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Prolog



1000 Jahre später...
Es tobte ein Krieg zwischen den Dämonen, Zwielichtern und Schatten. Viele starben, viele verschwanden und alle, die verschiedener Rassen angehörten, wurden getrennt. Selbst innerhalb einer Rasse entstanden Kleinkriege. Kriege wegen Vergangenem, wegen Gegenwärtigem und wegen Zukünftigem.
Doch keiner wusste, was die Zukunft wirklich bringen würde.


I. Katei Mondai

(Familiäre Probleme)



Eiserne Stille setzte sich im Vorraum ab. Ihre dämonischen Augen wanderten durch das fast leere Zimmer und musterten als nächstes den jungen Mann, der den Raum betrat.
Sie stand auf. “Du bist da“, erwähnte sie kurz mit ruhiger und tiefer Stimme.
Er nickte und zeigte auf eine grau-silberne Vitrine, die die Wand gegenüber der Eingangstür zierte. Er holte eine Akte aus der Schublade und hielt sie ihr hin. Sie nahm sie ihm aus der Hand und schlug sie auf. Mit strengem Blick sah sie sich jedes Blatt ganz genau an. Im Sekundentakt blätterte sie um. Bei einem Dokument blieb sie plötzlich hängen. Ihre Augen verengten sich und sie sah ihn an. Er antwortete auf ihren Blick mit einem überzeugten >JaII. Kyo' Shu

(Sehnsucht nach alten Zeiten)



Sie konnte keinen Muskel mehr bewegen. Ihr Atem stockte.
Auch Ryan war erstarrt. Seine blau-braunen Augen waren weit aufgerissen und ihm stand die Angst deutlich ins Gesicht geschrieben. Ein Schweißtropfen perlte ihm die Schläfe hinunter. Nun waren seine sonst so lockeren und gelassenen Gesichtszüge extrem angespannt. Ein Gefühl der Schwäche machte sich in ihm breit. Er schwankte kurz hin und her und hielt sich stützend an Saphiria fest, die ihn sanft zurückstupste.
Das ca. 1,80 Meter große Etwas, das sie noch nicht identifizieren konnten, trottete mit langsamen Schritten auf sie zu. Ein riesiges Schwert stach heraus.
Plötzlich huschte es an Saphiria und Ryan vorbei.
“Häh?!“ Ryan war verwirrt.
Keine Sekunde später hörte man ein lautes Krachen. Schwerter waren aufeinander geprallt und scharten aneinander. Besorgt um seine Cousine drehte Ryan sich vorsichtig um. Es gruselte ihn am ganzen Körper. Er zitterte. Gänsehaut überzog seine durchtrainierten Arme. Er hatte Angst. Aber nicht um sich selbst, sondern um das Leben seiner Schwester. Sogar um das Wohlbefinden seiner Cousine Raquel machte er sich Sorgen, obwohl diese ja versucht hatte seine geliebte Schwester umzubringen.
Nun erblickte er die Lage, vor der er so Panik geschoben hatte. Aber sie war nicht berechtigt. Raquel hatte rechtzeitig reagiert und den Schwerthieb abgehalten, bevor er sie treffen konnte. Raquels Stimme schallte durch den Raum. “Hallo…Fumiaki.“
“Schön dich hier zu treffen“, Fumiakis schmale, verengte Augen waren auf Raquel gerichtet.
Noch immer rieben ihre Schwerter aneinander und verursachten ein kratzendes Geräusch. Lässig hielt Raquel dem Druck ihres Schwertes stand.
Fumiakis braun-gün-orangenen Augen strahlten nur so vor Ernsthaftigkeit. Sie wirkte angsteinflößend und gefährlich. Ihre goldbraunen Haare waren durch die Schnelligkeit leicht zerzaust.
“Was willst du, Tante?“
“Es ist wegen deiner Mutter Suruna…, Raquel.“
Ein Hieb und ihre Schwerter donnerten brutal aufeinander ein. Mit dem bloßen Auge waren ihre Bewegungen nicht mehr zu erkennen.
“Sollten…wir etwas tun?“, fragte Saphiria ihren Bruder.
Beide beobachteten alles ganz genau.
“Ich weiß nicht. Ich meine, Raquel ist stark…So wie ihre Mutter es war. Erinnerst du dich an sie?“ Ryan sah sie fragend an.
Sie nickte. “Da waren wir noch Kinder, stimmts?!“
Er nickte ebenfalls. “Aber trotzdem kann ich mich noch sehr gut an sie erinnern. Sie war mutig, hilfsbereit und aufrichtig. Ihr Bruder ist auch schon tot…oder?!“
“Ja, ich glaube schon.“ Ein Gedankenblitz schoss ihr durch den Kopf. “Ja, ist er, Ryan.“
Ein lauter Knall ertönte, es wirbelte erneut Staub auf.
“Was..?!?!“ Saphiria konnte ihren Augen nicht trauen. Ebenso Ryan.
Die sonst so starke Fumiaki hing in der jetzt zusammengebrochenen Hauswand und stieg gerade aus den Trümmern hervor.
“Fumiaki Dayan, 37, goldbraun, braun-grün-orange, …“
Saphiria sah ihren Bruder nur unverständlich an, schüttelte dabei verwirrt mit dem Kopf.
“... IQ:179, Größe:181 cm, Gewicht:77 kg, Aufträge:141, Stärke:5/5, Schnelligkeit:4/5, 2-Schwert-Techniken.“
“Woher weißt du das alles?!“ Noch immer sah sie ihn fragend an.
“Einfaches Schlussfolgern“, lautete seine Antwort. Und auch hier konnte man wieder einmal erkennen, dass Ryan ein geborenes Genie war.
Saphirias Blick verfinsterte sich. “Sie ist möglicherweise stärker als ich.“ Mit weit aufgerissenen, goldenen Dämonenaugen und einem psychopatischen Grinsen ging sie mit erhobenem Schwert auf die beiden Kämpfenden zu.
“Oh nein…“, flüsterte Ryan leise und eher zu sich selbst, traute sich aber nicht sie daran zu hindern, denn wenn sie in so einem Zustand war, war es besser sie einfach gehen und tun zu lassen, was sie wollte.
Sofort zog sie Fumiakis Aufmerksamkeit auf sich: “Was will die denn? Scheint, als müsste ich zusätzlich auch noch dieses kampfwütige Psycho-Monster aus dem Weg räumen.“
Auch Raquel drehte sich jetzt um, denn Fumiaki hatte aufgehört auf sie einzuschlagen. Saphirias Arme und Beine verzerrten sich. Ihr Gesicht war ebenfalls verzerrt und ihre Hände hatten sich bereits monstermäßig verformt. Ihre Fingernägel waren lang und spitz und nicht wie sonst leicht viereckig und etwas kürzer.
“Ich werde dich besiegen…Ich werde dich besiegen…Ich werde dich besiegen…“, ihr Flüstern ging so langsam in Normallautstärke über.
Fumiaki und Raquel hielten ihre Schwerter bereit zur Abwehr. Es sah nun so aus als würden sie zusammen und nicht gegeneinander kämpfen, wie es vor einigen Sekunden noch der Fall war.
Saphiria blieb stehen. Ihre Augen waren noch immer weit aufgerissen, ihre Gliedmaßen noch immer verzerrt und mit Adern übersäht.
Sie atmete tief. Sie zitterte am ganzen Leib. Plötzlich wurden ihre Augen glasig und füllten sich mit Tränen.
“Aaarrrrrrgggghhh!!!“ Sie ließ ihr Schwert fallen und hielt sich den Kopf. Er pochte wie verrückt.
“Hah, hah, hah… Nngghh!“ Sie fiel auf ihre Knie, die nicht mehr verzerrt waren, und krümmte sich.
“Tzz, die scheint echt problematische Stimmungsschwankungen zu haben. Eigentlich war ich ja hier um dich, Raquel, auszulöschen, aber das wird mir echt zu psychopatisch mit der. Ich schäme mich so ihre Tante sein zu müssen.“ Fumiaki steckte ihre Schwerter zurück und ging an den Trümmern vorbei ins dunkelwerdende Nirgendwo. Sie verschwand. Auch Raquel hatte sich plötzlich aus dem Staub gemacht.
Saphiria saß gekrümmt, halb weinend und halb schreiend, vor den Haustrümmern und ihr Bruder kniete neben ihr. Es war niemand mehr da außer ihnen.
Wo eben noch ein Kleinkrieg zwischen Blutsverwandten getobt hatte, waren jetzt nur ein Haufen Trümmer, eine weinende junge Frau und ihr Bruder übrig, der versuchte sie zu trösten und zu beruhigen.
“Lass mich… Lass mich einfach!“, schrie sie verbittert.
Er stand auf. “Du weißt, wo ich wohne. Bitte komm nach. Ich möchte nicht, dass dir hier draußen was passiert.“ Ein letzter schmerzlicher und mitfühlender Blick und er ging.
Erst 20 Minuten später stand sie ebenfalls auf und schaute sich entsetzt um. Dieses Bild der Verwüstung kam ihr bekannt vor. Aber nicht nur in Zeiten des Krieges sondern auch in ihrer Seele. Oft wollte sie nicht mehr leben. Oft wollte sie einfach nur noch tot sein und nicht mehr leiden müssen. Aber immer, wenn sie kurz davor gewesen war ihr Leben auf irgendeine grausame Art und Weise zu beenden, hielt sie etwas davon ab. Ein Versprechen. Ein Versprechen, dass sie damals jemandem gegeben hatte. Jemandem, der sich Rain

nannte. Jemandem, der alles für sie gewesen war. Jemandem, der sie liebte und den sie auch liebte. Jemandem, der nicht mehr bei ihr sein konnte. Das machte sie traurig. Das machte sie bitter. Aber vor allem machte sie das innerlich unglaublich kaputt. Diese Sehnsucht. Diese Sehnsucht nach dieser einen geliebten Person, mit der sie so viele schöne Jahre verbracht hatte. Diese Erinnerungen waren es, was sie so zerstörte. Obwohl es fast nur schöne Erinnerungen waren. Aber es war einfach schmerzhaft daran zu denken, wie schön es jetzt auch hätte sein können. Stille war eingekehrt. Es war nichts mehr zu hören. Nichts außer dem Rauschen des Windes und ihrem Atem. Langsam ging sie die Straße entlang. Man konnte ihren warmen Atem in der Winterluft deutlich sehen. Auch als sie Schnee in ihre Hand nahm, schmolz er sofort. Das kannte sie schon. Ihre Körpertemperatur betrug durchgehend 48,6 °C. Das war bei Dämonen so. Doch bei ihm war das anders gewesen. Er hatte eine niedrigere Körpertemperatur gehabt. Für sie fühlte es sich kalt an, aber sie mochte das Gefühl, wenn er sie mit seinen kalten Händen berührte. Sie fand es erotisch. Seltsam, so etwas erotisch nennen zu können, aber für sie war dieses Gefühl einzigartig. Niemand außer ihm konnte ihr genau dieses Gefühl geben. Oftmals wünschte sie sich die Zeit zurückdrehen zu können und alles zu ändern. Aber das ging nun mal nicht. Sie wusste, dass sie ihn nicht wieder sehen würde, aber sie hörte nie auf zu hoffen, ihn eines Tages doch wieder zu sehen. Das wünschte sie sich sehr. Sie dachte oft an ihn und ihre gemeinsame Zeit. Das tat ihr gut. Das machte sie glücklich, aber gleichzeitig auch traurig. Die Sehnsucht nach alten Zeiten, wo alles noch in Ordnung war. Wo alle glücklich waren und zusammen sein konnten, egal welchem Volk man angehörte. Das war einmal. Das war Vergangenheit. Aber nicht die Gegenwart.
Es begann zu schneien. Saphiria blieb stehen und schaute in den schwarz-blauen Himmel, der so klar war, sodass man einige Sterne sehen konnte.
“Ich hoffe, dass du noch nicht da oben bist, Rain. Und falls doch, dann erkenne ich diese wertvollen und wunderschön glänzenden Schneeflocken als ein Zeichen deiner Liebe an, das du mir schickst.“ Sie schloss ihre Augen und eine Träne rollte ihre Wange hinunter.

Wenig später betrat sie die Wohnung ihres Bruders. Es war komplett dunkel, aber durch die Fenster schien das helle Licht des Vollmondes herein.
Sie fühlte sich besser. Jetzt, wo sie bei ihrem Bruder war, der immer so liebevoll ihre Hand gehalten hatte, wenn sie verwundet vom Krieg in seinem Bett lag. Genau so etwas wünschte sie sich wieder. Eine schützende Hand. Sie wünschte sich, dass er jetzt auf der Couch sitzen würde. Rain. Dass er sie auf seinen Schoß nehmen, sie zärtlich küssen und nie mehr loslassen würde. Sie vermisste seine Nähe. Auch vermisste sie die leidenschaftlichen Nächte, in denen er so zärtlich gewesen war. Sie vermisste einfach alles.
Leise tapste sie ins Wohnzimmer und zog ihre Rüstung aus. Sie zitterte kurz. In Unterwäsche war es doch ein wenig frisch.
Wenn Rain jetzt da gewesen wäre, hätte sie gerne von ihm gehört: >Ich liebe dich einfach nur so sehr, mein kleines süßes Mäuschen. III. Riso to Genjitsu

(Traum und Realität)



Noch eine ganze Weile stand sie einfach nur da und schaute hinaus. Dann legte sie sich neben ihn und deckte sich und ihn bis zur Brust zu. Sie drehte sich mit dem Rücken zu ihm um und schlief 10 Minuten später ein. Sie träumte…

Ich stand vor einem riesigen Haufen Asche. Und vor einem großen Loch, das nicht umgangen werden konnte. Was sollte ich tun? Ich wusste nicht mehr weiter. Es gab keinen Weg mehr, der zurückführte.
Dieser Zettel in meiner Hand… Alles was ich fühlte, stand darauf… >Lange war es her, doch ich erkannte immer mehr, dass du das Glück meines sinnlosen Lebens warst. Und ich vergaß, dass du eigentlich mein Feind warst. Es schien als hätte ich dich verloren, aber in meinem Herzen warst du immer. Und dann standest du plötzlich da und ich merkte, was ich für dich war. Und als hätte es das Schicksal entschieden, hatte ich dich zu mir gezogen und du gestandest mir deine Liebe. Meine innere Stimme und meine Gefühle erwiderten diese Liebe, die du mir geschenkt hattest und wir versprachen uns einander. Es war eine schöne Zeit, die scheinbar mit dem Tod meiner Liebe endete…



“HAAAARRRRHHH!!!“
Schweißgebadet wachte sie auf.
“Hah, hah, hah… Nnrrgh…“
Sie atmete und schluckte tief. Mit ihrer feuchten Hand fuhr sie sich über ihre nasse Stirn. Ihr geschocktes Gesicht schaute auf ihre Bettdecke. Ihre Unterwäsche war komplett durchnässt und ihr Rücken klatschnass. Ihr Kopf pochte. Sie legte ihre Hand neben sich und tastete nach Ryan. Stattdessen fand sie nur sein Kissen und seine Decke. Er lag nicht mehr neben ihr.
Sie stutzte und dachte sich:'Auf Toilette?'
Schüttelte dann aber leicht mit dem Kopf und beantwortete sich somit die Frage selbst. Nun hatte sie sich selbst einmal dabei erwischt verwirrt zu sein.
Sie schaute sich im fast düsteren Zimmer um, das nur durch den Mond, der durch das Fenster herein schien, ein wenig heller war.
Plötzlich erhob sich vor dem Bett eine riesige Gestalt, die größer schien als sie selbst und tief und männlich knurrte.


IV. Kuru na otoko

(Der coole Mann)



“Ngh?!“
Sie zuckte zurück.
Der Schatten streckte seine Arme aus und legte den Kopf schief. “Hey, Saphiria!“ “WAAAAAAAHHH!!! Bist du denn des Wahnsinns?!?! Wieso kommst du bitte nachts?!?!“ “Öh…mmh…gute Frage. Ich konnte wohl nicht schlafen und wollte mal gucken was du so machst.“
Saphirias Miene verformte sich genervt. “Was soll ich denn nachts groß machen außer schlafen, du Blödmann?!?!“
Darauf wusste er nichts mehr zu sagen.
“Riven, wo ist mein Bruder?!“ Jetzt formte sich ihre Miene ernst.
Er zuckte mit den Schultern.
“Das ist jetzt ’n Witz, oder?!“, ihre aufgebrachte Stimme ließ ihn ziemlich unbeeindruckt. “Hey, maaann, reg dich mal ab. Der ist bestimmt pinkeln.“ Sein cooles Lächeln verwandelte sich in ein breites Grinsen. Seine Hände steckten in seinen Hosentaschen. Lässig machte er ihr zur Liebe einen Rundgang in Ryans Wohnung, während Saphiria sich den Kopf an der Wand einschlagen könnte. Mit einem coolen >Hi< kam er dann 5 Minuten später wieder zu Saphiria, die bereits vor dem Bett stand. Als er sie in Unterwäsche sah, pfiff er.
“Hey, sexy Lady. Hast dich ja echt gar nicht verändert. Vom Körper her zumindest. Immer noch diese geilen, heißen Kurven. Baby, du machst mich echt ver-“
“Riven, wo ist er?!?!“, fragte sie scharf, “Ich meins ernst!!“
“Ich auch“, erwiderte er.
“RIIIVEEEN?!?!“
“Ja, ja, ist doch gut. Der pennt im Wohnzimmer auf der Couch. Er hat wohl extra den Platz neben dir freigemacht, damit ich da schlafen kann…Vielleicht um mit dir zu kuscheln“, sein cooles Grinsen traf wieder einmal Saphirias Faust.
“Perverser Sack! Und jetzt lass mich!“
Rivens starke Arme konnte sie jedoch nicht umgehen ebenso seinen muskulösen Oberkörper.
“Hey, jetzt bleib doch mal hier. Ich muss dir was sagen. Es hat was mit Rain zu tun. Na ja, es geht um Rain.“
Sie lauschte auf.
“Mit… Rain?“
Er nickte. “Ich habe ihn gesehen. Ob du es mir jetzt glaubst oder nicht, aber es ist wahr. Das war der absolute Wahnsinn. Ich hab gedacht ich seh’ nicht recht, aber er war es. Ich bin mir hundertprozentig sicher. Ich würde ihn egal wo oder wann wieder erkennen.“ Riven setzte sich auf die Bettkante. Saphiria tat es ihm gleich. “Ich musste zwar genauer hinsehen, weil ich dachte, dass ich träumen würde, aber er war es. Ich versichere es dir.“
Ihre kalte, gleichgültige Miene zog sich in ein glückliches Lächeln. “Bist du dir wirklich ganz sicher, Riven?“
“Ja, ich bin mir todsicher, Saphi.“
“Lass das!“
Er stutzte. “Was?“
“Saphi zu sagen.“
Noch einmal stutzte er. “Wieso?“
Darauf bekam er keine Antwort mehr.
5 Minuten lang schwiegen beide. Dann brach sie die Stille. “Ich geh jetzt wieder schlafen“, und betonte: “Alleine!“
“Ich liege nur neben dir, okay?! Nur ein bisschen kuscheln, ja?!“
Zögernd nickte sie und war eigentlich nicht besonders begeistert davon.
Riven zog sein Oberteil und seine Worker-Jeans aus und legte sich in blaukarierter Boxershorts neben Saphiria.
“Riven, musst du so nah an mir kleben? Du hast da noch jede Menge Platz. Da könnte sich gerade noch ’n Dritter hinlegen.“
Seine Augen wurden groß. “Hey, du bist echt voll schlau. Dann muss Ryan wenigstens nicht auf der Couch schlafen. Warte, ich hol ihn gerade mal.“
“Nein!“
Riven schaute sie fragend an.
“Nein. Lass es gut sein, okay?! Und jetzt schlaf!“, befahl sie.
“Kann ich nicht“, quengelte er lachend.
“Komm, jetzt nerv nicht, ja?!“, sagte sie mit leicht gereizter Stimme.
“Sei doch nicht so spießig, Saphi.“
Wieder einmal bekam er, ihre Faust zu spüren. “Riveeeen!!! Du neeeeervst!!!“, brüllte sie energisch.
“Ja, ja, Süße, ist ja gut. Ich leg mich hier jetzt ganz entspannt hin…“ Er verschränkte die Arme hinter seinem Kopf, “…und werde warten bis du dich wieder beruhigt hast, ja?!“ “Nein! Punkt!“ Sie drehte sich um und wickelte sich in die warme, kuschelige Decke ein. Kurze Zeit später schlief sie wieder ein. Diesmal ohne schreckliche Albträume.

Am nächsten Morgen wachte sie mit einem leicht verwirrten und verschlafenen Gesichtsausdruck auf.
“Äh…häh?!“
Riven lag halb auf ihr. Sein linkes Bein lag quer auf ihrem, sein Oberkörper lag ebenfalls auf ihrem und sein linker Arm lag auf ihrem Dekolleté.
“Ähm…hallo? Riven?“ Sie rüttelte ihn leicht. “Äh…mmh…scheiße war’s.“
Riven murmelte leise im Schlaf: “Ich liebe dich… Du bist…so geil…Saaaaphi. Baby, ich liebe dich echt…sau…dolle…“
Ihr geschockter und verwirrter Gesichtsausdruck war berechtigt. Riven war ein Macho. Er war ein Macker, der einfach cool, lässig und ziemlich leichtfertig im Umgang mit Problemen war. Er war ein Frauenheld. Er war jemand, der gerne Frauen anmachte und mit ihnen flirtete und sie dann vielleicht sogar noch mit in sein Bett schleppte. Aber bei Saphiria war das anders. Für ihn war sie keine, die er nur in sein Bett entführte und am nächsten Morgen nicht mal mehr ihren Namen kannte.
Er sollte sie vor einigen Hundertjahren heiraten. Damals war es eine Zwangsheirat gewesen. Für beide. Saphiria hatte nie mehr als eine sehr gute Freundschaft in ihrem Verhältnis zueinander gesehen. Aber Riven fühlte mehr. Er empfand weitaus mehr als einfach nur gute Freundschaft. Er liebte sie auf eine merkwürdige Art und Weise, aber nicht nur wegen ihres Aussehens. Natürlich. Ihre langen, seidigen dunkelbraunen Haare und einer etwas längeren Strähne, die in ihrem Gesicht hing, und ihre schönen, großen ozeanblauen Augen mit dem silbernen Schimmer und den langen dunkeln Wimpern waren einzigartig und machten sie zu einer wahren Schönheit. Ihr Körper besaß einige Muskeln, die sie sich antrainiert hatte. Aber durch ihre Oberweite und den verführenden Kurven ließ sie das nicht maskulin wirken. Obwohl ihr Unterkiefer und ihr Kinn eher breit und eckig waren, waren ihre Augen, ihre Nase und ihre weichen Gesichtszüge das, was sie feminin machte. Ihre Haut war weich und zart. Das war es gewesen, was Rain besonders an ihr geliebt hatte.
Riven grummelte und gähnte dann: “Guten Morgen, Saphi.“ Er setzte ein süßes Lächeln auf, was man sonst nur selten sah.
“Äh, ja, Morgen auch. Sag mal...WAS FÄLLT DIR EIGENTLICH EIN?!?! GUCK DOCH MAL WIE DU LIEGST!!!“
“Normal“, sagte er lächelnd.
“Was verstehst du unter >normal<, Riven?“
“So“, antwortete er und zeigte grinsend auf sich.
“Äh, ein eindeutiges >Nein< meinerseits.“
Riven schmollte.
Sie stöhnte daraufhin: “Bitte nicht so ein Gesicht ziehen. Das sieht scheiße aus.“ Sie setzte sich auf nachdem sie ihn von sich gedrückt hatte. “Ich geh mal gucken, ob mein Bruder schon wach ist.“
Leise tapste sie ins Wohnzimmer. Er schlief noch. Vorsichtig setzte sie sich vor die Couch, auf der er schlief, und streichelte sanft seine Hand. “Ach Bruder. Ich schulde dir so viel.“
Er zeigte keine Reaktion. Ryans niedliches Knautschgesicht zauberte ein süßes Lächeln auf ihr Gesicht. Seine Pausbäckchen wurden nun von ihren weichen, warmen Händen gestrichen. Plötzlich stand Riven mit ernstem Gesicht und der Akte, die Ryan Saphiria zuvor gegeben hatte, in seiner starken Hand in der Tür.
“Was?!“ Saphirias Gesicht wurde düster. “Sag mal, was fällt dir eigentlich ein in meinen Sachen herumzuschnüffeln?!?!“ Wütend zog sie Riven zurück ins Schlafzimmer und schloss vorsichtig die Tür hinter sich. Sauer versuchte sie ihm die Akte aus der Hand zu reißen. Es gelang ihr aber nicht.
“Saphiria, du musst dir keine Vorwürfe machen! Rain lebt! Ich habe ihn gesehen als ich letzte Nacht zu dir gelaufen bin. Er kam gerade aus der Richtung eures Hauses. Ich schätze mal…, dass er bei dir gewesen ist. Er hat es bestimmt nicht mehr ausgehalten. Er sah irgendwie glücklicher aus als sonst. Zumindest hatte ich das Gefühl, dass es so war. Er war bei dir ohne, dass er darüber nachgedacht hat was für Konsequenzen das für ihn haben könnte. Normalerweise müsste ich ihn als Dämonenkönig dafür umbringen lassen, aber er ist immer noch mein Bruder. Wenn auch nicht mein leiblicher, aber trotzdem sehe ich ihn als meinen Bruder an und der wird er auch immer bleiben. Und ihn glücklich zu sehen, macht mich auch glücklich.“
“Aber das Dokument… Wer hat das überhaupt geschrieben?“
“Das war ich!“
Riven und Saphiria drehten sich blitzschnell um.
Ryan stand in Boxershorts und Unterhemd hinter ihr und setzte sich zunächst auf die Bettkante. “Als ich mal wieder tot und kurz vor der Begnadigung war, hat mich etwas beschäftigt, wovon du, Saphiria, und Rain profitieren könnten. Ich habe mich mit dem Obersten unterhalten und dadurch ist das Dokument entstanden:> Auf Grund dessen, dass Rain En Brianda schon mehrere Male in der Hölle war, wird er auch immer dazu verdammt sein in die Hölle zu kommen, falls er stirbt. Wenn aber Saphiria Eve Ela Dayan, die uns in den Himmel zu Thoriis

, dem Obersten des Himmels und des Gerichts, folgen wird, bevor sie stirbt, sich mit Rain En Brianda verlobt und heiratet, kann dieser Bund auch durch den Tod nicht mehr zerstört werden.V. Suite Sukareru

(Lieben und geliebt werden)



Sie drehte sich um.
“Mh?“ Sie wunderte sich. “Doch da?“
Sie ging wieder zurück zur Haustür und klingelte erneut. Von oben waren nur undeutbare Geräusche zu hören, als plötzlich an der Hinterseite des Gebäudes ein Fenster aufgeschoben wurde. Dann wurde es still. Genau so etwas hatte sie sich gedacht. Etwas anderes war nicht von ihm zu erwarten gewesen.
Ohne zu zögern rannte sie hinter das Haus.
“Rain?!?!“ Das freudige Lächeln, das sich so eben in ihrem Gesicht breit gemacht hatte, verschwand jedoch langsam. Erwartungsvoll schaute sie sich um. Das Einzige, was noch ihr Blickfeld streifte, war ein lautloser Schatten, der über die Dächer schoss. Sie wollte nicht aufgeben.
Ihre Augen nahmen ein dunkles Gold und eine Schlitzpupille an und die Verfolgungsjagd begann. Er konnte ihr nicht entkommen. Davon war sie fest überzeugt.
Langsam holte sie den Schatten ein, aber er war noch viel zu weit entfernt, bevor er plötzlich verschwand. Als sie die Stelle erreicht hatte, wo der Schatten verschwunden war, sah sie, dass das Dach dort endete. Ein Blick nach unten versicherte ihr, dass ein Gullydeckel auf der Straße beiseite geschoben war. Sofort schwang sie sich vom Dach, auf dem sie gestanden hatte, und schlüpfte ebenfalls hinein. In der Kanalisation war sie nun auch noch nie gewesen. Ein wenig verwirrt schaute sie sich um, aber es war nichts zu sehen. Man hörte nur leise gedämpfte Schritte, zu denen sich auch noch andere Schritte mischten, die ihr nicht entgingen. Zwei Personen.
Sie rannte in die Richtung, aus der die Schritte zu hören waren. Verzweiflung durchströme sie. Was, wenn sie zu spät war? Aber sie war fest entschlossen alles zu geben und rannte weiter. Weiter in die unendliche Dunkelheit hinein.
Als sie um eine Ecke bog, sah sie in zwei geschockte Gesichter. Zwei Totgeglaubte, die sie nun fassungslos ansahen. Alcana und Rain. Sie hatte plötzlich ein merkwürdiges Gefühl im Magen. Ein Stechen, aber auch ein Kribbeln. Mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck schaute sie in Rains tiefgründige Augen. Vorsichtig ging sie auf ihn zu. Als sie vor ihm stand, konnte sie ihren Augen nicht trauen. Aber er war es tatsächlich. Mit leicht zitternder Hand strich sie über Rains Brust. Auch über die Stelle, wo sein Herz saß. Doch selbst durch seine Weste und sein Shirt, was er darunter trug, war die Kälte seiner Haut zu spüren. Seine Brust hob und senkte sich beunruhigend langsam. Ihr Blick suchte abermals seine Augen und als sie Rains Gesicht genauer betrachtete, fielen ihr deutliche Veränderungen an ihm auf. Er hatte deutlich abgenommen. Normalerweise sah man ihm das nicht an, doch sie kannte ihn gut genug um das zu merken. Sein Gesicht war ausgemergelt und bleich. Dunkle Schatten waren unter seinen Augen verzeichnet. Seine Wangen waren ein wenig eingefallen, was ihn erschöpft wirken lies. Seine sonst so kraftvollen Augen waren trüb und wirkten ebenso erschöpft. Er sah sie noch immer unverwandt an.
“Sa-saphiria?!“, sagte er ungläubig. Seine Stimme war ein wenig rauer, als sie es in Erinnerung hatte.
Nun trat auch Alcana vor, die ihre Verwunderung schneller überwunden hatte als er. Sie war kleiner als Saphiria, aber durchaus stärker. Ihr Haar war lang geworden und sie hatte es zu einem Zopf geflochten über ihrer Schulter liegen. Ihre Gesichtszüge waren angespannt, aber anders als bei Rain, wirkte sie nicht im Geringsten so erschöpft wie er.
“Saphiria, du solltest nicht hier sein.“, sagte sie mit kraftvoller Stimme Anstelle von Rain, der seine Sprache immer noch nicht wieder gefunden hatte.
Anstatt der Verwunderung schlich sich ein schmerzvoller Ausdruck in seine Augen.
“R-rain...“
Saphirias Hand bewegte sich vorsichtig von seinem Oberkörper zu seiner Wange. Sie ignorierte Alcana. Jetzt im Moment zählte für sie nur noch er. Sanft strich sie ihm mit ihrer warmen, weichen Hand über seine schneeweiße Wange.
Er legte zögerlich seine eiskalte Hand auf ihre.
“Saphiria, du ...“, ihm blieben die Worte im Hals stecken. Seine Augen wurden weicher. Sein Blick sagte ihr, was er nicht aussprechen konnte: 'Du bist wunderschön.'
Sie trat einen Schritt näher an ihn heran, sodass sie direkt vor ihm stand. Sie konnte es nicht länger zurückhalten. Mit Tränen in den Augen fiel sie ihm um den Hals.
“Rain, du lebst. Ich bin so froh, dich zu sehen.“
Sanft und zärtlich flüsterte sie ihm ins Ohr: “Ich habe deine Nähe so sehr vermisst. Und ich habe dich vermisst. Ich habe nie aufgegeben. Ich wusste einfach, dass du lebst. Auch wenn alles dagegen gesprochen hat.“
Auch er hatte Tränen in den Augen. “Ich bin auch froh, dass du lebst. Ich... ich hab dich so sehr vermisst, Saphiria.“ Sanft aber zitternd machte er seine Arme um sie.
“Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben.“ In seinen Augen waren neben seiner Liebe für sie und die Freude auch ein schmerzlicher Funken zu sehen.
Das merkte sie sofort. “Was... was ist denn?“. Sie sah ihn mit besorgtem Blick an.
Er ließ sie los und hielt sie eine Armeslänge von sich entfernt. “Ich freue mich echt dich zu sehen, aber Alcana hat recht. Du solltest nicht hier sein. Es ist zu gefährlich für dich.“ Ungläubig dachte sie sich: 'Etwas ist zu gefährlich? Für mich?!' “Aber ich habe so lange nach dir gesucht. Bitte. Bitte, schick mich nicht weg.“, flehte sie mit gequältem Blick.
Er legte sein Kinn sanft auf ihre Schulter und flüsterte ihr ins Ohr: “Ich will aber nicht, dass dir was passiert.“
“Also willst du mich wegschicken? Du willst, dass ich gehe?“ Sie legte ihre Hände auf seine schmale, dünne Taille. Am liebsten würde sie ihn nie wieder loslassen. Nicht jetzt, da sie ihn gefunden hatte.
“Ich will dich nicht wegschicken. Ich will nur, dass du vernünftig bist.“
Sie zögerte kurz und antwortete dann: “Ich werde dir zu Liebe gehen, aber bitte komm so schnell wie möglich bei mir vorbei. Und jetzt musst du mir auch einen Gefallen tun.“ Sie lächelte, denn sie freute sich schon darauf, dass er ihre Bitte erfüllen würde.
“Ich würde alles für dich tun, das weißt du doch.“
“Dann küss mich ein letztes Mal.“ Sie zog ihn an sich. Sie wollte es genießen. Und er küsste sie. Mit allem Gefühl, was er aufbringen konnte. Dabei schlossen sich seine starken Arme um sie und hielten sie sicher. Sie genoss es in vollen Zügen. Auch sie gab ihm ihre ganze Liebe, die sie zuvor unterdrücken und zurückhalten musste, da sie Angst hatte, sie aus Verzweiflung jemandem zu geben, der sie nicht bekommen sollte. Nur er sollte sie spüren. Jetzt konnte sie ihrer Liebe freien Lauf lassen. Und das tat sie auch. All diese von ihr so lang unterdrückte Liebe spürte er jetzt. Sie küsste ihn lang und innig.
Als sie sich von seinen Lippen löste, blieb sie aber mit ihrem Gesicht noch ganz nah an seinem. Sie hatte das Bedürfnis seinen kalten Atem zu spüren, den sie so lange vermisst hatte. Leise hauchte er in ihr Ohr: “Ich liebe dich. Bitte vergiss das niemals.“
“Das werde ich nicht. Versprochen. Ich liebe dich auch, Rain. Das darfst du auch nie vergessen.“, flüsterte sie.
“Ich habe es nie vergessen und das werde ich auch nie. Wenn der Zeitpunkt es zulässt, werde ich dich besuchen.“
Sie nickte.
Eigentlich wollte sie nicht gehen, doch sie hatte keine andere Wahl.
Sie ging und flüsterte ein letztes Mal für lange Zeit: “Ich liebe dich, Rain.“
Das letzte, was sie nur noch hörte, war ein leises 'Ich dich auch.', bevor die schnellen Schritte von Rain und Alcana verklangen.

Fünf Minuten später stand sie wieder auf der Straße neben dem Gully.
Ihre Augen waren zu dem eiskalten Blau erloschen. Ihr Strahlen war verschwunden und es besetzte wieder eine ernste Miene und ein höllischer Blick ihr Gesicht. Er veränderte sie einfach. Er schenkte ihr Liebe und ein Gefühl von Freude. Doch kaum war er nicht mehr in ihrer Nähe, konnte sie nicht mehr glücklich sein. Obwohl sie noch ihren Bruder und Riven hatte, die immer hinter ihr standen. Doch das reichte ihr nicht. Sie brauchte jemanden, den sie von ganzem Herzen lieben konnte. Mehr brauchte sie nicht.
Sie musste jetzt dringend mit jemandem reden, dem sie vertrauen konnte. Sie konnte ihre Begegnung mit Rain nicht für sich behalten. Vor allem aber wollte sie mit Riven reden. Sie wollte ihm Gewissheit schenken.
Sie griff in die Hosentasche ihres schwarzen Lederanzuges, der mit vielen kleinen Taschen und Schnürungen verziert war. Sie schaute auf ihr silbernes Schiebehandy und durchsuchte ihr Adressbuch mit den eingespeicherten Kontakten und den dazugehörigen Handy- und Telefonnummern. Dann hatte sie Rivens Handynummer gefunden und drückte auf >Anrufen<. Nach ein paar Sekunden hörte sie ein >Hallo?Thoriis

dich auf ewig beschützen.“
Ryan wollte nicht zuschauen. Seiner Meinung nach war es unsinnig, was seine Schwester tat.
Sie mordete wieder, immer und immer wieder. Egal, ob jemand sich den Tod wünschte oder nicht.
Ryan drehte sich um, flüsterte zu sich selbst:“Obwohl wir uns nicht so wirklich leiden können, will ich nicht, dass du stirbst, Riven. Tut mir leid…“
Saphiria hob ihr Schwert und ließ es mit gewaltiger Geschwindigkeit auf ihn niederpreschen. Bevor sie ihn jedoch töten konnte, drehte Ryan sich um und schlug seine Schwester nieder. “Aaaaarrrgggh!!!“
Ihr Schwert flog ein paar Meter weit weg und sie fiel blutend zu Boden.


VI. Kanbu ando hitotsu no Yowami

(Die kranke Stelle und ein schwacher Punkt)



Sie atmete schwer.
Er hatte ihr mit seinem Schwert ihr eigenes aus der Hand geschlagen und ihr eine tiefe Schnittwunde am Rücken verpasst.
“R-ryan…?!?!“ Ihr Kopf fiel zurück auf den verkratzen Straßenbelag.
Von Ryans Schwert tropfte Blut.
Riven sah ihn entsetzt und unverständlich an. “W-warum?! Warum hast du das getan?!?!“ “Ich konnte das nicht zulassen, Riven. Wir können uns zwar echt nicht ab, aber das heißt noch lange nicht, dass ich dich sterben lasse.“ Ryan lächelte.
Riven war jedoch gar nicht zum Lächeln zu Mute. Besorgt kniete er sich neben die leblose Saphiria. Er rüttelte sie leicht.
“Hey, Saphi!“
Er schaute Ryan vorwurfsvoll an. “Musstest du sie gleich so umhauen?!“
Ryan zuckte mit den Schultern. “Meine Schwester ist hart im Nehmen. Das weißt du doch.“ Riven stutzte.
“Mh? Ist was?“
Ryan schaute an Riven vorbei zu seiner Schwester.
Riven nahm sie huckepack und trug sie zu sich nach Hause.
Ryan fühlte sich ein wenig schuldig, obwohl er nur versucht hatte, ihn zu retten. Er wusste auf die Schnelle keine andere Lösung, sie daran zu hindern ihn umzubringen. Auch, wenn Riven es so gewollt hatte. Er wollte ihn nicht aufgeben.
Nachdem Riven sie bei sich ins Bett gelegt hatte, konnte Ryan es sich nicht verkneifen, ihn zu fragen, was passiert war.
“Riven, was ist los, dass du dich von meiner Schwester umbringen lassen wolltest?!“
Doch Riven antwortete ihm nicht.
Ryan verlangte keine Antwort. Er war geduldig und wollte warten bis er bereit dazu war, darüber zu sprechen.
Irgendwann zog Riven plötzlich sein Oberteil aus. Auf seinem muskulösen Oberkörper hatte sich ein schwarzes Mal ausgebreitet, das sich bis über seinen Rücken und Oberarme zog. Auch an seinem Hals hatte sich das dunkle Muster bereits sichtbar gemacht.
“Ich bin sehr krank, Ryan. Ich werde bald sterben. Diese Krankheit, die ich habe, nennt sich >Zyrohníum-ÁchetesNur

für Rain.
In diesem Moment der Sehnsucht spürte sie tiefe Stiche in ihrer Brust. Sie legte sich mit dem Rücken auf die eiskalten Fliesen des Küchenbodens. Sie versuchte gleichmäßig und ruhig zu atmen. Nach einigen Sekunden gelang es ihr. Sie spürte deutlich das Pochen ihres Herzens.
Sobald es ihr wieder besser ging, rappelte sie sich auf und tastete nach Rivens Telefon, was auf der Ablage neben dem Herd lag, den er sowieso nie benutzte, weil er absolut keinen Plan vom Kochen hatte. Dann tippte sie Ryans Handynummer ein und presste mit zitternden Händen das Telefon gegen ihr rechtes Ohr.
“Hallo?“
“Ryan? Ich bin’s, Saphiria.“
“Saphi? Was ist denn los?“
Nach ein paar Sekunden sagte sie: “Naja, der Defibrillator hat mal wieder ein bisschen Probleme gemacht. Aber jetzt ist halbwegs wieder alles in Ordnung…“
“Hast du dich wieder aufgeregt?“
“N-n…ja…ein bisschen.“
“Saphi, ich werde bald wieder da sein, aber im Moment bin ich leider verhindert. Tut mir leid. Bis später.“
Bevor sie noch etwas einwenden konnte, hörte sie das Tuten, das ihr anzeigte, dass er einfach aufgelegt hatte.
Sie stutzte und grummelte.
Sie legte das Telefon zurück auf die Ablage und huschte ins Schlafzimmer um ihre restlichen Anziehsachen zusammen zusuchen. Nachdem sie sich ihre Rüstung übergeworfen hatte, rannte sie hastig von einem zum anderen Raum. Nach mehrmaligem Durchsuchen aller Räume, schrie sie wütend: “Verdammt! Wo ist es?!?!“ Sie riss alle Schränke auf und durchwühlte Rivens Sachen. In seinem Kleiderschrank fand sie dann schließlich ihr riesiges Schwert und steckte es zurück.
Sie atmete tief durch, bevor sie seine Wohnung verließ und mit ihren Eisenstiefel im Schnee herum zustapfen begann. Sie stolperte über eine Ladung Schnee und fing sich gerade noch. Ihr Haarende triefte ein wenig. Sie fluchte vor sich hin.
Sie beeilte sich der Auraspur ihres Bruders zu folgen. Als sie jedoch nach einer Weile vor dem Haus ihres Cousins stand, war sie verwundert und auch ein wenig verwirrt, denn damit hatte sie kein bisschen gerechnet. Jason war Fumiakis Neffe. Sie verstand sich gut mit ihm, aber sie hatte ihn schon lange nicht mehr gesehen. Darauf legte sie, so wie die Dinge im Moment waren, sowieso keinen Wert.
Noch mal überprüfte sie, ob sich ihr Bruder wirklich in diesem Haus befand. Und es gab keine Zweifel. Er war dort. Aber nicht nur er. Auch Rivens Aura konnte sie deutlich spüren. Allerdings war seine Aura stärker als die ihres Bruders und deren Cousins, was sie als äußerst merkwürdig empfand. Sie verfiel in Trance. Vor ihr stand plötzlich ein junger Mann mit pechschwarzen, strubbeligen Haaren, der mit dem Rücken zu ihr stand.

Ich sah ihn, diesen Mann und ich war mir erst nicht sicher, wer er war, aber seine schmale Statur und seine Haltung kamen mir bekannt vor. Diese verwuschelten, tiefschwarzen Haare und diese schneeweißen Finger, die einst meine Haut berührten. Ich bekam Gänsehaut bei dem Gedanken. Ich ging ein paar Schritte auf ihn zu, stoppte aber als er mit etwas rauer Stimme >Nicht!



Sie fing sich wieder. Alles nur eine irrsinnige Vorstellung. Eine, die sie sich nicht wünschte. Sie klingelte. Sie hörte ein Rumpeln und einen lauten Ruf: “Jaaaa!“
Sie zog ihre linke Augenbraue hoch. Dann riss jemand die Haustür auf.
“Mh?“ Ein junger Mann mit schmalen, blauen Augen und schwarzen, wuscheligen Haaren sah sie gestresst an. “Was denn? Was gibt’s?“
“Mein Bruder und Riven sind bei dir, hab ich recht?“
Die Verwunderung war ihm ins Gesicht geschrieben. “Öh, joa, wieso?“
“Gut, dann lass mich rein!“
“Nö!“ Breitbeinig stellte sich er in den Rahmen der Eingangstür.
“Wie >NöVII. Sore wa Himitsu desu

(Es ist ein Geheimnis)



Jason stellte sich neben sie und legte ihr eine Hand auf ihre Schulter. “Du musst keine Angst haben. Aber was rede ich da! Die hast du ja sowieso nicht, Saphiria. Denn selbst die monströseste Aura erschüttert dich nicht. Sie also einfach zu und ertrage diesen Anblick der Grausamkeit.“
Ohne jede Emotion schaute sie zu. Er hatte recht. Nach Außen hin hatte sie auch keine Angst, doch ein kleiner Funken davon befand sich tief in ihrem Herzen. Es war die Angst des Versagens. Doch ihre Wut unterdrückte dies. Ihr abgrundtiefer Hass machte sie unsterblich und unbeeindruckt aller Mächte auf diesem Planeten. Ihre extreme Abneigung gegenüber allem, was schwach war und nicht fähig war sich zu verteidigen, hatte ihrer Meinung nach keinen Platz in dieser Welt verdient. Die Dämonen sollten herrschen. Doch diese Machtergreifung der ganzen Welt war gescheitert. Und von den Göttern sowieso nicht toleriert.
Sie schwiegen. Beide.
Riven kniete vor Ryan auf dem hellbraunen Laminat. Ryan hielt unterstützend seine Hand. “Ich bin da, Riven! Ich bin da!“, rief er mit kräftiger Stimme, während Riven sich vor Schmerzen krümmte und stöhnte.
Jasons Blick fiel plötzlich zur Haustür. Saphirias jedoch schwankte immerzu zwischen Ryan und Riven hin und her. Seine starke Hand verließ die Schulter seiner Cousine. “Entschuldige mich bitte kurz.“ Sie nickte nur abwesend.
Rasch ging er zur Tür und zog sie auf. Er erschrak. Er brachte kein Wort heraus. Er versuchte vergebens sich zu fangen.
Irgendwann stotterte er mit überraschter Stimme: “C-chié?“
Er war von ihr überrumpelt worden. “W-was…was machst du denn hier?!“
Sie hatte sich deutlich verändert. Durch ihre Kleidung sah man auch, dass sie eine Figur bekommen hatte. Im Pony ihres roten Haares zog sich eine schwarze Strähne.
“Ich…ich wollte dich sehen…aber es passt wohl gerade nicht…“
Leise flüsterte er: “Es ist besser, wenn du nicht mehr kommst. Du weißt doch, die Rassenaufteilung… Wenn Riven das mitkriegt, dann war’s das für dich… Ähm…“ Er blickte zurück zum Wohnzimmertürrahmen, indem seine Cousine stand. Er hörte Riven schmerzvoll und kläglich schreien und weinen.
Dann schaute er wieder zurück in Chiés hellgrüne Augen.
“Chié, geh besser.“ Er gab ihr einen letzten sinnlichen aber vorsichtigen ’Abschiedskuss’ auf ihre zarten, roten Lippen und schloss die Tür. Er sank zu Boden. Er konnte diese Sehnsucht nicht mehr ertragen. Er wollte sie nicht schon wieder wegschicken, aber es blieb ihm nichts anderes übrig. Er musste es tun. Auch wenn es ihn noch so schmerzte.
In seinem Kopf hörte er ihre Stimme noch sagen: “Ich liebe dich, Jason. Und die Rassenaufteilung ist mir egal. Ich werde dich wieder sehen.“
Er konnte nicht anders. Sie zwang ihn sozusagen dazu.
Er rappelte sich auf und zog die Tür erneut auf.
“Chié!“, japste er. “Chié…“ Leise flüsterte er in ihr Ohr, während er seine Hände auf ihre Hüfte legte: “Ich liebe dich ebenso sehr, Chié. Bitte, küss mich und lass mich deine Nähe und deine Liebe spüren.“
Ein leises Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Und sie küsste ihn, zärtlich und leidenschaftlich, legte ihre Arme um ihn und wuschelte ihm mit der einen Hand durch die Haare an seinem Hinterkopf, die sowieso immer abstanden. Durch ihren Kuss spürte er ihre gesamte aufgestaute Liebe und Sehnsucht. Sein Magen drehte sich fast vor Bauchkribbeln um. Seine Hände fuhren unwillkürlich ein Stück tiefer und lagen nun auf den Außenseiten ihrer Oberschenkel, die er zärtlich streichelte. Sie zog ihn noch näher an sich heran.
Er drückte sie ebenfalls näher an sich und streichelte dann ihren Rücken.
Kurz lösten sich ihre Lippen von seinen und flüsterten: “Ich habe dich so sehr vermisst, Jason.“
“Ich dich auch. Deswegen lass mich nie wieder los, Chié.“
Sie legte ihren Kopf sanft auf seine Schulter. “Ich wünschte, ich könnte das.“
Vorsichtig strich er über ihre Wange. “Hey, wir werden und wieder sehen. Das verspreche ich dir.“ Nun war der endgültige Abschied der beiden, denn sie würden sich für eine lange Zeit nicht mehr sehen.
Er küsste sie ein letztes Mal, mit sehr viel Liebe, Zärtlichkeit und Gefühl. Er nahm ihre Hände in seine. “Ich liebe dich, mein Engelchen.“
Sie lächelte und nickte verständnisvoll.
Er rannte zurück ins Wohnzimmer.
“Riven?!?!“
Riven war verschwunden. Ebenso Saphiria. Ryan lag bewusstlos auf dem Rücken. Blutend und leichenblass. Jason kniete sich neben ihn.
“Ryan? Wo sind Saphiria und Riven?!“ Er rüttelte ihn leicht. “Ryan! RYAN?!?!“
Sein Cousin antwortete und rührte sich nicht.
Er ließ ihn vorsichtig los und schaute sich nochmals prüfend um.
Kein Riven, keine Saphiria.
Er wischte sich den Schweiß von seiner hochroten Stirn. Er schnappte sich seinen schwarzen, langen Mantel, auf dessen Rücken ein riesiges Pentagramm aufgenäht war, und versuchte die Spur der beiden aufzunehmen.
Eine ganze Weile hetzte er durch die Stadt und anschließend durch den Wald und verfolgte ihre Spur, die tief im Wald an einem Wasserfall endete. Er war am Ziel, doch er schritt nicht gleich ein, denn er wollte sich erstmal ein Bild von der momentanen Lage machen. Er versteckte sich hinter einem nahe gelegenen Busch und lugte vorsichtig hervor.
Riven und Saphiria standen sich im blauglitzernden Wasser gegenüber, beide oben ohne. Jason starrte sie kurz an, verbot sich dann aber den Anblick. Riven nahm ihre Hände in seine und zog sie an sich. Sie ließ es sich gefallen. Er schloss seine Arme um sie und legte seine Hände auf ihre Hüfte. Jason verstand die Situation nicht. Saphiria war doch in Rain verliebt. Dass Riven in Saphiria verliebt war, wusste er schon lange. Wie er ihr immer hinterher sah, sagte doch alles. Vor allem wie er dauernd von ihr schwärmte. Sie dachte immer, es wäre reine Schwärmerei gewesen und er würde nur auf sie stehen, womit sie absolut kein Problem hatte, aber dem war nicht so. Er als Dämonenkönig hatte eigentlich das Recht sie sich zu nehmen. Egal, ob sie das wollt oder nicht. Doch das wollte er ihr nicht antun. Er wollte sie nicht zu etwas zwingen, was sie nicht wollte. Dann blieb er lieber allein, damit sie ein Liebesleben mit seinem Bruder Rain führen konnte, obwohl ihn das sehr schmerzte. All das, was er je gewollt hatte, hatte sein Bruder abbekommen. Natürlich liebte er ihn und er gönnte es ihm auch, aber Neid und Eifersucht war immer da. Doch es sollte nicht auffallen, was er für sie empfand. Doch es war vielen aufgefallen. Rain, Jason, Ryan. Nur nicht ihr. Die, die davon betroffen war. Es war ihr nie aufgefallen, was ihn eigentlich traurig machte. Er wollte es ihr nicht länger verschweigen, denn das hatte er schon zu lange.
’Sie wird mich eiskalt abblitzen lassen. Hundertprozentig.’ “Saphiria…“
Sie schwieg.
“Saphiria…ich…“
Sie schaute ihn an.
Er strich vorsichtig mit seiner rechten Hand über ihren Rücken. Ihr Körper war verführend. Auch für ihn. Er küsste ihren Hals und ihre Schulter. Er drückte sie fester an sich. Er wollte diesen Moment genießen. Aber irgendwie hatte er ein schlechtes Gewissen. Er berührte die große Liebe seines Bruders. Er küsste sie. Er versuchte, sie zu verführen. Und sie ließ es zu. Sie ließ es einfach zu. Alles.
Ihre Hände fuhren an seinem muskulösen Oberkörper entlang. Er bekam Gänsehaut. Ihre zärtlichen Berührungen verursachten ein starkes Kribbeln in seinem Bauch. Sein Gesicht näherte sich unwillkürlich ihrem. Ihre Lippen berührten sich sanft aber vorsichtig. Ihre Lippen waren weich. Ein wunderschönes Gefühl sie so zu spüren. Langsam löste sie sich von seinen Lippen. Er spürte ihren warmen Atem.
Leise hauchte er: “Saphiria… Du bist die wunderschönste Frau, die mir je begegnet ist. Deine Küsse lassen mich weich werden. Dein verführerischer Blick bringt mich dazu, dich nicht mehr aus den Augen zu lassen. Ich stehe so sehr auf dich. Das weißt du. Aber da ist mehr…“ Jason inzwischen schaute mit neugierigem Blick zu.
“Saphiria, ich will dich. Und ich werde für dich kämpfen. Ich werde kämpfen! Das verspreche ich dir. Ich…liebe dich. So lange schon. Viel zu lange. Und jetzt ist es Zeit. Meine Zeit ist gekommen. Ich werde nicht mehr aufgeben und meine Zeit verschwenden, die ich noch habe, denn jedes Leben ist irgendwann einmal vorbei. Aber meins wird nicht enden, bevor ich nicht das erreicht habe, was ich in meinem Leben erreichen wollte. Ich wollte nur dich. Keine andere. Es gab nur dich in meinem Leben. Und ich will dir jetzt und hier meine Liebe offen gestehen, damit du endlich weißt um was es geht und die Dinge klar und deutlich erkennst.“ Er klang sehr siegessicher, doch waren auch kleine Zweifel in ihm, die er nicht wahrhaben wollte. Saphiria sah ihn mit einem undefinierbaren, merkwürdigen Blick an. Dann wurde sie ein wenig mürrisch und knirschte kurz mit ihren längeren Eckzähnen, die einem Vampir ähnelten, und die jeder Dämon besaß.
Jason fieberte gerade mit wie bei einer Telenovela.
Riven wurde plötzlich unsicher und befürchtete das Schlimmste.
Auch Jason wurde auf einmal komisch. “Mh?“ ’Was wird jetzt passieren?’


VIII. Kawaisa amatte nikusa hyakubai

(Liebe und Hass liegt dicht beieinander)




“Nun…ich…ähm…“ Riven versuchte verzweifelt, die Situation zu retten, was ihm aber nicht wirklich gelang.
Sie drehte sich um und stampfte zurück zum Ufer.
“Hey, Saphi! Ich…“
Schnell stapfte er ihr hinterher und hielt sie vorsichtig am Arm fest, bevor sie das Ufer erreichen konnte.
Sie blieb stehen.
Er atmete aus. “Saphi… Ich…“ Er legte von hinten seine Arme um sie. ”Saphi, es ist doch nicht böse gemeint. Es ist schlicht und einfach die Wahrheit. Ich weiß, es klingt vermutlich total verblödet. Aber was soll ich sagen. Sollte ich dich etwa weiterhin belügen? Du bist meine allerbeste Freundin. Du bist hübsch, anmutig und stolz. Wer könnte sich nicht in dich verlieben?“
“Du solltest es besser nicht, Riven. Sonst ruinierst du dir dein Leben. Du weißt, dass ich vergeben bin, auch, wenn das nicht so aussieht wegen der Rassenaufteilung und allem anderen, was mal wieder Probleme macht.“ Ihr Blick senkte sich.
Seine Arme schlossen sich fester um sie. “Saphi…“ Seine Stimme wurde leiser. Er klang leicht verheult. “Saphi…ich liebe dich. Ich liebe dich mehr als alles andere auf diesem Planeten. Ich würde dir die Welt zu Füßen legen.“ Ihm war die Verzweiflung anzusehen und auch anzuhören. “Bitte, gib mir doch wenigstens eine Chance. Ich bitte dich.“
“Riven, ich kann nicht. Verstehst du? Ich kann nicht.“
Riven tat Jason im Moment besonders leid. Es tat ihm leid, dass er sich ausgerechnet in Saphiria verlieben musste. Hätte es eine andere nicht auch getan? Nein, Riven wollte sie. Und zwar nur sie. Das hatte er ja wohl jetzt oft genug erwähnt. Wie oft hatte er versucht, sie ihm aus dem Kopf geschlagen und beide waren daran gescheitert.
“Saphiria, ich frage dich, was bringt es dir, mit Rain zusammen zu sein, wenn ihr euch wahrscheinlich nie mehr wieder seht?“ Riven hatte wohl oder übel Recht.
Was brachte es ihr?
“Ich befürchte, du hast Recht. Ich halte diese Sehnsucht eh kaum noch aus. Aber was soll ich tun? Ich habe so lange für ihn gekämpft. Doch der Kampf ist noch immer nicht vorbei. Es ist noch so gut wie Nichts entschieden. Du weißt, dass Aufgeben nicht meine Art ist. Doch in diesem Fall... Ich glaube, dass ich eh keine Chance mehr hab."
"Hey!" Er legte sein Kinn auf ihre Schulter. "Das wird schon, Saphi." 'Aber jetzt hab ICH vielleicht eine Chance.', dachte er sich, während er sich heimlich, still und leise über den kleinen 'Erfolg' freute.
"Also, ich denke, es ist besser erstmal alles ruhen zu lassen. Ich will niemandem mehr unnötig mit meinem Rain-Gelaber auf die Nerven gehen."
Er nickte lächelnd und verständnisvoll. "Lass uns noch ein wenig hier bleiben. Hier können wir mal abschalten von dem ganzen Stress."
Sie nickte ebenfalls und schubste ihn ins Wasser.
"Hey! Na warte!", lachte er, während er versuchte, sie zu fangen.
Jason hatte sich zurück auf den Weg nach Hause gemacht. Er hatte Ryan vollkommen vergessen, der ja noch verletzt in seiner Wohnung lag. Doch als er seine Wohnung betrat, standen dort bereits seine zwei Tanten, Fumiaki und Fugaki, und seine Mutter Fuuma, die ihn mahnend ansahen. Besonders Fumiaki. Auf die war er nämlich gar nicht gut zu sprechen. Verwirrt schaute er sich um und dann in die Gesichter seiner Blutsverwandten.
"Ähm, gibt es einen Grund dafür, warum ihr Drei hier seid?"
Fumiaki befahl ihren Schwestern zu schweigen. "Dein Cousin Ryan ist tot. Du hast ihn hier verbluten lassen, Jason Rick!"
Er trat einen Schritt zurück, denn Fumiaki ging mit gezückten Schwertern auf ihn zu. "Nein... Nein! Es war nicht meine Schuld!"
"Du hättest bei ihm bleiben müssen!", warf Fugaki, Fumiakis jüngere und Fuumas ältere Drillingsschwester, ein.
Fuuma hielt Fumiaki plötzlich am Arm fest, die sie wütend und kaltherzig ansah. "Bitte, mein Sohn hat das bestimmt nicht mit Absicht getan. Er ist manchmal noch wie ein kleiner Junge, der nicht weiß, was die Folgen seines Verhaltens sind. Er macht oft Dinge, die er nicht vorhatte zu tun. Verzeih ihm. Bitte, Schwester. Vergib ihm."
Fugakis sah erst sauer, dann enttäuscht aus. "Fumiaki, Fuuma hat recht. Er zeigt doch wenigstens ein wenig Reue. Deshalb sehe ich überhaupt keinen Grund darin, ihn zu töten. Lass ihn am leben."
Fumiakis Augen verengten sich immer mehr und sie knirschte mit den Zähnen. "Ich lasse mir von niemandem was vorschreiben! Er wird sterben!" Sie riss sich von ihren beiden Schwestern los, die sich entsetzt und fassungslos ansahen. Als Fumiaki vor ihm stand, ihr Schwert an seine Kehle haltend, brach Fuuma zusammen und weinte bitterlich in den Armen von Schwester Fugaki. Auch Jason hatte Tränen der Reue in seinen strahlend blauen Augen.
"Nein!!! NICHT MEINEN EINZIGSTEN SOHN!!!" In Fuumas Stimme war pure Verzweiflung zu hören.
Ihr Sohn sank ebenfalls verzweifelt zu Boden.
"Du wirst ihn nicht töten, Fumiaki! Ich schwöre es dir! Wenn du es wagen solltest, unserer geliebten Schwester ihren einzigen Sohn zu nehmen, werde ich mich töricht gegen dich auflehnen! Komme was wolle! Selbst, wenn du dich von uns abwendest und gegen uns handelst! Du selbst hattest ein Kind. Du musst wissen wie es ist, es zu verlieren!", polterte Fugaki. In dem Moment, indem sie dieses Kind erwähnte, trat ein dunkler Schleier auf alle Anwesenden.
"Wie kannst du es dich wagen, dieses Thema anzusprechen! Niemand hat darüber auch nur ein einziges Wort zu verlieren!!! Auch nicht du, Fugaki, Zweitälteste!!!" Fumiaki raste vor Wut, aber auch vor versteckter Trauer, die sie in Hass umwandelte, wie Saphiria.
Fugaki blieb standhaft, stellte sich schützend vor ihre Schwester Fuuma, die noch immer am Boden war, und streckte Fumiaki ihr Schwert entgegen. “Du selbst kannst entscheiden, was du tust! Aber sei sicher, dass wir es dir nie verzeihen werden! Musstest du auch das Mädchen umbringen, das Jason so viel bedeutet hat?! Sie war so ein liebes Ding. Ebenso wie wir, wird Tona En Brianda es dir nie verzeihen! Er wird sicher versuchen, sich zu rächen! Darauf kannst du wetten!“
Die Zweitälteste steckte ihr Schwert zurück, nahm Fuuma und Jason an den Armen und stapfte mit ihnen aus der Wohnung. Sie schubste ihren Neffen so heftig, sodass er sich nicht mehr fangen konnte und mit dem Kopf auf den Bürgersteig aufschlug.
“Jason!!!“
“Sei still, Fuuma!! Lass ihn!! Irgendwo hat er es auch verdient. Immerhin ist Ryan wegen ihm gestorben… Nein, lass ihn liegen!!!“ Fugaki zog sie unsanft zurück.
Jason rappelte sich auf. “Ngghh…“ Er fasste sich an die Stirn. Eine große Platzwunde, aus der das Blut über sein Gesicht lief. Dann verschwand er.
“Er ist abgehauen. Siehst du?! Es scheint ihm wohl doch noch ganz gut zu gehen! Also hör jetzt bitte auf zu heulen, ja?!“
Ihre Schwester schüttelte mit zusammengekniffenen Augen den Kopf.
“Dann nicht!“ Fugaki ließ sie einfach im Regen stehen. Weinend und verzweifelt sank sie zu Boden.
Jason verband sich in einer Gasse seine Platzwunde mit einem Stück Stoff seines schwarzen Hemdes. Er musste zurück. Und das tat er auch. So schnell er konnte.
Seine Tanten waren verschwunden. Nur seine Mutter saß noch immer weinend vor seiner Wohnungstür.
“Mutter…“
Sie schaute auf, direkt in seine strahlend blauen Augen, die er von seinem Vater geerbt hatte.
“Ich habe es nicht mit Absicht getan. Ich hätte ihn doch niemals mit Absicht sterben lassen! Aber plötzlich stand Chié vor meiner Tür.“
“Chié?“ Seine Mutter lächelte.
“Ja… Und…da hab ich die drei vollkommen vergessen. Und als ich wiederkam, waren Saphiria und Riven weg, und Ryan lag da blutend auf dem Boden. Ich kann ihn nicht wiederbeleben, Mama! Bitte, du musst mir helfen! Alleine schaffe ich das nicht!“
Sie nickte aufmunternd und stand auf.
Jason bereitete im Wohnzimmer alles für das Ritual vor.
Fuuma saß neben Ryans leblosen Körper, hielt seine Hand und strich ihm mit ihrer anderen beruhigend über die Wange. “Es ist alles gut… Gleich bist du wieder bei uns, Ryan…“
“Mama?!?! Ich bin soweit!!“
“Möge Moahiíya Gnade walten lassen“, erwiderte sie.
Jason streckte seine muskulösen Arme in Richtung Himmel aus. Er bat die dämonischen Götter um Hilfe. “Dæmoño, jérhoọ, daà męhtta. Aà zhera´, Ryan saií khorîa ĵeí. Moahiíya, Moahiíya! (Dämonisch und heißt übersetzt: >Ich bin ein Dämon unter Eurem Haupt. Ich bitte, rettet Ryans Seele. Habt Gnade, habt Gnade!<)“
Beide verbeugten sich und schlossen hoffnungsvoll die Augen.
Eine ganze Weile tat sich gar nichts, bis sie Ryan husten hörten. Beide schauten blitzartig auf.
“Ryan! Ryan!“ Fuuma kümmerte sich sofort um ihn.
Jason blickte gen Himmel: “Dæmoño zệya, jérhoọ, daà męhtta. Mee khaykĵo. (Dämonisch und heißt übersetzt: >Ich werde ein Dämon unter Eurem Haupt sein. Für immer.IX. Ivy: Hitori no kisho no masatta onna

(Eine Frau mit Charakter)



Er hatte wahnsinnige Angst. Er schloss die Augen.

Ivy glotzte mich mit ihren großen, himmelblauen Manga-Augen an. Die ganze Zeit.
“Jason?“
“Ähm… Ja?“
“Jason, ich hab Angst.“
“Angst wovor?“ Ich wusste natürlich, was sie meinte. Sie sprach von dem bevorstehenden Krieg zwischen uns, den Dämonen, den Zwielichtern und den Schatten. Sie als Menschenkind hatte kaum eine Chance in diesem Kampf zu überleben.
“Jason, viele reden von einem anstehenden Krieg zwischen euch und anderen. Das bedeutet Blut, Schmerz und Tod, nicht wahr? Ich habe keine Angst um mein Leben, sondern um eures. Ich habe vor allem Angst um meinen Tona. Ich liebe ihn über alles und ich will ihn nicht verlieren. Wenn ich nicht mehr bin, kann ich nicht sicher sein, dass es ihm gut geht. Bitte sorge dafür, dass er nicht alleine ist. Ich weiß, dass es ihn kaputt macht mit seiner Trauer alleine dazustehen-“
“Ivy!“, unterbrach er sie.
Sie horchte auf.
Er schwieg eine Weile. “Ivy… Ich…“
Sie schaute ihn fragend an, er traurig zurück.
“Ich habe deinen Tod vorausgesehen. Meine Tante Fumiaki wird dich noch, bevor der Krieg beginnt, umbringen. Ich würde es verhindern! Aber mir als mystischer Wahrsager und Schamane ist es verboten, die Zukunft zu verändern und ich darf mit niemandem außer der betroffenen Person über ihre Zukunft reden. Es gibt nur einen, der deinen Tod verhindern könnte. Und das ist Thoriis, der Gott des Lebens und des Todes, und der erste Dämon, der je existiert hat. Aber du bist kein Dämon. Somit kann dich niemand retten, außer dir selbst. Wenn du es nicht kannst, kann es niemand. Es tut mir leid, Ivy…“
Ich war so ein Weichei, weil ich kurz vor’m Heulen war. Es tat mir verdammt noch mal leid, aber ich konnte und durfte mich nicht in Zukünftiges einmischen.
“Jason…“ Sie legte mir eine Hand auf die Schulter. “Dann weiß ich jetzt wenigstens, was auf mich zukommt. Abhauen bringt mir als Mensch sowieso nichts. Ich bin viel zu hilflos. Es muss dir nicht leid tun. Ich bin dir nicht böse und ich könnte es auch niemals sein. Ich danke dir für alles, Jason. Du warst wirklich ein wahrer Freund. Das schätze ich an dir.“ Sie küsste mich. Aber nicht auf die Wange oder so. Nein… Auf den Mund. Mit einer unbeschreiblichen Wärme und Zärtlichkeit. Mir wurde ganz heiß.
Sie lächelte mich an und bedankte sich nochmals. Sagte, dass sie mich unglaublich lieb habe und sie mich vermissen würde. Dann ging sie.
Einige Tage später wurde sie von meiner Tante umgebracht.
Ob er mir das je verzeihen könnte, wenn ich ihm das erzählen würde? Ob er mir je verzeihen kann, dass ich tatenlos war? Ich glaube nicht. Und ich bereue es zutiefst. Ich hasse mich dafür.
Ich werde meine kleine Ivy nie vergessen. Irgendwann werden wir uns alle wieder sehen.
Im Paradies, ohne Leid, Schmerz und ohne Rassenaufteilung...



Bei dieser Rückblende konnte er seine Tränen nicht unterdrücken. Er lief weinend davon. So konnte er Tona nicht unter die Augen treten. Nicht mit dieser Schande, die er mit sich herumschleppte. Das schlimmste war, dass keiner wusste, dass er es hätte verhindern können.
Er hätte sich nur gegen das Gesetz stellen müssen. Aber das tat er nicht. Keiner wusste es.
Nur er und Ivy…

Sie strich mir mit ihrer zarten Hand über die Wange und flüsterte mir mit ihrer lieblichen Stimme ins Ohr:“Das ist jetzt unser Geheimnis, Jason. Ich werde es mit auf die andere Seite nehmen und du wirst es hier, im Teil des Lebens, in deinem Herzen tragen, einverstanden?“



Es war wie ein Versprechen gewesen. Ein Versprechen dafür, auf Tona aufzupassen und den Krieg zu überleben. Letzteres hatte er erfüllt. Doch er hatte nie den Mut gehabt nach dem Krieg und während die Rassenaufteilung in vollem Gange war zu ihm zugehen, ihn zu trösten, für ihn da zu sein.
In seinen Augen hatte er versagt. Ivy hatte damals immer wieder auf Jason eingeredet, er möge Tona doch beistehen, aber er empfand es als unwichtig. Doch mittlerweile hatte er den Sinn dieses Versprechens verstanden. Für seine Freunde da zu sein, sich gegenseitig Halt zu schenken. Das war es worum Ivy ihn gebeten hatte.
Es machte ihn fertig, dass er das alles nicht einhalten konnte. Wie sehr er sich auch bemühte, wie oft er schon vor Tonas Tür gestanden hatte. Aber er konnte sich einfach nicht dazu überwinden, ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen. Er bemühte sich und versuchte immer wieder den Mut aufzubringen, Tona zu besuchen. Es war für ihn einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt dafür.
Unter anderem hatte er sich auch fest vorgenommen, gegen die Rassenaufteilung zu sprechen und andere Rassen dazu zu bewegen, mit ihm in eine Organisation einzutreten, um ihr ein Ende zu setzen. Er selbst war sehr religiös, was die Religion der Dämonen anging. Er glaubte fest an die Gnade der dämonischen Götter.
Sofort als er zu Hause ankam, setzte er sich an seinen Schreibtisch und machte erste Pläne für die Organisation, entwarf ’Einladungen’ und sortierte sie nach Rassen. Das Prinzip der Einladung war immer gleich. Er hob das Ziel der Organisation hervor, dass man die Rassenaufteilung beseitigen müsse und somit auch die Unterdrückung abschaffen könne.
Er selbst kannte das Gefühl unterdrückt zu werden. Das war immer ein Thema gewesen, aber durch die Rassenaufteilung hatte sich alles verschärft. Man wollte den Kampf unbedingt gewissen. Man ließ Jason vorführen. Er musste sich dazu verpflichten, Angriffe vorherzusagen und herauszufinden, wie stark die Gegner waren, welche Schwächen sie hatten. Er wollte bei solch einer hinterhältigen Sache nicht mitmachen, aber ihm blieb keine Wahl. Hätte er sich gegen all ihr Vorhaben gewehrt, hätte das Urteil ansonsten >Kopf ab!< gelautet. Davon wollte er lieber keinen Gebrauch machen.
Er schuf diese Organisation auch Ivy zu Liebe und für alle die, die ihr Leben lassen mussten und die andere geliebte Personen verloren hatten.
Der Name seiner gegründeten Organisation lautete dann nach ihm benannt:’ Dæmoña sya Ivy! Dhéchatę dėi nïoħma´ chiŷ!’ (Dämonisch und heißt übersetzt:’Dämonengöttin Ivy! Kämpfe für Gerechtigkeit!)

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Tag der Veröffentlichung: 24.11.2010

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