nur noch wenig meinen Körper. Und bevor ich drüber nachdenken konnte ob ich nochmal zurückgehen um mich umzuziehen, hörte ich schon schnelle Schritte die Treppe hinaufkommen. Ich drehte mich um und sah in Alec´s geschockte Gesicht.

„Was ist denn mit euch passiert?“ Etwas verlegen sah ich auf meine kaputten Schuhe. Er eilte schnell auf mich zu und begleitete mich in seine Gemächer. „Setzt euch!“ Er deutet auf sein Bett und ich zögerte nicht lange. Die Flucht in den Wald, der Gefühlsausbruch und die Wut hatten mir meine letzten Energiereserven aufgebraucht. Ohne ein weiteres Wort hatte mir Alec ein heißes Bad eingelassen und schob mich zu der dampfenden Wanne. Ein freches Grinsen huschte über sein Gesicht als er seine Worte wählte. „Soll ich euch helfen die letzten Fetzten von eurem Körper zu reißen oder schafft ihr das alleine?“ Ich streckte ihm die Zunge raus und schwankte langsam in das mittlerweile vernebelte Zimmer.

Langsam rutschte der Stoff von meinen Schultern. Durch den dichten Dampf konnte er nur meine Konturen sehen. Ich hörte ihn scharf die Luft einziehen als er mich dort stehen sah, aber das war mir egal. Er würde mich wahrscheinlich so oder so bald so sehen und außerdem wollte ich ganz dringend in die heißen Fluten steigen.

Das Wasser brannte in meinen Wunden und ich stöhnte schmerzerfüllt auf. Ich spürte seine Sorge und gleichzeitig auch sein Verlangen. Wenn du was zu sagen hast dann sag es! Hauchte ich süffisant in seinen Geist. Ich habe gerade eher Mühe euch die Bilder in meinem Kopf vorzuenthalten. Ich konnte es mir auch so vorstellen, ohne dass ich in seine Gedanken sah.

Leider konnte ich das Bad nicht so genießen wie ich es wollte. So stieg ich schnell wieder hinaus und bedeckte mich mit einem großen Tuch, welches neben der Wanne hing. Alec hatte sich keinen Zentimeter von der Wand bewegt an der er lehnte. Zu wissen das ich unter dem Tuch nackt war, schien ihn weniger zu erregen, als mein Aussehen. Sein besorgtes Gesicht verwandelte sich in Wut. Er deutete mit einer Handbewegung aufs Bett. Ohne ein Wort zu sagen setzte ich mich, nass wie ich war. Er zog einen Stuhl vors Bett und nahm eine Salbe und Tuch, welche er aus seiner Satteltasche nahm in die Hand um die Striemen zu behandeln.

Das meiste war schon verheilt doch einige in Gesicht und Beinen wollten sich einfach nicht schließen. Wärend er sanft mit dem Tuch die Stellen trocken tupfte und die Salbe mit einem weichen Schwamm verrieb, konnte ich nicht anders als ihn dabei genauer zu betrachten. Unter seinem leichten Gewand zeichneten sich seine muskulösen Schultern und Oberarme ab. Sein meist wildes braunes Haar war frisch gewaschen und gekämmt. Er duftete nach frischem Gras, obwohl ich seinen männlichen erdigen Geruch attraktiver fand. Seine Lippen waren aufeinander gepresst, als er einen tiefen Schnitt auf meinem Oberschenkel mit der Salbe bedeckte.

„Es tut mir leid!“ Stieß es aus mir heraus. Überrascht sah er auf und die Wut in seinen Augen, wich der Sorge. „Das du ausgerechnet mit mir verbunden bist. Ich die am wenigstens heiratsfähige der sich bindende Person überhaupt.“ Verwirrt kniff er die Augen zusammen, als er verstand musste er grinsen und arbeitete weiter. „Du glaubst ich bin wütend auf dich? Das ich mit dir verbunden bin?“ Ich nickte kurz. Ein leichtes Beben in seinem Oberkörper verriet mir das er lachte. Dann sah er wieder auf und deckte mein Bein wieder mit dem Tuch zu. „Nein ich bin nicht wütend darauf das ich mit dir verbunden bin. Ich bin wütend auf den Elb, der es die ganze Zeit gewusst hatte und es dir auf so laszive und perverse Art und Weise gezeigt hat. Ich bin wütend das er uns zum Narren und uns ausgelacht hat. Mal abgesehen davon das ich mir nie gedacht hätte jemals überhaupt in diesen Magiekram rein zu geraten.“ In seinen Augen las ich Frust, Trauer, Wut, Sorge und aber auch ein bisschen Vorfreude.

Er bat mich ein wenig vorzurutschen damit er besser an mein Gesicht kam. „Rathiel meinte es nicht böse“, versuchte ich ihm zu erklären. „Du musst bedenken, dass er mich zur Frau nehmen wollte. Als wir Waffenbrüder wurden, war klar das er niemals mein Gefährte werden würde. Von da an brannte seine Leidenschaft umso mehr und er hätte mich nie gehen gelassen. Aber er merkte wie unglücklich ich wurde und so hat er mich gehen lassen. Auch wenn er irgendwann eine Elbin finden und sie heiraten wird, er wird mich immer lieben. So ist das bei den Elben, sie verlieren nur einmal ihr Herz.“ Sein Blick ruhte auf meinem Gesicht, er schüttelte mit dem Kopf. „Das ist traurig.“ Ich verstand was er damit sagen wollte und nickte nur.

Sanft berührte er einen Schnitt in meinem Gesicht. Ich zuckte leicht zurück, als die Salbe leicht brennend ihr Werk tat. „Mir ist aufgefallen das wir uns nie berühren!“ Ich hätte mir am liebsten für diese Bemerkung vor den Kopf geschlagen. Alec legte grinsend Tuch und Salbe zur Seite und sah mich herausfordernd an. „Das können wir ganz schnell ändern!“ Ich funkelte ihn böse an. „Ohne mein Zustimmung machst du gar nichts.“ „Ach duzen wir uns jetzt etwa schon?“ sein Lachen war ansteckend und so musste ich notgedrungen lächeln. „Wir werden, um unser Band komplett zu binden, noch ganz andere Dinge tun müssen als uns nur zu berühren.“ Ein Leuchten flackerte in seinen grünen Augen auf und Begierde machte sich breit.

Ich, die nur mit einem Tuch umwickelt, vor ihm auf dem Bett saß und er der mich wie eine Beute fixierte und lüstern angrinste, wurde mir meine Verletzbarkeit auf einmal bewusst. Ich mied seine Gedanken um nicht noch eingeschüchterter zu werden. Sein Blick erinnerte mich an meine Träume die sich jetzt mit voller Gewalt wieder in meinen Bewusstsein drängten. Nicht darauf bedacht diese abzuschirmen, sah Alec mit. Mit der Gewissheit, dass ich genauso verrückt nach ihm war wie er nach mir. Schwer keuchend in meinem Traum gefangen, sahen wir uns nur an. Ein Impuls würde reichen, dass wir übereinander herfielen. Was muss denn noch geschehen, dass wir vollständige Gefährten werden? Seine gepresste Stimme in meinem Kopf verriet mir seine Anspannung. Ich wurde rot bei dem Gedanken und musste mich zusammen reißen nicht wegzusehen, als ich ihm antwortete. Du weißt ganz genau was wir machen müssen! Mein Gott warum war ich denn auf einmal so schüchtern? Ich bin doch sonst nicht so prüde. Das hier ist aber etwas anderes, hallte es in meinem Kopf. Sag es! Knurrte Alec mich an.

Mein ganzer Körper vibrierte. Alec, der sich links und rechts neben mir auf dem Bett abstützte, kam immer näher, bis sein Gesicht nur noch wenige Zentimeter vor meinem schwebte. Ich spürte seine Hitze. Die Luft zwischen uns knisterte und ich konnte die Schwere seiner Worte auf mir spüren, wie ein Gewicht welches auf meiner Brust lag. Sein Blick durchbohrte mich, mein Wille sich ihm weiter zu widersetzen, ihm zu widerstehen, wurde schwächer je näher er mir kam. Die Bilder in meinem Kopf raubten mir den Atem und sein betörender Duft meinen Verstand.

Ich beschwor die Bilder in meinen Kopf und übertrug sie ihm. Er und ich wie wir eng umschlungen uns in den Laken liebten. Hart, zärtlich, voller Leidenschaft. Doch das reichte ihm nicht. Sag es! Sein kehliges knurren, ließ alles in mir zusammenziehen, mein Herz raste und mein Mund wurde trocken. Den Bildern folgend hauchte ich, Wir müssen miteinander schlafen!

Mit einem kehligen Geräusch und einem Blick voll brennender Leidenschaft, umschlang er mit einem Arm meine Taille und zog mich weiter auf das Bett. Ich spürte sein Gewicht auf mir, sein hartes Glied, welches sich an meinen Oberschenkel presste und sein Gesicht direkt vor meinem. Auf einem Arm abgestützt, nahm er mein Gesicht in die andere und grinste verschmitzt. Mit den Lippen an meinem Ohr flüsterte er: „Bist du sicher das du das willst?“ Sein heißer Atem streifte mein Kinn, als ich meinen Kopf in den Nacken legte und mich ihm mit geschlossenen Augen entgegen wölbte. Seine Lippen berührten sanft mein Ohr, wanderte an meinem Kinn entlang zu meinen leicht geöffneten Lippen. „Sag, Jeanne, willst du das?“ Ich erzitterte unter seinen Berührungen, als er mit seinen Lippen meinen Hals hinunter zu meinem Schlüsselbein strich. Mit einem kehligen fast kaum hörbaren: „Ja!“ gab ich mich ihm ganz hin. Mein Körper zitterte, verlangte nach ihm. Mein Unterleib zog sich lustvoll schmerzhaft zusammen, nicht mehr abwarten zu können, das er endlich in mich eindrang.

Sein heißer Atem wanderte hoch zu meinen Lippen, ich öffnete meine Augen und sah in seinen hungrigen Blick. Eine kurze Sekunde verstrich in der ich dachte das er einen Rückzieher machen wollte, doch dann pressten sich seine Lippen auf die meinen. Wie eine Explosion strahlten Glücksgefühle und ein Beben von meinen Lippen in meinen ganzen Körper. Ich erwiderte seinen Kuss genauso heftig und leidenschaftlich, als seine Zunge in meinen Mund eindrang. Ich vergaß die Welt um mich herum. Wir wurden eins je länger wir uns küssten. Seine Hände wanderten an meinem Körper entlang, unter das dünne Tuch welches mich bedeckt hatte. Er hielt kurz inne, wir rangen nach Atem. Sein Blick erwiderte genau das selbe unstillbare Verlangen, welches auch in mir brannte. Seine Küsse wanderten von meinen Lippen hinunter zu meinem Hals. Ein sanfter Schmerz ließ mich aufstöhnen, als er mir in die empfindliche Stelle Biss. Die Augen geschlossen, genoss ich seine Lippen auf meiner Haut und das was sie in mir auslösten. All die Wochen, in denen mich meine Träume quälten, all das Verlangen welches ich verdrängt hatte, brachen sich jetzt einen Weg frei.

Als er mit seiner Zunge sanft über mein Schlüsselbein fuhr und mit einer geschickten Bewegung meine Brüste entblößte, hatte ich das Gefühl zu brennen. Seine Hände umschlossen sanft meine Brust und seine Zunge bahnte sich einen weg zu den harten Brustwarzen. Sanft daran saugend, entluden sich weitere Stöße der Lust in meinem Schritt. Ich spürte wie feucht ich wurde und wimmerte. Ohne hast und Eile zog er die süße Qual in die Länge. Sein Mund wanderte zu der anderen Brustwarze und entfesselte dort weitere Qualen und elektrisierte mich.

Doch auch er wollte nicht länger warten. Er ließ kurz von mir ab um sich seiner Gewänder zu entledigen und ließ mir die Möglichkeit ihn in seiner vollen Pracht zu bewundern. Sein muskulöser Körper war teilweise mit Narben bedeckt, die ihn in meinen Augen nur noch männlicher und attraktiver erscheinen lassen. Seine vom jahrelangen Kampf gestärkten Arme konnten mich ohne Mühe hochheben. Sein erigiertes Glied, war groß und wohlgeformt. Ich biss mir auf die Lippen, als ich daran dachte welche Wonne er mir damit bescheren würde.

Ohne ein weiteres Wort zog er das Tuch komplett von mir weg, kniete sich zwischen meine geöffneten Beine und drang vorsichtig in mich ein. Ich stöhnte als ich ihn in mir spürte und bäumte mich auf, als er anfing sich langsam in mir zu bewegen. Durch das lange Vorspiel, waren meine Nerven aufs äußerste gespannt, als er endlich in mich eindrang, explodierten diese und ich stöhnte vor Wonne auf.

Er legte einen Arm unter mich und zog mich noch enger an sich, als er rhythmisch anfing in mich zu stoßen. Die Augen geschlossen und den Kopf in den Nacken geworfen, genoss ich jede seiner Bewegungen. Sein heißer Atem an meiner Kehle und das immer härter werdende Stoßen bescherten mir Wellen der Lust. Er stieß immer härter und wilder zu, ich gab mich ihm völlig hin und plötzlich zerbarst ich in tausend Teile. Ich verlor mich völlig in mir selber, erzitterte und ein Stöhnen welches aus meinem tiefsten Inneren kam brach sich einen Weg aus meiner Kehle. Wie in Trance genoss ich die Nachwehen meines Orgasmus und spürte ihn nur noch am Rande. Alec kam mit ein paar weiteren Stößen, krallte sich in meinen Rücken, Biss in meinen Hals und mit einem tiefen Stöhnen kam auch er.

Ich zuckte zusammen als ich ein Brennen auf meiner Hand spürte. Auch er zuckte heftig zurück. Ich öffnete wieder die Augen nachdem ich wieder zu mir gefunden hatte und sah auf meine Hand. Eine Rune leuchtete in bronzener Tinte auf meinem Handrücken. Auch Alec sah auf seine Hand, auf der sich dieselbe eingebrannt hatte. Er ließ mich langsam wieder auf die Laken sinken und legte sich schwer atmend neben mich. „Damit wären wir jetzt verbündete!“ Ich konnte nur Nicken, zu mehr war ich nicht im Stande. Er zog mich neben sich in die Arme, zog mein Kinn zu seinem Gesicht und küsste mich sanft auf meine geschwollenen Lippen. Diese kribbelten bei seiner Berührung und ich erwiderte seinen Kuss. Mein ganzer Körper vibrierte bei jeder seiner Berührungen, sehnte sich nach mehr. Doch jetzt waren wir beide so erschöpft das wir ohne weiteres einschliefen, ich in seinen Armen, für immer verbunden.

 

 

 

Düstertal

 

Am nächsten morgen wachte ich völlig desorientiert auf. Sonnenstrahlen hatten mich geweckt und mich aus einem süßen Traum geholt. Ich streckte mich und sah mich um. Das ist aber nicht mein Zimmer! Erschrocken sah ich mich um und mir viel wieder alles ein was sich in der letzten Nacht zugetragen hatte. Die Erinnerungen ließen mich erröten und dennoch erfüllten sie mich mit Glück. Alec war nirgendwo zu sehen, also sprang ich schnell auf, wickelte mir das große Tuch notdürftig um den Körper, klaubte mir die Stofffetzen meines ehemaligen Kleides und die goldene Drachenschuppe, die im Sonnenlicht glitzerte, vom Boden und verließ fluchtartig das Zimmer.

Draußen auf der Terrasse sah ich mich schnell um. Auf eine frühmorgendliche Begegnung mit meinen Kameraden oder gar einem Elben hatte ich wirklich keine Lust. Schnellen Schrittes rannte ich die Treppe hoch in mein Zimmer. Die kühle Herbstluft ließ mich unter dem dünnen Stoff zittern, aber die Angst erwischt zu werden war größer als der Schmerz der Kälte.

Schnell schlug ich die Tür meines Gemaches hinter mir zu und atmete auf. Ich war noch etwas schwach auf den Beinen und verurteilte mein Spiegelbild ein wenig, nachdem ich mich kurz frisch gemacht hatte. Ich zog mir wieder meine geliebte Ledergarnitur an und packte mein Reisegepäck. Ich warf den Beutel über meine Schulter und sah mich nochmal kurz um das ich auch nichts vergessen hatte. Einen letzten Blick auf das Symbol auf meiner Hand und ich zog meinen Handschuh darüber. Es musste ja nicht jeder gleich wissen, dass Alec und ich unser Schicksal vollzogen hatten. Das Kleid legte ich vorsichtig auf das gemachte Bett und verließ das gemütliche Zimmer. Mit einem letzten Blick in den Spiegel, konnte ich aufatmen, die Schrammen hatten sich schon so gut wie geschlossen. So konnte ich wenigstens unter die Augen des Elbenkönigs treten.

Wo warst du nur letzte Nacht? Rathiel´s amüsierte Stimme riss mich aus meinen Gedanken, als ich zur Kathedrale ging. Er wusste ganz genau was gestern passiert war. Auch Alec hatte jetzt seinen festen Platz in meinem Kopf und konnte mit jedem weiteren kommunizieren. Das weißt du ganz genau! Knurrte ich zurück. Wie fühlst du dich jetzt? Fragte er etwas mitleidig. Das war eine gute Frage. Mal abgesehen davon das jetzt neben meiner Wenigkeit noch zwei weitere Stimmen in meinem Kopf hausen, geht es mir sehr gut. Danke der Nachfrage! Schnellen Schrittes überquerte ich den großen Rasenplatz wo nur noch die Tische Zeuge des gestrigen Festes waren.

Wir hatten abgemacht uns direkt nach dem Fest wieder auf die Reise zu begeben. Eigentlich wollte ich mir noch einmal das Buch zur Brust nehmen. Da ich dank der Zeremonie die Zeichen und Symbole deuten und lesen konnten die darin standen, wollte ich wenigstens einen kurzen Blick hineingeworfen haben. Doch dank meiner Leason mit Alec, war ich nicht mehr dazu gekommen. Bis zu den Albae war aber noch ein weiter Weg, so hatte ich noch genug Zeit die Geheimnisse des Tagebuches zu lüften.

Ich war nicht die einzige die schon auf den Beinen war. Sina und Joan standen schon wild diskutierend vor den Toren der Kathedrale. Ihre Worte drangen noch nicht zu mir, aber ihr Ton war herrisch und aufgewühlt. „…das ist ein Hindernis, welches wir nicht einfach so umgehen können!“ „Aber hindurch zu gehen, wäre unser tot!“ Joan´s Blick war starr auf Sina gerichtet. Ihre verschränkten Arme verstärkten ihren Missmut gegenüber Sina´s Idee. Die Spannung zwischen ihnen war zum Greifen nahe und ich befürchtete schon das sie sich gleich an die Gurgel gehen würden.„Was ist denn hier schon wieder los?“ Brachte ich beide zum Schweigen. Joan wendete ihren Blick jetzt mir zu. „Lady Sina hat durch einen wandernden Elben gestern in Erfahrung bringen können, dass wir unsere Route am Fluss Egobar nicht fortsetzen können.“ „Ja, weil es dort nur vor Spitzel der Albae wimmelt, wir müssen durch das Düstertal!“ Rief Sina dazwischen. Sie war rot vor Wut. „Wieso versteht das denn keiner!“ Ich hob beschwichtigend meine Hände. „Wie sicher ist diese Information?“ fragte ich an Sina gewandt. „Wir können Azuri vertrauen, er war der Berater meines Vaters und hatte immer Recht mit seinen Bedenken!“

Die Situation war schwierig, denn der kürzeste Weg war die Fahrt entlang des Egobar. Er floss quer durchs Land und war die Hauptader der Schifffahrt. Eigentlich wollten wir ein Schiff anheuern und uns direkt vor die Tore der Eisenberge bringen lassen. Doch wenn das stimmte was Sina sagte, konnten wir diese Route nicht mehr nehmen. Anscheind hatte es sich verbreitet, dass wir auf der Suche waren. Mir waren wärend des Festes ähnliche Gespräche aufgefallen. Wenn selbst die Elben hier über eine Reisegruppe auf der Suche nach dem magischen Artefakt sprachen, dann wusste es auch der Rest unserer Gefilde.

„Ruft die anderen zusammen!“ Damit schickte ich die beiden Hitzköpfe weg. In Gedanken ging ich die Möglichkeiten durch und mir gefielen die Alternativen ganz und gar nicht. Ich faltete eine Landkarte auf einem der Tische auseinander und studierte mögliche Routen.

Gähnend hörte ich Roan hinter mir stampfend auf mich zu kommen. „Was gibt es denn so wichtiges das du uns am frühen morgen so dringend sprechen musst?!“ Seine dunkle Stimme war belegt von dem Alkohol des Vortages. Ihm folgten Daimien in gewohnter dunkler Gewandung, Sina, Joan und zu guter Letzt Alec. Letzterer machte ein leicht säuerliches Gesicht.

Ich wand meinen Blick schnell von ihm ab und konzentrierte mich auf das aktuelle Problem. Auf die Karte deutend, berichtete ich unser missliche Lage. „Wir haben an sich nur zwei Möglichkeiten um ungesehen an den Spitzeln vorbei zu kommen. Da sie wahrscheinlich damit rechnen, dass wir trotzdem die Wasserwege nutzen wollen, müssen wir diese komplett streichen.“ Alle sahen auf die Karte die auf dem Tisch lag.

„Entweder schlagen wir uns weiter westlich durch den Wald durch. Welcher uns aber dank seiner Zauberbanne, gefährlichen Tiere und Labyrinthe mehr Zeit kosten würde, als wir eh schon unterwegs sind. Die andere Alternative wäre über die Hügel im Osten zu reiten und das Düstertal zu durchqueren.“ Keiner sagte etwas, alle wogen meine Worte ab. „Jeanne du weißt schon was im Düstertal haust!“ Daimien´s Stimme durchbrach die Stille. Ich sah dem Jäger in die braunen Augen und nickte. „Ja ich weiß um die Gefahren, aber es ist der kürzeste Weg um zu den Eisenbergen zu gelangen. Oder hat wer noch eine andere Idee?“ In der Hoffnung dass einer der anderen noch einen Einwand hatte sah ich in die Runde.

„Wenn ihr schon dorthin reiten müsst, nehmt mich mit!“ Rathiel´s Stimme riss mich aus meiner Konzentration. Ich drehte mich zu ihm um und schüttelte wehemend den Kopf. „Nein das kann ich nicht von dir verlangen. Es ist zu gefährlich.“ Er kam auf uns zu und deutete mit dem Finger auf den Fleck den das Düstertal zeigte. „Ihr habt keine andere Wahl. Der Wald ist zu undurchdringlich. Selbst ein Elb der sich dort auskennt braucht mehr als ein halbes Jahr um dort durch zu kommen. Die Wasserwege machen in diesem Teil des Landes die meisten anderen Möglichkeiten unmöglich und im Düsterwald kenne ich mich aus!“

Du weißt was das letzte Mal dort passiert ist! Mahnte ich ihn. Er sah mich nur an und nickte. Das habe ich nicht vergessen. Aber aus genau dem Grund, musst du mich mitnehmen! Beim letzten Mal waren wirklich haarscharf dem Tod entkommen. Das was dort lebte war wirklich gefährlich. Wir hatten es damals nicht kommen sehen können. Unsichtbar wie Gas hatte es unsere Geister benebelt und uns wirr gemacht. Blindwütig hätten wir uns fast gegenseitig abgeschlachtet. Dank eines geplatzten Trankes dessen Ausdünstungen uns wieder klar denken gelassen hatte, wachten wir aus unserem Wahn auf. Später konnten wir uns an nichts mehr erinnern. Zur Sicherheit hatte ich genau diesen Trank und seine Essenz gefiltert und mitgenommen.

Aber wer weiß was jetzt dort lauerte. Wir mussten so oder so aufpassen. Während unserer ganzen bisherigen Reise waren mir viele seltsame Kleinigkeiten aufgefallen. Nie etwas wirklich nennenswertes, kleine Momente die mir seltsam vorgekommen waren. Aber das seltsamste war eine große Wolke, die hauptsächlich bei Regen oder Nebel, über uns zu schweben schien und uns folgte.

Alec schien von der Idee nicht besonders begeistert zu sein. „Ein Schwert mehr oder weniger kann ja nicht schaden.“ Raunte Roan beschwipst in die Runde. Die anderen nickten zustimmend. Ich gab mich geschlagen. „Wie ihr meint!“ Ich packte die Karte wieder ein wärend wir zu den Ställen gingen um unsere Pferde abreisefertig zu machen.

Alec schloss zu mir auf. „Warum warst du heute Morgen so schnell weg?“ Ich hielt ihn am Arm fest und blieb stehen. Mit festem Blick und ernstem Ton riet ich ihn zur Verschwiegenheit. „Es reicht schon, wenn Rathiel unsere letzte Nacht mitbekommen hat. Die anderen müssen das nicht auch noch mitbekommen, sie wissen nichts über unser Band!“ Er grinste frech. „Ach warum denn nicht?“ Ich boxte ihn etwas unsanft in den Magen. Er krümmte sich lachend und folgte mir zu den Pferden.

Mit Athrandiel´s Segen machten wir uns auf Richtung Düstertal. In Begleitung von zwei königlichen Wachen ritten wir in den frühen Morgenstunden weiter östlich zu den Hügeln Aideens. Innerhalb eines Tages hatten wir, dank der guten Führung der Elben, den Wald verlassen und schlugen unser Nachtlager am Rande von Elindur auf. Die Elben waren schweigsame Gefährten. Im Vergleich zu ihnen war Rathiel geradezu gesprächig.

Das Fest des gestrigen Abends war Gesprächsstoff Nummer eins. Wärend wir es uns am Lagerfeuer bequem gemacht hatten, wurde eine Geschichte nach der anderen zum Besten gegeben. Lachend und grölend erzählte Roan von seiner Pein, als er eine vermeintliche Elbin um einen Tanz bitten wollte, diese sich aber als ein Elbenfürst entpuppte. Puterrot angelaufen trank er den Rest des Abends schweigend seinen Biervorrat leer. Es wurde von den tollen Tänzen, dem Essen und der Ausgelassenheit geschwärmt. Joan hatte sich angeregt mit weiteren Gelehrten unterhalten und spannende Dinge über die Elbenvölker und deren Bräuche gefachsimpelt.

Sina hingegen musste vor den jungen und trunkenen Elbenjünglingen flüchten. Dank ihres ausladenden Vorbaus und ihrer elbenhaften Figur, folgten sie ihr wie die Motten dem Licht. Daimien hingegen hatte sich, typisch für ihn, zurückgezogen und das Fest aus der Ferne genossen. Wobei ich auch da ein leichtes erröten erkennen konnte. Anscheind war er nicht alleine geblieben. Generell wirkte der sonst so stumme und mit seiner versteinerten Miene herumlaufende Daimien sehr aufgemuntert und zufrieden.

Im Großen und Ganzen war es also ein gelungenes Fest gewesen. Als die Frage nach meiner Abwesenheit aufkam, berichtete ich nur dass es mir nach der Zeremonie nicht so gut gegangen sei und ich in meine Gemächer verschwunden war. „Ja ne ist klar!“ Sina lachte sich ins Fäustchen. „Ich habe dich und Rathiel mit Alec in der Kathedrale verschwinden sehen. Na was habt ihr da getrieben?“ Herausfordernd sah sie mich an. „Ja gut ihr habt mich erwischt!“ stieß ich gespielt empört auf. „Ich hatte ein Techtelmechtel mit den beiden auf dem Altar. Was soll ich sagen, einer reicht mir halt nicht!“ Roan lachte grölend auf. „Das sieht dir ähnlich Jeanne!“ Die beiden Elbenwächter sahen nur missbilligend in meine Richtung. Selbst bei ihren Heiligtümern verstanden sie keinen Spaß.

So ging das den Rest des Abends weiter. Es wurden weitere wilde Geschichten über meine Abwesenheit erfunden und nachgegrübelt, doch wir Drei hielten dicht. Irgendwann aber gaben sie auf und Daimien und ich übernahmen die erste Wache. Gelangweilt saß ich etwas ab vom Feuer auf einem Felsbrocken und sah hinaus über die in der Ferne liegenden Hügel. Der Mond ließ sich wegen der dicken Wolken nur teilweise sehen und tauchte die Umgebung in ein silbernes Licht. Ich konnte einen kleinen Bach in der Nähe ausmachen und kleine Baumgruppen standen verteilt in der sonst hügeligen Graslandschaft.

„Scheint ja ein tolles Fest gewesen zu sein.“ Daimien setzt sich mit zwei Bechern Met zu mir und reichte mir einen. „Danke, ja wie ein Elbenfest eben so ist!“ Kommentierte ich unbeeindruckt. „Du scheinst aber auch auf deine Kosten gekommen zu sein!“ Stieß ich schelmisch mit ihm zusammen an. Trotz der Dunkelheit konnte ich sein errötetes Gesicht erkennen. Ich nippte an dem herrlichen süßen Honigwein, bevor ich weitersprach. „Ach komm, ich habe doch deinen seligen Blick gesehen als du von der Feier sprachst!“ Mit einer ruckartigen Kopfbewegung, bei der ich Angst hatte das er sich das Genick gebrochen hätte, sah er mich überrascht an. Doch dann senkte er den Kopf und nuschelte kleinlich: „Ich hatte ein sehr intimes Gespräch mit einer Elbendame. Es ist aber nichts passiert!“ Berichtigte er mich aber schnell. „Ahh, du alter Charmeur, hast es ja doch noch drauf!“ Ein leichtes Grinsen huschte über seine Lippen, als ich ihn freundschaftlich anstupste. Wir stießen noch einmal an und genossen die Stille der Nacht.

Der nächste Morgen war regnerisch und grau. Unter meinem Mantel gut geschützt ritten wir schutzsuchend unter den einzelnen Baumgruppen hindurch Richtung der Hügel Aideens. Man erzählte sich eine Geschichte über diese Hügellandschaft sie aussah wie eine schlafende Frau. Aideen war die Göttin der Erde und der Fruchtbarkeit. Sie gab der Erde ihr Leben und ließ die Flora erblühen. Doch eines Tages, so hieß es, tobte ein Feuersturm über diese Ebene die alles Leben verbrannte. Aideen´s Kräfte waren nicht stark genug um den Schaden dieses magischen Feuers zu heilen, so opferte sie ihr Leben um das der Flora zu schenken. Und so erblühte das Leben erneut, grüner und fruchtbarer als je zuvor. Aideen´s Körper wurde Teil der Landschaft und verschmolz mit der Natur. Es war eine schöne Geschichte die die Elben gern erzählten um ihren Kindern die Macht des Teilens zu lehren. Und ich denke gerne an diese Legende zurück. Es war trist und die gute Stimmung des gestrigen Abends war verschwunden. Die Wege verwandelten sich in rutschige Schlammbäder und die Pferde hatten ihre liebe Mühe auf den ansteigenden Hügel halt zu finden.

Zwischendurch sah ich mich immer wieder um, auf der Suche nach seltsamen Dingen. Und auch jetzt erkannte ich weiter oben eine dunklere Wolke als den Rest des Himmels. Sie schwebte genau über uns. Meine Magie auf sie konzentriert, sah ich nach oben. Sie wich mir immer wieder aus, egal wie sehr ich versuchte sie mit meinen Energiefingern zu greifen. Rathiel beobachtete mich eine Weile und fragte dann verschmitzt. Versuchst du schon Wolken zu bändigen? Genervt gab ich auf. Nein, nur verfolgt diese uns seitdem wir aus Arum weg ritten. Irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Normalerweise hat ein Gegenstand oder Lebewesen entweder eine Gute, Neutrale oder Böse Energie. Doch dieses Ding über uns hat gar keine. Der Elb blinzelte unter seiner Kapuze nach oben gegen den Regen. Auch er versuchte sie zu untersuchen und auch er scheiterte.

Wir müssen aufpassen! Sein Gesichtsausdruck verriet mir nichts Gutes. Zum Abend hin hatten wir die Hügel erklommen und machten Halt in einem kleinen Wald, welcher das Düstertal markierte. Schnell wurde ein Feuer gemacht um die nasse Kleidung zu trocknen und uns aufzuwärmen. Der Regen hielt an. Um wenigstens trocken zu schlafen, spannte ich ein magisches Zelt, welches uns wenigstens vor dem Regen schützte.

Roan und Sina gingen mit Daimien auf die Jagd. Es wurde wieder Zeit für Fleisch. Doch sie kamen nur mit ein paar Hasen und einem Fasan wieder. Missmutig nahm Roan diese aus, wärend Sina das Feuer schürte. Ich stand am Rand des Tales und sah hinab in das dunkle Loch. Durch die undurchdringliche Wolkendecke kam schon über Tag kaum Licht. Jetzt zum Abend hin war es schon fast dunkel. Je länger ich in das Tal starrte, welches nur schlechte Erinnerungen hervorbrachte, fing ich schon an Gestalten und Lichter zu sehen. Genau wie damals! Mit einem unguten Gefühl ging ich zurück ans Lagerfeuer, wo bereits die Jagdbeute brutzelte.

„Ob das wohl so gut ist hier am Rande Fleisch zu braten?“ Rathiel verstand was ich meinte und sah sich abschätzend um. „Wir müssen es wohl drauf ankommen lassen!“ Alec saß schweigend essend neben mir. Seitdem wir aus Eliant rausgeritten waren, hatte er kein Wort mit mir gewechselt. Weder mental noch laut. Nun gut das kann auch daran liegen dass ich ihm so gut wie es ging aus dem Weg ging. Doch jetzt machte ich mir Sorgen. Wärend die anderen sich über das Fleisch her machten und den morgigen Tag durchgingen, versuchte ich mit ihm zu reden.

Es tut mir leid. Gab ich kleinlaut zu. Er sah nicht mal auf, als er mir antwortete. Es muss dir nicht leidtun. Ich höre deine Gedanken den ganzen Tag und weiß wie es in dir vorgeht. Rathiel kannst du vielleicht noch abschirmen, aber ich werde immer in deinem Geist bleiben. Damit hatte er Recht. Aber wärend du dir die ganze Zeit Gedanken über diese Wolke und uns gemacht hast, ist dir wohl nicht aufgefallen das wir seitdem wir hier in diesem Wald sind von etwas beobachtet wurden.

Erschrocken sah ich erst ihn an und musterte dann die Umgebung. Im essen innehaltend weitete ich meinen Magieumkreis aus und erschrak.

Außerhalb meines maximalen Radius lauerte eine dunkle Magie. Sie war kalt und hungrig. Ich konnte ihr Gefühle nur erahnen, da sie sich genauso abschirmen konnten wie ich. Denn auch sie versuchte in meinen Geist einzudringen. Mit grober Gewalt stieß sie immer wieder gegen meine Barriere. Doch erfolglos. Ich glaubte sie trotzdem wieder zu erkennen. Damals war ich noch nicht so erfahren im Umgang mit der Telepathie, doch jetzt konnte ich ihr mit Leichtigkeit entgegen.

Jedes Mal, wenn sie näherkam und ich sie erhaschen wollte, wich sie mir bis zu meinem Maximum aus. Als wenn sie mich spüren könnte. Innerhalb meines Kreises war sonst nichts Auffälliges. Dieser ging bis runter zur Talsohle. Mit der Gewissheit, dass das schon eine Entfernung von fast einhundert Meilen war, würden wir die Nacht ruhig verbringen können. Trotzdem würde ich nicht fiel schlafen können.

Die erste Wache mit Rathiel verlief ruhig. Ich berichtete ihm von den Vorkommnissen und er wurde zunehmend unruhiger. „Hast du genug Schwarzwurzelessenz für alle mitgenommen?“ Ich nickte angespannt. „Das würde jetzt auch noch fehlen, dass wir uns gegenseitig abmetzeln!“ „Wir müssen es den anderen sagen. Wenn wir sie ohne Vorbereitung dort hinunterreiten lassen, dann wird sie es treffen wie ein Schlag!“ Leise flüsternd, die Glut im Hintergrund knackend, lehnte er sich zu mir hinüber. „Wer weiß, vielleicht schlagen sie sich so besser!“ Entsetzt sah ich ihn an, konnte nicht glauben was er gesagt hatte. Leise keifend funkelte ich ihn böse an. „Wie kannst du nur? Sie kennen sich nicht aus mit den magischen Wesen die in unseren Gefilden hausen und dann willst du sie einfach blindlings ins Verderben schicken, wie es uns damals ergangen war?!“ Er zuckte nur überlegend mit den Schultern und sah wieder gen Horizont.

An sich war sein Gedanke nicht ganz falsch. Das Überraschungsmoment würde sie härter kämpfen lassen und vielleicht ihr Überleben sichern. Aber andererseits würde es ihnen vielleicht ergehen wie uns damals. Wir waren zwar entkommen, doch die Folgen die dieses Zusammentreffen verursacht hatten, hatten uns wochenlang aus dem Konzept gebracht. Und wir mussten hindurch und direkt weiter reiten, weitere Aufschübe waren nicht sinnvoll.

„Wir sagen es ihnen morgen!“ bestimmte ich und schlug wieder das Buch Salomons auf. Die dünnen Seiten aus fein gepresstem Holz waren teilweise schon vergilbt und eingerissen. Doch die Tinte und Zeichnungen waren immer noch so farbenfroh und kräftig wie frisch gezeichnet. Bis jetzt hatte ich nicht viel mehr herausbekommen wie wir eh schon wussten.

Salomon beschrieb die Route die er damals nahm, welche Ereignisse und Begegnungen geschehen waren. Seine Route führte an unserer eigentlichen entlang, doch auch er beschrieb weitere Alternativwege und geheime Verstecke und Tunnel die er bei Gefahr genommen hatte. Doch bis zu den Eisenbergen war er relativ ereignislos vorangekommen. Seine selbst gezeichnete Landkarte markierte viele wichtige Stellen und Wegmarken. Zu jedem gab es meist eine kleine Notiz, sei es eine Warnung oder Tricks wie man welche Hindernisse überwinden konnte.

Damals war das Bündnis zwischen den Zwergen und Menschen noch nicht bestehend, so dass er Geheimwege durch den Berg nehmen musste um ungesehen an den Zwergen vorbei zu kommen. Er sprach von riesigen Höhlen aus Edelsteinen, Diamanten, leuchtenden Smaragden und Goldadern die das Gestein durchzogen. Teilweise aus vergangenen Zeitaltern unbewohnte Wohnhöhlen und Grabstätten die schon längst nicht mehr genutzt wurden, aber ihre eigenen Geheimnisse hatten. Auch er schrieb von Steinschlangen, Trollen und anderen niederen Kreaturen denen auch wir nicht begegnen wollten.

Wir würden einen direkteren Weg nehmen um durch das Gebirge zu kommen. Mit Hilfe meiner dort lebenden Zwergenfreunde sah ich darin kein Problem. Trotzdem durchdrang mich ein ungutes Gefühl, wie eine Vorahnung würde unsere Reise durch die Berge nicht so einfach verlaufen wie ich es mir erhofft hatte.

Doch bevor ich mir weiter Gedanken machen konnte, löste uns Sina und Roan mit der Wache ab und wir legten uns schlafen. Das Buch gut verstaut legte ich mich an das Feuer und rollte mich in der warmen Decke ein.

Eine zerklüftete Landschaft, schwarzer Stein, geschmolzen von der unbändigen Hitze des Kometen, überzog den riesigen Krater wie flüssiger Teer. Wie eine vergiftete Wunde zogen sich die schwarzen Adern bis fast in die Berge südlich des dunklen Reiches. Inmitten dieser Ödnis ragte, aus weißen Knochen, ein riesiger Turm in den Himmel. Verzerrte Fratzen von Menschen und Elben hingen in seinen Fenstern.

Um ihn herum, Häuser aus denselben Knochen, eine Stadt welche sich bis zum Krater folgend der Adern erstreckte. In den dunklen Gassen hüllten rote Laternen die Wände in ein surreales Licht, welches sich in den Fenstern widerspiegelte.

Oben im Turm, in den Gemächern die eines Prinzen würdig waren saßen zwei spitzohrige Gestalten. Ausgestattet mit Bücherregalen an der Wand, einem großen Tisch auf dem Schriftrollen, Federkiele und Gefäße mit bunten Flüssigkeiten standen. Die zwei Albae saßen sich an dem Tisch auf zwei hochlehnigen Stühlen gegenüber. Ihre milchig weißen Augen stachen regelrecht aus den dunklen Höhlen ihrer schwarzen Haut heraus. Ihr blondes langes Haar zu einem Knoten gesteckt, waren die einzigen Merkmale ihrer nahen Verwandten den Elben. Ihr Kleidung prunkvoll mit verschiedenen Symbolen und kriegerischen Szenen geschmückt, raschelte leise, als sie die Schriften vor ihnen studierten.

Ein leises Klopfen an der Tür unterbrach die konzentrierte Stille. Mit einem leicht genervten „Ja“, bat er einzutreten. Eine Menschenfrau in einem einfachen Leinenkleid betrat, den Kopf gesenkt, das Zimmer. „Gebieter eurer Kundschafter ist wieder zurückgekehrt!“ Sie trat beiseite und ließ den Besuch hinein. „Ah, ihr seid zurück. Was habt ihr in Erfahrung bringen können?“ Mit einer eleganten Bewegung stand einer der Albae auf und fixierte den Kundschafter mit seinem Blick. Dieser neigte kurz seinen Blick zum Gruße und berichtete: „Wie ihr voraussagtet sind sie schon am Düsterwald angekommen! Sie haben Rathiel den Elbenprinzen und ein paar königliche Wachen dabei und werden bald die Eisenberge erreichen!“ Dankend winkte er den Soldaten in seiner verschlammten Lederrüstung ab.

Die Menschenfrau begleitete den Alb hinaus. Dieser schenkte ihr keine Beachtung und trat ihr auf den nackten Fuß. Einen Schmerzensschrei nicht unterdrückend, schlug sie sich erschrocken vor den Mund und sah den Alb in der prunkvollen Robe, entschuldigend an. Dieser verzog sein Gesicht zu einem höhnischen Grinsen und kam auf die Frau zu. Sie war eindeutig eine Schönheit unter den Menschen. Ja sogar unter den Elben, doch hier war sie nur eine Dienerin, eine Sklavin. „Du weißt was wir mit unnützen Sklaven machen, Mensch?!“ Sie sah ihn erschrocken in die Augen und wich zurück. Er legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter, unter die sie an zu zittern anfing. Sie kannte die Strafe, wenn man seinem Herrn in sein Antlitz blickte.

Mit zwei schnellen Stichen mit seinen Fingern in ihre Augen, nahm er ihr das Augenlicht. Sie hielt still, in voller Konzentration nicht los zu schreien, denn das wäre ihr tot. „Niemand darf das Antlitz eines Albs ansehen, geschweige denn es bewundern. Ich hoffe dies und die Tatsache das du nicht zu schreien hast, wenn man dir Schmerz zufügt, hast du hiermit gelernt.“ Sie nickte nur und drehte sich mit blutenden schwarzen Augenhöhlen, in denen sich noch vor ein paar Sekunden wunderschöne blaue Augen befanden, um und verließ ohne einen Ton den Raum.

Seufzend drehte sich der Alb zu seinem Gast um, wärend er ein weißes Tuch aus einer Falte in seiner Robe zückte und sich damit die Finger säuberte. „Bitte entschuldigt das Ihr das mit ansehen musstet, aber Bestrafung ist das einzige, was diese Menschen befriedigt.“ Der andere sah ihn nur verständnisvoll von seinem Stuhl aus an. „Ja zu was anderem sind sie ja auch nicht nütze. Nun was werdet ihr gegen diese Zusammenfindung unternehmen?“ Langsam zum Fenster schreitend dachte er kurz nach und lachte leise auf. „Natürlich nichts!“ Der andere Alb stieß völlig überrascht auf. „Ihr wollt nichts dagegen unternehmen, Zando?“ Dieser drehte sich in einer fließenden Bewegung um und grinste höhnisch. „Nun mein Lieber Lorien, wieso die Schwerstarbeit selbst erledigen, wenn es doch dumme Menschen und Elben gibt die das für einen erledigen.“ Bei seinen Worten verzog er verachtungsvoll die Miene. „Lass sie das Artefakt finden. Dann können wir es ihnen ja immer noch abnehmen. Geschweige denn dass sie dort lebend wieder herauskommen.“ Lachend setzte er sich wieder an den Tisch und arbeitete weiter an einer Knochenflöte.

Erschrocken setzte ich mich auf. Es war noch dunkel und das Feuer glimmte nur noch wenig. Der Traum war zu real. Mein Herz raste noch als ich versuchte die Bilder zu verarbeiten die noch in meinem Gedächtnis umher spukten. Wer war dieser Zando und meinte er uns? Was war mit dieser Frau, lebte sie noch? Zu viele Fragen auf die ich keine Antwort fand. Die Kälte die mich hat aufschrecken lassen, ließ mich böses erahnen. Schnell sah ich mich um. Meine Gefährten lagen friedlich schlafend um das Feuer. Alec und Joan die Wache hielten, saßen am Rande der Schlucht.

Ich konzentrierte mich und tastete mein magisches Feld ab. Nichts war zu spüren. Keine Tiere weit und breit. Selbst der Regen hatte aufgehört und eine unnatürliche Stille hatte sich über das Tal gelegt. Es war viel zu leise. Schnell drehte ich mich zu Rathiel der neben mir lag und prüfte seinen Atem. Nichts. Schnell sprang ich auf und sah nach den anderen. Alle schliefen, bewegungslos. Zu Alec und Joan stürzend, stupste ich Alec an. Dieser schreckte auf und sah mich verdutzt an. „Was ist denn los?“ Mit erstarrtem Blick sah ich in Joan´s Gesicht, welches vom Mond hell beleuchtet war. Auch Alec sah hinüber und erschrak.

Ihr Gesicht war zu einer schmerzerfüllten Fratze verzogen. Ihre Augen weit aufgerissen und tiefschwarz, hinterließen nur leere Höhlen. Ihr aufgerissener Mund und die verzerrten Züge, zeugten von großer Furcht. Schnell sah ich mir die anderen Gesichter an. In allen war derselbe Ausdruck zu sehen. „Was zur Hölle ist mit ihnen?“ Alec´s Stimme zitterte leicht. „Sie erleben gerade denselben Albtraum den ich damals durchgemacht hatte!“ Konzentriert kramte ich die Schwarzwurzelessenz aus meiner Tasche und stellte mich vor Joan. „Was hast du vor?“ „Ich werde sie aus ihren Albträumen holen und dann müssen wir ganz schnell von hier verschwinden!“ Das Fläschchen entkorkt, hielt ich es unter Joan´s Nase. Das Gas welches sich durch die Essenz gebildet hatte, waberte schwer aus dem Fläschchen hinaus in die Nase, der dunklen Schönheit.

Langsam entspannte sich ihr Gesicht, ihre Augen verfärbten sich wieder zu dem hellblau und sie fing wieder an zu atmen. Keuchend und wieder völlig bei sich sah sie sich hektisch um. „Was ist passiert?“ Ich legte ihr beruhigend eine Hand auf den Arm und zwang sie mich anzusehen. „Joan, hör mir zu. Ich weiß es ist schwer, aber du musst sofort deine Sachen packen und dein Pferd satteln. Wir müssen hier weg. Hast du verstanden? Alec hilft dir!“ Sich sammelnd nickte sie und machte sich noch leicht wankend an die Arbeit. Alec half ihr ein wenig und folgte mir zu dem nächsten.

Einem nach dem anderen erweckte ich aus seiner Starre und bat sie um Eile. Manche waren überrascht, andere in Todesangst. Doch wir hatten schnell unser Lager geräumt und trieben unsere Pferde zur Eile an. Reijkjon, etwas missmutig über die nächtliche Störung, trat dennoch konzentriert den Abstieg durch das Tal an. Drumherum reiten wäre eine Option gewesen, doch dank meiner Erfahrungen an diesem Ort, würden wir dort direkt in die Falle des Wesens reiten.

Lautlos trieb ich unsere Gemeinschaft den sich hinunter schlängelnden Pfad ins Tal. Dieser war zwar kritischer vom Terrain, doch im Vergleich was oben an den Seitenausläufern lauerte, war es ein Kinderspiel. Unten in der Talsohle angekommen, ritten wir im vollen Galopp über die Moorlandschaft. Darauf bedacht nicht in ein Senkloch zu geraten, schlängelten wir uns bei Mondlicht durch das sumpfige Gras.

Das Ende der Schlucht immer im Auge, achtete ich nebenbei auf die Hänge die uns umschlossen und konnte etwas schwarzes Pelziges zu unserer Linken ausmachen. Fluchend sah ich nach meinen Gefährten. Teilweise aus dem Schlaf gerissen und schlaftrunken, teilweise in Panik, hielten sie sich gerade so auf ihren Pferden. Alec der das Schlussglied bildete, trieb von hinten. Die Pferde spürten die Gefahr. Ihre Hufe hatten Schwierigkeiten mit dem weichen nachgiebigen Boden, so dass wir nicht schnell genug voran kamen. Das schmatzende Geräusch des Moorbodens mischte sich mit dem Schnaufen und Knurren des Tieres welches uns jagte. Leichte Panik stieg in mir auf, die ich krampfhaft versuchte zu unterdrücken. Rathiel verlieh mir Mut und seine verbesserte Nachtsicht so das ich einen sicheren Weg zwischen den Büschen und Moorlöchern fand. Kurz bevor wir in die weiten Hügel in Richtung der Eisenberge aus dem erstickenden Tal fliehen konnten, sprang ein riesiger Schatten über unsere Köpfe direkt vor uns und versperrte uns den Weg.

Ich schrie einen Haltebefehl und die Pferde versuchten schlitternd zum Stehen zu kommen. Fünfzig Fuß vor der Kreatur die sich uns nun in den Weg stellte, kamen wir zum Stehen. „Was zur Hölle ist das?“ Sina´s Frage hallte bis zu mir. Daimien ritt neben mir und sah das riesige Tier an. „Jeanne, bitte sag mir nicht, dass es das ist was ich denke das es das ist!“ Seine Stimme klang weder verängstigt noch zweifelnd. In seinem Gesicht spiegelte sich Mordlust und, ja was eigentlich? Seine Augen hatten etwas animalisches und er fixierte ihn wie eine Beute. Er schien nichts anderes mehr wahrzunehmen. „Ja mein Lieber Daimien, vor uns steht ein ausgewachsener Lykaner.“

Das riesige Tier glich einem Wolf, nur war er umso vieles Größer. Größer als ein ausgewachsener Bär, mit leuchtend gelben Augen, riesigen Krallen und hauptsächlich auf zwei Beinen stehend, war ein gefährlicher und geschickter Jäger. Seine lange gefletschte Schnauze ließ eine Reihe weißer messerscharfer Zähne aufblitzen. Doch dieser war noch anders, als die normalen Lykaner. „Dir ist auch was aufgefallen?“ Daimien´s Blick war auf das knurrende Tier gerichtet. Mit meinem Dolch im Anschlag glitt mein prüfender Blick über den Wolf. „Er wurde gebissen!“

Und tatsächlich, an seiner linken Halsseite glänzte im silbernen Mondlicht, eine große frische Wunde. Selbst unter dem dichten schwarzen Fell, konnte ich die glänzenden Giftadern unter der Haut erkennen. Schon wieder dieses Gift! „Ich kann ihn heilen. Dafür müssen wir ihn aber fesseln.“ Daimien sah mich, aus seiner Trance gerissen, irritiert an. „Du willst was?“ „Leute ich will ja nichts sagen, doch für einen Kaffeeklatsch ist momentan weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Platz!“ rief Roan etwas nervös.

Damit ritt Roan grölend und mit dem Schwert in der Luft schwingend auf das Tier zu. Der Wolf riss sein großes Maul auf und rannte ihm entgegen. Wir anderen folgten ihm und preschten auf das drei mannshohe Ungetüm zu. Meinen Dolch im Anschlag ritt ich seitlich, auf seine Beine zielend auf ihn zu und schnitt ihn im vorbei reiten in die Verse. Aufheulend wand er ihn sich zu seinem Bein und fixierte mich. Wärend die anderen ihn mit Schwertern, Pfeil und Bogen, Äxten und Dolchen versuchten zu Boden zu bringen, lenkte ich seine Aufmerksamkeit auf mich.

Reijkjon wusste was zu tun war und brachte mich wieder in Kampfstellung. Dieses mal zielte ich auf seine Rippen. Der Lykaner wich meinem Hieb aus, lief aber in das Schwert Rathiel´s hinein. Aufheulend schlug er nach dem Elben, der sich behände aus der Reichweite seines Armes rettete. Ich hockte mich auf meinen Sattel und sprang mit einem Satz auf den Rücken des Werwolfes. Die Stehle gezückt, klammerten sich meine Finger in das dichte schwarze Fell.

Sich windend und nach mir schlagend, versuchte mich der Wolf los zu werden und sich gleichzeitig die anderen vom Leib zu halten. Sein drahtiges und verschmutztes Fell, bot mir ein wenig halt. Sofort trat mir ein unsäglicher Gestank nach Verwesung und Blut in die Nase, das es mir den Atem raubte. Die Stelle an seinem Hals endlich gefunden, drückte ich die Spitze des Kristalls in die Bisswunde. Wie bei Malik versuchte er sich zu wehren und riss mir in einem letzten Befreiungsakt eine Wunde in die Wade. Aufkeuchend, aber nicht davon abhaltend das Gift aus dem rasenden Tier zu ziehen, hielt ich mich fest. Mit einem Ruck, erstarrte der riesige Wolf, als der Kristall ihm das Gift und seine Seele aus dem Körper zog. Langsam sackte er zu Boden und riss mich mit sich.

Ein dumpfer Aufprall und das riesige Tier lag schwer auf mir. Ohne den Blick vom Kristall zu nehmen sprach ich mehrfach die Formel, bis sich der schwarze wabernde Rauch wieder silberweiß verfärbte. Die gereinigte Seele entließ die Stele wieder in den leblosen Körper. Alec kam sofort auf mich zu gerannt, griff unter meine Arme und zog mich unter dem leblosen Wolf weg. Keuchend und ächzend stand ich auf und humpelte ein paar Schritte weg von dem sich erholenden Tier. „Alles gut?“ Sein Blick war ernst und besorgt. „Ja es geht schon wieder, danke!“

Als das Tier wieder zum Leben erwachte, spannten sich alle auf einen Angriff gefasst an. Im Kreis um den sich erhebenden Körper stehend, beobachtete ich Daimien. Er hatte immer noch diesen mörderischen Ausdruck in den Augen und wand sie für keine Sekunde von dem Lykaner ab. Plötzlich zielte er mit seiner Schusswaffe auf das Tier. Doch Sina die ihn ebenfalls beobachtet hatte, zog ihm den Arm zur Seite, so das der Schuss daneben ging. Verwundert beobachtete ich seine frustrierte Reaktion, konnte mich aber nicht weiter auf die beiden konzentrieren. Denn der Werwolf, verwandelte sich in diesem Moment wieder ein einen Menschen zurück. Der nackte Mann der jetzt vor uns im schlammigen Boden lag, sah uns erschrocken und voller Scham an. „Was…was habe ich getan? Was ist mit mir passiert?“ Mit einer Decke in der Hand, die ich aus meinem Gepäck gezogen hatte, humpelte ich langsam auf ihn zu. „Es ist alles wieder in Ordnung!“ Mit seinen weit aufgerissenen Augen, musterte er mich ängstlich und hob abwehrend eine Hand. „Bitte kommt mir nicht zu nah!“

Das Bild welches dieser Mann uns nach seiner Verwandlung bot, war wirklich jämmerlich. Am ganzen Körper zitternd, mit Schlamm bedeckt und der immer noch blutenden Wunde am Hals, war er wirklich bedauernswert. „Lasst ihn zurück Jeanne, ihr seht doch das ihm nicht geholfen werden will!“ Damit wendete einer der Elbenwächter sein Pferd und ritt aus dem Tal hinaus. Die anderen folgten ihm. Sina hatte Daimien beruhigen können und zog ihn von dem Mann weg. Alec stand als einziger noch neben mir. „Wollt ihr wirklich keine Hilfe?“ Versuchte ich es noch einmal. Doch der Mann beachtete mich schon gar nicht mehr und kauerte sich in den kalten Schlamm.

„Komm, es hat keinen Zweck!“ Sanft zog er mich von dem Elend weg und half mir aufs Pferd. Als er den Riss an meiner Wade sah, band er gegen meinen Protest sein Halstuch darum und gab Reijkjon einen Klaps auf die Kruppe. Dieser setzte sich ebenfalls in Bewegung und bald hatte auch Alec wieder aufgeschlossen. Ohne ein weiteres Wort zu wechseln ritten wir aus dem Düstertal hinaus, Richtung der sich am Horizont abzeichnenden Eisenbergen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

König unter dem Berge

 

Bis zum Mittag sprach keiner ein Wort über die Ereignisse des frühen Morgens. Daimien ritt abwesend neben mir her und sah abwechselnd zu mir und zu meinem Bein. Roan hingegen war der einzige der gute Laune hatte. Endlich hatte er mal wieder kämpfen können und das verbesserte seine Moral umso mehr. Als wir an einem kleinen Bach Rast machten, konnte ich mich endlich um meine Verletzung kümmern. Die anderen hatten auch ein paar Kratzer abbekommen, sonst wurde aber niemand ernsthaft verletzt. Ich zog meinen rechten Schuh aus und zog meine Hose hoch. Dank des fließenden Baches, brauchte ich meine Wade nur in die kühlen Fluten halten um meine Wunde auszuwaschen.

Daimien hockte sich neben mich ins Gras und sah zu wie sich feine Blutschliere auf der Wasseroberfläche entlang zogen. „Muss ich mir jetzt auch noch Sorgen um Vollmondnächte machen?“ fragte ich ihn eher scherzhaft. Grübelnd sah er zu mir und knuff mich freundschaftlich in die Seite. „Nein ich denke nicht. In den Klauen eines Werwolfes steckt kein Gift, ich werde dich also nicht mit Silberkugeln morden müssen!“ „Was war los mit dir?“ fragte ich ihn nun frei heraus. Er zog stillschweigend frische Tücher und eine Kräutersalbe aus einer seiner Taschen und verband mir meine Wade. „Ich weiß nicht was du meinst?“ antwortete er mir kühl und wand sich ruckartig ab. Es tat mir in der Seele weh ihn so zu sehen, doch ich nahm es ihm nicht übel. Er wäre irgendwann bereit es mir zu erzählen, hoffte ich.

Nach seiner Behandlung ging es mir schon deutlich besser und ich humpelte mit ihm zurück zum Lagerfeuer. „Was ist genau ist vorhin eigentlich passiert?“ Machte sich Sina endlich Luft. Die anderen sahen mich ebenfalls abwartend an. Seufzend ließ ich mich auf einen Baumstamm nieder und sammelte mich. „Er wurde gebissen!“ „Ja das wissen wir, sonst wäre er nicht der der er ist!“ Feixte Roan. „Ja das stimmt. Nein er wurde von etwas anderem gebissen, etwas welches die Seele eines Lebewesens vergiftet. Sie werden wahnsinnig oder tollwütig. Mit meiner Stehle konnte ich seine Seele reinigen!“ „Welches Wesen wäre zu so etwas in der Lage?“ Joan sah mich ernst an. „Das ist eine gute Frage. Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich eines der Ausgeburten des Bösen die hier zurzeit ihr Unwesen treiben. Wir müssen auf der Hut sein“.

„Und was genau war mit uns los gestern Nacht?“ Sina´s Blick war fest auf den meinen gerichtet. Ihr war es mehr als unbequem einfach so im Schlaf überrumpelt zu werden. „Ja davor wollte ich euch eigentlich schon gestern gewarnt haben. Eure Halluzinationen werden durch einen Pilz verursacht der in der Erde begraben wächst. Seine Sporen verteilen sich auf Druck in die Luft und verursachen bei Lebewesen diese Wahn- und Angstzustände, im weiteren Stadium lassen die Sporen einen in Raserei verfallen und man will alles umbringen was einem zu nahe kommt. Als wir damals in eine solche Wolken ritten, hatte ich Gott sei Dank Schwarzwurzelessenz in einer meiner Fläschchen aufbewahrt, die bei dem Sturz vom Pferd zerbrach. Durch den Dunst der Essenz werden die Sporen neutralisiert.“

Ein seufzen ging durch die Runde. „Was will uns denn noch in dieser Welt alles töten?“ Sina schüttelte mit dem Kopf und fing an ihr Schwert zu schärfen. Ein höhnisches Lachen von Daimien, brachte ihm einen bösen Blick von ihr. „Wie lange werden wir wohl bis zu den Pforten Erebor´s brauchen?“ Rathiel´s Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich sah hinüber zu den im Dunst liegenden Bergen. „Ich denke, wenn wir uns beeilen, ein oder zwei Tagesritte. Zwischen uns und den Bergen liegt nur diese hügelige Landschaft vor uns. Keine guten Verstecke. Wir müssen wirklich vorsichtig sein!“ Mein besorgter Blick schien ihn nicht weiter zu beunruhigen. Er nahm mich kurz in den Arm: „Wir schaffen das schon Jeanne, ich bin schließlich bei dir!“ Feixend wich er meinem Hieb aus und fing ein Gespräch mit seinen Wächtern an.

Geschlaucht und müde genoss ich unsere Pause vor dem wärmenden Feuer. Das Wetter hatte sich etwas verbessert, doch dem Regen folgte eisiger Wind. Wir hatten unseren Rastplatz zwar gut geschützt hinter einem Hügel gewählt, aber trotz meines Mantels fror ich. Je näher wir den Eisenbergen kamen, desto kälter wurde es. Ich würde bald meine leichten Wildlederstiefel gegen die dicken Fellstiefel tauschen müssen.

Warme Arme umschlossen mich und eine Stimme an meinem Ohr ließ mich schauern. „Wenn dir so kalt ist, dann können wir uns doch ein gemütliches Plätzchen suchen und uns heiße Gedanken machen!“ Sein strahlendes Lächeln und das Blitzen in seinen Augen, ließen mich die aufkommende Wut vertreiben. Alec saß neben mir und ich lehnte mich an. Seine Wärme und seine Stimme heizten mich im inneren wieder auf. „Da träumst du vielleicht nachts von“, feixte ich zurück.

Seine grünen Augen lagen ruhig auf meinem Gesicht, als er meinem langsam näherkam. Ich spürte wieder das Knistern zwischen uns, vergaß alles um uns herum. Wie ein Sog, zog es mich mit aller Macht zu ihm hin. In seinen grünen Augen verloren, kamen seine Lippen immer näher. Mein Körper vibrierte bei der Erinnerung an das letzte Mal. Seine Pupillen weiteten sich, als er meine Gedanken las. Alles zog sich schmerzlich süß in mir zusammen, als sein Atem meine Lippen streifte. Auch er war wie im Bann und so bekamen wir gar nicht mit, als Rathiel zum Aufbruch rief.

Irritiert sahen wir uns um, dieses Band zwischen uns war wirklich sehr stark. Wir hatten völlig Zeit und Umgebung vergessen. Mit einem letzten Blick in seine Augen, raffte ich mich auf. Leicht humpelnd ging ich zu Reijkjon und streichelte ihm die Nase. Seine braunen Augen sahen mich abwartend und voller Tatendrang an. „Du kannst es kaum erwarten was?!“ Seine warme weiche Nase spendete mir Trost und Zuversicht. Irgendwie würden wir das ganze schon schaffen, solange ich meinen treuen tierischen Gefährten an meiner Seite hatte.

Der Weg bis zu den Toren Erebor´s, kam einem wie eine Ewigkeit vor. Wie eine Fatamorgana schwebten die Berge im Nebel am Horizont, doch man hatte dank der immer gleichausehenden hügeligen Landschaft, das Gefühl nicht vorwärts zu kommen. Nach zwei Tagen verließen wir die grünen Hügel und die Umgebung verwandelte sich abrupt in eine kalte steinige Ödnis.

Es wurde immer kälter je näher wir den Bergen kamen. Wir verließen die weichen grünen Hügel und steinigeres Terrain öffnete sich vor uns. Wir erreichten den Berg am Abend. Die hohe graue Felswand die sich bis in die Wolken empor zu heben schien, war glatt, ohne Möglichkeiten daran hinauf zu klettern oder sie anderweitig zu überwinden. Der Wind pfiff hier besonders laut und ließ uns frösteln. „Wo genau geht es jetzt hier weiter?“ Roan musste gegen den Sturm anschreien.

Ich ritt näher an die Felswand heran und sah mir die Mauer genauer an. Bei meinem ersten Besuch war ich bewusstlos gewesen, doch die Zwerge hatten mir ihre geheimen Durchgänge und Wege gezeigt. Ich stieg vom Pferd und tastete mich an der kalten Mauer entlang. Der Wind war so laut und stürmisch, dass er alles übertönte. Meine Haare peitschen mir ins Gesicht und meine Finger wurden immer tauber. Der raue Stein war undurchdringlich, doch dann fand ich die Spalte die ich suchte. Sie war gut getarnt als eine schwarze Felsader.

Vorangehend schritt ich durch den schmalen Pfad, Reijkjon folgte mir brav. Ich drehte mich um und schrie den anderen entgegen: „Ihr müsst absteigen, sonst passt ihr nicht hindurch!“ Ohne mich wieder umzudrehen ging ich weiter. Der Wind ließ nach als ich auf der anderen Seite der Mauer herauskam. Sie war gut zehn Fuß dick und durch einen Zauber geschützt. Ich hatte es kribbeln gespürt, als ich hindurchgegangen war.

Nach und nach kamen die anderen einer nach dem anderen aus dem schmalen Pfad. Etwas argwöhnisch sahen sie sich um. Kein Wunder, die Zwerge waren bekannt dafür ihre Festung gut zu beschützen mit allerlei Fallen und Zaubern. Vor uns ragte in einem riesigen Innenhof aus Säulen und Statuen eine weitere Mauer auf. Der Wind hatte nachgelassen und die fallenden Schneeflocken sanken schwebend auf den Boden. Es war so ruhig, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören. Der Ort hatte etwas Magisches. Die Säulen selber waren mit verschiedenen Runen geziert. In den Felsboden gehauen wanden sich Kreise und andere magische Ornamente.

Wir gingen ohne ein Wort durch den Säulengang. Als wir das Zentrum erreichten durchfuhr mich ein Energiestoß und ich blieb automatisch stehen. Vor meinem inneren Auge tanzten verschiedene Symbole in der Luft. Fasziniert starrte ich sie an. „Jeanne, was ist los?“ flüsterte Alec mir beunruhigt zu. „Siehst du sie nicht?“ fragte ich ihn überrascht. Unverständnis las ich in seinen und den anderen Gesichtern. Ich wand mich wieder den Runen zu. „Runen, ich kann sie entziffern. Doch sie scheinen in der falschen Reihenfolge zu stehen“, dachte ich laut. Ein alter Zauberspruch, ich brachte sie in die richtige Reihenfolge und hielt die Luft an. Sie hörten auf zu flimmern und brannten sich in die rückliegende Mauer.

„Jeanne was ist denn los?“ Er schien mich nicht gehört zu haben denn, als ich ihm nicht antwortete sah er mir in die Augen und zog scharf die Luft ein. Meine Augen bestanden nur noch aus glühendem blauem Licht. Ich flüsterte leise unverständliche Worte vor mich hin und war nicht ansprechbar. „Was ist denn los? Warum geht es nicht weiter?“ Roan´s genervter Ton hallte zwischen den Mauern wieder. Joan hatte sich auf meine andere Seite gestellt und beobachtete mich ebenfalls faszinierend. „Sie macht uns den Weg frei!“ Damit glühten plötzlich Runen auf der Mauer vor uns. Sie brannten sich in den dunklen Fels und zeichneten einen Durchgang. Wie ein sich lüftender Vorhang löste sich das Gestein auf und öffnete einen Tunnel.

Nachdem sich der Tunnel geöffnet hatte, wurde meine Sicht wieder klar und ich sah in die verblüfften Gesichter von Alec und Joan. „Was ist?“ fragte ich sie gespielt ungläubig und führte die Gruppe weiter. Alec sah mich nur verblüfft an und folgte mir. Die Wände des Tunnels waren glatt und in der selben Farbe wie der Stein. Auch hier herrschte Magie. Die Hufe der Pferde hallten laut auf dem kalten Felsboden und brachten meine Ohren zum klingeln. „Faszinierend!“ Joan fuhr mit ihrer behandschuhten Hand über die Wände und schloss kurz die Augen. Sie sog die Energie ein die an diesem Ort herrschte.

„Und was nun?“ Alec der neben mir her lief war angespannt. „Jetzt treffen wir König Gandolin!“ Am Ende des Ganges öffnete er sich zu einer breiten Treppe die hoch zum Tor Erebor´s führte. Tief aus dem Stein gehauen und in breiten Stufen glänzte der dunkle Stein im Lichte des aufsteigenden Halbmondes. Die dicke Balustrade schütze einem vor dem Fall in die gähnende Leere des Abgrundes die die Treppe überspannte. In regelmäßigen Abständen flackerten Fackeln im Wind die Treppenstufen und erhellten den Weg zu dem großen steinernen Tor. Links und rechts wachten ausgemeißelte Türme den Zugang in das uneindringbare Reich. In den wenigen Fenstern erhellten weitere Fackeln die innen liegenden Gänge.

„Es sieht verlassen aus!“ Ich spürte Alec´s Unruhe und versuchte ihn zu beruhigen. „Keine Sorge, sie haben uns schon seit der ersten Mauer im Blick. Glaub mir, wenn es verlassen wäre, dann würden hier keine Fackeln brennen!“ Er nickte nur schweigend neben mir, wärend wir eine Stufe nach der anderen empor stiegen. Die Pferde hatten dank der tiefen Stufen kein Problem Schritt zu halten. „Was war das vorhin?“ fragte er dann nach längerem Schweigen. „Du meinst wie ich das Tor geöffnet habe?“ Sein Blick taxierte mein Gesicht.

„Den ersten Durchgang kann jeder beschreiten, der mit friedlichen Absichten in das Zwergenreich möchte. Den zweiten Durchgang kann man nur mit einem Gelehrten öffnen der sich der Magie gewidmet hat. Ich habe nur das Runenrätsel gelöst!“ Er schien nicht ganz überzeugt zu sein, dennoch schritt er weiter voran.

Damit stiegen wir die letzte Stufe empor und standen auf einer riesigen Plattform die das Tor in einem Halbkreis einschloss. Ich wartete auf die anderen die schnaufend und fluchend neben uns Stellung nahmen. Ich bewunderte währenddessen aufs Neue das Tor. Es war bestimmt dreißig Fuß hoch und hatte eine Breite von zwanzig Fuß. Aus dem selben Stein gemeißelt, ziert es verschiedene Szenen der Zwergengeschichte. Von epischen Schlachten bis hin zu zeremoniellen Rieten. Umfasst von einem künstlerischen Band aus Runen und Symbolen. Hier und da glitzerten Edelsteine im Mondlicht und Goldintarsien schienen die Figuren zum Leben zu erwecken.

Ohne sichtbaren Knauf oder einem Geräusch, öffnete sich die vier Fuß dicke Pforte mit einem malenden Kratzen und aus dem Inneren trat ein dick bärtiger Zwerg in einer massiven Metallrüstung. Er strahlte Ruhe und Kraft aus, die jeden ehrfürchtig niederknien ließ. Gefolgt von vier Leibwachen und einem Magier trat Gandolin vor uns. Ich trat einen Schritt vor und verbeugte mich vor dem Zwergenkönig. „Ah Jeanne, Freundin und Beschützerin des Erebor´s. Was führt euch in unsere Gefilde?“ Er kam auf mich zu und ich erhob mich. „Gandolin, König unter dem Berge. Wir sind auf der Durchreise und beten um Obdach!“ Er nickte zufrieden und ließ seinen Blick über meine Gefährten schweifen. „Wer sind deine Freunde?“ Ich stellte jeden kurz vor und sie verneigten sich vor dem König.

Als ich die Elben vorstellte verzog er keine Miene und begrüßte auch sie. „Nun tretet ein. Meine Stallburschen kümmern sich um eure Pferde. Kommt esst und trinkt mit mir, ihr seid eingeladen!“ Ich atmete auf. Für einen kurzen Moment hatte ich die Befürchtung das die alte Fehde zwischen den Elben und den Zwergen ein Hindernis sein würde, doch ich hatte richtig in Gandolin vertraut. Unsere Pferde wurden von den Stallburschen abgenommen. Karo nahm mir wie beim letzten Mal Reijkjon ab. Als sie mich sah, strahlte das Zwergenmädchen von einem Ohr zum anderen. Ohne etwas zu sagen drückte ich ihr mit einem Lächeln die Zügel des Hengstes entgegen und sie schritt stolz von dannen. Die beiden kannten sich und ich wusste er war in guten Händen.

„Was jetzt?“ Alec´s misstrauisches Flüstern in meinem Nacken ließ mich zusammenzucken. Ich sah ihn von der Seite an und musste grinsen. „Entspann dich Alec. Für heute Abend sind wir hier sicher. Wir essen was und morgen früh geht es erst richtig los!“ Damit folgten wir dem Zwerg mit der glänzenden großen Krone auf dem Kopf. Das innere des Berges war wie ausgehöhlt. Überall waren Gänge, große Säle, verschlungene Wege und viele kleine Nebenräume. Wie ein Ameisennest führten alle Wege und Gänge zum großen Thronsaal. Je näher man ihm kam, desto kunstvoller waren Wände und Säulen verziert und geschmückt. Von grob behauenen engen Steintunneln, zu blank poliertem Marmorgestein, hohen maskulinen Säulen, Intarsien aus Gold und Silber, funkelnde Diamanten in Faustgröße und epischen Schlachten an den Wänden. Uns kamen viele verschiedene Zwerge entgegen. Manche trugen rußverschmiert schwere Lederschürzen, andere waren bepackt mit Waffen, wieder andere trugen Körbe mit Gemüse. Zwischendurch huschte der eine oder andere Gelehrte durch die Massen und in der Ferne hörte man Kühe blöken.

Doch über allem lag der Geruch nach verbrannter Kohle und Essen in der Luft. Hier und da erhaschte man einen kurzen Einblick in die Schmieden und Waffenkammern der Zwerge und auch ein verstohlener Blick auf die unterirdischen Felder, die sie hier angelegt hatten. Meine Gefährten staunten nicht schlecht, als sie all die Wunder unter Tage erblickten. Joan fing an sich Sachen in ihr Notizbüchlein aufzuschreiben und Roan murrte herum das es doch mal langsam etwas zu essen geben könnte. Doch der Zwergenkönig führte uns beharrlich weiter durch sein Reich.

Ich fühlte mich sofort wieder heimisch und all die schönen Erinnerungen dich ich mit diesem Ort verband blühten wieder auf. Die meisten Zwerge kannten mich hier und verneigten sich oder nickten mir zum Gruße zu. Generell war unsere Gruppe sehr auffällig. Viele Zwerge standen in Grüppchen zusammen und tuschelte sobald wir vorbeiliefen. Andere strahlten uns freundlich an. Da wir alle Zwerge überragten, viel es nicht schwer jene auszublenden die uns mit misstrauischen und verärgerten Blicken begutachteten.

Der Tunnel, in dem wir im Schein der vielen Fackeln hindurch gingen, öffnete sich in ein großes Esszimmer. Rustikale Holzbänke und Tische standen in der Mitte des Raumes. An der Decke hingen riesige Kronleuchter und brachten die Äxte und Schilde an den Wänden zum Glänzen. „Bitte nehmt Platz und lasst es euch schmecken. Ihr seit hier in meinen privaten Gemächern, wir werden versuchen jeden Wunsch zu erfüllen!“ Damit deutete er mit einer ausladenden Armbewegung uns zu setzten und wir gingen seiner Bitte nach.

Er selber ging mit zwei weiteren Zwergen diskutierend durch eine Tür in ein Nebenzimmer. Unter Gestöhne und Seufzen legten wir unser Gepäck und die schweren Mäntel und Taschen ab und machten es uns an der Tafel bequem. Aus einem Durchgang hörte ich eifriges Geklimper von Geschirr und Töpfen. Sofort kamen drei Zwergendamen aus dem Durchgang mit Bierkrügen. Die Männer freuten sich über ein kühles Zwergenbier. Eine Gruppe Musiker gesellten sich ebenfalls zu uns und stimmten ein fröhliches Lied an. Alec sah etwas misstrauisch in den Krug und roch vorsichtig daran. „Kannst es ruhig trinken. Sie brauen mitunter das beste Bier im ganzen Land!“ Er sah mich vorsichtig an und nahm zaghaft einen Schluck. „Sag bloß du hast noch nie Zwergenbier getrunken?“ Er schüttelte mit einem Schaumbärtchen auf der Oberlippe mit dem Kopf. „Aber es schmeckt!“

Damit begann das Gelage. Nachdem sich der König wieder zu uns gesellt hatte, kam ein Teller nach dem anderen auf den Tisch. Es roch herrlich nach gebratenem Fleisch, Gemüse, würziger Suppe, frischem Brot, verschiedene Aufschnitte und dergleichen. Wer hier nicht satt wurde, war selber schuld. Das Bier floss in Strömen und die Stimmung stieg. Ich hielt mich zurück und genoss lieber einen Elbenwein, eine Flasche hatte Gandolin immer extra für mich gelagert. Aber meist vertrug ich nicht mehr als ein Glas. Den andern hingegen konnte es nicht genug Bier geben. Selbst Sina, der man es wirklich nicht zutrauen würde, konnte mit den Männern mithalten. Es wurde sogar so wild das Roan mit den Musikern auf dem Tisch tanzte und laut mitsang, oder eher grölte. Es wurde gestampft, geklatscht und sich sekündlich zugeprostet. Die Stimmung war ausgeglichen, stieg unaufhörlich, das selbst Daimien sich mitreißen ließ und mit Joan das Tanzbein schwang. Mein Herz erfreute sich an der guten Stimmung und für einen kurzen Augenblick vergaß ich unsere Sorgen.

Nach mehreren Stunden des Frönens ging ich leicht schwankend in mein Gemach. Alec hatte irgendwann aufgegeben mit Roan und Sina mitzuhalten und war noch vor mir verschwunden. Selbst Joan blieb noch und war in ein Gespräch mit Gandolin vertieft. Doch mir wurde es zu viel, der Elbenwein steig mir zu sehr zu Kopf und ich hatte Mühe meine Augen offen zu halten.Eine Hofdame wies mir den Weg. Aus dem Essenssaal heraus ging es eine gewundene Treppe weiter nach oben. Dort angekommen öffnete sich die Mauer und ließ den Blick auf ein kleines Tal frei welches komplett von den Bergen umschlossen war. Aus einem Spalt im Gestein schoss ein riesiger Wasserfall und mündete in einen kleinen See, der zu einem unterirdischen Fluss überging. Das Mondlicht ließ das Wasser aussehen wie flüssiges Silber. Auf den üppigen Wiesen grasten Hirsche, Pferde und andere Tiere. Hier und da standen in kleinen Grüppchen verschiedene Laubbäume an deren Ästen reife Früchte baumelten. Trotz des Winters wuchsen und gediehen hier viele verschiedene Pflanzen. Es war wie ein kleines Paradies.

Die Zwergin führte mich zu einer hübschen Kammer mit Ausblick in das Tal. Für Zwerge eher untypisch, lagen überall bunte Decken, Kissen und Blumen in Vasen auf dem Mobiliar. Ich hatte also meine Kammer behalten. Ich bedankte mich bei der Zwergin und legte meine Sachen auf eine Truhe, die an der Wand stand. Es war genauso wie damals, bevor ich wegging. Sogar die selben Blumen, die ich unten im Tal gepflückt hatte standen noch in der Vase. „Wir erneuern sie jedes Mal, wenn sie verwelkt sind!“ Ich hatte die Zwergendame völlig vergessen die noch im Türrahmen stand. Ich sah sie überrascht an. „Aber warum?“ Sie lächelte etwas scheu und sah weg. „Nun ja wir wollten das ihr euch so wohl wie möglich fühlt, wenn ihr mal wieder zurückkommt. Und es ist eine schöne Abwechslung hinunter gehen zu dürfen um ein paar Blumen zu pflücken!“ Damit verneigte sie sich noch einmal und ging nach einem gute Nacht Gruß.

Das silberne Licht erhellte meine Hand als ich ans Fenster trat und hinunterblickte. Ja es war verboten das Tal zu betreten. Als ich hier ankam, war das alles noch eine raue und tiefschwarze Felswüste, in der man zwar Gold fand, aber sonst nichts gedieh. Dieses Fleckchen Erde hatte die Zwerge hier vergiftet. Hass, Neid und Rache sähte es in ihre Herzen. Ich war der Sache auf den Grund gegangen und hatte herausgefunden das das Gold welches hier zu finden war unter einem bösen Fluch lag. Eine alte Zauberin war die Gier der Zwerge leid und hatte es verhext, dass sie je mehr sie davon fanden sie irgendwann wahnsinnig wurden und daran sterben würden.

Es hatte eine Weile gedauert bis ich die Magierin aufgespürt hatte. Tief im Berg hatte sie sich verschanzt und erfreute sich an ihrem tückischen Werk. Nach einem schweren magischen Duell, konnte ich sie bezwingen und so den Fluch brechen. Es hatte mich einiges meiner Kraft gekostet und hätte mich Gandolin höchstpersönlich nicht gefunden, wäre ich dort unten gestorben. Nun aber sprossen die Pflanzen nur so aus der Erde und Tiere aus der näheren Umgebung suchten hier Schutz vor der Kälte. Seitdem war es verboten dieses Gelände zu betreten. Bis auf mir, dem König und anscheinend auch ein paar Hofdamen war es niemanden gestattet. Und das war auch gut so.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Schergen der Dunkelelben

 

Die kühle Abendluft ließ mich in meinen leichten Gewändern frösteln. Den schweren Mantel und das Gepäck hatten wir vor Beginn der Festivitäten abgelegt und nun lagen sie neben dem einfachen Holzbett auf dem steinernen Boden. Seufzend durchforstete ich meinen Beutel nach frischer Kleidung und einem Handtuch und machte mich auf den Weg zu den heißen Quellen. In den mittlerweile leeren steinernen Gängen war es ruhig. Bis auf das leise flackern der Fackeln an den Wänden und dem eifrigen Geklapper aus der Küche, lag der Berg ruhig da. Ich genoss die Ruhe und das Alleinsein nach dem wochenlangen aufeinander hocken mit meinen Reisegefährten. Ich will nicht sagen das ich ihrer Gesellschaft überdrüssig geworden bin, aber von Intimität lässt sich reisen auf so engem Raum auch nicht sprechen.

Der Gang endete nach unendlichen Windungen und Kreuzungen endlich in der ersehnten Höhle. Ich kannte die Heimat der Zwerge zwar wie meine Westentasche, aber wie fleißige Bienchen bauten sie einen neuen Stock nach dem anderen entweder um oder aus und so hatte ich mich auch das ein oder andere Mal verlaufen. Doch jetzt wogen mir die ersten Dampfschwaden entgegen und die Luft wurde heiß und feucht. Schon nach wenigen Sekunden klebten mir die Kleider am Körper und die Haare an meinem Kopf.

In der großen Höhle blubberte das dunkle Wasser in drei großen Becken, gespeist aus unterirdischen Lavaströmen und darüber liegenden Flüssen. Um ein intimeres Licht zu gestalten und da Fackeln in der dampfenden Luft erlöschen würden, hatten die Zwerge lumineszierende Moose an den Wänden angepflanzt, die dort gut gediehen. In den dunklen Flecken zwischen den Lichtflecken lag tiefe Dunkelheit, doch das scherte mich in diesem Moment nicht. Es gab nur den einen Ein- und Ausgang, durch den ich gekommen war, wenn noch wer hier sein sollte würde ich es sehen.

Seufzend pellte ich mich aus den nassen Gewändern und legte sie neben einem der Becken auf den Boden. Nackt und völlig ausgelaugt, setzte ich einen Fuß nach dem anderen auf die natürlichen Stufen, die in das brodelnde Becken führten. Das heiße wohltuende Wasser schwappte von meinen Knöcheln hoch über meine Hüften bis zum Hals darin verschwand. Wohlig die heilende Wärme genießend setzte ich mich auf einen tiefer liegenden Felsvorsprung, so dass ich noch Luft bekam.

Die Augen geschlossen lehnte ich mich zurück und entspannte mich. Meine Gliedmaßen schwebten im Wasser und die Muskeln entspannten sich. Ein letztes Mal sah ich mich um und vergewisserte mich das ich alleine war. Als ich die Augen endgültig schloss wiegte mich das leise blubbern der aufkommenden Blasen in einen leichten Schlaf. Meine Gedanken kreisten um mich, meine Gefährten und unsere Aufgabe. Vor allem Alec ließ mir keine Ruhe. Nach unserer Vereinigung hatte ich versucht ihn und Rathiel aus meinem Kopf zu verbannen, was mir an sich auch gut gelang. Doch ich spürte den Druck, wenn sie versuchten in meinen Geist zu gelangen.

Nach einer gewissen Zeit des Herumtreibens in meinem Geist und des Versuchs abzuschalten ließ ich sie dann doch in meinen Kopf. Was wollt ihr? Knurrte ich die beiden an. Warum so biestig verehrteste? Feixte Rathiel. Wisst ihr eigentlich was ich gerade mache? Wo ihr mich gerade bei stört? Feixte ich zurück. Ich öffnete meine Augen und spürte wie Alec durch meine Augen meine Umgebung betrachtete. Warte einen Moment und ich komme zu dir! Einem kehligen Lachen folgend blieb er wieder stumm. Wehe! Wagt es nicht! Ich wollte einmal meine Ruhe haben, dass ist das mindeste, wenn ihr schon immer in meinem Kopf rum spukt! Alec antwortete nicht. Fluchend rappelte ich mich langsam auf und weckte meine müden Glieder die völlig steif geworden waren. Keine Eile! Schmunzelte Rathiel. Bis er die Thermen gefunden hat, bist du schon dreimal draußen! Damit hatte er Recht. Wir hatten zwar einen eingebauten Kompass um die jeweils anderen schnell zu finden, aber in diesem Labyrinth würde das trotzdem andauern. Ich wollte auch nur nach dir schauen. Du hattest dich solange abgeschottet da habe ich mir einfach Sorgen gemacht! Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Das ist lieb von dir, danke. Eine Woge der Zuneigung überflutete mich. Er war schon was Besonderes, aber mehr als Waffenbrüder würden wir nie werden. Ich wünsche dir eine gute Nacht! Ich nickte ihm nur stumm in Gedanken zu und dann war er weg. Immer da, aber für einen Moment ruhig.

Es dauerte tatsächlich eine Weile bis Alec bei den Quellen ankam. Ich hatte aus Spaß auf ihn warten wollen, um zu sehen wie lang er brauchen würde, in Erwartung mich nackt im heißen Wasser schwimmen zu sehen. Zu seinem Nachteil hatte ich mich aber bereits angezogen und wir stießen fast zusammen, als er durch den Eingang gestürmt kam. Sein strahlendes lüsternes Gesicht verwandelte sich sofort in tiefe Enttäuschung. „Tja mein Lieber, da warst du wohl nicht schnell genug.“ Wie ein beleidigtes Kind verschränkte er die Arme vor der Brust und lehnte sich schmollend an die Wand. „Hättest du nicht auf mich warten können?“ In dem Moment kamen drei Zwerge nur mit Badetüchern bekleidet grüßend in die dampfende Höhle. „Wenn du unbedingt im Beisein der Zwerge mit mir schwimmen möchtest, klar, dann lass uns wieder hinein gehen!“ Einen kurzen Augenblick schien er zu überlegen, lehnte dann aber ab, als sein Blick auf die nackten Zwerge viel. „Dann ein anderes Mal“ und sein Blick war wieder verschmitzt und erwartungsvoll. „Träum weiter“, damit streckte ich ihm meine Zunge raus und ging wieder zurück.

Mit wenigen Schritten war er hinter mir und lief neben mir her. „Wie kann das sein das du noch nicht im Saufkoma in deiner Koje liegst?“ fragte ich so nebenbei. Mit verächtlichem Schnauben sah er mich von der Seite an. „Nur weil die anderen nicht trinkfest sind heißt das ja noch lange nicht das ich ihrem Beispiel folge…übrigens dasselbe könnte ich dich auch fragen!“ Einem Lächeln auf den Lippen sah ich ihn an und raunte amüsiert. „Tja ich bin trinkfester als so manch gestandener Mann!“ Damit bog ich in den Gang unserer Gemächer ab und blieb abrupt stehen. Leise fluchend schubste ich den überraschten und in mich rein gelaufenen Alec zurück hinter die Mauer. Mit dem Finger auf den Lippen mit der leisen Bitte keinen Mucks zu machen, horchte ich in den dunklen Gang. „Wie kann das sein? Ich dachte sie wären in eine Art Winterschlaf übergegangen!“ Die beiden Zwerge, die ich auf dem Gang erblickt hatte, schritten eilig in voller Rüstung und mit dem Zeichen des Zwergen Clans an uns vorbei und bogen in weiter Richtung Verlies ab. „Ich kann es dir auch nicht sagen, ich weiß auch nur was Balin mir erzählt hat. Und jetzt…“ Weiter konnte ich nichts mehr verstehen, die Stille und die hallenden Schritte verschluckten den Rest des Gespräches.

Eine innere Unruhe überkam mich und meine Neugierde war geweckt. „Was hat das zu bedeuten?“ sah mich Alec irritiert an. Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen löste ich mich von der Mauer und deutete ihm an mir zu folgen. Mit großem Abstand folgten wir den beiden Zwergen, die nicht schwer zu finden waren in ihren klappernden Rüstungen. Leise und ohne ein Geräusch zu machen schlichen wir ihnen bis hinunter zum Eingang des Verlieses hinterher, Alec direkt hinter mir. Dort angekommen versteckten wir uns hinter einer Statue die den Eingang bewachte. Vor uns sammelten sich eine Handvoll Zwerge und warteten auf den Befehl des Hauptmannes, der sich vor die Gruppe platziert hatte. In der kleinen Vorhalle, die nach modriger Kleidung und Fäulnis stank konnte man gut jedes Wort hören. „Aufgepasst. Diesen Kreaturen stehen wir nicht zum ersten Mal gegenüber. Seit bedacht, passt auf die Stacheln und vor allem auf das Gift auf!“ Der gut gepanzerte Zwerg lief vor seinen ebenso gepanzerten Männern auf und ab, seinen riesigen Hammer auf der Schulte ruhend. „Hatten wir sie nicht schon vor Jahrhunderten aus den Tiefen des Berges verbannt?“ warf ein kleinerer Zwerg ein und ein weiterer pflichtete ihm bei. „Wurden sie nicht das letzte Mal gesichtet als die Dunkelelben an der Macht waren?“

Kurze Stille trat ein und mir lief ein Schauer über den Rücken. Wie zur Antwort ertönte ein markerschütternder Schrei aus den dunklen Tiefen des Gefängnisses. Alle drehten sich zu dem Tunnel, der hinunter führte um. Der Hauptmann wog seinen Hammer in beide Hände und ging voraus. „Seit einfach vorsichtig und lasst keinen entkommen! Wyrge sind zwar dumm, dafür aber schnell.“ Damit marschierten sie in einer Formation voran. Als sie außer Sicht waren und ich anstalten machte ihnen hinterher zu laufen, hielt mich Alec am Arm fest. „Du willst da unbewaffnet hinter her?“ „Ich muss. Sie haben keine Ahnung auf was sie sich da einlassen!“ Mit einem Ruck löste ich mich aus der festen Umklammerung und lief den Zwergen, die gerade im Tunnel verschwunden waren hinterher. Leise fluchend hörte ich Alec hinter mir herlaufen. Er zog ein Messer aus seinem Gürtel und schlich konzentriert hinter mir her.

Der Tunnel führte immer tiefer und der beißende Geruch nach Schwefel, Kot und Blut trat mir in die Nase. Vor uns war es bis auf ein paar wenige Fackeln stockdüster. Die Wände und der Boden waren feucht und schon bald hörte man wieder einen schrillen Schrei, der einem durch Mark und Bein ging. Direkt gefolgt von Kriegsschreien, Schwerter, die auf was Hartem prallten, Todesschreie und Krallen, die an den Wänden kratzten. Je näher wir kamen, desto beißender wurde der Geruch und je lauter die Schreie. Schon nach der nächsten Biegung öffnete sich ein kleiner Vorhof zu den Kerkern und einer Szenerie, die aus der Hölle stammen könnte.

Die Zwerge schwangen und stießen ihre Waffen in tiefschwarze knöcherne Wesen, mit langen schwarzen Stacheln auf dem Rücken, sichelförmigen dolchlangen Krallen und spitzen Zähnen. Ihre Augen waren einfach nur tiefschwarze licht schluckende Höhlen, die sich stark von dem schwarz glänzenden Chitinpanzer abhoben. Die offenen Nasenlöcher ließen ihre Antlitze wie Schädel aussehen und aus ihren Mäulern troff giftiger grüner Speichel. Ein paar Zwerge lagen schon tot am Boden, nur noch drei waren am Leben und kämpften gegen zwei der albtraumhaften Kreaturen, wo eines sich aus dem Staub machte und in einen Nebengang flüchtete. Eines hatten sie schon getötet, es lag mit mehreren Lanzen gespickt in der hintersten Ecke der Halle.

Aus unserem Versteck schlich ich mich von hinten an die stinkende menschengroße Bestie an und sprang behände zwischen die Zwerge, entriss dem vordersten Zwerg seine Lanze, welche er nur noch mit einer Hand locker dem Untier entgegen reckte. Kraftlos und von dem ätzenden Gift halb versenkt überließ er ihn mir und fiel rücklings um. Mit einem gezielten Stoß stach ich zwischen die Rippen auf Höhe des Herzens durch das weiche Fleisch. Genau dort war der Körper ungeschützt und angreifbar.

Wütend schlug es um sich und versuchte die tiefsitzende Lanze herauszuziehen. Grüner Speichel flog durch die Luft und traf zischend meinen Arm. Es brannte höllisch, doch ich ignorierte den Schmerz. Ich zog die Zwerge weg von dem umsichschlagenden und vor Wut kreischenden Tier und sah zu wie es versuchte sich aus den Fängen des Todes zu befreien. Es wirbelte dabei Dreck und Wasser auf, sein langer Schwanz zischte wie eine Peitsche an uns vorbei und ich betete da es doch endlich bald sterben würde. Erschrocken suchte mein Blick nach Alec´s Schatten. Ich hatte ihn seit dem ich los gesprintet war nicht mehr gesehen und sah mich nun verzweifelt um. In dem ganzen Tumult konnte ich ihn aber nicht erkennen und suchte fieberhaft im Geiste nach ihm. Wie aus dem nichts tauchte er aus dem Dreckwirbel über der Kreatur auf einem Mauersims auf und sprang auf das Tier zu. Ich sah nur noch wie er in dem Wirbel von Gliedmaßen, Dreck und umherfliegenden Teilen verschwand.

Ein weiterer schriller Schrei und dann, Ruhe. Die beiden unverletzten Zwerge hinter mir hielten den ihren fest, der mittlerweile wimmernd in ein Koma fiel. Ich hielt den Atem an und wartete darauf dass sich die Sicht klärte. Meine Augen konzentrierten sich auf den Punkt wo ich Alec das letzte Mal erblickt hatte und betete inständig dass es ihm gut ging. Ich schrie ihn regelrecht an. Scheiße, Alec. Sag doch was!!! Bange Sekunden verstrichen, als ich endlich eine Bewegung in der Dunkelheit erkennen konnte. Alec stieg aus der Wolke aus Dreck und Wasser empor und humpelte auf uns zu. Wie vom Blitz getroffen rannte ich auf ihn zu und schlang meine Arme um seinen Oberkörper. Ein leises Lachen erbebte seinen Brustkorb als er einen Arm um mich legte und mich an ihn drückte. „Ruhig ruhig holde Maid. Dein Retter lebt ja noch!“ Wütend stieß ich mich von ihm weg und schlug ihm auf den Arm. „Wie kannst du nur einfach so heldenhaft auf dieses Vieh springen und dich fast umbringen lassen?“ Er grinste mich mit dreckverschmiertem Gesicht an und zuckte mit den Schultern. Ein Arm hatte er fest an seine Seite gedrückt und Blut quoll darunter hervor. Bevor er etwas sagen konnte deutete ich auf seinen Arm. „Wir müssen in die Krankenstation, sofort!“

Ohne ein Wiederwort schleiften wir uns mit den Zwergen wieder hoch. Im Tunnel kamen uns weitere Wachen entgegen die von dem Lärm aufgeschreckt worden waren. „Was ist hier passiert?“ fragte uns der Hauptmann im Befehlston. „Wir wurden angegriffen. Unser Hauptmann ist tot. Gimli ist schwer verletzt, sonst sind nur noch wir beide übrig. Die beiden Menschen haben uns gerettet, wenn sie nicht gewesen wären, hätte uns das Vieh auch noch zerfetzt.“ Antwortete ihm einer der Zwerge, die überlebt hatten. Der Blick des Hauptmannes huschte von einem zum anderen und nickte dann. „Gilli und Arno, helft ihnen zur Krankenstation und dann Marsch wieder zurück.“ Ich hielt ihn kurz auf bevor sie weitermarschierten. „Seid vorsichtig Hauptmann. Einer ist noch am Leben, er ist uns leider entwischt.“ Er nickte uns kurz zu und dann marschierten sie mit scheppernder Rüstung weiter.

Im Krankenflügel angekommen, half ich Alec auf eine der Liegen. Die Zwergendame die um uns herum schwirrte drückte mir einen sauberen Lappen und Wasser in die Hand und murmelte etwas von: „Immer dann, wenn man alleine Dienst hat…säubere bitte die Wunde für mich. Gimli den Dummkopf hat es schwerer erwischt, wenn du Hilfe brauchst musst du kurz warten.“ Damit verschwand sie hinter den Vorhang, der zur nächsten Liege führte. „Oh weh ich als Heilerin, ich muss mich jetzt schon entschuldigen!“ Alec lag stöhnend auf der eigentlich viel zu kurzen Holzliege und nahm den Arm von seinem Körper. Darunter quoll das Blut durch einen Riss im Hemd. Vorsichtig knöpfte ich ihm dieses auf und zog es vorsichtig von seinem Körper. Mein Blick blieb kurz an seinen stählernen Bauchmuskeln hängen, bevor ich mich seiner Wunde widmete.

Dadurch das Alec sie abgedrückt hatte, blutete die Wunde nicht mehr ganz so stark. Ich säuberte sie vorsichtig mit Tuch und Wasser. „Die muss wohl genährt werden“, Alec schien nicht so begeistert zu sein, denn er verzog sein Gesicht zu einer gequälten Fratze. „Ja selber schuld, Herr edler Ritter. Was springst du auch einfach so auf dieses ätzende Viech. Du kannst froh sein das sie dich nicht mit ihrem Sabber weggeätzt haben.“ Kopfschüttelnd sah ich ihn an. „Irgendwer musste sich ja opfern. Aber bitte geh mir weg mit Nadeln“. Sein leicht flehender Blick ließ mich schmunzeln. „Sich auf ein Dornen gespicktes Monster schmeißen, aber Angst vor Nadeln haben?! Das sind mir die richtigen“. Ich ließ ihn ein wenig schmollen bevor ich ihn mit einem Lächeln erlöste. „Keine Sorge, ich krieg das auch ohne Nadel hin! Das könnte aber ein wenig ziepen“. „Alles nur keine Nadeln“, stöhnte er und sah mich etwas skeptisch an.

Schnell zog ich meinen mit Blut und Dreck beschmierten Ärmel hoch, legte meine flache Hand auf die Wunde, presste ein wenig und konzentrierte mich auf die Kraft, die seit meiner Geburt in mir wohnt. Mit geschlossenen Augen tastete ich kurz nach ihr, fand sie und leitete sie durch meinen Arm in meine Hand. Dort pulsierte sie auf Alec´s Haut und hüllte die Stelle in grünes Licht. Alec atmete stoßweise gegen den Schmerz an, bäumte sich auf und schrie. Ich musste mich weiter konzentrieren und hielt die Magie an, bis ich spürte wie sich die Wunde schloss. Sofort zog ich meine Hand von seinem glühend heißen Körper und sah mir das Ergebnis an.

An der Stelle wo sich die Haut jetzt geschlossen hatte, waren nur noch das Blut und mein Handabdruck sichtbar. Immer noch schwer keuchend sah Alec auf seine Brust und ließ sich dann stöhnend wieder auf die Liege fallen. Schweißbäche strömten über seinen makellosen Körper. Dreck, Blut und weitere aber nicht gefährliche Schrammen übersäten ihn und seine Kleider. Ich ließ ihn kurz durchatmen und machte mich an dem kleinen Brunnen an der entgegen gesetzten Wand sauber. In dem polierten Silberspiegel sah ich mich auch zum ersten Mal. Auch ich hatte einiges abbekommen. Kratzer, Schürfwunden, Dreck, Blut und ein paar Verätzungen hatte ich davongetragen. Meine frisch angezogenen Gewänder waren zerrissen, durchlöchert und verdreckt. Na toll! Genervt ging ich wieder zu Alec, der sich etwas erholt und aufgesetzt hatte. „Danke. Auch wenn es Schweine wehgetan hat!“ Ich nickte ihm nur zu und erinnerte mich wieder an den Moment wo ich ihn verloren gedacht hatte. Das war süß! Summte er amüsiert in meinem Kopf. Mit einem bösen Blick wandte ich mich von ihm ab, meldete mich bei der Zwergendame ab und ging. Doch bevor ich den Raum verlassen konnte, hielt mich Alec am Arm fest und drehte ihn so dass die Verätzung am Oberarm sichtbar wurde. „Das muss auch verarztet werden“, sein Blick war ernst und durchdringlich. Vergeblich versuchte ich ihm meinen Arm zu entreißen, doch er hielt ihn stählern fest. „Keine Sorge ich kümmere mich gleich darum!“ „Nein jetzt!“ befahl er mir und schob mich zurück zur Liege. Genervt setzte ich mich und ließ ihn gewähren. Mit geübten Händen riss er mir den Ärmel meiner Bluse ab, säuberte die Wunde und verband sie vorsichtig. Seine Hände waren warm und bestimmt. Jedes Mal wenn er meine Haut streifte überkam mich ein wohltuender Schauer. Als er fertig war, lagen seine Hände noch einen Moment auf meinem Arm. Ich hob meinen Kopf und sah ihm direkt in seine glühenden Augen. Hitze stieg in mir auf. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt, so das ich seinen Atem auf meinen Lippen spüren konnte. „Danke“, hauchte ich tonlos, unfähig mich zu bewegen. Er sah mich fasziniert und liebevoll an und im nächsten Moment blitzte der Schalk in seinen Augen auf und verzog seine Lippen wieder zu seinem typisch lasziven Grinsen. „Gern, aber beim nächsten Mal reiße ich dir deine ganze Bluse vom Leib!“ Vorbei die romantische Stimmung, sprang ich wütend von der Liege und ließ ihn lachend zurück. Nur einen Moment dachte ich wirklich den wahren Alec gesehen zu haben. Der verätzte Zwerg hatte es zwar noch nicht ganz überstanden, aber er lebte noch. Bevor ich ganz gehen konnte, eilte einer seiner Kumpane zu mir und verbeugte sich. „Danke, Lady Jeanne. Wenn ihr nicht gewesen wärt hätte es keiner von uns überstanden!“ Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte er wieder auf dem Absatz um und ließ mich allein.

Ich hatte Alec allein gelassen und eilte nun leicht humpelnd zurück zu meinen Gemächern. Alle Stimmen aus meinem Kopf verbannt, spürte ich Rathiel mit aller Macht gegen meinen Geist hämmern. Ist ja gut. Wenn du so weiter machst bekomme ich noch Kopfschmerzen. Maulte ich. Oh Gott sei Dank dir geht es gut. Was zur Hölle ist da unten passiert? Seine Stimme klang besorgt und einen kurzen Blick durch seine Augen zeigte mir dass er sich bereits kampffertig gemacht hatte. Trommel alle zusammen, wir müssen mit dem König sprechen. Es ist ernst! Damit beendete ich das Gespräch, ging in meine Gemächer, machte mich etwas sauber, zog mir wieder meine alten Sachen an und machte mich auf den Weg in den Thronsaal. Na toll! Das schöne Bad ganz umsonst.

 

 

 

 

 

Dunkle Pläne

 

Mein ganzes Hab-und-Gut auf dem Rücken geschnallt, eilte ich zum Thronsaal. Eines letzten sehnsüchtigen Blickes auf die grünen Wiesen und Bäume im Tal, wandte ich mich ab. Meine Schritte hallten dumpf durch das Gemäuer und schon bald schloss sich mir Alec an. Er sagte kein Wort, doch sein Blick ruhte auf meinem Arm. Auch er hatte keine Möglichkeit mehr gehabt sein Hemd zu wechseln und so hing es blutverschmiert und in Fetzten an seiner muskulösen Brust herunter. Ich zwang mich meinen Blick von ihm loszureißen. Im Thronsaal angekommen, standen sie alle um die Tafel des Königs. Mürrisch und schlaftrunken hingen sie auf ihren Stühlen. Bis auf den König und seiner Leibwache, die aufmerksam über das Geschehen wachte, waren alle noch viel zu müde. Als wir den Saal betraten stand Roan wütend auf. „Was soll denn das ganze Theater zu dieser unchristlichen Zeit? Da wird man aus seinen schönsten Träumen gerissen und hier zum Warten verdammt!“ Abwartend hob ich die Hand und bat um Ruhe.

„Meine lieben Freunde, König Gandolin, wir haben ein größeres Problem als wir dachten“, fing ich an und sah in die Runde. Auf den Tisch gebeugt fuhr ich fort. „Der verfluchte Werwolf ist nicht die einzige Anomalie, die uns begegnet ist. Es treiben sich Wyrge um im Zwergenreich!“ Empört sprang der Zwergenkönig von seinem Stuhl auf und lief auf und ab. „Das kann nicht sein. Ihr habt wohl zu viel Met getrunken. Diese Kreaturen gibt es schon seit über siebenhundert Jahren nicht mehr.“ Sina sah mich nur irritiert an. „Was zur Hölle sind Wyrge?“ Daimien klärte uns auf. „Sie sind die Vorboten und Auskundschafter der Dunkelalben. Wenn sie schon so weit ins Land eingedrungen sind, dann steht uns bald schon ein noch größeres Unheil an.“ „Beweise, ich will Beweise!“ zeterte Gandolin und hieb mit seiner Faust auf den Tisch. „Mein König, Lady Jeanne hat Recht“. Eine leise schwache Stimme erklang hinter uns. Gimli, der den Angriff anscheint überlebt hatte, wurde von seinen beiden Kampfgefährten auf einem Rollstuhl in den Thronsaal geschoben.

Komplett ein bandagiert, und fast zu schwach zum Sprechen, kam er näher. Es fehlten ihm ein Arm und ein halbes Bein, die Säure des Wyrg´s hatte ganze Arbeit geleistet. Gandolin kam erschrocken auf ihn zu geeilt. „Gimli mein Freund, was ist nur mit dir geschehen?“ „Mein König, wenn ich bitten darf würde ich gern den Vorfall schildern, Gimli ist eigentlich zu schwach um überhaupt her zu kommen, aber er bestand darauf!“ Der Zwerg den Rollstuhl gefahren hatte trat vor und nach einer leichten Verbeugung ließ der König ihn gewähren. „Sprich, Arthur, was ist mit euch passiert?“ Der rothaarige Zwerg mit dem beachtlichen Bart, kam einen weiteren Schritt heran gehumpelt und räusperte sich. Auch er und sein weiterer Begleiter, ein braun bärtiger pummeliger Zwerg mit kunstvoll geflochtenem Schnauzer, waren lädiert und mit blauen Flecken und Bandagen versehen. „Mein König, wir waren gerade auf unserem Rundgang, als wie Meldung erhielten uns in den Verliesen zu sammeln. Hauptmann Reidon wir drei, sowie Lodrin und Herrn formierten uns dort und sind den merkwürdigen Geräuschen bis tief zu den Zellen gefolgt. Und dort sahen wir sie. Drei dieser furchtbaren Kreaturen hatten sich Zugang in die Höhlen verschafft und waren auf dem Weg, hoch zu den Gemächern. Lodrin und Herrn starben bei dem geglückten Versuch einen zu Fall zu bringen, wärend wir versuchten die anderen beiden aufzuhalten. Einer flüchtete, Hauptmann Reidon ist im gefolgt und so standen wir nur noch zu dritt der Bestie gegenüber. Gimli wurde Opfer des ätzenden Schleims des Wyrg´s und wir hatten große Mühe es davon abzuhalten ihn in Stücke zu reißen.“

Er machte eine kurze Pause um sich zu sammeln. Ihn nahm das ganze sehr mit. Verständlicherweise, da seit Jahrhunderten nichts dergleichen geschehen war. Man kannte die Geschichten und Legenden, der bösartigen und tödlichen Kreaturen die die Dunkelalben sich zu eigen gemacht hatten, aber niemand dachte daran das sie jemals zurückkommen würden. Nachdem er seine Stimme wieder hatte fuhr er fort. „Zum Glück tauchten Lady Jeanne und Sir Alec auf und kamen uns zu Hilfe. Lady Jeanne stieß dem Untier meinen Speer in den Unterbauch und zog uns aus der Gefahrenzone, wärend Sir Alec sich an das Ungetüm herangepirscht hatte und es von oben mit einem Messer tötete. Nachdem sich der Dreck gelegt hatte, sammelten wir uns und gingen auf direktem Weg zur Krankenstation um Gimli zu versorgen. Auf dem Weg hat uns noch Hauptmann Wotan aufgehalten und uns Verstärkung mitgegeben.“ Er endete mit traurigen Augen und gesenktem Kopf. „Euer Majestät, in meinem ganzen Leben und den vielen Generationen meiner Familie ist uns noch nie eine solche bösartige Kreatur untergekommen. Wenn die beiden ehrenwerten Krieger uns nicht zur Hilfe geeilt wären, würde ich jetzt nicht zu euch sprechen können!“ Gandolin hob die Hand. „Ist gut Arthur, ihr seid entlassen. Geht, ruht euch aus, ihr habt mehr für unser Königreich getan als nötig!“ Arthur und der andere Zwerg verbeugten sich ein letztes Mal zum Dank. Er richtete noch ein letztes Wort an mich und Alec. „Danke Sir, dass ihr uns gerettet habt. Wir sind euch auf ewig schuldig!“ Ohne die Möglichkeit etwas darauf zu antworten, wandten sie sich ab und schoben den schwerverletzten Gimli wieder hinaus.

Gandolin überlegte und befahl einem seiner Wachen: „Sucht nach Wotan, berichtet ihm was geschehen ist und veranlasst eine Suche nach dem letzten Wyrg. Sucht bis tief in die verbotene Zone, er darf uns nicht entkommen.“ Seinen Bart zwirbelnd wand er sich wieder an mich. „Lady Jeanne, wieder einmal bin ich euch zu Dank verpflichtet.“ Ich verbeugte mich vor ihm. „Das ist nicht nötig euer Majestät, ihr habt uns Unterschlupf gewährt das ist Dank genug. Natürlich werden wir euch helfen den letzten Wyrg zu finden und zur Strecke zu bringen“. Gandolin wank ab. „Nein, das ist nicht nötig. Wir kümmern und schon um das Biest, wir kennen ja jetzt seine Schwachstelle. Geht und findet eine Lösung um den Albae Einhalt zu gebieten. Die Zeichen werden immer klarer!“ Verdutzt meldete sich Sina zu Wort. „Was meint ihr damit, König?“ Nun wand er sich an uns alle und sprach im ernsten Ton. „Euer Werwolf und die Wyrge sind nicht die einzigen Vorboten. Ich habe Kunde erhalten das aus allen Ecken des Königreiches seltsame Dinge geschehen. Von blutrünstigen Bestien die Häuser und Dörfer zerstören, seltsame Verhaltensweisen der heimischen Tierwelt bis zu Krankheiten, Raserei und Wetterveränderungen.“ Seine Stimme klang besorgt und sein dröhnender Bass, der durch die Halle hallte wurde leiser. Mit einer Handbewegung wank er einem Zwerg zu der sich leise in die Halle geschlichen und seine Mühe und Not mit den Schriftrollen und Büchern hatte, die er auf beiden Armen trug. „Nehmt diese. Das sind Aufzeichnungen und Schriften aus unserer Bibliothek, zusammen getragen aus der Zeit vor dem Frieden. Sie sind über tausend Jahre alt und werden euch hoffentlich helfen auf eurem Weg!“ Joan kam dem Zwerg sofort zur Hilfe und nahm ihm die Schriften ab. Dankend verbeugte er sich kurz und ging wieder leise hinaus. „Habt Dank Gandolin.“ Er nickte nur und wand sich ab zum Gehen. „Bevor ich es vergesse…“ er drehte sich ein letztes Mal um und seine Gefolgschaft mit ihm. „…euer nächstes Ziel sollte, Dornsklamm sein. Der Hauptmann und Garnisonsführer dort ist ein Freund von mir. Mendrin Grauwolf, Sohn des Morowin Grauwolf, war ein unersetzlicher Krieger zur Errichtung der Feste Erebor´s.“ Ich nickte und er ging.

Nachdem der König verschwunden war drehte ich mich zu meinen Gefährten um. Roan seufzte genervt: „Ich dachte wir bleiben hier ein wenig länger und tüfteln einen besseren Plan aus, als zur nächsten Garnison zu reiten und da zu hoffen einen weiteren Hinweis zu finden!“ Er stand auf, fuhr sich mit der riesigen Hand durch seinen wilden Bart und schwang seinen Beutel über die Schulter. „Tja mein lieber Roan, wenn wir alle so denken würden, hätten die Dunkelalben unser wunderschönes Königreich schon eingenommen“, stichelte Sina ihn und schulterte auch ihr Reisegepäck. „Meckern bringt nichts, wir sollten gucken das wir so schnell wie möglich loskommen, nicht das uns der Wyrg noch verfolgt!“ Daimien sah nachdenklich aus, machte sich aber auch auf.

Wir verließen den Thronsaal und machten uns auf zu den Ställen. Alec lief neben mir. Ich beobachtete ihn. Er lief wie immer gerade, ohne zu humpeln und mit einem überheblichen Grinsen auf den Lippen. „Den mache ich auch noch fertig!“ höhnte er spöttisch. Ich musste mir das Lachen verkneifen. „Ach ja? Damit ich dich wieder zusammenflicken muss!“ Rathiel der hinter uns lief, lachte kurz auf. „Nein lass ihn nur, Jeanne. Dann haben wir einen großspurigen arroganten Klotz weniger!“ Alec würdigte ihm keines Blickes und lief weiter. „Immerhin habe ich einen von ihnen getötet!“ „Ruhig Blut, ihr habt noch genug Gelegenheiten um euch zu prügeln!“ Damit erreichten wir die Ställe wo die Pferde schon gesattelt auf uns warteten. Ich begrüßte Reijkjon mit einem liebevollen Knuff in seine Nüstern und sog den Geruch nach Pferd ein. „Hab dich vermisst mein Lieber“, als Antwort stupste er mich gegen die Brust. Ich kontrollierte noch schnell das Sattelzeug, befestigte mein Gepäck mit schnellen Handgriffen und bedankte mich bei dem Zwerg, der ihn hielt. „Er ist so ein lieber Junge. Ihr habt wirklich ein tolles Ross!“ Die Augen der jungen Zwergenfrau leuchteten. Ich schenkte ihr ein Lächeln und nahm die Zügel, die sie mir entgegenstreckte. „Das weiß ich, danke dass du so gut auf ihn aufgepasst hast“. Sie nickte eifrig und ließ mich dann allein.

Schweren Herzens folgten wir einem der Zwerge zum Haupttor. Ich hatte das Zwergenreich immer als zweites Zuhause gesehen und hatte viele Freunde hier gefunden und auch verloren. Diese Heimat jetzt wieder verlassen zu müssen viel mir sehr schwer. „Am besten reitet ihr entlang des Westpasses. Es ist zwar sehr stürmisch um diese Jahreszeit, aber euch sollte da oben nichts passieren. Innerhalb von zwei Tagesritten müsstet ihr Dornsklamm erreicht haben. Gute Reise euch!“ Damit machte er kehrt und wir saßen auf. Die riesigen steinernen Tore öffneten sich schwer schleifend wie auf Kommando. Kalter Wind blähte unsere Mäntel auf und Schneeflocken wehten uns entgegen. Ich zog meinen Mantel enger um mich und zog die Mütze tiefer in mein Gesicht. Die Reise nach Dornsklamm würde noch lang genug werden.

 

Die Dunkelheit naht

 

Lorien verstand seinen Meister nicht. Er hatte es sich nicht anmerken lassen, aber die Entscheidung einfach abzuwarten bis diese Ansammlung von unwürdigen Kreaturen das Artefakt findet, konnte er nicht nachvollziehen. Wütend trat er gegen die Ketten der Bestie, welche vor ihm auf der Seite lag. Geschunden versuchte es erst gar nicht sich gegen ihn zu wehren. Sein ehemals glänzendes braunes Fell, war nun stumpf, ausgedünnt und vernarbt. Es glich einem Bären, nur um einiges Größer. Schläuche, die von einem Gefäß mit giftgrüner Flüssigkeit zu den Armen und Beinen des Tieres verliefen und sie stetig in ihn hineinpumpten, ließen ihn noch jämmerlicher aussehen. Die schweren Ketten um Hals und Gliedmaßen hielten in unten.

„Meister, die Verwandlung ist bald abgeschlossen!“ Ein in einem grauen Kittel gewandter Alb trat hinter dem gefangenen Tier hervor. Lorien nickte nur, legte dem Bären eine Hand auf den Schädel. „Gleich bist du befreit!“ Damit zückte er ein gekrümmtes Messer. Seine schwarze halbdurchsichtige Klinge war scharf und flimmerte im Schein der umstehenden Kerzen. Der rote Stein im Griff leuchtete auf und in einer geschmeidigen Bewegung stieß er sie dem Bären in sein Herz. Dieser brüllte ein letztes Mal auf und blieb dann still liegen. Wenige Sekunden vergingen, wärend Lorien und der andere Alb warteten. Plötzlich öffneten sich die Augen des vorher verängstigten und nach Erlösung suchenden Tieres und glühten in demselben Rot wie der Stein. Sein ganzer Körper stand auf einmal in Flammen. Das braune Fell verwob zu einem drahtigen Geflecht, das Fleisch schmolz und viel teilweise von seinen Knochen, seine Krallen wuchsen zu riesigen Klauen an.

Er richtete sich auf. Die Ketten spannten sich, knirschten unter dem Zug und gaben klirrend nach. Die Bestie richtete sich nun auf, befreit von seinen Ketten und sah Lorien direkt an. „Ah, ein weiterer Diener der Dunkelheit.“ Wärend er begutachtend um den Bären herum lief, folgten ihm die glühend roten Augen mit jeder kleinsten Bewegung. „Mein Meister, seine Schnelligkeit, Kraft, Ausdauer und Böswilligkeit sind gestärkt, seine Sinne geschärft und er hört nur auf euch!“ Der Doktor verbeugte sich und trat einen Schritt zurück. Lorien überlegte kurz und befahl: „Töte ihn!“ Ohne zu zögern drehte sich der Bär, noch etwas behäbig, zu dem Alb im grauen Kittel um und fixierte ihn. Dieser wich ein paar Schritte zurück und stammelte. „Meister, das ist nicht euer Ernst. Ich habe doch alles getan was ihr von mir verlangt habt.“ Doch weiter kam er nicht, denn die Bestie brachte ihn mit einem Hieb zu Fall und biss ihm den Kopf ab. Wärend er genüsslich den Körper des Alben schmatzend verspeiste, drehte sich Lorien zufrieden um und wandte sich den restlichen Tieren in den Forschungshöhlen der Albae zu.

Es ging gut voran. Neben den umgewandelten Tieren in böse, seelenlose Killer, tüftelten seine fleißigen Gelehrten und Tierkundigen an verschiedensten Mitteln und Möglichkeiten, die Ära der Albae wieder auferstehen zu lassen. Natürlich waren ihre alt bewerten Wyrge noch das beste Mittel, aber ihr Krieg soll toben. Er verstand nicht warum Zando die Welt nicht sofort mit all ihren Kreaturen überrennen wollte. Das Artefakt mag ein mächtiges Werkzeug sein, aber dass es ihm so wichtig ist verstand er nicht. Er ging nachdenklich durch die Reihen von angeketteten Tieren, Käfigen, Giftschmieden und Foltermaschinen. Es roch nach Angst, Schweiß, Blut und Tot. Er liebte diesen Geruch. Die Hilflosigkeit in den Augen der niederen Wesen und die Schönheit, wenn sie ihre wahre Gestalt annahmen. Leicht beschwingt durch all das Grauen schritt er zur Treppe, die wieder hinauf ins Schloss führte. Er bewunderte die Fertigkeit der Steinmetze und Knochenschnitzer die dieses atemberaubende Schloss errichtet hatten aus den Knochen der Feinde und jene die es wagten in ihr Reich einzutreten. Alles war perfekt, der Mix aus der Handwerkskunst und des Grauens der dafür sterbenden Wesen. Ihre Schmerzensschreie und Flehrufe klangen ihm immer noch in den Ohren, nach der letzten Erweiterung eines Turmes. Er persönlich hatte das Vergnügen gehabt die Haut der Menschenfrau abzuziehen. Ganz langsam, so dass sie kurz vor der Ohnmacht war, um dann wieder aufzuhören und ihre Qual zu verlängern. Das Schauspiel der sich lösenden Haut die sich versuchte am Fleisch festzuhalten. Aber sein scharfes Messer tat sein Werk. Mit einem Lächeln auf den schwarzen Lippen ging er die gewundene Steintreppe empor in seine Gemächer. Er hatte Lust bekommen ein Bild, genau von diesem Grauen zu zeichnen. Gut das er das Blut der Frau aufbewahrt und präpariert hatte, so würde das Bild noch lebendiger wirken.

Wimmernd und voller Angst lag sie auf ihrem Bett. Ihre Augen fest verbunden, dem Schmerz immer noch so nahe wie vor zwei Tagen. Das ihr Herr Zando ihr das Augenlicht genommen hatte war ihre Schuld gewesen. Sie hätte es nicht wagen sollen zu schreien, als der Oberkommandant ihr auf den Fuß getreten war. Und dann auch noch den Verrat zu begehen ihrem Meister direkt in das wunderschöne Antlitz zu sehen. Sie würde sein Gesicht niemals vergessen, es hatte sich in ihr Gedächtnis gebrannt.

Leise lauschte sie auf die Geräusche um sich herum. Sie konnte wirklich rein gar nichts erkennen. Die menschliche Heilerin hatte zwar versucht ihre Augen zu retten, aber vergebens. Ihr Herr hatte gute Arbeit geleistet. Jetzt wartete sie auf ihren Tod, denn sie war zu nichts mehr nütze, außer als einer ihrer Kunstwerke zu enden. Es schüttelte sie allein bei dem Gedanke. Aber all das Trübsal blasen brachte nichts, sie musste sich was überlegen wie sie hier rauskommen würde. Sie kannte das Schloss auswendig. Sie wurde schon als kleines Mädchen an diesen Ort verkauft. Sie wohnten direkt an der Grenze zum Albaereich und hatten dort einen Bauernhof. Eines Tages fingen die Albae an Schutzgeld zu verlangen. Als ihr Vater diese nicht mehr bezahlen konnte, nahmen sie sie mit. Bald darauf brannten sie den Hof mit samt Tieren nieder.

Seit diesem Tag lebte sie unter den Albae. Sie hatte viele kommen und gehen sehen. Dass sie noch da war verdankte sie ihrem starken Überlebensinstinkt und ihrer Schönheit. Auch wenn die Albae es nie zugeben würden, sie liebten schöne Dinge. Meistens eher auf grauenhafte Art, aber auch in Wesen. In ihren Augen war sie nur ein schönes Ding. Vielleicht sogar schöner als mancher Alb, nur würden sie das nie zugeben. Ari, war Zando´s einzige Tochter. Seitdem Zando sich entschieden hatte Sie, Mariele, als seine Sklavin zu nehmen war Ari eifersüchtig. Sie schikanierte und quälte sie seit sie klein war. Angefangen hatte es mit harmlosen Streichen, an den Haaren ziehen und Beinchen zu stellen. Doch je älter und schöner sie wurde, desto gemeiner wurde Ari. Sie schnitt ihr im Schlaf die Haare ab, versteckte ihreKleider das sie nackt zum Dienst erscheinen musste und durch Zando ausgepeitscht wurde. Sie schnitt ihr im vorbei gehen mit einem scharfen Messer in die Haut, ärgerte sie mit spitzen Nadeln und ließ sie sogar einmal von einem der anderen Sklaven vergewaltigen.

Doch all diese Schikane machten sie nur stärker und der Trotz und Hass wuchsen. Sie hatte sich schon einen Plan zurechtgelegt wie sie sich aus ihrem Gefängnis befreien konnte. Ihre Kenntnisse über das Schloss, die Geheimgänge und die umliegenden Ländereien waren so umfangreich, dass sie über jede kleinste Lücke und auch Fallen Bescheid wusste. Sie musste nur noch warten, warten auf die Gelegenheit. Morgen würde das Blutmondfest stattfinden und genau dann würde sie sich durch die betrunkenen Albae schleichen und ihren Plan ausführen. Sie muss nur noch diese Nacht durchhalten, dann wäre sie frei.

 

Der Westpass

 

Das der Ritt über die verschneiten und windgepeitschten Berge nicht einfach werden würde war uns klar. Wir ritten wie die Perlen auf einer Schnur aufgezogen hintereinander her um den Wind so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Der Pfad war schmal und kaum sichtbar in dieser eisigen weißen Wüste. Die Sicht war grauenhaft. Man konnte gerade so auf den Rücken des Vordermannes sehen, bevor sich die Welt um einen herum in tobendes Weiß verlor. Daimien ritt voran, er kannte den Weg nach Dornsklamm. Die Hänge zu beiden Seiten gingen steil hinunter, nur einen Fehltritt und man stürzte in die Tiefe. Die Pferde hatte ihre liebe Not durch den kniehohen Schnee zu stapfen, gegen den starken Wind ankämpfend.

Gut das mein Mantel mich und Reijkjon warmhielt. Wie in einem Zelt war es darunter warm und trocken, wärend die Außenwelt verrückt spielte. Reijkjon´s Kruppe und Flanken waren geschützt, doch sein Hals und Mähne mit dem dichten Langhaar waren der Witterung völlig ausgeliefert. Doch ihm gefiel das kalte stürmische weiße Nass. Belustigt stapfte er fleißig voran. Zwischendurch sah ich mich nach Alec und Rathiel um die hinter mir ritten. Alles in Ordnung bei euch? Fragte ich sie im Geiste, denn gegen den heulenden Wind käme meine Stimme eh nicht an. Ich hoffe nur dass wir bald einen Unterschlupf finden, sonst können uns die Albae hier ausbuddeln, wenn sie kommen. Schimpfte Alec. Rathiel hielt sich zurück. Ich sah zwar durch seine Augen dass er als Schlusslicht noch da war, aber er war in tiefe Überlegungen verstummt.

Plötzlich hielt Joan, die vor mir ritt, an. Reijkjon wäre fast in sie hineingelaufen und schnaubte genervt. Ich lenkte ihn vorsichtig neben sie um zu sehen warum sie angehalten hatten. Auch Roan, Sina und Daimien hatten angehalten. Verwirrt kämpften wir uns an die Spitze zu Daimien. „Was ist los?“ schrie ich ihn an, obwohl er direkt neben mir stand. Er deutete nur mit dem ausgestreckten Arm nach vorne. Ich folgte seinem Finger und konzentrierte mich auf den Punkt vor uns. Erst erkannte ich durch das Schneegestöber rein gar nichts. Doch dann zeichnete sich ein dunkler Schatten von all dem Weiß ab. Still und stoisch stand etwas vor uns und trotzte dem Wetter. Ich trieb Reijkjon voran. Die andern folgten mir. Je näher wir kamen, umso klarer wurden die Umrisse und eine eingefallene Ruine zeichnete sich ab.

Ich trieb mein edles Ross darauf zu um dem tosenden Sturm zu entkommen. Das Dach war teilweise noch gut erhalten und so sammelten wir uns in der hintersten Ecke der ehemaligen Burg. Aufatmend stiegen wir von unseren Pferden und banden sie an einen umgefallenen Mast an. „Wo sind wir hier?“ War Sina´s erste Frage. „Egal Hauptsache raus aus diesem elendigen Sturm. Erstmal ein Feuer machen und was essen!“ Damit klaubte Roan ein paar dünne Zweige zusammen und versuchte ein Feuer zu machen. Die anderen machten es sich so bequem wie möglich um sich ein wenig auszuruhen.

Ich sah mich ein wenig um. Es war keine besonders große Burg. Sie war achteckig angelegt worden, wie ein großer eckiger Turm. Das einzige was noch stand waren die acht Eckpfeiler, ein Teil der Wand, der sich gegen den Wind hielt und die Hälfte vom Dach. Vor den Fenstern lagen hohe Schneeverwehungen, teilweise lag noch etwas Stroh, Holz und ein paar zerbrochene Eimer herum. Eine große Aushebung in der Mitte des Bodens deutete auf eine Feuerstelle hin. Doch was mich und auch Rathiel stutzig machte waren die verrusten Wände, Kratzspuren und ein paar vereiste Leichen, die weiter vorn im zerstörten Teil lagen. Was ist hier nur passiert? Fragte ich ihn. Nichts Gutes meine Liebe. Einer der beiden Wachen Rathiel’s kam aus dem weißen Nichts des Sturms und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Rathiel´s Blick wurde finster, dann drehte er sich zu mir und sah mich eindringlich an. „Wir dürfen hier nicht allzu lang bleiben. Azul hat weitere ungewöhnliche Spuren gefunden und sie waren frisch.“ Ich sah ihn überrascht an. „Was hat das zu bedeuten? Was ist das hier für ein Ort?“ Er legte eine Hand auf meine Schläfe und zeigte mir die Bilder in seinem Kopf. Ein ehemaliger Außenposten der Zwerge, gut bemannt, mit Harpunen, Schleudern und Waffen ausgerüstet. Der Blick immer in den Süden gerichtet. Doch als es begann, stürmten Albae auf dunklen fliegenden Gestalten die Berge. Ein aufflammendes Warnfeuer. Trolle so groß wie drei Männer griffen den Posten an. Ein riesiges Chaos aus Gebrüll, schrillen Rufen, klirrenden Schwertern und Blut entstand. Der Kampf war heftig, aber kurz. Schon nach wenigen Stunden war der noch weiße Schnee getränkt mit purpurfarbenen Blut. Stille breitete sich aus wärend die Trolle abzogen und einen Berg von Leichen hinterließen.

„Wir dürfen wirklich nicht lang bleiben!“ Ich sah auf unsere Truppe, die sich um das knisternde Feuer scharte. Froh endlich der weißen Hölle für einen kurzen Moment entfliehen zu können, scherzten sie und füllten ihre Mägen mit Elbenbrot und Trockenfleisch. „Wir stellen Wachen auf. Immer zu zweit, ich trau dem Ganzen hier nicht!“ Raunte Rathiel und ging mit finsterer Miene zurück. Mit einem letzten Blick in den immer noch tobenden Schneesturm folgte ich ihm.

Nachdem wir es uns alle am wärmenden Feuer gemütlich gemacht und für die Nacht schlafen gelegt hatten, hielten Rathiel und Idun die erste Wache. Sie platzierten sich ungesehen um unser Lager und würden mich und Alec in wenigen Stunden wecken. Die Pferde dösten in der windgeschützten Ecke und schnaubten ab und zu entspannt. Ich hatte mich zwischen Alec und Daimien in meinen Mantel eingerollt, in der Hoffnung bei dem eiskalten und gefrorenen Boden wenigstens ein wenig schlafen zu können. Meine Beine taten weh von dem langen Ritt und meine Lider waren schwer. Der wenige und unregelmäßige Schlaf der letzten Tage hinterließ seine Spuren. Nach und nach entspannten sich meine Muskeln und mit einem letzten Blick auf Alec´s Gesicht schlief ich endlich ein.

Traumlos schwebte ich durch das wohltuende dunkle Nichts meines Bewusstseins. Nicht mehr wissend wo genau ich war und wer neben mir lag, genoss ich die Ruhe und den Frieden. Doch ich wurde je aus meinem schwebenden Sein geweckt. Jemand stupste mich an der Schulter an und nach und nach drang eine Stimme zu mir durch. „Jeanne. Jeanne, wach auf. Ihr seid dran.“ Mit einem Murren öffnete ich langsam meine Augen. Es brauchte eine gewisse Zeit bis sie sich an das dämmrige Licht gewöhnten. Der Schein des Feuers hüllte uns in eine rot-orange farbene Höhle der Sicherheit. Schatten tanzten bei jedem flackern der Flamme an den Wänden und vertrieben dunkle Sorgen. Außerhalb des Scheins war die Welt dunkel und der beißende Wind heulte um die Säulen.

„Ja ich steh ja schon auf“. Langsam aus meinem warmen sicheren Kokon heraus pellend, zog ich mir meine Stiefel an und richtete mich auf. Auf dem harten Boden zu schlafen war wirklich kein Luxus. Jeder einzelne Muskel meines Körpers schrie nach Ruhe und Wärme. Ich zwang mich trotzdem dazu aufzustehen und eingepackt in den Mantel meinen Posten zu beziehen. Alec tat sich genauso schwer aufzustehen. Auch wenn ich ihn zusammengeflickt hatte, hatte er Schmerzen an der Stelle wo ihn der Wyrg getroffen hatte. Sein immer noch blutbeflecktes Hemd, zeigte deutlich die Stelle wo er erwischt worden war. „Geht’s?“ fragte ich ihn als er neben mir stand. Mit leicht gequältem Blick und einem neckischen Grinsen sah er auf mich herab. „Natürlich, ist nur n Kratzer!“ Ich machte mir Sorgen um ihn. Er markierte zwar immer den Unberührbaren, aber ich konnte durch seine Fassade hindurchsehen, auch ohne unsere geistige Verbindung.

Ich platzierte mich am Eingang der Ruinen. Abseits vom Feuer und windgeschützt hinter einer Säule, versuchte ich es mir bequem zu machen. Es war eiskalt. Der Wind war beißend und jeder Zentimeter meines Körpers, der nicht von dem Mantel bedeckt war, war nach wenigen Sekunden taub vor Kälte. Es würde ja nur für ein paar Stunden sein, dann würden uns Roan und Sina ablösen. Zusammengekauert, ohne Licht und ohne mich zu bewegen, saß ich still auf meinem Posten zur Grenze der weißen Schneewüste und sah hinaus in das dunkle nichts. Der Mond war hinter dicken Wolken verschwunden und war nur wie durch einen dichten Nebel zu erkennen. Zwischendurch blitzte er kurz durch die schnell vorbeiziehende Wolkendecke hindurch und man konnte ein paar Meter weit sehen. In silbernes Licht getaucht, glitzerte der Schnee. Wie eine weiße flauschige Decke lag er auf den zerklüfteten Felsen, verdeckte gefährliche Spalten und ließ die Welt friedlich daliegen. Die wilden Schneeflocken tanzten durch die Luft und glitzerten wie kleine Diamanten, bis sie wie ein riesiges Puzzleteil auf die Schneedecke fielen und diese ergänzten. Wenn ich mich umsah konnte ich so gerade eben Alec in dem halb zerfallenen Ausguck auf dem Dach erkennen. Kaum sichtbar, auch er eingewickelt in seine dunkle Decke. Das einzig sichtbare war sein helles Gesicht.

Mein Blick schweifte unablässig über die vorliegende Ebene und Felsen. Immer auf der Suche nach Bewegungen oder seltsamen Schatten. Doch irgendwann spielte der Verstand streiche und man meint Dinge zu sehen die nicht da sein konnten. So überließ ich das Sehen meinem inneren Auge. Ich schloss die Augen und weitete meine magische Aura aus. Sie umfasste meine Gefährten, die wie aufflammendes Licht in der Dunkelheit klar zu erkennen waren. Die Gemäuer waren nur schemenhafte Schatten, kaum Energie ging von ihnen aus. Ich weitete sie weiter aus, bis ich Alec erkannte. Seine Aura war so hell und strahlend wie keine andere, ihn würde ich immer und überall finden, egal wie weit er weg war, ihn würde ich immer wieder finden.

Immer weiter streckte ich meine Fühler aus. Sie strichen über die Schneedecke, durch sie hindurch bis in den Boden. Hoch hinaus in den Himmel, durch die Wolkendecke und noch Kilometer weiter und tiefer, bis sie sich im Nichts verlor. Ich musste lange üben umso ein großes Areal abdecken zu können. Anfangs konnte ich meine Fühler nur wenige Zentimeter um meinen Körper ausdehnen, aber je mehr ich übte umso weiter kam ich. Auch die unterschiedlichen Auren zu unterscheiden, manche waren so hell und strahlend wie die von Alec oder auch Rathiel, Personen, die ich liebte oder die eine wichtige Rolle in meinem Leben spielten. Aber auch dunkle fast kaum sichtbare Auren waren dabei. Jedes Individuum hatte seine eigene Farbe und Helligkeit. Auch entdeckte ich hier ein paar Tiere um unser Lager. Adler, die in der Luft auf Beutesuche waren, Hasen und Mäuse, die sich unter dem Schnee versteckten, Bergziegen an den Hängen, Pumas und Luchse die ebenfalls auf der Jagd waren. Wir waren nicht allein, aber auch nicht in Gefahr. Die Spuren, die ich erkennen konnte waren nur von Tieren oder von uns.

Langsam zog ich mich wieder zu mir zurück. Doch ein kurzes aufblitzen ließ mich stocken. Ich konzentrierte mich auf eine Stelle weiter unten am Hang, dort wo ich meinte was gesehen zu haben, nistete nur ein paar Adler. Trotzdem war ich auf der Hut. Ich öffnete die Augen und sah hinüber, zu der Stelle wo ich vermeintlich was gesehen hatte. Alec, sieh! Ein kurzer Blick durch meine Augen verriet ihm die Stelle, die ich anpeilte. Was soll da sein? Fragte er etwas genervt. Ich meine dort was gesehen zu haben. Kannst du von da oben etwas erkennen? Nach einer kurzen Pause antwortete er mir. Da ist nichts. Nur tiefe schwarze Ödnis. Jetzt spiel nicht verrückt, Jeanne. Trotzdem blieb ich skeptisch. Mit einer schnellen Bewegung stand ich auf, trat einen Schritt hinaus Richtung des Abhangs und kniete nieder. Mit meiner flachen Hand auf den Schnee liegend konzentrierte ich mich und sprach eine Formel. Der Schnee unter meiner Hand schmolz dahin, bis ich auf den Boden traf. Ein keltisches Symbol brannte sich rotglühend in die Erde ein. Ein ovaler Kreis mit geschwungenen Lettern, das Symbol der Wacht. Sobald auch nur etwas in unsere Nähe kommt, würde es den Angreifer kurz abwehren und uns Zeit geben zu reagieren, so mein Plan.

„Hey, Rotschopf, die Ablösung naht!“ Roan gab mir einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. Stöhnend stand ich auf und knuffte ihn zurück. „Von wegen Rotschopf, pass du lieber auf das du hier nicht im Schnee versinkst!“ Er drohte mir mit der Faust, wärend ich schnell zurück zum Feuer eilte. Dort war es ruhig. Die meisten schliefen, bis auf Joan. „Ruhige Schicht?“ fragte sie mich. „Ja, meine zwar was gesehen zu haben, aber da hab ich mich wahrscheinlich getäuscht!“ Sie sah mich aus ihren eisblauen Augen argwöhnisch an, sagte aber nichts. In ihren behandschuhten Händen hielt sie das Buch, welches mir der Mönch gegeben hatte und studierte es weiterhin fleißig. „Konntest du etwas herausfinden?“ fragte ich sie flüsternd um die anderen nicht zu wecken. Sie schüttelte nur ratlos mit dem Kopf. Die mit Fell gesäumte Kapuze rutschte ihr dabei etwas von ihrem kahl geschorenen Kopf und ließ sie surreal aussehen. Sie sah so verloren aus in ihrem dicken Mantel, so dünn wie sie war, doch man sollte sie nicht unterschätzen. Sie konnte jede Sprache entziffern und deuten und selbst wenn sie es nicht konnte, brachte sie es sich irgendwie selber bei. Sie hatte da ein Talent oder eine Gabe für. Doch an diesem Buch schien auch sie sich die Zähne auszubeißen. „Leider nein. Du wirst das Rätsel wohl selbst lösen müssen!“ Entschuldigend gab sie mir das in Leder gebundene Buch zurück. „Macht ja nichts. Hauptsache du hast es versucht. Leg dich lieber noch etwas hin, bevor du dran bist!“ Enttäuscht über sich selber legte sie sich an das Feuer und schlief auf der Stelle ein.

Seufzend drehte ich das kleine Buch in meinen Händen. Im Schein des Feuers wirkte das blaue Leder eher wie schwarz. Der Edelstein, der im Buchdeckel eingearbeitet war spiegelte die Flammen und glühte. Ich hatte es schon mehrfach durchgelesen, Zu mindestens den Teil, der in unserer Sprache geschrieben war. Doch seit der Zeremonie hatte ich es nicht mehr geöffnet. Mittlerweile war ich mir sicher dass das Leder kein normales Rinds- oder Schafsleder war, sondern die eines Drachen. Klar fehlten die riesigen Schuppen, aber ich hatte so eine Ahnung. Ich drehte mich zum Feuer und hielt es auf sicherer Entfernung an die Flammen. Wenn meine Vermutung richtig war, dann…ich hielt es immer näher an die knisternden Hitze. Normales Leder wäre schon längst angefangen zu kokeln, doch dieses blieb kalt. Letztendlich legte ich es in die äußere Glut. „Was zur Hölle machst du da?“ Alec kletterte gerade aus dem Turm und sah mich völlig entgeistert an. Ich sah nur wissend zu ihm herüber, zog das Buch unversehrt aus dem Feuer und warf es ihm zu. Er fing es auf wie eine heiße Kartoffel und sah mich verblüfft an, als er feststellte dass es unverbrannt und kühl war. „Es ist aus Drachenleder und Horn gearbeitet.“ Er gab es mir wieder zurück. „Deswegen kennt auch niemand die Schrift. Ihr Sprache ist unerforscht und ungelernt.“ Alec setzte sich zu mir und sah grübelnd auf das dunkle Buch. „Wenn niemand es lesen kann oder herausfinden kann was dort geschrieben steht, wie sollen wir dann jemals das Artefakt finden?“

Einer weiteren Eingebung folgend öffnete ich es und blätterte zur ersten Seite der Drachenschrift. Ich hielt kurz inne, blätterte hoffnungsvoll um und hielt den Atem an. Die noch vor wenigen Tagen unleserlichen und rätselhaften Symbole und Zeichen ergaben jetzt einen Sinn. „Was ist?“ Alec´s Stimme klang so erwartungsvoll wie ich mich fühlte. Lächelnd blickte ich auf und atmete erleichtert auf. „Ich kann es lesen!“ „Aber wie ist das möglich?“ sein verständnisloser Blick ließ mich schmunzeln. „Ich glaube dass es an der Zeremonie liegt.“ Meine Gedanken rasten. „Wenn ich die einzige bin die es lesen kann und dunklere Mächte ebenso auf der Suche nach dem Artefakt sind, werden sie von dem Buch wissen. Es sei denn es leben noch weitere Wächter.“ Der Gedanke gefiel Alec gar nicht. „Dann sollten wir umso vorsichtiger sein und es nicht darauf ankommen lassen.“ Stumm nickend stimmte ich ihm zu und steckte das Buch wieder in meine Tasche. „Sollten wir den anderen Bescheid geben?“ fragte ich ihn flüsternd. Er dachte kurz nach und schüttelte mit dem Kopf. „Das würde sie nur umso mehr aufscheuchen, sie wissen auch so dass du was Besonderes bist, wir werden auf dich aufpassen!“ In seinen Augen sah ich Zuversicht. Einen kurzen Moment schien die Welt stehen zu bleiben, wärend ich in seinen Augen versank. Er wollte was sagen, behielt es dann aber doch für sich. „Wir sollten schlafen, es dämmert bald!“ Nickend stimmte ich ihm zu. Noch nachdenklich wickelte ich mich wieder in meinen Mantel ein und schloss die Augen. In einen leichten Schlaf versinkend, leuchteten die ersten Worte die ich gelesen hatte, wie eine Warnung vor meinem inneren Auge auf: „Wer auch immer auf der Suche nach dem Stein ist, dem sei bewusst, dass er das Reich der Toten niemals verlassen wird.“

 

 

Die Meute

 

Eines Donnern gleich wurde ich aus dem Schlaf gerissen. Ein riesiger Balken hatte sich von der Decke gelöst und schlug direkt neben mir auf dem Boden auf. Wildes Geschrei, ein tiefes Grollen und Stahl klirrte in der Luft. Ich brauchte ein paar Sekunden um mich in der Situation zurecht zu finden, da wurde ich schon von Rathiel auf die Füße gezogen. Noch immer leicht schlaftrunken stolperte ich hinter ihm her. Sein Gesicht war mit Schrammen übersät und sein linker Arm hing schlaff neben seinem Körper. „Los, wir müssen von hier verschwinden!“ Ohne eine weitere Frage zu stellen, griff ich meinen Beutel und wir rannten zu den Pferden, die teilweise schon gesattelt waren. Wie konnte ich diesen Lärm und Tumult überhört haben? Zwischendurch sah ich mich um, um zu sehen was überhaupt geschah. Die Ruinen waren teilweise schon komplett zerstört. Roan und Sina wichen gerade einer riesigen hölzernen Keule aus die von einem grau-blauen Monster mit zwei riesigen Stoßzähnen in seinem Maul geschwungen wurde. Auf zwei Beinen und bis auf einen ledernen Lendenschurz komplett nackt, brüllte es wütend und versuchte wieder auf meine Gefährten einzudreschen. Doch Sina war schnell, tauchte unter seinem Schlag hindurch und stieß ihr Schwert unter seine Rippen in sein Herz. Mit einem markerschütternden Schrei ging es auf ein Knie und starrte die schlanke und zierliche Gestalt wütend an. Doch bevor er sich auf sie stürzen konnte schwang Roan seinen riesigen Zweihänder und hackte ihm den Kopf ab. Dieser kullerte blutspritzend über den weißen Schnee und blieb mit leeren Augen vor meinen Füßen liegen, wärend sein schwerer Körper zusammensackte die Erde erbeben ließ und auf dem Boden liegen blieb. Aus einer anderen Ecke konnte ich nur noch Rathiel´s Begleiter hinter der Mauer erkennen, die anscheinend eine zweite Kreatur zu erlegen versuchten.

„Jeanne, los jetzt.“ Er sah in die Richtung wo das Trio miteinander rang und zog mich weiter zu Reijkjon, der schon fertig gesattelt an Alec´s Hand nervös hin und her tänzelte. „Sie verschaffen uns Zeit und kommen dann nach. Nur wir müssen jetzt hier weg. Dornsklamm ist nur noch wenige Stunde entfernt.“ Damit wand ich meinen Blick von dem Kampf ab und schwang mich mit einer fließenden Bewegung auf den Rücken des schwarzen Hengstes. Ohne eines weiteren Blickes stoben wir aus den Ruinen. Mein Herz raste und es gefiel mir überhaupt nicht jemanden aus unserer Gruppe zurück zu lassen. Auch in Alec´s Blick las ich Missmut und Kampfeslust. Doch Rathiel hatte Recht, wenn wir jetzt nicht flohen, würden die beiden Elben umsonst kämpfen. Das Wetter hatte sich verbessert. Der Wind hatte nachgelassen und es hatte aufgehört zu schneien. Der Himmel war wolkenverhangen. Schwarz wie eine riesige Mauer kam uns eine Wolkenwand über die Bergkette entgegen. Grelle Blitze zuckten in der Ferne, ein Gewitter braute sich zusammen. Joan und Daimien waren schon voraus geritten. Sie waren in der Ferne nur noch als dunkle Schemen zu erkennen.

Der tiefe Schnee machte es den Pferden nicht besonders leicht, doch sie spürten die Gefahr und so preschten sie voran. Der Schnee stob links und rechts an uns hoch, wärend der eisige Wind unsere Gesichter lähmte. Einen Blick nach hinten werfend, erkannte ich das Roan und Sina es auch endlich auf ihre Pferde geschafft hatten und uns langsam einholten. Doch leider waren sie nicht die einzigen. Drei schwarze Schatten folgten ihnen. Auch Rathiel hatte siebemerkt und ließ sich etwas zurückfallen. Reite mit Alec weiter, los! Das war ein unmissverständlicher Befehl. Alec ritt näher an mich heran und wir flogen nur so über die weiße Wüste. Ich ließ die Reiter hinter mir nicht aus den Augen. Die drei Schatten teilten sich auf. Zwei blieben hinter Roan und Sina, wärend sich einer seitlich abkapselte und auf uns aufholte. Mist! Auch Alec hatte ihn entdeckt und sein Schwert gezogen. Den mach ich kalt!

Ohne einen weiteren Blick nach hinten zu werfen, konzentrierte ich mich auf die Kreatur, die nun Jagd auf mich und Alec machte. Ich versuchte seine Aura zu spüren und zuckte zusammen, als ich auf die dunkle und kalte Energie traf. Nun konnte ich ihn auch besser erkennen. Es war ein riesiger Wolf, langes schwarzes zotteliges Fell, riesige rote Augen und die Schnauze voller scharfer Zähne. Konzentriert und auf uns fokussiert kam er immer näher, so nah das ich seinen heißen Atem in meinem Nacken spüren konnte. Er war so groß wie ein Pferd und kam mit seinen behaarten Pfoten deutlich besser durch den Schnee. Er war nur noch zwei Pferdelängen von uns entfernt. Reijkjon hatte unseren Verfolger schon längst entdeckt und ich spürte dass er am liebsten selbst gegen ihn kämpfen würde. Doch ich trieb ihn weiter voran. Nicht heute mein Lieber, bring uns lieber sicher nach Dornsklamm.

Je näher der Wolf kam, umso mehr rasten meine Gedanken. Alec hielt sich kampfbereit. Doch wie wollte er das schaffen, bei dem Tempo vom Pferd aus, vor allem auf der falschen Seite. Alec ritt rechts neben mir, wärend der Wolf uns von links attackierte. Noch bevor ich weiter drüber nachdenken konnte, zischte ein Pfeil in den rechten Hinterlauf des Wolfes. Dieser stolperte, jaulte schmerzerfüllt auf und überschlug sich. Rathiel der mit gespannten Bogen genau hinter ihm her geritten war, ließ sein Pferd über den am Boden liegenden Jäger rennen, so dass es ihn zertrampelte. Der Wolf wich ihm aber aus und humpelte außer Reichweite. Rathiel beachtete ihn nicht weiter und sah nur zu das Roan und Sina, die er im Schlepptau hatte zu uns aufschließen konnten.

Tiefe Erleichterung durchströmte mich und ich wollte schon das Tempo drosseln, doch Rathiel´s Gesichtsausdruck ließ mich eher das Gegenteil tun. Berechtigt, denn der verletzte Wolf war stehen geblieben und heulte. Sein Ruf hallte zwischen den Felsen und Hügeln weit hinaus und kam mehrstimmig zurück. Stille bereitete sich danach aus, das einzige Geräusch war das dumpfe Trommeln der Hufe im Schnee und das Schnauben der Pferde. Das Blut gefror in meinen Adern, als ich aus dem Augenwinkel weitere dunkle Gestalten erkannte. Es waren erst zehn, dann dreißig und bald hundert. Innerlich fluchend trieben wir unsere Pferde ans äußerste durch diese tödliche Landschaft. In einer V-Formation wetzten die Wölfe hinter uns her, nahmen uns immer weiter in die Mitte, wärend wir die Bergkette abwärts galoppierten.

Die verschneiten Hänge verwandelten sich immer mehr in eine graue Felslandschaft und je tiefer wir kamen desto steiniger wurde es. Der Schnee verschwand nach und nach und die Pferde wurden langsam müde. Wir wurden gezwungen das Tempo zu drosseln, da der felsige und teilweise immer locker werdende Untergrund es nicht mehr erlaubte das Tempo beizubehalten. Den Weg, den wir einschlugen wurde immer steiler und schlängelte sich in das Tal. Für die Wölfe war das ein gefundenes Fressen. Sie versteckten sich teilweise hinter den Felsen, waren deutlichleichtfüßiger auf dem lockeren Untergrund und wenige versuchten bereits uns anzugreifen. Meist waren es kleinere die wir relativ einfach mit unseren Schwertern und Bögen abwehren konnten. Doch es würde knapp werden.

Der Pfad ebnete sich langsam und als wir um eine Kurve an einem Felsvorsprung ritten, sahen wir endlich auf der grünen flachen Ebene die Garnison, Dornsklamm. Neue Energie sammelnd trieben wir unsere Pferde an und preschten unter Geheul und Hecheln durch die letzten Felsspalten. Kurz bevor wir die offene Eben erreichten, sprang ein riesiges schwarzes Ungetüm genau in den rettenden Ausgang. Schlitternd und fluchend kamen die Pferde gerade noch so zum Stehen. Schwer atmend und klatschnass standen wir nun vor diesem vier Mann hohen Wolf. Das restliche Rudel sammelte sich an den Hängen des Canyons und versperrte uns den Rückzug. Spannung lag in der Luft. Knurrend und Zähne fletschend umkreisten sie uns, auf der Lauer liegend um sofort anzugreifen, wenn sie die Chance ergeben würde. Die Pferde tänzelten schnaufend und in Panik geraten. Wir hatten Mühe sie daran zu hindern blindlings in die Fänge der lauernden Wölfe zu rennen. Der Leitwolf fixierte uns und kam Schritt für Schritt näher. Doch es war ich den er taxierte, sein Blick folgte jeder meiner Bewegungen. Als versuche er mich zu studieren, mich einzuschätzen was ich als nächstes machen würde, spitze er die Ohren und beobachtete mich genau. Er wirkte gehetzt und gequält, nicht mordlustig und begierig wie der Rest des Rudels. Seine Augen schrien nach Hilfe und Erlösung.

Ich ermahnte zur Ruhe und ließ das Tier nicht aus den Augen. Bei genauem Hinsehen erkannte ich das das Tier sehr in Mitleidenschaft gezogen war. Sein Fell war matt, ausgedünnt und verdreckt. Seine Knochen stachen aus dem Fleisch. Ich entspannte mich. Konzentrierte mich auf seine Aura, doch seine war nicht so schwarz und kalt wie die seines restlichen Rudels. Sie waren auch in so einem erbärmlichen Zustand wie er, doch sie hatten etwas anderes an sich. Wie eine Marke, ein Gift, was sie steuerte, sie verwandelte. Doch dieser Wolf vor mir war hell, rein, doch seine Seele war zerfressen, gequält. Ich nahm all meinen Mut zusammen, stieg von Reijkjon ab der mich entsetzt ansah und mich mit seinen Augen anflehte wieder aufzusteigen. Ohne meinen Blick von dem Tier loszulassen, klopfte ich dem Pferd sanft auf den Hals und ging langsam auf den Wolf zu.

Jeanne, was zur Hölle tust du da? Alec´s Stimme in meinem Kopf überschlug sich fast. Vertraut mir, bitte! Damit konzentrierte ich mich voll und ganz auf das zerzauste Tier. Dieser sah mich abschätzend und argwöhnisch an. Langsam und ohne eine hektische Bewegung zu machen, ging ich auf den riesigen Wolf zu. Je näher ich kam umso größer wurde er hatte ich das Gefühl. Doch er schien mich nicht angreifen zu wollen, ich spürte seinen Zwiespalt. Als ich nur noch eine Armlänge von ihm entfernt stand, streckte ich meinen Arm aus. Seine Nase zuckte unablässig und er wich etwas zurück. Doch ich ging unbeirrt weiter, bis meine Finger sein Fell berührten. Er knurrte leicht, welches ich ignorierte. Als meine Hand seine Nase zur Gänze berührte, entspannte er sich. Seine Augen blickten hin und her und seine angespannte Haltung entspannte sich. Ich konnte mein Spiegelbild in seinen Augen sehen, seinen Atem in meinen Haaren spüren. Ich schloss meine Augen und meine Energie durchflutete ihn. Ich sah sein ganzes Leid, seine Qual und seinen Drang. Sein Rudel, welches aus einer vergifteten Quelle getrunken hatte, sich verwandelte und zu diesen seelenlosen Monstren wurde.Er wie er versuchte sie wieder zur Vernunft zu bringen und fast scheiterte. Sie waren in der Überzahl, wenn er es einmal versuchen würde, würde er sterben. So hatte er versucht mitzuhalten, doch durch das Gift war ihr Gemeinschaftssinn gestört. Das Denken als Rudel, als Einheit war gestört. Doch bevor er allein dasteht, führte er sie weiter an. Bis sie die Spur dieser Menschen gefunden hatten, ihnen folgten. Wochenlang hatten sie nichts mehr gejagt und wenn hatte er nichts abbekommen können, da die Brutalität des Rudels selbst ihn überrannte. Es gab ein Gleichgewicht in der Welt der Tiere. Nur so viel fressen wie man braucht, sonst gäbe es bald nichts mehr zu fressen. Doch dieses Rudel tötete und fraß einfach alles, ohne einen Schlussstrich zu ziehen. Um in diesem tödlichen Strudel überleben zu können, musste er mitziehen. Und nun stand er hier, getrieben von seinem Rudel aber ebenso müde und gequält als das er diese Menschen auch noch töten könne.

Die Bilder rasten durch meinen Geist, Gefühle und Bildfetzen wie ein bunter chaotischer Strom, zu viel. Mir wurde kurz schwindelig, doch um des Wolfes Willen riss ich mich zusammen und konzentrierte mich auf seinen Geist. Bleib ruhig, vertrau mir. Wir werden die helfen, nur lass uns vorbei. Hier ist keiner von uns sicher. Als ich die Augen wieder öffnete las ich die Qual und die Erschöpfung in seinen braunen Augen. Dann senkte er den Kopf und trat einen Schritt zur Seite. Wir müssen los! Rathiel´s drängende Stimme hallte in meinem Kopf. Doch bevor ich mich wieder auf Reijkjon´s Rücken schwingen konnte, griff das Rudel an. Wie eine besessene schwarze Sintflut strömten die Wölfe die Hänge hinunter und sammelten sich in der Schlucht um uns niederzuwalzen und zu fressen. Der Wolf vor mir ging auf eine Pfote hinunter und deutete mir an auf seinen Rücken zu springen. Ohne drüber nachzudenken, kletterte ich auf den Rücken des großen Tieres und klammerte mich in seinem Fell fest. Dieser drehte sich blitzschnell um und rannte als Rammbock durch die sich immer weiter auftürmende Mauer der wilden Wölfe und machte den Weg für die anderen frei.

Es war anders auf einem Wolf zu reiten, als auf einem Pferd. Er fühlte sich geschmeidiger, sehniger an, deutlich wendiger. Doch ich fühlte mich in Sicherheit. Sein graues Fell schützte mich vor dem Wind und bließ den üblen Gestank fort. Mit einem Blick nach hinten jagten wir weiter auf die Garnison zu. Reijkjon war direkt hinter uns, die Zügel flatterten neben ihm her und die Steigbügel schlugen ihm in die Seiten, doch er ließ mich nicht aus den Augen und galoppierte an der Flanke des Wolfes. Direkt hinter ihm preschten Alec und Rathiel. Sina und Roan bildeten das Schlusslicht. Die jaulende und winselnde Meute direkt auf den Fersen, rückte die Garnison immer näher. Ich betete dass wir sie noch rechtzeitig erreichen würde, doch die Meute, angestachelt von der Jagd, wurde immer schneller und erreichten bald Sina. Der neue Leitwolf hatte sich an die Spitze gesetzt und war nur noch eine Pferdelänge von ihr entfernt. Mit einem riesigen Satz sprang er ihr Pferd an und grub seine Klauen in seine Flanken. Der Schimmel schrie auf, stolperte, fing sich aber wieder und trat nach ihm aus. Das Tier kurz abgeschüttelt, versuchte Sina ihr Schlachtross wieder anzutreiben, doch die Wunde war so stark, dass es immer langsamer wurde und weiter Blut verlor. Sina sah panisch nach hinten und dann wieder zurück zu uns. Ein Teil des Rudels kreiste das immer langsamer werdende Paar ein, wärend die anderen weiter hinter uns her wetzten. Fluchend sah Roan zurück. Er stand im Zwiespalt, das war ihmanzusehen. Doch bevor auch nur einer von uns reagieren konnte, ertönte ein lautes Horn aus Dornsklamm. Der ruf hallte über die gesamte Ebene und vibrierte in meiner Brust. Die Tore öffneten sich und angeführt von Daimien und Joan galoppierte uns ein kleines Heer entgegen. Sie galoppierten direkt auf uns zu, teilten sich auf und preschten links und rechts an uns vorbei.

Die Wölfe hatten diesen Angriff nicht erwartet und versuchten aus der sich immer enger zuziehenden Schlinge zu befreien. Wärend wir weiter auf das geöffnete Tor ritten, tobte hinter uns der Kampf. Ein paar Wölfe hatten reiß ausgenommen und liefen jaulend zurück zu den Bergen, wärend sich die anderen gegen die gerüsteten Krieger stellte. Nur noch wenige Meter und wir hätten es geschafft, endlich in Sicherheit. Doch ohne Vorwarnung wurde ich vom Rücken meines Wolfes gerissen und zu Boden geworfen. Zähne gruben sich in meine Schulter und mir blieb die Luft weg als ich auf den gefrorenen Boden aufprallte. Ich rollte über den kargen Untergrund und schlug mit dem Kopf an einem Stein an. Um mich herum hörte ich die polternden Hufe der Pferde und entsetzte Aufschreie wie durch Watte. Ich brauchte eine Weile um mich zu sammeln. Keuchend und nach Luft ringend, lag ich auf dem Rücken. Meine Lungen verlangten nach Sauerstoff und zogen sich schmerzhaft zusammen, doch irgendwas trieb mich an aufzustehen und zu fliehen. Ich setzte mich auf und sah mich um. Direkt vor mir, Zähne gefletscht und knurrend, stand der neue Alphawolf. Seine roten Augen glühten wie Kohlen. Sie fixierten mich, seelenlos und in blinder Raserei. Blut troff aus seinem Maul. Er stand vielleicht gut fünf Schritte vor mir, angespannt, bereit zum Sprung.

Immer noch mit vernebeltem Kopf und mit Übelkeit kämpfend, rasten meine Gedanken. Zu schwach und verwirrt um mich auch nur einen Zentimeter zu bewegen, verfluchte ich mich selber das ich so unachtsam gewesen war. Noch bevor ich zu einer Entscheidung kommen konnte, setzte er zum Sprung an. Ich sah ihn schon auf mir landen, seine Klauen und Zähne in mein Fleisch schlagend. Doch mitten im Sprung wurde er aus der Luft gerissen. Kurz aufjaulend landete er auf der Seite und rappelte sich wieder hoch. Ich hatte Mühe meine Augen zu fokussieren um zu sehen wer mir das Leben gerettet hatte. Mein Alphawolf. Er hatte sich zwischen mich und meinen Angreifer gestellt und sah besorgt zu mir zurück. Diesen Moment nutzte der andere aus und warf sich mit aufgerissenem Maul auf ihn. Ein tödlicher Kampf begann. Ich versuchte wach zu bleiben, aber es dämmerte mir langsam und ich sackte wieder zusammen. Auf der Seite liegend, sah ich wie die beiden Kreaturen miteinander rangen, sich mit ihren scharfen Krallen verletzten und sich umkreisten. Mein Blick verschwamm und die beiden Kreaturen vermischten sich zu einem riesigen schwarzen Punkt.

 

 

Dornsklamm

 

Mit schmerzenden Gliedern kam ich langsam wieder zu Bewusstsein. Wo bin ich? Was ist passiert? Es brauchte einen Moment bis ich meine Gedanken auf die letzten Stunden lenken konnte. Dann fielen mir wieder der Sturz und der Kampf der beiden Wölfe wieder ein. Ruckartig setzte ich mich auf um mich umzusehen. Doch im selben Moment zuckte ich zusammen als ein stechender Schmerz durch meine Schulter und Rippen zogen. Langsam legte ich mich wieder hin und wartete darauf dass sich die Welt wieder aufhörte zu drehen und der Schmerz langsam abebbte. Dann öffnete ich langsamer die Augen und sah mich um. Ich lag wohl auf der Krankenstation in Dornsklamm. Blankes graues Gemäuer, ein paar flackernde Kerzen, die auf kleinen Tischen neben den Liegen standen, Heilerinnen mit weißen Mützen eilten leise von einem Patienten zum nächsten. Auch ich lag auf einer gepolsterten Liege, nur noch in Hose und Waffenrock gekleidet. Meine linke Schulter dick verbunden und mein Kopf ebenfalls gut eingepackt. Jetzt verstand ich auch warum mein Blickfeld so eingeschränkt war, sie hatten mein Auge mit einer Bandage umwickelt.

Jetzt etwas langsamer setzte ich mich auf, ließ die Füße von der Trage baumeln und richtete mich auf. Meine Rippen schmerzten ebenfalls höllisch. Eine Schwester kam sofort auf mich zu geeilt. „Lady Jeanne, sie dürfen noch nicht aufstehen. Sie sind schwer verletzt!“ Ich sah ihn ihr besorgtes junges Gesicht. Sie war noch nicht alt genug um langjährige Erfahrung zu haben, wahrscheinlich gerade in der Ausbildung. Ohne auf ihre Bitten zu hören, zog ich mir meine Schuhe an, die neben mir auf dem Boden standen und fragte: „Wo ist mein Wolf? Hat er es überlebt?“ Nach kurzem Zögern, senkte sie den Blick und deutete auf die Tür. „Er lebt Lady Jeanne. Doch nicht so wie sie in Erinnerung haben. Am besten sehen sie selber. Er ist unten im Kerker, aus der Tür raus rechts und dann einfach den Gang entlang, dann Links dem Gebrüll hinterher. Ich nickte ihr dankend zu, sammelte meine restlichen Sachen und schwankte leicht zur Tür. „Lady Jeanne, sie sollten wirklich noch nicht aufstehen.“ Doch ich wank sie ab und ging durch die Tür. Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Wachen kamen mir entgegen und sahen mich verwundert an. Ich beachtete sie nicht und folgte der Wegbeschreibung der Schwester. Schon von weitem konnte ich ein infernalisches Heulen hören. Ich beschleunigte meine Schritte und stolperte mehr oder weniger die Treppen hinunter ins Verlies. Die wenigen Fackeln an den Wänden spendeten kaum Licht. So musste ich mich teilweise voran tasten und als ich die Kerkertür erreichte kam mir ein fauliger Gestank entgegen. Nach wenigen Schritten hatte ich die Tür passiert und stand vor einer Reihe Zellen. Das Gebrüll kam aus dem linken Gang, schnellen Schrittes eilte ich darauf zu. Vor einem riesigen Loch im Boden standen Alec und Rathiel mit einem gerüsteten General und diskutierten wild. Als sie mich kommen sahen, eilte Rathiel auf mich zu. „Jeanne, bitte geh wieder. Was machst du hier?“ Ich schüttelte ihn ab, meine ganze Aufmerksamkeit galt dem Tier in der Grube. „Lass sie!“ nickte Alec. „Sie wird eh nicht aufgeben, bis sie ihn gesehen hat!“ Nach wenigen Schritten stand ich am Rand der Grube. Meine Augen brauchten eine Weile bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten und so erkannte ich erst spät was sich dort unten befand.

Die Grube war rund fünfzig Fuß tief und hatte einen Durchmesser von knapp hundert Fuß. Der Boden war bedeckt mit Steinen, Sand und Knochen. Auf gegenüberliegenden Seiten waren vier Mann hohe Gitter, durch denen sie ihn wohl rein gelassen hatten. Und dort unten, allein und verletzt, drehte er seine Runden. Ich fiel auf die Knie, den Tränen nahe. „Was habt ihr mit ihm gemacht?“ hauchte ich. Von meiner Stimme abgelenkt, hob er seinen Kopf. Vor Schreck schrie ich auf und rutschte ein Stück von der Kante weg. Seine Augen glühten rot wie Kohle. Das konnte nicht sein. Das muss der andere sein! Doch er war viel größer und die Narben an seinem Körper waren identisch mit den seinen. Er starrte mich an. Sein Blick seelenlos, frische Wunden zierten sein Fell und ein bedrohliches Knurren erklang aus seiner Kehle. Bevor einer was sagen konnte, stand ich auf und sah den General mit festem Blick an. „Bringt mich hinunter zu den Gittern!“ Dieser sah mich verständnislos an und schüttelte mit dem Kopf. „Lady Jeanne, das geht nicht. Das Tier ist gefährlich, wahnsinnig. Als wir ihn fanden war er halb tot und verwandelte sich in dieses Monster!“ „Herr General, ich bitte sie kein zweites Mal.“ Ein unsägliches Verlangen schnürte mir die Brust zu. Ich musste zu dem Wolf hinunter, ihm helfen. Er sah mich abschätzend an und deutete mir an ihm zu folgen. Wir gingen durch eine Tür links an der Wand hinunter zu den Gittertüren. Die Luft hier unten war kühl, feucht und muffig. Der Gestank der Verwesung nahm immer weiter zu. Unsere Schritte hallten hell von den Mauern wieder und hielten mit meinem wild schlagenden Herzen mit. Mir war übel.

Unten angekommen standen zwei Wachen an dem Gitter und sahen uns verblüfft an. Als sie den General sahen standen sie stramm und begrüßten ihn. Direkt hinter uns führte ein Tunnel hinaus, man konnte so grade eben am Ende die letzten Sonnenstrahlen erkennen. „Lasst mich vorbei!“ Befahl ich den Wachen. Diese sahen verwirrt zum General, der ihnen zu nickte. Langsam ging ich an das Gitter heran und legte meine Hände an das kalte nasse Metall. Ich schloss meine Augen und suchte nach seiner Aura. Meine Fühler weiteten sich aus, umfassten die Wachen, den General und meine beiden Gefährten. Sie glitten über den Sand, die Felsen und Knochen und traf dann auf den Wolf. Ich zuckte unwillkürlich zusammen. Seine dunkle schwarze Aura war ähnlich die der restlichen Meute, doch ich spürte auch einen kleinen hellen Schimmer. Auf diesen konzentrierte ich mich, bekam ihn aber nicht zu fassen. Wütend und in seinen Geist eingedrungen sprang er auf mich zu, seine glühenden Augen starr auf mich gerichtet. Das Gitter bebte unter seinem Gewicht und seine Krallen umschlossen es, wild mich zu fassen.

Ich wich keinen Zentimeter zurück. Entschlossen blieb ich vor ihm stehen. Sein heißer schwefliger Atem brannte mir auf der Haut. Doch das einzige was ich sah waren seine gelben Augen, die mich vorm meinem inneren Auge ansahen. „Was ist nur mit dir passiert?“ Ohne eine Reaktion sah er mich weiter an. Ich streckte meine Hand aus und versuchte ihn durch die Gitter zu berühren. Er schnaubte irrwitzig und wich etwas zurück. Doch ich gab nicht auf. Mit meinem gesamten Arm nach ihm ausstreckend legte ich meine flache Hand auf seine Nase. Sobald sie ihn berührte schien es in mir zu brennen. Wie verschmolzen klebte meine Hand auf seiner Nase und auch er konnte nicht fliehen. Alles brannte in mir, die Angst, der Hass, Raserei und Mordlust durchfluteten mich. Wie ein Fieber nach einer Infektion, stand mein Körper in Flammen und ich musste darum kämpfen nicht zu verbrennen. Ich suchte angestrengt nach dem hellen Flecken in seiner übrig gebliebenen Seele und konzentrierte mich darauf. Sie war im Vergleich kühl, lindernd, aber auch müde und als ich diesen Teil seiner Seele fand verspürte ich Hoffnung. Ich fand den Wolf wieder der mich gerettet hatte. Er flehte mich an ihn zu töten, denn befreien oder heilen würde ich ihn nicht können. Das Fieber verbrannte alles Gute, unwiderruflich.

Mir liefen Tränen die Wangen hinunter. Ich danke dir. Danke dass du mich gerettet hast. Du hast dieses Schicksal nicht verdient. Es tut mir leid dass ich zu spät bin, dass ich dich nicht retten kann. Es tut mir so leid. Und dann sah ich ihn wieder vor mir sitzen, seine goldgelben Augen ruhten vertraut und voller Frieden auf mir. Sein volles glänzendes Fell wehte leicht im Wind und als er mich mit der Nase berührte hörte ich seine Stimme: „Es ist nicht deine Schuld. Auf Dauer hätten sie mich eh getötet, mein Tod ist nun nicht umsonst gewesen. Ich danke dir.“ Damit löste er sich von mir, sah mich ein letztes Mal an. Ich machte einen Schritt auf ihn zu, vergrub mein Gesicht in seinem Fell und genoss seine Wärme. „Such nach der Quelle dieses Gifts und rette unsere Welt!“ Damit löste er sich langsam in Nebel auf und seine Seele verschwand.

Ich spürte das ausgemergelte Fell immer noch unter meiner Hand, aber das Feuer was uns zusammen schmolz wurde nur noch stärker. Ich musste ihn vernichten, er war nicht mehr der Wolf, der mich rettete, sondern nur noch eine besessene und kranke Hülle. Ich nahm meine Energie zusammen und sprach eine Formel der Elben um kranke Tiere sanft zu erlösen. Sofort schrie das Tier auf, die Verbindung löste sich und der Wolf strauchelte rückwärts in sein Verlies zurück. Sich windend und schreiend verbrannte er bis nur noch Asche von ihm übrigblieb.

Immer noch die Hand ausgestreckt stand ich da, wie versteinert, unfähig mich zu rühren. Tränen rannen mir über meine Wangen, mein Herz gebrochen und voller Schuld. Es zerriss mich innerlich. „Komm!“ Rathiel zog mich sanft vom Gitter weg. Ich ließ mich aus den Verliesen führen, Alec und der Kommandant stillschweigend folgend. In meine Gedanken versunken achtete ich nicht darauf wo wir entlang liefen, nur das Bild des Wolfes vor meinem inneren Auge. „Jeanne, bitte du musst was essen!“ Daimien stand vor mir und hielt mir eine dampfende Schüssel Eintopf entgegen. Ich sah ihm in die Augen und las meinen Schmerz in seinem Blick. Ich nahm ihm die Schüssel ab und setzte mich auf den mir zugewiesenen Platz auf der Bank. Ich sah mich um, sie hatten mich in den Speisesaal gebracht. Der eckige Raum mit dem rohen Mauerwerk war nur mit ein paar grob bearbeiteten langen Tischen und Bänken versehen. Vor Kopf vor den bodentiefen großen Fenstern stand ein leerer Tisch quer, wo wahrscheinlich der Hauptkommandant saß. An den Wänden hingen abgewetzte Banner der Häuser, die diese Garnison beherbergte. Alles war sehr spartanisch und praktisch eingerichtet.

Trotz alle dem mangelte es nicht an köstlich duftenden Essen. Ich hatte gefühlt seit einer halben Ewigkeit nichts Richtiges zu essen bekommen doch mir fehlte der Appetit. Im Gegenteil, bei dem Geruch des dampfenden Eintopfs wurde mir schlecht. Die anderen hatten es sich ebenfalls auf den Bänken bequem gemacht und aßen stumm. Ich sah sie mir alle an. Rathiel, Alec, Daimien und Joan waren so gut wie unverletzt. Die Kleidung zwar etwas abgewetzt, doch bis auf ein paar Kratzern im Gesicht, waren sie gesund. Doch es fehlten ein paar. In die Stille hinein fragte ich: „Wo sind Roan und Sina? Und was ist mit deinen Wachen passiert Rathiel?“ Alle hielten inne und sahen kurz auf. Keiner vermag mir in die Augen zu blicken und sie blieben stumm. Als der Kommandant, der sich ebenfalls mit einem Teller zu uns gesetzt hatte, antwortete erschrak ich mich bei seiner dröhnenden Stimme. „Lady Jeanne hat es ihnen denn niemand erzählt?“ Ich schüttelte stumm den Kopf und sah in die Runde. „Nun gut, dann werde ich euch das erzählen. Eure Gefährten Daimien und Sina waren ein paar Minuten vor euch bei uns eingetroffen und berichteten uns von dem Rudel Wölfe. Wir kennen diese Viecher schon seit geraumer Zeit. Sie ziehen seit ein paar Wochen in regelmäßigen Abstände auf Beutesuche über die Berge den Pass entlang. Unsere Späher beobachten sie und wurden auch schon ein paar Mal angegriffen. Unser Medikus konnte sich das Verhalten der Tiere nicht erklären und so fingen wir eines ein. Unter schweren Verlusten von fünfzehn Männern, sperrten wir es hier in den Verliesen ein um es zu studieren. Wir fanden heraus dass sie eine Art Fieber quält, welches sie entweder durch ihre Beute oder das Wasser aufgenommen hatten. Aber bevor wir weitere Forschungen betreiben konnten, entzündete sich das Vieh und übrig blieb nur noch Asche.“

Er machte eine kurze Pause um sich schmatzend und schlürfend einen Löffel Eintopf in den Mund zu schieben. „Als Sir Daimien uns erzählte was euch passiert ist, haben wir sofort mobilisiert und eine Truppe zusammen gestellt um euch entgegen zu kommen. Zum richtigen Zeitpunkt anscheint, denn ein paar Minuten später wärt ihr zerfleischt worden.“ Damit endete er seinen Bericht. Daimien’s raue Stimme riss mich aus meinen Gedanken. „Wir hatten euch gerade eingekesselt und waren auf dem Weg zurück, als einer dieser Bestien sich aus der Meute gelöst hatte und sich auf dich stürzte. Als nächstes sahen wir nur noch wie er dich zu Boden riss und die beiden Wölfe miteinander kämpften. Währenddessen konnten Grauwolf´s Männer Sina aus der Bredouille retten und die Wölfe verscheuchen.“ „Und was ist mit deinen Leuten Rathiel?“ Er sah mich traurig an und schüttelte nur mit dem Kopf. „Sie haben uns die Flucht bei dem Trollangriff ermöglicht, sie haben es leider nicht geschafft!“ „Mein tiefes Beileid“. Ein schwaches Lächeln huschte über seine Lippen. Obwohl er versuchte sich abzuschirmen, spürte ich seinen Schmerz und Verlust. „Wie geht es Sina denn?“ Der Kommandant meldete sich wieder zu Wort: „Wir haben sie in ein Zimmer gebracht wo sie sich ausruhen kann, sie hat es schwer erwischt.“ Dann schüttelte er widerwillig mit dem Kopf. „Und das alles nur für eine weitere tote Bestie. Das wir ihn überhaupt bis in die Grube bekommen haben ohne weitere Verluste, ist schon ein wahres Wunder!“ Die Bilder von ihm mit den roten Augen gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Schuldgefühle schnürten mir die Kehle zu und ein Kloß blieb mir im Hals stecken.

Ich stand abrupt auf, verneigte mich vor dem Kommandanten. „Ich danke euch Kommandant dass ihr uns geholfen habt und uns Speis und Trank sowie eine Unterkunft gegeben habt, aber wir werden euch nicht weiter behelligen. Ich würde gern Mendrin Grauwolf sprechen bevor wir wieder abreisen.“ Er sah mich abschätzend an und nuschelte in seinem Bart: „Er kommt erst morgen wieder zurück. Er hatte sich an die Fersen des Rudels geheftet um ihre Höhle auszukundschaften. Ein Reiter kam heute früh zurück und berichtete mir dass er morgen wieder da sein wird. Bis dahin, seid unsere Gäste.“ Er wank einen Diener, der still mit einem Krug Wasser an der Wand gestanden hatte, heran. „Los, bring unsere Gäste nach dem Essen in ihre Gemächer und versorgt sie mit allem was sie brauchen!“ Dankend nahmen wir die Geste an.

Der schmächtige junge Mann führte mich mit gesenktem Kopf durch die Gänge der Garnison. Wie auch der Speisesaal war alles eher spartanisch und praktisch eingerichtet. An den grob gemauerten Wänden hingen hier und da zwischen den einzelnen Fackeln ein paar Banner, aber sonst waren sie kahl. Das Licht der untergehenden Sonne, die vereinzelt durch die kleinen Fenster schien, tauchte den grau schwarzen Stein in ein rotes Licht. Doch ihre Strahlen hatten keine Kraft mehr, der Winter hielt Einzug und die Herbstsonne büßte ihre Kraft weiter ein. Wärend wir einen Gang nach dem nächsten passierten, hielt der Junge im zweiten Obergeschoss vor einer einfachen Holztür an. Mit einem Schlüssel öffnete er das Schloss mit einem lauten Klicken und bat mich einzutreten. Wie auch der Rest der Burg war es sehr einfach eingerichtet. Neben einem einfachen Holzbett und einem kleinen Nachtschrank daneben, bestand die Einrichtung aus einer Holztruhe am Fußende, einem kleinen Tisch mit Schemel und in einer Ecke ein kleines Bad. Mein Gepäck lag schon auf der Truhe. Der Diener gab mir die Schlüssel, verbeugte sich noch einmal kurz und wand sich zum Gehen. „Bevor ihr geht.“ Hielt ich ihn auf. „Wo befinden sich die Stallungen? Ich muss nach meinem Pferd sehen!“ Er sah mich mit großen Augen an und sprach im Flüsterton. „Lady Jeanne, einfach den Gang hinunter zur Treppe bis in den Hof und dann auf der linken Seite, ihr könnt es nicht verfehlen.“ Dankend nickte ich ihm zu und er schloss die Tür beim Hinausgehen.

Seufzend ging ich zu meinem Gepäck, zog frischere Kleidung heraus und wusch mich an dem kleinen Steinbecken an der Wand. Einen kurzen Blick in dem polierten Stahl an der Wand schreckte mich zurück. Ich sah schlimm aus. Mein Kopf teilweise bandagiert, die blasse Haut mit Schrammen und Blutergüssen übersät, den linken Arm samt Schulter eingepackt, die zerrissenen Kleider mit Blut- und Dreckflecken übersät. Die schlammverschmierten Stiefel standen vor Dreck. Seufzend wusch ich mir mit dem kalten Wasser den Dreck der letzten Tage ab und versuchte dabei meine verletzte Schulter und die gebrochenen Rippen so wenig wie möglich zu belasten. Das Anziehen der neuen Kleider war genauso schmerzhaft und ich stöhnte bei jeder Bewegung. Endlich angezogen schmiss ich meine Kleidung auf einen Haufen, ich werde den Diener bitten müssen sie zu waschen und zu flicken solange wir noch hier waren. Dann ging ich aus dem Zimmer, schloss die Tür ab und machte mich, immer noch leicht schwindelig, auf den Weg zu den Ställen. Soldaten, die mir entgegen kamen nickten mir zu oder drehten sich ganz weg. Auf den Gängen selber war nicht so viel los, doch das verlief sich bei der Größe und den vielen Fluren der Garnison und man verlor leicht den Überblick. Nach wenigen Minuten hatte ich den Hof erreicht und bestaunte das rege Treiben. Der gepflasterte Innenhof war ziemlich groß und in mehreren Abteilen aufgeteilt. Links von mir lagen die Stallungen, man hörte das Schnauben der Pferde und die Rufe der Stallmeister. Rechts lagerten Stroh- und Heuballen, sowie Fässer und Gerätschaften. Die Mitte des Hofes wurde als Trainingsplatz genutzt. Der Boden war mit Sand ausgelegt und Strohpuppen dienten als Gegner. Zwei Soldaten kämpften gerade gegeneinander und tauschten schwere Hiebe aus. Ihre Klingen sausten im schnellen Rhythmus durch die Luft und klirrten laut gegeneinander. Im äußeren Ring des Hofes befanden sich weitere Türen, Holzkarren, freilaufende Hühner, ein Gemüsebeet und weiteres.

Soldaten, Köche, Gelehrte und Frauen liefen eilig hin und her. Ein Reitertrupp kam gerade durch das Tor, welches sich unter Knarzen und Ächzen wieder schloss. Befehle wurden gerufen, Hufgeklapper auf den Steinen und das Gackern der Hühner erfüllten die Luft. Unsichtbar bewegte ich mich durch die Menge in den Stall. Er war relativ dunkel und es roch nach Mist. Kein Vergleich zu unseren offenen und luftigen Ställen zu Hause. Zu Hause, wie lang war es schon her seitdem wir aufgebrochen waren? Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Wärend ich an den Boxen entlang ging, sahen mich müde, wache und entspannte Pferdeaugen an. Sie kümmerten sich gut um ihre Tiere. Sie waren alle gestriegelt, gut im Futter und ihre Boxen waren sauber. Ein Wiehern riss mich aus den Gedanken und aus einer der Boxen streckte mir Reijkjon den Kopf entgegen. So schnell wie ich konnte eilte ich auf ihn zu und vergrub meine Finger in seiner Mähne. Er drückte seinen Kopf gegen meine Brust und ich genoss die Wärme und den wohligen Geruch seines Fells. „Du hast mir gefehlt mein Lieber. Geht es dir gut?“ Ich sah ihm in die Augen, sie waren braun mit dem typischen blauen Flimmern und sahen mich ebenso besorgt an. Ich öffnete die Tür und ging zu ihm hinein. Nach kurzem Absuchen konnte ich beruhigt aufatmen. Neben ein paar Schrammen hatte er Gott sei Dank nicht viel abbekommen. Er drehte seinen Kopf und stupste sanft meinen eingebundenen Arm an. „Ach mir geht es gut. Ich hab mir mehr Sorgen um dich gemacht!“ Versuchte ich ihn zu beruhigen und streichelte seinen Hals. Er beruhigte und entspannte mich. Wärend ich ihm erzählte was nach dem Angriff passiert war und mich mehrfach bei ihm entschuldigt hatte, dafür das ich ihn allein gelassen hatte, drückte ich ihn noch einmal und machte mich wieder auf den Weg in die Burg. Mit einem letzten Kuss auf seine samtweiche Nase verabschiedete ich mich bei ihm und überließ ihn seinem Heu.

Mein kleiner Ausflug blieb nicht ungesühnt. Schon beim Aufstieg über die Treppe zurück zu meinem Zimmer, musste ich mich mehrfach kraftlos an der Wand abstützen. Der Schlag auf den Kopf war wohl doch heftiger als gedacht. Oben angekommen, musste ich nochmals durch schnaufen. Eine der Heilerinnen aus der Krankenstation kam mir entgegengeeilt. „Lady Jeanne, ich habe euch schon gesucht, konntet ihr nicht auf Schwester Elisabeth hören!“ Eine ältere Dame, deren Ton ich nicht widersprechen würde, kam auf mich zugeeilt. Sie stütze mich an einem Arm und wir gingen langsam auf mein Zimmer. Dort zückte sie saubere Mullbinden, ein paar Kräuter, eine grüne Paste und ein paar Klammern aus ihrer Tasche, wärend ich mich auf mein Bett setzte. „Wäre es möglich dass meine Kleider gewaschen und genäht werden könnten solange wir hier sind?“ Sie hatte gerade einen kleinen Eimer mit Wasser gefüllt und kam damit auf mich zu. „Wenn ihr mir versprecht nicht weiter durch die Burg zu wandern, werde ich das veranlassen, sowie euch neue Kleider zu bringen!“ antwortete sie schnippisch. „Danke, das ist sehr nett von euch!“ Damit legte sie die Kräuter ins Wasser und fing an meine Verbände zu wechseln.

„Wie ist euer Name?“ fragte ich sie zwischendurch, wärend sie mir ein klebendes Stück Stoff vorsichtig von der Wunde an der Schulter zog. Es ziepte, ging aber gut ab. „Mein Name ist Schwester Linda“. Ohne aufzusehen wusch sie die Wunden mit dem Kräuterwasser aus, bedacht nicht zu viel davon zu verschwenden. „Ist es schon öfters vorgekommen das besessene Tiere oder anderes merkwürdiges euch angegriffen haben?“ Sie hielt für eine Sekunde inne. Es war nur ein Augenblick, doch ich hatte ihr Zögern bemerkt. Sie räusperte sich kurz und antwortet mir dann in einem etwas gespielt gelangweilten Tonfall. „Nein, nicht das ich wüsste!“ Ich glaubte ihr nicht. Der Kommandant hatte schon von ein paar Vorfällen der Wölfe gesprochen und es klang so, als wenn es nur ein kleiner Teil von dem sei was wirklich geschah. „Sie sollten auch nicht weiter herumfragen. Die Männer hier mögen kein Herumgeschnüffelt. Zudem ihr nicht die einzigen seid die in den letzten Wochen hier vorbeigekommen sind!“ Damit machte sie mir unmissverständlich klar, dass sie nicht weiter mit mir sprechen wollte. Sie beendete ihr Werk damit dass sie die Wunde an meinem Kopf nur noch reinigte und einen leichteren Verband anlegte, der nicht mehr mein Sehvermögen einschränkte. Im Gehen drehte sie sich noch einmal zu mir um. „Lido, der junge Mann, der euch hierher begleitet hat, wird euch ein heißes Bad einlassen und euch frische Kleider geben. Um eure jetzigen werde ich mich kümmern.“ Ich nickte ihr nur dankend zu und legte mich ein wenig hin. Das Bett war himmlisch weich, im Vergleich zu dem nackten Boden, auf dem wir die letzten Nächte geschlafen hatten. Ich schloss die Augen und suchte den Kontakt zu Rathiel und Alec. Mein Geist fand Rathiel in einem kleinen Garten außerhalb der Mauern. Er führte das Elbenritual der Totenbestattung durch. Er legte gepflückte Blumen auf ein Symbol, welches er in den Boden geritzt hatte neben zwei weißen Haarsträhnen. Ich ließ ihn in Ruhe und suchte weiter nach Alec. Ihn fand ich in der burgeigenen Taverne. Er hob gerade einen Humpen Bier und trank ihn in eins aus. Ts ts ts maßregelte ich ihn. Wirklich? Am frühen Morgen ein Bier? Er zuckte unmerklich zusammen und bestellte bei dem Wirt einen weiteren Humpen. Auf das was uns passiert ist, muss man ja einen trinken. Warum hab ich mich nur darauf eingelassen? Ich spürte seine Widersprüche. Es tut mir leid, dass ich dich damit reingezogen habe. Aber dich nicht mitzunehmen wäre ein zu großes Risiko gewesen. Auch den nächsten Humpen trank er aus und machte dann dicht. Seufzend ließ ich ihn in Ruhe. Es ist alles meine Schuld. Wäre ich doch alleine gegangen. Das alles nur wegen diesem einen Buch. Mit diesem Gedanken schlief ich ein. Mit den letzten wachen Sinnen kreisten meine Gedanken um unsere Reise und die Ungereimtheiten die noch vorherrschten. Die einzelne dunkle Wolke die uns verfolgte, das Buch, dieses Gift welches Mensch und Tier befiehl und diese Heimlichtuerei der Schwester. Von dem ungelösten Rätsel um das Artefakt und Moria erst gar nicht zu sprechen.

 

 

 

 

Die Tochter des Bauern

 

Es wurde Zeit. Sie hatte sich alles zusammen gesammelt was sie für diese Nacht brauchen würde. Brot aus der Küche, einen alten Mantel aus der Weberei, ein selbstgebasteltes Messer aus einem Stück Holz und einem Beschlag und dem Kompass ihres Vaters. Alles eingebunden in ein Leinentuch zog sie es unter ihrer Lagerstätte hervor und machte sich auf dem Weg. Aus ihrer kleinen Kammer heraus schlich sie sich vorsichtig durch die Gänge des Knochenschlosses. Die Unterkünfte der Sklaven, Köchen und anderer Bediensteten, lagen im äußersten Ring der Anlage. Den Weg vor dem geistigen Auge tastete sie sich weiter voran. Wenn ihr jemand entgegenkam, senkte sie den Kopf und drückte sich an die Wand. Unauffällig und unsichtbar sein, das war die erste Regel, die sie gelernt hatte. Diener und Sklaven durften die Aufmerksamkeit der Albae nicht erregen, nur wenn die Herren es wünschten. Und sie hatte Übung darin, so kam sie bis hinter die Schlossmauern. Weg von den lauten Feierlichkeiten des Blutmondes. Sie kam gut voran, die wenigen Albae die ihren Weg kreuzten waren schon beschwipst und bemerkten sie nicht. Es würde noch eine nerven zerreißende Wegstrecke werden, bis sie in Sicherheit sein würde. Sie wusste von einem nahen Verwandten ihres Vaters in der Seestadt Ankersheim. Dort würde sie nach ihm suchen, in der Hoffnung das er sie auf ein Schiff bringen, welches sie aus diesem verfluchten Land fahren würde.

Der knirschende Kies unter ihren nackten Füßen war kalt und spitz. Ihr Reisegepäck auf den Rücken gebunden und den Mantel gegen die abendliche Kälte eng um den Körper gezogen, schlängelte sie sich im Eilschritt durch die eng stehenden Häuser und Gassen. Trotz der fehlenden Augen, hatte sie sich schnell an die Orientierungslosigkeit gewöhnt. Ihre anderen Sinne waren umso geschärfter und so hatte sie schnell gelernt ihren Weg anders zu finden. Sie würde nicht aufgeben. Die Lieder und der Gesang verstummten immer mehr je weiter sie ging. Abrupt stoppte sie, als sie Stimmen und das Hecheln eines Hundes hörte. Sie musste jetzt am Rande des inneren Ringes sein. Jetzt führten die Wege sternförmig in alle Himmelsrichtungen in den zweiten, wo Gelehrte und mittelständige Albae wohnten und dann in den dritten, wo die einfachen Albae, Sklaven und Bauern hausten. Vom ersten in den zweiten Ring war es schwierig, da Wachen Patrouille liefen um den niederen Wesen den Eintritt zu verweigern. Der innere Ring war heilig und nur für Angehörige des Königshauses mit ihren Sklaven und geladene Gäste zugänglich. Die extra gezüchteten Wachhunde, mit ihren feinen Nasen, dem exzellenten Gehör und einer Brutalität ein gezüchtet, waren nicht zu unterschätzen. Doch sie hatte vorgesorgt. Ihr Informant hatte ihr von all den Tücken erzählt und auch die Lösung für jedes Hindernis parat gehabt. Sie zog ein Fläschchen Gnom Urin aus ihrem Beutel und schüttete sich die goldene übelriechende Flüssigkeit über den Körper. Der menschliche Geruch verband sich, laut ihres Freundes mit dem des Urins und machte die Nasen der Hunde taub. Wärend sie still und ohne zu atmen hinter einer Mauer wartete das die Wächter vorbei gingen, betete das dieser Trick funktionierte, denn es stank einfach ekelhaft. Die Schritte kamen, gingen an ihr vorbei, stoppten kurz und gingen weiter. Das Schnüffeln des Hundes war direkt hinter der Mauer zu vernehmen, gingen aber weiter. Für einen kurzen Moment blieb ihr das Herz stehen und sie sah sich schon zwischen den Fängen des Wachhundes. Doch ihre Sorge blieb unbegründet.

Sie wartete noch ein paar Sekunden um auf Nummer sicher zu gehen und lugte dann an dem fein behauenen Gestein vorbei um besser zu hören. Sie waren weiter gegangen, es hatte funktioniert. Aufatmend hörte sie sich wachsam um und überquerte die breite Grenzstraße ohne gesehen zu werden. Der erste Schritt war gemacht, die feinen weißen Mauern lagen hinter ihr, mit den prunkvoll verzierten Toren und Türmen. Die nächste Häuserreihe auf, die sie zu lief, war weniger säuberlich gearbeitet und geschmückt und langsam nahm der Geruch zu. Um durch den zweiten Ring zu kommen musste sie der nordöstlichen Sternstraße folgen. Es war deutlich dunkler als in den vorherigen Straßen. Nur ein paar Laternen erhellten die Hauptstraße und nur wenige Lampen an den Wänden in den Nebenstraßen. Das würde ihr noch mehr Schutz geben um ungesehen zu bleiben. Sie blieb in den Schatten. Auch hier war es ruhig. Von einer Häuserecke zur nächsten huschend kam sie ungesehen an den wenigen Wachen und Feier freudigen Einwohnern vorbei und erreichte schneller als gedacht den dritten Ring. Die letzte Mauer war schwieriger zu überwinden. Sie war deutlich gröber behauen, große schwere schwarze Steine lagen hier gut aufgeschichtet rund fünf Mann hoch. Ein Hereinkommen war nur an den großen schweren Toren direkt an den Sternstraßen möglich und waren nachts geschlossen. Aber auch hier gab es Schlupflöcher, die sie nutzen würde. Vorsichtig tastete sie sich an den Rand des letzten Hauses vor der Mauer und lauschte. Sie hörte die Schritte der Wache über ihr auf und ab gehen. Als sie sich wieder entfernte schlich sich Mariele zur Mauer und drückte sich flach an den kalten Stein. Langsam zog sie sich daran entlang, bis sie die Holztür ertastete, die sie in das Innere der Mauer bringen würde. Mit einem leisen Klicken ließ sich der Türknauf öffnen. In einer fließenden Bewegung huschte sie durch den schmalen Türspalt und schloss die Tür hinter sich wieder.

Innen roch es nach Wein, gegrilltem Fleisch und den Kräutern, die die Albae rauchten. Für Menschen waren diese Dämpfe tödlich, aber sie waren leicht vom Geruch zu erkennen, also einfach zu Umgehen. Udin, ihr Kontakt, hatte ihr die genauen Zeiten der Wachwechsel genannt und so horchte sie aufmerksam in die Stille. Die Schritte über ihrem Kopf verstummten für einen Moment, dann wandte sich das eine Fußpaar ab und kam die Treppe zu ihr hinunter. Gut versteckt hinter einem Fass wartete sie ab bis der Alb aus der Tür, durch welche sie hineingekommen war, wieder hinausging. Die anderen Schritte über ihr entfernten sich und sie machte sich auf den Weg die Treppe hinauf auf die Mauer. Trotz ihrer Blindheit konnte sie mit ihren Sinnen sehen wie mit ihren Augen. Sie hörte sich kurz um, vor der nächsten Wache auf der Hut. Doch sie war alleine. Ohne weiter zu zögern eilte sie schnell an der Mauerbalustrade entlang zur nächsten absteigenden Treppe. Von dort aus würde sie zu der kleinen Tür gelangen, die auf der anderen Seite verborgen hinter einem Dornenbusch den Weg in den letzten Ring frei machen würde. Leisen Fußes schlich sie die steinernen Stufen nach unten und warf sich noch gerade rechtzeitig auf den Boden als sie den süßlichen Geruch des Krautes und die leisen Stimmen der Albae hörte die sich in der Ecke des kleinen Raumes gemütlich gemacht hatten.

In sich hinein fluchend robbte sie an der Wand entlang geschützt von ein paar Kisten. Sie durfte kein Geräusch machen. Die Albae waren zwar leicht betäubt und beseelt von ihren Dämpfen, doch sie waren immer noch gefährlich. Gut das die Dämpfe nach oben zogen und sich unter der Decke sammelten. Wärend sie langsam zu der schmalen Holztür auf der anderen Seite des Raumes schlich, hörte sie ein paar Wortfetzen aus ihrem Gespräch. „Ismuel, warum genau hast du uns nochmal zu diesem Dienst verpfiffen? Ich wollte mit meinem Weib auf das Mondfest und mich mit Wein betrinken?“ Der besagte Ismuel kicherte etwas albern und antwortete ihm. „Ach Yandur, Wein kannst du jeden Tag trinken und deinem Weib schadet es auch nicht dich mal nicht zu sehen. Außerdem müssen wir doch die Feste sichern gegen das Sklavenpack da draußen, nicht das der Auserwählte dabei ist und uns alle abschlachten will!“ Gelächter ging durch den Raum. Mariele hielt kurz inne, der Auserwählte? Sie hatte von den Köchen etwas Ähnliches gehört. Der Auserwählte der den Albae die Macht entreißen wird, gestraft mit einer Gabe. Aber sie hielt das nur für dummes Geschwätz, genauso wie die Albae die hier vor sich hin dampften. „Ismuel, Yandur!“ Eine schroffe Stimme schoss wie eine Pistolenkugel von der Treppe in die Kammer hinunter. „Ihr solltet die Prophezeiungen der Ältesten nicht so verhöhnen. Denkt an die Schlacht um Dornsklamm.“ Schwere Schritte ertönten auf den steinernen Treppen, als der dritte Alb zu den anderen beiden stieß. „Ach Kamir, du solltest nicht immer alles auf die Goldwaage legen was die Ältesten sagen. Die haben auch nicht immer Recht!“ Die Stimme gehörte zu Ismuel, sie war sarkastischer und so kalt wie Eis. Schnaubend setzte sich Kamir auf einen Schemel, den er über den Boden zog. Ohne den Kommentar zu beachten sprach Kamir weiter. „Es soll ein Mensch sein, geknechtet aus unseren Reihen, der dem Demjenigen helfen wird der nach dem Artefakt sucht. Deswegen hat Zando auch seine Bluthunde zu den Eingängen der Gruften geschickt. Er hat Angst das die Prophezeiung war wird.“ Wieder Gelächter seitens Yandur und Ismuel.

Mariele hatte genug gehört, sie hatte die Tür erreicht. Sah sich noch einmal kurz um, öffnete leise die Tür und krabbelt durch den schmalen Türspalt. Dornenranken zerrissen ihr die Arme und das Gesicht wärend sie sich immer noch auf dem Boden kriechend umdrehte um die Tür hinter sich zu schließen. Die drei Albae hatten sich inzwischen weitere Blätter angesteckt und saßen genüsslich dampfend auf ihren Schemeln. Sie hatten sie nicht gehört. Als die Tür hinter ihr wieder leise ins Schloss fiel, atmete sie einen Moment auf. Auch sie hatte von der Prophezeiung gehört und hatte auch Zando von gewissen Maßnahmen reden hören, doch das da überhaupt was Wahres dran sein sollte hatte sie nicht erwartet. Nun gut, soll dieser Auserwählte doch kommen und sie alle retten, sie würde bis dahin schon längst fort sein. Sie schwor sich, nie wieder zurück zu kehren, wenn sie es jemals schaffen würde von hier zu fliehen. Mit diesen Gedanken kämpfte sie sich aus dem Dornenbusch und machte sich auf den Weg durch den dritten Ring. Der Geruch von Urin, Exkrementen und Kadavern wehte ihr mit aufkommenden Wind entgegen. Ein Unwetter braute sich zusammen und sie wollte nicht in den verschlammten Straßen stecken bleiben, wenn es anfing.

 

 

 

 

Mendrin Grauwolf

 

Ein Klopfen riss mich aus meinem traumlosen Schlaf und eine leise Jungenstimme erklang hinter der Tür. „Lady Jeanne, seid ihr wach?“ Ich sammelte mich kurz und antwortete ihm mit kratziger Stimme. „Ja bitte kommt doch herein!“ Der junge Diener kam mit gesenktem Kopf durch den Türspalt und wurde sofort rot, als er sah dass ich nur in meinen Unterkleidern im Bett lag. „Bitte verzeiht, wenn ich gewusst hätte dass ihr schlaft, hätte ich euch nicht geweckt.“ „Nein ist nicht schlimm. Was kann ich für euch tun?“ Ein überraschter Blick huschte über sein Gesicht, bis er sich wieder fing. „Lady Jeanne, euer Bad ist eingelassen und eure Kleider geflickt. Wenn ihr mir folgen mögt.“ Ich stieg aus meinem Bett und kam barfuß auf ihn zu. Er reichte mir einen Bordeaux farbenen Mantel, den er gefaltet vor seinem Bauch getragen hatte. In den Räumen selben wurde wegen der eisigen Temperaturen draußen mit kleinen Feuerstellen geheizt, doch in den Gängen war es fast so kalt wie draußen. Ich warf ihn mir über und folgte dem schmächtigen Jungen. Wärend wir durch die Gänge zu den Tavernen liefen sah er immer wieder beunruhigt zu mir herüber. „Wie heißt ihr?“ fragte ich ihn um ihn etwas zu beruhigen. „Lady Jeanne, nennt mich einfach Lido.“ „Gut Lido, wieso seht ihr mich so besorgt an?“ Dieser zuckte kurz zusammen, als wir vor einer doppelflügligen Tür hielten und er nach dem Knauf griff. Etwas beschämt sah er mich an und sah schnell wieder weg. „Das ich euch keine Schuhe bringen konnte und ihr meinetwegen barfuß über das kalte Pflaster laufen musstet, liegt schwer auf meinem Gewissen.“ Ich lächelte ihn sanft an, doch bevor ich etwas sagen konnte, öffnete er die Tür und bat mich einzutreten.

Dahinter der großen Tür tat sich ein großes Gewölbe auf. Inmitten war ein großes rundes Becken eingelassen in dem heißes Wasser brodelte. Die heißen Dämpfe, schlugen sich an der Decke nieder und feuchteten den grauen Stein an, dass es von der Decke tropfte. Inmitten des heißen Bades lagen drei Männer und genossen das warme Wasser. Als wir den Raum betraten sahen sie nur kurz auf, betrachteten mich und schlossen dann wieder ihre Augen. Ich nickte ihnen nur kurz zu, wärend wir an ihnen vorbei gingen auf eine Tür an der linken Wand zu. Diese öffnete mir Lido geschwind und ich trat ein. In dem kleineren Raum stand in der Mitte eine große bronzefarbene Wanne auf vier Krallenfüßen. Auf der gegenüberliegenden Fensterwand strahlten die Buntglasfenster im Licht des Mondes in allen Farben und tauchten den sonst eher kargen und bis auf eine Bank möblierten Raum in silbernes Licht. Das Wasser dampfte und lud zum Entspannen ein. Lido blieb an der Tür stehen wärend ich mich umsah und deutete dann auf die kleine Bank. „Ihre Kleider mei Lady!“ Dann drehte er sich um, öffnete die Tür und eilte schnell hinaus. Ich wartete noch ein paar Sekunden und horchte ob nicht doch noch jemand hereinkommen würde und entledigte mich meiner Kleider.

Es war schmerzhaft sich aus dem Unterkleid heraus zu pellen. Die Schulter ließ einem keine Bewegungsfreiheit und tat bei jeder Drehung weh und die Rippen taten es ihr gleich. Als ich an dem polierten Silber an der Wand vorbei ging hielt ich kurz inne und sah mein Spiegelbild an. Meine athletische kräftige Figur kam durch die bronzeschimmernden Male und den langen roten Haaren, die strähnig von meinem Kopf hingen, noch mehr zur Geltung. Doch der Schmutz, die unzähligen blauen Flecke, Schrammen, Prellungen und Striemen verdeckten all das Schöne. Vorsichtig löste ich den Verband von meiner Schulter so dass die offene Wunde durch das Wasser heilen konnte. Bevor ich in die Wanne stieg, zog ich ein kleines gläsernes Fläschchen aus meinem Beutel und zog den silberfarbenen Pfropfen heraus. Mit einem leisen Ploppen öffnete sie sich und ließ einen wohl duftenden Geruch frei. Nur wenige Tropfen der silbrigen Flüssigkeit würden schon reichen. Sobald das Elixier auf das warme Wasser traf leuchtete dieses glitzernd und schimmernd auf und der wohlige Duft nach Wildblumen verbreitete sich im ganzen Raum. Vorsichtig schloss ich die Phiole wieder und legte sie zurück zu meinem Gepäck, dann stieg ich langsam in das wohlige nass. Das Wasser umschloss meine müden und lädierten Glieder. Ganz unter Wasser abgetaucht und Luft anhaltend lag ich für ein paar Sekunden und genoss die Schwerelosigkeit. Ein wenig Zeit brauchten die heilenden Kräfte der Feen schon. Wie prickelnde Blasen spürte ich das Wasser auf meiner Haut. Die blutigen Kratzer und Schrammen brannten ein wenig, doch es flaute nach wenigen Sekunden ab. Die Augen geschlossen, genoss ich die Leichtigkeit. Als ich die Augen unter Wasser öffnete, sah ich die Zimmerdecke verschwommen durch das Wasser. Das flackernde Kerzenlicht machte es noch unwirklicher. Das silbrige Wasser nahm mir die Sicht und glitzernde Sterne tanzten vor meinen Augen, wie kleine Glühwürmchen schwebten sie umher. Plötzlich verschwammen das Zimmer, die Wanne und das Schloss komplett um mich herum und ich stand auf einer Wiese bei Mondschein. Das weiche Moos unter meinen Füßen war warm. Eine leichte Brise umhüllte meinen unverletzten Körper und wehte durch meine Haare. Die Glühwürmchen tanzten um mich herum und eine Euphorie machte sich in mir breit, dass ich anfing es ihnen gleich zu tun. Kichernd und leicht wie eine Feder schwebte ich über die hügelige nächtliche Mooslandschaft und erfreute mich an der Leichtigkeit dieses Ortes.

Doch irgendwas riss mich zurück. Abrupt kam ich zum Stehen und Rathiel stand in voller Montur vor mir. Sein Gesicht war ernst und besorgt. Er wirkte so surreal und fehl am Platz an diesem so friedlichen und stillen Ort. Er hielt mich fest an meiner Hand und bat mich mit ihm mit zu kommen. Doch es war so schön an diesem Ort, ich wollte noch nicht mit. Alles war weich, warm und harmonisch. Rathiel machte einen Schritt auf mich zu und packte meinen Arm noch fester. Ich wollte mich losreißen, doch sein eiserner Griff ließ nicht locker. „Jeanne, du kannst nicht hierbleiben, das weißt du besser als ich!“ Und plötzlich verblasste der Mond, es wurde eiskalt. Das weiche warme Moos war verschwunden und ich stand auf kalten harten Steinen. Die hellen fröhlichen Glühwürmchen waren verschwunden und an ihrer Stelle flogen dicke Schmeißfliegen um mich herum. Erschrocken quietschte ich auf und ließ mich von Rathiel aus dieser Traumwelt reißen.

Nach Luft ringend und hustend zog mich Rathiel aus der Wanne, so dass ich sitzend das Wasser aus meinen Lungen pressen konnte. Der Elb hatte beruhigend eine Hand auf meinen Rücken gelegt und wartete dass ich wieder zu Atem kam. „Das hätte auch anders enden können“, raunte er mir ins Ohr als er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht wischte. Immer noch keuchend und mit krächzender Stimme antwortete ich ihm: „Wo war ich?“ Rathiel nah mein Gesicht in seine Hände so dass ich ihn in die Augen blicken musste. Diese wunderschönen, schwarzen Augen in denen ich mich vor so langer Zeit so unsterblich verliebt hatte. Er musste meine Gedanken gelesen haben, denn er wurde leicht rot und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Das ist schon so lange her meine Liebe.“ Ich brauchte einen Moment um zu verstehen dass er nicht meine Gedanken gemeint hatte. „Dir wäre das beinahe auch passiert, ich erinnere mich!“ Tatsächlich hatte auch er sich ein Bad nach einer Schlacht im Feensilber gegönnt um seine Wunden zu heilen. Doch dieses Elixier ist tückisch, lässt man sich zu sehr treiben in dem warmen Wonnen und Welten, verlor man sich darin und stirbt. Ich hatte ihn damals in seiner Badewanne entdeckt und konnte auch ihn schnell aus dem Wasser ziehen. Jetzt war er es der an dem Badewannenrand kniete und mir ein Badetuch reichte. Ich stand immer noch mit leicht zitternden Knien, auf und stieg aus der Wanne. Doch noch etwas schwach, knickte ich um und fiel ihm in die ausgestreckten Arme. Er fing mich mit einer geschmeidigen Bewegung auf und hüllte mich komplett mit dem weichen Tuch ein. Immer noch festhaltend sahen wir uns an, unsere Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt und hielten einfach nur inne. Seine starken Arme hielten mich fest an seinen warmen Oberkörper gepresst, sein unverkennbarer süßer unwiderstehlicher Duft stieg mir in die Nase. Erinnerungen von heißen Nächten, wilden Küssen, Liebkosungen und Raufereien schossen durch meinen Kopf und ließen mich erröten.

Ich biss mir auf die Lippe bei einer besonders berauschenden und intensiven Erinnerungen, die mir immer noch den Atem raubte, wenn ich nur daran dachte. Auch er dachte an diese und seine dunklen Augen wurden noch dunkler vor Verlangen und ich spürte den Widerspruch in sich. Doch bevor auch nur einer von uns überhaupt handeln konnte, klopfte es derbe an der Tür. „Jeanne, Mendrin ist in der Burg angekommen und wartet auf uns. Beeil dich wir müssen los, darf ich reinkommen?!“ Ohne auf eine Antwort zu warten kam Alec durch die Tür gestürmt und blieb stocksteif stehen, als er mich mit Rathiel sah. Der hatte schnell gehandelt, mich aus seiner Umarmung entlassen und stand jetzt an der Wand gelehnt. Elbenreflexe. Schnaubte ich in Gedanken und sah Alec jetzt gespielt entrüstet an. „Normalerweise wartet man auf eine Antwort, bevor man in ein Badezimmer stürmt.“ Alec dessen erschrockenes Gesicht sich in eine undurchdringliche Maske verwandelte, nickte mir nur zu und ging mit einem „Grauwolf wartet auf uns im Speisesaal.“

Immer noch erschrocken von dem beinahe Tod und Alec´s Erscheinen musste ich mich kurz sammeln und drehte mich dann zu Rathiel, der immer noch mit einem belustigenden Grinsen an der Wand stand. „Was ist denn so Lust Rathiel? Jetzt denkt er weiß Gott was wir hier gemacht haben!“ Er stieß sich in einer eleganten Bewegung von der Wand ab, hauchte mir einen Kuss auf meine Lippen und lief zur Tür. „Nun ja mal abgesehen das ich aus demselben Grund zu dir gekommen bin und er mal einen Dämpfer für sein riesen Ego brauchte, fand ich deinen Anblick sehr erfreuend!“ Ich sah ihn mit einem wütenden Blick an, flüsterte aber bevor er durch die Tür verschwand noch ein „Danke!“ hinterher, welches er mit einem Nicken quittierte. Wieder allein im Zimmer stehend, nass tropfend und frierend, machte ich mich daran mich abzutrocknen und anzuziehen. Lido hatte mir ein hübsches einfaches Kleid dagelassen, welches ich aber liegen ließ und in meine geflickten und gewaschenen Kleider stieg. Das weiche Leder, die angenehme Wolle und die leichte Bluse waren mir doch lieber und deutlich praktischer als ein weites flatterndes Kleid. Als ich meinen Waffengürtel umband versuchte ich ein weiteres Mal in Alec´s Gedanken zu kommen. Genervt nahm er seine Deckung runter und wartete ab. Na endlich. Lass es mich doch bitte erklären Alec. Dieser seufzte genervt und ich zeigte ihm die Bilder, natürlich ließ ich es aus ihm Rathiel mit mir in den Armen zu zeigen und wie wir uns gegenseitig anschmachteten. Als er den Todeskampf erkannte und das Rathiel mir das Leben gerettet hatte, war er etwas milder gestimmt. Mag sein das er dich gerettet hat, aber er hegt immer noch Gefühle für dich. Dem konnte ich nichts entgegenbringen. Seufzend rollte ich mein Gepäck zusammen und machte mich auf den Weg zum Speisesaal.

Die Sonne ging gerade wieder auf als ich den Speisesaal betrat. Geheilt, in frische Kleider gehüllt und gebadet trat ich durch den Torbogen in den mit Menschen gefüllten Saal. Meine Gefährten hatten an den langen Bänken Platz genommen und aßen gerade, wärend vor Kopf ein älterer Mann mit grauem langem Bart, Glatze und einer riesigen Narbe im Gesicht saß. Um ihn herum vier seiner Gefolgsleute und an den Wänden ein paar Diener die die essende Gesellschaft bewirtete. Als Mendrin mich hereinkommen sah, pausierte er sein Mahl und stand auf. „Lady Jeanne, schön euch endlich persönlich kennen lernen zu dürfen!“ Er ging hinter seinem Stuhl vorbei auf mich zu und reichte mir die Hand. Er war groß, größer als ich. Seine breiten Schultern zierte ein graues Wolfsfell, an seinem ledernen Wams schwang an riesiges Schwert an einem breiten Gürtel und seine verdreckten schweren Stiefel deuteten darauf hin, dass der Herr über die Garnison gerade erst heimgekehrt war. Seine dunkle basslastige Stimme, nahm den gesamten Speisesaal ein, so dass jeder innehielt und unserer Unterhaltung lauschte.

Ich nahm seine dargebotene Hand und erwiderte seinen kräftigen Händedruck. „Die Freude ist auf meiner Seite Mendrin Grauwolf!“ Ich schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und er bat mich mit an seinem Tisch Platz zu nehmen. Wärend die anderen weiter aßen spürte ich Rathiel´s Blick auf mir der mich die ganze Zeit beobachtete und mein Zögern bemerkte und nickte mir aufmunternd zu. Ich folgte Mendrin und setzte mich auf den dargebotenen freien Stuhl an seiner Rechten. Wärend mir eine Schüssel dampfenden Haferbreis auf den Tisch gestellt wurde setzte Mendrin an. „Mein Hauptmann hat mir bereits von eurem Kampf und auch von eurem Haustier berichtet!“ Ich senkte den gerade befüllten Löffel wieder und sah ihn mit festem Blick an, mir nicht entgehende wie er „Haustier“ ausgesprochen hatte. „Ich danke euch dass ihr mit uns gekämpft und uns aufgenommen habt. Ebenso trauere ich mit euch um eure Gefallenen. Aber was den Wolf angeht, liegt die Schuld für die Mühen ihn zu fangen und seinen Tod bei mir. Er wollte mir helfen, er hat mich gerettet.“ Eine Pause trat ein und er sah mich mit interessiertem Blick an. „Ich wollte euch keine Vorwürfe machen. Im Gegenteil, wenn ihr nicht gewesen wärt und uns die Meute direkt vor die Tore gebracht hättet, hätten wir sie nie töten können. Dieses Rudel plagt uns schon seit vielen Monden ohne dass wir auch nur einen Hauch einer Chance hatten sie zu töten.“ Nun hatte ich ein noch schlechteres Gewissen. Mit aufsteigenden Tränen in den Augen sah ich weg und starrte auf meinen Teller, mein Appetit war mir vergangen. „Ihr müsst euch nicht grämen. Diese Tiere waren vergiftet und seelenlos. Ihr habt ihnen den erlösenden Todesstoß geschenkt.“ Seine Worte waren väterlich besänftigend und ich hatte Mühe und Not meine Tränen zurück zu halten. „Esst erst mal und dann möchte ich euch gerne etwas zeigen und mit euch das weitere Vorgehen besprechen!“ Damit widmete er sich wieder voll seiner Mahlzeit und gab mir die Zeit mich zu beruhigen und auch meine Schüssel zu leeren.

Nach beenden des Mahles wollte ich erst mit Roan reden bevor ich mich mit Mendrin besprechen würde. Er sah müde aus, tiefe Augenringe zierten sein Gesicht und seine Haut war weiß und fahl. „Roan mein ehrwürdiger Kampfgefährte, wie geht es Sina?“ Er sah mich mit traurigen Augen an und schüttelte mit dem Kopf. Er war auf der Bank sitzen geblieben als ich mich neben ihn gesetzt hatte und starrte zusammen gesunken auf seine ineinander gefalteten Hände. „Sie lebt, doch ihr Zustand ist unverändert. Dieses verdammte Rudel hat sie vom Pferd gezogen und sie bis zur Erschöpfung gehetzt.“ Er unterdrückte ein Schluchzen. Sein ganzer Körper zitterte als er weitersprach. „Als ich mich endlich zu ihr durch kämpfen konnte lag sie blutüberströmt und mit einem fehlenden Bein auf der Erde, umringt von diesen Bestien…“ er spuckte das Wort aus wie einen giftigen Apfel. „…wir konnten sie bis zur Burg bringen wo sich die Heilerinnen sofort an die Arbeit gemacht hatten. Doch das Bein war nicht mehr zu retten, sie hatten es so zerfetzt das es nicht mehr annähbar war. Jeanne, jetzt liegt sie da, bewusstlos, weiß wie Schnee in der Hoffnung das sie irgendwann aufwacht!“ Jetzt brach er völlig in Tränen auf. Ich legte meine Arme um seinen massigen Oberkörper und er vergrub sein Gesicht an meiner Schulter. Ich versuchte ihn zu trösten, doch auch mir flossen stille Tränen über die Wangen. Roan und Sina kannte ich schon seitdem wir klein waren und wir hatten unzählige Abenteuer bestritten, wo wir zwar auch verwundet wurden, aber es war noch nie so schlimm wie dieses Mal. Ich wusste das Roan sie liebte und so tat es mir besonders weh. Für mich war sie immer eine sehr gute Freundin gewesen.

„Ich werde nachher bei ihr vorbeischauen, vielleicht kann ich etwas für sie tun!“ Sofort setzte Roan sich auf und sah mich beunruhigend an. „Du wirst sie doch nicht in dieses silbrige Teufelszeug legen?!“ Ich sah ihn tröstend an. „Es wäre eine Möglichkeit, welche auf jeden Fall helfen würde. Sie würde zwar nicht ihr Bein wiederbekommen, aber wenigstens würde sie überleben!“ Er sprang wütend auf und trat ein paar Schritte zurück. „Jeanne, du weißt ganz genau wie gefährliches dieses Zeug ist, du müsstest es doch am besten wissen.“ Damit stapfte er davon und ließ mich allein auf der Bank zurück. Er hatte ja Recht, selbst mir fiel es schwer wieder zurück zu kommen, aber wenn jemand eh dem Tode nahe ist, wird er wahrscheinlich nicht mehr die Kraft haben sich wieder in das Leben zurück zu kämpfen. Seufzend stand ich auf und ging in den Flur wo Mendrin schon auf mich wartete.

Er stand dort und betrachtete eines der wenigen Wandbilder, die in der Garnison aufgehangen wurden. Als er mich bemerkte trat er einen Schritt von dem Gemälde weg und bat mich mit einer Handbewegung ihm zu folgen. „Lady Jeanne ich kann mich nur wiedermal dafür bedanken dass ihr uns diese Plage vom Hals geschafft habt, aber meine Frage ist, was ihr überhaupt auf dem Pass gesucht hattet?“ Sein neugieriger Blick ließ mich fast erschaudern. Wir hatten uns vorab geschworen niemanden etwas von unserer Aufgabe zu erzählen und so hatten wir uns eine eigene Geschichte ausgedacht. „So direkt, zweifelt ihr an unseren Absichten?“ stellte ich eine Gegenfrage und beobachtete ihn. Er lachte kurz auf und zwinkerte mir verschmitzt zu. „Ihr seid nicht dumm, das muss man euch lassen. Nein ich zweifle nicht an euren Absichten, aber andere hier in dieser Burg tuen es. Gerüchte machen seit eurer Ankunft die Runde und ich mag es nicht, wenn an jeder Ecke getuschelt wird.“

Wir gingen den langen Flur entlang. Hier und da an einem Fenster die das Sonnenlicht erhellten, vielen die Strahlen wie pures Gold auf das Gestein. Zwischendurch kamen uns Soldaten oder auch Heilerinnen entgegen und nickten uns zum Gruße zu. Wir lenkten gerade auf eine Treppe ein als ich im antwortete. „Was für Gerüchte werden denn über uns erzählt?“ Starr nach vorn schauend sprach er in einem ernsten Ton weiter. „Nun da in den letzten Monaten recht seltsame Dinge in den Landen geschehen und es Anzeichen gibt das die Albae wieder einen Krieg anzetteln wollen, ist es natürlich nicht verwunderlich das auch die Gegenspieler versuchen etwas zu unternehmen. Natürlich höre ich nicht auf das Geschwätz alter Waschweiber und Greise, aber natürlich macht man sich seine Gedanken.“ Wir stiegen die Wendeltreppe hinauf zum höchsten Punkt der Burg, dem Ausguck. Dort angekommen bestaunte ich den weiten Blick über die Zinnen der Burg hinaus in die weite Ebene mit den Wäldern und Flüssen, sowie den Bergen auf der anderen Seite. Die Wintersonne stand hell am wolkenlosen Himmel, ein leichter Wind ließ mich frösteln. Das Gewitter welches uns oben auf dem Berg fast eingeholt hatte, schwebte jetzt über dem Pass und würde uns bald erreichen.

„Ihr habt Recht!“ sprach ich in die entstandene Stille. „Auch ich habe von einer derartigen Gruppe gehört die versuchen herauszufinden wie man die Albae aufhalten kann, doch sie wurden angeblich an der Küste gesehen. Doch das beantwortet eure Frage nicht. Ich und meine Gefährten wurden vom König von Theron höchstpersönlich entsandt um den Gerüchten auf den Grund zu gehen. Wir sind auf dem Weg zu den Albae.“ Mendrin sah mich eindringlich an und ich verzog keine Miene. Ich war eine gute Lügnerin und hielt jedem abschätzenden Blick stand. „Nun gut, habt ihr eine Schrift bei euch die diese Geschichte bestätigt?“ Ich lächelte ihn wissend an. „Wenn ich solch eine Schrift bei mir hätte und wir würden gefasst werden, dann würde sich das schneller herumsprechen als ein Floh eine Hundemeute ansteckt. So sind wir unsichtbar unterwegs, ohne dass irgendwer Verdacht schöpft.“ Er nickte nur nachdenklich und lächelte mich dann wieder an. Doch ich spürte seine Zwist und das er mir nicht ganz glauben würde. „Na gut das macht Sinn. Wie werdet ihr weiter verfahren?“ „Wir würden euch gern ein Proviant abkaufen und uns so schnell wie möglich wieder auf den Weg machen. Und wir bräuchten euren Rat, wie man ungesehen und am besten ins Albenreich kommt, der Zwergenkönig lässt euch grüßen und hat uns nahe gelegt euch um Rat zu fragen!“ Geschmeichelt zwirbelte Mendrin seinen Schnauzbart und machte sich groß um dann etwas großspuriger zu antworten: „Natürlich kann ich euch da weiterhelfen, wenn der Zwergenkönig schon in so großen Tönen von mir spricht, kann ich ja gar nicht anders!“ Freundlich nickte ich ihm zu. „Das freut mich, wir besprechen das heute Mittag und ich denke dass ihr uns ab heute Abend wieder los seid!“

Bevor wir wieder kehrt machten, hielt Mendrin mich ein letztes Mal auf. Er lehnt sich zwischen die Zinnen auf die Mauer und blickte hinaus in die Ferne. „Wisst ihr, diese Garnison ist das letzte Bollwerk zur südlichen Grenze. Alle Ländereien die hinter der Bergkette liegen, vertrauen darauf dass wir sie vor dem Bösen schützen.“ Er sah zu mir hinüber und ich folgte seinem Beispiel und bestaunte abermals die unglaubliche Aussicht. „Wisst ihr wer zu der Zeit diese Feste und auch die der Zwerge erbaut hatte?“ Ich schüttelte nur den Kopf und lauschte weiter seiner Geschichte. „Mein Ururururgroßvater Morowin Grauwolf half damals den Zwergen diese Feste zu erbauen. Damals standen Menschen und Zwerge im Krieg. Morowin missfiel dieses aber da er an einer Allianz interessiert war, denn der Egobar war und ist einer der wichtigsten Handelsrouten zwischen Norden und Süden.

Wegen der gegenseitigen Missgunst war es immer sehr schwierig gerade an dieser Grenze Güter über zubringen. Und so handelte Morowin einen Vertrag mit dem damaligen Zwergenkönig Gandrir aus. Er bot seine Hilfe an die Feste Erebor´s mit zu erbauen und die Handelsrouten zu sichern, wenn er im Gegenzug Zwergenstahl bekäme um seine Waffen daraus zu schmieden um seine Grenzen zu schützen. Nach mehreren Nächten des Handelns wurden sie sich einig und seitdem sind die Zwerge unsere Verbündeten und die Handelsroute ist sicher.“ Er machte eine kurze Pause um zu überlegen wie er das Nächste am besten erklären würde. „Jeanne, seit diesen Tagen ist hier nichts Nennenswertes passiert. Kleine Aufstände, Piraten auf dem Fluss oder Diebstähle. Nun aber steht etwas Dunkles bevor. Ich bin kein abergläubischer Mann, aber seitdem das Gerücht umgeht das ihr auf dem Weg zu den Albae seid um sie zu bezwingen, geschehen diese Dinge. Auf eine Aktion führt meist eine gegen Reaktion. Ich werde euch nicht hindern weiter zu gehen, ich werde euch auch helfen sicher euren Weg zu bestreiten, aber seid Gewiss, wir möchten einfach nur in Ruhe leben und den Frieden erhalten.“

Damit endete seine Ansprache und sein eindringlicher Blick verdeutlichte seine Ansichten. „Ich danke euch für eure Ehrlichkeit Mendrin, aber wir haben weder die Absicht, noch den Drang Unfriede zu stiften.“ Er nickte mir nur zu und ließ mich auf dem Ausguck allein. Er hatte nicht ganz Unrecht. Wenn wir versagten würden wir eine Lawine des Krieges los treten. Ratlos über den weiteren Verlauf unserer Reise sah ich wieder zu der dunklen Wolkenwand die uns bald erreichen würde. Wir werden wohl im strömenden Regen losreiten müssen.

 

 

 

Gefallene Krieger

 

Nach der Unterredung mit Mendrin machte ich mich auf den Weg zu den Gemächern Sina´s. Es lag direkt neben der Krankenstation in einem Turmzimmer. Dank der Beschreibung von Schwester Linda stand ich schon bald vor der hölzernen Tür. Leise klopfte ich daran und wartete auf eine Antwort. Sofort wurde diese aufgerissen und ein aufgelöster Roan stand vor mir. „Jeanne, nein!“ Doch bevor er mich ganz abwimmeln konnte, war ich unter seinem Arm in den Raum hinein gehuscht. „Lass sie mich wenigstens ansehen!“ Roan schloss widerwillig die Tür hinter mir uns setzte sich wieder auf den Schemel neben dem Bett in welches Sina lag.

Sie sah schlimm aus. Ihr komplettes Bein und der Arm waren dick verbunden. Es fehlte tatsächlich ein beträchtliches Stück ihres Beines. Der restliche Körper war mit mehreren Decken zugedeckt um sie gegen die eisige Kälte zu schützen. Das kleine Feuer im Kamin half nur wenig den Raum zu erwärmen. Das einzige was aus diesem Berg Decken heraus ragte war Sina´s Kopf. Ihr Gesicht war weiß wie Schnee und übersät von Schnitten und blauen Flecken. Schwach und langsam atmend sah sie so zerbrechlich und hilflos aus. Ich kam ein paar Schritte näher und stellte mich neben sie ans Bett. Mir kamen fast die Tränen. Sina, meine beste Freundin seit Kindheitstagen. Sie war immer so stark und unbeugsam. Und nun lag sie da, die Haut so dünn wie Papier. Ich legte ihr eine Hand auf die Brust und versuchte mich zu konzentrieren und die Tränen zurück zu halten. Die Augen geschlossen suchte ich ihren Geist. Ihr sonst so helles und farbenfrohes Licht war grau und fast erloschen. Sie war schwach, die Wunden und der schwere Blutverlust waren zu schwerwiegend. Ich versuchte zu ihr durchzudringen, aber sie lag schon im Sterben. Seufzend öffnete ich meine Augen und sah Roan an, der mich erwartungsvoll beobachtet hatte. Ich schüttelte nur traurig und mit tränen verschleierten Augen den Kopf. Roan wurde noch blasser und brach in Tränen aus. „Es tut mir so leid“, hauchte ich und versuchte ihn zu trösten.

Wir blieben eine Weile bei Sina. Wärend der herannahende Sturm wütete warteten wir das ihre Seele zu den grünen Wiesen Heilrum´s aufstieg. Ohne Sina aus den Augen zu lassen saßen Roan und ich da, erzählten uns leise Geschichten aus Kindheitstagen und hielten Totenwache. Als die Turmuhr der nahen Kirche zur Mittagsstunde schlug spürte ich wie Sina´s Seele aus ihrem Körper wich. Ein letztes Mal schloss ich meine Augen und sah sie. Ich nahm Roan´s Hand und ließ ihn mit sehen. Er sah sich erstaunt um, aber als er Sina sah hielt er inne. Sie lächelte uns bei an, in einem weißen fließenden Gewand stand sie vor uns und bat um einen letzten Gefallen. Jeanne, Roan, seid nicht traurig. Ihre glockenklare fröhliche Stimme hallte in unserem Geist wieder. Roan rollten Tränen die Wangen herunter. Sina ging auf ihn zu, nahm sein Gesicht in seine Hände und wischte mit dem Daumen seine Tränen aus dem Gesicht. Mein Lieber Roan. Ich hoffe dass du weißt dass ich dich immer geliebt habe und dich immer lieben werde. Sei nicht allzu traurig, es ist besser so. Ich werde dich immer in meinem Herzen tragen.

Unfähig etwas zu sagen sah er sie einfach nur an. Sie gab ihm einen Kuss auf die Lippen und wand sich dann an mich. Meine treueste Freundin. Ich danke dir dass du mir auf meinem Weg immer zur Seite standest und wir durch dick und dünn gehen durften. Dieses Abenteuer ist nun unser letztes. Es ist nicht deine Schuld, mir geht es hier besser als wenn ich es überlebt hätte. Vergiss deine Aufgabe nicht und mach weiter. Ich werde immer an deiner Seite stehen und euch helfen so gut ich kann. Ich konnte nur zustimmend nicken. Und nun, werde ich gehen. Aber vergesst nicht ich bin immer bei euch. Mit einem letzten Blick auf uns, wand sie sich ab und genau wie der Wolf löste sie sich auf und verschwand.

Unter Tränen löste ich die Verbindung und Roan und ich lagen uns weinend in den Armen. Es war schwer sie loszulassen und es würde noch schwerer werden ohne Sina weiter zu gehen. „Los Roan, wir müssen den Schwestern Bescheid geben, sie muss beerdigt werden!“ Er nickte nur und wischte sich die Tränen aus seinem Gesicht.

An diesem Tag gruben wir unter einem Baum, bei tosendem Gewitter ein Grab und beerdigten Sina in Ehren und unter Aufsicht eines Geistlichen. Die zweite Totenzeremonie an diesem Tag. Still standen wir hinter dem Pater der aus seiner Bibel las und das frische Grab mit Weihwasser segnete. Ich stand zwischen Alec und Rathiel. Auch sie hatten Sina in der kurzen Zeit kennen gelernt und mochten sie. Daimien versuchte Roan zu trösten, doch dieser war so in tiefer Trauer dass er nichts mehr mitbekam. Wärend wir uns von Sina verabschiedeten und Wildblumen die noch vom Sommer übrig geblieben waren, auf ihr Grab legten, blieb Roan auf Knien sitzen und starrte die frische Erde an. Der Regen nahm immer weiter zu und durchnässte seine Kleidung. Wir gingen wieder zurück in die Burg. Roan´s Anblick war wirklich schwer zu ertragen, aber er brauchte noch Zeit um sich von ihr zu verabschieden.

Gefolgt von Alec, Daimien, Rathiel und Joan gingen wir zum Zimmer von Mendrin. Er öffnete uns schnell nachdem wir an seine Tür geklopft hatten und gewährte uns Eintritt. Ohne ein Wort zu sagen deutete er uns an auf die vereinzelten Sessel in seinem großen Gemach Platz zu nehmen. Wärend er aus einem der vielen hohen Regale die die Wände zierten Krüge und eine große Flasche mit bernsteinfarbener Flüssigkeit holte, sah ich mich kurz um. Die Trauer steckte noch tief in meinen Knochen, trotzdem war ich wachsam. Der große hölzerne Tisch der vor der Fensterfront stand war voll mit Karten, Schriftrollen und Federn. In den einfachen Holzregalen standen Bücher, Tierschädel, Flaschen mit Flüssigkeiten und andere teilweise merkwürdige Gegenstände. Doch das was meine Aufmerksamkeit weckte war eine riesige Landkarte von unserem Königreich. Theron in der Mitte der Karte mit all seinen Dörfern, Flüssen, Wegen, Handelsrouten und Herzogtümern. Ein Zeichen welches im unteren Eck prangte und von dem aus Linien in Rot glänzender Tinte bis zu Theron und den Hauptwegen erstreckte machten mich stutzig. Dieses Zeichen hatte ich schon einmal gesehen, ich konnte mich aber nicht mehr genau erinnern wo. Ob in einem Traum oder in einem Buch, vermochte ich nicht genau zu sagen. Doch es hatte sich in mein Gedächtnis gebrannt. Doch bevor ich der merkwürdigen Karte und dem Siegel weitere Aufmerksamkeit schenken konnte, wurde mir ein Krug gereicht. Die Flüssigkeit roch stark nach einem Weinbrand und biss regelrecht in der Nase.

„Meine Freunde, lasst uns anstoßen auf gefallene Krieger, Freunde und Geliebte. Es sind traurige Tage die unser Land heimsuchen. Lasset uns unserer Geliebten gedenken und ehren.“ Damit hob Mendrin seinen Krug und wir taten es ihm gleich. Mit einem Zug trank er ihn leer. Der Weinbrand war stark, aber gut. „Ich weiß es ist noch früh und die Wunden sind noch frisch, aber ich weiß um eure wichtige Aufgabe, deswegen solltet ihr keine Zeit verlieren.“ Er rollte eine Karte des nördlichen Reiches auf seinem Tisch auf und deutete auf einen Punkt. Ich noch leicht benebelt von dem Brand stand auf und sah mir die Karte genauer an. Rathiel stellte sich neben mich und warf ebenfalls einen Blick darauf. Alec hatte sich noch einen weiteren Krug gefüllt und begnügte sich an dem berauschenden Alkohol. Joan und Daimien hingegen sahen sich in dem Arbeitszimmer unauffällig um.

Mendrin deutete auf das Symbol der Garnison und fuhr mit dem Finger eine Strecke ab. „Um ungesehen ins Albenreich zu gelangen um Moria zu finden haltet euch von den Hauptstraßen fern. Es sind viele Spione und Schergen der Albae unterwegs um euch aufzuhalten. Euer erstes Ziel sollte die letzte Baumgrenze vor Jackar sein.“ Er deutete auf die Baumlinie bevor die Wüstenlandschaft begann. Rathiel und ich sahen uns prüfend an. Doch bevor wir uns weitere Gedanken machen konnten sprach Mendrin weiter. „Dort wo sich der Egobar teilt und die Grenze zu Jackar anfängt liegen die Ruinen von Destal. Sie liegen schon seit Jahrhunderten verlassen da und sollten unbewohnt sein. Manchmal halten sich dort Schmuggler auf bevor sie sich in einer der vielen Schiffe Richtung Ankersheim verstecken. Von hier sind es zirka zwei Tagesritte bis Destal. Das Gelände ist stark bewaldet und die Ruine liegt direkt an der Weggabelung.“ Wir nickten ihm nur zu und warteten das er Fortfuhr. Sein Finger tippte nun auf die große weite Wüstenebene Jackar´s. „Das Albenreich liegt im nördlichsten Punkt der Wüste, dort wo der Komet einst einschlug und die Erde dort verbrannte. Durch das Sandmeer kommt ihr am besten, wenn ihr euch von einer Oase zur nächsten schlagt, sonst verdurstet ihr!“ Joan gesellte sich zu uns und sah ebenfalls auf die Karte. „Ich kenne Jackar wie meine Westentasche, ich werde uns hindurch leiten können!“ Mendrin und Joan sahen sich direkt in die Augen und eine unheimliche Stille entstand zwischen den beiden. Die Anspannung wuchs und ich hatte das Gefühl das sie sich jeden Moment an die Kehle springen würden. Doch bevor es eskalierte, löste Mendrin das Schweigen. Scherzend senkte er seinen Blick und lachte. „Dann seid ihr ja in den besten Händen! Den Rest des Weges solltet ihr aus dem Buch entnehmen können!“

Zufrieden richtete sich der Hüne wieder auf und sah uns abwartend an. „Danke Mendrin für eure Hilfe, wir werden in wenigen Stunden aufbrechen!“ Damit nahm ich ihm die gereichte Karte ab und wand mich zum Gehen. Die anderen folgten mir ohne ein weiteres Wort und wir ließen Sir Grauwolf in seinem Arbeitszimmer zurück. Als sich die Tür hinter uns schloss, sah mich Rathiel ernst an. Auch Joan und Daimien hatten den Braten gerochen, sagten aber kein Wort. Außer Alec, der angetrunken hinter mir her torkelte und Späßchen machte. Wir gingen zügig die Treppe hinunter zu den Stallungen und versicherten uns dass wir dort alleine waren.

„Grauwolf führt was im Schilde!“ war das erste was Joan heraus brachte. „Nicht nur das“, raunte Rathiel und sah ernst in die Runde. „Woher wusste er von Muria und dem Buch? Warum hat er es so eilig uns loszuschicken und uns ins Albenreich zu bringen? Irgendetwas stimmt da nicht!“ Daimien schüttelte mit dem Kopf. „Vor allem uns direkt nach Destal zu bringen. Ich war schon mal dort, es ist ein gefährlicher Ort und auf dem Weg dorthin gibt es viele Orkhöhlen.“ Alle sprachen durcheinander und meine Gedanken rasten. Doch dann viel mir plötzlich wieder unsere Unterhaltung ein. „Es sind die Albae!“ Sofort verstummten alle und sahen mich verwirrt an. „Wie bitte?“ Alec sah mich leicht schwankend an. „Sie könnte Recht haben!“ Rathiel´s nachdenkliche Miene zu urteilen hatte er meinen Gedankengang folgen können. „Mendrin ist so sehr bedacht darauf Frieden und Kontrolle in seinem Reich zu erhalten das ihm wahrscheinlich jedes Mittel recht ist.“ Joan sah mich geschockt an. „Nein, das wird er doch nicht gemacht haben!“ „Ich befürchte schon!“ „Was zur Hölle meint ihr?“ lallte Alec immer noch. „Damit auch du es verstehst mein Lieber Alec!“ Er sah mich böse an, unterbrach mich aber auch nicht. „Mendrin ist wahrscheinlich einen Pakt mit den Albae eingegangen. Wenn er uns zum Artefakt bringt, werden seine Ländereien hier verschont wenn der Krieg ausbricht!“

Stille breitete sich aus, als alle sich meiner Worte bewusst wurde. „Wenn das wahr ist, sollten wir umso mehr aufpassen. Seine Karte könnte gefälscht sein und die Spione der Albae sind unter uns.“ Daimien´s Schlussfolgerung ließ mich nervös auf und ab gehen. „Nein seine Karte ist echt.“ Joan hatte den Finger nachdenklich an ihren Mund gelegt und grübelte. „Ich kenne diese Gegend sehr gut und ich habe weitere Karten in seinem Arbeitszimmer gesehen.“ Mir fiel plötzlich die Karte an der Wand auf. „Joan, ist dir die Karte an der Wand hinter der Tür aufgefallen? Die von Theron mit diesem blutroten Siegel?“ Sie überlegte kurz. Ihre Augen weiteten sich und ihr Blick wurde ernst. „Das war eine Belagerungskarte von Theron!“ Sie nickte. „Konntest du das Siegel erkennen?“ fragte ich in der Hoffnung dass sie es irgendwo gesehen hatte, doch sie schüttelte mit dem Kopf. „Nein tut mir leid, ich war noch nie im Albenreich und kenne so die Familiensiegel nicht. Doch ich könnte mir sehr gut vorstellen wen wir fragen können!“ „Ok, wir sollten jetzt alles zusammen suchen und los reiten. Auf dem Weg überlegen wir uns wie wir am besten vorgehen können!“ Rathiel´s bestimmter Ton trieb uns an und so eilte jeder in sein Zimmer und packte seine Sachen. Auf dem Weg zu meinem Gemach, gingen mir so viele Dinge durch den Kopf, doch jetzt gerade war es wichtiger dass wir von hier verschwanden.

Nun ritten wir durch den anhaltenden Sturm. Roan hatten wir schon packend in seinen Gemächern vorgefunden und nachdem wir alles beisammen hatten, waren wir in den frühen Morgen aus der Garnison aufgebrochen. Der Regen hatte uns schon nach wenigen Minuten durchnässt, doch die Erleichterung aus der erdrückenden Burg fliehen zu können beflügelte unsere Herzen. Wir würden uns tatsächlich bis Destal schlagen, da dies die einzige Option war ohne großartiges Aufsehen durch die Grenzwälder zu gelangen. Eine Hürde die wir noch zu meistern haben war die Flussgabelung des Egobar zu überqueren. Dort trafen zwei Strömungen aufeinander und das Wasser führte Nährreiche Fischgründe. Wir erreichten die Gabelung nach einem Tagesritt. Ungesehen hatten wir uns durch den Regen geschlagen und waren keiner Menschenseele begegnet. Alec ritt ruhig an meiner Seite und musste sich einmal mehr übergeben, als wir kurz Rast machten um die Pferde zu tränken. Der Schnaps tat ihm doch nicht so gut, wie er geschmeckt hatte.

Das dichte Blätterdach des Waldes bot uns ein wenig Schutz vor der reißenden Flut von oben und auch Deckung vor möglichen Spionen. Natürlichen nutzen wir nicht den Hauptpfad in dessen schlammigen Grund tiefe Radspuren Zeuge waren von der viel befahrenen Route. Der dichte Nadelwald mit den tief hängenden Ästen und dem moosbedeckten Grund verschluckte unsere Geräusche und Stimmen, das es unheimlich ruhig war. Neben dem plätschern des Regens und dem gelegentlichen Grollen des Donners und einem zeitigen Schnauben der Pferde war es totenstill. Eine gute Gelegenheit kurz zu verschnaufen und etwas Ruhe in seine Gedanken zu bekommen. Seitdem wir unterwegs waren, gab es keine Gelegenheit in Ruhe über das geschehene nachzudenken. Nun saß ich auf Reijkjon und beobachtete Daimien wie er mit seinem Frettchen spielte und dachte an den Wolf, an den Wyrg wie er in die Zwergenstollen sein Unheil getrieben hatte, an den armen Werwolf wie er nackt im Schlamm gesessen hatte und an den armen Malik. All das nur wegen diesem Gift. Es musste eine Quelle haben und wenn wir die finden würden, wäre das meiste Übel schon getilgt.

Mach dir keinen Kopf über das was, wenn und vielleicht. Dieses Gift, die Spione und die Heimtücke sind alles nur Symptome einer Krankheit, die wir heilen müssen. Rathiel´s Stimme in meinem Kopf war beruhigend. Ich weiß, doch ich habe keine Ahnung wie wir das anstellen sollen. Das Buch hat mir noch nicht viel Neues offenbart. Seufzend stand ich vor der Gewissheit dass wir noch keinen Schritt weiter gekommen waren. Jeanne! Alec hatte sich zu mir umgedreht und sah mich fest an. Seine grünen Augen konnte ich selbst zwei Pferdelängen vor mir noch leuchten sehen. Wir kriegen das hin! Ich passe auf dich auf! Dieses Mal meinte er es ernst und ich fühlte eine Welle der Erleichterung. Ich lächelte ihm zu. Ich weiß, ich danke dir.

Schon im Nachmittag lichteten sich die Bäume und ließen den Blick frei auf die Gabelung des Egobar. Die zwei Ströme aus Osten und Westen trafen hier in einem riesigen Strom aufeinander. Das Rauschen der aufeinander treffenden Ströme war schon aus weiter Entfernung zu hören. Das Ufer war mit Felsen befestigt und über beide Adern verliefen vierzig Fuß lange Brücken. Auf der anderen Seite erkannte man ein kleines Dorf mit einem Hafen, in dem Fischer ihre Waren in Boote verluden. An den Ufern saßen Angler und fischten einen Fisch nach dem anderen. Doch sie mussten vorsichtig sein, denn wenn man in die reißende Strömung fiel, war man verloren. Sie war so stark, dass selbst der beste Schwimmer nicht gegen sie ankommen würde. Es gab Gerüchte das die Mitte der Strömung eine Tiefe von gut hundert Fuß haben soll und dort Wasserwesen hausen die unachtsame Fischer in die Tiefe zogen oder Boote zum kentern brachten.

Die Bäume um die Flussgabelung waren grün und standen in voller Blüte, das Gras war saftig und auf den Wiesen grasten Kühe, Schafe und Pferde. Aus dem Dorf wehte der Geruch nach frischem Brot und Blumen und man konnte Musik vernehmen. Ein idyllisches Fischerörtchen, welches durch den Handel auf der Hauptflussader und dem üppigen Nahrungsangebot der Gegend fröhliche Bewohner hervorbrachte. Ich konnte mir gut vorstellen mich hier irgendwann nieder zu lassen. Doch das würde wohl nie passieren.

Das laute Gurgeln des Flusses und das Plätschern an den Felsen waren beruhigend. Wir hielten am Rande des Waldes und sahen uns um. „Ist schon sehr einladend, nicht wahr?“ Daimien sah sich mit zusammen gekniffenen Augen um. „Ja, wenn der Regen endlich aufhören würde, wäre es hier noch schöner!“ Roan hatte seine schlechte Laune wieder gefunden, ein Zeichen das er sich langsam erholte. „Wir müssen an einer anderen Stelle über den Fluss kommen. Wenn wir über die Brücke reiten, fallen wir sofort auf.“ Ich stimmte ihm im Stillen zu. Joan wendete ihr Pferd. „Ich kenne einen Weg!“ Damit folgten wir ihr wieder zurück in den Wald. Ich fühlte mich die ganze Zeit beobachtet und sah mich um. Die Bäume standen teilweise so dicht, dass sich Spione einfach dahinter hätten verstecken können. Doch ich spürte die Gefahr eher von oben. Mit einem Blick in das dichte Blätterdach, war aber auch da nichts zu sehen. Ich ließ meine Sinne wieder frei und tastete die Umgebung ab. Doch es war nichts zu finden.

Frustriert ritt ich stoisch hinter Joan hinterher und folgte ihr auf dem schmalen Pfad den sie eingeschlagen hatte. Hinter mir hörte ich die dumpfen Hufe auf dem Moos der anderen und parallel den Fluss. „Wo gedenkst du denn diesen reißenden Strom zu überwinden?“ fragte ich nun doch etwas beunruhigt. Joan sah sich nicht um als sie mir antwortete. „Wir reiten direkt durch ihn hindurch!“ „Was hat sie gesagt? Sagte sie gerade sie will durch ihn hindurch reiten?“ Roan´s entrüstete Stimme hörte ich sogar von ganz hinten. Doch ohne weitere Fragen stellen zu können hielt die dunkle Schönheit auf einer Lichtung direkt an der Flussböschung an. Wir sammelten uns um sie herum und sahen auf das wild strömende Nass. An dieser Stelle war der Fluss nicht ganz so breit, doch durch die Verengung strömte das Wasser umso schneller. Schweigend starrten wir sie an. Joan schwang sich elegant vom Pferd und trat an die Böschung. „Bist du dir sicher dass das funktioniert?“ fragte nun auch Rathiel, der sich skeptisch umsah. Sie drehte sich noch kurz zu uns um mit einem wissenden Blick und watete von der flachen Böschung aus die ersten Schritte durch das Wasser.

Konzentriert setzte sie einen Fuß nach dem anderen. Das Wasser reichte ihr von den Knöcheln bis zur Mitte des Flusses dann bis zu den Knien. Ihr Pferd tat es ihr gleich. Es war nicht dumm, es wusste wenn es nur einen Fehltritt machen würde, würde es von der reißenden Strömung fortgespült werden. Als Joan sicher auf der anderen Seite die Böschung erklomm, saß ich ab und tat es ihr gleich. Erst an der Kante erkannte ich die in dem tiefen Fluss flachen Felsen eingelassen waren die es einem ermöglichte bei vorsichtigem Betreten auf die andere Seite zu gelangen ohne mitgerissen zu werden. „Sie genau hin mein Lieber, sei vorsichtig, sonst sind wir beide tot!“ Reijkjon schnaubte missmutig folgte mir aber brav. Selbst im knöchelhohen Wasser konnte ich die enorme Kraft des eiskalten Wassers durch meine Stiefel spüren. Die Steine waren sehr rutschig und ich musste mich arg konzentrieren nicht abzurutschen. Der Fluss unter mir und der niederprasselnde Regen verschwammen zu einem nassen Kokon. Regentropfen fielen vom Rand meiner Kapuze in die Augen und erschwerten die Sicht. In der Mitte des Flusses wo es am tiefsten wurde, wurde es noch anstrengender sich auf den Beinen zu halten, doch mit etwas Glück und Geschick, hatte auch ich die andere Uferseite erklommen. Wärend sich Rathiel auf dem Weg machte, lobte ich den schwarzen Friesenhengst ausgiebig, der mich stolz auf sich selber anschnaubte und seine Mähne schüttelte.

Rathiel, Daimien und Roan meisterten ebenso die tückische Überquerung. Bei Alec machte ich mir aber etwas Sorgen, sein Geist war teilweise immer noch vernebelt von dem Weinbrand und der anhaltende Regen machte die Sache auch nicht besser. Dadurch dass schon fünf Reiter die nasse Böschung genutzt hatten, war diese ausgetreten und rutschig geworden. Ich hoffte dass er es sicher schaffen würde. Alec, konzentriere dich. Ich will dich nicht aus diesem Strom rausangeln müssen! – Kein Problem Prinzessin, dein Ritter kommt zu dir um dich zu beschützen. Ich hörte Rathiel stöhnen und sah dass er mit dem Kopf schüttelte. Quatsch nicht, sondern komm! War sein einziger Kommentar dazu. Auf dem Pferd hatte er sich noch gut gehalten, doch jetzt auf seinen eigenen Beinen schwank er doch noch ziemlich. Das schafft er nicht! Fieberhaft überlegte ich wie ich ihm helfen konnte. Doch das einzige was mir einfiel war mehr als gefährlich. „Alec, setzt dich wieder auf dein Pferd!“ Befahl ich ihm. Dieser sah mich verdutzt an, nickte abfällig und schwang sich wieder auf seinen Rappen. Ich konzentrierte mich auf das Tier. Es war angespannt und nervös, doch ich schaffte es ihn zu beruhigen und ihn dazu zu bringen vorsichtig einen Huf vor den anderen zu setzten. Alec halte dich bloß gut fest! Ermahnte ich ihn.

Zwei Drittel des Weges waren geschafft, als plötzlich ein Fasan aus dem Gebüsch mit lautem Gegacker geflogen kam und sich das Pferd erschrocken vertrat. Er fand sein Gleichgewicht zwar schnell wieder, aber Alec, nicht damit rechnend, rutschte aus dem nassen Sattel und fiel in die Strömung. Sofort wurde Alec von der Strömung mitgerissen und flussabwärts getragen. Fluchend schwang ich mich in Reijkjon´s Sattel und galoppierte am Ufer entlang dem um sich schlagenden Ertrinkenden hinterher. Meine Gedanken rasten, als ich den Baum sah der quer bis zur Mitte über den Fluss ragte, trieb ich den Hengst weiter an. Er hatte mein Ziel ebenfalls entdeckt und raste über den modrigen Boden. Alec versuchte sich fieberhaft über Wasser zu halten, doch durch die Strömung und die vielen Unterwasserwirbel, wurde er jedes Mal unter Wasser gezogen. Ich schrie seinen Namen, als ich von Reijkjon´s Rücken rutschte und mit wenigen Sätzen auf dem Baumstamm landete. Alec kam direkt auf mich zu. Ich legte mich auf den rutschigen Stamm, klammerte mich mit den Beinen fest und ließ mich mit beiden Armen zu Alec hinunter hängen. Dieser sah mich, und streckte mir seinen Arm entgegen. Doch kurz bevor er mich erreichte, wurde er nach unten gezogen und sein Hand verschwand unter Wasser. Einem Instinkt folgend, lockerte ich den Griff meiner Beine, ließ mich etwas tiefer fallen und griff in das Wasser.

Zu meinem Glück bekam ich Alec´s Arm zu fassen. Mit einem Ruck hielt ich ihn auf und sein Gewicht zog an mir. Verzweifelt klammerte er sich an meine Arme, wärend ich versuchte ihn herauszuziehen. Doch eine Welle schwappte über seinen Kopf und ich spürte dass er ohnmächtig wurde. Fluchend versuchte ich ihn mit aller Kraft aus dem Wasser zu ziehen, doch die Strömung war zu stark. Plötzlich fasste ein weiterer Arm nach Alec. Mit einem Blick zur Seite erkannte ich Rathiel, der sich behände an dem Baumstamm geklammert hatte und wir gemeinsam den ertrinkenden Trunkenbold aus dem Fluss zogen. Unter größter Anstrengung und nach Luft ringend, schaffte ich es mit Rathiel den bewusstlosen Alec aus dem Wasser und an das Ufer zu ziehen. Endlich wieder festen Boden unter den Füßen, legten wir Alec auf die Erde. Er atmete nicht mehr. Fluchend begann ich eine Herzdruckmassage, legte seinen Kopf in den Nacken und beatmete ihn. Es brauchte mehrere Anläufe, aber nach einem beherzteren Schlag auf seine Brust, krümmte er sich und spukte Wasser. Hustend und keuchend, drehte er sich auf die Seite um wieder zu Atem zu kommen. Ich setzte mich ebenfalls keuchend auf den schlammigen Boden, erschöpft aber glücklich. Rathiel dagegen stand unbeirrt neben mir und ich nickte ihm dankend zu. Ich danke dir Rathiel. Er verzog seine Miene zu einem abwertenden spöttischen Grinsen und ging kopfschüttelnd zu seinem Pferd zurück. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich die Schnapsdrossel verdienterweise ersaufen lassen. Ich konnte nichts erwidern, denn die anderen stießen gerade zu uns, als Alec sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. „Geht es ihm gut?“ fragte Daimien ebenfalls genervt. „Ja mir geht es gut, danke der Nachfrage!“ Alec´s Stimme war immer noch etwas kratzig, aber sein Spott war wieder da. „Dann wieder rauf aufs Pferd, wir haben eh schon genug Zeit verloren!“ Rathiel wendete seinen Schimmel und ritt los.

Ich half Alec beim Aufstehen und reichte ihm die Zügel seines Rappen. Dieser stupste ihn aufmuntern an. Ich versetzte Alec einen harten Schlag auf den Arm, den er mit einem „Au!“ quittierte. „Wofür war der denn?“ Wütend und erleichtert stieg ich auf Reijkjon der schon ungeduldig mit den Hufen scharrte. „Dafür dass du so ein Trunkenbold bist und mich so erschreckt hast!“ Ich wendete den schwarzen Hengst und trieb ihn in den Galopp um die anderen einzuholen. Alec tat es mir gleich und ritt bis Destal schweigend neben mir her. Ich hoffe er hatte seine Lektion gelernt.

 

 

 

Der Botschafter

 

Bis zum Abend schafften wir noch ein ganzes Stück Strecke und schlugen unser Lager auf einem Klippenvorsprung auf. Der Regen hatte nachgelassen und die Wolkendecke hatte sich gelockert. Mit den letzten Strahlen der untergehenden Sonne konnte man die Ruinen von Destal durch die Baumwipfel erkennen. Und weiter hinten, fern am Horizont die nahende Wüste. Geschützt mit der Felswand im Rücken und der Schlucht mit einem tollen Ausblick vor uns, machten wir ein Feuer und trockneten unsere nassen Kleider. Das dichte Blätterdach über uns würde uns vor weiterem Regen schützen und die Wärme des Feuers speichern. Nachdem die Pferde versorgt waren und zufrieden an ihrem Gras fraßen, setzten wir uns um das Feuer und genossen die trocknende Wärme . An sich mochte ich den Regen, aber wenn man den ganzen Tag durchnässt und durch Dauerregen ritt, wurde es irgendwann ungemütlich. Ich genoss das Elbenbrot, welches nie schlecht wurde und etwas Trockenfleisch, wärend die anderen sich ihren Dingen zuwendeten.

Satt und zufrieden, kuschelte ich mich in meinen Mantel und genoss die so selten gewordenen ruhigen Minuten. An einen Stein gelehnt und die nackten Füße von mich gestreckt genoss ich den Ausblick und die Stille. Bis auf ein paar Vögel, das knisternde Feuer und das Schnauben der Pferde war nichts zu hören. Alec setzte sich immer noch etwas beschämt zu mir und starrte in das lodernde Feuer. „Es tut mir Leid!“ Brach es nach kurzem Schweigen aus ihm heraus. Ich sah ihn von der Seite an und bestaunte wieder einmal sein gutaussehendes Antlitz. Seine markanten Gesichtszüge, die breiten kräftigen Schultern, der starke Bizeps der sich durch das Hemd abzeichnete und diese grünen Augen in denen sich die Flammen spiegelten. Er sah mich an und in seinem Blick sah ich aufrichtige Reue. Wir saßen direkt nebeneinander, unsere Schultern berührten sich und sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt.

Ihn still beobachtend hatte ich nicht bemerkt dass ich ihn anstarrte und so schenkte er mir eines seines arrogant spöttischen Lächeln. „Ich wollte mich eigentlich entschuldigen dass ich so ein Idiot war, aber anscheint hast du grad anderes im Kopf!“ Ich sammelte mich und sah ihn wütend an. „Du solltest dich auch entschuldigen, du hättest umkommen können und ich vielleicht auch bei dem Versuch dich zu retten“. Ich drehte meinen Kopf weg, ich wollte nicht dass er meine Tränen sah. Um mich anderweitig zu beschäftigen kramte ich in meiner Tasche nach dem kleinen Buch. Alec griff meinen Arm, drehte mich zu sich um und sah mir fest in meine Tränen verschleierten Augen. „Es tut mir wirklich leid!“ Verloren in seinem Blick und mit rasendem Herzen zog er mein Gesicht näher an das seine und küsste mich. Sanft und leidenschaftlich lagen seine Lippen auf den meinen und wie elektrisiert prickelte meine ganze Haut. Mein Herz raste wie wild und mein Körper stand in Flammen. Ich erwiderte seinen Kuss, selbst überrascht, heftig und fuhr mit meiner Hand durch seine Haare. Eng an ihn geschmiegt, zog er mich auf seinen Schoß und erwiderte genauso heftig meinen Kuss. Seine Hände glitten von meinen Hüften auf meinen Hintern und zogen mich noch enger an sich. Sein erregiertes Glied drückte sich durch die Hose gegen meine empfindliche Mitte und als er mir sanft auf die Lippe biss konnte ich ein leises Stöhnen nicht unterdrücken.

Völlig außer Atem ließen wir kurz voneinander ab um Luft zu holen. In seinen Augen brannte dasselbe Feuer wie in meinem Herzen und wenn Daimien nicht räuspernd auf sich aufmerksam gemacht hätte, hätten wir wohl vor den Augen der anderen gefickt. Verlegen sah ich meine Gefährten an und murmelte ein „Entschuldigung!“ Rathiel sah weg, als ich seinen Blick suchte. Er stand auf und verschwand im Wald. Er tat mir Leid, denn ich dachte auch immer das wir Seelenverwandte waren und irgendwann auch mal Vereinte werden würde, doch das Schicksal ist grausam und damit mussten wir umgehen.

Wieder etwas beruhigt setzte ich mich wieder neben Alec und genoss die Sterne die sich gerade am Firmament erhellt hatten. Daimien spielte mit seinem Frettchen, Joan las etwas abseits von uns in ihren Büchern und Roan hatte sich schon zum Schlafen hingelegt. Seitdem wir losgeritten waren, hatte er nicht einmal wieder seine Bierkrüge angefasst. Doch ich durfte mir wegen ihm nicht den Kopf zerbrechen, er würde irgendwann über den Verlust hinweg kommen. Aber wem lügte ich schon was vor, ich kam ja selbst nicht einmal über Sina´s Tod hinweg, geschweige denn über den des Wolfes. Ich wollte nicht weiter drüber nachdenken und richtete mich wieder an Alec. „Sag Alec, wie ist das mit der Narbe passiert?“ deutete ich auf sein Gesicht. Überrascht dass ich ihn deswegen fragte, überlegte er kurz, wurde rot und wank ab. „Ich glaube nicht dass du die Geschichte hören möchtest!“ Nun noch neugieriger geworden hakte ich nach. „Hast du etwas was zu verbergen?“ Seufzend gab er auf. „Na gut, aber du wirst danach ein ganz anderes Bild von mir haben!“ Ich zuckte nur mit den Schultern. „Lass mal sehen, das muss irgendwann vor vier Jahren gewesen sein, da war ich gerade fünfundzwanzig geworden. Da wollte ich mit ein paar Kumpeln in einer der vielen Freudenhäuser in Ankersheim feiern gehen. Nun ja ich bin nicht nur mit einer nach Hause gegangen sondern mit gleich vieren.“ Ich schnaubte. „Als wenn du mit vier Weibern klar kommen würdest!“ Schalte ich ihn. Er sah mich abschätzend von der Seite an. „Unterschätze mich nicht, ich hab noch viel mehr drauf als das was wir in Elindur gemacht haben!“ Ich lief puterrot an. Wirklich? Vor den anderen? Fragte ich ihn. Er lehnte sich etwas großspurig zurück und legte einen Arm um mich. „Ja das muss sein. Auf jeden Fall nachdem ich die erste harte durchgefick…“. „Stopp! Bitte keine Einzelheiten!“ Er hob abwehrend die Hände. „Na gut, ich dachte unser lieber Daimien hätte auch Interesse was vom Meister zu lernen!“

Daimien sah von seinem Frettchen aus zu Alec hinüber und antwortete mit seiner rauen Stimme. „Du sprichst gerade mit dem Meister, Jungchen!“ Alec lachte gespielt empört auf und ich musste grinsen. Ja mit Daimien rechnet man vielleicht nicht, aber er zog die Frauen an wie das Licht die Motten. Nur war er schon deutlich älter und erwachsener als das er damit angeben würde. „Nun ja, die Damen waren friedlich eingeschlafen und ich machte mich aus dem Staub. Natürlich ohne zu bezahlen, damals war ich davon ausgegangen das meine Liebeskünste Bezahlung genug wären. Na ja, da hatte ich leider die Rechnung ohne den Aufseher gemacht der uns gefolgt war und vor meiner Haustür gewartet hatte. Als der spitz bekam das ich meine Zeche prellen wollte, zog er mir ein Messer durchs Gesicht und hätte mich wahrscheinlich noch aufgeschlitzt, wenn ich ihn nicht in seine Kronjuwelen getreten hätte. Wahrscheinlich wollte er mir eine Lektion erteilen und mein anziehendes Äußeres zu verunstalten, aber wie sich herausgestellt hatte, macht mich diese Narbe noch unwiderstehlicher.“

Ich verdrehte die Augen als er da so selbstverliebt saß und stand auf. Daimien lachte und fing an eine seiner Frauengeschichten zu erzählen, wärend ich mich auf die Suche nach Rathiel machte. Er gefiel mir seit ein paar Tagen nicht, etwas stimmte nicht und ich musste herausfinden was genau. Ihn zu finden war leicht, mal abgesehen davon das er sich keine Mühe gemacht hatte sich zu verstecken. Er saß auf einem Ast mit dem Rücken am Stamm gelehnt und kaute auf einem Grashalm herum. Ich kletterte zu ihm hoch und setzte mich rittlings vor ihm auf den Ast. Erst sah er durch mich hindurch, in Gedanken vertieft. Als er mich sah strahlten seine Augen kurz auf, bis sie sich wieder verdunkelten. „Hey!“ begrüßte ich ihn. Mein strahlendes Lächeln war anscheint so ansteckend, das er von seiner grüblerischen Miene absah und zurück lächelte. „Hey!“ „Was ist los Rathiel? Du bist seit ein paar Tagen so gedankenverloren!“ Traurigkeit verschleierte seinen Blick und ich ahnte weswegen. „Erst Azul und Idun und dann auch noch Sina. Wie viele müssen noch sterben auf unserer Reise?“ Ich nahm seine Hand welche er in seinen Schoß gelegt hatte und legte sie mir an die Wange wie ich es schon früher gemacht hatte, wenn ich versuchte ihn zu trösten.

Sein trauriger Blick tat mir in der Seele weh und auch mich trösteten seine Wärme und sein typischer Geruch nach Erde, Wildwiese und etwas was ich nicht bestimmen konnte. Er streckte seinen anderen Arm aus und zog mich mit Leichtigkeit zu sich bis mein Kopf auf seiner Brust lag. Die Beine übereinander gelegt und in einer innigen Umarmung vertieft saßen wir da. Es tat gut seine Arme um mich zu spüren, seine Lippen auf meinem Kopf und das Klopfen seines Herzens an meinem Ohr. Ich wüsste nicht was ich ohne ihn machen würde. Ich spürte aber dass etwas anderes nicht stimmte. Aus der Umarmung lösend richtete ich mich auf und sah ihn direkt in die Augen. Doch er schüttelte nur mit dem Kopf und wich meinem Blick aus. „Es ist nichts!“ Mit schräg gelegtem Kopf sah ich ihn nur ernst an und durchforstete seine Gedanken. Bitte lass das! Ermahnte er mich schwach. Tut mir Leid, Rathiel, aber wenn du mir nicht sagen willst was los ist, dann muss ich es wohl oder übel selbst herausfinden! Widerwillig zeigte er mir das Bild von mir und Alec wie wir uns küssten. Ich wusste dass er noch nicht über mich hinweg war. Aber war ich das denn? Auch er sah in meine Gedanken und fairerweise ließ ich ihn. Ich zeigte ihm meine liebsten Erinnerungen an unsere Zeit. Und so saßen wir dort auf dem Ast und schwelgten in alten Zeiten.

„Wollt ihr da oben Wurzeln schlagen?“ Daimien´s Stimme riss uns aus unserer Trance. Ich lächelte zu ihm herunter und streckte ihm die Zunge raus. „Ach warum nicht!“ Er schüttelte nur den Kopf und ging wieder. „Wir sollten langsam wieder zurückgehen!“ Er nickte nur und schwang sich zuerst von dem Ast. Mit einer geschmeidigen Bewegung und ohne große Mühen landete er auf dem weichen Waldboden. Ich tat es ihm gleich und knickte bei der Landung weg. Sofort fing er mich auf. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt und für einen Moment stand die Welt wieder still. Das leichte Rauschen des Windes in den Bäumen und das Singen der letzten Vögel nahmen wir gar nicht mehr war. Sein Blick wanderte von meinen Augen zu meinen Lippen, die ich unweigerlich öffnete, bereit für einen Kuss. Doch dieses Mal war er es der sich abwand und ging. Durchatmend folgte ich ihm, enttäuscht und gleichzeitig erleichtert. Dieses Gefühlschaos würde mir irgendwann zum Verhängnis werden.

Die Nacht am Feuer war kurz aber erholsam. Wir ritten noch vor Sonnenaufgang los das wir Destal noch vor dem Abend erreichen wollten. Die Stimmung war ganz gut. Entspannt und zufrieden, dass wir einmal ohne Störungen unseren Weg fortsetzen konnten, bahnten sich unsere Pferde einen Weg über den felsigen Abhang und den dichten Wald. Immer die Turmspitze der verfallenen Ruine im Auge behaltend kamen wir über den Tag ohne Probleme zu unserem Ziel. Nach einer kurzen Rast zur Mittagszeit, ritten wir zügig bis zum Abend durch. Der dichte Laubwald endete an einem Kieselsteinufer dessen Nebenarm des Egobar sich durch die Waldlandschaft schlängelte und der Grund gewesen sein wird weswegen man Destal hier erbaut hatte. Die noch übrig geblieben Burganlage war eher im orientalischen Stil erbaut worden. Anstatt der üblichen Zinnen, zierten Kuppeldächer die Türme. Runde Torbögen mit geschnörkelten Verzierungen wurden in den grauen Stein gehauen. Obelisken und Voluten zierten Mauern und Gänge. Die in einen Hang erbaute Burganlage war bereits zerfallen. Das einzige was noch stand waren die beiden Türme die an beiden Seiten des Flusses die steinerne Brücke stützen die sie verband. Ein paar ehemalige Wohnhäuser vor und hinter den Türmen waren noch erhalten, doch sie erstrahlten schon lange nicht mehr in der alten Pracht wie vor hundert Jahren. Ich hatte Bilder gesehen wie Destal früher einmal aussah. Eine schwebende Burg, wie aus dem Fels gehauen und über den Fluss gespannt, geschmückt mit Statuen, weiß verputztem Mauerwerk und Gold glänzenden Kuppeldächern. Die Mauern waren mit aus bunten Steinen zusammen gesetzten Bildern der Flora und Fauna der Gegend geschmückt und überall hingen Kästen mit unzähligen bunten und üppigen Blumen. Der Fischhandel hatte sie damals reich gemacht, bis irgendwann die Handelsrouten umgelegt wurden und die Burg nach und nach verfiel.

Jetzt versteckten sich hier Abtrünnige, Piraten oder jene, wie wir, die ungesehen bleiben wollen. Hier herrscht auch das unausgesprochene Gesetzt das niemand niemanden sah. Es war ein Ort um kurz zu verweilen und dann wieder zu verschwinden. Wärend die Hufe über den nassen Kies knirschten trauerte ich dem alten Glanz der Burg hinterher und suchte uns einen Platz für die Nacht. Ich entschloss mich für eine überdachte Terrasse weiter oben am Hang. Von dort hatte man einen guten Überblick. Die Wüstengrenze war zum Greifen nah. Der Wald dünnte ab hier stark aus und wurde felsiger bis er in den Sand verlief. Unser nächstes Ziel würde Mogul sein, die größte Oase in ganz Jackar, in der Joan aufgewachsen war. Ich wusste dass ihre Eltern gut betucht waren und freute mich auf ein wenig Luxus nach den restlichen Wochen.

Wärend Joan ein Feuer gemacht und wir uns um unsere Pferde gekümmert hatten. Nahm ich mir endlich das blaue Buch zur Hand. Seitdem wir aus Elindur geritten waren, hatte ich noch keine Möglichkeit gehabt es zu lesen. Daimien und Alec wollten sich ein wenig umsehen, Rathiel hatte sich zum Faulenzen an das Feuer gelegt und Joan hatte sich mal wieder in ihre Bücher vertieft. An meinen Sattel gelehnt und auf den Mantel gesetzt schlug ich die ersten Seiten auf die in der Drachenschrift geschrieben standen:

Wer auch immer auf der Suche nach dem Stein ist, dem sei bewusst, dass er das Reich der Toten niemals verlassen wird. War der letzte Satz den ich gelesen und der mir einen Schauer über den Rücken hat laufen gelassen hatte. Die nächsten Einträge waren wie ein Tagebuch geschrieben. Sie beschrieben den Weg den Salomon vom südlichsten Teil des Königreiches genommen hatte bis über Theron von der er als Stadt des Wissens und der Diebe schrieb. Bis hin zu den kleineren Dörfern über Elindur, Ankersheim und den Erebor. Er sprach von den Zwergen, dem damaligen König Windir der mit Hilfe Morowin´s die Festen und Garnisonen der Eisenberge erbaute und von den Wundern Destal´s sprach. Vieles überflog ich nur, wenn er über bestimmte Gewürze, Farben philosophierte oder den orientalischen Frauen sprach. Ein Eintrag aus Elindur gefiel mir sehr gut.

06. September der Mondsonnenwende – Mondlichterfest Elindur

Diese Elben sind schon bemerkenswerte Wesen. So erhaben, über alles stehend und doch so harmonisch mit der Natur. Diesen Spleen kein Fleisch zu essen da Tiere heilig sind, verstand ich nicht. Es gab doch nichts Schöneres als ein schön saftig gebratenes Steak vom Rind, aber gut wenn ich das König Athrandiel erzählen würde, würde er mich wahrscheinlich solange mit meinem eigenen Fleisch füttern, bis es mir verginge. So ließ ich es dabei bleiben und genieße gerade die Zeremonie des Mondlichterfestes. Dieser auserwählte gut aussehende Mann kann sich geehrt fühlen dass er der nächste Wächter wird. Wobei er wahrscheinlich einer der Letzten sein wird in diesem Jahrhundert. Die letzten vereinzelten Aufstände dürften bald unterdrückt sein und es kann endlich Frieden herrschen in diesem gebeutelten Land. Er beschrieb die Zeremonie in allen Einzelheiten und ich fühlte mich zurück versetzt in meiner Zeremonie. Den Rest überflog ich, die Feier war bunt und ausgelassen und voller Frieden. Doch eine Bemerkung machte mich stutzig. Er schrieb die nachfolgende Mutprobe die jeder neue Wächter bestehen muss, die Auswahl seines Drachen. Anscheind gab es früher noch eine Menge davon, er schrieb:

Natürlich war es uns Außenstehenden verboten mit zu den Drachenhöhlen zu kommen, aber sie mussten weiter westlich liegen. Der Weg dahin war laut Erzählungen schwer ersichtlich, voller Dornen und endete an einer tiefen Felsspalte mitten im Wald. Dort müssen die angehenden Wächter hinunter klettern und sich den dort lebenden Drachen stellen. Wenn sich ein Drache gefunden hat, müssen sie miteinander kämpfen und das Band schließen. Wie genau diese Verbindung von statten gehen soll das bleibt wohl ein Geheimnis, aber ich kann sagen das der junge Mann, Abkömmling der fast ausgestorbenen königlichen Ahnenreihe der Lanzherren, Ragnar Lanzherr, ein würdiger Drachenreiter werden wird. Und er kam mit einem imposanten Tier, einem goldenen riesigen Drachen. Lange hatte ich ihn nicht gesehen, denn das Training wartete.

Ich legte das Buch kurz zur Seite, denn es lief mir ein eisiger Schauer über den Rücken. Ragnar Lanzherr. Der Name sagte mir tatsächlich was. Aus den Büchern der Abtei hatte ich über Geschichten, Drachenreiter und Wächter Ragnar Lanzherr gehört, der als letzter seiner Art gegen die Albae gekämpft hatte und so den Frieden in das Land brachte. Er hatte geheiratet und auch Kinder bekommen. Doch sie starben alle im Alter von drei Jahren und so blieb der König ohne Thronfolger. Man munkelte zwar auch dass er ein Verhältnis mit der damaligen Elbenprinzessin hatte, aber es gab nie Beweise. Nur vielleicht das sie auf unerklärliche Weise verschwand. Ich zog meine goldene Drachenschuppe aus meinem Beutel und betrachtete den goldenen Schimmer. Ein goldener Drache soll es gewesen sein, vielleicht der den ich getroffen hatte? Sie fühlte sich warm in meiner Hand und für einen kurzen Augenblick dachte ich die Augen des Tieres aufblitzen zu sehen. Doch so schnell wie es gekommen war, genauso schnell verschwand dieser Augenblick.

Ich legte sie wieder zurück und nahm das Buch abermals in die Hand. Ich suchte nach Hinweisen für den Ort Moria und auch am besten wie man das Artefakt finden kann. Wiedermal überflog ich die Seiten und blieb bei einem Eintrag zwei Monate später hängen:

10. November der Mondsonnenwende – Mogul, Perle der Wüste

Hier in Mogul ist alles einfach größer und bunter. Ich war in vielen Oasen gewesen auf meiner Reise durch Jackar, doch Mogul vermittelt einem das Gefühl in einer Großstadt zu sein. Von den vielen großen Gärten bis hin zu den unzähligen Basaren, den weißen Häusern, den prunkvollen Menschen und den riesigen Märkten in denen man allerhand Zeug erwerben kann. Ich bin eigentlich hier um einen guten Freund zu treffen. Wir hatten uns Jahre lang nicht gesehen und wir hatten uns per Taube für den heutigen Abend verabredet.

Er schrieb über den schönen Tag den er in Mogul verbrachte, was er alles gesehen, gegessen und gemacht hatte und kam am Abend zu seinem Freund, einem Gelehrten nach seiner Beschreibung zu Urteilen.

Kamir mein alter Freund hatte es sich wirklich schön zu Hause gemacht. Seine Frau war eine Schönheit und seine Kinder einfach nur reizend. Wärend wir uns bei einer Wasserpfeife und Datteln auf dem bunten Teppich und Kissen bequem gemacht hatten, erzählte er mir von seinen Reisen quer durch die Wüste. Von den Kamelkarawanen, den Sandstürmen, Händler, Dieben, den Nomaden und auch von einer geheimen Bibliothek die versteckt unter dem Sand liegen soll. Ich hatte ihn gefragt ob er zu viel von seinem eigenen Tabak geraucht hätte, aber er versicherte mir dass es sie gibt. Sein ältester Sohn war ebenfalls Gelehrter und entdeckte dieses Wunder zufällig als er in einen Sandsturm kam und auf einen eingesunkenen Turm traf. Neugierig wie er war, war er hinein geklettert und fand eine riesige unterirdische Bibliothek. Wissen über Jahrtausende gesammelte und auch Schriften und Prophezeiungen die die Zukunft beschrieben.

Als ich ihn fragt wo dieses Wunder sei, schüttelte er nur mit dem Kopf. Sein Sohn könne es ihm nicht sagen, der Wächter der das Wissen bewachte hatte es ihm strikt verboten, sonst würde er ihn dafür töten. Etwas enttäuscht war er schon, aber eine ungefähre Richtung konnte er uns angeben. Angeblich soll die Bibliothek östlich Mogul´s liegen, nur wenige Tage von der Grenze der Albae entfernt. Nun wahrscheinlich werde ich mich auf die Suche machen nach diesem Wunder.

Weitere Einträge beschrieben seine Reise bis dahin, auch er war in einen Sandsturm gelangt und hätte diesen ominösen Turm gefunden, aber auch er schrieb nichts weiter über die Bibliothek. Das einzige was er zu beschreiben versuchte war: dieses Weltwunder ist ohne Vergleich. Doch in den falschen Händen der Tod unserer Zivilisation. Der Wächter wird dafür sorgen, sonst wird er sie für immer vernichten. Ich hoffte dass wir diese Bibliothek finden, denn das Buch endete nach zwei weiteren Einträgen in denen er entlang des Albaereich wandelte und die Festung Mask besuchte. Zu der Zeit lebten dort keine Ork´s mehr. Der zweite Eintrag war anscheint der letzte, denn danach blieben die Seiten leer. Der letzte Eintrag war in schiefer und teilweise fast unleserlicher Schrift geschrieben:

Wahrscheinlich Neujahr

Moria gibt es wirklich. Ich habe alle fünf Ebenen erreicht und liege hier, halb tot in einem Raum voller Spiegel. Angeblich erscheint einem das Artefakt wenn man es mit reinem Herzen gesucht hat, doch nun lieg ich hier, sehe mich hundertfach und trauere um die die es ebenfalls versuchen werden. Falls irgendjemand irgendwann dieses Buch finden sollte, sucht nicht nach mir. Moria existiert, ja, doch es ist eindeutig die Stadt der Toten.

Damit endete der Eintrag. Die letzten Worte nur noch mit schwacher Hand geschrieben, ein blutiger Fingerabdruck als letzter Zeuge. Ich blätterte die nächsten Seiten weiter, aber sie waren alle leer. Als ich es schon fast wieder zurücklegen wollte, fiel mir auf das die letzte Seite mit dem Buchrücken verklebt war. Vorsichtig trennte ich die dünne Seite mit meinem Dolch auf und las den Satz der mit fein säuberlicher Schrift, die nicht die Salomon´s war, mittig auf die sonst leere Seite stand:

Für meine Tochter, für die dieses Buch letztendlich bestimmt ist und sich auf die Spuren Salomon´s machen wird, ich bin immer bei dir und werde dir immer zur Seite stehen.

Die Toten sind deine Gabe.

R.L.

Wie versteinert las ich die letzte Seite immer und immer wieder und ich wurde das Gefühl nicht los das diese Worte für mich bestimmt waren. Joan die meinen entsetzten Ausdruck gesehen hatte, saß auf einmal neben mir und sah mir ernst ins Gesicht. „Was steht da drin?“ Das einzige was ich herausbrachte war: „Steht in deinen Büchern irgendetwas zu Ragnar Lanzherr? Oder über seine Tochter?“ Etwas überrascht sah sie mich kurz an nickte dann und ging mit einem: „Ich werde nachsehen!“ „Danke!“ Rathiel der unsere kurze Unterhaltung mitangehört hatte warf einen Blick zu mir. Was hast du gelesen? Ich sah ihn an und flutete ihn mit den Eindrücken und Bildern die mir die Tagebucheinträge vermittelt hatten. Ich sah in seinen Augen dass er die Informationen aufsaugte wie ein Schwamm und das ihm missfiel was uns die bevorstehende Reise bringen wird.

Doch bevor er etwas sagen konnte, kamen Daimien und Alec von ihrer Erkundungstour zurück und sie waren nicht alleine. Ein Grenzwächter der Elben Elindur´s, erkennbar an seiner Tracht, ritt auf einem Schimmel hinter den beiden her. Als er Rathiel sah, saß er sofort ab und verbeugte sich. „Prinz Rathiel, ich bitte euch um Vergebung euch auf eurer Reise so brüsk zu stören, aber ich habe euch traurige Kunde zu bringen.“ Er erhob sich wieder als Rathiel es ihm gleich tat und nickte dann. Der Elb sah uns kurz an und fuhr dann fort. „Unser König Athrandiel, er ist einem Wyrg verfallen welcher durch unser ganzes Königreich überschwemmen.“ Rathiel´s Blick wurde finster und er drehte sich zu mir um. Ich war mittlerweile auch aufgestanden und nickte ihm zu, die Frage in seinen Augen war mehr als ersichtlich. „Du musst zurückkehren und alles regeln, er ist dein Vater!“ Rathiel sah zwischen mir und dem Elben hin und her, drehte sich dann zu mir, nahm mein Gesicht in seine Hände und verabschiedete sich mit einem Kuss. Es fühlte sich an wie ein Abschied für immer und so genoss ich ihn ein letztes Mal. Als er sich von mir löste lief mir eine Träne die Wange hinunter und er schenkte mir ein letztes Lächeln. „Lebe wohl, Ithnir. Das wir uns hoffentlich wieder sehen!“ Damit dreht er sich um und sattelte sein Pferd.

Wie erstarrt beobachtete ich ihn schweigend dabei, wärend die anderen laut über die Entscheidung diskutierten. Doch irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Alec der verzweifelt versuchte in meinen Kopf zu gelangen machte es nicht besser. „Schluss jetzt! Ich weiß es macht es um einiges schwerer, aber wir werden das ohne Rathiel schaffen!“ Ranzte ich die drei an. Rathiel mit seinem Pferd an der Hand entschuldigte sich nochmals bei uns und saß auf, doch bevor sie los ritten reichte ich ihm noch meine Stele. „Du weißt wie sie funktioniert?“ er nickte. „Ich danke dir für dieses wertvolle Geschenk. Ich werde euch bald wieder sehen!“ Ohne einen weiteren Blick zurück, trieben die beiden ihre Pferde vorwärts und ließen uns allein. Solange ich im Geiste mit dir verbunden bin, werde ich nicht aufgeben, bis ich dich eines Tages wieder sehen werde.

 

 

Gremlogg

 

Schnaufend und ihre letzten Kräfte mobilisierend zog sich Mariele von den schlammigen Straßen aus dem Dauerregen in die Ruinen des alten Bauernhauses. Sie hatte zwei Tage gebraucht um den dritten Ring und die umliegenden Lande zu durchqueren ohne auf Albenkrieger oder anderes Gesindel zu treffen. Müde und völlig durchgefroren von den eiskalten Winden des nahenden Winters, schleppte sie sich zur damaligen Feuerstelle. Das ehemalige Bauernhaus war bis auf die Grundfeste niedergebrannt. Etwas vom Dach hatte überlebt und bot wenigstens ein wenig Schutz vor den eisigen Gezeiten. Wie schwarze Gebeine eines verbrannten Tieres, ragte das verkohlte Holzgestell aus dem schlammigen Boden.

In der Hoffnung wenigstens etwas brennbares Holz zu finden, suchte sie mit der bloßen Hand in Schutt, Asche und Holzsplittern. Ein paar wenige Stücke konnte sie ergattern und legte sie in die Öffnung des steinernen Kamins, der das schützende letzte Stück Dach hielt. Mit zittrigen Fingern klaubte sie ihren Feuerstein aus dem Beutel und betete wenigstens einen Funken zu schlagen. Innerlich aufjauchzend gelang es ihr beim dritten Schlag und das bisschen Flachs welches sie sich aus ihrer Decke gezogen hatte brannte lichterloh. Schnell legte sie die wenigen Holzscheite darauf und genoss die anschwellende Wärme. Nachdem sie sich das Feuer sicher wähnte, zog sie ihre nassen Kleider bis auf ihr Unterkleid aus und hing sie so gut es ging zum Trocknen auf. Zu ihrem Glück lag das Bauernhaus hinter einer Wegbiegung versteckt in einem kleinen Wald, so würde das Feuer vorerst unsichtbar bleiben. Durch den eiskalten Regen würde hier wahrscheinlich eh niemand nach ihr suchen. Am ganzen Leib zitternd, klaubte sie ein wenig altes Brot aus ihrem Beutel um ihrem knurrenden Magen wenigstens etwas Einhalt zu bieten. Ihre dünnen Finger zupften ein paar Brotkrumen ab und sie schob sie sich in den ausgedörrten Mund. Wie sollte sie es nur jemals bis nach Ankersheim schaffen. Sie konnte zwar ihre direkte Umgebung „sehen“ durch ihre verbesserte Wahrnehmung und verstärkten Sinne, aber eine herannahende Gefahr würde sie nicht so schnell erkennen können.

Langsam tat das Feuer seine Wirkung und der schmächtige zierliche Körper hörte endlich auf zu zittern. Sie würde die Nacht hier verbringen, sie kannte sich nicht in der Wildnis aus. Sie lebte immer gut behütet in ihrem Bauernhaus oder in den doch komfortablen Unterkünften der Albae. Sie liebte die Natur, doch mehr als ein paar Spaziergänge hatte sie nie in den umliegenden Wäldern verbracht. Jetzt musste sie sich irgendwie zurecht finden. Sie wusste in welche Richtung sie gehen musste und hoffte bei Kaufleuten mitreisen zu dürfen, doch dafür musste sie noch weiter in das nahe Fischerdorf an Destal. Von dort dürfte es ein leichtes sein über den Egobar nach Ankersheim zu kommen. Doch dazu musste sie noch eine kurze Strecke am Rande der Wüste Jackar entlang wo Ork´s ihre Runden drehten. Sie hoffte niemals in die Fänge dieser grobschlächtigen grausamen und schnell aufbringenden Wesen zu gelangen. Sie war noch nie einem begegnet, aber man erzählt sich über sie die wildesten Geschichten. Gremlogg, der Orklord der seine Festung Mask an der östlichen Grenze vom Albaereich nach Jackar erbaut hatte, war ein gewalttätiger aber gerechter Anführer. Für Orkverhältnisse vielleicht schon gütig, aber trotzdem betete sie das sie ihm nie begegnen muss.

Langsam dämmerte es und der Regen hielt an, bevor sie sich aber zur Ruhe legen würde, sah sie sich noch einmal nach etwas Feuerholz um, legte es auf die knisternde Glut und rollte sich in den halbtrockenen Mantel ein, in der Hoffnung das das Feuer die Nacht durchbrennen möge. Ihre Träume die sie am frühen Morgen aufschrecken ließ, waren immer dieselben. Momentaufnahmen wie sie als Kind fröhlich über die damals noch bunten Wiesen gerannt war, sich ihrem Vater in die Arme warf und lachend mit ihrem Hund spielte. Dann der Übergriff der Albae, wie sie mit ihren schwarzen Pferden mit den glutroten Augen das Anwesen stürmten und alles niederrissen, ihr Vater der ihr mit seinen letzten Worten versuchte noch etwas mitzuteilen, doch sie verstand nie was er sagte. Es schien wichtig zu sein, denn er schien es immer zu wiederholen, doch sie verstand ihn beim besten Willen nicht. Doch was ihr jetzt zum ersten Mal auffiel, war das er auf den Kamin zeigte, immer wieder deutete er auf das Gemäuer, bis ihm einer der Albae die Hand abschlug. Dann war es wieder dunkel und der Traum war zu Ende. Keuchend wachte sie auf und lauschte auf ihre Umgebung. Der Regen hatte nachgelassen und das Feuer was ausgebrannt. Sie fröstelte stark und machte sich daran sich wieder ihre noch klammen Kleider anzuziehen.

Nachdem sie ihren Beutel gepackt hatte tastete sie sich zum Kamin und versuchte sich daran zu erinnern worauf ihr Vater damals gezeigt haben könnte. Ihre Finger glitten über den kalten grob behauenden Stein. Stein für Stein suchte sie ab, doch sie fand nichts. Vielleicht im Kamin selber, doch auch da fand sie nach kurzer Suche nichts. Etwas frustriert und traurig wollte sie schon aufgeben, als sie mit ihrer Hand unter den Kaminsims griff und dabei auf einen Hohlraum traf. Vorsichtig tastete sie diesen ab und streifte ein Stück Stoff. Langsam zog sie diesen heraus und wog ihn in der Hand. Es war ein Leinenknäul welches etwas Hartes im Inneren schütze. Mariele wickelte vorsichtig den Gegenstand aus dem Leinentuch und betastete ihn. Es war eine einfache Kette. Auf dem geflochtenen schmalen Lederband war ein Stein aufgezogen. Sie mochte die Farbe nicht erkennen, aber sie spürte sobald sie ihn auf der Haut trug, dass eine große Macht in ihm steckte. Sie war rein und hell. Irgendetwas schien in ihrem Inneren mit dem Stein erwacht zu sein. Sie merkte das ihr ganzer Körper erzitterte und etwas in ihr aufblühte, wie eine Blüte die sich das erste Mal der Sonne entgegen reckte. Etwas erschrocken und verblüfft wog sie den Stein in der Hand und konzentrierte sich auf ihn. Doch sie merkte schnell das es nicht der Stein war der Magie in sich trug, sondern sie selber die Trägerin war. Wie ein Schlüssel hatte das Schmuckstück die bis dahin verborgene Macht erblühen lassen.

Auf einmal konnte sie wieder sehen. Ihre Augenhöhlen zwar immer noch leer, doch an ihrer Stelle war etwas anderes getreten, etwas Besseres, silbern leuchtende Augen, wie sie mit einem schnellen Blick in einer Pfütze erkenne konnte. Glücksgefühle durchströmten sie und Tränen rannen ihr die Wangen hinunter. Egal wem sie dieses Geschenk zu verdanken hatte, sie dankte Gott dass er denjenigen für immer schützen möge. Sie konnte nicht nur Farben, Umrisse, Details erkennen sondern auch Energien und alles Unsichtbare welches ihr sonst verwehrt geblieben wäre. Mit diesen neuen Augen sah sie die Welt in einem anderen Licht. Eigentlich hätte sie die Kette nicht mehr gebraucht, doch sie spürte dass sie ihr noch nützlich sein würde. Immer noch verwundert über ihre Verwandlung und die neue Welt die sie betreten hatte, bemerkte sie die herannahenden Reiter fast zu spät. Noch im letzten Moment nahm sie das Hufgetrappel in dem verschlammten Weg war und versteckte sich hinter dem Kamin.

Wütende Stimmen auf albisch klangen an ihr Ohr. Sie verstand die Sprache nur bruchstückhaft und merkte schnell, dass sie gesucht wurde. Innerlich fluchend machte sie sich so klein und unsichtbar wie sie konnte und wartete hoffnungsvoll. Fliehen konnte sie nicht, sie war zu schmächtig und schwach, sie käme nicht weit. Die Augen fest verschlossen und gegen die aufkeimende Panik ankämpfend konzentrierte sie sich auf sich selber. Erschrocken über die Schritte direkt neben ihr, war sie schon darauf gefasst dass die Albae sie wieder zurück schleppen würden zu ihrem Herren, der sie dann aufs qualvollste foltern würde. Doch nichts dergleichen geschah. Überrascht sah sie auf und direkt in die Augen einer der Albaefährtensucher. Er stand direkt neben ihr und sah auf den Platz hinunter wo sie saß, direkt durch sie hindurch. Verdutzt über diese seltsame Situation blieb sie stock steif und wartete auf eine Reaktion des Alben. „Hier ist sie nicht!“ rief er einem anderen zu. Dieser antwortete ihm genervt und überrascht: „Sie muss hier sein. Das Feuer ist noch warm und vom Lager weg führen keine weiteren Spuren!“ Der zweite Alb kam ebenfalls zu ihr und sah ebenso auf die Stelle wo sie saß. Beiden sahen sich an, drehten sich fluchend um und gingen zurück zu ihren Pferden. Das Hufgeklapper verschwand so schnell wie sie gekommen waren und Mariele konnte aufatmen. Immer noch sehr verwundert stand sie auf. Bei dem Blick in eine große Pfütze erschrak sie heftig. In der Pfütze spiegelten sich der Himmel und die Bäume, doch ihr Gesicht war verschwunden. Mit einem schnellen Blick auf ihre Hände konnte sie aufatmen, die waren noch da. Nur warum sah sahen sie die Albae nicht? Einer Vorahnung vertrauend, schloss sie die Augen und konzentrierte sich wieder auf ihre innere Magie und wünschte sich wieder sichtbar. Mit einem schnellen Blick in die Pfütze atmete sie wieder auf. Sie konnte also nicht nur die Welt mit ihren Adern, Lebewesen, Energien und Geheimnissen sehen, sondern auch sich selber unsichtbar und sichtbar für andere machen. Das würde ihr einen Vorteil bringen, aber wenn sie sich selber noch sehen kann, dann würden es gekonnte Magier auch, sie musste also auch da auf der Hut sein.

Mit etwas mehr Sicherheit atmete sie durch und machte sich auf den Weg Richtung Nord-Westen. Destal müsste ungefähr vier Tage Fußmarsch entfernt sein. So richtete sie ihre Kleider und Gepäck und marschierte los. Immer noch die Welt um sie herum bewundernd hielt sie sich abseits der Hauptwege. Am Ende des Tages fand sie Unterschlupf in einer verlassenen Scheune und machte es sich in dem übrig gebliebenen Stroh gemütlich. Die Wärme tat gut und sie konnte etwas Schlaf nachholen. Wieder weckte sie der Traum, doch dieses Mal verstand sie was ihr Vater die ganze Zeit zu rief. „Mariele, die Kette! Sie wird dich befreien, räche uns!“ Immer und immer wieder, bis das Bild sich auflöste. Schwer atmend wachte sie auf und sah sich erst mal orientierend um. Die Sonne war noch nicht wieder aufgegangen, aber irgendetwas trieb sie vorwärts, sie musste hier weg. Eilig ihre Sachen zusammen packend, lauschte sie in die frühen Morgenstunden hinein, aber es war nichts zu hören.

Als sie sich aus der Scheune schlich, war es noch stockfinster. Die Wintersonne würde erst viel später aufgehen und so hatte sie die Möglichkeit ungesehen und ohne Licht den Weg weiter zu folgen. Ihre Sicht war nicht mehr auf Tageszeiten oder Helligkeit angewiesen und das nutzte sie natürlich zu ihrem Vorteil. Die Angst im Nacken lief sie schnell durch leere Wälder, kahle Felder und eiskalte Bäche. Direkt vor ihr am Horizont konnte sie die Türme Destal´s erkennen und links von ihr die Waldgrenze zu Jackar. Innerlich gaben die Aussichten ihr Hoffnung und sie freute sich bereits darauf in das kleine Fischerdörfchen zu kommen. Endlich im Menschenreich unter ihres Gleichen, doch ihre Augen würde sie wohl verbinden müssen, denn sie waren wie leuchtende Glühwürmchen, das würde sie wahrscheinlich in Schwierigkeiten bringen. So machte sie kurz halt, riss sich ein Stück aus ihrem Kleid und band es um ihre Augen. Ihre Sicht war dadurch nicht behindert, aber sie sah dann eher aus wie eine Blinde als wie eine Irre mit leuchtenden Augen.

Noch wärend sie den Knoten zu zog bemerkt sie einen Umschwung im Gefüge. Plötzlich wurde es eiskalt und sie fröstelte. Ängstlich sah sie sich um, um den Grund herauszufinden und befand sich urplötzlich hängend in einem Netz wieder. Sie war in eine Falle getreten. Unter dem Laub der Bäume mussten Jäger die Netzfalle ausgelegt haben um Wild oder Bären lebendig zu fangen. Vergeblich und in Panik suchte sie in ihrem Beutel nach einem Messer. Doch das kleine Schälmesser, welches sie sich eingepackt hatte, hatte keine Chance die faustdicken Taue zu durchschneiden. Auch konnte sie den Mechanismus nicht finden, der sie oben hielt. Sie musste wohl oder übel darauf warten dass der Fallensteller wieder kam um nach ihr zu sehen. Sie hoffte dass sie von einem Menschen war und nicht von einem Albae, doch es war schlimmer.

Kurz nach Sonnenaufgang, kam Bewegung in den Wald. Sich wild umsehend versuchte sie den Geräuschen auf den Grund zu gehen. Als sie erkannte um wen es sich handelte gefror ihr das Blut in den Adern. Aus ihrer gut sechs Mann hohen Falle konnte sie drei grau grüne Gestalten erkennen. Massige nackte Oberkörper, nur mit einem ledernen Lendenschurz und leichten Stiefeln bekleidet, mit gedrungenen großen Köpfen und riesigen Hauern die aus dem Unterkiefer ragten und rostigen Säbeln und Keulen in der Hand, kamen Ork´s freudig rufend aus dem Wald. Als sie sahen dass sie einen Menschen in der Falle hatten freuten sie sich umso mehr. „Schaut was wir gefangen haben, schaut her!“ Der kleinste und hagerste von den dreien freute sich mit einer eher piepsigen Stimme und sprang von einem Bein aufs andere. „Dann lass uns doch mal sehen was für ein Exemplar wir uns da gefangen haben!“ Der größte hackte mit einer riesigen Machete auf das dicke Seil ein welches das Netz hielt und verborgen hinter einem Baum befestigt war. Mit einem Zischen fiel die Falle gen Boden und Mariele prallte hart auf dem Boden auf, so dass ihr die Luft aus den Lungen gepresst wurde.

Japsend und sich krümmend wand sie sich auf der eiskalten Erde, unfähig sich aus dem schweren Netz zu befreien. Die drei Ork´s begutachteten sie von oben. „Es ist ja blind!“ rief der dünne frustriert aus. „Das macht nichts“, erwiderte der Zweite mit einem dümmlichen Grinsen. „Es reicht als Futter für die Wyrge!“ Die beiden lachten hämisch über ihren tollen Plan, wärend der Dritte sich zu Mariele herunterbeugte und sie genauer betrachtete. Sie musste einen erbärmlichen Eindruck machen. Dürr, dreckig, mit den zerrissenen Kleidern und dazu noch augenscheinlich blind. „Vielleicht wäre es besser sein Leben sofort zu beenden, so wie es ausschaut hält es nicht einmal die nächsten Tage durch!“ Flüsterte er mehr zu sich als zu den anderen. Sein stinkender Atem nach verfaultem rohen Fleisch und Blut, brachte Mariele fast zum Würgen, doch sie hielt dem Blick des Ork´s stand. Dieser etwas verwundert über diesen direkten „Blickkontakt“ richtete sich wieder auf und drehte sich zu seinen beiden Kumpanen um. „Wir nehmen sie mit, sie mag vielleicht noch zu etwas Anderem gut sein als Futter. Holt sie aus dem Netz raus und fesselt sie, dann bringen wir sie zu den anderen. „Der dünne drehte sich zu seinem Anführer verwundert um. „Sie, Merek?“ Ohne ein weiteres Wort ging der Ork namens Merek zurück in den Wald, wo die anderen Gefangenen warteten. Dieser Blick, konnte man es ja eigentlich nicht nennen, irgendwie konnte diese dürre Menschenfrau in ihn hineinsehen. Kopfschüttelnd schalte er sich selber und machte sich wieder an die Arbeit.

Die nächsten Tage verbrachte Mariele damit nicht umgebracht zu werden. Mit weiteren Menschen die in die Fallen der Ork´s getappt waren, eingepfercht in rollende Käfige, wurden sie östlich an der Grenze zum Albaereich transportiert. Den Ork´s war es egal ob die Gefangenen froren, hungerten oder verletzt waren. Sie behandelten sie wie Vieh. Doch Mariele hatte sich irgendwie in das Gedächtnis Merek´s eingebrannt, denn sie spürte des Öfteren wie der große breite Ork zu ihr hinübersah. Nicht wie ein Mann der verliebt eine Frau begutachtete, nein eher wie ein Jäger der ein interessantes Exemplar seiner Beute gefunden, sich aber noch nicht entschieden hatte was er jetzt mit ihr anfangen solle. Sie musste aber auch gestehen, das Merek neben den anderen grobschlächtigen, wirklich hässlichen und angsteinflößenden Kreaturen relativ gut aussah. Eher einem Elben gleich. Was nicht verwunderlich ist da ihre Urahnen Dunkelelben waren, die sich aber weiterentwickelt und mit der Evolution verändert hatten. Er hatte ebenso eine grau grüne Haut, wobei sie bei ihm eher in smaragdgrün überging und nicht in so einem faden gelbgrün. Seine Spitzenohren waren zierlicher, als die der anderen. Sein Gesicht feiner und nicht ganz so klobig. Die unteren Eckzähne traten nicht ganz so enorm aus seinem Mund heraus und auch sonst war er weniger angsteinflößend und ekelerregend. Natürlich aß auch er am Lagerfeuer rohes Fleisch, war genauso, wenn nicht sogar noch brutaler als die anderen, was vielleicht daran lag, weil er eben etwas anders war als die anderen. Doch was ihr am meisten auffiel war, das er Mitgefühl zu haben schien für manche der Gefangenen. Er behandelte sie auch wie Vieh, aber er wollte alle lebendig an den Zielort bringen.

Die meisten Gefangenen waren entweder verletzt, alt oder krank. Doch es waren auch viele junge und kräftige Frauen und Männer dabei, die gesondert in einem anderen Käfig vorne wegfuhren. Keiner sagte etwas in der Zeit wie sie unterwegs waren, denn sobald irgendwer versuchte mit wem zu kommunizieren wurde dieser aus dem Käfig gezogen und landete als Abendessen der Ork´s am Feuer. Deswegen war es in der Karawane sehr ruhig. Bis auf vereinzeltes Wimmern oder Stöhnen der Verletzten und dem Knarren der Holzräder auf dem mittlerweile gefrorenen Untergrund waren nur die Ork´s diejenigen die überhaupt Geräusche machten. Mariele fror in ihren dünnen Kleidern, da half auch der dicke Mantel nichts mehr. So eingepfercht auf engstem Raum mit den Knien an die Brust gezogen in der äußersten Ecke sitzend, hatte sie auch keine Chance sich irgendwie zu wärmen. Nach fünf Tagen, taten ihr die Glieder nicht mehr weh, sondern sie waren komplett taub. Sie wurde immer abwesender und verkroch sich immer öfter geistig in sich selber und forschte in ihrer Energie. Sie lernte viel in dieser Zeit über sich selber und die Wesen um sie herum. Sie konnte sie nicht nur sehen, sondern auch ihre physischen und psychischen Zustände erkennen. Sie konnte das Blut in den Adern eines Jeden um sie herum sehen und hören, die Auren strahlten ihr entgegen und auch ihre Stimmungen konnte sie wahrnehmen. Bei den Minderbemittelten Ork´s konnte sie sogar zeitweise das Verhalten und die Stimmung einzelner manipulieren und so arbeitete sie an einem Plan zur Flucht.

Nach sieben Tagen belauschte sie am Abend am Lagerfeuer ein Gespräch zwischen Merek und einem anderen Orkanführer. Sie konzentrierte sich des Öfteren auf ihn, denn irgendetwas zog sie zu ihm hin und es fiel ihr leicht seine Gegenwart zu orten und ihn zu beobachten. In dem Gespräch ging es wohl darum das sie am morgigen Tag in Mask ankommen würden. Anscheind dem Ziel der Reise. Auf eine Art freute sie sich aus diesem Käfig zu kommen, auf die andere fürchtete sie in was sie dann als nächstes schlitterte. Einen Fluchtversuch brauchte sie nicht starten, sie würde wahrscheinlich nicht einmal laufen können, wie soll sie dann vor einer Horde Ork´s davonrennen. Wärend sie darüber nachdachte und sich wieder auf Merek konzentrierte, drehte der abrupt den Kopf in ihre Richtung. Selbst erschrocken, starrte sie ihn einfach nur an, abwartend was er jetzt tun würde. Merek stand auf und lief auf ihren Käfig zu. Innerlich die Luft anhaltend sah sie den Ork auf sich zu kommen. Seine Gold braunen Augen fest auf sie gerichtete schritt er auf sie zu und blieb mit einer Armlänge Abstand vor ihrem Käfig stehen. Die anderen sahen ihm kurz hinterher, widmeten sich aber wieder anderen Dingen. Er starrte sie verwundert und gleichzeitig genervt an. Sekunden vergingen wie er so dastand. Die anderen Gefangenen waren am Schlafen oder beachteten sie nicht, es schien nur ihn und Mariele zu geben.

Sie hielt den Atem an und sah in seine Augen. Sie waren wie zwei funkelnde Goldmünzen und wenn die Situation nicht so vertrackt wäre, hätte sie Sympathien für ihn haben können. „Wieso kannst du mich sehen?“ hauchte er die Frage dass nur sie ihn verstehen konnte. Mariele´s Stimme war sicherer als sie sich fühlte. „Man braucht keine Augen um zu sehen!“ Er kam einen Schritt näher, so dass er direkt vor dem Gitter stand. Sie konnte seinen Atem auf ihrer Haut spüren und die Verwirrung in seinen Augen sehen. Sie sah seine Aura, hell, nicht so dunkel und stumpf wie die der anderen. Maskiert um sein wahres Inneres zu schützen. „Ihr seid mehr, als ihr zugebt und gewiss mehr als ein einfacher Ork!“ hauchte sie. Für einen kurzen Augenblick flammte Unsicherheit in seinem Blick auf, doch dieser verflog so schnell, dass sie sich auch getäuscht haben konnte. Wut trat an ihrer Stelle und er fauchte sie gerade zu an. „Ihr wisst gar nichts über mich!“ Dann drehte er sich weg und stapfte zurück zu den anderen an das Lagerfeuer. Mariele seufzte, es war frustrierend. Erst hatte sie das Gefühl zu Merek durchzukommen um wenigstens jemanden zu haben der ihr vielleicht helfen konnte und dann war er wieder dieser widerliche Ork. Er hatte wirklich zwei Persönlichkeiten.

Der nächste Tag verlief genauso ereignislos wie die letzten. Die Landschaft hatte sich stark verändert. Wärend sie anfangs noch an der Baumgrenze entlang liefen kamen sie wieder in das trostlose und verbrannte Land der Albae. Je weiter sie kamen umso karger und verbrannter wurde die Landschaft. Zur rechten lag Jackar, selbst Wintertags herrschten in der Wüste noch bis zu fünfundzwanzig Grad. Der goldene Sand strahlte in der Sonne und in der Ferne flimmerte der Horizont. Sie konnte von hier auch die Türme Destal´s erkennen, welche sie sehnsüchtig betrachtete. Zur linken das Albaereich ´, dunkle schwarze verbrannte Erde. Keine Büsche, Bäume oder andere Pflanzen gediehen dort. Nur leeres Ödland. Doch am Horizont tauchte ein Gebäude auf. Je näher wir kamen umso mehr wuchs die schwarze Festung in den Himmel. Am Fuße eines noch aktiven Vulkans erbaut, floss in dem Burggraben ein Strom aus glühend heißer Lava. Als sie vor den Toren der Festung ankamen, wurde das riesige eisenbehauende Zugtor hinuntergelassen. Merek der neben ihr herlief sah stur geradeaus. „Willkommen in Mask!“ war das einzige was er sagte als wir über den Lavastrom gingen. Obwohl dieser gut hundert Fuß unter ihnen verlief, konnte sie die Hitze auf ihrem Gesicht spüren.

Die Festung war wie aus einem Albtraum entsprungen. Der schwarze Stein war so dunkel das er das wenige Sonnenlicht verschluckte. Auf den Zinnen standen bewaffnete Wachen mit Pieken in den Händen auf deren Spitzen abgetrennte Köpfe prangen. Aus dem Mauerwerk stachen riesige eiserne Stachel zur Abwehr. Im Inneren stank es nach Blut, Schweiß und Angst. Der Trupp wurde grölend empfangen, hämisches Gelächter ging durch die anwesenden Ork´s als sie die Gefangenen sahen. Mitten im Innenhof hielten die Wagen und die Menschen wurden aus den Gittern herausgezogen. Manche wehrten sich, andere ließen sich herauszerren. Mariele wurde von Merek persönlich aus dem Käfig gezogen. Ihre Beine wollten ihr noch nicht recht gehorchen, da sie durch das lange sitzen taub waren. Es dauerte eine Weile bis wieder Leben in ihnen strömte und solange musste Merek sie stützen. Wärend die anderen unter weiterem Gelächter in den hinteren Teil der Festung gebracht wurde, wurde Mariele von Merek nach oben in die Burg selbst gebracht. Sein fester Griff um ihren Oberarm schmerzte sie leicht, als der Ork ihr Unbehagen bemerkte ließ er etwas lockerer, lief aber unbeirrt weiter. Sie hatte anfangs Probleme zu laufen, da das Blut aus ihren Beinen gewichen war und so stolperte sie das ein oder andere Mal. Jedes Mal zog Merek sie genervt wieder auf die Beine, bis er sie schließlich über seine Schulter warf und den Weg so mit ihr fortsetzte.

„Wohin gehen wir?“ fragte sie ihn leise. „Das werdet ihr noch früh genug sehen!“ antwortete er ihr und ging unbeirrt weiter. Auf der Schulter mit wippend zum Takt Merek´s Schritte konnte sie nur wenig von der Feste sehen. Es war sehr dunkel, Fenster gab es kaum welche. Wie ihre Vorfahren mochten sie das Sonnenlicht Anscheind nicht so gerne. Doch sie hatten eine groteske Art Kunst zu schätzen. Die gotische Bauweise mit den spitzen Verzierungen und den abgetrennten Körperteilen oder aufgehängten Leichen verschiedener Wesen an Wänden und Decke, veranschaulichten gut das Wesen der Ork´s. Sauberkeit war kein Thema, überall lag Geröll, kaputtes Mobiliar welches wohl noch aus besseren Zeiten der Burg stammte, Knochen, Exkremente und anderer Unrat lagen in den Ecken und war lose verstreut auf dem Boden. Der Weg ging durch eine große Halle, eine breite Treppe hinauf und in einen Tunnel. Dieser eröffnete sich wiederum in eine weitere große Halle, wo sich eine Gruppe Ork´s vor einem steinernen Thron versammelte. Merek setzte Mariele ab und führte sie zu dem ehemals schönen Thron. Dieser war halb zerstört und weniger ansehnlich wie zu seiner Entstehungszeit. Darauf saß ein riesiger imposanter Ork. Riesige Hauer ragten aus seinem Mund, der muskelbepackte Oberkörper war mit einer eisernen Rüstung verwachsen und auf Armen und Beinen waren unzählige Narben sichtbar. Über dem Lendenschurz an seinem breiten Ledergürtel hing ein riesiges rostiges Schwert und an seinem Hals eine Kette aus abgetrennten Fingern und Knochen. Die gerade noch wild diskutierenden Ork´s drehten sich nun bei ihrem Erscheinen um und verstummten.

Sie waren anders gekleidet, weniger kriegerisch, eher wie Gelehrte oder gar Magier. Lange Gewänder, ohne Waffen, dafür aber mit kleinen Beuteln am Gürtel oder einer Handsichel. Der große Ork auf dem Thron erhob sich als er Merek erkannte und trat die Stufen zu ihnen herunter. „Merek, ihr seid wieder zurück!“ Seine dunkle Stimme dröhnte durch den ganzen Saal und seine stechenden Raubtieraugen fixierten Merke und Mariele. Die Gelehrten machten ihm Platz, verbeugten sich und machten sich rar. Merek neigte ebenso seinen Kopf zum Gruße. „Gremlogg mein Lord, wir sind erfolgreich zurückgekehrt und haben neue Spielfiguren für die Arena mitgebracht!“ Ein Grinsen ging über das Gesicht des Ork´s. „Gut gut mein Lieber Merek, aber sag, warum hast du dieses Stück Fleisch nicht auch direkt in die Verliese gebracht?“ Er sah sie nicht einmal an, ging einfach an ihr vorbei und sah Merek ins Gesicht. „Sie ist etwas Besonderes. Ich dachte sie wäre vielleicht eine nette Gespielin für Azog, sie scheint auch der Magie beizuwohnen!“ Jetzt sah er Mariele zum ersten Mal richtig an. „Sie, sagst du?!“ Sein Ton gefiel Mariele gar nicht, doch sie traute sich nicht etwas zu sagen. Er beugte sich zu ihr hinunter und kam mit seinem Gesicht dem ihrem sehr nahe. Er schnüffelte an ihr und begutachtete ihr Gesicht. „Das soll Azog selbst entscheiden, bring sie dennoch in die Verliese. Hier bekommt kein Vieh eine Sonderbehandlung!“ Merek nickte, packte wieder Mariele´s Arm und wand sich zum Gehen.

Sie war froh das Merek sie aus dem Raum brachte. Der Orklord war mehr als beängstigend und furchteinflößend, er hatte eine Art an sich die ihr das Blut in den Adern gefror. Auf dem Weg zurück in den Innenhof flüsterte sie ihm ein „Danke“ zu. Er schnaubte nur und antwortete etwas sarkastisch: „Dank mir nicht zu früh!“ Sie ließ sich von ihm in die Verliese bringen. Eine breite Treppe führte hinunter in das Untergeschoss. Wie ein Bienenstock waren die einzelnen Zellen nebeneinander angelegt. Er brachte sie in eine der oberen Zellen. Hier roch es nicht ganz so schlimm nach Exkrementen und modernden Leichen. Merek öffnete die eiserne Zellentür der vier Fuß langen und breiten fensterlosen dunklen Zelle. Er schubste sie mit einem leichten Stoß hinein und verschloss die Tür wieder mit einem lauten Klacken. Der Schlüssel klapperte ihm Schloss und mit einem leisen Klicken war sie eingeschlossen. Er trat einen Schritt von der Zellentür weg, blieb noch ein letztes Mal stehen und sah sich zu ihr um. „Es wäre das Beste, wenn ihr euch selbst erlöst, denn egal was sie für euch planen, es wird die Hölle für euch sein!“ Damit ging er eiligen Schrittes die Stufen wieder hoch. Als seine Schritte verhallten, sackte Mariele hoffnungslos zusammen. Sie hätte schreien und weinen können. Von einem Gefängnis direkt ins nächstes, so hatte sie sich das nicht vorgestellt.

„Er kann euch leiden, das ist mehr als das was ihr hier sonst erwarten könnt!“ Die leise Frauenstimme überraschte Mariele. „Bitte was?“ fragte sie in die Stille hinein. „Merek! Er kann euch leiden, sonst hätte er euch wie die anderen nach ganz unten in die Kerker geworfen.“ Die Stimme kam aus einer direkt anliegenden Zelle. „Ich glaube wir haben eine andere Vorstellung von jemanden leiden können!“ Die Frauenstimme lachte leise und kehlig, doch ging nicht weiter auf ihre Bemerkung ein. „Was haben sie mit uns vor?“ Wieder Stille. „Ihr werdet einen etwas besseren Tod finden als diejenigen die sie nach unten gebracht haben. Die Alten und Verletzten dienen als Futter für ihre Bestien und die jungen und kräftigen werden Trainingsobjekte für die jungen Ork´s. Sie werden in eine Arena gesteckt, mit nichts als ihren Kleidern am Leib und werden zur Schlachtbank geführt. Was mir die Frage aufkommen lässt, was sie mit euch vorhaben werden?“ Mariele setzte sich in die Ecke direkt am Gitter und dachte selber nach. „Merek erzählte irgendetwas von einem Azog.“ Die Frau in der Zelle nebenan, sog scharf die Luft ein. „Ich muss mich verbessern, ihr seid die jenige die in die Hölle kommen wird.“ „Wie kommt ihr darauf?“ Ein verbittertes Lachen hallte durch den breiten Gang. „Azog ist ihr Magier. Er spielt gern mit magiekundigen Wesen und zerstört sie wie seine Marionetten. Befolge Merek´s Rat und bring dich um, solange du noch kannst, denn er wird es dir nicht so schnell erlauben!“ In Mariele wuchs Panik. Sie hatte noch einen kleinen Funken Hoffnung gehabt, als sie Merek getroffen hatte, doch wenn selbst er ihr den Rat gab zu sterben, dann war ihre Lage wohl aussichtslos. Seufzend zog sie ihren Mantel enger um die Schultern und wartete auf das was kommen mag.

 

 

Verloren im Sand

 

Seitdem Rathiel vor zwei Tagen weg geritten war, war die Stimmung gemischt. Ich vermisste ihn sehr und machte mir Sorgen in dieser wüsten und unheilvollen Zeit. Alec hingegen war bester Laune. Mich störte es schon das er so fröhlich war und es schmälerte die Gefühle die ich für ihn hatte deutlich. Seit der Nacht in Elindur hatten wir nicht mehr miteinander geschlafen. Auch wenn die Anziehungskraft zwischen uns groß war und ich mein Verlangen nach ihm zügeln musste, nervten mich viele Dinge an ihm. Er hatte Rathiel immer als Konkurrenten gesehen und jetzt wo dieser nicht mehr da war, hatte er freie Bahn. Auch Daimien, Joan und Roan waren erst nicht so begeistert das der Elb die Gruppe verlassen hatte, schließlich hatte er ihnen bereits mehrfach das Leben gerettet. Ich hatte zwischendurch mal versucht Kontakt mit ihm aufzunehmen, doch ich spürte dass er keine Zeit hatte. So sperrte ich auch Alec aus meinem Kopf, dann war ich lieber alleine.

Wir hatten Destal schnell hinter uns gelassen und auch die Grenze nach Jackar lag seit einem Tagesritt hinter uns. Jetzt glühte die Sonne trotz Winter auf uns nieder. Wir hatten uns schon an das kalte Regenwetter gewöhnt, da kam uns das heiße und trockene Wetter der Wüste überhaupt nicht gelegen. Zu dem kam auch noch dass ich dieses warme Wetter generell nicht so gut vertrug, von Reijkjon mal ganz abgesehen. Die Pferde hatten es eh schon schwer durch den lockeren heißen Sand zu laufen. Anfangs war der Boden noch steinig gewesen, doch jetzt ragte eine Düne nach der anderen vor uns auf. Das einzige Pferd welches mit den Bedingungen

am besten klar kam, war der Fuchs von Joan. Die Stute war aus der Zucht ihres Vaters und war in der Wüste aufgewachsen. Und man sah ihr an das sie sich freute wieder in bekanntes Terrain zu kommen. Auch Joan sah zufriedener aus, seitdem wir die nassen und kalten Gefilde verlassen hatten.

Es war später Nachmittag und Joan suchte uns ein Fleckchen zum Übernachten. Gut geschützt im Schatten einer Düne schlugen wir unser Nachtlager auf. Die Pferde blieben wo sie waren, sie wussten, wenn sie weglaufen würden wären sie tot. So dösten sie in unserer Nähe wärend wir ein Feuer entfachten. „Ist das denn überhaupt nötig?“ fragte Roan und zog sich ein weiteres Teil seiner Rüstung aus und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Wenn du heute Nacht frieren möchtest, dann ja, aber in der Wüste wird es nachts deutlich kälter, gerade jetzt im Winter!“ Joan´s Stimme klang sarkastisch und ich grinste in mich hinein. Ja Roan passte nicht in diese Landschaft. Er war der nordische Typ, groß, breit und bärtig. Er sah seltsam aus in dieser kargen und heißen Gegend. Joan hingegen bewegte sich in ihrer Heimat wie eine Gepardin in ihrem Revier.

Ich legte meine Decke neben das Feuer, wärend die Sonne langsam unterging. Alec rutschte gerade die Düne herunter in deren Schatten wir lagerten. „Nichts zu sehen, weit und breit nur Sand!“ „Wir müssen trotzdem wachsam sein. Diebe könnten sich hinter den Dünen verstecken und uns angreifen!“ Ihre Stimme war leise und bestimmt. Roan setzte sich seufzend auf den Boden und gönnte sich einen Schluck aus seinem Trinkschlauch. „Du solltest Haushalten mit deinem Bier.“ Musterte ich ihn. Verächtlich wischte er sich den Schaum aus dem Bart. „Wir kommen doch morgen eh nach Mogul, da gibt es bestimmt genug Bier!“ Joan lachte leise auf. „Vergiss nicht das wir nicht mehr im Königreich sind wo Bier wie Wasser getrunken wird. In dieser Gegend gibt es kein bis wenig davon. Hier gilt Wasser vielleicht auch Wein zu den alltäglichen Getränken!“ Roan verschluckte sich und hustete um wieder Luft zu bekommen. „Na toll, hätte ich mir mehr eingepackt!“ Wärend Roan sich über die Wärme und das Abfinden von Bier beklagte, versuchte ich auf eine weiteres mit Rathiel zu sprechen. Ich machte mir wirklich Sorgen und hoffte dass er mit dem Ableben Athrandiel´s klar kommen wird. „Mach dir um ihn keinen Kopf!“ Alec´s Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Er hatte sich neben mich gelegt und sah mich mit seinen grünen Augen ernst an. Er hatte das verschmitzte und fröhliche abgelegt, er verstand anscheint um was es ging. „Das sagst du so einfach. Er ist immer so beherrscht und gut drauf. Er hat mich noch nie aus seinem Kopf ausgeschlossen“. Er winkelte ein Bein an, lehnte sich darauf und beugte sich zu mir rüber. „Er liebt dich, so sehr das es mir schon weh tut und dich hier alleine mit mir zu lassen tat ihm mehr weh als dir. Glaub mir bevor er gegangen ist, hat er mir die wüstesten Schimpftiraden an den Kopf geschmissen und mir einige Versprechen abgenommen, die ich hier nicht laut aussprechen werde.“ Ich musste lachen und schüttelte mit dem Kopf. „Ja das würde ich ihm zu trauen. Doch diese Versprechen hättest du ihm nicht geben müssen, ich vertraue auch so auf dich und dass du mich nicht im Stich lassen wirst!“ Ein Grinsen huschte über sein Gesicht und er legte sich hin zum Schlafen.

Alec weckte mich kurz vorm Morgengrauen zur Wache. Gähnend wickelte ich mich aus meinem Mantel. Ich zog meine Schuhe, Hose und Jacke aus, so dass ich nur noch meinen leichten langen Waffenrock trug. Alec sah mir zu als ich mich auszog und schenkte mir ein schiefes Grinsen. „Wenn ich dir behilflich sein kann, sag ruhig Bescheid!“ Ich streckte ihm nur meine Zunge heraus und machte mich daran auf die Spitze der Düne zu klettern. Oben angekommen wehte ein leichter kühler Wind, der meine hitzige Haut kühlte und Haare sowie Unterkleid wehen ließ. Es war angenehm mal leichter bekleidet zu sein und den Wind zu spüren. Die Elemente Luft und Wasser waren die meine und so hatte ich auch gelernt diese zu nutzen und zu manipulieren. Im Schneidersitz sah ich nach oben in den dunklen Nachthimmel. Die funkelnden hellen Sterne am Firmament waren zu viele um sie zu zählen, doch sie waren so wunderschön und klar, wie die reinsten Diamanten. Die Kunst des Sternenlesens hatte ich nie beigebracht bekommen, doch ich erkannte immer den Nordstern, der mich nach Hause führen würde.

Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf mich und meine Umgebung. Es war sehr kühl, aber ich genoss es da es noch heiß genug werden würde. Konzentriert auf die Lebewesen und Energien um mich herum, meditierte ich um meine innere Mitte wieder in Einklang zu bekommen. Seitdem Rathiel fort war, hatte ich einen Teil meiner Seele verloren. Im Ungleichgewicht fiel es mir deutlich schwerer mich auf meine Magie zu konzentrieren. Die Verbindung zu Alec war noch zu frisch, als das sie die mit Rathiel ausgleichen könnte. Dafür waren der Elb und ich einfach schon zu viel durch dick und dünn gegangen, er war unersetzlich. Als die Sonne ihre ersten Strahlen in die Welt schickte musste ich lächeln. Wie eine weiche Feder kitzelten sie mich an der Nase. Als ich die Augen öffnete raubte mir der Anblick des frühen Morgens den Atem. Die vorher noch in dunkelblau und schwarz gehüllten Sanddünen erstrahlten in jeder weiteren Minute in goldenem Licht. Die blaue Stunde war schneller um als mir lieb war. Aber sie war auch der Startschuss für unsere Weiterreise. Ich stand auf und ging langsam die Düne hinunter. Die anderen hatten sich bereits gesammelt und waren dabei das Feuer zu löschen und unsere Hinterlassenschaften zu beseitigen. Alec´s Blick als er mich sah, ließ mich erröten. Bewunderung, Leidenschaft und Liebe lagen in seinen Augen und ich konnte nicht anders als ihn anzulächeln.

Wir waren noch keine Stunde unterwegs, als Joan sich im Sattel aufrichtete und den Horizont beobachtete. Ich folgte ihrem Blick und erkannte eine leichte Rötung des Himmels. „Was ist das?“ fragte ich sie. „Wir müssen uns beeilen, in der Nähe steht eine alte Ruine, bis dahin müssen wir es schaffen!“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren trieben wir unsere Pferde in einen schnellen Galopp, es waren auch keine Worte nötig so angespannt wie Joan war. Wir ritten direkt auf das Rot zu, welches sich beim genaueren Hinsehen, als eine riesige Wolke entpuppte. Aus der Ferne war ein Tosen zu vernehmen, welches als Vorbote mit dem dunkler werdenden Horizont versuchte uns zu warnen. Vor uns gut eine halbe Meile kamen die Überreste einer Siedlung in Sicht auf die Joan zusteuerte. Wir würden diese noch vor der Wolke erreichen, dachte ich. Doch der Sandsturm war schnell und rückte unerbittlich näher. Es schnürte mir die Brust zu, dieser Naturgewalt bald ausgesetzt sein zu müssen. Gut vierzig Fuß vor der Ruine spürte ich die ersten Sandkörner die mir wie kleine Geschosse auf der Haut brannten. Starker Wind hüllte uns in eine Wolke aus Sand ein, als wir uns in der Ruine versteckten. Von den Pferden abgestiegen drängten wir uns in eine Ecke eines Innenhofes und warteten ab. Der Sandsturm war ein wilder Wirbel aus rotem Sand. Wie Schleifpapier rieb er lautstark an den Lehmwänden der Mauern und heulte durch die Fenster und Durchgänge. Er war so fein dass er selbst in unsere Nasen und Münder gelang. Mit Tüchern vor unseren Gesichtern versuchten wir uns zu schützen.

Neben dem Heulen und Schaben des Sturms vernahm ich ein anderes Geräusch. Eine Stimme die meinen Namen zu rufen schien. Vorsichtig trat ich auf die Stimme zu. Bis auf den wirbelnden Sand konnte ich nichts erkennen. Ich konzentrierte mich auf den Sand vor mir und konnte in dem wirbelnden Sturm eine Silhouette ausmachen. Sie kam auf mich zu, aber ich konnte niemanden erkennen. Der Sand selber bildete dieses Gebilde und nahm nach und nach mehr an Form an. Ein Mann stand vor mir. So groß wie ich selber mit wehendem Haar und kurzem Bart. In Rüstung gekleidet und einem Schwert in der Hand sah er mich an. Nur zwei Schritte trennten uns. Mir stockte der Atem. Ich hatte das Gefühl ihn zu kennen, die Silhouette kam mir so bekannt vor. Er streckte die Hand nach mir aus und ich tat es ihm gleich, doch bevor wir uns berührten löste er sich wieder im Sturm auf. Sei auf der Hut, wir werden uns bald endlich treffen! Säuselte der Wind und damit war er komplett verschwunden und der Sturm trat wieder in den Vordergrund. Irritiert hielt ich inne, doch der Sturm zwang mich zurück zu den anderen.

Wir warteten ab bis sich der Sand gelegt hatte und wir aus der Deckung herauskommen konnten. „Ist alles in Ordnung mit dir Jeanne?“ Daimien´s besorgte Stimme riss mich aus meinen Überlegungen. Joan stellte sich neben ihn, sie hatte mich ebenfalls beobachtet. „Sie hat einen Geist gesehen. Wir nennen diese Erscheinungen Duvak´s. Es sind Geister der Vergangenheit die einem im Sandsturm erscheinen. Manchen bringen sie gute Nachrichten, anderen Vorhersehungen. Doch bei jedem sind sie anders und sollten nicht weitergegeben werden!“ Joan´s wissender Blick ruhte auf mir. „Wir sollten jetzt weiter, mein Vater erwartet uns schon!“ Damit bestiegen wir wieder unsere Pferde und ritten aus der halb verschütteten Ruine. In der Ferne wie eine Fatamorgana flimmerte am Horizont eine Oase. Geht es dir gut? Alec´s Stimme in meinem Kopf war beruhigend. Ich sah zu ihm hinüber. Er ritt neben mir und sah mich an. Er hatte sich ebenfalls einiger Kleider entledigt und saß nur noch in Hose, Stiefel und seinem Hemd auf seinem Hengst. Seine Muskeln zeichneten sich darunter ab und ich kam wieder ins Schwärmen. Seine mittlerweile langen Haare und Bart mussten mal wieder geschnitten werden, was ihn aber nicht minder attraktiv machte. Ja es geht. Ich bin nur froh, wenn wir diese sandige Hölle bald hinter uns haben. Er stimmte mir mit einem Lächeln nickend zu. Und je näher wir der Oase kamen, umso mehr wünschte ich mir ein kühles Bad.

 

 

Mogul

 

Zum Mittag erreichten wir die Gärten Mogul´s. Die riesigen schattenspendenden Palmen waren wohltuend gegen die Hitze der Mittagssonne. Wir ritten auf der breiten Hauptstraße, gesäumt von Palmen, Dattelbäumen, Bananenstauden und einem Meer aus Blumen in Richtung der weißen Stadtmauern. Die Felder neben der Straße wurden ebenso für Reis, Korn und anderes Getreide bewirtet. Schmale künstliche Wasserrinnen bewässerten diese in quadratischen Rastern. Die Bauern die mit von Rindern gezogenen Pflügen und Sensen arbeiteten, sahen nicht einmal auf als wir mit unserer Reisegesellschaft an ihnen vorbeiritten. Anscheind waren sie Fremde gewohnt und in der Tat kamen uns Karawanen, weitere Reisegruppen und einzelne Reiter aus der Stadt entgegen.

Schon vom Tor aus, welches von beiden Seiten und von den Zinnen der Mauer gut bewacht wurde, konnte man die Menschenmengen in den Gassen hören und sehen. Das Tor war gut dreißig Fuß hoch und zwanzig Fuß breit. Die Mauer an sich war zwanzig Fuß dick und gegen eine starke Belagerung gerüstet. Als wir durch das Tor ritten, standen wir mitten in einem Strom von Menschen, Reitern, Ochsenkarren und Soldaten. An den Rändern der Hauptstraße standen aufgereiht verschiedenste Händler und priesen lautstark ihre Waren an. Von überall roch es nach Gewürzen, gebratenem Fleisch, Kuhfladen, Süßwaren und Schnaps. Das Geschrei der Marktschreier, den diskutierenden Händlern, das Muhen der Rinder und Geblöke der Kamele verschwamm mit den Klängen der Straßenmusiker zu einem Summen wie in einem

Bienenschwarm. Die Häuser die dicht an dicht standen mit ihren weißen Lehmwänden, den hölzernen Türen bildeten eine Schlucht die nur gelegentliche kleine Gassen frei gab. Geschmückt mit bunten Blumen, überspannt mit farbigen Tüchern und Fahnen, rahmten sie das Geschehen ein.

Völlig überfordert von den vielen Eindrücken, ritt ich einfach hinter Joan her. Sie führte uns zielorientiert und sicher durch das Durcheinander. Auch wir hatten in Theron Märkte und Feste, aber diese waren noch lange nicht so farbenfroh und melodisch. Die anderen sahen genauso fasziniert und überfordert aus. Alec blieb dicht an meiner Seite, mit den dunklen Haaren und der gebräunten Haut, passte er perfekt in diese Gegend. Doch er fühlte sich sichtlich unwohl. „Alles gut bei dir?“ Angespannt sah er mich an. „Zu viele Menschen auf einmal!“ Ich musste lachen. „Du bist doch ein Dieb, das sollte doch ein Paradies für dich sein“. „Aber nicht, wenn wir in Gefahr sind getötet zu werden“. Ich runzelte die Stirn. „Wer sollte von uns wissen?“ Sein besorgter Blick ruhte auf meinem Gesicht. „Ich habe mich in der Garnison umgehört, etwas gelauscht und herumgeschnüffelt wärend du mit Grauwolf gesprochen hattest. Glaub mir er ist nicht der einzige der Interesse an uns gefunden hat. Ein paar Soldaten sprachen ebenso von uns und sie wussten wer wir waren und wo wir hinwollten. Wenn die das wissen, dann wissen die Albae das auch“. Besorgt dachte ich über seine Worte nach, wärend unsere Pferde sich einen Weg durch die Menge bahnten. „Wieso bist du dir da so sicher?“ fragte ich ihn. „Ich habe Briefe gefunden, welche zwischen einem Albenfürsten namens Zando und Grauwolf verschickt wurden.“ Sein ernster Blick verfinsterte sich. „Sie haben ein Abkommen ausgehandelt in dem Grauwolf die Garnison und den Erebor behält, wenn er uns hilft das Artefakt zu finden“. Das bestätigte nur unsere Vermutung. „Dann war das Siegel auf der Karte von Theron, das von Zando“, dachte ich laut weiter. „Welche Karte?“ Alec´s Stimme klang noch besorgter. „An der Wand, hinter der Tür, hing eine Stadtkarte von Theron mit Invasionswegen die von einem Siegel ausgingen. Ich wusste nicht wessen Siegel das sein konnte, aber jetzt ist mir einiges klar!“

Alec blieb stumm bis Joan von der Hauptstraße in eine schmale Seitengasse abbog. Hier war deutlich weniger los und wir kamen schneller voran. Ich sah mich nach Daimien und Roan um, die stillschweigend hinter uns her ritten. Roan´s Gesicht war leer und ausdruckslos. Er wirkte immer noch teilweise abwesend und apathisch. Sina´s Tod knabberte noch stark an seiner Seele. Wir wussten dass unsere Reise gefährlich werden würde, doch trotzdem hatte es uns alle hart getroffen. Daimien sah mich interessiert an. Er hatte Ohren wie eine Fledermaus und musste uns teilweise belauscht haben. Ich formte mit meinem Mund ein „Später“ und wand mich wieder nach vorn, wo wir auf einen großen runden Platz einritten. Genau in der Mitte zierte ein dreistöckiger runder großer Brunnen den mit Blumen geschmückten Hof. Auf einem weißen Sockel stand ein steigendes Pferd mit einer Schwertschwingenden Kriegerin auf dem Rücken. Größer als Lebensgroß zog die Skulptur alle Blicke auf sich. Das Pferd sah Reijkjon sehr ähnlich.

Joan ließ den Brunnen links liegen und führte uns um ihn herum. Ich konnte meinen Blick nicht davon losreißen. Ich musste stehen geblieben sein, denn Daimien ritt an mir vorbei und raunte: „Die Ähnlichkeit ist verblüffend!“ Er hatte mehr als Recht und das war auch das was mich am meisten faszinierte. Die Frau auf dem Pferd hätte mein Ebenbild sein können. „Jeanne, komm wir müssen weiter!“ Alec´s Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Reijkjon lief schon los und holte die anderen schnell wieder ein, die den Platz bereits verlassen hatten und in die nächste Gasse ritten. „Joan was war das für eine Figur?“ fragte ich unsere Gelehrte. Ohne mich anzusehen, seufzte sie und antwortete: „Das sollte dir besser mein Vater erklären“. Sie schüttelte etwas verächtlich den Kopf. „Ich liebe ihn, aber diesen Brunnen zu bauen war reine Verschwendung“. Ihre Antwort verletzte mich doch ein wenig und ich ließ mich wieder neben Alec zurückfallen.

Wir mieden weiterhin die Hauptstraßen um schneller voran zu kommen und näherten uns dem Zentrum. Je weiter wir hineinritten, je bunter und voller wurden die Blumen, je kostbarer wurden die Gewänder der Menschen und so zahlreicher wurden Statuen, Gärten, Wasserspiele und prunkvolle Bauten. Aquädukte zogen sich wie Adern durch die Stadt und versorgten die Menschen mit Wasser. Wir ritten an Bibliotheken, Theatern, Thermen und auch Lusthäusern entlang. Die Wege veränderten sich von sandigen Pfaden in weiß gepflasterte Straßen. Die Menschenmenge dünnte sich aus und wir konnten wieder auf der Hauptstraße weiter reiten. Je näher wir dem Palast im Zentrum kamen, je angespannter wurde Joan. Mir fiel auf das die Soldaten, egal ob beritten oder zu Fuß, sowie die Adeligen die unseren Weg kreuzten, stehen blieben, wenn sie sie sahen und sich leicht verneigten. Joan Sprach nie über ihre Familie oder ihre Herkunft, umso gespannter war ich als unsere Reise sie uns nach Mogul brachte.

Wir ritten durch das letzte Tor in einen riesigen Innenhof vor dem Palast. Man hatte ihn mit seinen ausladenden spitz zulaufenden goldenen Dächern und den strahlend weißen Mauern und Türmen schon von weitem gesehen, doch jetzt direkt davor zu stehen war atemberaubend. Auch hier im Innenhof war ein riesiger Brunnen mit umliegenden Blumenbeeten angelegt in dessen Wasserspielen die Sonne glitzerte. Große farbige Fische schwammen in ihm und Seerosen schmückten die Wasseroberfläche. An den Seiten des Hofes führten verzierte Rundbögen ins Innere. Direkt vor uns lag eine breite geschwungene Steintreppe vor einem großen doppelflügligen Eisentor, welches mit Intarsien und Edelsteinen verziert war welche in der Sonne glitzerten. Wir hielten davor und saßen ab. Ich klopfte mir ein wenig den Staub von den Kleidern und kraulte Reijkjon seine samtweiche Nase, als sich die Tore mit einem leisen Klicken öffneten.

Joan stand stocksteif neben ihrem Pferd und wartet auf jene die durch das Tor kamen. Gefolgt von zwei leicht gepanzerten Soldaten, trat ein großer schlanker dunkelhäutiger Mann in einem weißen langen Gewand aus den Schatten der Bögen. Auf seinem Kopf trug er einen weißen aufwändigen Turban, an seinem Kummerbund hingen an beiden Seiten zwei kunstvoll gearbeitete krumme Dolche. Doch am auffälligsten waren seine stahlblauen Augen, die sich stark von dem dunklen Teint und dem schwarzen Bart abhoben. Das musste Joan´s Vater sein. Mit ausgebreiteten Armen und einem Strahlen im Gesicht kam er auf seine Tochter zu und drückte sie an sich. Joan erwiderte seine Umarmung weniger herzlich. „Joan meine geliebte Tochter. Endlich bist du heimgekehrt“. Seine Augen leuchteten als er sich zu uns wand. „Bitte verzeiht meine Unhöflichkeit, ich hatte mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Maharadscha Joakim Fedor von Mogul. Joan´s Freunde sind auch die meinen. Bitte seid meine Gäste. Ruht euch aus, esst was!“ Joan schien es etwas peinlich zu sein, doch wir nahmen seine Einladung liebend gern an, nachdem wir uns vorgestellt hatten. Bei meinem und Reijkjon´s Anblick stockte er kurz einen Moment und sah uns bewundernd an, bis Joan ihn zu sich rief.

Wir brachten unsere Pferde in die riesigen und ebenso sauberen wie luxuriösen Stallungen. Hier wimmelte es nur so von den verschiedensten Pferden, Stallburschen, Pflegern und Pferdebesitzern. Die weiß gekälkten Wände ließen die geräumigen Boxen mit den großen Fenstern, das Deckengewölbe und die im Sonnenlicht glänzenden bronzenen Trenngitter erstrahlten. Neugierige Pferdeköpfe die über die Boxentüren lugten verfolgten das bunte Treiben auf der Stallgasse. Feine Staubpartikel schwebten in der Luft, der Duft nach frischem Heu, Möhren, Leder und Pferd, ließ mich genüsslich tief einatmen. Ja ich genoss die Stallatmosphäre. Nachdem wir unsere treuen Vierbeiner in guten Händen wussten, wurden wir durch den Palast in unsere Gemächer geführt. Das riesige Gebäude war in drei Stockwerke aufgeteilt, erzählte uns einer der Diener. Ebenerdig lagen die offiziellen Räumlichkeiten, Hallen, Gärten, Küchen und die Unterbringung der Bediensteten. Auf der zweiten Ebene lagen die Gemächer der Gäste, privatere Räume, Terrassen und eine Therme. Im obersten Stockwerk lagen die privaten Gemächer der Familie des Maharadscha´s. Von den Gemächern bis hin zur Küche war jeder Raum ein Unikat. Von den glatten Marmorböden und Säulen, zu den Statuen, bunten Wand- und Deckenmosaiken, Blumen und Palmen, kleinen Brunnen und sogar Pfauen die durch die Gänge liefen, schrie alles nach Reichtum und Wohlstand. Selbst die Diener, Mägde, Floristen und Tierpfleger waren in hochwertigen Gewändern gekleidet. Jede Oberfläche war sauber und glänzend, man hätte vom Boden speisen können. Und es roch überall nach den verschiedensten Blumen und Ölen.

Wir wurden bis auf Joan auf die zweite Ebene gebracht, wo wir jeder sein eigenes Zimmer bekamen. Meines lag direkt neben dem von Alec´s. Ich drückte die goldene geschwungene Klinke herunter und trat in den Raum mit den zehn Mann hohen verzierten Decken ein. Mit offenem Mund bestaunte ich diesen riesigen luftigen Raum. Ich konnte mich nicht satt sehen an den vielen kleinen hübschen Details und Farben. Mit einem Kniff in den Arm versuchte ich aufzuwachen, denn nach den entbehrlichen Wochen unserer bisherigen Reise, mussten wir auf solchen Luxus wie ein richtiges Bett und dergleichen verzichten. Und nun stand uns all das zur freien Verfügung. Direkt links neben der Tür stand ein großes kuschelig aussehendes Bett auf dem bunt verzierte, bestickte und mit Troddeln versehene Kissen und Decken lagen. Auf der anderen Seite stand ein Diwan neben einem geschmückten Tisch auf dem eine riesige Schale mit Früchten stand. Die gegenüberliegende Wand öffnete sich durch geschwungene Torbögen auf eine Terrasse. Lange weich fallende helle Vorhänge wehten leicht im Wind und verliehen dem Raum etwas Magisches. Von der Terrasse hatte man einen atemberaubenden Blick über die Gärten und die Stadt. Ich nahm mir einen Apfel aus der Schale und öffnete die Tür in den nächsten Raum hinter der sich ein prunkvolles Badezimmer mit eingelassener Wanne befand. Mit einem herzhaften Biss genoss ich den süßen saftigen Apfel und verfluchte mich sofort. Die Säure der roten Frucht ergoss sich auf meine rissigen und von der trockenen Hitze ausgedörrten Lippen und brannte wie Feuer. Mit einem Blick in einen Spiegel wunderte mich das aber nicht. Die Haut verbrannt und verschmutzt, meine sonst glatten und seidigen Haare lagen jetzt verfilzt und verknotet wie ein Nest auf meinem Kopf. „Na super, viel Spaß beim Entknoten“, flüsterte ich leise vor mich hin. Neben meinen Lippen waren Hände und Füße ebenfalls ausgetrocknet und wiesen offene Stellen auf. Nun gut, dem machen wir jetzt ein Ende. Freudig ließ ich mir ein Bad ein, entledigte mich meiner staubigen und stinkenden Kleider und legte mich in die wohlige Wärme. Der Badezusatz schäumte auf und der Geruch nach Jasmin und Rosen erfüllte den Raum. Neben der Wanne stand ein kleiner runder Tisch auf dem kleinen Tiegel, Vasen und Döschen standen. Ich öffnete ein paar und fand verschiedene wohlduftende Öle, Cremes und Pasten. Vorsichtig rieb ich meine verfilzten und vor Dreck strotzenden Haare mit einer nach Mango duftenden Creme ein, bis sich der Dreck und die vielen Knoten lösten und sie wieder weich über meinen Schultern fielen. Es wurde auch dringend wieder Zeit für etwas Komfort. Seufzend lehnte ich mich zurück und döste vor mich hin.

Ein leises Klopfen ließ mich aufschrecken. Mittlerweile braunes Wasser schwappte über den Boden und Schaumkronen schwammen wie kleine Flöße über den glatten Marmor. Hastig kletterte ich aus der Wanne, wickelte mich in ein weiches Tuch und eilte tropfend zur Tür. Etwas außer Atem riss ich die schwere Tür auf und sah in das helle Gesicht eines Dieners. Tropfend vor ihm stehend blickte er mich kurz errötend an, senkte dann seinen Blick und reichte mir ein Bündel Kleidung. Mit seiner warmen und weichen Stimme sagte er: „Mit den besten Grüßen des Maharadscha´s.“ Ohne dass mir das Tuch vom Körper glitt, nahm ich ihm die Kleider ab. „Danke! Könntet ihr euch vielleicht um meine Kleider kümmern?“ fragte ich den Diener und deutete auf den vor Dreck strotzenden Kleiderhaufen am Boden. Sofort eilte er darauf zu, legte alles über seinen Arm und eilte an mir vorbei. „Ihr werdet sie morgen sauber zurück bekommen!“ Antwortete er mir ohne den Blick zu heben. „Ich danke euch“, strahlte ich ihn an und wollte gerade die Tür schließen, als er mich noch aufhielt. „Sir Alec wartet im Garten auf euch!“ Damit wand er sich ab und ging.

Mit dem Bündel Kleider in den Armen ging ich zurück ins Badezimmer und zog mich an. Das Kleid, welches nun meinen Körper umhüllte, war aus dünnem leichten gefärbten Baumwollstoff, in einer smaragdgrünen Farbe. Um den Körper gewickelt, figurbetont flatterte es bei jeder Bewegung um Arme und Beine. Ungewohnt leicht und beweglich schwebte ich in leichten Sandalen durch die Gänge zum Garten. Mein Messer im Oberschenkelholster konnte ich aber nicht im Zimmer liegen lassen, alte Gewohnheiten legt man nun mal nicht so schnell ab. Eine breite Treppe führte in den Garten. Im Zentrum zierte ein weiterer Springbrunnen in einem großen Teich, das kleine Paradies. Palmen und Dattelbäume spendeten Schatten und luden zum Verweilen ein. Gepflasterte Wege führten wie ein Labyrinth durch den gesamten Garten. Überall gab es etwas anderes zu sehen von den verschiedensten Pflanzen, Tieren, Statuen und Gebäudeelementen.

Ich ließ mich von meiner Intuition leiten und folgte einem eher abgelegenen Pfad in einen Palmenwald. Pfauen kreuzten meinen Weg, sie flohen gurrend als ich ihren Weg kreuzte und bunte Blumen säumten ihn. Es war so ruhig und friedlich, man vergaß das man in einem Garten mitten in der Stadt war. Der Weg endete an einem großen Wasserfall. Das Rauschen des Wassers war schon von weitem hörbar und so freute ich mich auf das kühle Nass, bei der andauernden Hitze. Von einer künstlich angelegten Felsklippe ergoss sich das Wasser in ein großes Becken, an dessen Ufern Schilf und Blumen wuchsen. Es strahlte in den schönsten Türkis- und Blautönen. Feine Wassertröpfchen der aufbrausenden Gischt glitzerten in der Sonne wie kleine Diamanten. Kleine Wellen an der Wasseroberfläche brachen die Sicht auf den Grund, denn es war so klar das man meinen könnte es wäre aus Glas. Ich konnte nicht widerstehen, zog die Sandalen und mein Holster aus, legte sie in den Sand und watete in das klare blaue Wasser. Es fühlte sich toll an durch dieses kühle und lebenspendenden Element zu waten. Meine Finger streiften die Oberfläche als ich verträumt weiter hinein ging. Fische schwammen vor meinen Füßen davon und jeder Schritt wirbelte den Sandboden ein wenig auf. Die Gischt des Wasserfalls legte sich wie ein angenehmer kühlender Film auf meine Haut und Haare. Das Tosen der Wassermassen übertönten jedes Geräusch, doch trotzdem hörte ich das leise Knirschen im Sand. Langsam drehte ich mich um und sah einen Mann am Ufer stehen. Er stand in weißen Hosen und Hemd vor mir. Durch seine weichen Wildlederstiefel hatte ich seine Schritte fast überhört. Einen roten Kummerbund mit breitem Ledergürtel, an dem seine Messer hingen, hielten die Jacke mit der tiefsitzenden Kapuze zusammen. Lederarmschienen, ein Schulterpanzer dessen Riemen quer über die Brust ging und ein Umhang komplettierten die Gewandung.

Er sah aus wie ich mir einen Assassinen vorstellte. Sein Gesicht konnte ich wegen der Kapuze nicht sehen, doch seinen stechenden Blick konnte ich spüren. Langsam ging ich auf ihn zu. Das Kleid schwebte im Wasser und legte sich eng an meinen Körper als ich aus ihm emporstieg. Die Luft zwischen uns knisterte. Uns trennten nur noch wenige Schritte, aber ich wagte es nicht mich weiter zu nähern. Er reichte mir mein Messer und hob seinen Kopf, aber nur so weit das ich sein Kinn und Mund sehen konnte. „Ihr solltet euer Messer nicht einfach so rumliegen lassen!“ Seine Stimme war dunkel und etwas belustigt. Die Situation erinnerte mich an unsere erste Begegnung. Doch dieses Mal war ich diejenige die ihn fordernd ansah. Bei dem Versuch ihm mein Messer abzunehmen, zog er es schnell aus meiner Reichweite und trat einen Schritt zurück. „Ihr solltet aufpassen wem ihr das Messer klaut, Dieb!“ Knurrte ich zur Antwort und trat noch einen Schritt aus dem Wasser heraus. Er grinste schief und steckte mein Messer an seinem Gürtel. „Dann holt es euch doch zurück!“ Er hatte den Satz noch nicht ganz ausgesprochen, da machte ich einen Satz nach vorn, zog ihm ein Bein weg und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Wassertropfen aus meinem Kleid flogen durch die Luft und glitzerten wie kleine Diamanten. Er fiel mit einem dumpfen Aufschlag zu Boden.

Siegessicher nahm ich mein Messer aus seinem Gürtel und grinste ihn süffisant an. Doch er hatte sich schnell von dem Angriff erholt, sprang auf und warf mich zu Boden. Keuchend saß er auf meiner Hüfte, meine Hände seitlich neben meinem Kopf auf den Boden fest gehalten und mit seinem Gesicht direkt vor meinem. „Netter Versuch“, grinste er über mir. Ich fühlte seinen Triumph, doch mit einem gezielten Tritt warf ich ihn vornüber, so dass wir uns wieder gegenüberstanden. Beide mit gezückten Messern, taxierten wir uns gegenseitig. „Ich habe dich wohl unterschätzt!“ die Mütze war ihm vom Kopf gerutscht und ich konnte Alec in die amüsiert aufblitzenden Augen sehen. Bevor ich antworten konnte, setzte er wieder zum Angriff an. Mit dem Messer voran, versuchte er mir seitlich einen Hieb zu verpassen, doch ich hatte seine Finte durchschaut und trat zur Seite so dass er ins Leere lief. „Ja das hast du, wie damals als ich dich vom Pferd gestoßen habe“. Sein Lächeln sackte etwas ab als er sich erinnerte und versuchte es noch einmal. Ich drehte mich in seine Bewegung hinein und wir verharrten, angesichts der Situation. Siegessicher drückte er mir sein Messer an die Kehle. Mein Mund nur wenige Zentimeter von seinem. „Gewonnen!“ „Da wäre ich mir nicht sicher“, ich drückte meine Klinge etwas fester in seine Rippen so dass er sie spürte. Fluchend senkte er das Messer und ich tat es ihm lachend gleich. „So leicht bin ich nicht zu überraschen“, hauchte ich ihm süffisant auf die Lippen.

Ein Knurren ging durch seinen Geist als er mich an sich drückte und mich leidenschaftlich und hart küsste. Aufgeheizt von dem Kampf und vollgepumpt mit Adrenalin erwiderte ich ihn ebenso heftig. Ich liebte diese Spielchen zwischen uns und genoss das gejagt werden. Er legte einen Arm um meine Taille, hob mich hoch und drückte mich gegen eine Palme. Mit beiden Händen hielt er mich fest gegen den kratzigen Stamm. Bewegungsunfähig verlor ich mich im Strudel der Gefühle und der Leidenschaft seiner Küsse. Sein Mund wanderte von meinen Lippen zu meinem Kinn hinunter am Hals entlang. Meine Haut brannte bei jeder Berührung und entlockte mir ein tiefes Stöhnen. Seine Stimme an meinem Ohr ließ mich erschaudern. „Ich will dich nur für mich Jeanne!“ Ich öffnete meine Augen und sah direkt in die seine. Es lag so viel Ehrlichkeit und Liebe in ihnen und ein brennendes Verlangen, welches auch mir innewohnte. Ich hauchte nur ein: „Nimm mich“ und er ließ meine Arme los. Doch bevor wir das tun konnten, was uns an den Augen abzulesen war, hörten wir eine Stimme die nach uns rief. Eilig zogen wir unsere Gewänder gerade, noch rechtzeitig bevor Daimien um die Ecke bog. Er blieb kurz stehen, starrte uns belustigt an und drehte sich kopfschüttelnd um. „Wir wurden zum Essen geladen“. Alec und ich sahen uns immer noch mit brennendem Blick an, doch folgten Daimien unauffällig. Wir würden das wohl später nachholen müssen. Ich schloss zu ihm auf, er war immer noch in seiner schwarzen Lederkluft gekleidet. „Im Garten, an einer Palme!“ Es war keine Frage, sondern eher ein belustigtes Nachdenken. „Habe ich auch noch nicht im Repertoire“, er schenkte mir ein seltenes Lächeln und ich musste einfach zurück grinsen. „Charmeur, du!“ Den Rest des Weges legten wir schweigend zurück.

Wir wurden schon am Treppenaufgang erwartet. Ein Diener im grauen Gewand wartete an der obersten Stufe und deutete uns ihm zu folgen. Eine Etage höher betraten wir eine große überdachte Terrasse mit Blick über ganz Mogul. An den vier Mann hohen Säulen rankte Blauregen und Wein. Die verschnörkelte Balustrade war ebenso mit Blumen geschmückt und rahmten die kleine Tafel stilgerecht ein. Auf einem großen bunt gewebten Teppich lagen um einen bodentiefen Tisch, viele dicke bunte Kissen die zum Entspannen einluden. Auf den Tischen türmten sich Schalen mit Obst, getrockneten Früchten, geschmortem Fleisch und Gemüse, sowie Unmengen an weiteren Leckereien. Der Maharadscha saß mit Joan schon im Schneidersitz bei einem Becher Wein. Roan kam zeitgleich mit uns an. „Meine Freunde ich hoffe euch gefällt eure Unterkunft und eure Gewänder. Ich war mir mit den Größen noch etwas unsicher, aber es scheint ja alles zu passen“, begrüßte er uns erhob sich und reichte jedem von uns die Hand. Sein Blick fuhr über mein immer noch nasses Kleid, verlangte aber keine Antwort, sondern schmunzelte nur. Als er meine nahm, gab er ihr einen Kuss und sah mich verschwörerisch an. Wir setzten uns und sofort standen neben jedem von uns ein Diener und reichte uns lächelnd einen Becher Wein. Den Männern kredenzten hübsche junge Damen mit langem schwarzen Haar, dunkel geschminkten Augen und mit goldenem Geschmeide geschmückten Hälsen und Handgelenken, die Becher. Nun gut der junge Mann der mir einen goldklaren Wein eingoss, war auch sehenswert, doch nicht so sehr wie die Mädchen nach Alec´s Blicken nach zu urteilen. Noch auffälliger geht es nicht oder? Zischte ich ihn an. Grinsend prostete er mir zu und antwortete. Eifersüchtig? Nun vorbei der süße Schmerz der Leidenschaft. Das verächtliche Schnauben konnte ich nicht unterdrücken und so wand sich der Maharadscha an mich. „Lady Jeanne, missfällt euch etwas?“ Sein Ton klang eher amüsiert, da sein Blick zwischen mir und Alec hin und her wanderte. Ich setzte mein strahlendstes Lächeln auf und legte ihm eine Hand auf den Arm. „Nein eure Hoheit, es ist alles in Ordnung, nur manch einer weiß die Schönheit nicht zu schätzen“. Mit den Augen klimpernd drehte ich mich zu Alec. Joakim musste lachen und tätschelte meine Hand. „Ja verehrteste da gebe ich euch Recht, nicht jeder hat so ein gutes Auge. So nun lang genug geredet, esst!“ Damit machten wir uns über die Leckereien her. Musste das sein? Alec´s Stimme war säuerlich, doch ich ließ mich nicht ins Boxhorn jagen und antwortete ihm honigsüß: Es ist immer gut sich mit dem Hausherrn anzufreunden. Das passte ihm gar nicht, ich konnte seine Missbilligung deutlich spüren. Doch der Triumph gab mir Recht. Er sollte nicht glauben, nur weil wir Vereint waren, das er anderen Frauen schöne Augen machte, das ich sehnsüchtig auf ihn warten würde.

Wärend des Essens redeten wir nicht viel. Ich war eh viel zu sehr damit beschäftigt die vielen einzigartigen Geschmäcker und Gerüche zu erkunden. In Fladenbrot gerolltes Fleisch, süße saftige Früchte, gegrillter Fisch, verschiedene Soßen und gekochte Krustentiere, luden zum schlemmen ein. Roan aß still und ergoss sich in Wein. Daimien deutlich skeptischer aß nur was er offensichtlich kannte, er war kein Feinschmecker und musste sich erst immer an etwas Neues gewöhnen. Joan saß immer noch schweigend und in sich gekehrt neben ihrem Vater und aß nur häppchenweise. Alec hingegen nutzte das volle Angebot, schaufelte sich das Essen nur in sich hinein und flirtete mit den Bediensteten. Es nicht mehr länger aushaltend richtete ich meine Frage die mir seid unserer Ankunft auf der Seele brannte. „Eure Hoheit…“, sofort wurde ich unterbrochen. „Bitte nennt mich Joakim, Lady Jeanne!“ Etwas ins Stocken geraten setzte ich nochmal an. „Joakim, wir haben auf unserem Weg durch die Stadt eine Statue in einem Springbrunnen gesehen die mich verblüfft hat“. Wieder unterbrach mich der Maharadscha mit leuchtenden Augen. „Ihr meint bestimmt die von Renaria und Lucien?!“ Ich nickte. „Vater, die Geschichte ist uralt und nicht mehr als eine Geschichte“, ging Joan dazwischen. Doch er winkte nur ab und sprach weiter. „Seit den Tagen des Krieges gibt es eine Prophezeiung“, gespannt hingen wir an seinen Lippen. Er hatte etwas Anziehendes an sich, wenn er erzählte, man musste einfach seiner dunklen und samtenen Stimme zuhören.

„Das, wenn sich die Albae wieder erheben würden, eine junge Kriegerin mit ihrem Zauberpferd erscheinen und sie besiegen würde. Aus dem Süden über die Berge kommend mit ihren vier Begleitern. Rotes Haar, blaue Augen und Male am ganzen Körper“. Sein Blick ruhte auf mir. „Sie besagt, dass wer der Kriegerin hilft belohnt wird“. Mein Blick musste wohl etwas verstörend sein, deswegen lächelte er mich freundlich an. „Ich habe euer Pferd gesehen. Er ist etwas Besonderes und die Ähnlichkeit lässt sich nicht leugnen“. „Erzähl ihr doch nicht solche Ammenmärchen, Vater“. In Joan´s Augen blitze die blanke Wut. Sie stand auf und starrte von oben auf ihn herab. „Dein ganzes Leben lang bist du schon auf der Suche nach deiner Kriegerin. Hast mich immer links liegen gelassen und Mutter vernachlässigt. Nur weil Jeanne und Reijkjon so ähnlich aussehen wie deine Renaria, heißt das noch lange nichts. Du solltest dich schämen!“ Damit lief sie davon und verschwand im Inneren des Palastes.

Traurig und beschämt, sah Joakim auf seine Hände. „Es tut mir leid, dass ihr das mitanhören musstet, sie hat ja Recht, ich hätte mich besser um sie und ihre Mutter kümmern müssen.“ „Was ist passiert?“ Daimien stellte die Frage, welche auch mich beschäftigte. Joan erzählte nie etwas über ihre Familie, so nutzte ich die Gelegenheit mit ihrem Vater zu sprechen. Joakim hob seinen Kopf und schien weit weg zu sein. „Als ich jünger war, besessen von der Idee genau diese Kriegerin zu finden, zog ich los und suchte in jeder Oase, in jedem Dorf und jeder Stadt nach ihr, aber vergebens. Die ersten zehn Jahre von Joan´s Leben verbrachte ich außerhalb des Palastes auf dem Rücken meines Pferdes. Eines Tages aber wurde Mogul angegriffen, von einem jungen Prinzen aus Jola. Ihm war meine lange Abwesenheit nicht entgangen und er nutze die Gelegenheit. Wir konnten den Angriff zwar abwehren, aber Joan´s Mutter wurde dabei00000 getötet. Seit dem Tag habe ich mir geschworen mit der Suche aufzuhören und mich um sie zu kümmern. Doch sie hegte einen so starken Groll gegen mich, dass sie sich ihren Kopf kahl schor, das Erbe abtrat und bei den Priestern und Gelehrten in die Lehre ging. Vor drei Jahren verließ sie Mogul ganz und bis heute hatte ich nichts von ihr gehört“.

Schweigen trat in unsere Runde und ich dachte über seine Worte nach. „Es tut mir leid was euch vorgefallen ist. Bitte entschuldigt das wir nicht lange bleiben können.“ Sein Blick wurde wieder etwas klarer und Neugierde keimte auf. „Ich weiß das Joan nicht bleiben wird und ich weiß das ihr Moria sucht“. „Woher?“ Roan´s Stimme war alarmiert. Der gerade noch in sich versunkene Vater, richtete sich wieder auf zu einem Herrscher. „Nun ja, ich habe überall meine Spione und Gerüchte gehen durch das Land. Wenn man eins und eins zusammenzählt und sich wie ich mit der Prophezeiung auseinandersetzt, war mir das klar“. „Wisst ihr wie wir nach Moria kommen?“ Meine direkte Frage überraschte ihn. Anscheinend hatte er mit mehr gespielter Unwissenheit gerechnet, doch wir hatten nicht ewig Zeit. „Nein!“ „Nein?“ Alec klang so bestürzt, wie ich mich fühlte. „Nein, ich kann es euch nicht sagen, aber der Wächter kann es“. Irgendwo hatte ich schon einmal etwas von dem Wächter gelesen. „Die Bibliothek!“ Es fiel mir wieder ein. Überrascht und ernst sah mich Joakim an. „Woher wisst ihr davon?“ „Aus dem Tagebuch Salomons“. Der Maharadscha entspannte sich wieder. „Welche Bibliothek?“ lallte der mittlerweile betrunkene Roan. „Verborgen in einem Sandsturm, an einem Ort den niemand kennt, liegt unter dem Sand verborgen eine Bibliothek die alles Wissen der Welt enthält. Zeit spielt an diesem Ort keine Rolle. Egal was man aus der Vergangenheit oder der Zukunft wissen will, sie kennt auf alles eine Antwort!“

Daimien runzelte die Stirn. „Und der Haken?“ Joakim räusperte sich. Den Ort kann ich euch zeigen, doch ihr müsst den Wächter überzeugen euch Eintritt zu gewähren. Oder ihr sterbt.“ „Und was muss man machen?“ Alec schien besorgt. „Nun ja, jeder der nach der Bibliothek suchte und sie fand, redet kein Wort darüber. Die die es versuchten, verschluckten sich an ihrer Zunge und verstummten auf Ewig.“ „Und da willst du hin?“ Alec sah mich an als wäre ich verrückt. „Müssen wir, es ist der einzige Weg Moria zu finden“, entschlossen sah ich in die Runde und sah nach kurzen Zweifeln dieselbe Entschlossenheit in ihren Gesichtern. Joakim lehnte sich in die Kissen zurück und sah uns einem nach dem anderen an. „Ihr wollt wirklich die Bibliothek finden! Nun gut, ich werde euch morgen Dastan mitschicken. Er kennt die Gegend wie seine Westentasche. Doch jetzt genießt den Abend, wir sehen uns morgen.“ Er stand auf, verneigte sich noch einmal zum Abschied und wank einen Musiker heran, der auf einer kleinen Gitarre spielte. Wir wurden weiter mit Wein versorgt und Tänzerinnen wanden sich zu den orientalischen Klängen. Ich gönnte mir diesen einmaligen Genuss und bewunderte den Sonnenuntergang. Er war anders als zu Hause, deutlich farbintensiver und größer. Ich musste wieder an Rathiel denken, doch die Verbindung blieb still.

Angetrunken machte ich mich mitten in der Nacht auf den Weg in meine Gemächer. Die anderen feierten noch weiter. Alec hatte ich mit einer der Tänzerinnen weg gehen sehen. Ich versuchte mir einzureden das es mir nichts ausmache, doch es versetzte mir einen Stich ins Herz als ich sah wie er diese Frau berührte. Ihr schien es auch sehr zu gefallen, denn sie lachte bei jedem Wort was er sagte und rieb sich regelrecht an seinem Schoß. Angewidert von ihrer Schamlosigkeit, konnte ich nicht weiter hin sehen. Als sie endlich gegangen waren, stellte ich mir die Frage warum das Schicksal ausgerechnet mir einen solchen Frauenhelden als Vereinten zur Seite stellte. Wütend und verletzt hatte ich mich schnell von den anderen verabschiedet. Um den Kopf etwas frei zu bekommen und der Wirkung des Weines entgegen zu wirken, ging ich die Treppe hinunter in den Garten. Eine kühle Brise kühlte meine erhitzte Haut. Die frische Luft lüftete meine vernebelten Gedanken und ich genoss es wie der Wind mein Kleid aufwirbelte und meine Haare zerstob. In der Ferne am Rande der Stadt sah ich kleine Sandwirbel. Die Palmen bogen sich rauschend im Wind und ich genoss die Ruhe die er mit sich brachte. Mit dem Blick in den sternenklaren Himmel, fühlte ich mich sehr klein und alleine. Zweifel waren seit Beginn unserer Reise immer wieder in mir aufgekeimt und in solchen Momenten wurden die Stimmen immer lauter. Trauer stieg in mir auf. Trauer wegen Sina, dem Wolf und wegen der aussichtslosen Situation, wegen Rathiel der nicht mehr an meiner Seite war und wegen der ungeklärten Beziehung mit Alec. Seufzend wand ich mich wieder ab und machte mich auf den Weg in mein Gemach.

Da unsere Zimmer direkt nebeneinander lagen, kam ich nicht um hin an seinem vorbei zu gehen. Die Tür stand offen. Ich war immer noch wütend auf ihn und wie um mich selbst zu strafen, wagte ich einen Blick hinein. Doch ich hatte einen anderen Anblick erwartet. Wie gebannt sah ich ihn an. Er stand nur in Hosen an seinem Diwan gelehnt und tupfte mit einem Tuch seine Seite ab, genau an der Stelle an dem ihn der Wyrg verletzt hatte. Er wurde von hinten vom Mondlicht beleuchtet. Seine Silhouette war klar zu erkennen. Die breiten starken Schultern, der flache gut bemuskelten Bauch und die sehnigen Arme. Sein Gesicht lag unerkannt im Schatten. Seine Haare hingen ihm ins Gesicht. Er schwitzte leicht, was bei der Wärme nicht verwunderlich war. Seine Haut schimmerte leicht in dem kühlen Mondlicht und ließ ihn unwirklich erscheinen. Die Wut verflogen und der Sorge gewichen, trat ich durch die Tür, schloss diese hinter mir und ging auf ihn zu. Als er überrascht den Kopf drehte und mich ansah, blitzten seine Augen auf. „Jeanne!“ „Wieso sagst du nicht das die Verletzung nicht verheilt?“ Es sollte nicht vorwurfsvoll klingen, aber ich machte mir Sorgen seit dem Vorfall im Zwergenreich. Ich nahm ihm das Tuch ab und sah mir die Wunde an. Sie sah aus als wäre sie ihm gerade erst zugefügt worden. An den Rändern führten dunkle Linien verzweigt über seinen ganzen Körper. „Das ist nur ein Kratzer“, sein Atem ging schwer und er sah müde aus. „Das ist eine Vergiftung, deswegen heilt die Wunde auch nicht“, fluchte ich. Ich griff nach meiner Stele, doch die hatte ich Rathiel mitgegeben. „So kannst du unmöglich weiter mit uns reiten. Ich muss das Gift irgendwie aus deinem Körper bekommen“, meine Gedanken rasten und durchforsteten meine Möglichkeiten. Dann fiel es mir wieder ein. Eilig sah ich mich nach einer schmalen Phiole um und wurde im Badezimmer fündig. Ich füllte den Tonbehälter mit Wasser und eilte zurück. Alec sah mich irritiert an, doch ich konzentrierte mich auf das Wasser. Leise murmelte ich eine Zauberformel und spürte wie die Phiole immer kälter wurde, bis der Ton unter dem gefrorenen Wasser zerbarst. Zurück blieb ein Eiszapfen dessen spitze ich nun unter Alec´s Stöhnen leicht in die Wunde drückte. „Ok, jetzt musst du die Zähne zusammenbeißen!“ Alec verzog gequält sein Gesicht. Als ich die Reinigungsformel sprach und sich das Gift in die Eisstele zog, wurde Alec´s Atmung immer heftiger und er stöhnte schmerzerfüllt.

Es brauchte ein paar Sekunden bis das Gift vollends aus seinem Körper gezogen wurde und es schwarz in dem Eiskristall waberte. Ich zog die Stele aus seiner Wunde, sprach einen Feuerzauber und das Eis verdunstete samt Gift in meiner Hand. Alec brach zusammen, seine Beine knickten weg wie dünne Äste. Mit letzter Kraft hievte er sich mit meiner Hilfe auf sein Bett. „Bleib liegen, ich kümmere mich um deine Wunde“. Bevor ich aufstehen konnte, hielt er mich mit erstaunlich festem Griff am Arm fest. Ich sah in seine grünen funkelnden Augen und wieder einmal begann mein Herz zu rasen. Sein Blick war intensiv und voller Leidenschaft. „Danke, Jeanne, schon wieder“. Mein Mund war zu trocken um etwas zu sagen und ich blieb stumm. Wut, Frust und Verlangen kämpften um die Oberhand. Er brachte mich zur Weißglut, dennoch konnte ich ihn nicht sterben lassen. Er ließ mich los und ich eilte ins Bad um Verbände zu holen. Aus meinem Zimmer klaubte ich noch aus meiner Tasche ein Döschen mit einer Kräuterpaste und machte mich auf den Rückweg. Alec war im Halbschlaf als ich mich neben ihm auf das Bett setzte. Die feinen schwarzen Äderchen waren verschwunden. Vorsichtig tupfte ich Wundwasser aus dem Schnitt und trug etwas von der Kräuterpaste auf. Sie sollte kühlen und die Wundheilung anregen. Mit den Verbänden wickelte ich seinen Rumpf ein. Einen Moment blieb ich sitzen und musterte den schlafenden Alec. Bei dem Gedanken wie er diese Frau hier beglückt haben musste, zerriss es mir das Herz und Eifersucht zerfraß meine Gedanken. Doch er war nun mal mein Vereinter, mein Seelengefährte und Waffenbruder. Ich würde mein Leben für ihn geben. Ich verstand nur nicht wie er mich so sehr zu begehren schien und anderweitig mit jeder dahergelaufenen anderen Frau schlafen konnte. Es würde wohl ein Rätsel bleiben. Enttäuscht traf ich eine Entscheidung und verließ das Zimmer.

 

 

Der Wächter

 

Bevor ich ins Bett gehen konnte, musste ich aber noch nach Joan sehen. Ihr kleiner Wutausbruch war so gar nicht typisch für sie. Dank eines Dieners fand ich die Tür zu Joan´s Gemächern relativ einfach. Vorsichtig klopfte ich an ihre Tür. Als keine Antwort kam, öffnete ich sie einen Spalt breit und lugte hinein. „Joan? Ich bin´s Jeanne.“ Doch ich bekam abermals keine Antwort. Der Raum wurde nur durch den Mond, der durch das große Balkonfenster schien erhellt und so dauerte es einen Moment bis meine Augen sich an das Licht gewöhnten. Ihr Zimmer war genauso eingerichtet wie die unsere, man sah das sie nicht hier wohnte. Ich suchte das Zimmer ab und fand sie auf der Balustrade des Balkons. Still saß sie dort und sah in die Ferne. Ich ging langsam durch die wehenden Vorhänge auf sie zu und versuchte sie nicht zu erschrecken. „Joan, darf ich mich zu dir gesellen?“ Sie antwortete mir nicht, aber ihre Gegenwehr sank und ich setzte mich neben ihr auf die breite Balustrade.

„Ich dachte immer das es meine Schuld war, dass er sich so auf diese Prophezeiung fixierte. Das ich nicht dem Ideal entsprach, welches er sich vorstellte. Ich dachte das er sich diesen Mythos nur ausdachte, weil ich dem nicht entsprach. Und dann passierte dieser Überfall…“ Ihre Stimme war leise und verbittert. Ihr Gesicht war zu einer verzweifelten Fratze verzogen. „Wie konnte er sie einfach so sterben lassen?“ Tränen rannen ihr über die Wangen. Sie sprach mehr zu sich als zu mir, so hörte ich ihr einfach nur zu. Ich konnte ihren Schmerz verstehen, ich hatte meine Eltern nie kennen gelernt und war einerseits sauer das sie mich einfach im Stich gelassen hatten und andererseits sehr traurig. „Ich denke das er alles Menschenmögliche getan hat um euch zu schützen. Joan es tut ihm sehr leid und er leidet unter seiner Schmach.“ „Das hätte er sich früher überlegen sollen!“ spie sie aus und sah mich zum ersten Mal an. In ihren Augen lagen Wut, Verbitterung und die Trauer eines kleinen Mädchens. Ich nahm ihre Hand und sah ihr tief in die Augen. „Jeder macht mal Fehler, das ist menschlich. Er versucht uns jetzt zu helfen und nicht wegen dieser Prophezeiung, sondern dir zu liebe. Verzeih ihm, er hat genug gelitten.“

Joan wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und nickte. „Wahrscheinlich hast du Recht. Was bringt der ganze Groll, wenn wir Tod sind“. Ich schenkte ihr ein Lächeln und nickte ihr zu. „Das sehe ich ganz genauso“. „Danke Jeanne“, ihr Lächeln war mir Dank genug. „Ich habe wenigstens noch die Chance meinem Vater zu verzeihen“, Mitgefühl lag in ihrem Blick. Das es plötzlich um mich ging, machte mich ein wenig nervös. „Ach mach dir wegen mir keine Gedanken, Irgendwann werde ich meine Eltern finden!“ Versicherte ich ihr optimistisch und lächelte sie an. Joan schien es mir abzukaufen, vorerst. Wir standen auf und verließen das Zimmer. „Ich werde ihn mal suchen und gucken ob ich es wieder geradebiegen kann“. Sie wand sich ab zum Gehen hielt aber noch kurz inne. „Ach Jeanne, bevor ich es vergesse. Ich habe tatsächlich etwas über deine angeblichen Eltern gefunden. Ich erzähle es dir morgen“. Ich nickte ihr zum Abschied zu und ging wieder in mein Zimmer. Was auch immer Joan gefunden hatte, würde bis morgen warten müssen. Einerseits wollte ich es wissen, andererseits hatte ich auch Angst. Der morgige Tag würde einige Überraschungen bereithalten.

Nach einer relativ kurzen Nacht wachte ich am nächsten Morgen mit leichten Kopfschmerzen auf. Der Wein hatte leider auch negative Eigenschaften. Schnell wurde das Gepäck zusammengesammelt und ich zog meine Reisegewandung wieder an. Der Diener hatte sein Wort gehalten und mir meine Kleider sauber und geflickt zurück gebracht. Wieder in Hosen, Stiefeln, Bluse und Mantel fühlte ich mich wieder wie ich selber. Alec kam zeitgleich aus seinem Zimmer und sah deutlich besser aus. Er hatte wieder Farbe im Gesicht und seine Augen waren wieder klar und strahlend. „Guten Morgen“ strahlte er mich an. „Guten Morgen“ antwortete ich ihm höflich. Verwundert zog er die Augenbrauen hoch. „Warum so förmlich?“ Ich musste den Drang ihm eine rein zu hauen widerstehen. Wie konnte er mich nur so fröhlich angrinsen, nachdem er mich betrogen hatte? „Ich weiß nicht was du meinst“, antwortete ich ihm nur knapp und machte mich auf den Weg in die Stallungen. Einfach so stehen gelassen sah er mir hinterher. Schnellen Schrittes hallten meine Schritte auf den steinernen Stufen von den Wänden wieder. Er holte mich in der großen Eingangshalle ein. „Jeanne, was ist los?“ Seinem Griff um meinen Arm konnte ich nicht entkommen. So blieb ich stehen und sah ihm fest in die Augen. „Mich geht es nichts an mit wem du des Nachts verkehrst, solange es unsere Aufgabe nicht gefährdet“. Sein verständnisloser Blick schürte meine Wut zunehmend. „Wovon redest du?“ Auch er funkelte mich missbilligend an. „Selbst wenn ich mein Bett mit wem geteilt hätte, ist es dir doch egal!“ Seine Aussage verletzte mich sehr. Ich entriss ihm meinen Arm und hätte ihm am liebsten eine geknallt, als wir von einer freudigen Frauenstimme unterbrochen wurden. Die Tänzerin des gestrigen Abends kam freudestrahlend mit einem in Tuch gewickelten Päckchen auf Alec zugeeilt. Ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen, fiel sie ihm um den Hals. Wutentbrannt und mit gebrochenem Herzen wand ich mich von den beiden ab und verschwand zwischen den Säulen. Nur weg von ihm und meinen Gefühlen für ihn.

Ich eilte schnell zu Reijkjon und umarmte den schönen schwarzen Hengst. Sein Duft und das weiche Fell hatten mir gefehlt. „Hallo mein Hübscher, bitte verzeih das ich dich gestern nicht mehr besucht habe“. Er stupste mich etwas unsanft in die Rippen und schnaubte empört. Lachend knuffte ich ihn in den Hals und wuschelte seine Mähne durch. Mir ging jedes Mal das Herz auf, wenn ich in Reijkjon´s Nähe war, er war unkompliziert, immer für mich da und hat mich schon aus gefährlichen Situation herausgebracht. „Er hatte die beste Nacht seines Lebens!“ Die dunkle und verschmitzte Männerstimme gehörte zu einem gut aussehenden Mogulen der auf uns zu kam mit einer weißen Schimmelstute an seiner Hand. Als Reijkjon sie sah, wölbte er den Hals und schnoberte in ihre Richtung. „AH du alter Charmeur, hast du Damenwelt unsicher gemacht?“ Der Mann kam vor mir zum Stehen und reichte mir seine Hand zum Gruße. „Mein Name ist Dastan und ich freue mich euch auf eurer Reise begleiten zu dürfen“. Ich nahm seine Hand an und wir stellten uns untereinander vor. Er sah wirklich gut aus. Ebenfalls in Assassinenkleidung wie auch Alec sie wieder angezogen hatte, wirkte er aber noch drahtiger. Er war etwas kleiner als Alec, aber seine Bewegungen glichen dem einer Raubkatze. „Ich hoffe das Fest hat euch gefallen?“ fragte er mich während ich mein Pferd striegelte und aufzäumte. „Ja es war schön mal wieder unbesorgt ein wenig zu entspannen“. Mein leicht gequältes Grinsen schien ihn nicht zu stören. „Zu viel Wein?“ Sein Blick ruhte auf meinem Gesicht. „Ein wenig“, tat ich gequält und führte Reijkjon aus seiner Box. Er lachte leise, er hatte eine jungenhafte Stimme die im starken Kontrast zu seinem Erscheinungsbild stand. „Das verfliegt nach ein paar Stunden im Sattel“, versprach er mir mit einem Zwinkern als wir zum Eingangstor gingen. Ich seufzte an den Gedanken meines jetzt schon schmerzenden Hinterns.

Als Alec mich mit Dastan sah verfinsterte sich sein Gesicht, doch es war mir gleich. Zumindestens zwang ich mich dazu. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, kamen Joakim und Joan die Treppe hinunter. Beide strahlten und lachten zusammen. Sie hatten sich ausgesprochen, Gott sei Dank. Sie verabschiedeten sich mit einer Umarmung. Joakim verabschiedete sich von jedem einzeln und stellte Dastan noch einmal für alle vor. „Ich darf euch Dastan vorstellen. Er ist mein bester Wüstenführer und Spurenleser und wird euch bis zu eurem Ziel bringen. Er mag zwar klein sein, aber er hat es Faust dick hinter den Ohren“. Wie beste Freunde legte er einen Arm um Dastan´s Schulter und drückte ihn freundschaftlich, der beschämt lächelte und sich dann auf seine Stute schwang. An mich gerichtet nahm er meine Hände in die seinen und sprach: „Lady Jeanne, ich weiß nicht wie ich euch danken kann. Ihr habt mich mit meiner Tochter wieder zusammengebracht. Selbst wenn ich sie nie wiedersehen sollte, kann ich glücklich sterben“. „Es war mir eine Ehre, ihr habt ebenso viel für uns getan. Ich hoffe wir sehen uns irgendwann wieder!“ Er küsst wieder meine Hand und zwinkerte mir zu. „Ich würde mich sehr freuen“. Alec hörte ich im Geiste kotzen.

Wir schwangen uns auf unsere Pferde und ritten winkend aus dem Innenhof. Alec setzte sich direkt neben mich hinter Dastan und Joan die voran ritten. „Ich weiß nicht was du an dir hast das du die Gunst der Männer gewinnst, aber es gefällt mir gar nicht“. Spottete er verächtlich. „Du solltest dich überhaupt nicht aufregen, du bist mir doch selbst verfallen“, antwortete ich ihm gespielt süffisant. „Das mag sein, aber das beruht auf Gegenseitigkeit“. Immer diese arrogante Leier. Mit neuem Proviant bepackt, in frischen Gewändern und einem neuen Gefährten an der Seite, setzten wir unsere Reise fort.

Aus der Stadt hinaus kamen wir deutlich schneller als am gestrigen Tag. Sobald die Menschen unsere Reisegruppe mit Dastan vorn an der Spitze sahen, machten sie Platz. Ehrfürchtiges Schweigen und Verbeugungen brachten sie uns entgegen. Ist das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen, das die Menschen Dastan gegenüber so unterwürfig sind? Eigentlich hatte ich es nur für mich denken wollen, doch Alec gab mir prompt Antwort. Das werden wir noch sehen. Alec misstraute Dastan. Verständlich, da wir anscheint eine Gegenmacht hatten, die unsere Aufgabe zum Scheitern bringen möchte, da können wir es uns nicht leisten jemanden an unserer Seite zu haben, dem wir nicht vertrauen können. Doch die Menschen erkannten ihn anscheint nur als den königlichen Fährtenleser an und ehrten ihn. Von Joan mal ganz abgesehen.

Das Tor hinter uns gelassen, konnte ich das erste Mal wieder etwas durchatmen. Diese Menschenmengen und die engen schmalen Gassen raubten mir den Atem. Mogul verschwand langsam am Horizont wärend Dastan uns durch die hohen Dünen der Jackarwüste gen Osten führte. Die Sonne stand schon hoch am Himmel und trotz der frühen Morgenstunde brannte sie erbarmungslos auf uns nieder. Unter meinem Mantel blieb es dank magischer Fasern angenehm kühl, doch den anderen machte bis auf Joan und Dastan die Hitze sehr zu schaffen. Roan hatte gestern noch gut getrunken und saß kreidebleich und leicht schwankend auf seinem Pferd. Selbst Daimien sah nicht sehr gesund aus. Er war noch stiller als sonst, wenn das überhaupt noch möglich war, und streichelte abwesend sein Frettchen. Meine Gedanken schwirrten immer noch um den Streit mit Alec, der stoisch geradeaus neben mir her ritt. Doch ich verbannte sie und konzentrierte mich auf die Wüste vor uns.

„Sagt Dastan, woran orientiert ihr euch um uns zu der Bibliothek zu bringen?“ Meine Stimme durchbrach die brütende Hitze. Dastan ließ sich neben mir zurückfallen und lächelte mich verschwörerisch an. „Wenn ich euch das sagen würde, bräuchtet ihr mich nicht mehr.“ Etwas beleidigt kräuselte ich meine Lippen. „Aber da ihr es seid und da zwei Augenpaare mehr sehen als eines, sage ich euch worauf wir achten müssen“. „Wie großzügig von euch!“ entgegnete ich ihm leicht schnippisch. Dastan schmunzelte und deutete auf den Horizont und dann auf die Sonne. „Wir reiten gen Osten, wie ihr vermutlich bereits am Stand der Sonne bemerkt habt. Da der Eingang zur Bibliothek zu wandern scheint, gibt es keine genaue Koordinate, wir müssen teilweise etwas Glück haben.“ „Das klingt ja vielversprechend!“ warf Alec seinen spöttischen Kommentar dazwischen. Dastan reagierte nicht darauf und sah mich weiter an. „Seht ihr die große Düne dort am Horizont?“ Ich kniff meine Augen zusammen hob meine Hand, zum Schutz gegen das gleißende Sonnenlicht und machte tatsächlich in der Ferne eine besonders große weiße Düne aus. „Sie ist unser Anhaltspunkt. Dort sollte der Sandsturm uns finden.“ „Ihr wart noch nie dort?“ Alec´s zweifelnde Frage ließ mich aufhorchen. Etwas verlegen fasste Dastan sich in den Nacken und lächelte uns spitzbübisch zu. „Nein ich selber war noch nicht dort, aber in diesem Fall werdet ihr mir vertrauen müssen!“ Seufzend schüttelte ich mit dem Kopf und Alec´s Miene versteinerte sich. „Macht euch keine Sorgen, Lady Jeanne, Joakim vertraut mir, dann solltet ihr es auch.“ Mit einem frechen Grinsen ritt er wieder neben Joan und ließ mich und Alec mit unseren Zweifeln zurück.

Bis zum Nachmittag ritten wir durch glühende Sandberge, kühlen Dünentälern und teilweise windigen Ebenen. Joan hatte uns eine Technik gezeigt wie man einen Turban aus unseren Tüchern wickelte. Dieser schützte unsere Köpfe vor der sengenden Sonne und verhinderte, durch ein abnehmbares Stück vor unseren Mündern, das der feine Wüstensand in Nase und Münder gelang. Nur ein schmaler Schlitz für die Augen blieb frei. Es war zwar etwas anstrengender durch den Stoff zu atmen, doch er kühlte tatsächlich unsere Köpfe und schützte vor dem Sand. Die Pferde waren diese Belastung nicht gewöhnt und so mussten wir im Schatten der unzähligen Dünen rasten. Mein Mund war trocken und die Kehle ausgedörrt. Wir hatten zwar unsere Vorräte aufgefüllt, doch da wir nicht wussten wie lange wir in dieser lebensfeindlichen Umgebung bleiben würde, mussten wir sparsam sein. Jetzt aber setzte ich mich erschöpft in den kühlen Sand und gönnte mir ein paar Schlucke Wasser. Daimien setzte sich neben mich, wieder etwas muntere. „Ich bin ja schon viel in unseren Landen rumgekommen. Von den Bergen des Erebor´s, bis über die saftigen Ebenen Theron´s und die dichten Wälder um Mora, aber dieses gottverlassene Stück Erde bringt einen an seine Grenzen.“ Seufzend stimmte ich ihm zu. „Wäre jetzt auch nicht mein bevorzugtes Domizil.“ „Aber das ist nicht das was dir auf dem Herzen liegt, Daimien.“ Ein Grinsen huschte über seine Lippen. „Wie immer durchschaut. Du und Alec hattet euch in Mogul über das unterhalten was in der Garnison passiert ist?!“ „Unser Verdacht, das wir etwas mit den ganzen Missständen und seltsamen Vorkommnissen zu tun haben, hat sich verhärtet. Alec hatte sich umgesehen in Dornsklamm und sich mit ein paar Soldaten unterhalten. Er fand Briefe und Karten die ein Bündnis zwischen Grauwolf und den Albae beweisen. An der Wand in seinem Büro hing eine Belagerungskarte von Theron mit einem albischen Siegel in der Ecke.“ Seufzend schüttelte ich mit dem Kopf. „Es weißt alles darauf hin, dass Grauwolf mit ihnen zusammenarbeitet und er dafür entlohnt wird, wenn er uns hilft und uns an unser Ziel bringt.“ „Das erklärt auch, warum er verdammt freundlich und froh war uns zu helfen.“ Daimien´s Blick sagte mir nichts Gutes. „Trotzdem frage ich mich, was die Albae davon haben, wenn wir das Artefakt vor ihnen finden?!“ „Ganz einfach,“ spuckte ich verächtlich aus. „Die lassen uns die Drecksarbeit machen und luchsen uns dann das Artefakt ab. Hast du die dunkle Wolke bemerkt die uns seid Arum verfolgt?“ Misstrauisch blickte er in den strahlend blauen wolkenlosen Himmel. „Ja sie ist mir aufgefallen. Ist nur die Frage was sie will und wo sie hin ist!“ „Genau das habe ich mich auch gefragt. Ich vermute das sie zu den Spionageexperimenten der Albae gehört. Aber sie hat keine Energie, nichts, als wäre sie nicht da, sonst wäre sie mir erst gar nicht aufgefallen.“ Daimien beobachtete mich und sah mich seltsam an. „Was ist los?“ fragte ich ihn leicht genervt. „Was ist los zwischen dir und Alec?“ Ich wich seinem Blick aus. „Nichts. Da ist gar nichts zwischen uns“, biss ich mir verbittert auf die Unterlippe. „Jeanne, ich kenne dich gut genug, das du wissen müsstest das du mir nichts verheimlichen kannst!“ Seine sorgenvolle Stimme rührte mich, doch ich schüttelte nur den Kopf.

Wärend wir redeten hatte ich immer wieder Sand durch meine Finger rieseln lassen und so hatte sich jetzt ein Muster gebildet. Wärend Daimien noch über meine Worte nachdachte und weiter in den Himmel starrte, sah ich mir das Muster an welches ich unbewusst in den Sand gezeichnet hatte. „Darauf habe ich gewartet“. Dastan stand urplötzlich neben mir uns sah interessiert auf das Muster im Sand. Völlig verdutzt sah ich ihn an und wartete auf eine Erklärung. „Auf was? Das ich im Sand rum male?“ Meinen Kommentar nicht beachtend deutete er auf die Muster. „Nun es konnte nur einer von uns derjenige sein der den Hinweis aufdeckt der uns zur Bibliothek bringt.“ Immer noch auf dem Schlauch stehend starrte ich ihn an. „Wie meint ihr das?“ „Ich meine, dass es selbst mit der Düne als Wegweiser uns nicht gelungen wäre, wenn ihr nicht dieses Symbol erschaffen hättet, welches uns Eintritt verschafft. Nur magiebewandte haben die Möglichkeit das Symbol zu erhalten.“ Ich dachte über seine Worte nach und starrte auf das Symbol, welches sich in mein Gedächtnis einbrannte. Ein verwebtes Netz aus Linien, gleich eines Spinnennetzes in dessen Mitte eine verschnörkelte Rune lag. „Merkt sie euch gut, wir werden sie brauchen!“

Das war der Befehl weiter zu reiten. Dastan bot zur Eile und scheuchte uns auf. Eilig machten wir uns daran die Pferde wieder zu satteln und uns auf den Weg zu machen. In einem zügigen Galopp hielten wir auf die weiße Düne zu. Der aufstobende Sand knirschte zwischen den Zähnen und das schwere Schnauben der Pferde vermischte sich mit einem aufziehenden Tosen. Mein Halstuch vor den Mund gezogen beobachtete ich mit zusammen gekniffenen Augen das sich um uns herum ein Sturm zusammen braute. Wir waren gerade an der Düne angekommen, als Dastan das Tempo drosselte und mir andeutete im Schritt voraus zu reiten. Unsicher was genau ich jetzt tun sollte, führte nun ich die Gruppe an. Wie an einer Perlenkette aufgereiht ritten wir eng hintereinander her. Das Tosen wurde immer lauter und der aufkommende Wind wirbelte den feinen roten Sand auf. Eine riesige Windhose entstand in dessen Mitte wir nun gefangen waren. Der feine Sand setzte sich in Augen und Münder, brannte auf der Haut wie feines Schmirgelpapier und riss an Haaren und Gewänder. Er verschluckte jegliches Geräusch und betäubte die Ohren.

Einer Eingebung folgend sah ich auf und sah wieder diese Gestalt aus Sand vor uns stehen. Die Silhouette eines Mannes in Rüstung zeichnete sich wieder ab, doch dieses Mal deutlich klarer. Gesichtszüge und Einzelheiten hoben sich ab und Farben waren zu erkennen. Wie in Trance starrte ich auf den älteren bärtigen Krieger der in einer matt grauen Elbenrüstung vor mir stand und mich liebevoll ansah. Ein Lächeln erzitterte seinen Bart und ich konnte sogar seine Rüstung leise klappern hören als er, mit einer Hand auf seinem Schwertknauf, auf mich zu kam. Er blieb direkt vor Reijkjon´s Nase stehen, der den Krieger ebenfalls bemerkt hatte und vertrauensvoll seine Nase in die behandschuhte Hand legte. Ebenso freundschaftlich blickte er auf meinen Hengst und streichelte seine Nüstern. Dann sah er wieder zu mir herauf, in seinem ernsten Blick las ich eine Dringlichkeit die mich verunsicherte. „Das Symbol, Ray, du musst es jetzt zeichnen sonst werdet ihr in diesem Sturm umkommen.“ Erstarrt von seiner Stimme, die mir so bekannt vorkam, dass ich nicht wusste woher ich sie kannte und diesem Krieger, der obwohl er in einem tosenden Sturm stand, nicht ein Haar verwehte und dessen Stimme so klar zu hören war, als stände er an einem windstillen Tag neben mir. „Ray?“ war das einzige was ich ihn fragte. „Los, jetzt!“ seine Stimme war ein eindeutiger Befehl und ich zeichnete das Symbol in die Luft vor mir. Tatsächlich erschien es glühend und schwebte für ein paar Sekunden in der Luft. Dann löste es sich in dem Sturm auf und vermischte sich mit dem umherfliegenden Sand.

Der Wind ließ nach und das Tosen beruhigte sich. Die verdunkelte Sonne erstrahlte wieder und wir konnten endlich wieder unsere Augen öffnen. „Was ist passiert?“ fragte Roan von hinten. Doch keiner antwortete ihm, denn vor uns ragte ein schiefer schmaler Turm gut vierzig Fuß hoch aus dem vorhin noch leeren Sand. Dastan trieb sein Pferd voran und wir folgten. Endlich befreit von dem umherfliegenden Sand ließ es sich deutlich einfacher atmen und klarer denken. Joan beobachtete mich wärend wir vor dem Turm absaßen und unsere Pferde am Zügel auf eine Tür in dem weißen Gemäuer zugingen. „Du hast ihn wiedergesehen, stimmts?“ Ihre Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Sie hielt mich am Arm. „Jeanne das mit deinen Eltern, es ist wichtig!“ „Können wir das nicht später bereden?“ wollte ich sie abwimmeln um den anderen zu folgen. „Nein! Es ist wirklich wichtig!“ Ihr fesselnder Blick ließ mich nicht los und so ließ ich sie reden. „Ich kann dir nichts zu hundertprozentig genaues erzählen, aber du musst wissen, das dein Vater etwas besonderes war. Das du etwas besonderes bist“. Ich sah sie etwas irritiert an. „Weißt du wer er war?“ „Nicht ganz!“ „Warum erzählst du mir das dann alles?“ wurde ich doch etwas ungezügelter. „Weil ich eine Vermutung habe“. Versuchte sie mich zu beruhigen. „Du bist König Ragnar´s Lanzherr´s Tochter. Letzter Drachenreiter und Wächter“. Diese Information brachte mich aus dem Konzept. „Das kann nicht dein ernst sein?“ verspottete ich Joan. „Ich, eine einfache Diebin soll die Tochter eines Königs sein?“ „Ja ich weiß es klingt verrückt, doch es macht Sinn. Deine Male, deine Verbindung zu den Elben“, „Moment“, unterbrach ich sie sofort. „Wie kommst du darauf? Ich dachte die Königin verlor jedes Kind?“ Joan bemühte sich merklich ruhig zu bleiben. „In den Aufzeichnungen aus der Zwergenbibliothek und der Kathedrale, geht hervor das Ragnar aus Verzweiflung zu den Elben gegangen ist und sich dort mit einer Elbenfrau vereint hat. Genau aus dieser Vereinigung ging ein Kind hervor. Doch sie verschwand und das Kind mit ihr.“ Meine Gedanken rasten. Das konnte nicht sein. „Das beweist aber noch lange nicht das ich dieses Kind bin!“ Brachte ich ein und hoffte damit ihrer grotesken Geschichte ein Ende zu bereiten. Doch Joan lächelte nur verständnisvoll. „Jeanne, der Name der Elbe war Ray, die hatte laut Spionen und Dienern rotes Haar, ebensolche Male wie du auf dem Körper und du hast die Augen Ragnar´s. Ich sah Gemälde von ihm. Du bist das verschollene Kind, die rechtmäßige Thronerbin Theron´s und eine Drachenreiterin!“ „Stopp!“ schrie ich sie an. Es war zu viel. Es klang alles so sinnig und schön, doch sie hatte keine Beweise. „Joan so gerne wich dir glauben möchte und wie schön das auch wäre“, wiegelte ich sie vehement ab. „Aber du hast keine Beweise!“ Sie sah mich nun mit leerem Blick an. „Horche in dich hinein Jeanne. Du hast ihn jetzt zweimal im Sandsturm, gesehen. Athrandiel hat dich mit deinem Zweitnamen angesprochen. Du weißt das es stimmt!“ sprach sie bestimmt auf mich ein.

Tränen rannen mir über die Wangen. „Wenn das alles stimmt, wieso hat er mich dann nie gesucht?“ Wo ist dann meine Mutter? Und wieso hat mir Athrandiel nie etwas gesagt?“ Ein unkontrolliertes Zittern ging durch meinen Körper. Wut stieg in mir hoch. Joan nahm mich in den Arm. „Das werden wir herausfinden“. Hörte ich ihre gedämpfte Stimme an meinem Ohr. „Ich wollte nur das du das weißt!“ Ich beruhigte mich in ihrer tröstenden Umarmung und das Zittern ließ nach. Sie ließ mich wieder los, so das ich mir die Tränen von den Wangen wischen konnte, die sich unbewusst Bahn gebrochen hatten und nickte ihr nur dankend zu, unfähig zu sprechen. „So und jetzt müssen wir uns auf diese Bibliothek konzentrieren“, ihre aufmunternde Stimmung steckte mich an, Mut und Wissbegierde füllte mein Herz. Ich würde das was Joan mir erzählt hatte später überdenken müssen, jetzt war das was vor uns lag wichtiger. Ich nickte ihr nur zu und konzentrierte mich auf das was vor uns lag.

Die anderen warteten schon ungeduldig am Eingang des Turms. Die Schultern gestrafft ließ ich mir meine aufgewühlten Gefühle nicht anmerken. Dastan betätigte den Türknauf und die Holztür schwang ohne ein Geräusch zu machen auf. Erfreut wie ein kleiner Junge sah er zu uns zurück und ging, gefolgt von seinem Pferd, in das Innere des Turms. Ich folgte ihm an zweiter Stelle. Dämmriges Licht welches von dem Lichtkegel der durch die Tür strahlenden Sonne unterbrochen wurde, nahm uns für kurze Zeit die Sicht. Als unsere Augen sich an das schummrige Licht gewöhnt hatten, sahen wir uns erstaunt um. Wir traten auf eine Empore von dem an sich eine Treppe aus Stein entlang der Turmwände nach unten wand. „Das war ja einfach!“ Roan´s Stimme war noch nicht ganz verhallt, als ein Kreischen aus den Tiefen des Turms zu uns hoch hallte. „Sag das lieber nicht zu laut“, raunte Alec. Die Pferde ließen wir oben auf der Empore und machten uns zu Fuß auf den Weg. Mir gefiel es zwar gar nicht Reijkjon oben zu lassen, aber wir würden deutlich schneller voran kommen ohne sie. „Was war das vorhin?“ Meine Stimme durchbrach die Stille die uns umgab je tiefer wir kamen. „Das war der Wächter“, Dastan´s Stimme, die sonst immer leicht und fröhlich klang, war jetzt ernst und konzentriert. Mit seinem Schwert, angriffsbereit in der linken und einer entflammten Fackel in seiner rechten Hand stiegen wir leise Stufe um Stufe hinunter in die Tiefe. Ist alles in Ordnung? Alec´s Stimme in meinem Kopf war besorgt. Das weiß ich noch nicht. Antwortete ich ihm nur knapp.

Die Anspannung innerhalb der Gruppe wuchs an. Das Sonnenlicht schwand und die Fackeln waren das einzige was uns noch Licht spendete. Mit einem Blick nach oben war mir klar wie tief die Bibliothek liegen musste. Dastan hielt am Ende der Treppe an und starrte auf das was vor uns lag. Es brauchte eine Weile bis sich unsere Augen an das diffuse Licht gewöhnt hatten. Doch schon nach wenigen Sekunden zeichnete sich aus den Schatten gewundene Säulen ab, die im dunklen Nichts endeten. Die Decke war so hoch das man sie nicht mehr erkennen konnte. Zwischen den Säulen waren ebenso hohe Bücherregale auszumachen in denen unzählige Bücher standen. Direkt vor uns weitete sich im Schein unserer Fackeln ein runder Innenhof aus von dem die Säulengänge aus in alle Himmelsrichtungen abzweigten. Auf dem glatten dunklen Marmor war jeder unserer Schritte zu hören, als wir auf die Lichtung im Bücherwald zugingen. Es war ruhig, sehr ruhig. Ich konnte fast meinen eigenen Herzschlag in meinen Ohren hören. Jedes Geräusch was wir machten, klang unnatürlich laut und ließ uns zusammenzucken.

In mitten des Kreises zierten Intarsien und Symbole aus Silber, Gold und anderen Edelmetallen den schwarzen Stein. Ich konnte ein paar entziffern. Sie handelten von all dem Wissen und deren Überbringern und Sammlern der Welt in dieser Bibliothek. Von Menschen, Zwergen, Elben, Albae bis hin zu Drachen, wurde das Wissen über Jahrtausende hier hergebracht. Völlig überwältigt von dem Ausmaß dieser Bibliothek kamen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. Joan stand an einem der Regale und fuhr ehrfürchtig über die Buchrücken, bedacht ihnen mit der Fackel nicht zu Nahe zu kommen. Die anderen sahen sich wachsam um und lauschten jedem Geräusch. „Das gefällt mir gar nicht," raunte Daimien, der neben mir mit gezückter Waffe stand. „Es ist viel zu ruhig hier." Stumm pflichtete ich ihm bei und versuchte etwas in den dunklen Gängen zu erblicken, doch das wenige Licht der Flamme erhellte nur einen kleinen Kreis. Die Schatten waren ungewöhnlich dicht, so als bestünden sie aus Pech, dick und undurchdringlich.

Plötzlich fuhr Alec herum und starrte in einen Gang hinter uns. „Was ist?" Meine Stimme zitterte ein wenig. „Ich meine ich hätte was gesehen", etwas irritiert drehte er sich wieder zu uns um. Aus den Augenwinkeln, sah ich einen großen Schatten durch die Bücherreihen huschen. Doch als ich hinsah, war er verschwunden. Das einzige was ich wahrnehmen konnte war ein leichter Windhauch und eine Art Rauschen. „Habt ihr das auch gehört?" Roan klang so angespannt wie ich mich fühlte. Dastan nahm seine Fackel, ohne Roan weiter zu beachten, stellte sich in die Mitte des Kreises und rief: „Wächter des unendlichen Wissens, wir sind gekommen um Antworten zu finden. Zeige dich!" Ich erschrak, wegen seiner lauten Stimme, die weit in die Gänge hallte und wartete gespannt auf eine Antwort. Doch es geschah nichts. Die Stille war erdrückend und tat regelrecht weh in den Ohren. Doch wie ein herannahender Sturm, ertönte ein Geflüster. Erst wie ein Flüstern, doch nach und nach verstand ich Worte0. „Antworten?" Es klang fast sarkastisch. „Antworten sucht jeder der diesen Ort betritt, doch seid ihr auch würdig?“ Die Stimme erklang über uns und schien aus allen Richtungen zu kommen. Hektisch richteten wir unsere Fackeln in die Dunkelheit die uns zu erdrücken schien, verzweifelt nach der Suche des Wächters.

Plötzlich von Mut ergriffen, richtete ich mein Wort an die dunkle Stimme. Es war nicht nur eine bestimmte. Es schien als würden mehrere Stimmen gleichzeitig sprechen. „Ehrwürdiger Wächter, wir suchen den Standort Moria´s und brauchen Eure Hilfe." „Schmeicheleien bringen euch nicht weiter, ehrwürdige Drachenprinzessin!" Seine Stimme schien direkt über mir zu schweben, doch dort war nichts außer tiefste Finsternis. „Drachenprinzessin?" meine Frage war kaum hörbar, doch das hämische Lachen schallte durch den ganzen Raum. „Ihr seid auf der Suche nach dem Artefakt und nach eurer Vergangenheit. Was habt ihr damit vor? Die Weltherrschaft an euch reißen?!" Es war keine Frage, sondern eher eine Feststellung. Kurz aus dem Konzept gebracht, sammelte ich mich schnell wieder und ergriff das Wort. „Ihr habt Recht, wir sind auf der Suche nach dem Artefakt, aber wir wollen es zerstören." „Das versprachen sie alle, doch alle haben sie ihr Versprechen gebrochen!" Fuhr er mir enttäuscht dazwischen. „Nun gut, beweist eure guten Absichten und ihr erhaltet eure Antworten!"

Daimien trat von hinten an mich ran und flüsterte mir misstrauisch ins Ohr. „Das ist eine Falle, lasst uns umkehren, noch haben wir die Möglichkeit!" Unbeirrt von seinen Bedenken, sah ich in die Runde und ihn ihren Blicken las ich die selbe Sorge. „Wir haben wohl keine andere Wahl, nennt uns eure Aufgabe!" Ein sarkastisches Lachen erfüllte den gesamten Raum und schwoll an zu einem gehässigen Kreischen. „Nun gut. Ihr seid nicht die ersten die zu uns kommen und einen Gefallen erbeten. Bis jetzt waren meine Rätsel von guter Natur, aber ich fühle mich hier einsam und sehne mich nach Gesellschaft." Ein eisiger Schauer lief mir den Rücken hinunter. Daimien ballte wütend seine Fäuste und starrte ins Dunkle. Alec und die anderen sahen ebenso wenig begeistert aus. Eine böse Vorahnung erschlich sich in mir. „Sprich". „Einer von euch wird hierbleiben, bis zum Ende seiner Tage. Einer von euch, wird zum neuen Wächter des Wissens. Wir werden auch älter und es wird an der Zeit. Doch nicht wir werden den Denjenigen auswählen, sondern Ihr Drachenprinzessin." Völlig verdutzt starrte ich in die Dunkelheit und meinte ein paar goldene Augen zu erkennen, die über uns schwebten.

„Ich?" überfordert sah ich in unsere Runde und sah in genauso überforderte Gesichter. Roan trat plötzlich vor und sah mir fest in die Augen. „Jeanne, lass mich hier. Dort oben gibt es nichts mehr was mich hält und wofür es sich zu kämpfen lohnt. Ich werde hier unten meinen Frieden finden." Überrumpelt sah ich in seine ernsten braunen Augen. Mein Hirn ratterte und meine Gedanken rasten. Ich hatte eigentlich an wen anderes gedacht. „Deine Entscheidung ist gefallen, Drachenprinzessin und dieser Krieger ist es nicht!" Die Stimmen schienen meine Gedanken gelesen zu haben. Roan sah mich wütend an. „Nein, Jeanne, du darfst entscheiden, wähle mich. Die anderen werden dir besser Begleiter sein als ich." Er versuchte mich zu überzeugen, aber wie in Trance drehte ich mich in eine andere Richtung. Roan versuchte mich aufzuhalten, schrie mich an und fuchtelte mit seinen Händen vor meinem Gesicht, doch er war wie stumm gestellt und mein Blick blieb in den eisblauen Augen hängen, die mich seither begleitet hatten.

Etwas überrascht, aber verständnisvoll sah mich Joan an. Sie trat auf mich zu und wir umarmten uns. Roan war wie eingefroren und sah verzweifelt auf mich und Joan. Auch die anderen waren geschockt von meiner Entscheidung. „Jeanne das ist nicht dein Ernst?" Daimien war genauso verblüfft. Joan und ich sahen uns lächelnd an. „Doch ist es, es ist die richtige Entscheidung. Es war so vorherbestimmt!" Joan’s Stimme, war ruhig und bestimmt. Ein Lachen erfüllte den Raum und zerbrach die Stille. „Die Entscheidung ist gefallen, tretet vor Joan!" Mit einem letzten Blick in unsere Runde drehte sie sich um und stellte sich in die Mitte des Kreises. Mit einem Knacken entzündeten sich Fackeln an jeder Säule, entlang der Bücher und vertrieb die zuvor vorherrschende Dunkelheit und tauchte alles in ein warmes Licht. Ein Windstoß und ein Rauschen wirbelten Haare, Kleider und umliegenden Sand auf und zwang uns unsere Augen zu schließen. Als ich sie wieder öffnete traute ich meine Augen nicht. Direkt vor Joan saß eine riesige Eule. Ihr großer Kopf ragte gut drei Mann über uns auf und sah uns mit silbrigen Augen an. Der große spitze Schnabel, aufgesperrt, war furchteinflößend. Das Gefieder war aschfahl mit ein paar einzelnen silbernen Federn die im Schein der Fackeln schimmerten. Die Flügel ausgestreckt, reichten sie von Spitze zu Spitze über den gesamten Innenhof.

Joan sah zu ihr auf, den Mund ebenso aufgerissen wie der Schnabel des Wächters. Ein silberner Nebel glitt aus dem Rachen der Eule in den Joan´s. Roan trat einen Schritt auf sie zu, doch Daimien hielt ihn weise zurück. Es dauerte nur wenige Sekunden, da entspannte sich Joan wieder und drehte sich wieder zu uns um. Ihre Augen hatten das wunderschöne hellblau verloren und schimmerten ebenfalls in einem hellen Silber. „Nun da ihr euren Teil geleistet habt, werde ich euch auch eure Antworten geben. Aber nur eine Antwort für jeden, entscheidet weise." Der Blick der Eule wanderte von einem zum Nächsten und schon schwirrten Bücher durch die Luft. Vor jedem viel eines mit einem dumpfen Klatschen auf den Boden. „Ihr müsst nicht reden, eure Fragen sind tief in euren Herzen verborgen. Lest was ihr lesen müsst und dann geht, nur mit euren Antworten." Der Wächter senkte kurz seine Flügel und stieß sich lautlos ab um in den unendlichen Lüften über uns zu verschwinden. Der aufkommende Windstoß hüllte uns in feine Sandwirbel und ließ und mit Joan zurück.

Ich sah in unsere Runde, in die verstörenden und neugierigen Gesichter meiner Begleiter. Daimien nahm als erster das Buch vom Boden und verzog sich hinter eine Säule. Wir kamen ihm nach. Joan stand immer noch am selben Platz und beobachtete uns. Ich nahm als letzte das schwere Buch vom Boden und setzte mich an eine Säule. Der Einband war kunstvoll mit kupfernen Beschlägen verziert die das braune Leder beschützten. Es war relativ schwer für seine Größe und eine Schließe hielt die Seiten zusammen. Mit einem leisen Ächzen ließ sie sich öffnen und ich schlug die erste Seite auf. Die Drachenschrift war alt. Ich konnte den Dialekt fast nicht entziffern, doch die Tinte strahlte in einem Blau, als wäre sie erst gerade niedergeschrieben worden. Neugierig las ich die Zeilen, verschlang die Wörter wärend mein Finger über die Sätze flog. Das Buch beschrieb nicht nur den Weg nach Moria, sondern auch seine Geschichte. Im Hauptteil stand:

König Enon, Sohn von Aron und König über die Albae war ein kaltblütiger Alb. Er kannte weder Skrupel noch Mitleid. Unter den Alben war er berühmt berüchtigt und hoch angesehen. Unter seinen Feinden hegten Gerüchte über seine Foltermethoden die Runde. Jahrhunderte traute sich kein Alb seine Macht anzuzweifeln. Doch an jenem Tag an dem seine Baumeister den immer weiterwachsenden Palast an der östlichen Grenze des Albenreich´s in den tiefen der Erde unter den Kerkern auf das Artefakt stießen, keimte der Wahnsinn in ihm auf. Er verschanzte sich seitdem in seine Gemächer, ließ nur seine Magd und seine rechte Hand hinein und schürte die Gerüchte weiter. Es hieß das er Menschen lebendig verspeist, sich zum Vergnügen in Einhornblut badete und sich mit deren Hörnern befriedigte.

Nach mehreren Monaten des Nichterscheinens am Hofe und bei Ratssitzungen drohte das Volk überzulaufen. In jener Nacht, in der das Volk den Putsch geplant hatte, trat er aus seiner Kammer mit glühenden Augen und metzelte sie alle nieder. Treppen, Gänge und Höfe glichen blutroten Flüssen. Mit dem Artefakt in den Händen, leise flüsternd und es fragend, schwang er sein Schwert selbst gegen seine engsten Freunde und Familie. Er schien an Kraft, Geschick und Magie gewonnen zu haben, unbesiegbar in einen grünen Schimmer gehüllt. Eine Handvoll seiner Baumeister ließ er am Leben und befahl ihnen ein Grab zu bauen, welches tief in die Erde gehauen werden soll. Kammer für Kammer ließ er in den felsigen Stein schlagen, mit Fallen geschützt und mit Gold und Edelsteinen bestückt. Man baute von oben nach unten, hinter geschlossenen Toren. Niemand weiß genau was dort unten geschah, doch es kam nie wieder jemand hinaus.

Der Kampf gegen die Albae war gewonnen, Ragnar Lanzherr, Anführer der Drachenreiter tötete den letzten Albenkönig bevor sie sich zurückzogen. Das Schloss Enon´s wurde bei der Schlacht zerstört, nur noch seine Grundfesten zeichneten den Standort. Seit den Tagen herrscht Frieden in den sieben Königslanden, doch es wird der Tag kommen da sich die Albae, in ihrer Natur ergeben, wieder auferstehen und den Krieg suchen werden. Und das wird der Tag sein, an dem sich die verloren geglaubte Tochter Ragnar´s erheben und ohne um ihre Herkunft zu wissen das Artefakt finden und den Krieg entscheiden wird.

Verblüfft las ich die Zeilen immer und immer wieder. Auch im Rest des Buches stand nichts mehr über Ragnar Lanzherr und seine Familie. Teilweise enttäuschtaber auch erleichtert, endlich Moria gefunden zu haben, schloss ich das Bücher wieder und sah auf. Das was ich erfahren hatte mit dem Wissen welches mir Joan zuvor berichtete schien Sinn zu machen, doch daran zu glauben vermochte ich immer noch nicht. In meinem Kopf raste es, doch das konnte auch an der magischen Aura dieser Bibliothek liegen. Mit dem Buch in den Händen ging ich auf Joan zu, die mich schon erwartete. „Ich hoffe das du deine Antworten gefunden hast?!" Ihre Stimme war die selbe, doch es lag eine Spur Trauer darin. Ich umarmte sie ein letztes Mal und flüsterte ihr ins Ohr. „Habe ich und das war nur möglich dank deinem Opfer". Ich löste mich wieder von ihr und sah in ihre Augen. Ich konnte keine Emotion aus ihnen lesen, doch das leichte Lächeln auf ihren Lippen zeugte von ihrem Einverständnis. „Danke für alles meine Freundin und verzeih meinen Gefühlsausbruch!“ Sie nickte nur und wand sich ab.

Ohne ein weiteres Wort an mich zu verlieren, ging Joan zu den anderen, nahm ihnen die Bücher ab und verschwand in den dunklen Gängen. „Wir sollten gehen", Daimien war beunruhigt. „Haben dir deine Antworten nicht gefallen?" Roan´s spöttische Stimme raunte durch die Halle als wir uns zurück zu den breiten Treppen machten. Doch Daimien antwortete ihm nicht und starrte vor sich auf die Treppenstufen. Dastan stand mal wieder ein neckisches Grinsen im Gesicht. „Ich weiß gar nicht was ihr habt. Jeder hat doch das bekommen was er wollte." „Das mag sein, aber anscheint gefällt nicht jedem die Antwort". Entgegnete ich ihm, wärend ich Daimien besorgt beobachtete. „Weißt du denn jetzt wo wir Moria finden?" Alec lief neben mir her und sah mich von der Seite an. „Leider ja und es wird euch nicht gefallen. Aber erst mal müssen wir hier so schnell wie möglich raus, der Wächter gefällt mir gar nicht! Ich erzähl euch oben wo genau wir jetzt suchen müssen." Eilig machten wir uns daran die scheinbar unendlichen Stufen zu den wartenden Pferden zu erklimmen. Es war nicht nur der Wächter der mich beunruhigte, es war auch meine Entscheidung vor der ich floh.

 

Königsmord

 

Zufrieden ging Athrandiel durch die Straßen Elindur´s. Das Mondfest war ein großer Erfolg gewesen und das nicht nur weil Lady Jeanne jetzt ihrer Bestimmung nachkommen würde, nein auch konnte er so die Verbindungen zwischen den anderen Elbenvölkern festigen. Er wusste um Jeanne´s Vergangenheit und er wusste auch dass sie früher oder später selbst herausfinden würde, unter welcher Bürde sie stehen wird. Doch ob er es ihr nun sagte oder nicht war irrelevant für ihre Aufgabe und so hatte er sich entschlossen ihr Herz nicht noch weiter zu erschweren, diese Reise würde noch genug Opfer und Leid bringen.

Es war deutlich ruhiger geworden seitdem der Winter Einzug hielt. Das immergrüne weiche Moos verschluckte das Geräusch seiner Schritte als er zwischen den Bäumen auf den alten Friedhof ging. Dieser war heilig und von einer strahlenden Energie die es nur wenigen Auserwählten gestattete ihn zu betreten. Zwischen verfallenen moosbedeckten Statuen von Elbenkriegern und Königen lag die heilige Quelle. Sie entsprang aus dem Schädel eines versteinerten Drachens und sammelte sich in einem kleinen Becken in der Erde. Ihr Wasser war kristallklar und man sprach ihm heilende Kräfte zu. Doch wenn jemand unwürdiger aus ihr Trank kehrte der Wahnsinn und Tod in ihm ein, so war es nur auf Wunsch der Elben anderen Wesen erlaubt daraus zu trinken. Die Quelle war aber nicht Athrandiel´s Ziel. Er wand sich ab von der Schönheit der Quelle und schritt auf ein etwas abseits liegenden steinernen Sarkophag zu. Er kniete sich nieder, senkte sein Haupt und legte eine Hand auf den Deckel. „Mein Freund wir haben unrecht über unsere Kinder gebracht. Deine Tochter Jeanne wurde auserkoren das Artefakt zu finden und damit den Krieg zu beenden. Mein Sohn Rathiel begleitet sie, doch die Tage sind düsterer als zu unseren Zeiten und es sieht schlecht aus.“

Er dachte an die Zeiten zurück wo sein Vater, Ithiel, noch König war und er als junger Prinz seine Ausbildung zum Wächter machte. Er war schon als Junge ein ehrgeiziger, disziplinierter und guter Kämpfer gewesen. Er war nie jemand der faul auf der Haut lag oder so in den Tag hineinlebte, nein er war fleißig, lernte und übte sich im Kampf, Literatur, Sitten und anderes welches ihn auf den Alltag des Königs vorbereiten würde. Als er alt genug war um die langersehnte Wächterlehre anzutreten, hatte er den damaligen Ragnar kennen gelernt. Es war für ihn schon eine große Ehre als Mensch als Wächter auserkoren zu werden, doch er schien es auf die leichte Schulter zu nehmen und das missfiel Athrandiel sehr. Zudem kam dazu das Ragnar ein Draufgänger und Frauenheld war, waghalsig und unüberlegt handelte und das Studium schleifen ließ. Doch er war ein hervorragender Kämpfer und verstand sich mit den Drachen umzugehen. Auf kurz oder lang wurden sie beide Freunde. Nach anfänglichem Misstrauen, Streitigkeiten und Ungereimtheiten wurden sie Waffenbrüder. Die verschiedenen Aufgaben, Auseinandersetzungen mit den anderen Völkern, Botengängen und Patrouillen vertieften ihre Freundschaft. Doch als Athrandiel das Amt des Königs annahm und Ragnar ebenso zum König Theron´s ernannt wurde, verlief sich der Kontakt. Zwar immer im Geiste verbunden, entfernten sie sich immer weiter mit der Zeit. Als der Krieg kam und sie wieder zusammen zu den Waffen griffen war diese Trennung wie vergessen und auch nach dem Sieg über die Albae blieben sie im Kontakt. Dennoch war es unvermeidlich das Ragnar das zeitliche segnete. Das war das Problem mit Freundschaften zu anderen Völkern, da Elben und auch Albae deutlich älter werden können, überlebten sie die meisten ihrer Freunde. Als er am Sterbebett Ragnar´s kniete dankte er ihm für die gemeinsame Zeit und versprach ihm ihr törichtes Versäumnis bis zum Tode zu schützen.

Schwer seufzend sah er auf das steinerne Gesicht, welches dem liegenden Drachenkönig Ragnar´s gehörte. Eingehauen aus dem Sargdeckel lag er dort in seiner Rüstung, ein mächtiges Schwert in den Händen und die Augen geschlossen für die letzte Ruhestätte. Ein kühler Windhauch raschelte durch die kahlen Äste. Leichter Nebel waberte zwischen den Statuen und Grabsteinen. Eine halbdurchsichtige Gestalt trat aus ihm heraus, kam auf Athrandiel zu und sah auf sein in Stein gehauenes Antlitz. Gräme dich nicht, Elbenkönig. Genieße die letzten Sonnenstrahlen des sterbenden Herbstes. Athrandiel mein Freund hab Vertrauen in unsere Kinder, sie werden uns überraschen. Der Elbenkönig sah in das vertraute Gesicht auf und lächelte. „Ragnar, es ist leichter gesagt als getan.“ Dieser sah von dem Stein auf und sah ihm fest in die Augen. Du weißt das deine Zeit bald gekommen ist. Traurig erhob sich der Elb, schüttelte den Dreck aus seinen Gewändern und sah in das ernste Gesicht Ragnar´s. „Ich kenne die Prophezeiung, doch bislang hatte ich es aufschieben wollen.“ Ragnar schritt lautlos um den Grabstein auf ihn zu. Athrandiel, du kannst deinen Sohn nicht unvorbereitet dein Amt überlassen. Er machte eine Pause um seinen Worten Gewicht zu verleihen und fuhr fort. Es wird heute Nacht passieren, hinterlasse ihm alles Wichtige und dann können wir nur hoffen. „Das werde ich. Was haben wir nur getan Ragnar?“ Dieser legte seine kühlen Hände auf die Schultern des Elben und lächelte ihn traurig an. Wir wussten es nicht besser, dennoch ist es unveränderlich. Jeder muss Opfer bringen und das war nun unseres. Damit nickte er ihm ein letztes Mal aufmunternd zu und wand sich zum Gehen. Wir sehen uns im Heilrum, mein Freund. Damit verschwand die Gestalt Ragnar´s wieder im Nebel und ließ Athrandiel in der kälter werdenden Dämmerung zurück.

Um sein Schicksal wissend, eilte Athrandiel in seine Gemächer, nahm Melina, seine Dienerin und engste Vertraute vorher zur Seite und sprach inständig zu ihr. „Bitte lasst niemanden bis zum Abend zu mir herein, kommt erst im Morgengrauen zu mir“! Melina wusste nicht was sie davon halt sollte, doch sie versprach es ihrem König, verneigte sich und sah auf die sich verriegelnde Tür, als Athrandiel in seinen Gemächern verschwand. Dieser ging zu einem seiner Bücherregale, zog ein schwer aussehendes Buch heraus in dessen hohlem Inneren eine Papierrolle hervorzog und ging zu seinem Schreibtisch. Er zog sich ein leeres Blatt Papier, Feder und Tinte dazu, setzte sich und fing an seinem Sohn einen Brief zu schreiben. Er kannte die Prophezeiung die seinen Mord beschrieb und so die Herrschaft für seinen Sohn ankündigte, er hoffte das er es schaffen würde all das Wichtige um sein Vergehen erklären zu können, so dass Rathiel gewappnet war für das was kommen möge. So saß er da, wärend die Nacht hereinbrach, die Kerzen die mit ihrem warmen flackernden Licht das große Zimmer erhellten und draußen der Tod der auf ihn wartete.

Beruhigt legte Athrandiel die Feder beiseite und ließ die noch frische Tinte trocknen. Er hatte alles niederschreiben können was ihm am Herzen lag und was Rathiel wissen musste. Nachdem die blaue Tinte trocken war, faltete er das Pergament mit dem aus seinem Versteck zusammen, schmolz etwas Wachs und schloss den Brief mit dem königlichen Siegel. Rathiel, schrieb er noch mit geschwungenen Buchstaben auf die Rückseite und verstaute den Brief dann in die oberste Schublade seines Schreibtisches. Er hatte gerade die Schublade zugeschoben, als ein Windstoß durch das offene Fenster durch sein Zimmer ging und alle Kerzen ausblies. Athrandiel blieb mit dem Rücken zum Fenster stehen und starrte auf den Schatten der sich durch das helle Mondlicht auf dem polierten Holzboden abzeichnete. Kauernd und groß saß das Tier auf dem Fenstersims. Der Elb drehte sich langsam, mit der Hand am Griff seines schlanken Schwertes zu dem Fenster um und konnte nur den Umriss des Tieres erkennen, dennoch war der Wyrg schnell auszumachen. „Eine so hässliche Kreatur haben sie mir geschickt um mich zu töten“, Athrandiel´s Stimme klang arrogant und etwas verletzt. Abwartend taxierten sich die Gegner. Keiner von beiden rührte sich, was dem König seltsam vorkam, denn normalerweise waren Wyrge blindwütige instinktive Räuber und Jäger. Doch dieser schien abzuwarten und zu überlegen. Langsam stieg das schwarze Wesen aus dem Fenster und schritt auf den Elben zu. Der schwarze Chitinpanzer glänze leicht im silbernen Mondlicht und dennoch waren seine dunklen leeren Augenhöhlen klar zu erkennen. Das splitternde Kratzen der langen Krallen auf dem glatten Holzboden und das dunkle Knurren aus seiner Kehle, durchschnitten die Stille.

Athrandiel wich dem Wyrg aus und antwortete ihm auf jeder seiner Bewegungen. Sie umkreisten sich langsam, den Gegner nicht aus den Augen lassend und taxierend. Der Elb hatte sein Schwert gezogen welches im Mondlicht aufleuchtete und dessen Spitze auf das Wesen gerichtet war. Plötzlich richtete sich der Wyrg auf zwei Beinen auf, brüllte und griff an. Ätzender Speichel flog umher und das Zischen welches Bücher, Papier und Holz machten verhieß nichts Gutes. Athrandiel wich den langen scharfen Klauen aus und versuchte dem Tier sein Schwert in die Seite zu rammen, doch es wich ihm aus. Behände sprang er über den Kopf des Wyrg´s und schnitt ihm mit dem Schwert in den Rücken. Aufjaulend verpasste dieser dem Elb einen Tritt so dass er durch die Luft geschleudert wurde und mit einem lauten Krachen im Bücherregal landete. Dessen Bretter zerbarsten unter der Last des Aufpralls, Bücher klatschen auf den Boden und einzelne Blätter flogen durch die Luft. Leicht stöhnend berappelte sich der Elb wieder, gerade rechtzeitig denn der Wyrg sprang auf ihn zu mit den Krallen voran, erwischte aber nur noch das Regal. Mit einem Hechtsprung hatte sich Athrandiel außer Reichweite der tödlichen Klauen gebracht und kniete auf einem Bein hinter ihm gestützt auf sein Schwert, dessen Klinge im Boden steckte.

So ging es hin und her und keiner schien nachzugeben. Als es plötzlich an der Tür klopfte wich Athrandiel´s Aufmerksamkeit eine Sekunde. Der Wyrg nutzte die Unaufmerksamkeit des Elb´s, machte einen Satz nach vorn und riss ihn zu Boden. Eine Kralle bohrte sich in Athrandiel´s Schulter wärend der Elb mit seinem Unterarm das aufgerissene Maul des Tieres davon abhielt ihm den Kopf abzubeißen. Seine Zähne bohrten sich durch die leichte Lederrüstung und gruben sich in sein Fleisch. Ächzend und stöhnend mit dem Gewicht des Angreifers auf seiner Brust, versuchte er sich aus seiner Lage zu befreien. Der faulige Atem des Tieres raubte ihm den Atem und seine Gedanken rasten. Sein Schwert lag direkt neben ihm auf den Boden, so riss er mit letzter Kraft seinen Arm aus dem Maul des Wyrg´, griff die scharfe Klinge und stieß sie dem Tier von der Seite in sein Herz. Mit einem letzten Aufschrei sackte das Untier über ihm zusammen, Säure rann aus seinem Maul und lief ihm über die Brust.

Als die Tür aufgerissen wurde herrschte Stille. Soldaten eilten schnell in den Raum und sicherten ihn. Der Hauptmann gefolgt von der weinenden Melina knieten sich neben den Elbenkönig und hielt ihm seine Hand. „Mein König, was ist hier nur passiert?“ Der offene Brustkorb, zerfressen von der Säure, legte Organe und Knochen frei. Schwer atmend sah er seinen Hauptmann an und hauchte seine letzten Worte. „Rathiel…bitte gebt Rathiel den Brief…oberste Schublade…es ist wirklich wichtig!“ Der unerträgliche Schmerz ließ langsam nach. Aus seinen halb zerfressenen Lungen brach ein letzter Atemzug seinen Weg aus Athrandiel´s Körper und endlich war er frei. Sein an die Decke gerichteter Blick wurde matt. Er konnte durch das Gemäuer hindurch in den klaren Sternenhimmel sehen. Sie strahlten im silbrigen reinen Licht und Frieden kehrte in sein Herz ein. Nickend blieb der Hauptmann neben Athrandiel knien. Melina kniete ebenfalls neben ihm und Tränen liefen ihr über die Wangen. Athrandiel´s Geist verließ seinen Körper und schwebte über dem Geschehen. Sie tun mir leid. Seine Stimme klang traurig und gleichzeitig erlöst. Du hast dein bestmögliches gegeben mein Freund, nun überlass der nächsten Generation das Leid der Welt. Ragnar stand neben ihm und folgte dem Blick Athrandiel´s. Betrauere nicht die Toten sondern die Lebenden. Die Prophezeiung ist eingetreten, unsere Schuld getilgt. Jetzt liegt es nicht mehr an uns. Ragnar´s Blick war in die Ferne gerichtet. Seine graue Elbenrüstung glänzte im Schein der Lichter. Die blauen Augen auf etwas am Horizont gerichtet. Sie werden es schaffen, ich habe großes Vertrauen ihn ihr. Ein trauriges Lächeln glitt ihm über seine Lippen. Sie ist wie ihre Mutter. Ungestüm, mutig und leidenschaftlich. Athrandiel folgte seinem Blick und auch ihm huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Du hast recht, Heilrum wartet auf uns. Sie wandten sich ab und verließen die irdische Welt.

Melina´s Weinen erfüllte den Raum, als der Soldat Athrandiel´s Augen schloss und die anderen Wächter still salutierten. Trauer legte sich über das Schloss. Die Elben waren eng miteinander und der Natur verwoben und sogar der Tod eines Elbenkönig´s wurde von einer Seele zur nächsten weitergetragen. Die aufgehende Morgenröte schien nicht mehr so strahlend, der eisige Wind nicht mehr so beißend und die sonst so friedvolle und freudige Stimmung wurde von tiefer Trauer ersetzt. Der König wurde unter dem Wyrg hervorgezogen, auf eine Bahre gelegt und mit einem Totentuch bedeckt. Schweigend wurde der Leichnam durch das Schloss hinausgebracht. Jeder Elb kniete ehrfürchtig vor der kleinen Prozession nieder. Tandriel, Athrandiel´s Leibwächter führte die Prozession an und führte sie zu den heiligen Sälen in denen die Toten für die Beerdigung vorbereitet wurden. Nachdem der Leichnam den fähigen Händen der dortigen Elben übergeben wurde machte er sich sofort zu den Wächtern.

„Mauras, reite los und such Prinz Rathiel. Verkünde ihm die traurige Botschaft und bring ihn schnellstmöglich zurück!“ Der braunhaarige Elb schnappte sich seine Waffen und Proviant und eilte zu den Ställen. Ein weiterer Wächter kam auf ihn zu und fragte ihn: „Ist es wahr? König Athrandiel wurde ermordet?“ Wütend baute sich Tandriel vor ihm auf. „Was auch immer du gehört zu haben scheinst, es ist eine Lüge.“ Damit wand er sich ab und schritt von dannen. Er fürchtete Aufstände solange Prinz Rathiel nicht wieder in Elindur war. Er machte sich auf die Suche nach den Generälen und fand sie im Königssaal. Sie standen um den großen runden Versammlungstisch und beratschlagten sich. „Lord Tandriel, da seid ihr ja endlich wir haben schon nach euch suchen lassen.“ Er schritt auf die Elbengeneräle zu, kniete kurz nieder und stand wieder auf nachdem sie ihm wieder gestatteten aufzustehen. „Generäle, bitte entschuldigt mein Fehlen, aber ich habe nach Prinz Rathiel suchen lassen.“ Der älteste Elb, graues langes Haar fast weiße Augen mit stechendem Blick, sah etwas skeptisch drein. „Das kann Wochen dauern bis der Sucher ihn gefunden hat, wer wird in seiner Abwesenheit den Thron und die Interessen der Elben vertreten?“ Tandriel zog ein Stück Pergament aus einer Tasche in seinem Gewand und überreichte es dem General. „Mein General ich habe die letzten Worte des Königs an seinem Sterbebett überreicht bekommen. Er hat mich vorgesehen die Obliegenheiten des Königreiches zu führen.“ Ein Raunen ging durch die Reihe der Elben und missmutiges Gesäusel machte sich im Raum breit, wärend der Hauptgeneral die Zeilen auf dem Pergament las. „Ruhe!“ rief er durch den Saal und sofort verstummten die Gespräche. „Er sagt die Wahrheit“, er blickte etwas missbilligend auf und nickte dann. „Nun gut, der Wunsch unseres Königs muss befolgt werden. Ihr Lord Tandriel, werdet bis zum Eintreffen des Prinzen die erstmalige Führung übernehmen. Was werdet ihr tun?“ Tandriel noch völlig durcheinander, trat näher an den Tisch und deutete auf die dort hineingearbeitete Karte. „Nun gut…“

Nach der Hiobsbotschaft waren Rathiel und der ausgesandte Elbenwächter Mauras schnellstmöglich aus Destal aufgebrochen. Sie trieben ihre Pferde zurück über Dornsklamm, den eisigen Gipfeln der Eisenberge und Düstertal. Ohne Rast mit dem Ziel vor Augen, kamen sie nach mehreren Tagen über die Hügel Aideens von denen man schon die Grenze des Elbenreiches sehen konnte. Für einen kurzen Augenblick genoss Rathiel die Aussicht, doch sein Herz konnte die Schönheit die in ihr inne wohnte nicht ergreifen. Die tiefe Trauer hatte sich wie ein dunkler Schatten über seine Seele gelegt. Sie sprachen kein Wort als sie die Waldgrenze überschritten und auf den wenigen sicheren Pfaden durch Elindur ritten. Er war schon immer dunkel und geheimnisvoll gewesen, doch jetzt nach Winteranbruch und dem Tod des Elbenkönig´s wirkten Flora und Fauna noch trostloser. Die Bäume, die selbst im tiefsten Winter ihre grüne Pracht trugen, hatten ihre Blätter verloren. Sie wirkten wie dürre Gerippe, tot und ohne Hoffnung. Das weiche Moos welches dumpf die Geräusche der Hufe auf dem Boden verschluckte, war fast schwarz und knisterte trocken. Selbst die Tiere waren in tiefer Resignation und Starre wie eingefroren. Rathiel wand den Blick ab von all der Trauer und ritt unbeirrt hinter Mauras her, schwermütige Gedanken umkreisten seinen Geist. Er hatte niemanden mehr in seinen Geist gelassen, selbst Jeanne hielt er draußen. Sie machten sich Sorgen um ihn und die Elben, das konnte er spüren und er hatte auch ein schlechtes Gefühl gehabt sie allein zu lassen. Doch er vertraute auf Alec, dass er sie beschützte, sonst würde er ihm bei vollem Bewusstsein seine Gliedmaßen raus reißen.

Als sie endlich auf die Hauptstraße von Eliant einritten hielten sie direkt auf den Thronsaal zu. Die Elben die ihnen begegneten verbeugten sich respektvoll mit traurigen versteinerten Mienen. Es war ruhig, zu ruhig, selbst für die Elben. Die Straßen schienen wie leergefegt, normalerweise liefen Händler aus aller Orts mit ihren Karren oder Reisende durch die Baumschluchten. Es wurde leise fröhlich geredet und hier und da spielten sogar ein paar Kinder zwischen den Bäumen. Doch jetzt kamen ihnen nur Soldatenpatrouillen entgegen und die Elben die es wagten auf der Straße zu sein, eilten schnell in ihre Häuser zurück, in Angst das ihnen etwas passieren könnte. „Maurus, was ist hier in meiner Abwesenheit passiert?“ flüsterte Rathiel dem neben ihm reitenden Wächter alarmiert zu. Dieser sah ihn ebenso verwirrt an. „Mein Prinz der letzte Stand war das der Rat Lord Tandriel, eures Vaters Leibwache, die Führung übergeben hat. Wenn man den Gerüchten Glauben schenkt, soll der König ihm auf dem Totenbett einen Brief gegeben haben in dem diese Anweisung stand. Er war es auch der mich direkt nach dem Tod ihres Vaters zu euch geschickt hat um euch zu holen.“ Rathiel überlegte und trieb mit einer bösen Vorahnung, sein Pferd eiliger voran. Als sie vor den Toren des Thronsaals ankamen, übergaben sie ihre erschöpften Pferde den dortigen Wachen die sich zum Gruße verbeugten. Mit großen Schritten eilten sie in den Thronsaal.

Der Rat saß um den runden Tisch des Königs und berieten sich lautstark. Ohne die höflichen Begrüßungsformeln, trat er an den Tisch. Sein Blick glitt schnell über die Gesichter die er schon aus seiner Kindheit kannte und suchte nach dem einen, welches ihm Antworten verschaffen würde. Der oberste General stand erschrocken auf. „Rathiel, mein Prinz ihr seid endlich zurück.“ Rathiel hob seine Hand. „Schweigt, bitte. Die höflichen Angelegenheiten müssen warten, ich muss erst mit Lord Tandriel sprechen.“ Etwas eingeschnappt, aber sich leicht verbeugend entließ er den Prinzen. Dieser ging mit dem erleichtert aussehenden Tandriel aus dem Thronsaal in einen Nebenraum. „Was ist passiert, werter Freund?“ Tandriel ließ die Schultern hängen, als wäre er eine riesige Last losgeworden. „Ich bin froh euch endlich anwesend zu wissen mein Prinz.“ In den braunen Augen las Rathiel Erleichterung und dieselbe Trauer die auch ihn ihm wohnte. „Es tut mir leid, dass ich euch nach eurer Heimkehr mit solch schlechter Kunde behelligen muss. Es war meine Schuld, ich hätte ihn besser beschützen müssen.“ Auf einmal brach der sonst so standfeste und unzerbrechliche Elb in Tränen aus. Rathiel konnte ihn gut verstehen, auch ihm war zum Weinen zu mute, doch er hatte jetzt eine Aufgabe und da musste er standhaft bleiben. Mit einem Arm auf der Schulter, spendete er dem Elben Trost. „Ist gut alter Freund, bitte beruhige dich und dann erzähl mir was passiert ist.“

Tandriel hatte sich schnell wieder unter Kontrolle und hatte ihm alles erzählt was er und Melina gesehen und gehört hatten. Je mehr er erzählte umso mehr verfinsterte sich Rathiel´s Gesicht und ihm kam diese Prophezeiung wieder in den Sinn, die seinen Vater schon sein Lebtag beschäftigte. Als Tandriel ihm noch den ungeöffneten Brief gab, entließ er ihn und ging, den Brief versteckt in seinen Gewändern, zurück in den Thronsaal. Wartende Gesichter starrten ihn an, als er neben dem Thron Platz nahm. Der Elbenpriester, welcher in seinem einfachen aber schmucken Gewand fast zwischen den Generälen mit ihren imposanten Rüstungen unterging, stand nun auf. „Mein Prinz, noch bevor wir euch mit den Angelegenheiten und Vorkommnissen eurer neuen Aufgabe behelligen werden, gibt es zwei wichtige Punkte die wir dringend erledigen müssen. Doch vorab, mein herzliches Beileid um euren Verlust.“ Er verneigte sich tief. „Danke Lastano, bitte sprecht weiter.“ Rathiel zwang sich seine Rührung nicht anmerken zu lassen und ließ den alten Elben mit den schlohweißen Haaren weitersprechen. Dieser nickte dankend und fuhr fort. „Zu aller erst ist die Beisetzung des Königs das Wichtigste. Der morgige Vollmond wird der beste Zeitpunkt dafür sein. Und um diesen Politikliebhabern hier,“ er deutete mit einer leicht abfallenden Geste auf die Generäle. „zu beruhigen sollten wir euch bald zum König krönen, damit das Reich wieder in fester Hand ist. Lord Tandriel hat eure Vertretung anstandslos erfüllt, dennoch sehnt sich das Volk nach Sicherheit und das können wir ihm nur geben, wenn wieder ein König auf dem Thron sitzt“. Rathiel gab ihm Recht. „Nun gut, bereitet alles für die Beisetzung morgen vor, die Krönung wird zwei Tage später stattfinden.“ Damit war die Sitzung beendet.

Er entließ die Generäle und den Priester und blieb allein in dem großen Thronsaal zurück. Endlich war er alleine und konnte für einen Moment aufatmen. Er stand auf und machte sich auf den Weg zu des König´s Gemächer. Wachen standen auf dem Gang vor den Türen, doch als sie den Prinzen erkannten ließen sie ihn mit einer Verbeugung hindurch. „Vielleicht solltet ihr das Chaos nicht sehen.“ Melina´s Stimme ließ ihn kurz vor den Türen verharren. Sie stand hinter ihm und verbeugte sich. „Vielleicht habt ihr Recht, doch ich muss es mit eigenen Augen sehen“. Die Elbendame eilte schnell auf ihn zu, legte eine Hand auf Rathiel´s behandschuhte Hand und sah ihm direkt in die Augen. „Mein Prinz ihr habt mein tiefstes Mitgefühl und Beileid für euren Verlust. Er hatte mich gebeten das ihn niemand bis zum nächsten Morgen stören darf.“ Eine Träne rann, der hübschen Elbenfrau mit den untypisch hell grünen Augen, über die Wange. „Ich hätte ihn nicht alleine lassen dürfen, es war meine Schuld“. Rathiel sah sie bedauernd an. Er legte ihr seine Hände auf die Schultern und zwang sie ihn anzuschauen. Sie blickte hoch und sein fester Blick ließ ihre Tränen versiegen. „Lady Melina, es war nicht eure Schuld. Ihr wärt wahrscheinlich ebenfalls umgekommen, wenn ihr versucht hätte dem König zu helfen. Es reicht, wenn ein Elb sterben muss wegen diesem Untier.“ Sie nickte ihm zu. Er nahm seine Hände von ihren Schultern und wand sich wieder der Tür zu. Nach tiefen Durchatmen öffnete er die kunstvoll verzierte Holztür und trat in den immer noch völlig zerstörten Raum. Das erste was ihm in den Blick fiel war der Wyrg, der immer noch blutend und halb verwest mitten im Raum lag. Um ihn herum lagen zerrissene Bücher, zerstörte Regale, Holzplanken aus dem Boden gerissen und Glas von den zersprungenen Fenstern. Die riesige Blutlache unter dem leblosen Körper, vermischt mit grünem Gift war genug um zu wissen wie sein Vater gestorben sein musste.

„Wir fanden ihn fast tot unter dem leblosen Körper dieses Tieres. Ich hatte lautes Gepolter und Kampfgeräusche aus dem Zimmer gehört, als ich euren Vater holen wollte. Ich habe schnell die Wachen geholt.“ Ein Schluchzen und leises Gewimmer durchbrach die Stille, als Melina ihm sein Herz ausschüttete. „Hätte ich nur sofort eingegriffen, vielleicht hätte der König überlebt.“ Rathiel drehte sich ruckartig um und stand direkt vor Melina. Diese, überrascht von der plötzlichen Bewegung und dem wütenden Gesicht Rathiel´s, verstummte sofort und sah ihn mit verweinten und erschrockenen Augen an. Mit ruhiger und bedrohlicher Stimme sprach er leise auf sie ein. „Lady Melina, wenn einer Schuld an dieser misslichen Lage ist, dann bin ich das und diese Prophezeiung. Reißt euch zusammen und helft dem Priester mit den Vorbereitungen für das Begräbnis.“ Etwas sanfter fügte er noch hinzu. „Ihr habt alles richtig gemacht!“ Melina wischte sich schnell ihre Tränen von der Wange und eilte aus dem Raum. Seufzend stand er nun allein in den Trümmern des ehemaligen Arbeitszimmers und schalte sich selbst. Er war etwas zu hart zu ihr gewesen, sie meinte es doch nur gut und er konnte ihre Hilflosigkeit verstehen, doch er war auch sauer. Sauer auf sich, auf die Prophezeiung und auf diesen Wyrg. Doch was geschehen ist, ist nun mal geschehen und daran war nichts mehr zu ändern. Er straffte seine Schultern, öffnete den Brief und las die letzten Worte seines Vaters die an ihn gerichtet waren.

 

 

 

Mask

 

Wir hatten die Bibliothek schon seit zwei Tagen hinter uns gelassen und sprachen seitdem kaum ein Wort miteinander. Entweder lag es an der unendlichen Hitze, die trotz der winterlichen Jahreszeit immer noch extrem war, der Tatsache das wir Joan verloren hatten oder auch das jeder mit seinen eigenen Erkenntnissen zurechtkommen musste. Wir hatten am Abend eine kleine unbewohnte Oase erreicht und schlugen gerade unser Lager auf. Die Pferde sauften aus der kühlen Quelle, wärend ich das knisternde Feuer weiter anfachte. „Ich weiß was dort unten geschehen ist, war nicht einfach für uns alle.“ Meine Stimme schien viel zu laut zu sein gegen den leise säuselnden Wind der durch die Palmenblätter wehte und die Oberfläche des kleinen Sees kräuselte. Alle hielten inne in dem was sie taten. „Doch egal, was ihr erfahren habt und was ihr meint daraus schließen und tun zu müssen, wir müssen zusammenbleiben.“ Ich stand auf uns sah jeden einzelnen an. „Ich weiß diese Aufgabe scheint zu groß für uns zu sein, zu schwierig um sie erledigen zu können, aber wenn wir es nicht schaffen, wird die Welt wie wir sie kennen, unsere Heimat, zerstört werden. Ihr müsst nicht sagen was euch beschäftigt, aber wenn es unsere Aufgabe behindert, dann lasst es entweder los und macht euren Frieden damit oder sprecht es aus.“ Meine Stimme war ernster und heroischer als angedacht, aber meine kleine Rede tat ihr Gutes.

Daimien ließ vom säubern seiner Waffe ab, stand auf und kam auf mich zu. Auf Armeslänge blieb er vor mir stehen und sah mir fest in die Augen. „Du hast uns nie darum gebeten mit dir mitzukommen, ich bin dir einfach gefolgt, weil ich vertrauen in dich und deine Kräfte habe. Du bist wahrscheinlich zu bescheiden um es zuzugeben, aber ich würde nur dir folgen wollen, weil du die einzige bist die diese Aufgabe erledigen kann. Egal was ich dort unten erfahren habe, egal was das für mich bedeutet, ich bleibe an deiner Seite!“ Mir traten vor Rührung die Tränen in die Augen, doch ich hielt sie zurück. „Ich danke dir, Daimien. Das bedeutet mir sehr viel!“ Er verneigte sich leicht vor mir und schenkte mir eines seiner seltenen Lächeln. Roan hob seinen Wasserbeutel, den er gerade an der Quelle gefüllt hatte und rief. „Dem kann ich nur zustimmen!“ Ich schenkte ihm einen Luftkuss, den er leicht errötend wegwischte. Dastan ließ etwas Holz, welches er gesucht hatte, vor dem Feuer fallen und trat auf mich. „Ich kenne euch noch nicht lange, aber die Gefolgschaft und diese Bewunderung eurer Leute, die ich jeden Tag in ihren Augen lesen kann ist bewundernswert. Seit meiner Treue für euch und eurer Aufgabe gewiss, mein Schwert wird mit euch kämpfen.“ Seine braunen Augen ruhten auf meinem Gesicht und ein feixes Lächeln huschte über seine Lippen. „Ich danke euch, Dastan und ich bin froh euch an meiner Seite zu wissen.“

Ich muss dir nicht sagen, dass ich immer an deiner Seite und dir treu bleiben werden oder Jeanne? Alec´s Stimme ließ mich kurz erschaudern. Auch wenn wir im Streit waren, so würde ich immer auf sein Schwert vertrauen können. Ich war es nicht mehr gewohnt das jemand in meinem Kopf sprach, seitdem Rathiel gegangen war, hatte ich ihn verschlossen. Nein das brauchst du tatsächlich nicht, Alec. Denn wenn du es doch nicht tätest, würde ich dich überall auf der Welt finden und dich töten. Ich sah zu ihm herüber. Wie er das so an einer Palme gelehnt stand, der leichten Gewandung die seine durchtrainierte Figur gut zur Geltung brachte und geschickt mit seinem Dolch spielte. So ließ er mich schaudern und an die Nacht in Elindur denken. Meine Gefühle schwankten zwischen Wut und dem Verlangen ihm nahe zu sein. War das schon so lange her? Es schien wie eine halbe Ewigkeit. Etwas verloren in dieser Oase, zwischen meinen Brüdern und der scheinbar unlösbaren Aufgabe, ließ ich mich am Feuer nieder und starrte in die sich windenden Flammen. Die Sonne ging gerade unter und die Sterne erhellten das Firmament. Nach und nach gesellten sich die anderen zu der wärmenden Quelle und wir aßen still unseren Proviant.

Dastan zauberte wie aus dem nichts eine kleine Gitarre und stimmte eine sanfte Melodie an. Sie verband sich mit dem Knistern des Feuers und dem Säuseln des Windes. Sein leiser Singsang ließ von ruhigen und reichen Zeiten träumen. Von wahrer Liebe und Erfüllung. In einer Sprache die ich nicht verstand, dennoch wusste mein Herz wovon es träumte. Für einen kurzen Moment vergaßen wir all den Krieg, das Grauen und die Schwere unserer Reise und genossen den Moment. Alec der neben mir lag, sah hinauf in die Sterne. Sein Blick versetzte mir einen Stich in der Brust. Als er mich ansah war ich wie versteinert. Sie schienen mich verschlingen zu wollen, aus einem Sog aus dem ich nicht heraus kam. Die Zeit schien stehen geblieben zu sein, ich vergaß die anderen um mich herum. Nur die Musik und Alec´s Augen waren das einzige was ich wahrnehmen konnte. Mein Herz raste, als er sich zu mir herüber beugte, kurz vor meinem Gesicht anhielt. Ich konnte seinen Atem auf meinen Lippen schmecken, er schmeckte nach Wein. Den Atem anhaltend wartete ich ab was er tun würde, doch sein Blick wanderte nur von meinen Augen zu meinen leicht geöffneten Lippen. Zwischen dem Verlangen ihn sofort an mich zu ziehen und ihm die Kleider vom Leib zu reißen und dem Wissen das er mich betrogen hatte, verstrichen unendliche Sekunden. Verlangen und Enttäuschung rangen miteinander.

Doch wir wurden jäh unterbrochen, als ich ein seltsames warnendes Geräusch vernahm. Sofort zuckte ich zusammen und sah in die Richtung woher es kam. Doch trotz der sternenklaren Nacht und dem Lagerfeuer konnte ich in der Dunkelheit nicht viel wahrnehmen. Die Pferde waren ebenfalls nervös und wieherten warnend. Jetzt waren auch die anderen alarmiert. Dastan legte sofort seine Gitarre beiseite und zückte seinen Dolch, Daimien der geschlafen hatte setzte sich auf mit der Hand an seiner Waffe und Roan der Wache gehalten hatte kam eilig aus dem Versteck am Rand der Oase. An seinem ernsten Blick erkannte ich das wir in großer Gefahr waren. Wir lauschten in die Nacht, konnten aber kein weiteres Geräusch vernehmen. Dann ein Zischen und ein brennender Pfeil landete direkt neben meinen Füßen im Sand. Eilig sprangen wir auf, schnappten im Rennen unser Gepäck und eilten zu den Pferden. Doch wie aus dem Nichts tauchten drei Ork´s vor uns auf und versperrten uns den Weg. Mit grimmigen Gesichtern, gezückten Waffen und hämischen Blicken trieben sie uns wieder zurück zum Feuer. Von allen Seiten kamen sie auf uns zu, wir waren eingekreist. „Na super, das hat uns gerade noch gefehlt.“ Raunte Roan der die Ork´s im Blick hatte und mit wildem Blick nach einem Ausweg suchte. Insgesamt waren es zehn an der Zahl. „Vier gegen Zehn, das sollte doch kein Problem sein oder?“ Dachte ich laut und ein wissendes Grinsen erschien auf Daimien´s Gesicht. „Zwei sind über, ich nehme dir gerne die Bürde ab“. „Von wegen,“ feixte ich. „hier den Helden spielen wollen, die mache ich alle im Alleingang fertig!“ Daimien lachte kurz auf und spurtete los.

Mit wenigen Schritten hatte ich den Ork direkt vor mir erreicht und rammte ihn meinen Dolch in den Nacken, sofort sackte er tot zusammen. Vom ersten Schock erholt versuchten sich die Ork´s zu wehren, doch gegen unsere vereinte Macht hatten sie keine Chance. Daimien erschoss zwei Ork´s hintereinander, Alec hackte einem seinen Schädel ab, Roan und Dastan taten es ihm gleich. Doch wir waren noch nicht in Sicherheit. Abwartend standen wir Rücken an Rücken im Kreis und warteten auf die nächste Angriffswelle. „Das waren noch nicht alle, ich habe mehrere in den Schatten der Dünen gesehen!“ Roan war angespannter als man vielleicht vermuten würde, nach unserem schnellen Sieg. Und er würde Recht behalten. Schon nach wenigen Sekunden stürmte eine zweite Welle Ork´s an, dieses Mal deutlich mehr und besser bewaffnet. Brüllend rutschten sie die Dünen hinunter und rannten auf uns zu. Einen nach dem anderen metzelten wir nieder. Unter Hieben hinweg duckend und schnell vorstoßend stieß ich einem meinen Dolch in den Schädel, wärend Dastan neben mir einem weiteren die Achillessehne durchtrennte und ihm im Sturz die Kehle durchschnitt. Wir hielten uns wacker, doch es kamen immer mehr und unsere Kräfte schwanden langsam. Blut spritzte aus jedem Hieb, es floss in Strömen und befleckte Waffen und Kleidung. Der weiße Sand war Blau vom Blut der Ork´s und kleine Pfützen bildeten sich um uns herum. Es roch nach Blut und Schweiß. Schwer atmend verteidigte ich mich gegen die unaufhörlichen Orkmassen. Warum waren es nur so viele?Als um uns herum sich schon ein Ring aus Leichen auftürmte, hallte ein dumpfes Horn durch die Nacht.

Die Ork´s um uns herum hielten inne und formierten sich. Schwer atmend mit leichten Schnitten und Prellungen hielten wir ebenfalls wachsam inne. „Was passiert hier nur?“ Alec schien deutlich frischer zu sein als ich, was nicht verwunderlich war da sich die meisten Ork´s auf mich gestürzt hatten. Dann trat ein deutlich größerer Ork aus der Reihe und baute sich direkt vor uns auf. Er hatte zwei riesige Hauer die ihm aus seinem Unterkiefer ragten, sein linker Arm wurde irgendwann mal abgetrennt und an dessen Stelle hatten man ihm einen riesigen Haken eingepflanzt. In seiner Brust steckten Brustpanzer aus Metall und über seinem Lendenschurz baumelten an einem Gürtel verschrumpelte Menschenköpfe. Er sah uns aus seinen gelben stechenden Augen einen nach dem anderen an, sein Blick blieb bei mir hängen. Ein verdammt ungutes Gefühl machte sich in mir breit, ich wappnete mich für alles.

„Ihr habt wahrhaft ritterlich gekämpft, Menschen!“ Seine Stimme donnerte über die sonst friedliche Oase, dunkel wie ein herannahendes Gewitter. „Doch nun ist es vorbei. Ihr habt die Wahl. Entweder ihr sterbt hier und jetzt oder ihr kapituliert und kommt mit uns mit!“ „So unhöflich wie ihr seid, solltet ihr euch vielleicht erst einmal vorstellen bevor ihr uns ein solch unmoralisches Angebot macht“. Dastan´s Stimme klang ruhig und bestimmt, doch ich konnte seine Kampfeslust spüren. Der Ork sah ihn an, lachte kurz auf und sprach aber weiter. „Warum sollte ich einem toten meinen Namen nennen? Damit ihr mich des Nachts heimsucht? Aber gut, ihr sollt wissen wer euch das Leben nahm. Mein Name ist Zerg, ich bin der oberste Anführer des Suchtrupps Jackar´s. Ihr seid an der Grenze zum Albaereich nahe Mask und genau dorthin werden wir euch bringen, wenn ihr euch entscheidet am Leben bleiben zu wollen!“ Meine Gedanken rasten, wir waren auf dem richtigen Weg und das wir an der Orkfeste Mask vorbei mussten war mir auch bewusst, doch ich wollte eigentlich einen großen Bogen darum machen, damit genau das nicht passierte was uns gerade blühte.

„Wir werden euch folgen!“ Meine Antwort überraschte mich selber. Alec neben mir sog zischend die Luft ein und Dastan sah mich völlig verdattert an. „Ist das euer ernst?“ Ich konnte den Frust in seinen Augen sehen, ich verstand ihn auch, aber was brachte es, wenn wir jetzt kämpften und starben. Wir mussten leben und wenn das hieß das wir einen kurzen Abstecher in diese Festung machen mussten. Ein hämisches Grinsen verzog das Gesicht des Ork´s und er nickte zufrieden. „Welch vernünftige Antwort. Los nehmt ihnen die Waffen ab und setzte sie gefesselt auf ihre Gäule.“ Damit ließen wir uns entwaffnen und fesseln. Mein Herz raste und in dem Getümmel aus Ork´s, verschlug mir der Gestank der Wesen den Atem. Widerwillig ließen wir uns fesseln und auf die Pferde hieven. Die fassungslosen Gesichter Roan´s und Dastan´s mussten mit einer Erklärung warten. Alec in meinem Kopf hatte verstanden, doch gut heißen konnte er das nicht. Es tut mir leid, so war das eigentlich nicht geplant gewesen. Versuchte ich mich zu rechtfertigen. Mir musst du das nicht erklären. Alec war genervt, verständlich. In einer Karawane mit den Ork´s zu reisen würde keinem von uns Freude bereiten, doch das Schicksal schien es nicht anders zu wollen und so mussten wir uns fügen.

Tatsächlich hatten wir innerhalb eines Tages die Festung erreicht. Die Ork´s ließen kein gutes Haar an uns. Sie pöbelten uns an, durchwühlten unsere Taschen, plünderten unseren Proviant und machten sich über uns lächerlich. Mein kleines geheimes Täschchen ließen sie aber in Ruhe. Selbst wenn sie es fänden, könnten sie nichts damit anfangen. Ich hatte es mit einem Zauber belegt das es nur von mir zu öffnen war. Die Landschaft veränderte sich schnell. Wo wir erst noch durch weißen feinen Sand gingen, wurde der Boden langsam steiniger und dunkler, bis wir nur noch über eine harte felsige Steinebene liefen. Hier und da öffnete sich der Boden in Felsspalten in dessen tiefen inneren Lavaströme sich durch das Gestein fraßen. In der Ferne sah man eine riesige Felserhebung, der Vulkan Seris. Er spie immer noch glühend heiße Lava aus und dessen Rauchwolken verdunkelten den Himmel. Als die dunkle Festung am Abend am Horizont vor den verrußten Bergen auftauchte wurde mir doch mulmig zumute. Je näher wir kamen umso mehr wurde mir klar, dass es kein Leichtes sein würde aus dieser Feste zu fliehen. Um die dunkle Mauern mit den hohen Zinnen, den aufgespießten Köpfen und den eisernen Stacheln floss ein heißer Lavastrom, nur Überquerbar über die Zugbrücke die in diesem Moment mit quietschen und scheppern heruntergelassen wurde. Obwohl der Graben bestimmt hunderte Fuß in der Tiefe lag, spürte ich die brennende Hitze der Lava auf der Haut. Reijkjon hatte bis jetzt alles mit sich mitmachen lassen, aber selbst ihn ließ dieser Ort erzittern. Auch ich bekam es langsam mit er Angst zu tun, doch als ich in Alec´s Augen sah, der direkt neben mir ritt bekam ich wieder Mut.

In dem großen Innenhof hielten wir an. Der Großteil der Ork´s verschwand in den Gängen und Türen der Festung, wärend die Zugbrücke wieder ächzend hochgezogen wurde. Wir wurden von den Pferden gerissen die unter Gelächter und

orkschem Gerede weggeführt wurden. Ein fieser kleiner sah mich an als er Reijkjon´s Zügel ergriff und feixte: „Den werde ich mir schöne heute Abend zurechtschneiden, das wird ein Festmahl“. Wütend trat ich ihm gekonnt mit dem Stiefel gegen sein Kinn das sich sein schiefer Eckzahn in sein Auge bohrte. Unter schreien und fluchen hielt er sich sein blutendes Auge und wollte mich angreifen, als sich Zerg dazwischen stellte und ohne ein Wort zu sagen den kleinen Ork mit Reijkjon wegschickte. Er drehte sich zu mir um, sah mich mit abfälligem Blick an und wand sich zum Gehen. Der Ork, der mich an meinen gefesselten Händen hielt schrie: „Auf die Knie!“ Überrascht von der Wucht seines Trittes fiel ich zu Boden und fand mich auf meinen Knien wieder. Die anderen wurden ebenso rüpelhaft auf den Boden gezwungen. Aus dem großen Tor vor uns kamen drei Ork´s heraus. Der größte von ihnen, mit einer skurrilen Krone aus Knochen und Stoffresten schien der König zu sein. Er war riesig und muskulös. Mit ihm würde ich mich wohl niemals anlegen wollen, denn in seinen raubtierartigen Augen lagen Mordlust und Blutrünstigkeit. Neben ihm lief ein weiterer Ork in langen Gewändern und einer Sichel an seinem Gürtel. Mehrere kleinere Beutelchen und Taschen hingen daran und an seinem Hals klimperten verschiedenste Medaillons und Talismane. Ich spürte sofort die Magie die von ihm ausging, dunkle Magie, er musste der königliche Magier sein. Gegen die beiden Ork´s sah der dritte eher gewöhnlich aus. Dennoch war er anders als die umstehenden. Seine Hauer waren deutlich kleiner und seine Augen waren wacher und lila nicht gelb. Er war etwas zierlicher, wenn man das für einen Ork so bezeichnen kann. Er hatte etwas Menschliches an sich, etwas Vertrauliches, doch ich würde wachsam bleiben.

„Mein Lord Gremlogg, wir haben weitere Kämpfer gefangen genommen. Auch diejenige nach der ihr suchtet!“ Der große Ork inspizierte uns und seine Augen strahlten, als er unseren kampffähigen Zustand erkannte. „Sehr gut Zerg. Das sind wunderbare Exemplare“. Als sein Blick bei mir hängen blieb verzog sich sein Mund zu einem Grinsen. „Perfekt und auch die Diebin hast du gefangen“. „Wohl eher aufgegabelt!“ Höhnte ich und sah Zerg spöttisch an. Ohne Vorwarnung trat der Orklord einen Schritt auf mich zu und verpasste mir mit seiner flachen Pranke eine Ohrfeige. Meine Wange brannte und für einen kurzen Moment tanzten Sterne vor meinen Augen. „Sprich nicht, wenn es dir nicht erlaubt wurde!“ Der strenge Ton und der Schmerz, weckte nur meinen Zorn und meine Gegenwehr. Alec´s warnende Stimme hielt mich dennoch zurück. Mit Mühe schluckte ich eine Antwort runter, erdolchte ihn aber mit meinem Blick, den er unbekümmert hinnahm. „Bringt sie runter in die Kerker, ich will nachher sehen was sie können!“ Damit wand er sich ab und ging. Wir wurden auf die Füße gezogen und abgeführt. „Wartet!“ Der Magier stand auf einmal vor mir und sah mich interessiert an. Ohne zu zögern griff er an meinen Gürtel und zog mit einem Ruck an dem kleinen Beutel. Er wog ihn in der Hand, machte den Weg wieder frei und wir wurden weitergeschoben. Hass stieg in mir auf und am liebsten hätte ich mich aus dem Griff des Ork´s befreit um meine Heiligtümer wieder zu bekommen, doch das würde ich nachholen.

Wir wurden durch einen Torbogen in die Verliese gebracht. Eine steinerne Wendeltreppe führte in die unendlich scheinenden Tiefen. Der Ork der mich führte, schubste mich in eine freie Zelle direkt am Eingang, neben mir Dastan. Die anderen drei wurden unter Protest noch tiefer hinabgeführt. Das hässliche Wesen welches meine Fesseln durchschnitt, stand nun zwischen mir und meinem Ausweg durch die Gittertür. Hämisch grinste er mich: „Na los versuch es doch, es wird mir eine Freude sein dich aufzuschlitzen“. Er zog sein verrostetes Messer und zog es sich gierig übe seine graue Zunge. Angewidert trat ich eher einen Schritt zurück. Enttäuschung flammte in seinen Augen auf und er ging hinaus und ließ das Schloss der Zellentür laut scheppernd zuschnappen. „Wir sehen uns noch, Lady!“ Wutschäumend sah ich ihm nach und trat gegen die Gitter, als er verschwunden war. „Warum, Lady Jeanne, warum habt ihr uns in diese Lage gebracht? Wir hätten sie töten können!“ Dastan´s Stimme wurde immer lauter, bis er schrie und seine Stimme weit in die Tiefe hinunter hallte. „Ja das hätten wir und vielleicht hätten wir auch vor der Meute die uns gejagt hätte fliehen können, doch was, wenn einer von uns verletzt oder gar getötet worden wäre?! Dann hätten wir mit einem oder mehreren weniger trotzdem gegen Mask angehen müssen. Wir wären eh hier vorbei gekommen, unser Ziel liegt hinter diesem feuerspuckenden Berg“, ranzte ich zurück. Man konnte Dastan´s Schritte die die kleine Zelle auf und ab liefen deutlich hören. Dann hielt er an, schlug ebenfalls gegen die Gittertür und blieb dann ruhig.

Ich sah mich etwas um, wobei so viel zu sehen gab es nicht. Die vielleicht vier mal vier Schritt lange und breite Zelle war nicht besonders groß und ein Fenster gab es auch nicht. Die grob behauenden Steinblöcke waren massiv, feucht und mit Moosen und Flechten überwachsen. Es roch stark nach Verwesung, Exkrementen und Tod. Doch das schlimmste war die ohrenbetäubende Ruhe. Man hätte vielleicht meinen können, dadurch das wir das Glück hatten direkt am Eingang eingesperrt zu sein, das man etwas von der Außenwelt mitbekäme, doch Fehlanzeige. Wie eine unsichtbare Mauer, verschluckte der Torbogen jedes Geräusch. Ich setzte mich, auf den mit etwas Stroh bedeckten Boden, konzentrierte mich auf meine Umgebung und suchte nach meinen Freunden. Tatsächlich war der Durchgang verzaubert. Nicht nur das keine Geräusche hereinkamen, nein es würde auch nichts hinauskommen. Die Magie war stark und dunkel und ohne meinen Beutel konnte ich wohl nichts dagegen tun. Je weiter ich mich dennoch nach unten vortastete umso mehr konnte ich es spüren. In jeder Zelle saß ein Individuum, entweder tot oder nach am Leben. Alec, Roan und Daimien hatte ich schnell ausgemacht. Sie strahlten hell und klar. Doch die meisten waren dunkel oder vernebelt. Dieses Verlies war die Hölle. Selbst meine magischen Kräfte vermochten nicht bis zum Grund der Treppe zu gelangen, doch in den untersten Zellen waren keine denkenden Wesen mehr. Ich spürte nur wage, ja was genau war es? Tatsächlich ein Drache, oder waren das nur Hirngespinste?

„Ihr wäret lieber gestorben!“ Die leise Frauenstimme riss mich aus meiner Konzentration. Ich öffnete die Augen und direkt vor meiner Zellentür stand tatsächlich eine junge hübsche Frau. Nun ja, wenn man von ihrem körperlichen Zustand, den verdreckten Kleidern und den traurigen Augen ausging. Ihre Augen, sie schien blind zu sein, denn sie waren silbern, dennoch hatte ich das Gefühl sie konnte nicht nur alles sehen, sondern auch durch mich hindurchsehen. Völlig verdattert starrte ich sie an. „Dastan, seht ihr sie auch oder ist das nur ein Hirngespinst meiner seits?“ „Ihr bildet euch nichts ein!“ Flüsterte sie und kam näher an meine Zelle. „Zu mindestens mich nicht“. Ich erwachte schnell aus meiner Starre und eilte zu dem Schloss. „Ihr seid frei, könnt ihr uns helfen zu fliehen?“ Ihre Augen wurden noch trauriger. „Es tut mir leid, auch ich bin Gefangene in dieser Feste.“ Sie zeigte mir jetzt ihre Handgelenke, welche in Handschellen gelegt waren und dessen Kette vielleicht einen Schritt lang war. Fälschlicherweise hatte ich nur gedacht sie würde sie gefaltet vor sich halten, doch sie waren nur zu schwer um sie hoch zu halten. „Nun gut, was genau geht hier vor und wieso seid ihr dann nicht in eine Zelle eingesperrt?“ Sie schüttelte mit dem Kopf. Was mich stutzen ließ war, dass sie sich nicht einmal umsah. Auf dem Hof liefen Ork´s Wache und hätten sie bestimmt gesehen, warum also war sie dann hier? „Er hat euch zu mir geschickt, stimmts?“ Verblüfft sah sie mir in die Augen. Ihre Magie, die seit ihrem Erscheinen auf mich einströmte war unverkennbar. Meistens verdeckten Magier ihre Macht, damit sie nicht sofort auffielen, aber diese Frau schien sie einfach offen fließen zu lassen. Entweder war ihr das egal oder ihr wurde nicht gelehrt wie man damit umging.

„Der Magier. Ich spüre eure Energie seitdem wir hier sind. Was will er von mir?“ „Ihr…ihr, habt es gespürt?“ „Natürlich“, ich konnte mir das auflachen nicht verkneifen. „Jeder Magiekundige lernt in seinen ersten Jahren wie man seine eigene Energie verbirgt, damit nicht jeder sofort mitbekommt wer er ist. Hat dir dein Lehrmeister das nie beigebracht?“ Sofort versteinerte sich ihr Gesicht. „Der Meister will wissen aus welchem Grund ihr hier seid und wohin euer Weg euch führt?“ Das einzige was ich ihr Antwortete war ein verächtliches Schnauben. Sie versteifte sich noch mehr, als hätte sie einen Schlag in den Rücken bekommen. Mir entging keine ihrer Bewegungen und so entging mir auch nicht wie sie etwas oder wem lauschte. Etwas zu sehr gespielt, brach sie zusammen weinte und flehte mich an ihr doch einfach zu antworten sonst würde ihr Meister sie foltern und demütigen. Sie hatte ihre Hände fest um die Gitterstäbe geschlungen, so dass ihre Fingerknöchel weiß hervor traten. Ich nutzte die Gelegenheit, griff ihr Handgelenk durch die Stäbe und konzentrierte mich auf ihren Geist. Prompt hatte ich wieder das Gesicht des Ork´s vor meinem inneren Auge. Kurz erschrocken über mein Eingreifen lachte er auf. „Ihr seid gut, Lady Jeanne.“ „Warum kommt ihr nicht selbst her? Warum dieses arme Ding schicken?“ mit gepresster Stimme hielt ich meine Wut unter Kontrolle. Doch der Ork schien unbeeindruckt. „Ich wollte testen wie stark ihr wirklich seid. Zando hat einen hohen Preis für euch versprochen, wenn man euch lebend fängt.“ Meine Gedanken rasten, ich wusste nichts darauf zu erwidern und löste die Verbindung.

Erschöpft viel die Frau hinten über und landete auf ihrem Hintern. Nachdenklich sah ich auf ihr Gesicht. „Kommt her!“ Befahl ich und tatsächlich stand sie wieder auf und stellte sich vor mich ans Gitter. „Gebt mir eure Hand!“ Unsicher zuckte sie sofort zurück. „Habt keine Angst, ich werde euch nichts tun!“ Immer noch etwas skeptisch legte sie ihre Hand in die meine. Sofort versuchte sich der Magier wieder in mein Gedächtnis vorzudringen, doch ich konnte ihn raus halten. Du kannst nun freisprechen. Überrascht sah sich die Frau in meinem Geist um. Wie ist das möglich? Ihre Frage verlor sich im Raum. Ich konnte den Ork abschirmen, du kannst frei reden. Immer noch etwas unsicher sprach sie dann doch. Mein Name ist Mariele. - Es ist mir eine Freude Lady Mariele. Nun bitte sagt mir was genau hier vor sich geht und wie ihr hierherkommt? Sie musste sich sammeln, sprach dann aber zügig. Ich komme aus einem kleinen Dorf nahe der Grenze zum Albaereich. Ich wurde als Kind entführt und habe bis vor einer Woche dort als Sklavin für den König Zando gedient. Schon wieder dieser Zando. Ich konnte im Schein des Blutmondfestes fliehen und habe es bis zu meinem Geburtshaus geschafft, dort hatten sie mich schon gesucht, aber ich konnte mich verstecken. Eine Lüge. Doch ich ließ sie aussprechen. Nach zwei Tagen hatte ich die verlassene Ruine Destal´s schon fast erreicht, da wurde ich von einem Orktrupp gefangen genommen und hier her verschleppt. Trotz ihrer weißen Augen, erkannte ich so etwas wie Zuneigung oder Dankbarkeit. Wer hat dir geholfen? Überrascht über meine direkte Frage hob sie die Augenbrauen. Wie bitte? Genervt legte ich den Kopf schief und fragte noch einmal. Wer hat euch geholfen? - Ein Ork namens Merek. Er hat irgendetwas in mir gesehen. Ich weiß nicht ob er es schon wusste das ich der Magie kundig bin oder aus einfacher Intuition. Er hat mich dem Priester vorgestellt und dieser nahm mich in seine Dienste, anstatt mich in den Kerker zu schmeißen. Stirnrunzelnd hörte ich ihrer Geschichte zu, doch es kam mir falsch vor. Lady Jeanne, ihr müsst von hier verschwinden. Sie sammeln Wesen aus allerlei Ländern um mit ihnen ihre brutalen Kämpfe zu veranstalten. - Was genau wollen die von mir? Und wieso lügt ihr mich an, was in eurem Elternhaus passiert ist? Wut kochte in mir auf, auf mich und auf die Tatsache das ich ihr wahrscheinlich nicht vertrauen konnte. Der Priester drückte immer mehr gegen meine Barriere, ich würde sie nicht mehr lange gegen ihn aufrechterhalten können.

Ich…ich kann euch nicht mehr sagen. Mariele schien innerliche Qualen auszustehen, da verstand ich das sie mir nicht sagen konnte. Ein Fluch schien sie daran zu hindern mir die Wahrheit zu erzählen. Ich ließ ihre Hand los und sie war frei. Es dauerte eine Weile bis sie sich von den Strapazen des Zaubers erholt hatte. Skeptisch musterte ich sie von Kopf bis Fuß. Sie hatte ihre magischen Kräfte erst seit ein paar Tagen, vielleicht eine Woche. Das arme Ding muss wohl grad die Hölle auf Erden durchmachen. Etwas Versöhnlicher lächelte ich sie an. „Danke das ihr mir vertraut und wenigstens ein paar Informationen gegeben habt.“ Sie nickte, verbeugte sich leicht und ging mit einem Flüstern. „Nehmt euch vor Azog dem Priester in acht, er ist stärker als ihr euch vorstellen könnt.“ Mit einem letzten bedauernden Blick schritt sie wieder in den Hof und aus meiner Sichtweite. Seufzend lehnte ich mich an die Gitterstäbe und sah hinaus in den wolkenverhangenen Himmel und wieder wurde ich stutzig. Eine etwas dunklere und sich schneller bewegende Wolke zog über die Festung hinweg. Wieder diese komische Wolke. Doch sie hatte etwas Tröstliches an sich. Und wie es wohl Reijkjon ergangen war?

 

 

Das Labyrinth

 

In den nächsten Stunden saßen wir in unseren Zellen und warteten ab. Dastan war still geblieben seit unserem letzten Gespräch und so wurde die Stille noch erdrückender. Ich hatte noch ein paar Mal versucht durch die Barriere zu gelangen oder noch tiefer zu kommen, aber es war vergebens. Die Kerker waren einfach zu gut geschützt und abgeschirmt. Doch wir würden nicht lange warten müssen, denn gegen Abend hörte ich schwere Stiefel und Ketten rasselnd auf uns zu kommend. Der selbe Ork, der mich in die Zelle gesperrt hatte, stand jetzt wieder vor der Gittertür. Mit hämischen Grinsen öffnete er diese. „Jetzt wird es spaßig meine Liebe.“ Ohne mich zu wehren ließ ich mir Handschellen und Ketten anlegen und folgte ihm, Dastan tat es mir gleich. Der Himmel über uns war wolkenverhangen. Dicker schwarzer Ruß verdunkelte den Nachthimmel zusehends. Bis auf das lavaspukende entfernte Fauchen des Vulkans und unserer rasselnden Schritte auf dem schwarzen Kies, war es ungewöhnlich still. Wir wurden quer über den Hof durch einen Torbogen eine breite Treppe hinunter in die Festung geführt. Die grob behauenden Wände waren nur mit ein paar Fackeln dann und wann beleuchtet, so dass man aufpassen musste wo man hintrat.

Je tiefer wir kamen umso kühler und feuchter wurde es. Der Gestank nach Blut & Exkrementen nahm zu und ein Johlen und Brüllen wurde immer lauter. Unten angekommen blieben wir kurz stehen und mir rutschte das Herz in die Hose. Vor uns eröffnete sich eine riesige unterirdische Höhle in deren Mitte ein steinernes Labyrinth gehauen wurde. Drumherum auf Tribünen wie in einer Arena, jubelten Ork´s verschiedenster Größen und Rassen dem Geschehen weiter unten zu. Vor Kopf auf einer Empore saß Gremlogg mit seinem Priester und Mariele an seiner Seite. Als sie uns kommen sah, trat Trauer in ihre Augen. Azog bemerkte uns ebenfalls, er nahm seinen Becher und prostete mir zu. Wieder kochte Wut in mir auf. Doch es blieb keine Zeit mehr mich aufzuregen, denn mit einem unsanften Stoß in den Rücken wurde ich weiter geschubst. Dastan hinter mir sah genauso wütend drein wie ich mich fühlte. Die anderen jedoch fehlten.

Wir wurden in eine Zelle gesperrt, die unter den Tribünen lag und wohl einen direkten Zugang in das Labyrinth hatte. Man nahm uns die Ketten ab und zeigte auf einen Haufen Metall in der Ecke. „Viel Spaß euch!“ Spottete der Ork und ließ uns alleine. Dastan und ich sahen uns an und dann auf den Haufen rostiger Schwerter, Äxte, Spaten, Rechen und anderer nutzloser Waffen. „Damit sollen wir kämpfen?" Seine Stimme war verächtlich als er einen krummen Säbel aus dem Haufen zog und ihn inspizierte. „Damit können wir ihnen nicht mal die hässlichen Fratzen einschlagen". Klirrend schmiss er ihn zurück zu dem restlichen Metallhaufen. „Sie werden nicht gleich die besten auf uns hetzten. Schnapp dir deren Waffen und töte sie", ein Todesschrei hallte durch die Höhle und unter ohrenbetäubenden Jubelrufen und Fuß stampfen brannte die Menge auf den Tribünen. Das Tor zum Labyrinth öffnete sich und wir gingen zögernd zusammen hinaus. Die Wände waren gut drei Mann hoch und glatt poliert, mal eben hochklettern war nicht möglich. Ich nickte Dastan zu und zusammen gingen wir aufmerksam durch die Wege und Gassen. Mir war mulmig zumute. Der Lärm über unseren Köpfen und die lauernde Gefahr zwischen diesen Mauern, ließen mir das Adrenalin durch die Adern rauschen. Dastan an meiner Seite zu wissen war beruhigend, aber auch bei ihm spürte ich Unbehagen und Anspannung. Es war relativ einfach durch das Labyrinth zu kommen, zu einfach für meinen Geschmack, doch das schien nicht für jeden der Fall gewesen zu sein. In den Gängen lagen teilweise verwesende Körper, abgetrennte Gliedmaßen und riesige Blutlachen. Ein paar Mal verliefen wir uns, doch die herab sausenden Messer, Geschosse, die aus der Wand kamen und Fallen im Boden, überwanden Dastan und ich gemeinsam. Begleitet wurden wir von den meist enttäuschten Flüchen und Beschimpfungen der mitfiebernden Menge. Obwohl das Labyrinth so tief unten lag, konnte man fast jedes Wort der Ork´s verstehen. So stachelten mich Beschimpfungen wie „Diebeshure“, „Verräterin“, „Miststück“ und „Orkfutter“ nur noch mehr an. Mit ein paar Kratzern und blauen Flecken erreichten wir den scheinbar letzten Abschnitt. Denn je weiter wir kamen desto wirrer wurde die Gangführung und desto gefährlicher die Gegner.

Als wir endlich einen großen Basilisken mit seinem eigenen Giftzahn getötet hatten, kamen wir keuchend und etwas erschöpft zu unseren eigentlichen Gegnern. Die überdimensionierte grüne Schlange lag tot auf dem Boden, als wie aus dem Nichts dieselbe hässliche Fratze von Ork vor uns stand, der Reijkjon weggeführt hatte. Mit zwei schartigen Macheten stand er vor uns und gackerte vor sich hin als er uns sah. Mordlust stand in seinen Augen, doch das Grinsen würde ihm noch vergehen. Dastan schlich um ihn herum, bereit ihn von zwei Seiten anzugreifen. „Endlich kann ich dich kalt machen, du minderwertiges Stück Menschenfleisch. Ich werde dich am lebendigen Leib fressen, wie deinen Gaul". Ich musste grinsen, Reijkjon lebte das spürte ich. „Na, dann komm doch!" Forderte ich den Ork heraus, der darauf ansprang und nur auf mich konzentriert mit den Macheten voran auf mich ungelenk zustürmte. Mit einer geschickten Drehung wich ich ihm aus und ritzte ihn, mit dem Basiliskenzahn, in den Oberarm nahe der Pulsschlagader. Das Gift würde sich schnell in seinem Körper verteilen und ihn von innen schwächen, töten würde ich ihn dann.

Eine zweite Klappe im Boden öffnete sich und ein weiterer deutlich größerer Ork kam brüllend heraus geklettert. Mit einem schnellen Blick zu Dastan, versicherte ich mich das er sich um das Ungetüm kümmern würde. Sofort vernahm ich schnelle Schritte auf dem steinernen Boden und Kampfgeschrei. Doch weiter konnte ich ihm und seinem Kampf keine Aufmerksamkeit schenken. Der Ork kam nämlich wieder auf mich zugestürmt, dieses Mal von der Seite. Mit einem gezielten Schlag auf den Unterarm entwendete ich ihm eine seiner Macheten. Behände fing ich sie auf und trat ihm entgegen. Etwas sicherer mit einer Waffe in der Hand, konnte der Kampf beginnen. Doch das Gift tat schon seine Wirkung, er taumelte. „Was ist los, Ork? Ich lebe ja nach noch", provozierte ich ihn und grinste ebenso hämisch. Mit einem wütenden Schnauben rannte er auf mich zu und zielte mit der rostigen Klinge auf meinen Hals. Einen Schritt zur Seite, unter dem Arm weggeduckt und einem gezielten Stich zwischen die Rippen des Gegners und er erstarrte mitten in der Bewegung. Überrascht sah er auf das Blut welches pulsierend aus der tödlichen Wunde floss und fiel um. Röchelnd und Hilfe suchend sah er sich am Boden liegend um, doch er wurde nur lauthals von den umstehenden Ork´s ausgeschimpft. Auch Dastan hatte seinen Gegner besiegt, der kopflos am Boden lag.

Mit einem Blick nach oben zum Orklord, in dessen Augen ich pure Verabscheuung las, folgte ich Dastan der durch das sich öffnende Gittertor ging, wo wir schon erwartet wurden. „Geht es dir gut?" meine Sorge war unbegründet, denn in seinen Augen las ich Zufriedenheit. „Blendend, endlich konnte ich eines dieser dummen Kreaturen töten". Wieder in Ketten gelegt wurden wir eine Treppe hochgeschoben und wieder in unsere Zellen gebracht. Ich hoffte inständig das es Alec, Daimien und Roan gut ging. Doch ich konnte beruhigt sein, Alec ließ mich durch seine Augen zusehen und auch ihnen gelang es dem Labyrinth zu entkommen. Roan wütete wie ein Berserker, ließ seine Wut an Gemäuer, Fallen und Ork´s aus. Daimien und Alec räumten hinter ihm nur auf und folgten seiner Spur der Verwüstung. Die Freude wärte nicht lang, denn wir mussten schnellstens einen Weg finden zu entkommen.

„Das ist das unvernünftigste was ihr tun könntet mein Lord", aufgebracht schritt der Ork auf und ab. Die Sichel an seinem Gürtel klimperte hell bei jedem seiner Schritte. Das Gewand raschelte leise, jedes Mal wenn er sich wieder umdrehte. „Ihr wisst was die Albae gesagt haben, wir sollen sie ziehen lassen!" „Was die Albae sagen interessiert mich nicht. Ihr habt gesehen wie die Meute getobt hat, eine bessere Kriegergruppe hatten wir noch nie". Gremlogg´s erheiterte Stimme regte den Priester auf. „Das mag vielleicht sein und ich teile eure Abneigung gegen dieses Albenpack ebenso wie ihr mein Lord, dennoch wäre es auch zu unseren Gunsten, wenn sie das Artefakt für uns fänden". Der riesige Ork stand nun unwirsch auf und taxierte den Priester mit seinen gelben Augen. „Wenn ihr nicht so ein treuer Freund wärt, hätte ich euch schon längst eure Zunge herausgeschnitten!" Azog schwieg um seinen Worten Gewicht zu verleihen. Der Orklord lief nachdenklich den Thronsaal hinunter und besah sich die bunten Glasfenster die im Mondlicht erstrahlten.

„Hunderte von Jahren lebte und kämpfte unser Volk jetzt schon mit den Albae und jedes Mal behandeln sie uns wie streunende Hunde, die Reste von der Beute abbekommen. Gut genug um ihre Feinde zu töten, doch niemals gleichgestellte Partner. Der geduldete Abschaum, gut für den einen Zweck. Ich habe es satt Azog. Ich lasse mich von diesen schwarzhäutigen Spitzohren nicht mehr täuschen. Es wird Zeit das wir den Spieß umdrehen." Abrupt blieb er stehen und wand sich an den Priester. „So sehr es mir missfällt sie gehen zu lassen, so habt ihr wahrscheinlich Recht, Azog. Doch es darf nicht aussehen als würden wir sie einfach frei lassen. Schickt Merek und Mariele mit, sie sollen unwissentlich helfen". Azog verbeugte sich vor dem Ork. „Ja mein Lord, ich werde es veranlassen", dann wand er sich zum Gehen. „Azog, überlass Lady Jeanne auch wieder ihren Beutel, auch wenn ihr ein großes Interesse daran habt, ihr könnt ihn euch holen, wenn wir sie getötet haben." Gremlogg´s Anweisung schmeckte ihm zwar gar nicht, doch er musste gehorchen. Vor seinem Lord hatte er es sich nicht anmerken lassen, aber er war fuchsteufelswild. Ja, es war die bessere Entscheidung sie ziehen zu lassen, sie hätten erst gar nicht gefangen genommen werden sollen. Das dieser Dummkopf von Fennek sie überhaupt gefunden hatte, war so sicher wie die Made im Sand zu finden. Die Albae hatten gewusst, dass sie nach dem Artefakt suchten, doch dass sie schon so weit waren und anscheint Moria gefunden hatten, überraschte ihn. Eilig ging er die schmale Wendeltreppe hinauf in seine Gemächer. Wütend schlug er die hölzerne Tür hinter sich zu und sah auf den ledernen Beutel der noch auf dem Holztisch lag. Er war noch nicht dazu gekommen ihn zu öffnen, doch er war verzaubert das spürte er und er wollte sich dafür Zeit nehmen, wenn sie schon längst tot waren. Nun musste er es irgendwie schaffen das Merek und Mariele Lady Jeanne und ihren Reisegefährten unwissentlich halfen zu entkommen. Doch ihm kam gerade eine Idee.

 

Laster eines Königs

 

Die Beisetzung des Königs erlebte Rathiel wie in Trance. Die Zeremonie war schön gewesen. Das üppig gefüllte Segelboot mit Blumen geschmückt, Geschenken beladen und mitten drin Athrandiel in den feinsten Gewändern mit seinem Schwert in der Hand. Es hatte ausgesehen als würde er nur schlafen, so friedlich und still. Das Boot war vom See in den Fluss Indrir geflossen und von da an in den geheimnisvollen Nebeln des Waldes entschwunden. „Der Wald erschafft uns und der Wald nimmt uns auch wieder hinfort“. Das waren die Worte des Priesters und so war es je gewesen. Diejenigen die versucht hatten lebendig durch den Nebel zu segeln, kamen nie wieder zurück. Rathiel hatte stillschweigend daneben gestanden und den Teil des Prinzen in der Zeremonie und der Trauerfeier gemimt, doch er war nicht bei der Sache. Die die ihn kannten sahen sofort wie es ihm wirklich ging, doch ihn kannte kaum einer wirklich und die die es konnten waren weit weg. So war er alleine mit seinen Sorgen und Gedanken. Auf die Generäle war kaum verlass, sie waren nur Marionetten in dem politischen Geranke der elbischen Politik. Er hatte Stunde um Stunde mit ihnen zusammen gesessen, debattiert und letztendlich doch seine Meinung durchgesetzt. Er hatte viel von seinem Vater gelernt und kannte sich aus, welche Clans miteinander im Klinsch waren, wie die Routen der Händler zu beschützen waren und andere organisatorische Angelegenheiten. Doch das was ihn am meisten beschäftigte und was ihn teilweise wütend machte, war der Inhalt des Briefes den Athrandiel ihm überlassen hatten.

Er hatte ihn direkt nach seiner Rückkehr in seinen neuen Gemächern gelesen und ihn studiert. Wenn das was dort drin stand wahr war, dann waren Jeanne und die anderen in größter Gefahr. Auch an diesem Abend der Beisetzung verschanzte er sich wieder in sein Gemach und holte den Brief aus dem Versteck hinter dem Bücherregal. Und wieder las er dieselben akkurat geschriebenen Worte.

Mein Lieber Sohn Rathiel,

es schmerzt mein Herz sehr das ich euch nicht schon früher von dem erzählt habe, was mein Herz seit eurer Geburt betrübt. In den Tagen des Krieges, welche ihr nur aus Erzählungen und Schriften kennt, mussten Entscheidungen getroffen werden, die noch bis heute nachhallen. Ich schreibe diesen Brief an euch, da meine Zeit gekommen ist. Die Prophezeiung, welche eure Mutter noch bis zu ihrem Tod verfolgt hat ist wahr. Ich bin wohl selber schuld an dem Ganzen, ich und mein damaliger Freund Ragnar. Zu den Zeiten in dem wir den Sieg feierten über die Albae, waren wir voller Trauer um die die nach uns kommen würden. Das Geheimnis um die Gegebenheit des Sieges, haben wir an diesem Abend geschworen niemanden zu erzählen, bis heute.

Die Heere waren ausgedünnt und der Kampfeswille so gut wie zerschmettert. Die Drachen die uns noch helfen wollten, blieben, die restlichen waren entweder gefallen oder geflohen. Umzingelt von den Albae und ihren dunklen Kreaturen, würde nur noch ein Schlag ausreichen um unsere Allianzen und unsere Krieger zu zerschlagen. Am Abend vor dem letzten Angriff redeten wir uns Mut zu, doch die Schlacht wirkte verloren. Wir legten uns ein letztes Mal zur Ruhe, als wir um Mitternacht ein seltsames Geräusch hörten. Wie ein lieblicher Singsang einer Frau, erklang ein Lied durch die stille Nacht. Ragnar weckte mich und trieb mich zur Eile. Eine tückische Falle, ein Trick der Albae war nicht auszuschließen, dennoch schlichen wir uns aus den Zelten und sahen diese weiß leuchtende Frau vor unserem Zelt schweben. Eine lieblichere Gestalt hatte selbst ich noch nicht gesehen und sie zog uns in ihren Bann. Ohne den Boden zu berühren schwebte sie vor uns her und bat uns zu folgen. In den nahegelegenen Wald führte sie uns und auf einer Lichtung hielt sie inne. Ein steinerner Altar, mit Moos überwachsen und Zeichen die ich noch nie gesehen hatte geschmückt, stand er ihm gleißenden Mondlicht.

Die Frau bot uns ihre Hilfe an. Sie würde uns zum Sieg gegen die Albae führen, doch sie wolle eine Gegenleistung. An dem Tag wie die Albae wieder aufbegehren würden, würde ich sterben. Ermordet von einer Bestie und zugleich würde Ragnar´s Tochter sterben bei dem Versuch das Artefakt zu zerstören und die Albae wieder einmal zu Fall zu bringen, endgültig. Natürlich war Ragnar überrascht. Wie konnte sie so sicher sein, das bis zu dem Zeitpunkt überhaupt noch einer seiner Nachfahrin leben würde. Doch die Frau hatte nur Gelächelt und fragte uns nur ob wir den Handel eingehen wollten. Verzweifelt wie wir waren ließen wir uns darauf ein und besiegelten diesen mit unserem Blut.

Am nächsten Tag, am Tag der letzten Schlacht besiegten wir die Albae. Neue Kräfte in uns geweckt, schlugen wir sie sie alle nieder. Tiere aus den Wäldern eilten uns zur Hilfe. Verletzungen die hätten tödlich sein müssen, konnten uns nichts anhaben. An diesem Tag waren wir unbesiegbar. Doch er hatte einen bitteren Beigeschmack. Ich hatte mich Jahre später mit Priestern, Sehern und Magiekundigen zusammen gesetzt um heraus zu finden, wer diese Frau war und tatsächlich fanden wir tief in den Wäldern ein Elbenvolk welches mit den alten Wesen vertraut war. Sie nannten sie Rakal, die Ausgleichende. Sie ist ein guter Naturgeist und bestrebt die Harmonie und das Gleichgewicht der Welt beizubehalten. Mit diesem Pakt schützte sie in erster Linie die Natur und das Gleichgewicht zwischen den Völkern. Sie ist weder Gut noch Böse und handelt nur im Sinne der Ausgewogenheit. Sie würde wohl einen Sinn gesehen haben mich und Lady Jeanne zu töten, deswegen Sohn sei dir bewusst ich bin nicht um sonst gestorben.

Dennoch war und ist es immer noch eine schwere Bürde euch in solch große Gefahr zu bringen und eure Liebe Jeanne in den Tod zu stürzen. Ragnar hat es sich nie verziehen und sich das Leben genommen. Und ihr mein Sohn, ich weiß wie viel sie euch bedeutet und dass ihr auf ewig wütend auf mich sein werdet, doch wir taten es zum Wohle der Welt. Bitte verzeiht, doch ich sehe Großes in euch und das was geschehen soll, wird auch geschehen.

In Liebe euer Vater

Rathiel war zwiegespalten, sollte er ihr sagen was er wusste? Es würde doch nichts ändern, sie musste diese Aufgabe erledigen. Immer noch betroffen, faltete er den Brief wieder zusammen in das kleine Kästchen und verstaute es wieder in das geheime Fach. Als es an der Tür klopfte schrak er kurz auf. Die Tür öffnete sich und Melina steckte ihren Kopf durch den Türspalt. „Mein Prinz?“ „Komm rein, was kann ich für euch tun?“ Sie schloss die Tür hinter sich, neigte ihren Kopf und sah ihn dann besorgt an. „Mein Prinz, bitte verzeiht das ich euch störe, aber ihr seid so schnell von der Feier verschwunden das ich mir Sorgen gemacht habe.“ Einen weiteren königlichen Amtsträger und Verbündeten wollte sie nicht tot in den Gemächern vorfinden. „Nein es geht mir gut, danke für eure Anteilnahme.“ Sie nickte wieder stand, aber noch immer mitten im Raum. „Kann ich sonst noch etwas für euch tun?“ Sie errötete leicht und senkte den Blick. „Ich weiß es ist vielleicht unpassend so direkt nach dem Ableben eures Vaters, aber ich möchte euch gerne aufheitern“. Sie öffnete einen Knoten ihres Gewandes. Der nur leicht gewickelte Stoff rutschte von den schmalen Schultern der Elbin und fiel in Wellen auf den Boden zu ihren Füßen. Nackt und in ihrer puren Schönheit stand sie nun vor ihm. Die kleinen prallen Brüste in dessen Mitte sich die zartrosa Erhebungen der Brustwarzen abhoben, wippten leicht als sie langsam auf ihn zu ging. Es war nichts Laszives in ihrem Blick, eher eine unterwürfige Bitte. Rathiel konnte seinen Blick nicht von der Perfektion ihres Körpers abwenden. Die wohlgeformten schlanken Linien ihrer Taille, die feingliedrigen Finger, das symmetrisch geformte Gesicht mit den großen Augen und das lange weich fallende braune Haar, waren betörend. Doch vor seinem inneren Auge sah er nur Jeanne. Ihr Körper war auch schlank, doch nicht so zerbrechlich und grazil. Er war trainiert, kräftig, von Narben übersät und rundlicher. Dennoch gerade diese, in Elbenaugen, Unstimmigkeiten zogen ihn an. Wie die bronzenen Male im Mondlicht glitzerten, wie sie den Atem anhielt, wenn er eine besonders empfindsame Stelle an ihrem Körper berührte. Und vor allem ihr alles sehender Blick, wenn sie seine Seele erkundete.

Er vermisste sie, doch auch er hatte Bedürfnisse und so stand er auf, trat auf Melina zu und sah ihr mit brennenden Blick in die Augen. Sie erwiderte schüchtern seinen Blick, wartete aber ab. Zwiegespalten zwischen seinem Verlangen und Ekel vor der der Erniedrigung der Elbin, versuchte er einen klaren Gedanken zu fassen. Doch sein Verlangen obsiegte. „Ihr wisst was ihr tut?“ Seine Stimme war dunkel und bestimmend. Sie nickte nur und gab sich ihm hin. Er war wütend auf sich, auf seinen Vater und vor allem das nicht Jeanne jetzt vor ihm stand. Er drehte Melina um, drückte sie mit dem Oberkörper auf seinen Schreibtisch, zog sein erregiertes Glied aus seiner Hose und fickte die Elbin, die sich vornübergebeugt am Tisch festhielt. Mit einer Hand griff er ihn ihre Haare und zog ihren Kopf zu sich heran, dass sie ihren Rücken durchbog. Sie stöhnte leise, überwältigt von der Wut und Macht die er in sie hineinstieß. Doch das frustrierte Rathiel nur noch mehr, Jeanne hätte lauter gestöhnt, seinen Namen gerufen, ihm das Gefühl gegeben noch mehr zu geben. Mit der Erinnerung an sie kam er, es war schnell und heftig gewesen. Einen Moment verharrte er, als sich sein Saft in Melina ergoss und ließ sie dann los. Noch etwas überwältigt, sammelte sie sich wärend Rathiel sich wieder anzog. Er reichte ihr ihre Gewänder und drehte sich zu seinem Schreibtisch um. Sie zog sich eilig an und verneigte sich vor ihm. „Wenn ihr eine weitere Ablenkung braucht, dann sagt Bescheid. Ich stehe immer zu eurer Verfügung mein Prinz“. Rathiel winkte sie ab und nickte zum Dank ohne sie anzusehen. Wie konnte er das nur zugelassen haben. Das sich eine Elbin so herabließ um ihrem Prinzen zu dienen. Er musste über Jeanne hinwegkommen, auch wenn ihm das das Herz brechen würde.

 

Bestimmungen

 

Nach dem Kampf blieb es ruhig. Im Schneidersitz versuchte ich meine aufkeimende Unruhe Herr zu werden. Ich hatte die Nacht nicht schlafen können, meine Gedanken kreisten um die unlösbare Aufgabe unserer Flucht. Der Morgen würde bald anbrechen und aus den Gesprächen der Ork´s hatte ich mitbekommen das wir wohl ab jetzt zur Belustigung der Meute für immer in diesem Labyrinth kämpfen sollen bis wir dort verenden. Doch dieses Schicksal würde ich nicht annehmen, so hatte ich versucht meinen Kopf frei zu bekommen und wieder einmal, vergeblich, Rathiel zu erreichen. Seufzend gab ich es auf und lehnte mich frustriert an die Wand. „Immer noch keinen Plan ausgeheckt, Lady?“ Dastan´s Stimme klang dumpf durch die Mauer, auch er schien nicht schlafen zu können. „Nein, leider nicht. Wir kommen hier wohl vorerst nicht ohne weitere Hilfe raus.“ Einen verrückten Plan hatte ich dann doch. „Aber?“ er schien mein Zögern gehört zu haben. „Es ist verrückt, aber vielleicht könnte es klappen!“ „Dann bin ich gespannt auf euren genialen Plan!“ Alec unterrichtete ich ebenfalls und hoffte das die Ork´s ihren Abläufen treu bleiben würden. Die letzten Stunden versuchten wir dann doch noch zu schlafen, wir würden unsere Kräfte noch brauchen.

Am nächsten Morgen war der Himmel wieder mal wolkenverhangen und trostlos. Wir mussten auch nicht lange auf unseren Wärter warten. Dieses Mal aber war das fiese Frettchen von Ork, vorsichtiger mit mir. Das verbundene Auge und der abgesägte Zahn waren wohl Hohn genug, als dass er sich noch einmal mit mir anlegen würde. Wieder fesselte er mir und Dastan die Hände und auch wieder wurden wir in die Arena geführt. Tatsächlich übermittelte mir Alec das auch sie aus den Kerkern geholt wurden. Unseren Zwist vorerst beiseite gelegt, mussten wir uns jetzt auf unsere Flucht konzentrieren. Wir hatten also eine reelle Chance. Als das Gitter wieder vor uns heraufgezogen wurde, bahnten wir uns durch das Labyrinth. Dieselben Wege und Abbiegungen, selbst die Fallen hatten sie gleich gelassen. Doch als wir zum finalen Abschnitt kamen, war der Platz leer. „Irgendetwas stimmt hier nicht!“ Dastan´s leise Stimme an meiner Seite sprach dass aus, was ich seit Beginn schon befürchtet hatte. „Ruhig bleiben, einfach an den Plan halten“. Angespannt und in Angriffshaltung sahen wir uns um. Mit einem Blick zur Empore in das Gesicht des Orklord´s, der siegessicher auf uns herab blickte, bewahrheitete sich meine Befürchtungen. Mit einem leisen Klicken hörte ich ein Zischen. Überrascht schauten wir uns eilig um und entdeckten erst mal gar nichts. Doch dann sah ich den dicken grünen Nebel der aus kleinen Öffnungen im Boden waberte und auf uns zuhielt. Die Leichen des gestrigen Tages lagen immer noch an derselben Stelle wo wir sie getötet hatten. Als der Rauch die leblosen Körper erreichte, schmolzen sie wie Wachs mit einem ekelig schmatzenden Geräusch dahin.

Ich sah wieder nach oben, direkt in die triumphierenden Augen Gremlogg´s. „Halte dich von dem Nebel fern“, doch Dastan hatte schon längst die Tücke des Rauches entdeckt und hielt sich davon fern. Langsam kroch er auf uns zu und trieb uns zurück in das Labyrinth. Der Ausgang versperrt vom tödlichen Gas, in der Gewissheit dass wir nicht lebend herauskommen würden, ratterte mein Hirn. Doch dann kam mir eine Idee. „Los, wirf mich die Mauer hoch!“ Dastan noch abgelenkt von den sich nähernden Schwaden, sah mich etwas verdutzt an. Blickte dann die Mauer hoch und verstand. Er legte seine Hände zusammen, ich setzte meinen Fuß hinein und mit einem kräftigen Wurf flog ich durch die Luft. Meine Finger klammerten sich an die steinerne Kante und zogen sich Stück für Stück weiter herauf, bis ich ein Bein auf die Mauer hieven konnte. Schnell zog ich mich weiter hoch dass ich bäuchlings darauf lag und reichte meinen Arm zu Dastan hinunter. Der Abstand war eigentlich zu groß, doch Dastan trat ein paar Schritte zurück, nahm Anlauf und mit einem letzten Blick auf das grüne Gas rannte er los. Mit einem beherzten Sprung lief er regelrecht die Mauer hoch, griff nach meiner Hand und zog sich ebenfalls mit meiner Hilfe auf die Mauer. Der plötzliche Zug und das zusätzliche Gewicht an meiner Hand überraschten mich für einen kurzen Moment und ich rutschte etwas von der Mauer. Mit größter Anstrengung und unter schweren Schnauben zog ich ihn Stück für Stück hoch, bis er sich aus eigener Kraft festhakten konnte.

Der Nebel prallte wie eine tosende Welle gegen ein Kliff gegen die Mauer und blieb dort unten. Etwas außer Atem, sahen wir uns nun mit verbesserter Übersicht um. Die Ork´s auf den Rängen tobten und pfiffen, Gremlogg, Azog und Mariele sahen überrascht zu uns herüber. Schnell sah ich mich um. Nach unten konnten wir nicht mehr, der Nebel hatte mannshoch den Boden des gesamten Labyrinth´s bedeckt, der einzige Ausweg war geradeaus über die Mauern zur Empore. Dicht gefolgt von Dastan sprangen wir von Mauer zu Mauer und kamen dem Orklord gefährlich nahe. Dieser sah die nahende Gefahr und stand aus seinem Thron auf. Mit einem behänden Sprung setzten wir auf die Balustrade und griffen an. Ein gezielter Tritt gegen das Kinn des riesigen Ork´s und er taumelte leicht zurück. Mariele schrie auf als Azog sie auf Sicherheit ein Stück zurück riss um den kämpfenden Platz zu machen. Dastan sprang direkt hinter mir auf die Plattform und zog dem taumelnden Ork einen Dolch aus dem Gürtel. Dieser hatte sich gefangen und fand sich nun gegen die Mauer gepresst und einer Klinge an der Kehle wieder. „Lasst uns gehen und wir lassen euch am Leben!“ raunte ich ihm gefährlich zu und meine Augen fixierten die seine. Er sah zwischen mir und Dastan hin und her und hob abwehrend die Hände. „Geht, verschont mein Leben und geht. Wir werden euch nicht aufhalten!“ Es war ruhig geworden, die Ork´s hatten den Zwischenfall bemerkt und sahen angespannt zu was hier oben passierte. „Mariele nehmen wir mit!“ Zornig blitzten Gremlogg´s Augen auf und mit einem kurzen Blickaustausch nickte Azog widerwillig. Er zog einen Schlüssel aus seinem Umhang und schloss die Handfesseln auf. Erleichtert rieb sich die Frau ihre wunden Handgelenke und trat einen Schritt zur Seite. „Und meinen Beutel!“ Befahl ich und deutete mit dem Kopf auf den Gürtel des Magier´s an dem mein lederner Beutel baumelte. Er wollte schon protestieren. „Na los gib ihr den Beutel!“ Gremlogg´s klarer Befehl hallte durch die ganze Höhle. Schnell riss er ihn sich vom Gürtel und reichte ihn mir.

„Danke. Und nun, lasst uns und unsere Freunde gehen.“ Es war nicht einfach den massigen Körper des Ork´s durch die Gänge zu manövrieren ohne das Messer runter zu nehmen. Er machte es mir auch nicht leichter, doch Dastan lief an meiner Seite und half mir wo er konnte, wenn der Ork versuchte sich aus meinem Griff zu befreien. Mit dem Messer an der Kehle führten wir Gremlogg voran durch einen Durchgang in der hinteren Wand. Schnell folgte uns Mariele und wir eilten die Treppen hinunter, an den dort wachenden Ork´s vorbei zu den anderen die noch gefesselt warteten um in das Labyrinth zu kommen. „Los, Fesseln lösen!“ Rief ich den Wachen mit fester Stimme zu und drückte dem Orklord die Klinge noch enger an die Kehle. „Sonst trinkt euer König sein eigenes Blut“. Diese sahen sich kurz überrascht um, gehorchten aber anstandslos, nachdem Gremlogg ihnen zunickte. Die Fesseln fielen und wir drängten weiter zur Treppe. Diese wurde offen gehalten durch eine große schwere Holztür, wärend die anderen schon hindurch gingen, lief ich rückwärts mit Gremlogg darauf zu. „Das werdet ihr bereuen!“ zischte er mich an, doch ich ignorierte seine Drohung. Mit einem letzten Blick auf die wütend zischende Menge vor uns, versetzte ich dem massigen Körper einen Tritt, so dass er nach vorn stolperte. Sofort schlossen Dastan und Alec die Holztür und mit einem letzten Blick in die rasenden Augen Gremlogg´s, versperrten sie diese mit einem Querbalken.

„Los, zu den Ställen!“ Daimien trieb uns voran und so eilten wir die Treppe hinauf in den Innenhof, während sie hinter uns versuchten laut brüllend und gegen die Tür hämmernd diese einzuschlagen. Dieser war wie leer gefegt und erste Regentropfen färbten den Kiesboden dunkel. „Holt ihr die Pferde. Roan wir müssen das Zugtor öffnen!“ Der kräftige Krieger folgte mir mit einem Nicken, wärend die anderen mit Mariele im Schlepptau zu den Stallungen rannten. Das Tor wurde mit einer riesigen Winde oberhalb der Burgmauer hochgezogen. Für einen alleine eine unmögliche Aufgabe, doch mit Roan´s Hilfe würde es gehen. Wir eilten die Steintreppen hinauf und stellten uns jeweils auf beiden Seite der Winde auf. Mit der größten Anstrengung die ich aufbringen konnte drehte ich gleichzeitig mit Roan an den Rädern der Winde und mit einem ächzen und quietschen öffnete es sich Stück für Stück. Als das Tor offen stand, sperrte Roan den Mechanismus der sie wieder herunter lassen würde und wir eilten zurück in den Innenhof. Die anderen kamen schon mit den gesattelten Pferden auf uns zu geritten, Alec mit Reijkjon an der Hand und Mariele auf seinem Rücken. „Schön blöd diese Ork´s“, sagte er und deutete hinter ihm auf ein Joan´s Pferd auf dem ein gefesselter Ork saß. Sofort erkannte ich Merek. „Haben ihn bei den Pferden gelassen und samt unserer Taschen und Ausrüstung.“ Argwöhnisch musterte ich den wütend drein blickenden Ork, über sein Schicksal müssten wir uns später Gedanken machen. Tatsächlich hing mein Bogen, Köcher, Mantel und Proviant an meinem Sattel. Schnell sprang ich auf den Rücken des Pferdes und deutete Mariele an sich hinter mir an mich fest zu halten. Zaghaft schlang sie ihre dünnen Arme um mich und wir galoppierten über die Zugbrücke in die Freiheit.

Mit einem letzten Blick nach hinten war mir doch etwas mulmig zu mute. Die Feste lag still in der Landschaft, kein Gebrüll, kein Gehämmer gegen die Tür, nicht mal Wachen waren auf den Zinnen zu sehen. Schon seltsam, es war zu einfach. Doch diese Gedanken mussten warten, wir trieben unsere Pferde weiter gen Norden um den Vulkan herum, weiter in die zerklüftete und felsige Landschaft der Albae. Mariele hatte ihre liebe Mühe und Not sich hinter mir zu halten und so drosselten wir ein wenig das Tempo nach dem wir nach einer Stunde im strammen Galopp durch die Landschaft geritten waren. Die Pferde schnauften und dampften als wir im Schritt zwischen zwei Hügelketten hindurch ritten und ich merkte wie sich Mariele wieder ein wenig entspannte. Meinen Lederbeutel immer noch an meiner Seite wissend und Reijkjon gesund unter mir, verlieh mir wieder Hoffnung. „Nun gut Merek“, wand ich mich an den Ork auf dem kleinen Schimmel. Er hatte gut mitreiten können und hatte kein Wort von sich gegeben seit unserem Aufbruch. „Wieso haben sie euch in den Stallungen gelassen!“ Er taxierte mich mit seinen lilanen Augen. Verachtung lag in seinem Blick als er antwortete. „Diese Spielchen im Labyrinth interessieren mich nicht, ich bin freiwillig dort gewesen!“ Sein Blick ruhte nun auf Mariele. „Ihr solltet vielleicht Rast machen, sonst kippt euch die Menschenfrau noch von eurem Pferd!“ Und tatsächlich, Mariele´s Griff wurde immer lockerer und mit einem schnellen Blick nach hinten sah ich wie sie immer weiter in sich zusammen sackte. „Nun gut, ihr kennt euch besser in dieser Gegend aus, sucht einen Rastplatz wo wir vor dem Regen und den Ork´s sicher sind.“ Merek sah mich kurz verwundert an, doch deutete dann auf einen Felsvorsprung weiter oben. „Dort oben gibt es eine leer stehende Höhle, dort können wir rasten!“ Die anderen sahen hinauf, eher skeptisch doch wir hatten keine Wahl. Der Regen wurde immer stärker und durchnässte uns bis auf die Knochen.

Wir ritten einen schmalen Pfad hinauf und tatsächlich öffnete sich hinter dem Felsen eine Öffnung. Sie war groß genug das wir mit den Pferden hinein gehen konnten, aber ansonsten von unten nicht sichtbar waren. Wir saßen ab und ich half Mariele vom Pferd. Roan zog den Ork von dem Schimmel und setzte ihn gefesselt mit einem drohenden Blick an eine Wand in der Höhle. Diese führte ein ganzes Stück tief in den Fels, war aber nach einer kurzen Untersuchung leer. Schnell war ein Feuer gemacht, die Pferde versorgt und wir wärmten uns am den knisternden Flammen auf. Schweigend aß ich etwas Trockenfleisch, sah aber misstrauisch zu dem Ork der uns ebenfalls beobachtete. „Ist euch auch aufgefallen, wie außergewöhnlich einfach wir entkommen konnten?“ Alec´s Stimme war nachdenklich. Er saß direkt neben mir und er sah ebenfalls den Ork an der uns gegenüber an der Wand saß. Diese sahen auf und ich sah Erkenntnis in ihren Augen. „Sie haben uns freiwillig gehen lassen!“ Roan sah finster drein. „Und diese beiden Anhängsel haben sie uns mit ans Bein gebunden“, tobte er nun und funkelte Mariele und Merek an. Mariele die neben mir saß zuckte unmerklich zusammen und sah den Krieger mit großen verängstigten Augen an. „Ok ok, bewahrt Ruhe!“ Versuchte ich die Gemüter runter zu kühlen. „Anscheind hat Gremlogg einen Plan und wenn man die Vergangenheit mit berücksichtigt, wäre es logisch ebenso zu denken wie bei Grauwolf.“ Abwartend sahen mich alle bis auf Merek an. „Wahrscheinlich machen sie gemeinsame Sache mit den Albae oder sie wissen ebenfalls von dem Artefakt und wollen es uns abzuluchsen, sobald wir es gefunden haben. Dann steht natürlich noch die Frage im Raum, warum sie uns Merek mitgegeben haben?“ Alle Blicke wanden sich nun auf den Ork, der still schweigend im Schein des Feuers saß um mich jetzt beobachtete. „Ein Spion vielleicht!“ Unsere Blicke trafen sich und ich las Zorn in seinen Augen. Ohne weg zu sehen antwortete er mir. „Gut kombiniert Magierin, doch letzteres muss ich verneinen.“

Chaos brach auch, alle redeten durcheinander und mutmaßten die wildesten Theorien. Merek und ich lieferten uns immer noch ein Blickduell. Mariele neben mir sah von einem zum anderen und wusste nicht was sie sagen sollte. Ich vermied es normalerweise in die Gedanken anderer einzudringen, doch in diesem Fall musste ich eine Ausnahme machen. Ich konzentrierte mich auf den Geist Merek´s, erstaunlich hell leuchtete seine Aura auf und ich versuchte in seine Gedanken zu gelangen. Bei den meisten Ork´s war es relativ einfach, da ihre stumpfsinnigen Gedanken leicht zu manipulieren waren, doch dieser machte es mir nicht so einfach. Dennoch aber nicht unmöglich. Merek versuchte sich gegen mein Eindringen zu wehren, doch er hatte keine Chance. Ihr habt nichts in meinen Gedanken zu suchen. Knurrte er mir entgegen, doch ich hatte keine Wahl. Ich weiß und es tut mir auch Leid, doch wir haben keine Zeit mehr zu verlieren und ich muss wissen ob wir dir vertrauen können oder ob wir dich hier und jetzt töten müssen. Ich spürte seinen Zwiespalt, aber er war klug und ließ mich gewähren. Wie bei dem Wolf rauschte eine Bilderflut auf mich ein und ich musste mich konzentrieren alles auseinander zu halten.

Merek als kleines Kind von einer Menschenfrau und einem Ork, wie er in einer Siedlung aufwuchs in der verschiedenste Völker miteinander lebten. Seine Mutter eine Magiekundige, sein Vater ein Krieger. Gremlogg´s Männer tauchten eines Tages auf und zerstörten das Dorf und all seine Bewohner, bis auf wenige Ork´s die sich ihnen mehr oder weniger freiwillig anschlossen. Sie verschleppten sie nach Mask, folterten sie und ließen sie gegeneinander kämpfen. Doch er stach heraus, er war schwächer als sie, doch geschickter und schlauer. Er stieg in der Hierarchie auf bis ihn der Orklord zu einem seiner Feldmarschälle ernannte und ihn auf die Suche nach Frischfleisch schickte. Er stumpfte geistig immer weiter ab, wurde so brutal und blutrünstig wie sie, verbarg seine menschliche Seite mehr und mehr damit er nicht schwach wirkte. Allein aus Überlebensinstinkt schlachtete er und tat die grausamsten Dinge. Bis an dem Tag wie er Mariele in dem Netz fand, irgendetwas hatte sie in ihm berührt was er selber nicht verstand. Eine gewisse Zuneigung und Beschützerinstinkt hatte sie in ihm geweckt und so hatte er versucht sie so unauffällig wie möglich zu beschützen. Er übergab sie dem Magier damit sie nicht in der Arena kämpfen musste. Er war nur aus einem Grund hier, um sie zu schützen.

Überrascht ließ ich ihn wieder frei und kam ins Hier und Jetzt zurück. Ich sah Mariele mit großen Augen an, die mich abwartend ansah. Mein Blick huschte zwischen den beiden hin und her. Merek über meine Erkenntnis selbst überrascht, verschloss sofort seine Gefühle und sah mich wieder wütend an. Dann musste ich laut lachen. Die anderen die noch wild am Diskutieren waren verstummten und sahen mich irritiert an. Alec legte mir eine Hand auf den Arm und sah mich besorgt an. „Ich glaub sie schnappt über!“ Ich brauchte eine Weile um mich zu beruhigen. Immer noch Tränen in den Augen versuchte ich zu erklären. „Bitte entschuldigt, aber ich wusste gar nicht das Ork´s ein so großes Herz haben!“ wenn es noch ging sahen mich sie mich nun noch irritierter an und Merek kochte vor Wut. „Wehe!“ war das Einzige was er hervor pressen konnte. Ich sah ihn verschmitzt an, „Wenn du willst dass sie dir vertrauen muss ich es ihnen leider sagen!“ Er dachte kurz über meine Worte nach und nickte dann widerwillig. „Wir können ihm vertrauen!“ „Einem Wilden? Einem Ork? Da fress ich doch lieber die Kacke meines Pferdes!“ tobte Roan und funkelte Merek wütend an. „Beruhige dich Roan und hör mir erst mal zu.“ Er verschränkte die Arme vor seiner Brust und grummelte sich etwas in den Bart. „Ja er ist ein Ork, doch zur Hälfte ist er ein Mensch. Gremlogg hat in versklavt und gedroht ihn zu töten, wenn er nicht gehorcht. Er handelt nur aus reinem Überlebensinstinkt. Gremlogg hat uns ihn überlassen wegen Mariele!“ Alle sahen nun die schmächtige Frau an die nun auch Merek überrascht ansah. „Wegen mir?“ Ihre Stimme war so leise und brüchig, dass ich sie fast überhört hätte, wenn sich ihre Lippen nicht bewegt hätten.

Merek sah auf seine Hände, seine langen zu einem Zopf gebundenen schwarzen Haare fielen ihm leicht ins Gesicht, so dass seine Augen nicht zu sehen waren. „Sie hat Recht. Gremlogg hat mir heute Morgen verboten mit zu den Kämpfen zu kommen, ich sollte bei den Pferden bleiben falls ein Fluchtversuch bestünde!“ „Er hat dich ausgenutzt!“ entgegnete ich ihm sanft. Merek hob seinen Kopf und in seinen Augen lag Verbitterung. „Er kennt anscheint deine Gefühle gegenüber Mariele und war sich sicher dass du uns gehen lassen würdest, wegen ihr. Vielleicht hofft er ja das du uns in den Rücken fällst und ihm die Arbeit abnimmst um ihm das Artefakt zu bringen!“ Er schnaubte nur und grinste schief. Einen Ork schief Grinsen zu sehen hätte ich nicht für möglich gehalten doch der Beweis saß vor mir. Mariele ging zu ihm, kniete sich vor ihn hin und sah ihm ernst in die Augen. „Ich danke euch dass ihr bei mir seid, aber wenn ihr nicht hier sein wollt, dann müsst ihr es nicht.“ Er sah sie mit einem nicht zu deutenden Blick an. „Ich werde euch nicht verraten, ich werde euch helfen und dieses Grauen aus der Welt zu schaffen. Nicht alle Ork´s sind so blindwütig und machthungrig. Eigentlich wollen wir auch nur in Ruhe leben, genauso wie ihr. Doch es gibt immer jene die versuchen uns zu unterjochen und Alleinherrscher zu werden. Ihr seid reinen Herzens, das sehe ich. Meine Mutter sagte mir immer das ich lieber denen folgen soll die den schwierigen aber gerechten Weg gehen und nicht denen die den einfachen aus den falschen Gründen bestreiten. Ich werde euch helfen.“

Stille breitete sich um das Lagerfeuer aus. Ich stand auf, zückte meinen Dolch und ging auf ihn zu. Er stand ebenfalls auf und trat mir gegenüber. Er war etwas größer als ich, unter seiner smaragdgrünen Haut zuckten starke Muskeln. Seine kleinen Hauer konnten das aus Menschensicht attraktive Gesicht nicht verunstalten. Ein markantes Kinn, volle Lippen und diese lilanen Augen waren anziehend. Ich konnte verstehen warum sie ihn mochte. Ich hob meinen Dolch und ließ ihn auf die Fesseln niedersausen. Leise fielen sie zu Boden, ich trat einen Schritt vor so dass nur noch eine Handbreit zwischen unseren Gesichtern Platz hatte und sah ihm fest in die Augen. Er hatte einen ganz eigenen Geruch an sich. Nicht so wüst nach rohem Fleisch, Schweiß und Blut. Eher nach Erde, irgendwie menschlicher. „Wenn du uns doch verraten solltest, werde ich dich finden und töten!“ Ruhe. Alle sahen uns gebannt zu. Die Luft zwischen uns war angespannt, doch sein Blick wurde weich und er nickt kaum merklich. Damit war die Sache geklärt. Ein Lächeln umspielte meine Lippen und ich setzte mich wieder ans Feuer. Die anderen atmeten auf und kümmerten sich wieder um ihre Sachen.

Der Rest des Abends verlief ruhig. Jeder ging seiner Wege und kam etwas zur Ruhe. Mariele hatte sich zu Merek gesellt und die beiden waren vertieft in eine Unterhaltung. Ich hatte mich bereits zum Schlafen hingelegt wärend Daimien und Roan die erste Wache hielten. Der Boden war kalt und hart. Trotz meines Mantels fröstelte ich, dieser Ort war magielos und tot. Mit meinen Gedanken allein gelassen, ohne jegliche Ablenkung, stürmten meine Gefühle unbarmherzig über mich ein. Wie trotzige Kinder ignorierten Alec und ich uns, doch seinen Verrat an mir konnte ich ihm nicht verzeihen. Warum einen Vereinten haben, wenn es keine Liebe gab? Es war ein grausames Schicksal. Wir mussten das aus der Welt schaffen, doch die Müdigkeit überfiel mich. Allein gelassen versank ich in einen unruhigen Schlaf, mein Herz immer noch sehnsüchtig nach Alec schreiend. Doch ich musste diese Gefühle unterdrücken, sie ständen mir eh nur im Weg.

Die nächsten Tage verbrachten wir damit durch die Ödnis des Albaereiches zu reiten. In dem kleinen Buch welches Joan mir geraten hatte zu lesen hatte ich etwas mehr zu meiner Familie erfahren, wie Ragnar zum Wächter und anschließend zum König von Theron wurde, wie er versuchte eine Familie zu gründen dies aber misslang da all seine Kinder mit drei Jahren verstarben. Er war so verzweifelt das er und seine Frau sich auseinander lebten und er dem Alkohol zu sehr verfiel. Er verbrachte seine Nächte des Öfteren in den umliegenden Bordellen, regierte sein Königreich aber gerecht und mit strenger Hand. Bis er sich eines Tages das Leben nahm und ein entfernter Cousin den Thron übernahm. Doch es gab Gerüchte das er ein Techtelmechtel mit einer Elbin gehabt hatte und diese schwanger geworden war und die Leibesfrucht des Königs in sich trug. Ich wusste es besser. In meinem Herzen wusste ich, das die Gerüchte wahr waren. Es würde aber auch keinen Unterschied machen. Das Bild welches ich von Ragnar seit Beginn unserer Reise gemalt hatte, blieb stark. Es machte mich traurig in Erfahrung zu bringen das es meinem Urururururgroßvater zu seinen Lebzeiten so schlecht ging. Doch es war die Vergangenheit und ich musste mich auf unsere jetzige Aufgabe konzentrieren.

Wir erreichten die Ruinen von Moria nach drei Tagesritten. Umgeben in einer Bucht aus Felsen standen unscheinbar die letzten Grundmauern der alten Feste. Ich ließ meinen Blick über die Bucht schweifen und hielt Ausschau nach Bewegungen oder ungewöhnlicher Energie. Doch vor uns lag nur die steinige Ödnis Moria´s. Einmal durchatmend trieb ich Reijkjon voran den schmalen Pfad ins Tal hinunter. Mariele hatte es sich hinter Merek auf dem Pferd bequem gemacht. Sie hatten sich in den letzten drei Tagen angenähert und das ungleiche Paar harmonierte sehr gut. Er der große muskulöse und starke Ork mit seiner menschlichen Seite und dem in sich gekehrten und doch neugierigem Wesen, im direkten Gegensatz Mariele. Die zierliche Frau mit ihren braunen langen Locken, den silberfarbenen leuchtenden Augen die die Welt aus einer ganz anderen Sicht sahen und seine weiche Seite zum Vorschein brachte. Er stützte sie, wenn sie aus eigener Kraft nicht hochkam, half ihr aufs Pferd und trug sie wenn es sein musste. Sie hingegen konnte seine geschundene Seele beruhigen und ihr helfen zu heilen. Im Großen und Ganzen waren sie füreinander geschaffen, auch wenn man es auf dem ersten Blick nicht vermuten mochte. Dennoch die Skepsis gegenüber dem Ork blieb. Auch wenn er uns keinen Anlass dazu gab an seiner Loyalität zu zweifeln. Besonders Roan behielt ihn im Auge.

In der Talsohle angekommen, wurde es immer kälter. Wölkchen bildeten sich vor unseren Mündern und die kalte Luft ließ unseren Atem gefrieren. Es lag nicht mal mehr an der Jahreszeit, hier an diesem Ort war die Magie so kalt und düster wie die dunkle Geschichte die das Schloss anheim suchte. Versteckt unter einem Felsvorsprung am Rande des Tals banden wir unsere Pferde an und ließen sie dort, zu Fuß würden wir schneller vorankommen. Mit einer letzten Umarmung verabschiedete ich mich von Reijkjon. Eine Träne rollte mir die Wange hinunter, doch ein Blick in seine wunderschönen braunen Augen mit dem blauen Blitzen und Zuversicht erfüllte mein Herz. „Wir werden uns wiedersehen alter Freund, versprochen!“ Ein schneller Kuss auf die Stirn und ich wand mich ab, nachdem ich ihm die Ausrüstung abgenommen hatte. Wir sammelten uns am Rande und besprachen das weitere Vorgehen. Ich richtete meinen Bogen den ich auf den Rücken geschnallt hatte und zog den Köcher an meiner Seite fest. Meinen Mantel umgelegt und der lederne Beutel darunter gut verborgen konnte es losgehen. „Der Eingang ist einfach zu finden, er soll direkt im Zentrum der Ruine liegen in Form einer Wendeltreppe die nach unten führt!“ „Und was wartet dann auf uns?“ Dastan´s Nervosität war nicht zu überhören. „Das sehen wir dann!“

Es war unheimlich durch das weit ausschweifende Tal zu gehen. Es war so ruhig, kein Lüftchen regte sich, kein Geräusch war zu hören, nur unsere Schritte auf dem verbrannten Kies und das Rascheln und leise Klirren unserer Gewänder. Die ersten Säulenfundamente waren schnell durchquert und sie führten uns direkt ins Zentrum. Wie steinerne Wächter ragten sie vor uns auf. Niemand wagte etwas zu sagen. Eine seltsame Stille herrschte zwischen den zerfallenen Gemäuern. Bei jedem noch so kleinen Geräusch zuckten wir zusammen. Langsam vorwärts schleichend auf jede Gefahr gefasst, doch wir waren wirklich alleine hier. Eine bedrückende Stimmung überkam mich, je näher wir dem Zentrum kamen. Ein riesiges Senkloch ließ uns einen Blick auf eine gewundene Treppe gewähren die tief in die Dunkelheit führte. Die obersten Stufen waren zerborsten und wir mussten nacheinander auf den nächsten Absatz springen. Es war eine Kleinigkeit, keine Herausforderung. Mariele ließ sich von Merek helfen, wärend wir uns weiter in die Tiefe vorarbeiteten. Stufe um Stufe ging es spiralförmig immer tiefer hinunter. Die Luft wurde klamm und kalt. Je tiefer wir kamen umso feuchter wurde der schwarze Stein in dem das Loch geschlagen wurde und das Tropfen von Wasser war zu vernehmen. Man musste aufpassen dass man nicht ausrutschte, Moos, Flechten und andere lichtscheue Pflanzen wuchsen auf den Stufen und an den Wänden und machten den Abstieg zu einer Rutschpartie. Nach gefühlt Stunden und immer weiter schwindendem Licht kamen wir endlich am Grund an. Fackeln wurden entzündet und erhellten den runden Raum der vor uns lag. Drei Durchgänge führten von dem Rondell weiter in die Tiefe. „Und welcher ist jetzt der Richtige?“ Alec sah sich suchend um. „Der rechte!“ Mariele´s dünne Stimme zitterte leicht in der Kälte. Sie deutete auf den Durchgang, in dessen tiefen Schatten der Weg verborgen lag. „In den anderen sehe ich keinen Durchkommen mehr, dieser ist der einzige welcher vielversprechend scheint!“ „Kannst du etwas durch Gestein gucken?“ Roan´s zweifelnder Unterton war berechtigt. Mariele würdigte ihn keines Blickes und sah mich eindringlich an. „Ich vertraue ihr, nach rechts!“ Damit wanden wir uns dem rechten Tunnel zu. Mit einem letzten Blick in den freien Himmel und einem mulmigen Gefühl in der Magengegend stiegen wir hinab in die Tiefe.

Alec der neben mir lief verspannte sich zunehmend, je weiter wir gingen. „Mir gefällt das gar nicht Jeanne.“ Ich sah zu ihm herüber. Seine Kiefermuskeln waren angespannt, die Lippen aufeinander gepresst. Sein wachsamer Blick huschte von einer Seite zur nächsten. Die Hand am Schwertgriff und in leicht geduckter Haltung schlich er regelrecht durch den Gang. „Mir auch nicht, aber wenn wir es nicht machen, dann sind wir verloren!“ „Und wenn sie uns direkt abfangen, wenn wir es tatsächlich schaffen das Artefakt zu finden? Dann sind wir tot!“ Auch ich hatte den Gedanken noch nicht verworfen und grübelte über eine Fluchtmöglichkeit. „Wer weiß ob wir überhaupt auf demselben Weg wieder herauskommen wie wir herein gekommen sind!“ Dastan´s flüsternde Stimme unterbrach unser Gespräch. „Das hätte, wenn und Aber bringt uns nicht weiter. Wir müssen uns dem stellen was kommt und das Beste daraus machen!“ Meinen Blick wieder auf den Weg vor uns fokussiert nickte ich nur zustimmend, konnte aber keinen Ton mehr raus bringen. Die Stimmung war einfach zu drückend. Wärend Alec und ich die Spitze bildeten, sicherten Daimien und Roan die in der Mitte laufenden Mariele, Dastan und Merek. Bis auf das gelegentliche Plätschern von den Wänden und unseren hallenden Schritten war kein Geräusch zu vernehmen.

Als der Gang sich langsam öffnete wurde ich wieder angespannter. Abwartend liefen wir durch den endenden Tunnel und blieben stehen. Vor uns eine weite Finsternis. „Und nun?“ Ich warf einen Blick auf Mariele. „Es bringt nichts wenn ich euch sage wo wir lang gehen müssen, ihr müsst selber sehen sonst stürzt ihr in die Tiefe!“ Nicht ganz verstehend konzentrierte ich mich und schoss mit einer Formel einen großen Feuerball in die Luft über uns. Eine glühende Kugel flog im hohen Bogen durch die noch dunkle Finsternis und erhellte unseren weiteren Weg. Vor uns erstreckte sich ein Labyrinth aus unzähligen schmalen Steintreppen. Kreuz und quer führten sie zwischen einem breiten Spalt in die Tiefe. „Ok jetzt versteh ich warum“, der Anblick war einfach überwältigend. Jede Brücke endete in einem weiteren Tunnel oder direkt vor eine Mauer. „Welche müssen wir gehen?“ Ich überlegte, dachte nach ob irgendetwas in dem Buch stand, bis mir eine Textzeile wieder einfiel.

„Wer des dunklen Tors Ruf folget und an die tausend Treppenschlucht kommt, der soll gewiss sein das nur die eine ihn zum Grab der vergessenen Geschichte bringt. Diejenige welche das Zeichen der Albae trägt, führet den Wissenden weiter.“

Zu Anfang standen nur zwei Treppen zur Auswahl und tatsächlich war ein Symbol in die erste Stufe in den Stein geritzt. „Die Treppen mit dem Symbol sind die richtigen!“ „Darüber bringen mich keine zehn Pferde!“ flüsterte Roan trotzig und trat einen Schritt zurück. „Ihr seid ein so großer und kräftiger Krieger, Sir Roan“ wand sich Merek feixend an den missmutig drein blickenden Roan. „Und da traut ihr euch nicht über eine einfache Brücke?“ Roan schwieg und funkelte den Ork stumm an. So unberechtigt waren seine Bedenken jedoch nicht. Die schmalen Treppen aus bröckeligem Stein sahen wirklich nicht aus als ob sie die Masse eines Roan´s stand halten würden. „Ich werde vorgehen und ihr folgt mir einer nach dem anderen“, unterbrach ich das Geplänkel der beiden und setzte vorsichtig einen Fuß auf die erste absteigende Stufe. Vorsichtig verlagerte ich mein Gewicht auf den Fuß und wartete ab. Doch der Stein hielt stand. So führte ich meinen Weg vorsichtig fort. Bis auf etwas herab rieselnden Stein hielt mich die Treppe ohne schwerwiegende Beschädigungen. Mein Herz raste und ich musste mich stark konzentrieren nicht neben die schmalen Stufen zu treten um nicht in das dunkle Nichts des Abgrundes zu stürzen. Der

Feuerball über uns erhellte zwar unseren Weg, doch bis hinab auf den Grund reichte das flammende Licht nicht. Erleichtert aufatmend krallte ich mich am Ende der Treppe an die nächste Wand und wank den anderen zu es mir gleich zu tun. Einer nach dem anderen sammelte sich auf dem Felsvorsprung und damit folgten wir den teilweise steil abfallenden Treppenstufen. Jedes Mal, wenn es eine neue Abzweigung gab suchten wir nach dem Symbol und je tiefer wir kamen umso schwieriger wurde es dieses zu finden. Stillschweigend stiegen wir eine Stufe nach der anderen in die Tiefe, das leere Schwarz des Abgrunds wurde immer bedrohlicher und ich betete das wir endlich den Ausgang finden würden.

„Hier gibt es keine weiteren Zeichen mehr“, Dastan sah sich nochmals um und deutete dann auf den Tür großen Tunnel der in den schwarzen Stein gehauen war. Und tatsächlich waren die restlichen Stufen leer. „Ok, dann mal sehen was uns als nächstes erwartet“, vorgehend im Schein der Fackel betrat ich den Tunnel zuerst, die anderen folgten mir stumm. Der Tunnel war kurz und wir standen schon bald in einem neuen Raum. Unsere Fackeln erhellten den Großteil des Säulenganges der jetzt vor uns lag. Vorsichtig sahen wir uns nach Fallen um, doch das einzig auffällige waren die Malereien und Inschriften an den Wänden. Langsam schritt ich die Wände entlang und versuchte aus dem schlau zu werden was der Künstler uns vermitteln wollte. Kriegsszenen waren erkennbar, Gottesanbetungen, Feierlichkeiten und andere albische Rituale. „Ich glaube ich habe etwas gefunden!“ Daimien´s Ruf kam aus der hintersten Ecke des Saales. Alec stand schon neben ihm und runzelte die Stirn. „Was steht denn da?“ Ich lugte über seine Schulter und sah ein rundes symmetrisches Symbol. „Wir haben keinen weiteren Durchgang gefunden, scheint doch eine Sackgasse zu sein!“ Dastan kam mit Roan zu uns. „Nein das ist keine Sackgasse“, überlegte ich und sah mich weiter um. Diese Art Symbol kannte ich von den Elben, sie benutzten es um auf einen geheimen Durchgang hinzuweisen.

Auf dem Boden suchend versuchte ich die selben Strukturen in den grob behauenden Steinfliesen zu finden. „Jeanne was suchst du denn?“ Alec lief mir hinterher und versuchte herauszufinden was ich suchte. „Das Symbol, es muss im Boden eingelassen sein!“ Damit fingen alle an wie wild auf dem Boden zu starren, Staub und Dreck mit den Füßen zur Seite zu schieben und nach etwas Auffälligem zu suchen. Doch Daimien war es, der auf sich aufmerksam machte. „Hier ist es“, Schnell eilten wir zu ihm und mit wenigen Handgriffen war das Symbol von Dreck und Staub befreit. Vorsichtig untersuchte ich es. Es musste doch irgendwo einen Hebelmechanismus geben. „Die Mitte!“ Mariele sah mich fordernd an und deutete auf das runde Element im Zentrum. Vorsichtig versuchte ich den Stein zu bewegen und tatsächlich gab er leicht kratzend nach. Mit einem Ruck senkten sich die einzelnen Steinfragmente ab und bildeten wieder eine schmale Wendeltreppe die nach unten führte. „Weiter geht’s!“ Wir hatten nicht viel Zeit um zu überlegen und so stiegen wir einer nach dem anderen die schmalen Stufen hinunter.

Ich wartete auf die anderen und sahen uns erst um, als alle sicher das Ende der Treppe erreicht hatten. Der Gang vor uns war wie in einem Canyon, ein schmaler gewundener Pfad begrenzt durch raue ursprüngliche Steinwände, nach oben hin schien er unendlich in die Höhe zu ragen. Der Boden war sandig und es war längst nicht mehr so feucht und modrig wie in den oberen Ebenen. Man konnte nur hintereinander laufen, teilweise war der Weg so schmal das man selbst seitwärts kaum hindurch passte. Als er sich dann doch öffnete und man auf eine weite tiefe Klippe blicken konnte, sackte mir das Herz fast in die Hose. „Wie sollen wir denn da nur rüberkommen?“ Wir standen am Rande des schwarzen Abgrunds, der Boden war nicht zu sehen und Merek´s Frage war berechtigt. „Es muss einen Weg geben!“ Ich sah mich an den Rändern um, doch es gab keinen abfallenden Pfad oder eine Kletterhilfe oder dergleichen. Nachdenklich lief ich auf und ab, es schien keinen Ausweg zu geben. „Lasst uns zurück gehen, vielleicht finden wir einen anderen Weg“, Roan wand sich schon zum Gehen. „Lasst euch von euren Augen nicht täuschen“, Mariele trat neben mich an den Rand der Schlucht, wartete einen Moment und marschierte einfach weiter.

Völlig geschockt versuchte ich sie noch zurück zu halten, doch sie war schon ein paar Schritte gelaufen und schien jetzt über dem leeren Raum zu schweben. Völlig entgeistert starrten wir sie an und dann verstand ich. Sie schwebte nicht in der Luft, sondern sie stand im flachen Wasser. Kleine Wasserringe hatten sich um ihre Füße gebildet und ihre Füße waren gerade mal knöcheltief verschwunden. Mit einem Blick nach oben wand ich mich an die anderen. „Das ist nur eine optische Täuschung, es ist nur ein großer See der die Decke spiegelt“. Und tatsächlich trat nun einer nach dem anderen in das Wasser und keiner verschwand. „Faszinierend“, hauchte Dastan und ging weiter. Wir folgten ihm schweigend. Der See war doch relativ groß, wir konnten immer nur ein paar Schritte weit unsere Umgebung beleuchten und so liefen wir bald völlig verloren in dem schwarzen See ohne auch nur ein Uferende sehen zu können. Es war unheimlich. Man hatte das Gefühl das man, obwohl man ging, keinen Schritt vorwärts kam. Neben dem Geräusch unserer Füße die durch das Wasser wateten, war nichts zu hören. Es hallte von den Wänden der Höhle tausendfach wieder. Als wir endlich wieder auf trockenem Boden trafen, schienen wir die Höhle einmal durchquert zu haben, denn vor uns ragte eine erneute Felswand in die Höhe. Dennoch ohne weiteren Durchgang.„Na toll, also doch eine Sackgasse“, Roan setzt sich missmutig auf einen Stein und gönnte sich einen Schluck aus seinem Schlauch. Davon überzeugt das wir auf dem richtigen Weg waren, suchte ich die grauen Wände ab und mir fielen Einkerbungen im Gestein auf die wie eine Leiter zu einer schmalen Öffnung am oberen Höhlenrand führten. „Ich hoffe ihr könnt gut klettern“, und deutete nach oben. „Ah endlich eine Herausforderung“, frohlockte Dastan und ging voraus. Er schien der weitaus bessere Kletterer zu sein, denn er angelte sich von einem Felsvorsprung zum nächsten. Selbst an den glatten Stellen schienen seine Hände und Füße regelrecht am Gestein zu kleben. Danach folgten ich, Alec, Daimien, Roan und zum Schluss Mariele die sich an Merek´s Rücken klammerte.

Die Einkerbungen waren teilweise nicht besonders tief das nur die Fußspitze halt fand und ums ein und andere Mal verlor ich den halt und wäre fast in Alec reingefallen. „Vorsichtig Prinzessin“, giftete er mich sarkastisch an, zur Antwort bekam er nur einen bösen Blick. Die Öffnung war doch höher als gedacht. Nach zirka zwei Drittel des Weges sah ich einmal nach unten zu mir herunter und mir wäre fast schwindelig geworden. „Nur nicht nach unten gucken“, riet mir Dastan der mein Zögern bemerkte. „Zu spät“, presste ich hervor und versuchte meine schmerzenden Arme und Finger zu ignorieren. Mal eben auf Bäumen zu klettert war für mich kein Problem, doch diese lange Kletterpartie an diesem harten und scharfkantigen Gestein war eine Herausforderung.

Dastan zog sich gerade auf den kleinen Vorsprung vor der Öffnung hoch und reichte mir die Hand die ich dankend annahm. Hier oben hatten maximal drei von uns Platzt, so warteten wir noch auf Alec, der sich ebenfalls schnaufen hochzog und wanden uns dann an den kleinen Durchgang. Immer noch aus der Puste und meine schmerzenden Muskeln reibend mussten wir uns flach auf den Bauch legen um langsam durch den schmalen Spalt zu robben. Dastan vorne weg und ich direkt hinterher. Alec wartete noch auf die nächsten und folgte uns dann. An einer Stelle war es wirklich sehr eng und ich musste mich zusammenreißen um die Panik zu unterdrücken. Enge Räume und Gänge waren nicht meins, ich bekam Panik, wenn ich keine Chance hatte zu entkommen. Doch schon nach wenigen Fuß krabbelte Dastan heraus und reichte mir auf der anderen Seite die Hand. Alec folgte und die anderen ebenso. Roan´s Gesicht war puterrot von der Anstrengung und er fluchte leise über seine massigen Körper und was er sich dabei gedacht hatte mit uns mitzukommen.

Noch bevor Mariele und Merek uns erreichten, tippte mir Dastan auf die Schulter und deutete auf den nächsten Raum. Verwundert sah ich in seine glänzenden Augen und verstand erst nicht worauf er hinauswollte. Doch als der Schein meiner Fackel sich in tausenden von goldenen Münzen und Diamanten spiegelte, verschlug es auch mir die Sprache. In der großen Höhle lagen bergeweise Gold, Juwelen, vergoldete Schwerter und Becher und anderes wertvolles Geschmeide. Überall glänze und glitzerte etwas. Strahlenhelle weiße Diamanten, in dessen Innerem das Mondlicht gefangen zu sein schien erregten meine Aufmerksamkeit. Ich lief auf die Juwelen zu und griff danach, doch kurz bevor ich sie berührte hörte ich ein unerträgliches Kreischen. Vor Schmerz hielt ich mir die Ohren zu und kniff meine Augen zusammen. Bilder von mordenden Albae die den Elben die Steine aus ihren blutverschmierten Händen rissen, Zwergengold welches den Leichnamen entrissen wurde und andere Gräueltaten vermischten sich in einem Strom aus Angst, Hass und Rache. Und dann war es so schnell wieder vorbei wie es gekommen war. „Stopp“, schrie ich und mein Ruf hallte von den Wänden wieder. Alle hielten in der Bewegung inne und sahen mich verdattert an. „Fast das Gold nicht an, es ist verflucht.“ Sofort zuckten alle von dem goldenen Schein zurück.

„Das ist alles eine Prüfung“, „Was meinst du?“ Alec kam auf mich zu und sah mir besorgt in die Augen. „Die Treppen, der Säulengang, der See und jetzt das verfluchte Gold. Das alles ist eine Prüfung um zu sehen wer würdig ist dem Artefakt entgegen zu treten.“ Stille. Daimien sah mich grübelnd an. „Die Treppen, ein Test der Loyalität. Der Säulengang, als Warnung. Der See, ein Test des Mutes und jetzt das verfluchte Gold ein Test der Gier. Was mag denn noch kommen?“ „Zwei Ebenen haben wir noch vor uns. Wer weiß vielleicht treffen wir bald auf diejenigen die dem Gold nicht widerstehen konnten“, Daimien klang besorgt. „Nun Mutmaßungen werden uns nicht weiterhelfen, wir müssen den nächsten Durchgang finden“. Wir durchquerten die Höhle ohne das Gold noch eines Blickes zu würdigen. Es hatte seinen Glanz verloren. Der Raum endete an einer steinernen Tür. Ein Mosaik aus verschiedensten Steinen und Intarsien schmückten das Tor, doch in einer fehlten ein Stein. In einem Halbkreis angeordnet, lagen die anderen in den verschiedensten Farben darin eingelassen. Doch der oberste fehlte. „Na toll, wie sollen wir den letzten finden ohne hier etwas anzufassen?“ Merek schritt genervt auf und ab.

Die Steine hatten eine merkwürdige Form. Selbst in der kurzen Zeit wie wir durch die Schatzkammer gelaufen waren, hatte ich keinen in dieser Form gesehen. Er hatte was Tropfenförmiges und irgendwo hatte ich so einen schon gesehen. Mariele griff sich an ihren Hals. Ohne auf die Kette zu achten, schritt sie auf das Tor zu, löste das Band und hielt das Amulett ihrer Mutter vor die Einkerbung. „Das sollte passen oder?“ „Wie kommst du an den Stein?“ Meine Überraschung und die Hoffnung das es doch so einfach gehen sollte, machten mich fast misstrauisch. „Meine Mutter hat ihn mir überlassen. Vater erzählte das sie etwas Besonderes war, eine Magierin.“ „Anscheind eine albische“, erriet Daimien. „Vom rumstehen und anglotzten kommen wir nicht weiter, steck das Ding da rein und dann sehen wir ja ob es uns was bringt“. Roan schien genervt, doch ich kannte ihn so gut, das ich wusste das er sich unwohl fühlte uns so schnell wie möglich weiterwollte. Mariele sah mich fragend an und ich nickte. Es war waghalsig, nein geradezu dumm einfach so einen Stein in diese Tür zu stecken. Doch was hatten wir für eine Wahl? Darüber zu diskutieren und Vermutungen über das Für und Wieder anzustellen, kosteten uns zu viel Zeit. So mussten wir dem Schicksal vertrauen. Mit etwas Druck klickte der Stein leise ein. Abwartend lauschten wir auf das kleinste Geräusch. Als nichts geschah seufzte ich frustriert auf. Auch den anderen fiel es schwer ruhig zu bleiben. „Ich verstehe das nicht“, hauchte Mariele atemlos. „Ich war mir so sicher!“ „Und was nun?“ Alec´s gereizter Ton machte mich rasend. „Sei doch ein mal still damit man nachdenken kann“, ranzte ich ihn an. Wutentbrannt schritt er auf mich zu und baute sich vor mir auf. „Was hast du da gesagt?“ „Du hast schon richtig verstanden. Wenn du mit deinem Gelaber und geflirte nicht immer wärst, fiele einem das Denken deutlich leichter“. Wir funkelten und wütend an, als er zu einer Antwort ansetzen wollte ging Daimien dazwischen. „Es reicht!“ sagte er gefährlich ruhig . „Was auch immer in Mogul vorgefallen ist, ihr müsst das jetzt ruhen lassen, sonst sterben wir hier drin“. Aufgebracht wand ich mich an den Jäger. „Frag ihn doch mal was er oder mit wem er was getan hat“. „Es ist mir egal was dort geschehen ist. Eure Verbindung ist der Schlüssel zu unserem Erfolg. Also reißt euch gefälligst zusammen, ihr seid doch keine Kinder mehr!“ Ich hatte Daimien´s Worten nur noch halb zugehört. „Der Schlüssel!“ fiel es mir wieder ein. „Natürlich, wie konnte ich das vergessen“. Irritiert sahen mir alle zu wie ich meinen Schlüssel um meinen Hals hervorholte und damit auf die Tür zuging. Er versank in einer kleinen Öffnung und mit einer kleinen Drehung ließ er sich bewegen. Ein Klacken ertönte in der angespannten Stille. Plötzlich gab der Boden unter unseren Füßen nach und wir vielen in die Tiefe. Nach kurzem Flug landete ich auf Stein und kam ins Rutschen.

Aufgeregte Rufe und Schreie ertönten hinter mir, als wir eine glatte Steinoberfläche in die Tiefe rutschten und mit einem unsanften Aufprall ineinander purzelt am Boden ankamen. Ein Wirrwarr aus Armen, Beinen und verdrehten Gliedmaßen lagen wir wie ein riesiges Knäuel aufeinander. „Was zur Hölle war das?“ Roan hatte jeden Spaß an der Sache verloren. „War doch eine nette Rutschpartie“, grinste Dastan und stand schon wieder auf seinen Beinen. Alec reichte mir seine Hand und zog mich auf die Füße. „Alles in Ordnung?“ „Es tut mir leid das ich dich so angeranst habe!“. „Ja es geht. Das klären wir später!“ Wiegelte ich ihn ab und senkte den Blick. Die Sorge in seiner Stimme machte mir Hoffnung die mich völlig durcheinander brachte. Sofort verschloss ich mein Herz wieder und wand mich von ihm ab. Alle rappelten sich wieder auf, bevor wir uns umsahen. An den Wänden hingen Fackeln, wir entfachten ein paar und wie von Zauberhand entflammten sich auch die restlichen und ließen den Blick frei auf eine riesige Grabstätte. In den Nischen die in die Wände gehauen worden waren, lagen unzählige Skelette mit teilweise intakter Gewandung. In der Mitte stand ein steinerner Sarkophag. Der Boden war bedeckt mit kniehohem Wasser und wurde tiefer je weiter man hineinging. „Das hatte ich befürchtet“, seufzte Daimien und sah angespannt auf die menschlichen Überreste. Ich konnte ihn verstehen, auch mich beschlich ein ungutes Gefühl. „Wir müssen einen Ausweg finden, bevor diese Dinger auferstehen“. Eigentlich hatte ich das nur zum Spaß gesagt, doch je näher wir dem Sarkophag kamen, desto mehr meinte ich zu sehen das sich der eine oder andere Arm oder Kopf sich zu bewegen schien. Auch den anderen ging es ähnlich und so bereiteten wir uns auf das Schlimmste vor.

Das Wasser war eisig und schlug bei jedem Schritt kleine Wellen. Die Luft war feucht und es roch modrig. Das Licht der Fackeln warf seltsame Schatten auf die Nischen und die weißen Knochenreste. Langsam bewegten wir uns zu dem Sarkophag, immer die Umgebung im Auge. „Es gibt keinen weiteren Ausgang!“ Daimien´s Stimme klang viel zu laut in dem so stillen Raum. „Das ist eine Falle“, „Es muss einen Ausweg geben, wir sind hier richtig“, beteuerte ich flüsternd und suchte fieberhaft nach einer geheimen Falltür, einem Mechanismus, Symbolen und nach etwas anderem was uns helfen würde. Meine Gedanken rasten und ich versuchte mich an die Wegbeschreibung durch Moria zu erinnern. Noch bevor ich nur einen klaren Gedanken fassen konnte, störte ein lautes Scheppern die Stille. Sofort drehten sich alle in die Richtung und starrten auf das Skelett welches aus seiner Nische gerutscht war. Keiner traute sich zu bewegen, angespannt starrten wir auf den Knochenhaufen. Langsam und ruckartig richtete sich das zuvor am Boden liegenden Skelett auf. Die verdrehten Arme und Beine richteten sich langsam aus, das Kettenhemd und der verrutschte eiserne Helm welche es trug klapperten und klirrten bei jeder Bewegung. In den leeren Augenhöhlen schien nichts zu sein, doch man hatte das Gefühl als sähen sie einen direkt an. Mit langsamen Schritten, das verrostete alte Schwert am Boden hinter sich her schleifend, kam es auf uns zu.

Ich umschloss meinen Dolch mit Fester Hand und stellte mich in Angriffshaltung. Ein paar Schritte hielt es vor uns an, legte den Kopf schräg und in einer Geschwindigkeit in der keiner von uns gerechnet hatte, sprintete es auf uns zu. Das Schwert auf mich gerichtet griff es an. Schnell wich ich seinem Schlag aus, traf hinter das Knochengerippe und trennte ihm mit einem gezielten Schlag den Schädel von den Schultern. Der Körper von seinem Schädel befreit, viel es mit einem lauten Platschen in das dunkle Wasser und blieb liegen. „Was zu Hölle war das denn?“ Dastan atmete erleichtert auf und sah mit großen Augen in die Runde. „Das sind die Wächter, diejenigen die dem Gold zu Fall gekommen sind und die Baumeister des Albenkönig´s“, mein Blick lag noch angespannt auf dem tiefer sinkenden Skelett. Doch es blieb nicht viel Zeit, denn auch die anderen Gerippe erwachten scheppernd und klimpernd zum Leben und griffen uns an. Sie kreisten uns ein und versuchten uns auseinander zu treiben. Ohne ein Wort stürmten sie auf uns zu und stachen mit ihren rostigen Schwertern und Äxten auf uns ein. Es war nicht leicht die dünnen Gerippe zu treffen. Bei einem Versuch einem Skelett den Arm abzutrennen, rutschte die Klinge meines Dolches ab. Ich geriet ins Straucheln, fiel in das eisige Wasser. Augenblicklich legten sich zwei knöcherne Hände um meinen Hals und versuchten mich zu ertränken. Verschwommen durch das aufgewühlte Wasser, sah ich verzweifelt nach Luft ringend, in die leeren Augenhöhlen des Skelettes und betete. Das Gewicht des Untoten hielt mich zusätzlich unter Wasser, ich versuchte mich mit aller Kraft zu befreien, doch es hielt mich eisern fest. Im letzten Moment ließ es mich los und ich wurde an die Oberfläche gezogen. Hustend nach Luft ringend, pressten meine Lungen das Wasser aus meinem Körper, so das ich wieder zu Atem kam. Neben mir, der Kopf abgetrennt von seinem Körper, mein Angreifer. „Wir müssen ihnen die Köpfe abtrennen, das hält sie kurzzeitig auf!“ Daimien reichte mir seine Hand und zog mich wieder auf die Füße. „Danke, das war in letzter Sekunde“. Trief nass riss ich mich zusammen und folgte Daimien´s Rat. Eines nach dem anderen köpften wir in der Hoffnung dass sie auch liegen blieben. Dadurch dass sie nicht verwundbar waren wie wir war es nicht ganz so einfach sie zu „töten“, wenn man es denn so nennen konnte. Manchmal blieb ein Dolch oder Schwert zwischen den Knochen stecken und man hatte seine liebe Not es wieder heraus zu ziehen. Fluchend und keuchend kämpften wir uns durch die Armee der Toten, doch es waren einfach zu viele. Sie drängten uns immer weiter in die Mitte zum Sarkophag. Das Wasser wurde immer tiefer, bis wir bis zur Hüfte versanken und deutlich eingeschränkter in der Bewegung versuchten uns die rostigen Schwerter und schartigen Dolche und Pieken vom Leib zu halten.

„Jeanne, so kann es nicht weiter gehen. Es sind einfach zu viele“. Alec neben mir hatte seine liebe Not den nächsten Angreifer abzuwehren und ich mir viel es immer schwerer. Die Kälte zog langsam in den Körper und man wurde immer träger und langsamer. Ich verwünschte mich selber und zwang mich an die Textstelle zu erinnern die diesen Teil beschrieb. Um die Armee der Toten zu überleben und ihren Klauen zu entkommen, gibt es nur einen Weg hinaus, durch den Strudel der Zeit unter des Königsgrab. Einer Eingebung folgend sah ich mich um und fuhr wild mit den Händen durch das kalte Wasser um das steinerne Grab herum. In der Bewegung inne haltend stieg Hoffnung in mir auf. Ein Strom zog mich halb unter den Stein. „Ich ab ihn gefunden, wir müssen hier runter“, damit deutete ich auf das verborgene Loch zwischen Boden und Grabmal. Das Wasser ging mir hier bis zur Brust. Langsam kämpften sich die anderen zu mir. „Und jetzt?“ Alec sah mich skeptisch an und schlug ein letztes Mal auf den Schädel eines Skeletts ein was unter seinem Hieb zusammen brach. „Luft holen und sich von dem Strom mitreißen lassen, kämpft nicht dagegen an!“ Alec sah mich zweifelnd an, griff hinter meinen Kopf und zog meine Lippen auf die seine. Ich genoss seine warmen Lippen und für eine Sekunde vergaß ich meine Umgebung. Als er sich von mir löste sah er mich mit festem Blick an, „Wehe du folgst mir nicht, sonst werde ich dich finden!“ Ich nickte ihm zu und lächelte. Mit einem tiefen Atemzug ließ er sich sinken und war nach einem Augenblick verschwunden.

Einer nach dem anderen folgte Alec´s Beispiel, bis nur noch Merek, Mariele und ich übrig waren. Die Skelettmassen ließen es aber nicht zu das wir ebenfalls fliehen konnten. Konzentriert auf meine Energie ließ ich einen breiten Feuerring um uns herum erscheinen. Tosend und heiß floss er aus meiner Hand und baute sich wie eine Mauer vor den Untoten auf. „Los schnell, es wird sie nicht lange aufhalten“, Merek´s Kopf verschwand unter der Wasseroberfläche, Mariele´s folgte. Mit einem letzten Blick auf die aufgerissenen teilweise zahnlosen Münder und den leeren Augenhöhlen holte ich tief Luft und ließ mich fallen. Eisiges Wasser umschloss meinen erhitzten Kopf und wie an einem Seil wurde ich in die Tiefe gezogen. Nicht als Dunkelheit umschloss mich, hin und wieder ein paar Umrisse von Mauern und Gestein waren zuerkennen, doch der Strudel wirbelte mich hin und her und schnell verlor ich die Orientierung. Ich versuchte ruhig zu bleiben und Sauerstoff zu sparen, doch das lähmende kalte Wasser und der nicht endende Strom, raubten mir die Luft. Verzweifelt rang ich nach Luft, meine Lungen krampften sich schmerzhaft zusammen und füllten sich mit Wasser. In Panik versuchte ich mich irgendwo fest zu halten, doch ich trieb im leeren Nichts. Es flimmerte vor meinem inneren Auge und mit einem Mal, war der Kampf vorbei.

Ruhe, kein Gurgeln, kein herumgeschleuder kein kaltes Wasser. Langsam öffnete ich meine Augen und kniff sie direkt wieder zusammen. Es war viel zu hell. Immer noch durchnässt, lag ich auf hartem Boden. Die Augen fest verschlossen versuchte ich mein rasendes Herz zu beruhigen. Wo bin ich nur gelandet? Hinter vorgehaltener Hand, öffnete ich langsam meine Augen und setzte mich auf um besser sehen zu können. Sie gewöhnten sich schnell an die neuen Lichtverhältnisse so dass ich meine Umgebung inspizieren konnte. Ich sah mir direkt in die Augen und nicht nur einmal sondern tausendfach. Überrascht stand ich auf und drehte mich im Kreis und meine Spiegelbilder taten es mir gleich. Eine verborgene Lichtquelle erhellte den Raum und ließ die vielen Spiegelfragmente wie in einem Kaleidoskop erstrahlen. Was zur Hölle geht hier vor sich und wo sind die anderen? Tatsächlich war ich alleine und egal wie weit ich lief, ich war in diesem Spiegelraum gefangen. Das Artefakt fiel es mir wieder ein. Wie genau man es bekam oder fand hatte in dem Buch nicht gestanden, doch mir viel wieder der Satz ein. Wer auch immer auf der Suche nach dem Stein ist, dem sei bewusst, dass er das Reich der Toten niemals verlassen wird. Das hieß wohl dass ich in dem Strudel gestorben sein musste. Verzweifelt dachte ich nach. Das darf nicht wahr sein, wie kann ich tot sein. Ich stehe doch hier, das ist weder Heilrum noch die Hölle. „Du hast Recht“, die vertraute Stimme erklang hinter mir. Ruckartig fuhr ich herum und erstarrte. „Das kann nicht sein, du bist doch tot!“ Langsam und ohne ein Geräusch zu machen stapfte der Wolf auf mich zu. Seine warmen goldenen Augen ruhten auf mir. Sein Fell war genauso verschmolzen wie ich ihn zuletzt vor Augen hatte. Frisches Blut troff aus Wunden an seinem Hals und Rücken. „Ja ich bin tot, wegen dir“, Verachtung lag in seiner Stimme. Erstarrt, sprachlos und mit einem Kloß im Hals sah ich ihn an. „Hätte ich dich damals nur getötet und dir nicht erlaubt in meine Seele einzutreten. Dann wäre das alles nicht passiert. Nur deinetwegen bin ich gestorben, du hast mich umgebracht“. Seine Worte waren wie ein Messer welches sich in mein Herz bohrte. „Nicht nur ihn hast du umgebracht Jeanne, auch mich hast du da mit reingerissen.“ Plötzlich trat Sina hinter dem Wolf hervor. Auf einem Bein, humpelnd in ihrer zerrissenen und blutbespritzten Rüstung, kam sie auf mich zu. In ihren Augen stand pure Verachtung und Scham. „Und nennt sich eine wahre Freundin, wie konntest du mich nur im Stich lassen. Wieso hast du mich nicht ins Feensilber getaucht?“ „Du hättest es nicht überlebt…deine Verletzungen waren zu schwerwiegend“, stammelte ich mit belegter Stimme. Tränen rannen mir still über die Wangen. „Es tut mir so leid“, versuchte ich mich zu entschuldigen, doch Sina fuhr mir zornig dazwischen.

„Es tut dir leid, nur wegen dir Drachenprinzessin und deinem Vater ist dieser Krieg entfacht. Du bist Schuld daran, du hast uns mit hinein gezogen“. Mit verschwommenen Blick sah ich die beiden an die mich finster ansahen. „Jeanne“, erschrocken drehte ich mich um und sah Rathiel. „Rathiel“, freudig rannte ich auf ihn zu, doch er hob die Hand und wies mich ab. Sein Blick war von Trauer und Schmerz verhangen. „Wie konntest du mir das antun? Wie konntest du eine Einigung mit Alec eingehen? Wir beide sind doch Seelenverbündete“. „Was hätte ich denn tun sollen?“ Vor Verzweiflung wusste ich nicht was ich ihm hätte sonst sagen können. „Du kannst gar nichts mehr tun, das Beste wäre, wenn wir uns nie wieder sehen würden und unsere Verbindung kappen. Ich muss auch weiter leben, es wird Zeit das ich mir jemand anderes suche, mit dem ich eine Zukunft habe“. Seine Worte und sein Blick waren so endgültig. Ich brach weinend auf meine Knie zusammen. Tränen liefen mir über meine Wangen, mein Herz in tausend Teile zerbrochen, meine Gefühle in einem Wirrwarr, welches ich nicht kontrollieren konnte.

Sie starrten mich an, abwartend und urteilend. Und dann wandelte sich die Verzweiflung in Zorn. Auf ein Knie gestützt hob ich den Kopf und funkelte sie alle einzeln an. „Wie könnt ihr es wagen mich zu verurteilen. Wenn ich nicht wäre hättest du als Seelenlose Kreatur dein restliches Leben verbracht. Ich habe dich erlöst“, schrie ich den Wolf an. „Und du Sina, hättest es nicht überlebt im Feensilber. Deine Seele wäre in die Unendlichkeit abgedriftet und hätte nie ihren Frieden gefunden. Ich liebe dich wie meine Schwester und dein Verlust tut mir mehr weh, als ich jemals denken konnte.“ Ihre Miene blieb gleich. „Und du Rathiel“, ich wand mich an den Elben. „Ich habe dich geliebt seit dem Tag unserer ersten Begegnung und das weißt du. Ich könnte dich mit nichts und niemanden ersetzten. Ich gönne dir deine Zukunft, Frau und Kinder. Trotzdem sind wir immer Verbündete, es war von Anfang an klar dass wir niemals Vereinte werden würden.“ Meine Stimme wurde weicher und meine Wut verflog. „Wegen euch habe ich wochenlang ein schlechtes Gewissen gehabt, mir die Schuld gegeben, es hat mir die Seele zerfressen, aber ich verstehe jetzt dass ich das gar nicht brauchte.“

Stille kehrte ein und die versteinerten Gesichter wurden weicher. „Ich wusste dass du es schaffen wirst“, Sina lächelte mich an und löste sich langsam auf. Mein Wolf zwinkerte mir noch einmal zu und verschwand ebenso. „Du hast es geschafft Jeanne“, Rathiel kam auf mich zu und nahm mein Gesicht in seine Hände. Sein Blick verlor sich in meinem. „Du hast deine Ängste und Schuldgefühle überwunden und hast dich als würdig erwiesen den Stein zu erhalten. Beende den Krieg endgültig, denn die Macht, das Böse welches im Stein haust ist der Grund für die Wut der Albae. Er vergiftet ihre Herzen und sät Rachegelüste und Machtgier.“ Seine Stimme die ich solange missen musste, war wie Balsam. „Rathiel ich bin so froh dich wieder bei mir zu wissen“. Mein tränennasses Gesicht an seinen Hals gedrückt, umarmte ich ihn als würde ich ihn nie wieder los lassen wollen. Doch ich merkte das etwas nicht stimmte. Er war kalt und sein Geruch fehlte. Das was mich sonst tröstete, war verschwunden. Traurig sah er auf mich herab. „Meine Liebe Jeanne“, sanft wischte er mit dem Finger eine Träne aus meinem Gesicht. „Ich bin nur eine Spiegelung deiner Gefühle“. Damit ließ er mich los und hielt mir einen hell leuchtenden gläsernen Kristall entgegen. Er war lang und schmal, lief an den Enden spitz zu und schwebte mit einem inneren Leuchten auf Rathiel´s Handfläche. „Entscheide weise was du damit machen möchtet, das Schicksal der Welt hängt davon ab!“ Er trat einen Schritt zurück und verschwand. Mit einem letzten Blick auf den Kristall verschwamm der Spiegelraum und zog mich ins Nichts.

Keuchend und hustend riss ich meine Augen auf und sah in Alec´s besorgtes Gesicht. „Jeanne, Gott sei Dank. Wir dachten schon wir hätten dich verloren!“ Immer noch nach Luft ringend und Wasser spuckend lag ich in seinen Armen und sah mich um. Immer noch klatsch nass saßen meine Gefährten mit erleichterten Mienen um mich herum auf dem Boden. „Wo…wo sind wir?“ krächzend zwang ich meine Stimme zum Sprechen. „In einer Höhle, der Ausgang ist da vorn“, Dastan kam gerade von einer Erkundungstour zurück und sah mich schelmisch grinsend an. „Hallo Prinzessin, auch wieder wach.“ Alec half mir mich aufzusetzen und ich sah mich kurz um. Tatsächlich hockten wir in einer Höhle aus schwarzem scharfkantigem Gestein. Neben uns lag ein flacher See der von einem Wasserfall aus der Felswand gespeist wurde. „War eine wilde Rutschpartie bis nach hier hin. Ich konnte dich noch so gerade aus dem See ziehen, doch du warst ohnmächtig und hattest keinen Puls mehr“. Alec´s Blick war voller Sorge. „Hast du es denn geschafft?“ Erwartungsvolle Blicke lagen auf mir. Dann spürte ich auch den Kristall in meiner rechten Hand. Vorsichtig öffnete ich sie und hob sie hoch. Wie in meinem Traum oder Ohnmachtschlaf, wie auch immer man es nenne konnte, schwebte er pulsierend auf meiner Handfläche.

Daimien zog scharf die Luft ein und Roan rutschte ein „Verdammt“ heraus. Mariele sah mich strahlend an. „Du hast es geschafft“. „Aber fragt nicht wie. Wir müssen hier raus“. Damit machten wir uns auf die Höhle zu verlassen. Immer noch wackelig auf den Beinen stützte ich mich auf Alec und schob den Kristall in meine Umhängetasche. Es tat gut seine Wärme zu spüren. Es war schon seltsam, Rathiel war so kalt gewesen obwohl er offensichtlich lebte. Doch wenn ich tot gewesen sein musste um den Kristall zu bekommen, wie um alles in der Welt konnte ich wieder zurück gekommen sein? Durch die Liebe! Nein, aber was sollte die Prophezeiung bedeuten? „...das er das Reich der Toten niemals verlassen wird!“ Fragen über Fragen, die jetzt warten mussten. Wir mussten hier weg, in Sicherheit. Das Licht welches uns vom Tunnelausgang erreichte, glühte rötlich. Anscheind bricht die Nacht herein, endlich. Es würde uns leichter fallen im Dunkeln von hier zu verschwinden. Ein leichter Wind kam uns entgegen, es fröstelte mich in den nassen Gewändern doch, ich genoss die kühle frische Luft als wir aus der Höhle austraten. Nach kurzer Orientierung stellten wir fest dass wir einmal im Kreis gelaufen waren. Denn vor uns lag die kleine Runde Halle an der die Treppe nach oben zur Ruine führte. Ohne weiter darüber nachzudenken eilten wir die Treppenstufen hinauf, endlich zurück zu unseren Pferden, zu Reijkjon. Voller Vorfreude stiegen wir aus der Tiefe und standen einem Heer aus Albae entgegen. Mir rutschte das Herz in die Hose. Alec der mich immer noch stütze, verspannte sich augenblicklich und zog sein Schwert.

Unsere Zuversicht verschwand sofort, als ein schwarzhäutiger Alb mit ebenso tiefschwarzen Augen auf uns zu trat. Ich erkannte ihn sofort, er war der Alb aus meinen Träumen. Die Armee bestand aus unzähligen Albenkrieger, Wyrgen, mutierten Bären, Wölfen und anderen armen Kreaturen sowie riesige Kriegsmaschinen. Mit einem breiten Grinsen und ausgestreckten Armen hielt er vor uns an. „Gefällt sie euch? Meine Armee“, er wartete als würde er wirklich eine Antwort erwarten. Ich fixierte ihn mit meinem Blick, Alec war genauso angespannt wie ich, hielt mich trotzdem fest und ließ ihn ebenso wenig aus den Augen. „Mh, nun gut, ehrfürchtiges Schweigen nehme ich als Kompliment. Ich bin wirklich froh das ihr es überlebt habt, also wo ist das Artefakt?“ Seine Stimme war so süß wie Honig und so sanft wie Seide. Ich konnte verstehen dass manch eine Menschenfrau von den Albae schwärmte. Doch in diesem Moment kam mir nur die Galle hoch. „Wäre es nicht höflicher sich erst einmal vorzustellen, bevor ihr Anforderungen stellt?“ Der Blick des Albs fuhr ruckartig zu mir. „Oh bitte verzeiht meine Teuerste. Mein Name ist Zando, Zando König der Albae und der freien Welt. Und nun das Artefakt!“ Bei seinen letzten Worten wandelte seine Stimme sich von goldenem Honig zu einem giftigen Fauchen. Seine Augen deuteten auf seine ausgestreckte Hand.

„Wir haben keine andere Wahl, es sind eindeutig zu viele“, raunte mir Alec mit zusammengepressten Zähnen ins Ohr. Doch es gibt eine Möglichkeit, instinktiv zog ich den Kristall aus meiner Manteltasche und zog ihn eng an meine Brust. Doch bevor ich noch irgendetwas anderes tun konnte, hörte ich einen entsetzten Schrei und wie als nächstes ein Messer in meine Brust gerammt wurde. Zando stand in wenigen Schritten vor mir, sah mich triumphierend an und entriss mir den Kristall der sich augenblicklich mit schwarzem Nebel füllte. Alec hielt mich fest als ich keuchend und völlig überrumpelt nach hinten fiel. Der Dolch steckte bis zum Heft in meiner Brust. Kälte breitete sich aus und mein Geist versuchte keuchend und japsend zu realisieren was gerade geschehen war. Mein Körper, geschockt von dem plötzlichen Angriff, empfand keinen Schmerz. Mariele hockte sich sofort neben mich und betastete meine Wunde. „Du Monster“, spie sie Zando entgegen, doch der lief mit einem triumphierenden Grinsen und dem Kristall in der Hand zurück zu seiner Armee. „Ach Mariele meine Teure, dich hätte ich ja fast vergessen. Freu dich, es geht wieder zurück in die Heimat“. Mit einem gehässigen Lachen und einem gefährlichen Blitzen in den Augen ging er zu einem seiner Generäle und befahl: „Bringt sie in die Zellen, ich kümmere mich später um sie“. Damit kamen die Wachen des Königs auf uns zu, fesselten uns und steckten uns in rollende Käfige. Mariele und Alec immer an meiner Seite trugen mich. Das Messer noch immer in meiner Brust steckend, verschwamm meine Sicht und ich sackte in die Finsternis.

 

 

Stimmen der Vergangenheit

 

Geschockt über die Ereignisse in Moria wusste Rathiel erst nicht was er davon halten sollte. Die verstörenden Bilder die durch die Verbindung zwischen ihm und Jeanne ausgetauscht wurden, machten ihm mehr als nur Sorgen. Er konnte ihren Schmerz spüren, die Verzweiflung, das gebrochene Herz und dann diese Entschlossenheit. Jetzt sind sie gefangen in Zando´s Schloss. Er musste etwas machen, er musste sie retten, denn das Heer des Albenkönigs war auf dem Weg. Das hatte er schon von seinen Spionen erfahren. Seine Krönung war bezüglich dieser Neuigkeiten völlig in Vergessenheit geraten. Jetzt war es erst wichtiger sein Königreich zu schützen, auch als Prinz und zukünftiger König konnte er diese Pflichten nicht vernachlässigen. „Mein König, bitte verzeiht die Ruhestörung, aber die Spione sind wieder zurück!“ Einer seiner Wache kam durch die Tür seines Arbeitszimmers und verneigte sich eilig. Sofort sprang Rathiel auf und eilte dem Elben hinterher.

Im Thronsaal bildete sich schon eine Traube, die sich sofort zerstob als Rathiel durch die breiten Flügeltüren trat. Der verschwitzte und blutbespritzte Elb verbeugte sich vor ihm und fing mit nach luftringender Stimme an zu erzählen. „Mein König, sie sind bereits bis zum Erebor vorgedrungen. Die Zwerge versuchen den Berg zu halten, doch die Bestien die sich vor dem Heer über jede Barriere hermachen, sind einfach zu stark und reißen alles nieder. Ich konnte gerade eben aus ihren Fängen fliehen und ein paar in den Tod reißen, doch sie kommen schnell und werden uns überrollen wie eine Lawine. Doch das schlimmste, sie haben das Artefakt“. Ein Raunen ging durch die Menge. „Dank euch, nun ruht euch aus und macht euch sauber“, damit entließ er ihn. Der Spione wankte mit Hilfe einer Elbendame aus dem Thronsaal und zog eine Blutspur über den sonst so sauberen und glatten Marmorboden. „Tandriel, ruft die Generäle zusammen.“ Damit eilte der Wächter von dannen. Rathiel ging auf den steinernen Tisch zu und fuhr mit seinem Finger über die dort eingemeißelte Landkarte. Sie waren schnell, viel schneller als er gedacht hatte. Die normalen Abwehrlinien würden nicht ausreichen, er musste drastischere Mittel anwenden, doch dafür musste er sein Reich verlassen und das würde den Generälen überhaupt nicht passen.

Diese waren tatsächlich überhaupt nicht begeistert dass der einzige Thronanwärter und Prinz sein Reich verlassen würde. „Ihr seid verrückt Prinz Rathiel“, „Er hat Recht, ihr solltet bei eurem Volk bleiben und nicht in der Welt herum reisen“. Sie redeten alle durcheinander und Rathiel bekam Kopfschmerzen. „Ruhe!“ Er schlug mit seiner Faust auf den Tisch, so dass sich ein feiner Riss entlang des Erebor´s zog. „Ich verstehe ihre Sorgen verehrte Lords, doch uns hier zu verkriechen und darauf zu hoffen zu überleben oder gar davon zu laufen, wird uns nicht retten“. Wut kochte in ihm auf, wie konnten diese dickköpfigen alten Elben nur so starrsinnig denken. „Wir müssen selbst etwas unternehmen, ich werde gehen und mein möglichstes geben. Tandriel wird sich um die Angelegenheiten hier kümmern!“ Damit beendete er die Sitzung und eilte aus dem Thronsaal. Das Gegacker und Geschnatter der Generäle konnte er nicht mehr hören, er musste jetzt etwas unternehmen und nicht erst, wenn das Heer schon vor Elindur stand.

In seinen Gemächern zog er sich praktische Reisekleidung an. Bewaffnete sich und stellte sich etwas Proviant zusammen. Ein leises Klopfen an der Tür, riss ihn aus seinen Gedanken. „Mein Prinz bitte entschuldigt die Stör…“ Melina hielt mitten im Satz inne, als sie Rathiel in seiner Reisegewandung sah. „Mein Prinz, ihr wollt weg?“ Missmutig warf er einen Blick zur der Dienerin und verstaute letzte Utensilien, als er sich dann neben ihr durch die Tür in den Gang quetschte. „Ich habe eine Idee wie wir sie aufhalten könnten“. Immer noch etwas perplex sah sie ihm hinterher und lief ihm nach. „Aber ihr müsst uns doch hier beschützen“, „Das wird Tandriel übernehmen, er ist ein genauso fähiger Krieger und Anführer wie ich es bin, vertraut ihm“. Mehr wie eine Floskel ratterte er die Bekundung im Gehen herunter wie auch schon vor den Generälen. Melina blieb eingeschüchtert stehen und sah ihm verwundert nach. „Passt auf euch auf“, war das letzte was er hörte, als er sich zu den Stallungen aufmachte.

Sein Ross trug ihn durch die Wälder Elindur`s, eilig ihm schnellen Galopp bahnte er sich den Weg durch das enge dornige Gestrüpp. Plötzlich hielt er an und sah auf die Karte die er seinem Vater aus dem Archiv entnommen hatte. Hier musste doch der Riss im Boden sein,vor den Augen verborgen vor Nichtwissenden, dennoch durchgängig. Er saß von seinem Pferd ab und band es an einen Baum in der Nähe an. Immer wieder vergleichend lief er von links nach rechts. Vor ihm sollte sich der Wald jetzt lichten und Blick auf die Brutstätten der Drachen frei geben, doch er sah nur weiter durch dichten Wald. Wut kochte in ihm auf, Verzweiflung. Er musste es doch schaffen sein Volk zu beschützen. Vater, helft mir! Doch sein Gebet blieb unerhört. Seufzend setzte er sich auf einen Stein und kickte einen Ast zur Seite, der plötzlich flirrend verschwand. Stutzig richtete er sich wieder auf und konzentrierte sich wieder auf den Wald vor sich. Jetzt wo er genauer hinsah, konnte er tatsächlich ein leichtes Flimmern in der Luft erkennen.

Noch etwas misstrauisch fuhr er mit der behandschuhten Hand durch die Luft und zuckte leicht zusammen, als seine Fingerspitzen im Nichts verschwanden. Er zog sie wieder zurück und betrachtete sie, doch das Leder war unberührt. Er fasste sich ans Herz und trat durch die Barriere. Wie als wenn ein Sonnenstrahl ihn kurz blendete, verschwand der Wald und er trat aus ihm heraus. Und tatsächlich lag vor ihm eine riesige Spalte die tief in die Erde reichte. Auf der anderen Seite ragte ein riesiger Hügel über dem Abgrund. Athrandiel hatte ihm den Weg gewiesen, doch jetzt musste er alleine weiter finden. Er umrundete das Erdloch und trat auf den Hügel zu. Dieser war von seltsamer Struktur und schien golden zu schimmern. Rathiel legte eine Hand auf das Gestein und erschrak, dass er trotz der Handschuhe Wärme fühlen konnte. Plötzlich schien er zu atmen, ein tiefer dunkler Atemzug ging durch den Fels und grüne große Augen sahen ihn an.

Erschrocken sprang Rathiel zurück. Der Fels war ein Drache, der goldene Drache Ragnar´s. Sofort fiel er auf ein Knie uns senkte sein Haupt. „Heiliger Drache, bitte verzeiht das ich euch geweckt habe, aber ich brauche dringend eure Hilfe!“ Er hob seinen Kopf und sah den Elben gelangweilt an. Immer verlangt ihr Elben das die Drachen euch helfen. Langsam drehte er sich um. Die Erde bebte leicht, der Stein unter den riesigen Schuppen knirschte malend und die Bäume drum herum raschelten. „Ich weiß, wir haben euch in der Vergangenheit viel abverlangt und es sind zu viele gestorben, auf beiden Seiten. Doch die Albae sind wieder auf dem Vormarsch…“ Das waren sie auch beim letzten Mal, junger Elb. Unterbrach der Drache ihn, sein eines grünes Auge welches er Rathiel noch zugewandt hatte schloss sich wieder. „Dieses Mal haben sie aber das Artefakt dabei…“ Welches die Drachenprinzessin ihnen besorgt hat. Ihr Menschen und Elben seid töricht und naiv. Es ist nicht mein Problem was die Albae mit dem Land machen, ich finde auch woanders meinen Schlaf.

Wut kochte in Rathiel auf. „Das mag vielleicht sein, Drache“, er hatte es satt. Höflichkeiten auszutauschen brachte bei diesem starrköpfigen Exemplar nichts. Der Drache wand jetzt knurrend wieder seinen Kopf zu Rathiel. Wie habt ihr mich genannt, Elb? Seine Frage raunte tief in seinem Kopf und vibrierte in seiner Brust. Der heiße Atem wärmte das eingefrorene Gesicht. „Ihr habt mich richtig verstanden. Aber ihr redet nicht so über meine Freundin, sie ist nämlich die einzige die das Artefakt zerstören kann. Wenn sie es nicht schafft, dann wird die ganze Welt untergehen. Denkt ihr denn dass die Albae an den Grenzen unserer Länder halt machen werden? Sie werden die ganze Welt überschwemmen, da könnt ihr euch so sehr verstecken wie ihr wollt.“

Abwartend starrte er dem großen Tier in die Augen. Schnaubend richtete sich der Drache wieder auf und sah nachdenklich über die Baumwipfel hinweg. So sehr mir das auch missfällt, Elb, aber ihr habt Recht. Ich werde euch helfen sie zu finden und das Artefakt zu zerstören. Aber ich mache das nicht für euch, sondern für die Prinzessin. „Ich danke euch“. Rathiel trat auf ihn zu, doch der Drache sah ihn nur irritiert an, in der Gewissheit seines Vorhabens. Nur weil ich euch helfe, heißt das noch lange nicht dass ihr auf mir reiten dürft. Damit streckte er seine riesigen Flügel aus und hob einen Wirbelsturm vom Boden ab. Kopfschüttelnd lief Rathiel zurück zu seinem Pferd und machte sich daran dem vorfliegenden Drachen zu folgen. Er hoffte dass er es schaffen würde das Heer zurück zu halten, bis Jeanne zu ihnen stoßen und das Artefakt zerstören würde.

Das holprige Fahren auf dem vereisten Boden und die anschließende eisige Kälte in den Verliesen der Albae hatten mein Bewusstsein nicht wieder erweckt. Sie hatten uns in eine große Zelle gesteckt, tief unten im königlichen Palast und hatten uns unsere Waffen abgenommen. „Wir müssen das Messer endlich heraus ziehen, sonst stirbt sie an einer Blutvergiftung“, Mariele´s Stimme war drängend. Alec war hin und her gerissen, doch er wusste dass sie Recht hatte. „Nun gut, aber vorsichtig, nicht das du noch weitere Gefäße verletzt.“ Mariele nickte nur und bat Daimien mich an der anderen Schulter fest zu halten. „Hier beiß darauf“, Alec steckte mir seinen ledernen Handschuh in den Mund. Das abgenutzte Leder schmeckte staubig und nach Pferd. Langsam nah ich es zwischen die Zähne und bereitete mich auf den Schmerz vor. Der Druck auf meinen Schultern wuchs, als Alec und Daimien mich festhielten. Mariele legte ihre Hände um den Griff und ich zuckte leicht zusammen. Mit einem tiefen Durchatmen zog sie gleichmäßig und langsam den langen Dolch heraus.

Es tat höllisch weh, mein Körper bäumte sich auf, meine Zähne gruben sich in das weiche Leder und helle Punkte tanzten vor meinen Augen. „Ok, erst ist raus, los drückt ihren Mantel darauf“. Der Druck der jetzt auf meiner Brust lag, tat fast genauso weh. Ich spürte die Kälte und den harten Boden nicht mehr. Das Atmen viel mir immer schwerer, nur noch röchelnd stieß ich die Luft aus meinen Lungen. Meine Sicht vernebelt in einem grauen Schleier. Die Umrisse der um mich hockenden und die Zelle, farblos und verschwommen. Mein Körper und Geist schrien nach Ruhe und Schlaf. Die Strapazen der letzten Wochen forderten nun ihren Tribut. Ich hatte Mühe meine Augen offen zu lassen und bei Bewusstsein zu bleiben. „Mist, der Dolch hat einen ihrer Lungenflügel durchstoßen. Wenn wir nichts machen, dann erstickt sie an ihrem eigenen Blut“. Verzweifelt sah sich Mariele um. „Nutzte…deine…Magie“, brachte ich krampfhaft hervor, bevor ich das Bewusstsein völlig verlor. Panisch sah Mariele zwischen mir, Alec und Daimien hin und her. „Was soll ich denn machen?“ Merek, Roan und Dastan sahen genauso ratlos drein. „Wir müssen irgendwie das Blut aus der Lunge bekommen ohne dass die Lunge kollabiert“, Daimien sprach ruhig und konzentriert. „Bindet die Wunden feste ab, versuchte sie gut wie möglich abzudichten.“ Damit riss sich Mariele breite Streifen aus ihrem Rock und band die Wunde mit Hilfe von Alec feste ab.

Daimien kramte bereits in seinen und den der anderen Taschen nach etwas brauchbaren und tatsächlich fand er in einem hohlen Stahlstift einer Papyrusrolle in Joan´s Taschen das was er suchte. „Das Röhrchen jetzt in die Wunde durch den Stoff stoßen“, Alec sah ihn völlig entgeistert an. „Was soll das bringen?“ „Warts ab“, damit stieß er vorsichtig das spitz zulaufende Röhrchen durch die Verbände in meine Wunde. „Jetzt müssen wir nur noch einen Unterdruck erzeugen und das Blut kann ablaufen“, erwartungsvoll sah er Alec an. Dieser sah noch irritierter drein als vorher zu Daimien. „Was?“ „Du musst an dem Röhrchen saugen, so entsteht Unterdruck und das Blut kann ablaufen“. „Ich soll ihr Blut trinken?“ Entgeistert wich er einen Schritt zurück. Seufzend rollte Daimien mit den Augen. „Nein, natürlich nicht, nur ansaugen und wenn du merkst das es kommt, aufhören und laufen lassen!“ Immer noch skeptisch lehnte Alec sich wieder nach vorne, atmete einmal durch und fing an dem Röhrchen zu saugen. Nach wenigen Sekunden ließ er es wieder los, spukte etwas Blut aus und sah erstaunt auf die kleine Fontäne die aus dem Röhrchen sprudelte. Fast Augenblicklich öffneten sich meine Lungen wieder und ich atmete mit aufgerissenen Augen die so nötige Luft ein.

Alec mit noch immer blutverschmiertem Mund sah mich erleichtert an. „Das ist aber nur die halbe Miete“, Daimien sah mich lächelnd an. „Das Loch muss jetzt nur wieder verschlossen werden.“ Der Druck ließ nach und das Gefühl zu ersticken verschwunden. Mein Blick blieb an Mariele´s hängen. Ich nahm schwach ihre Hand und konzentrierte mich auf ihren Geist. Wir machen das zusammen. Versprach ich ihr. Sie zuckte erst vor meinem Eindringen zurück, konzentrierte sich aber ebenfalls auf mich. Konzentriere dich auf das Loch, stell dir vor wie es wieder zusammen wächst und dann lass es einfach geschehen. Noch etwas zaghaft tastete sie sich vor, fand das Loch und leitete ihre Energie hinein. Ich lenkte sie in die richtigen Bahnen und flüsterte die Heilformel. Die Kraft eines einzelnen ist nicht stark genug um eine solche Heilung zu ermöglichen. Doch mit Mariele´s Energie, hoffte ich das es klappen würde. Die Magie legte sich wie Tau um die zerstörte Lunge und das Fleisch. Es kribbelte unangenehm, dennoch konzentrierte ich mich auf den Zauber. Das Loch in meinen Lungen schloss sich und auch die Wunde in meiner Brust, doch entzog es mir so viel Energie das es mich fast wieder umhaute. Mit einem gehauchten „Danke“, viel ich in einen traumlosen Schlaf.

Ich weiß nicht wie lange ich geschlafen hatte, als ein lauter Tumult aus den Gängen des Verlieses mich aus meinem Schlaf weckte. Mein Geist, abgedriftet im leeren Nichts, brauchte einen Moment bis er wieder zu meinem Körper fand. Bilder von Ragnar und dem Kristall blitzten vor meinem inneren Auge auf. „Du musst ihn zerstören!“ Raunte er. „Nutzte deine Gabe!“ Langsam flatterten meine Augenlider und ich brauchte einen Moment um zu realisieren wo ich war. Alec der neben mir gesessen hatte, blickte in die Richtung aus der der Lärm kam und sah sich angespannt um. Auch die anderen waren auf der Hut und hielten sich bereit für einen Kampf. Plötzlich herrschte Ruhe. Mit einem Mal flog eine Wache an der Zellentür vorbei und klatschte scheppernd gegen die Wand. Angespannt warteten wir darauf das sich der Angreifer zu erkennen gab und mein Herz machte einen erfreuten Hüpfer als ich Malik aus den dunklen Schatten des Ganges heraustreten sah. Etwas angespannt und blutbespritzt trat er an das Gitter und lächelte uns alle an. „Da seid ihr ja endlich, was sitzt ihr hier noch so rum, wir müssen einen Krieg gewinnen“, damit zog er ein Bündel Schlüssel hervor und öffnete das Gitter mit einem Klacken. Alec half mir auf die Beine, die sofort unter mir zusammensackten. „Wer seid ihr?“ fragte er Malik misstrauisch. „Das ist Malik, Bürgermeister von Arum und einer meiner engsten Freunde“, dieser nickte nur mit einem verschmitzten Lächeln. „Schön dich endlich wieder zu sehen Jeanne, aber wir müssen jetzt echt los, es hat uns einiges gekostet uns hier herunter zu kämpfen!“ Roan, Dastan, Merek und Mariele liefen voraus, wärend Alec und Daimien mich stützten. „Wir?“ fragte ich überrascht. In diesem Moment trat Madame Arli aus den Schatten und sah mich siegessicher an. „Ich denke wir sind jetzt quitt“, damit drehte sie sich um und wir verließen die Kerker. Irritiert und stark geschwächt ließ ich mich von Alec und Daimien tragen. Ragnar´s Worte ließen mir keine Ruhe. Welche Gabe meinte er?

Tatsächlich musste ein schwerer Kampf oben stattgefunden haben, überall lagen die Leichen der abkommandierten Soldaten in den Hallen und auf den Gängen verstreut. Eilig liefen wir in den Innenhof wo die Pferde schon auf uns warteten. „Wie habt ihr uns gefunden?“ fragte ich außer Atem. „Wir haben euch nie verloren“, zwinkerte er mir zu und sah dann zu Arli. „Er hat mich aufgesucht nachdem ihr bei ihm wart und mich gebeten wegen der alten Zeiten Willen, euch zu verfolgen und auf euch aufzupassen“. „Die Wolke!“ Viel es mir schlagartig ein. Sie nickte und fuhr fort. „Leider verlor ich eure Spur als ihr nach Moria gegangen seid. Doch euer treuer Freund“, sie deutete auf Reijkjon der mich jetzt anstupste und durch mein Haar schnoberte. „Hat dann letztendlich uns gefunden und zu euch geführt, als wir merkten das ihr in Schwierigkeiten seid. Nun sind wir hier und werden euch zur Seite stehen“. „Schließlich konnte ich mich noch nicht bei dir revanchieren“, ich warf mich Malik in die Arme. Seine Wärme tat gut und ich empfand tiefste Dankbarkeit. „Ich danke euch das ihr uns zur Hilfe gekommen seid, aber wie holen wir das Heer nur ein?“ „Wir müssen erst mal hier weg und machen uns auf dem Weg Gedanken darüber“. Damit scheuchte er uns auf die Pferde und wir machten uns im strammen Galopp auf den Weg.

Ich hatte anfangs Schwierigkeiten mich im Sattel zu halten. Immer noch geschwächt war es eine reine Willenssache, denn mein Körper wollte nur schlafen. Meine Brust tat trotz verheilter Wunden immer noch höllisch weh. Bei jedem Atemzug zog es durch meinen Oberkörper und bei jeder Erschütterung zuckte ich merklich zusammen. Reijkjon spürte dies und versuchte mich zu schonen. Daimien hatte mir aufs Pferd geholfen und mich mit besorgtem Blick gemustert. Ihn schien es genauso mit zunehmen wie mich. „Ich sah schon mal schlimmer aus“, hatte ich versucht ihn zu beruhigen. Er schüttelte mit dem Kopf und hatte sich zu seinem Pferd gegeben. Wir kamen erstaunlich schnell voran. Das Albaereich verließen wir innerhalb weniger Tage und ritten am Rand der Jackarwüste auf Destal zu. Im dortigen Fischerdorf angekommen war ich geschockt wie sehr es sich verändert hatte. Das Heer hatte das kleine Fischerdörfchen völlig ausgenommen und zerstört. Die Häuser waren abgebrannt, Leichen lagen in brennenden Bergen aufgehäuft in den Straßen, die Überlebenden saßen weinend und trauernd vor den Überresten ihrer Häuser. Der Gestank nach verbranntem Fleisch und Angst lag schwer in der Luft. Selbst die Boote hatten sie zerstört. Bis auf eines welches am Rande des Dorfes lag, welches wir nutzen um unseren Trupp über den Egobar zu bringen. Als wir uns und unsere Pferde auf den flachen Kahn gesichert hatten, lenkten Daimien und Roan das riesige Floß über die eisigen und wilden Strudel. Die Gischt schien direkt in der kalten Winterluft zu gefrieren und hinterließ eine Eisschicht.

Das Floß kam schnell voran, fuhren an zerstörten Dörfern, Leichenbergen, gerodeten Wäldern entlang, das Heer zog eine Spur der Verwüstung hinter sich her. Selbst die Flora und Fauna ließen sie nicht unbeschädigt. Ganze Landstriche waren nur noch verkohlt, verletzte Rehe und anderes Tiere suchten verzweifelt nach Futter, welches dank des kalten Winters kaum noch zu finden war. Ich konnte nicht hinsehen, das Grauen, welches die Albae verursachten schürte meine Wut umso mehr. Wir hatten uns eng aneinander gesetzt um uns zu wärmen, denn der Wind war frisch auf dem reißenden Fluss. Je näher wir dem Erebor kamen umso kälter wurde es. Eisschollen trieben schon auf dem Wasser und die Männer hatten ihre liebe Not uns darum zu manövrieren. Als der Berg in Sicht kam, hatte ich bei seinem Anblick ein ungutes Gefühl. Wir hatten eigentlich vor gehabt unsere Vorräte wieder aufzufüllen und dann zu Pferd weiter zu reisen, doch die dicken schwarzen Rauchwolken verhießen nichts Gutes.

Als wir an der Garnison vorbeikamen, konnte ich mir ein hämisches Grinsen nicht verkneifen. Sie stand lichterloh in Flammen. „Da hat sich das Abkommen ja richtig gelohnt für Grauwolf“, spottete Alec und hatte ebenso ein Grinsen auf den Lippen. „Ich hoffe nur das sie noch rechtzeitig fliehen konnten“, Grauwolf gönnte ich den Tod, doch den anderen Bewohnern erhoffte ich kein so grausames Schicksal. Doch als wir an der Garnison vorbei fuhren verflog meine Hoffnung, denn der riesige Leichenberg ließ mich Strafe erleiden. Kopfschüttelnd sah ich weg und hoffte das es wenigstens die Zwerge geschafft hatten. Das Floß schwamm ungehindert auf den riesigen Tunnel zu, der unter dem Gebirge führte. Normalerweise wurde das Tor von Zwergen bewacht, doch jetzt erwartete uns niemand mehr. Wir legten in dem kleinen Hafen mitten im Berg an und verließen den Kahn. Endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben tat gut, auch die Pferde schienen erleichtert. Wir waren zwar jetzt gut vorangekommen, doch das Geschaukel und Geblubber ließen mich schwanken. Auch an Komfort war nicht zu denken gewesen, Schnee und Regen hatten uns mit der Zeit durchnässt und an ein Feuer war nicht zu denken gewesen. Unsere Wunden wollten auch nicht richtig heilen bei der Kälte und Nässe. So waren wir alle angeschlagen und hofften auf ein wenig Ruhe und Wärme.

Vorsichtig stiegen wir die unzähligen Stufen und Gänge nach oben, doch je weiter wir kamen umso ungewisser wurde die Aussicht noch jemanden lebendig zu finden. Auf dem Weg lagen unzählige Zwergenleichen, teilweise stanken sie schon und Ratten machten sich über sie her. Alec kniete neben einem Krieger nieder und sah ihn sich genau an. „Sie sind vielleicht vor drei Tagen hier durchgekommen“, „Das kann nicht sein, wie kann ein ganzes Heer so schnell vorankommen? Wir haben es doch gesehen, es war riesig“. Roan schien geschockt. „Ich weiß es nicht, aber wir sollten uns beeilen, wenn wir Theron und Arum retten wollen. Hoffentlich können die Elben sie ein wenig aufhalten“. Alec stand auf und sah mich eindringlich an. „Du musst mit Rathiel sprechen, er wird Hilfe benötigen“. Ich nickte nur, doch erst mal brauchten wir was zu essen. Endlich in den oberen Hallen angekommen, versorgten wir erst unsere Pferde und suchten dann in der Küche nach was Essbarem. Tatsächlich waren noch ein paar Laibe Brot, Gemüse und sogar ein paar Stücke Fleisch übrig aus denen wir eine schnelle Suppe machten um uns aufzuwärmen. „Wir sollten uns hier für eine Nacht ausruhen und morgen früh direkt wieder aufbrechen“, warf ich in die Stille der essenden ein. Sie nickten dankbar.

Nach dem Essen ging ich in mein Gemach, welches mir die Zwerge immer bereithielten und sah in böser Vorahnung aus dem Fenster in das verzauberte Tal. Ich atmete auf als ich dieses unversehrt erblickte. Wenigstens ein kleiner Lichtblick.

Und so hatte ich etwas Zeit mich in den heißen Quellen etwas zu entspannen und Energie zu tanken. Das heiße Wasser hieß mich willkommen und entspannte meine Glieder. Die Magie schien wieder besser zu fließen und meine Schmerzen nach zulassen. Alles in allem aalte ich mich in der wohligen Wärme, körperlich wie seelisch. Der Dreck der letzten Tage wusch sich schnell ab und bald fühlte ich mich wieder wie ein Mensch. „Zwei Seelen ein Gedanke“, eine amüsierte Männerstimme ertönte vom Eingang. Erst erkannte ich den Mann nicht, denn die Fackeln im Gang ließen sein Gesicht im Dunkeln, doch als er aus dem Schatten heraustrat, erkannte ich Malik. „wer nicht selbst auf die Idee kommt ist selber schuld. Ein letztes Bad bevor es in die Schlacht geht.“ Er stieg ebenfalls nackt in das heiße Wasser und setzte sich mir gegenüber an die andere Wand und sah mich an. Er war immer noch der hübsche kluge Malik von früher, nur älter und reifer. Allein die Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit ließ mich erröten. Doch jedes Mal schob sich Alec´s Gesicht vor Malik´s und mein Herz fing erneut an zu bluten. Sofort versuchte ich die Gedanken zu verbannen, doch ein dumpfer Schmerz blieb.

„Ich kann gerne wieder gehen, wenn du möchtest!“ Überrascht und beschämt das ich ihn immer noch anstarrte sah ich ihn verdattert an. „Wieso sollte ich das?“ „Weil ich sehe das du nicht mich hier haben möchtest, sondern deinen Dieb“. „Alec?“ Meine Stimme war etwas zu hoch gerutscht und meine Antwort zu schnell, so räusperte ich mich und fing noch einmal an. „Alec? Wie kommst du darauf?“ „Du kannst mir nichts vormachen. Ich habe es seitdem gesehen als wir euch aus dem Kerker geholt haben. Wie er dich ansieht und wie du ihn, diese Energie zwischen euch. Ihr seid Vereinte, stimmts?“ Normalerweise würde ich jetzt rot werden, doch als ich drüber nachdachte schüttelte ich mit dem Kopf. Es würde nichts bringen ihm mein Herz auszuschütten, er könnte auch nichts daran ändern. Malik seufzte theatralisch. „Wieso nur, eigentlich waren wir doch füreinander bestimmt.“ Leises Lachen schwebte durch den Dampf zu mir herüber. „Es tut mir ehrlich leid, Malik.“ Meine Antwort war ernst gemeint, doch er wank ab. „Mach dir wegen mir keine Sorgen, ich werde bestimmt eine finden. Auch wenn sie nicht längst so impulsiv und so eine gute Bettgespielin mit Feuer ist wie du“. Jetzt wurde ich doch rot als er mir zu zwinkerte.

Nach dem erfrischenden Bad und der Katzenwäsche meiner Kleider, konnte ich beruhigt ins Bett fallen. Wieder allein meinen Schmerz unterdrückend. Der nächste Tag kam viel zu früh. Ich wurde von wilden Rufen und aufgeregten Gesprächen aus dem Schlaf gerissen. Was ist denn da wieder nur los?Stöhnend stand ich auf und beeilte mich, mich anzuziehen. Mit einem letzten sehnsüchtigen Blick aus dem Fenster folgte ich dem Tumult zum Haupttor wo die anderen etwas verwirrt standen und in den Himmel starrten. Als sie uns kommen sahen, wank Dastan mich aufgeregt herbei. „Jeanne, kommt schnell, ein Drache!“ „Ein Drache?“ Ich quetschte mich zwischen die anderen und trat auf den Vorhof hinaus in die noch dunkle Kälte. Konzentriert versuchte ich durch die einzelnen Schneeflocken etwas zu erkennen und tatsächlich erblickte ich einen riesigen goldschimmernden Schatten, der über uns kreiste. Ich spürte eine starke Präsenz und mein Herz machte einen Freudensprung.

Wie ein Falke stieß der Drache aus dem Himmel herab und landete in einem Wirbelsturm aus Schnee und Eis auf dem Vorsprung. Ein dumpfes Grollen erfüllte die Luft, lange Krallen ließen das Gestein unter dem Gewicht bersten und ein warmer Atem streifte mein Gesicht. Ihr seid gekommen. Raunte ich dem Drachen zu und sah ihn erfreut in die grünen Augen. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und sah mich von oben herab an. Nun ja, ich wurde mehr oder weniger gezwungen. Erst jetzt bemerkte ich die Gestalt die etwas torkelnd von dem Rücken des Drachen gesprungen und auf uns zu gelaufen kam. Als ich Rathiel erkannte, konnte ich mich kaum halten und warf mich ihm weinend in die Arme. Wie sehr ich ihn vermisst hatte. Endlich etwas Balsam für mein gebrochenes Herz. Er hielt mich ebenso fest an sich gepresst. „Jeanne“, hauchte er mir liebevoll ins Ohr. Mein Herz raste und quoll über vor Glück. „Wie kamst du…? Wie konntest du…?“ Meine Fragen blieben mir im Halse stecken. Er sah uns ernst an. „Wir müssen uns beeilen, sie haben Elindur überrannt und richten sich gegen Arum und Theron“. Die andern immer noch perplex einen echten Drachen vor sich zu haben, brauchten ein paar Sekunden um zu reagieren. „Und wie sollen wir bitte schön so schnell nach Theron kommen?“ Roan war noch etwas blass um die Nase, hatte aber am schnellsten seine Sprache wiedergefunden. Auch wenn es dem Drachen nicht gefallen würde, drehte ich mich um und sprach das aus, was ich niemals gedacht hätte jemals zu sagen. „Wir werden fliegen!“

Das kommt gar nicht in Frage! Der Drache schnaubte beleidigt und funkelte mich wütend an. „Ich werde nicht auf dieses Wesen steigen, da bringen mich keine zehn Pferde drauf!“ Auch Roan schien überhaupt nicht von der Idee begeistert zu sein. Alle sprachen durcheinander, nur Rathiel blieb ruhig. „Ruhe jetzt!“ Seine Stimme hallte durch die Schlucht. „Jeanne hat Recht. Wenn wir zu Pferd nach Theron reiten, wird es in Schutt und Asche liegen, wenn wir ankommen. Es ist die einzige Möglichkeit schnell genug dorthin zu kommen!“ „Wie sollen wir überhaupt alle auf den Drachen passen?“ Gar nicht! Aber es wird Zeit das Reijkjon sich endlich wieder zurück verwandelt. „Bitte was?“ Völlig verdutzt sah ich den Drachen an. Die anderen konnten den Drachen nicht hören, außer Rathiel natürlich. „Was hat Reijkjon damit zu tun?“ Auch die anderen sahen mich verdattert an. In diesem Moment hörte ich Hufgetrappel auf dem steinernen Boden und der schwarze Hengst steckte seinen Kopf aus dem Tor.

Sofort ließen ihn alle durch und der Hengst kam stolz auf den Drachen zugetrabt. Übermütig warf er seinen Kopf auf und ab so das sein Mähne hin und her wehte wie eine Fahne. Der Drache reckte seinen Kopf zu dem Pferd hinunter und sie berührten sich gegenseitig an den Nüstern. Erwache nun mein alter Freund, es ist an der Zeit. Wie in einem Märchen wirbelte der so ruhige Schnee wie ein Wirbelwind um den schwarzen Hengst verdeckte ihn bis zur Gänze. Ein Tosen und Raunen wog wie eine Welle durch die Schlucht und schwoll zu einem unerträglichen Donnern an. Ein Fluch, so alt wie das Leben selbst. Gebannt in den Körper eines niederen Wesens, zum Schutze der Tochter. Nur wahre und mächtige Liebe, kann auch aus dem Tod heraus Magie erzeugen.

Der Wirbelsturm wuchs an, wurde größer, nahm den meisten Teil der Plattform ein und zerstob explosionsartig. Hinter den Toren in Deckung gebracht und sich geduckt vor dem Schnee schützend, blinzelte ich ein paar Mal. Es verschlug mir den Atem. Dort wo gerade noch mein wunderschöner schwarzer Friesenhengst stand und mich mit seinen braunen Augen mit den blauen Blitzen zugezwinkert hatte, stand jetzt ein großer schwarz-blau schillernder Drache mit elegantem Hals, mächtigen Schwingen und scharfen Klauen. Langsam ging ich auf ihn zu, immer noch nicht fassend was gerade vor meinen Augen geschehen war und blieb einen Schritt vor ihm stehen. Dieser sah mich erwartungsvoll mit den selben braunen Augen an, die ich seit meiner Kindheit kannte. „Reijkjon!“ Jeanne, endlich kann ich zu dir sprechen und mich in meiner wahren Gestalt zeigen. „Aber wie? Wer?“ Die Geschichte ist zu lang um sie dir jetzt zu erzählen, doch sei gewiss das dein Vater mich geschickt hat um auf dich aufzupassen. Er hat dich sehr geliebt! Tränen rannen mir still die Wangen hinunter und ich umarmte die breite Brust Reijkjon´s. Meine Arme reichten gerade vorn um seine Brust. Reijkjon war groß, kleiner als der goldene Drache, doch er war stattlich anzusehen. Seine Schuppen fühlten sich warm und glatt an, fast schon seidig. Er senkte seinen Kopf zu mir herunter und bließ seinen warmen Atem liebevoll durch mein Haar, wie er es schon als Pferd getan hatte.

„Wir müssen los“, Rathiel war an mich getreten und riss mich aus meinen Gedanken. „Ok, dann mal los. Alec, Arli und Malik kommst mit mir auf Reijkjon. Die anderen folgen Rathiel.“ Damit kletterten wir auf die blanken Rücken der Drachen. „Wo genau setzte ich mich denn hin?“ Suchend rutschte ich auf den mit Stacheln besetzten Rücken des Tieres. Einfach zwischen meine Schultern und halte dich gut fest. Vorsichtig den breiten Stachel zwischen den Beinen suchte ich mir einen sicheren Halt. Auch Alec tat es mir gleich und setzt sich direkt hinter mich. Unsicher suchte ich festen Halt auf dem ungewohnten Rücken. Doch als wenn ich für ihn gemacht wäre, fand ich den perfekten Sitz. Es kam mir so bekannt vor, als wenn ich schon ein mal auf einem Drachen geritten wäre. „Es ist wie auf einem Pferd reiten, nur mächtiger“, Ragnar´s Stimme flüsterte in meinem Geist. „Wie ist das möglich?“ Doch für weitere Erklärungen blieb keine Zeit. Gut festhalten! Ich bin Jahre nicht mehr geflogen, aber wie sagt man so schön: Ist wie laufen, verlernt man nie. Witzelte er, breitete seine Flügel aus und trat an das Ende der Plattform auf den Abgrund zu. Die Bewegungen waren ungewohnt und als ich in die Tiefe starrte beschlich mich ein verdammt mulmiges Gefühl. Ist wie reiten, nur auf mehreren Dimensionen. Rathiel´s feixende Stimme überhörte ich gekonnt. Der konnte gut reden, er hatte ja schon Erfahrung im Fliegen.

Doch bevor ich länger nachdenken konnte, ließ sich Reijkjon fallen und wir fielen mit ihm. Verzweifelt klammerte ich mich mit Händen und Beinen an den Körper des Drachen und versuchte nicht herunter zu fallen. Mein Magen rebellierte und ich hatte das Gefühl gleich kotzen zu müssen. „Geh mit seinen Bewegungen mit, lass dich auf ihn ein“, übertönte die Stimme meines Vaters das Tosen des Windes. Mit einem Ruck fing er sich und glitt in einer eleganten Kurve aus der Schlucht und über die Berge. Der eisige Wind pfiff durch meine Haare, Tränen in meinen Augen ließen mich nur noch verschwommen die Landschaft unter mir erkennen und das flaue Gefühl verschwand langsam. Mit einem Blick nach hinten wusste ich das Alec sich ebenfalls hatte halten können, auch wenn er etwas blass um die Nase war. Ich folgte Ragnar´s Rat und passte mich an. Nach ein paar tiefen Atemzügen, beruhigte sich mein Herz und das flaue Gefühl verschwand. Ein unbändiges Gefühl von Freiheit und Glück machte sich in meiner Brust breit. Ich hätte Schreien können vor Euphorie. Der goldene Drache flog jetzt direkt neben uns und ich konnte die anderen auf seinem Rücken erkennen. Dastan saß stolz und erhaben hinter Rathiel, der selbstbewusst und lässig vor ihm saß, als wenn es für ihn das normalste der Welt wäre. Daimien, Roan und Merek hingegen, krallten sich völlig verkrampft an ihren Vordermann. Nur Mariele schien es zu genießen und strahlte mich fröhlich an. Nun würde es ernst werden, Elindur war schon zu sehen und die vielen schwarzen Rauchsäulen am Horizont ließen nichts Gutes erahnen. Jetzt kommt es auf dich an, Drachenprinzessin.

Der Gestank nach verbranntem Fleisch, die schrillen Todes- und Hilfeschreie, das Gebrüll der untoten Soldaten und mutierten Tiere, all das ließen das Herz Zando´s höherschlagen. Arum lag nun zerstört und in Asche gelegt hinter ihnen und Theron würde bald in Sicht kommen. Der Kristall in seinen Händen hatte so viel Macht. Er erfreute sich daran wie einfach es war. Seine Energie durchströmte ihn, ließ das Böse in ihm erblühen und setzte unbändige Kräfte frei. Er ritt auf seinem schwarzen Pferd vorn an der Spitze. Die glutroten Augen und der Rauch aus seinen Nüstern waren das einzige, welches sein Reittier von einem normalen Pferd unterschied. Doch sie waren gehorsamer, brutaler und nicht so verweichlicht wie ein normales. Neben ihm ritten seine engsten Krieger und Berater. Hinter ihm war das Gebrüll der Wyrge und anderer Biester zu hören und gen Himmel ragten seine riesigen Kriegsmaschinen, die sich unermüdlich einen Weg über die vereisten Pfade und Straßen suchten. Seine Krieger liefen geordnet und sortiert dahinter. Vorn weg die Bogenschützen, dahinter die Reiterstaffel und Harpuniere und dahinter die Fußsoldaten. Es hatte Jahre gebraucht um solch ein Heer aufzustellen und niemand, nicht einmal dieser Elb auf seinem goldenen Drachen konnte ihn aufhalten.

Es hatte ihn zwar ein paar hundert Soldaten gekostet, als der Elb plötzlich im Morgengrauen mit seinem feuerspeienden

Reittier auftauchte und sein Lager in Brand setzte, doch er hatte keine Chance gegen seine Geschosse und den Kristall. Nach diesem kleinen Zwischenfall waren sie ohne weitere Unterbrechungen in Elindur einmarschiert, brannten die Häuser der Elben und ihre wertvollen Bäume nieder und schändeten die Frauen. Die Männer und Krieger folterten sie und verfütterten sie an die Bestien. Diejenigen die entkommen waren, ließen sie ziehen. Es war nicht das Ziel alle zu töten, sein Ziel war Theron einzunehmen und dessen König vom Thron zu stoßen. Denn das war der Meilenstein um weiter in den Süden einzumarschieren.

Ein Reiter kam ihnen entgegen, der Kundschafter. Er hielt direkt vor ihm an und berichtete schnell. „Mein König, Theron ist alarmiert und hat seine Mauern bezogen und Kriegsmaschinen aufgebaut. Der Graben ist mit Öl gefüllt und brennt, die Zugbrücke ist oben. Bogenschützen haben den anderen getötet.“ Zando wank ihn ab und der Reiter reihte sich wieder in die Menge ein. „Sie scheinen gut gewappnet zu sein“. Der Berater sah Zando leicht besorgt an. „Theron wurde noch nie eingenommen“. Der Alb lächelte spöttisch. „Das mag sein, aber die vor mir hatten auch das nicht“. Er hob den schwebenden schwarzen Kristall auf seiner Handfläche auf Augenhöhe. „Sie werden ihr blaues Wunder erleben“.

Der Anblick der verbrannten Bäume und der Leichenberge hatten Tränen auf meinen Wangen hinterlassen. Ich hatte schon viele Kämpfe hinter mir gelassen auch dort floß Blut, aber die Grausamkeit des Krieges übertraf jeden Kampf um das Tausendfache. Elindur lag schon ein Weilchen hinter uns und trotzdem konnte ich die Bilder dich sich in mein Gedächtnis gebrannt hatten nicht verbannen. Je näher wir Theron kamen umso schlimmer wurden meine Befürchtungen. Arum hatten sie noch relativ verschont gelassen, doch man konnte das Gebrüll und die vielen Rufe, die uns der Wind zutrug aus Theron hören.

Am Horizont erblickte ich endlich meine lang ersehnte Heimat und gleichzeitig zog sich mein Magen schmerzhaft zusammen. Die heilende Wunde in meiner Brust schmerzte noch immer und ich war längst nicht wieder bei Kräften. Unsicherheit keimte immer mehr in mir auf und mit ihr die Frage: Kann ich es überhaupt schaffen? Alec der mein zweifeln bemerkt, legte mir eine Hand auf die Schulter. Du schaffst das, das weiß ich! Seine Zuversicht und die Wärme seiner Hand trösteten mich ein wenig, doch ganz konnte er die Zweifel nicht nehmen. Ich riss mich zusammen, als wir nun einmal über die Stadt flogen um uns einen Überblick zu verschaffen, die Drachen werden wir wohl nicht mit in das Getümmel nehmen können, dafür waren die Gassen und Höfe zu klein und zu eng, sie wären dort ein einfaches Ziel.

Die Zugbrücke lag zerstört unten und immer noch strömten Horden von Albae und den von ihnen geschaffenen Bestien hinter die Stadtmauern. Die Häuser brannten, klirrendes Metall und Gebrüll wurden mit den dichten Rauchschwaden zu uns rauf getragen. Um den Marktplatz herum herrschte Chaos. Die Soldaten Theron´s versuchten der Lage Herr zu werden, doch die Angreifer waren einfach in der Überzahl. Je weiter man Richtung Marktplatz und Schloss kam umso dichter war das Gedränge, denn ein letzter Ring aus Soldaten hielt die Stellung um die kleine Schlossmauer, noch! Wir mussten uns beeilen. Reijkjon, lande vor den Stadtmauern und fliegt sofort wieder, unten am Boden seid ihr einfach ein zu leichtes Ziel! Wie ihr wünscht Prinzessin. Damit glitt er zu Boden, ließ mich und die anderen von seinem Rücken gleiten und hob mit einem letzten sorgenvollen Blick wieder ab. Die anderen folgten unserem Beispiel und wir sammelten uns hinter einem kleinen Felsen.

„Ich weiß was für ein Chaos dort drinnen herrscht, aber wenn wir uns durchmogeln und nicht allzu großes Aufsehen erregen, dann schaffen wir das!“ Ich sah in die Gesichter meiner Gefährten. Ich konnte Angst, Zweifel, Zuversicht und Kampfeslust in ihren Augen erkennen. „Ich werde mich um diese Bärenbestie direkt am Eingang kümmern, dann könnt ihr direkt weiter!“ Roan grummelte wütend. „Endlich mal ein echter Gegner, als nur diese verweichlichten Albae“. „Ich werde dir beistehen, ich habe schon einmal gegen diese Viecher gekämpft und kenne ihre Schwächen“, Merek nickte Roan zu, damit war auch klar das Mariele bei den beiden bleiben würde. „Ok, der Rest folgt dann mir“.

Es dämmerte langsam, die Sonne sank immer tiefer und warf ihr rotglühendes Licht über die Burgmauer. Über den Zinnen hingen noch die Leichen von Ork´s und Menschen, Leitern lehnten an den Burgmauer oder lagen zersplitterte auf dem Gestein davor. Blut färbte die graue Mauer in ein tiefes Burgunder rot. Schnellen Schrittes eilten wir leise zwischen den Leichen durch das Tor hindurch. Vor uns tobte das Chaos. Aus der Nähe war es noch grausamer als von oben betrachtet. Albae kämpften erbittert gegen die Soldaten Theron´s. Metall auf Metall, klirrte durch die Luft. Zerreißendes Fleisch, Blut, welches aus Wunden floss, das Gurgeln und Stöhnen, wenn der Schwächere sterbend auf den Boden sackte. Der Geruch von Blut, Dreck und Exkrementen lag in der Luft. Der beißende Qualm der brennenden Häuser und dem Stroh, ließ die Augen tränen.

Roan deutete auf den riesigen Bären dessen Fleisch völlig versenkt war und in dessen Augenhöhlen dieses rote Leuchten brannte. Um ihn herum mordeten Wyrge die unachtsamen Soldaten, die versuchten durch das Tor hinter ihnen in den inneren Ring zu gelangen. Blut vermischt mit dem teils gefrorenen Boden bildete eine rote Schlammschicht und erschwerte einem das Laufen. Roan, Merek und Mariele rannten auf die Bestien zu. Die riesige Zweihänderaxt mit dem mit Runen verzierten Zwillingskopf Roan´s sauste durch die Luft und zerschlug einem angreifenden Wyrg den Schädel ein. In einer, für Roan eleganten, Drehung riss er dem sterbenden Tier die Axt wieder aus dem Schädel und wirbelte wie ein Kreisel durch die Menge. Seine Waffe traf jedes Mal sein Ziel. Wie ein blutiger Tanz fegte er mit Merek und Mariele an seiner Seite auf den Bären zu.

Wir anderen schlichen uns an den Kämpfenden vorbei, meuchelten zu nahestehenden Albae und Bestien und versteckten uns hinter einer Reihe Fässer, abwartend das Roan uns den Weg frei machen würde. Es dauerte nicht lang, da standen sich der Bär und Roan Auge in Auge und liefen langsam im Kreis umeinander herum. Merek hielt Roan die kleineren Bestien vom Leib und wütete mit seiner Orkklinge durch die Angreifer. Mariele hielt ein Schutzschild aufrecht, welches sie von mir gelernt hatte und hielt ihm so den Rücken frei. Nun stand Roan mit dem Rücken zum Tor und der Bär, der ihn gefährlich knurrend und Zähne fletschend nicht aus den Augen ließ, uns den Weg frei machte. „Jetzt Jeanne!“ Damit sprangen wir aus unserer Deckung, kämpften uns durch den Schlamm und eilten durch das Tor in den zweiten Ring.

Mit einem letzten Blick nach hinten, riss ich mich zusammen und rannte an der Spitze unseres Trupps durch die Häusergassen in Richtung Marktplatz. Wir kamen relativ schnell voran, denn die meisten Kämpfe fanden an der Mauer und auf dem Marktplatz vor dem Schloss statt. Der vorher ohrenbetäubende Lärm flaute ab und die Ohren konnten sich ein wenig erholen. Auch fiel die Anspannung etwas ab und wir konnten uns im schnellen Laufschritt auf das Kommende vorbereiten. „Meinst du sie schaffen es?“ Alec der mir wie ein Schatten folgte und mich nicht aus den Augen ließ sah mich fragend an. „Du hast Roan noch nicht wirklich kämpfen gesehen, glaub mir er ist wie ein wild gewordener Bär!“ Damit schien ich ihn beruhigt zu haben. Die anderen liefen hinter uns und sahen sich vorsichtig um als wir uns dem nächsten tosenden Kampf näherten. In meiner Brust stach es und ich musste einen Schritt Pause machen. „Alles in Ordnung?“ Rathiel´s Blick legte sich besorgt auf meine Brust. „Es wird schon gehen“, raunte ich nur und konzentrierte mich auf die undurchdringliche Masse aus Alben, Ork´s und Menschen vor uns. „Wie sollen wir nur da durchkommen? Bis wir uns ins Zentrum durchgekämpft haben, ist es zu spät“, Dastan fluchte eher leise für sich, doch auch mich beschäftigte die Frage.

Plötzlich brannte die Masse vor uns lichterloh. Riesige Flügelschläge über uns ließen uns aufblicken und mein Herz schlug höher. Reijkjon und der goldene Drache bahnten uns mit ihrem Drachenfeuer einen Weg durch die Masse. Ich würde mich später bei ihm Bedanken und ihn Rügen müssen, denn nun hatten sie die Aufmerksamkeit der Bogenschützen unter den Albae auf sich gelenkt. Diese Schossen nun Salve um Salve nach den geschuppten Tieren, die ihnen jedoch nichts anhaben konnten. Eilig rannten wir nun durch den brennenden Korridor. Doch schnell wurden auch wir in das Kampfgeschehen mit reingezogen. Wir hatten die Entfernung falsch eingeschätzt. Anstatt wie geplant schon bei Zando vor den Stadtmauern zu sein, steckten wir mitten im Getümmel. Um uns herum tobte ein Kampf aus hunderten von Angreifern.

Nachdem das Feuer etwas abflaute wurden wir auch direkt angegriffen. Ein riesiger Ork mit einem Schweinegesicht kam grunzend auf mich und Alec zu gerannt. Seine rostige Pike auf meinen Oberkörper gezielt, war es einfach seinen Angriff abzublocken und ihm meinen Dolch in den Nacken zu stoßen. Sofort viel er quietschend um und blieb zuckend liegen. Doch schon kam der nächste auf uns zu gerannt. Einem nach den anderen wurde jeder Angreifer ob Ork oder Albae abgeblockt und getötet. Meine Klinge hatte wohl noch nie mehr Blut gesehen wie an diesem Tag. Alec hielt sich, trotz unserer Differenzen, immer an meiner Seite, sein Langschwert wirbelte durch die Menge und hinterließ eine blutige Schneise des Todes. Rathiel, Daimien und Dastan hatte ich nach den ersten Angriffen aus den Augen verloren, doch das rhythmische Surren seiner Elbenklingen, der explosive Klang der Schusswaffe und die lockeren Sprüche Dastan´s und die sich lichtende Menge verriet mir das sie fleißig waren. Arli hingegen hielt uns mit ihren dämonischen Zaubern Nachzügler vom Leib. Schwarze dichte Rauchwolken wirbelten wir kleine Wirbelstürme umher. Sie verschlangen jeden der mit ihnen in Kontakt kam und hinterließ nur grausig anblickende Überreste. Ihr Gesicht hatte sich in eine bleiche Fratze mit grün leuchtenden Augen verwandelt. Mit langen Krallen riss die den Angreifern, die ihr zu nahe kamen, die Köpfe ab und ergötzte sich an ihrem Blut. Malik hingegen war auf die Dächer geklettert und schaltete einen Bogenschützen nach dem anderen aus.

Langsam bildete sich ein Ring aus Leichen um uns und endlich konnte ich auch Zando erblicken, der hinter ein paar Soldaten vor der Schlossmauer stand. Sie versuchten die Wand der königliche Wache niederzureißen, doch dort waren die besten Kämpfer des Landes. Sobald ich den Albenkönig erblickt hatte und eine Lücke sich in den restlichen Ork´s vor mir bildete, schlüpfte ich hindurch. Alec schrie mir hinterher, doch ich hatte nur Augen für Zando. Er drehte sich zu mir um und grinste mich hochnäsig an. „Sieh an, die Drachenprinzessin beehrt uns ein weiteres Mal.“ Seine Stimme, so Honig süß das wohl jede Menschenfrau ihm sofort zu Füßen gefallen wäre, verursachte in mir nur Ekel. „Und dieses Mal traut sie sich allein, das wird ein Spaß“, er drehte den Kristall in seiner Handfläche und seine Augen glimmten in dem selben Rot wie die seiner Bestien.

Mit einem Mal schoss eine Feuerwand aus dem Boden und umkreiste mich und Zando. All der Kampflärm wurden von dem Tosen des Feuers verschluckt. Fluchend drehte ich mich sofort um und konnte Alec´s erschrockenes Gesicht durch die glühend heißen Flammen erkenne, er versuchte zu mir zu kommen doch er schrak sofort zurück. Er schien etwas zu sagen, doch ich konnte nur seine Mundbewegungen sehen, aber nichts hören. Leichte Panik stieg in mir auf und ich drehte mich schnell wieder zu dem Alb um. Eine Bewegung hinter ihm ließ mich aufatmen. Irgendwie hatte es Daimien geschafft sich hinter Zando zu schleichen und hielt ihm jetzt den Lauf seiner Waffe an den Hinterkopf. „Jetzt reichts mit den Spielereien!“ Seine dunkle Stimme klang bedrohlich. Doch anstatt überrascht oder erschrocken zu sein, grinste Zando siegessicher und drehte sich mit einer fließenden und schnellen Drehung um.

Schneller als Daimien oder ich damit rechnen konnten, stieß er ihm den Kristall in seine Brust, der sofort in seinem Körper versank. Zando´s Lachen hallte durch den Ring und er beobachtete erfreut Daimien´s Verwandlung. Entsetzt lief ich auf den sich krümmenden Jäger zu und hielt ihn an den Schultern fest. Seine sonst braunen Augen wurden dunkler und ein roter Schimmer leuchtete auf, seine zitternden Lippen und Glieder versuchten sich gegen die Macht des Kristalls zu wehren und seine Finger bohrten sich in die Stelle wo er in seinen Körper eingedrungen war. „Lauf…Jeanne…ich kann es nicht aufhalten…töte mich!“ Weinend hielt ich ihn fest, voller Hilflosigkeit. „Nein Daimien, wir schaffen das, du musst dagegen ankämpfen!“ Er lächelte schief, was eher einer Grimasse glich und stieß mich dann mit einem unmenschlichen Brüllen von sich.

Ich flog im hohen Bogen durch die Luft und landete unsanft in dem matschigen und teils gefrorenen Boden direkt am Rande des Rings. Mir blieb die Luft weg, als ich mit dem Steiß auftraf und schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen. Der kalte Boden ließ mich sofort erzittern und ich beeilte mich schnell wieder aufzustehen. Immer noch krampfend versuchte Daimien sich zu wehren. Mit einem unnatürlichen Knacken brachen seine Arme und Beine und verschoben sich. Sein Rücken krümmte sich und seine Schmerzensschreie verschwommen zu einem Heulen. Als wenn etwas aus ihm heraus brechen wollte, verschoben sich Knochen und Muskeln unter seiner Haut. Sein Gesicht wuchs zu einer Schnauze, er fiel auf seine Arme und Beine. Krallen wuchsen aus seinen Händen. Sein Körper schwoll an, seine Kleider zerrissen und dichtes schwarzes Fell wuchs ihm am ganzen Körper. Doch am meisten veränderten sich seine Augen. Seine Pupillen wurden zu Schlitzen und das Braun veränderte sich zu einem leuchtenden Gelb. Schwer atmend stand er auf der anderen Seite des Ringes und sah mich mit ausdrucksloser Mimik an. Sein markerschütterndes Jaulen hallte von den Mauern wieder. Sein Fluch, schoss es mir durch den Kopf. Die Geschichten um ihn sind wahr. Zando´s Grinsen hinter ihm wurde immer weiter. „Der Kristall bringt das zum Vorschein was er wirklich ist und er gehorcht nur mir. Ihr habt die Wahl Drachenprinzessin, entweder tötet ihr ihn und zerstört somit den Kristall oder ihr lasst ihn am Leben und somit auch mich.“ Sein grausames Lachen ließ mich schluchzen. Solch eine Wahl wollte ich nie treffen, Verzweiflung brannte in meiner Brust, doch bei Daimien´s Anblick wusste ich was zu tun war. Er stand schief da, sein Kopf schräg hängend uns seine blutdürstigen gelben Augen auf mich fixiert. Nichts zeigte mehr den sonst so gutaussehenden Mann, der immer in bester Haltung vor seinen Gegner stand. Selbst sein Frettchen, welches jetzt verwirrt aus seiner am Boden liegenden Manteltasche zu ihm hoch guckte, sprang vom ihm weg und rannte auf direktem Wege zu mir. Ich hob es mit einer Hand hoch ohne Daimien aus den Augen zu lassen und setzte es in meinen Beutel.

Dann griff er an. Mit gefletschten Zähnen und einem gefährlichen Knurren, rannte er auf mich zu und schnappte nach meinem Kopf. Aus Reflex sprang ich zur Seite und rollte mich unter seinem Biss hinweg. Erschrocken sah ich ihn an, er hatte tatsächlich versucht mich zu beißen. Meinen Entschluss gefasst, rannte ich mit gezücktem Dolch auf ihn zu und zielte auf seine Beine. Die klinge schnitt durch das dichte Fell und schnitt ihm die Sehne durch. Jaulend knickte das Bein weg und er sank auf das Bein nieder.. Sofort stieß ich Daimien mit dem Griff meines Dolches gegen seine Schläfe. Leicht taumelnd wank er ein paar Schritte zurück, setzte aber sofort zum Gegenangriff an und sprang mit einer Schnelligkeit auf mich zu, dass ich meine Mühe hatte ihm auszuweichen. In letzter Sekunde duckte ich mich unter seiner heran sausenden Kralle weg und sprang ein paar Schritte zurück um auf Abstand zu kommen.

Keuchend standen wir uns gegenüber. Er war noch schneller als vorher und unberechenbarer. Seine Miene verzog sich kein bisschen, wie ein Maske, sah er mich kalt und seelenlos an. Er war verloren, wie der Wolf. Selbst wenn ich ihn am Leben lassen würde, der Daimien den ich kannte würde ich nie wiederbekommen. So sammelte ich meine Kraft und sah ihn den Wolf vor mir nicht den Daimien der mich beschützt und wieder aufgepäppelt hatte, sondern ein seelenloses Gefäß Zando´s. Ohne weiter nachzudenken, rannte ich wieder auf ihn zu. Daimien tat es mir gleich, seine blutrünstigen Augen fest auf mich gerichtet, mordlustig. Sekunde um Sekunde näherten wir uns und kurz bevor wir aufeinandertrafen, warf ich mich auf den Boden, rutschte zwischen seinen Beinen hindurch und schnitt ihm in die Innenseite seines Oberschenkels. Jaulend fiel er auf ein Knie und hieb mit der anderen Klaue nach mir. Er traf meinen Arm und eine blutende lange Wunde zog sich über den gesamten Oberarm und lähmte diesen augenblicklich. Doch das bemerkte ich in dem Moment nicht und nahm den Schwung mit und stieß ihm den Dolch von unten in sein Herz. Langsam verwandelte er sich zurück. Das Fell schwand, der Körper sackte in sich zusammen, die Gliedmaßen wurden menschlicher bis ich Daimien nackt mit dem Messer in seiner Brust in meinen Armen lag.

Von außen musste es aussehen wie eine Umarmung unter Liebenden, doch der zuckende sich windende blutüberströmte Körper strafte dieser Ansicht lügen. Tränen rannen mir über die Wangen, als ich den Dolch aus dem sterbenden Körper zog und dieser wie ein nasser Mehlsack in den Schlamm fiel. Sein Gesicht zur Seite halb im Schlamm versunken zu einer Fratze verzogen. Gelähmt und weinend stand ich für ein paar Sekunden einfach nur da, den Schmerz in meinem Herzen versuchend zu unterdrücken. Der schwarze Kristall schwebte wieder aus Daimien´s Körper direkt wieder in Zando´s Hand, der vor dem leblosen Körper aufgetaucht war. „Oh junge Liebe, wie schön das sie so enden kann.“ Er lachte gehässig und sah mich fordernd an. Die Verzweiflung und Trauer wandelten sich in Wut. Meine Atem wurde wieder ruhiger und ich straffte meine Schultern. Der linke Arm hing bewegungsunfähig an meinem Körper runter, doch ich konnte genauso gut mit einem Arm kämpfen.

Ohne ein Wort zu sagen, haftete mein Blick sich auf dem Kristall. Ich griff ihn aus dem Nichts an, den Dolch nach vorn gestreckt auf das Herz Zando´s gerichtet, doch dieser wischte mich mit einer Handbewegung weg wie ein lästige Fliege. Wieder flog ich durch die Luft und landete im Schlamm. Doch dieses Mal dachte ich daran einfach liegen zu bleiben. Der Schlamm kühlte meine erhitzen Wangen und meinen geschändeten Körper. Meine Glieder schmerzten, meine Beine zitterten und konnten mein Gewicht kaum noch tragen, mein Arm lag leblos unter mir und in meinem Kopf herrschte völlige leere und Emotionslosigkeit, am liebsten wäre ich hier und jetzt einfach eingeschlafen.

Das weiße Frettchen krabbelte aus meiner Tasche und leckte aufmunternd mein Gesicht. Ich sah alles nur in Zeitlupe. Zando der mit einem Grinsen im Gesicht langsam auf mich zu lief. Alec der hinter der Flammenmauer entsetzt auf mich herab schaute und mittlerweile Mühe hatte die Gegner abzuwehren. Reijkjon der über mir im Himmel kreiste und hilflos nach mir schrie. All das nahm ich nur am Rande wahr. Selbst der Kampflärm und das tosende Feuer ebbten ab und schrumpften zu einem leisen Rauschen.

„Ray, du musst aufstehen.“ Ragnar, stand in seiner Rüstung neben mir. Er reichte mir seine Hand. „Du kannst deine Freunde nicht im Stich lassen, sie brauchen dich“. Seine Augen waren sanft und wie Balsam für meine geschundene Seele. „Ich bin zu schwach. Ich schaffe es einfach nicht. Wie soll ich ihm nur den Kristall abnehmen?“ Er lächelte freundlich zu mir herunter. „Du musst nicht die ganze Last tragen, du hast Freunde, die dir helfen werden!“ Ich nahm seine Hand an und er zog mich ohne großartigen Aufwand wieder auf die Füße. Plötzlich stand Sina neben ihm. Sie lächelte mich an, zog ihr Schwert und deutete auf den sich immer noch nähernden Zando. „Ich gebe dir Rückendeckung, vertrau auf uns“. Daimien erschien ebenfalls, wie gewohnt in seiner Lederkluft und tippte grüßend an seinen Hut. Er lächelte mich an. „Ich werde an deiner Seite sein!“ Bei seinem Anblick zerriss es mich innerlich wieder. Doch ich musste jetzt stark sein. Trauern konnte ich nach dem Kampf. Neue Zuversicht flammte wieder in mir auf und unter Ragnar´s Augen sammelte ich das Frettchen wieder ein und zog den Dolch aus dem Schlamm. „Wir sind bei dir, vertrau auf deine innere Stärke!“ Damit wand er sich ab und er, Daimien und Sina rannten wie eine Wand aus Magie auf den überraschten Zando.

Aus dem Gleichgewicht gebracht sammelte ich meine Magie und feuerte einen Ball aus purer reiner Energie auf den taumelnden Alb. Für eine kurze Sekunde trennte sich der Kristall von seiner Handfläche und die Feuermauer fiel in sich zusammen. Ich nahm den Kristall in meine Hand trat ein paar Schritte zurück und sah in das entsetzte Gesicht des Albenkönig´s der seine Hand wieder nach dem Artefakt ausstreckte. Fasziniert sah ich auf den funkelnden Kristall, das schwarz in seinem Inneren löste sich langsam wieder auf und er erstrahlte wieder in seinem hellen reinen Licht. Sanfte Stimmen flüsterten mir zu ich solle ihn verwenden um meine Gegner zu töten. Die pulsierende Macht war verlockend und fast hätte ich ihn gegen Zando eingesetzt, doch irgendetwas in mir zögerte. Frustriert schrie mich das Artefakt an, doch wie aus einem Traum erwacht, tat ich das wozu ich bestimmt war.

Alec und Rathiel rannten auf mich zu, als ich den Kristall zu meiner Brust führte und ihn in mich hineinschob. Entsetzt sahen sie mich mit großen Augen an und versuchten mich aufzuhalten, doch es war schon zu spät. Wie Eis durchzog es mich von der Brust in jede einzelne Faser meines Körpers. Ich schwebte ein paar Zentimeter in der Luft, riss Augen und Mund vor Schmerz auf und grelles Licht strömte aus mir heraus. Die Welt verschwamm, der Krieg, meine Gefährten, der Schmerz und all das Leid, waren weg. Langsam öffnete ich meine Augen wieder und ich befand mich im leeren weißen Nichts.

In einem weißen Gewand gehüllt, tauchten aus weißen Nebel langsam Silhouetten einer Straße auf. Häuser ließen sich erkennen und Menschen, die an ihnen vorbeiliefen. Nach und nach erkannte ich mehr, es war das kleine Fischerdörfchen nahe Destal. Alles war friedlich, ruhig und warm. Ich hatte keine Schmerzen mehr, kein Leid suchte meinen Geist heim, es war schön hier. Zu schön, irgendetwas hielt mich davon ab den Weg weiter zu gehen und mich hier niederzulassen. „Du bist noch nicht bereit!“ Roan stand vor mir, Hand in Hand mit Sina. „Roan, wie kommst du hier her? Wo sind wir hier?“ Er lächelte mich glücklich an und zog Sina die ebenfalls strahlte näher an sich heran. „Jeanne, du weißt ganz genau wo wir hier sind.“ Tränen liefen meine Wangen hinab, wiedermal. „Aber das bedeutet, das du tot bist.“ Roan nickte kaum merklich. „Das mag sein, aber ich bin hier glücklicher, endlich können wir zusammen sein“. Sein verliebter Blick ließ mich an Alec denken und ein Sog zog mich zurück. „Jeanne, du hast es geschafft. Du hast das Artefakt zerstört, aber du bist noch nicht bereit zu sterben. Geh und bringe es zu Ende!“ Damit zwinkerte er mir ein letztes Mal zu und wand sich mit Sina im Arm ab. Die Gestalt von Daimien tauchte neben ihnen auf und sie begrüßten sich wie alte Freunde. Er sah zu mir herüber und am liebsten wäre ich zu ihm gerannt. Doch er schüttelte traurig mit dem Kopf. „Du hast mich befreit. Gräme dich nicht,ich habe dir versprochen mein Leben für dich zu geben“. Seine Stimme hallte zu mir herüber und mit einem letzten Lächeln wand auch er sich zum Gehen. Wärend sie die Straße entlang gingen, verschwamm wieder alles zu einem weißen Nichts und ich wurde gewaltsam zurück katapultiert.

Keuchend und japsend riss ich meine Augen auf und sah in die grünen Augen von Alec. Über ihm der Himmel in dem Reijkjon langsam zur Erde sank. Ich lag im Schlamm, meine Beine und Arme schmerzten höllisch, mein Kopf pochte als würde er gleich explodieren und ich konnte mich kein Stück rühren. Erleichterung und Trauer wetteiferten um mein Herz. „Was ist passiert?“ Meine Stimme war gebrochen und kratzte in meinem Hals. Rathiel´s Kopf tauchte neben Alec´s auf und er musste lächeln. „Du hast es geschafft Prinzessin, du hast es tatsächlich geschafft.“ Beide zogen mich vorsichtig auf die Beine, so dass ich meine Umgebung betrachten konnte. Direkt neben mir lag der leblose Körper Zando´s, seine Augen und Mund weit geöffnet zu einem schmerzvollen Schrei. „Der Kristall hat ihn mit verbrannt, als du ihn in dich aufgenommen und mit deiner Magie zerstört hast.“ Ich versuchte mich daran zu erinnern, doch ich hatte nur Roan´s und Sina´s glückliche Gesichter vor Augen. „Roan…er…er ist tot“, Alec senkte den Blick und sah in Merek´s Richtung der mit glasigen Augen neben ihm stand. „Mariele hat es auch nicht geschafft. Sie hat ihn beschützt und hat selbst was abbekommen, als er den Orklord getötet hat. Roan hat der Bär erwischt, nachdem er ihm den Schädel abgetrennt hatte.“ Traurig schüttelte ich mit dem Kopf. Ich sah in Merek´s Augen und ich versuchte ihm mein Mitgefühl durch ein sanftes Lächeln mitzuteilen. Arli und Malik traten ebenfalls auf uns zu. Am Leben aber sehr mitgenommen. Als Arli Zando´s leblosen Körper am Boden liegen sah, zog sie scharf die Luft ein. „Ich bin froh euch am Leben zu sehen“, nickte sie mir ehrlich zu. Mehr als ein Nicken und ein freundliches Lächeln konnte ich ihr nicht erwidern. Wir hatten schwere Verluste erlitten.

Schwere Schritte näherten sich uns und der König Theron´s näherte sich uns unserer Gruppe. „Mein Dank an eure Taten Lady Jeanne. Ihr konntet den Albenkönig niederstrecken und somit den Krieg aufhalten.“ Ich sah ihn verstörend an. „Aber zu welchem Preis!“ Mein Blick viel auf den Leichnam Daimien´s. Er folgte meinem Blick und nickte. „Mein Beileid um eure Verluste, doch an diesem Tag sind viele gute Männer und Frauen von uns gegangen, aber ohne euer mutiges Einschreiten wären viele weitere gestorben. Ich stehe tief in eurer Schuld“. Er verbeugte sich leicht vor mir und fuhr fort. „Wir müssen die letzten versprengten Ork´s und Albae ausfindig machen und mit dem Wiederaufbau anfangen, sagt wenn ihr etwas braucht“. Wir nickten ihm dankbar zu und dann lief er von dannen.

Reijkjon der nun neben uns landete und viele Blicke auf sich zog reckte seinen Kopf zu mir herunter und ich streichelte seine warmen Nüstern. Der goldene Drache landete ebenso. Wie konnte ich wieder zurückkommen? Fragte ich ihn immer noch verwirrt von dem Geschehenen. Er sah mich mit warmen Augen an. Ihr habt eine Gabe Lady Ray, die Gabe eures Vaters, der Geistsehung. Ihr konntet durch meine Schuppe und die Gabe den Kristall zerstören und wieder zurückkommen. Verwirrt sah ich ihn an. Ihr könnt jeder Zeit dorthin zurückkehren, doch seid gewarnt es findet sich nichts Gutes und Echtes in der Geisterwelt. Er reckte seine Flügel und machte sich daran abzuheben. Habt dank das ihr dieses Unheil von uns genommen habt, aber jetzt muss ich mich verabschieden es wird Zeit. In einem Windstoß hob er ab und verschwand glitzernd im Licht des aufgehenden Mondes. Das erste Mal seit Monaten hatte ich das Gefühl aufatmen und entspannen zu können. Mein Blick schweifte von dem im Nachthimmel verschwindenden Drachen über das Chaos welches Zando´s Armee hinterlassen hatte, hin zu Alec. Er stand einfach nur da, den Kopf in den Nacken gelegt und das Gesicht in den Schein des Vollmondes. Seine Augen waren geschlossen, er schien nach dem Kampf Durchzuatmen und die Ruhe genießend. Im kühlen Licht erschien das Blut in seinem Gesicht, auf der blassen Haut, fast Schwarz. Er sah aus wie ein Todesengel, wie er da zwischen den Leichen stand mit seinem blutbespritzten Schwert, welches er locker in der Hand hielt. All die Wut und der Ärger um unseren Streit war verflogen. Meine Arme schlangen sich wie von selbst um seine Taille und ich vergrub mein Gesicht an seinem Rücken zwischen seinen Schultern. Seine Wärme tat gut. Bei meiner Berührung versteifte er sich kurz und atmete hörbar aus. „Es tut mir leid“, nuschelte ich in seinen Mantel. Der vertraute Duft drang selbst durch den Geruch von Blut und Schweiß und ließ mich wohlig erschaudern. Seufzend senkte er den Kopf und entspannte sich. „Nein, ich bin derjenige der um Verzeihung bitten muss!“ Überrascht hob ich meinen Kopf und blickte zu ihm hoch. Er wirkte wie geschlagen. „Ich hätte dich nicht so täuschen dürfen und dir direkt die Wahrheit erzählen müssen“. Seine Stimme klang gequält. „Nur du musst wissen, mir machte diese Vereinigung eine Heidenangst und ich habe versucht mich abzulenken!“ Nun war ich sprachlos. Alec so offen sprechen zu hören, nach einem so langen Schweigen, ließ mich wieder hoffen. Er löste meinen Griff um seine Taille und drehte sich zu mir um. In seinen Augen las ich den selben Schmerz der auch mein Herz zerriss. „Ich weiß wie das für dich ausgesehen haben musste in Mogul und es tat mir in der Seele weh deinen Schmerz durch unsere Verbindung zu spüren. Du warst so wütend und mich hat es im Gegenzug so aufgebracht das du wirklich glaubst das ich dich jemals betrügen könnte. Ich habe nicht mit dieser Frau geschlafen Jeanne, bitte verzeih mir.“ Seinem flehenden Blick nicht mehr standhalten könnend, nahm ich sein Gesicht in meine Hände, zog ihn zu mir herunter und küsste ihn. Meine Lippen sehnten sich schon seit langem nach den seinen. Jetzt endlich meinem Verlangen nachgeben zu können, ihm endlich wieder nahe sein zu können, löste einen Knoten in mir und meine Gefühle brachen sich Bahn. Alec er widerte meinen Kuss genauso leidenschaftlich. Seine Arme schlangen sich um meine Taille, zogen mich eng an sich als würde er mich nie wieder loslassen wollen. Alles war vergessen, all der Schmerz, die Wut, losgelöst in dem Strudel des Glücks. Schwer atmend lösten wir uns voneinander. In seinen Augen brannte die Leidenschaft, doch ich musste ihn brüsk unterbrechen. „Nein es tut mir leid, ich hätte mit dir reden müssen, doch mir macht das Ganze auch Angst“. Ein schelmisches Grinsen huschte über seine Lippen. „Wäre doch gelacht wenn wir das nicht hinbekämen!“ gluckste er. Ein Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen, ich war froh das aus der Welt geschafft zu haben. Plötzlich verzog er gequält das Gesicht. „So da das nun geklärt ist, darf sich die Prinzessin gern sich mir hingeben. Ihr edler Retter ist ja jetzt endlich da!“ „Von wegen edler Ritter“, feixte ich und wollte mich von ihm abwenden, als mir schwarz vor Augen wurde und meine Beine unter mir weg klappten. Sofort fing er mich auf und hob mich auf seine Arme. „Sachte Prinzessin, ich glaube ihr braucht mich doch!“ Seine Stimme war sanft und benebelte meine Sinne. Ermattet und kraftlos sank mein Kopf an seine Schulter. Wärend ich einschlief lauschte ich dem Schlagen seines Herzens, wir hatten es geschafft. Wir hatten es wirklich geschafft.

 

 

Das Bündnis

 

Skeptisch drehte ich mich vor dem großen Spiegel. Der weich fließende grüne Stoff viel leicht wie eine Feder um meine Kurven. Ungewohnt, nicht wie meine eng anliegende schwere Ledergewandung mit dem breiten Gürtel, den vielen Taschen und dem Dolch an meiner Seite. Selbst die Schuhe waren leicht, als hätte ich gar keine an. Ja die Elbengewänder waren nicht für den Kampf gedacht, vor allem die Festgewänder. Auf meiner Stirn funkelte ein einfaches Diadem mit einem klaren tropfenförmigen Edelstein. Meine Haare vielen in weichen roten Wellen über Schulter und Rücken.

Es hatte Ewigkeiten gedauert sie zu entfilzen ohne sie abzuschneiden. Nach dem Kampf brauchten wir alle Zeit für uns. Rathiel war zurück nach Elindur gereist um dort Ordnung zu schaffen und den Wiederaufbau zu starten. Merek und Dastan hatten es sich kurzweilig in Arum gemütlich gemacht, unter der Gastfreundschaft von Malik, halfen sie auch dort beim Aufbau und würden noch bis zur Krönung bleiben. Alec war bei mir geblieben und pflegte mich in der Kirche mit Hilfe des Paters gesund. Es brauchte eine Weile bis ich die Trauer und den Schmerz akzeptieren konnte und lernte mit der Geistsehung umzugehen. Ich hatte mit Daimien, Mariele und Roan zwischenzeitlich Kontakt gehabt, aber wie der goldene Drache schon sagte, es war nicht gut diese Welt zu besuchen, wenn man dort nicht hin gehörte.

Nach ein paar Monaten ging es mir soweit wieder gut, dass ich wieder unter Leute konnte. Reijkjon hatte sich wieder in

seine Pferdegestalt zurück verwandelt um kein großes Aufsehen zu erwecken. So ritten wir an einem noch frühen Frühlingsmorgen durch Theron und bewunderten die schnellen Aufbauarbeiten. Die Stadt strahlte in neuem Glanz. All die blutigen Flüsse im Boden, die Leichen, zertrümmerten Dächer und Mauern waren verschwunden und gesäubert. An ihrer Stelle strahlten neue weiße Mauern und verbesserte Ziegeldächer, neue Blumenbeete und Bäume waren angelegt worden so wie ein großer Springbrunnen auf dem Marktplatz mit den eingravierten Namen der Verstorbenen. Die Tage der Trauer waren vorbei und Hoffnung strömte durch die Gassen Theron´s. Mich hatten Briefe aus allen Richtungen erreicht. Malik erzählte mir von den Aufbauarbeiten aus Arum und wie sehr ihm Merek und Dastan halfen. Rathiel schrieb mir aus Elindur und lud mich zu seiner Krönung in ein paar Sonnenzyklen ein. Aus Mogul schrieb mir der Sultan und fragte nach unserem Wohlergehen und auch ein verwunschener Brief fand den Weg auf mein Bett.

In altem dickem Papier eingewickelt konnte ich Joan´s Handschrift erkennen und ein Lächeln huschte mir über die Lippen. Sie beglückwünschte mich zu unserem Sieg, erzählte mir wie gut es ihr in der Bibliothek ging und trauerte mit mir um unsere Freunde. Eine Träne rollte mir über die Wange und ich wischte sie schnell wieder weg. Auf demselben Papier antwortete ich ihr, das wir es ohne ihr Opfer nicht geschafft hätten und ich sie vermissen würde. Am nächsten Morgen war der Brief von meinem Schreibtisch verschwunden.

Auch vom König kam eine Einladung. Nach dem großen Wiederaufbau wurden wir eingeladen bei der großen Feier und dem neuen Bündnis beizuwohnen, als Ehrengäste. Ich persönlich war nicht so für das große Tamtam, welches um solche Festivitäten herrschte, aber dem König konnte man nichts abschlagen. So begleitete mich Alec und wir genossen das gute Essen, den Wein und die ehrfürchtige Stimmung als aus allen Nationen die Würdenträger auf den kleinen steinernen Altar zu gingen und ihr Zeichen unter den Schwur setzten. Es solle Frieden herrschen zwischen den Völkern, auch mit den Albae. Der neue König wirkte auf mich gesitteter, gefasster und aufgeschlossener als Zando es jemals war. Trotzdem, ein bitterer Beigeschmack blieb.

Einen Tag später hatten wir uns bei bestem Wetter nach Elindur aufgemacht. Sie Sonne schien und schickte ihre ersten warmen Sonnenstrahlen auf die Erde. Die Blumen, Bäume und Wiesen reckten sich ihr, nach dem kalten Winter, sehnsüchtig entgegen. Die Tierwelt hatte sich wieder normalisiert und man konnte wieder Rehe, Kaninchen, Bussarde und andere Kleintiere und Vögel zwischen den Bäumen und in den Wiesen umherstreifen sehen. Da nun die Quelle des Giftes durch Zando´s verschwunden war, wurden die Sichtungen von infizierten Tieren und Menschen immer weniger, bis sie ganz verschwanden. Ich schloss die Augen und genoss die kitzelnde Wärme auf meinem Gesicht, das ruhige Schnauben Reijkjon´s und das regelmäßige Geräusch der Pferdehufe auf dem Kies. Alec sah mich grinsend an: „Was?“ fragte ich ihn leicht irritiert. „Nichts, du sahst nur schon lange nicht mehr so zufrieden und glücklich aus“. Ich streckte ihm die Zunge raus und ließ meinen Blick über die Landschaft schweifen. Ja das war ich tatsächlich. Vor allem die Beziehung zu Alec war richtig aufgeblüht. Wir würden nie das typische Paar werden, doch unsere Verbindung war innig, leidenschaftlich und freundschaftlich, ich wüsste nicht mehr was ich ohne ihn machen sollte.

Kurz vor der Grenze ins Elbenreich hatten uns Merek und Dastan eingeholt. Sie sahen wirklich gut aus, frisch und erholt. Dastan´s Grinsen war sogar noch breiter als je zuvor und der sonst so mürrische Merek schien zufrieden zu sein, er trug Mariele´s Halskette um seinen Hals. Wir wurden von einem Wächter empfangen und nach Elindur begleitet. Der Wald war wieder geheilt. Er strahlte wieder in sämtlichen grün und Gold Tönen, der Wind raschelte in den Baumkronen, vereinzelte Lichtstrahlen warfen das Unterholz in ein unwirkliches Licht und hin und wieder huschten Schatten zwischen den Bäumen hindurch. Das weiche grüne Moos unter den Pferdehufen verschluckte jegliches Geräusch und eine tiefe Ruhe überkam uns.

In Elindur angekommen verschlug es mir die Sprache, die Elbenstadt war vorher schon atemberaubend gewesen doch jetzt neu wieder aufgebaut übertraf es meine Vorstellung. Die Häuser in den Bäumen waren noch zahlreicher und prunkvoller geworden. Überall erblühten Pflanzen, Bäume und Gräser. Tausende von Lichtern erhellten die Wege und Treppen und Elben erfüllten diese. Als wir zum Thronsaal ritten, standen sie im Spalier und neigten ihre Häupter. Das leise Geflüster verstummte und eine tiefe und ehrfürchtige Stille trat ein.

Als wir vor den Toren zum Thronsaal anhielten und von unseren Pferden stiegen wurden wir herzlichst von Rathiel und seinem Berater empfangen. Wir wurden herumgeführt und zum Essen eingeladen, die Krönung würde am morgigen Abend stattfinden. Ich hatte Rathiel sehr vermisst. Wir hatten zwischendurch kurz miteinander gesprochen, doch er hatte so viel zu tun gehabt das diese Gelegenheiten immer seltener wurden. Nun lagen wir uns eng umschlungen in den Armen

und ich erfreute mich seiner Wärme. Beim Abendessen erzählten, lachten, tranken und aßen wir bis tief in die Nacht. Ich schlief neben Alec ein und lauschte seinen immer langsamer werdenden Atemzügen. Das silbrige Mondlicht fiel sanft auf sein markantes Gesicht. Er sah so friedlich aus wenn er schlief. Sein verzweifelter Gesichtsausdruck als i ch am Boden lag und er mich nicht retten konnte hatte sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Er hatte Schuldgefühle, auch wenn diese unbegründet waren. Ich gab ihm einen leichten Kuss auf die Stirn und schlief ein.

Am nächsten Morgen wurden wir etwas unsanft von einer Elbin geweckt. „Lady Ray und Sir Alec, bitte stehen sie auf, der Prinz bittet zum Frühstück.“ Ihre ruhige Stimme klang drängend und scheuchte uns aus dem Bett. Ich musste mich wirklich an meinen ersten Namen gewöhnen, dank Rathiel. Er hatte mir den Brief seines Vaters vorgelesen und mich endlich aufgeklärt. Noch Stunden später las ich den Brief mit Tränen in den Augen immer und immer wieder. Ich war die Nachfahrin des legendären Drachenkönigs. Tochter einer Elbin und vom Fluch der Nachfahren Ragnar´s entkommen. Theoretisch hätte ich den Thron Theron´s in Anspruch nehmen können, doch ich verzichtete freiwillig, ich war dort nicht aufgewachsen, kannte mich mit den königlichen Gepflogenheiten und Sitten nicht aus und ich war eh eher der freie Mensch.

Ich beobachtete Alec immer noch wie er nur mit seinen weiten Hosen oberkörperfrei durch das Zimmer wuselte und nach seinem Hemd suchte. Das Spiel seiner Muskeln faszinierte mich noch immer und das schiefe Grinsen in meinem Gesicht, wenn er mich dabei ertappte wie ich ihn beobachtete ließ mein Herz höher schlagen. „Prinzessin ihr seid unersättlich, habt Gnade mit mir und gebt mir eine Pause“. Ich warf ein Kissen nach ihm, welches er geschickt auswich. „Rede nicht so geschwollen mit mir, ich bin keine echte Prinzessin“. „Oh doch das seid ihr und genauso werdet ihr auch behandelt“. Er liebte es mich zu foppen, doch ich quittierte ihm das nur mit einem spöttischen Schnauben und verließ vor ihm das Zimmer.

Beim Frühstück klärte uns Rathiel über die Krönungszeremonie auf, die Abläufe, Gepflogenheiten und dergleichen. Ich hörte nur mit halben Ohr zu wärend ich dieses köstliche neue Obst probierte welches nach Apfel und Kirsche schmeckte. Letztendlich würde ich mich eh an Rathiel oder seinem Berater halten. Danach fing das große Gewusel an. Wir wurden festtauglich gemacht und nachdem ich mich zum hundertsten Mal etwas skeptisch vor dem Spiegel gedreht hatte, wurden wir auch schon in den Thronsaal gebeten. Ich erntete auf dem Weg dorthin viele bewunderte Blicke, ein junger Elb verbeugte sich schüchtern vor mir und reichte mir eine wunderschöne blaue Blüte die ich mir ins Haar steckte. Ich schenkte ihm mein strahlendstes Lächeln und dankte ihm.

Im Thronsaal nahm ich an der Tafel direkt neben dem Thron Platz und wartete auf die anderen. „Wow, du siehst unglaublich aus!“ Alec´s Stimme so direkt an meinem Ohr ließ mir einen Schauer den Rücken runter laufen. Ich drehte mich zu ihm um und lächelte ihn errötend an. Sein Grinsen war ansteckend und ich lächelte zurück. Seine Augen wanderten über mein Gesicht und ich sah in seinen Augen Verlangen auflodern. Doch bevor ich ihm etwas unanständiges erwidern konnte, ertönten von den Toren helle glockenklare Trompeten und Rathiel trat in einem unglaublich aufwändigen Gewand aus grünen, goldenen und bronzefarbenen Stoffen und Edelsteinen durch das Tor auf den Thron zu. Alle erhoben sich von ihren Stühlen und neigten das Haupt. Als er an ihnen langsam vorbei schritt. Vorn am Thron empfing ihn ein Priester mit einer in sich gewundenen Krone aus Ästen und kleinen Edelsteinen.

Als Rathiel vor ihm stand sprach er laut und deutlich. „Kniet nieder Prinz Rathiel, Sohn des verstorbenen König´s Athrandiel.“ Rathiel kniete mit ernstem Gesichtsausdruck nieder und senkte sein Haupt. Seine langen Haare fielen ihm über die Schultern und verdeckten teilweise sein Gesicht. Der Priester sprach nun auf elbisch eine Art Schwur, denn Rathiel antwortete auf jede seiner Fragen voller Inbrunst und Ehrlichkeit. Dann fuhr er wieder in unserer Sprache fort. „Nun nachdem ihr den königlichen Schwur abgelegt habt, kröne ich euch zu König Rathiel, den Beschützer und Bewahrer unseres Reiches. Möget ihr lang leben und regieren.“ Damit setzte er eine Krone aus silbernen in sich verschlungenen Ranken und Blättern auf Rathiel´s Haupt, die sich perfekt seinem Kopf anpasste und auf seinem weißen Haar leuchtete. „Erhebt euch und zeigt euch eurem Volk“. Unter tosendem Applaus und Jubelrufen, erhob sich Rathiel wand sich uns zu und strahlte in die Menge. Als er mich entdeckte zwinkerte er mir verschwörerisch zu und setzte sich auf den Thron. Endlich hatte das Elbenvolk wieder einen rechtmäßigen König. Möge er sie beschützen vor all dem Übel was kommen mag.

Die Feier war lang und voller Tanz und Musik. Ich hatte lange mit Rathiel getanzt und gesprochen. Alec gewährte mir die Zeit, denn es war abzusehen dass wir uns nicht mehr allzu lang und oft sehen würden. Unsere Zukunft war für mich noch ungewiss, doch die seine Stand fest und da würde keine Zeit für Abenteuer, Ausbrüche und Scharmützel bleiben. So würde das wohl unser vorerst letzter Abend zusammen sein. Ab einem Punkt wurden mir der Tanz, die Fröhlichkeit und die Musik zu viel. Still und heimlich verließ ich die Feier und zwischen den Bäumen und den Lampions hindurch. Es macht mir Angst jetzt kein genaues Ziel, keine feste Aufgabe mehr zu haben. Man war es so gewöhnt immer auf Achse zu sein und einen Antrieb zu haben, dass es einem jetzt schwer viel frei zu sein.

Etwas verwirrt blieb ich stehen und sah mich um. Der viele Wein hatte meinen Geist benebelt und ich brauchte eine Weile um zu verstehen wo mich meine Füße hin getragen hatten. Abendlicher Nebel waberte zwischen den vereinzelten Statuen und Grabsteinen. In einer Ecke hörte ich Wasser plätschern. Eine Welle der Energie überkam mich, sie raubte mir für einen kurzen Moment den Atem, ließ mich dann aber wieder los. Das weiße Drachenskelett war gut zwischen dem grünen Moos und den grauen Steinen zu erkennen, die die kleine leuchtend blaue Quelle einfasste. Ich kniete nieder und sah hinein. Mein Spiegelbild erschien leicht verschwommen auf der Wasseroberfläche, kleine Wellen der plätschernden Wassers verschoben es immer wieder.

„Du hast es geschafft!“ Erschrocken richtete ich mich auf und sah mich nach der dunklen Männerstimme um. Doch in der Dunkelheit konnte ich erst nichts erkennen. Eine Gestalt schritt langsam aus dem aufkommenden Nebel und formte sich zu einem Krieger in Rüstung. Sein Abbild war mir bereits bekannt und ich lächelte ihn an. „Aber nur dank eurer Hilfe!“ Antwortete ich und schritt ihm entgegen. Er stand vor mir und legte seine Hände auf meine Schultern. „Meine Tochter, ich bin so stolz auf dich.“ Ich wollte ihn unterbrechen, doch er legte mir einen kühlen Finger auf meine Lippen. „Bitte hör mir zu, ich habe nicht viel Zeit.“ Seine eindringliche Stimme und sein ernster Blick ließen mich verstummen. „Es wird immer eine Gefahr geben die das Königreich bedroht und egal wie aussichtslos die Situation zu sein scheint, vertrau auf dich und deine Macht. Vertrau auf deine Freunde. Du bist stärker als du es dir vorstellen kannst.“ „Danke Vater“, es war komisch ihn derart anzusprechen. „Ich vermisse euch so sehr, obwohl ich euch nie kennen lernen durfte“. „Du warst nie allein“, antwortete er mir. Und er hatte Recht. Wenn ich zurück dachte, hatte ich immer das Gefühl gehabt als sei eine unbestimmte Macht da gewesen, die mich immer begleitet hatte. Ein Lächeln umspielte seine Lippen und Tränen rannen mir die Wangen hinunter als er mir einen kühlen Kuss auf die Stirn gab und sich dann langsam wieder auflöste. Ich werde stark bleiben, gegen die dunklen Seelen dieser Welt.

 

 

 

 

 

 

 

"Ein Hallen, ein Rufen geht durch den leeren Raum zwischen den Welten.

Ein Ungleichgewicht ist entstanden.

 

Es ruft nach dem Bösen, dem Bösen welches nach Macht und Chaos giert.

Das Ungleichgewicht zieht es an wie den Wolf der Geruch nach frischem Blut.

 

Es wird sich auf den Weg machen, um sich an dem Leid derer zu laben, die ihn einst so schändlich verbannt hatten.

Das Ungleichgewicht ist das Zeichen wonach er solange gesucht hatte.

 

Ein Lachen, ein Grollen, gehässig und voller Vorfreude hallt durch den leeren Raum zwischen den Welten.

Nehmt euch in Acht, er wird kommen und eure Welt zerstören!"

 

Gedicht über das jüngste Gericht

 

Zacharias de Revue

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 17.08.2018

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /