Ist das Buch eine Lektüre für Goethe-Freunde oder für
Katzen-Liebhaber?
Es ist für Leser, die Goethe mögen und Katzen auch. Die
einzige Bedingung ist: Unbefangenheit! Goethe-Freunde
sollen die Vorstellung aufgeben, der Dichter hätte sich stets
wie ein „Olympier“ verhalten; sie müssen gleichzeitig hinnehmen,
daß unsere Autorin, die Katze in Goethes Bett, in
jeder Situation und Lebenslage eine „Olympierin“ war!
Goethe floh am 3. September 1786 inkognito nach Italien,
kam allein nach Rom und nahm Domizil in dem römischen
Palazzo Moscatelli in der Via del Corso. Er lebte dort bis
April 1788 - mit einer dreimonatigen Unterbrechung wegen
seiner Reise nach Süditalien.
Entspannung, Studium, Zeichnen und Malen, Schreiben,
Zeit für die Frivolitäten des Lebens, Liebe, dies alles wollte
er in der ewigen Stadt erleben.
Doch ein „winziges“ Problem, die kleine freche Katze, wartete
auf ihn! Die schwierige Beziehung zwischen dem Dichter
und der Mini-Tigerin, ihre ständigen Auseinandersetzungen
im Bett um das Bett, sind Thema des Buches:
„Die Katze in Goethes Bett“.
Nach zweihundertundzwanzig Jahren ist endlich das verschollene
Werk in meinem Verlag erschienen: Eine mutige
Entscheidung von mir!
Alle Verleger waren verlegen! Ich nicht. Niemand wagte,
den Text an die Öffentlichkeit zu bringen. Niemand wollte
es riskieren seinen Namen her zu geben, weil das Buch viele
Majestätsbeleidigungen gegen Goethe und Götter enthält!
Ich warne daher dringend alle Leser, die Goethe abgöttisch
anbeten, vor diesen Ausführungen! Sie werden im Buch
vergeblich „ihren“ Goethe finden. Kein Wunder! Auch
Charlotte von Stein, Goethes Geliebte in Weimar, hat „ihren“
Dichter nach dem römischen Aufenthalt (und den „Römischen
Elegien“) nicht wieder erkannt. Er kam zurück als
ganzer Mensch, aber sie wollte nur den „perfekten“ Menschen!
Mit einer zehnjährigen strengen Erziehung wollte
sie die „wilde“ Natur in ihm restlos austreiben: Er ist davon
gelaufen.
Nun kommt die wirklich große Frage:
Sind vielleicht Katzen und Goethe in ihrem Verhalten ähnlich?
Oder kennt jemand eine Katze, die sich dressieren
läßt?
Verlassen wir nun die kalte gestaltlose Welt des Nordens,
Charlottes Reich, und besuchen wir in Rom in der Via del
Corso den Dichter und unsere Autorin: Sie ist die wahre
einzige Zeugin von Goethes mißlungenen und gelungenen
Liebesannäherungen.
Der Dichter mußte (leider) bis Januar 1788 auf eine sinnliche
Liebesbeziehung mit einer Frau warten: Nur dem
Großherzog, Carl August, hatte Goethe in mehreren Briefen
seinen Liebesfrust anvertraut, sonst niemandem.
Unsere römische Autorin, die den deutschen Künstlernamen:
„Kätzchen Schönkopf “ zu Ehren Goethes wählte,
wäre gern die Freundin und Vertraute von Charlotte von
Stein geworden: Sie hat viele Trostbriefe an Goethes verlassene
Geliebte geschrieben.
Obwohl wir nicht ganz sicher sind, ob diese Briefe in ihrer
Katzen-Phantasie entstanden sind oder ob sie doch Charlotte
wirklich erreicht haben.
Wenn ja, sind sie aber alle von Charlotte restlos vernichtet
worden.
Der Verleger
Ich, die Katze in Goethes Bett, eine Fiktion?
Wer wagt das zu sagen? Ich habe tatsächlich mit Goethe in
Rom gelebt.
Ob ich im Leben des Dichters auch eine Rolle gespielt habe?
Aber sicher! Leider ist es den Germanisten entgangen, wie
entscheidend ich für Goethes Leben und Werk war! Denn,
wenn ich keine Bedeutung für den Dichter gehabt hätte,
warum hätte er mir in seinem Werk „Italienische Reise“
eine zentrale Rolle am 25. Dezember 1786 gegeben?
Gerade am ersten Weihnachten des Dichters in Rom erfahren
die Leser vieles über mich und gar nichts über den
Geburtstag von Charlotte!
Rom, 25. Dezember 1786
Ich habe mich nicht enthalten können, den kolossalen Kopf
eines Jupiters anzuschaffen. Er steht meinem Bette gegenüber,
wohl beleuchtet, damit ich sogleich meine Morgenandacht
an ihn richten kann, und der uns bei aller seiner
Großheit und Würde das lustigste Geschichtchen veranlaßt
hat.
Unserer alten Wirtin schleicht gewöhnlich, wenn sie das
Bett zu machen hereinkommt, ihre vertraute Katze nach.
Ich saß im großen Saale und hörte die Frau drinne Ihr Geschäft
treiben.
Auf einmal, sehr eilig und heftig gegen ihre Gewohnheit,
öffnet sie die Türe und ruft mich, eilig zu kommen und ein
Wunder zu sehen. Auf meine Frage, was es sei, erwiderte
sie, die Katze bete Gott-Vater an. Sie habe diesem Tiere
wohl längst angemerkt, daß es Verstand habe wie ein Christ,
dieses aber sei doch ein großes Wunder. Ich eilte, mit eigenen
Augen zu sehen, und es war wirklich wunderbar genug.
Die Büste steht auf einem hohen Fuße, und der Körper ist
weit unter der Brust abgeschnitten, so daß also der Kopf in
die Höhe ragt. Nun war die Katze auf den Tisch gesprungen,
hatte ihre Pfoten dem Gott auf die Brust gelegt, und
reichte mit ihrer Schnauze, indem sie die Glieder möglichst
ausdehnte, gerade bis an den heiligen Bart, den sie mit der
größten Zierlichkeit beleckte und sich weder durch die Interjektion
der Wirtin noch durch meine Dazwischenkunft
im mindesten stören ließ. Der guten Frau ließ ich ihre Verwunderung,
erklärte mir aber diese seltsame Katzenandacht
dadurch, daß dieses scharf riechende Tier wohl das
Fett möchte gespürt haben, das sich aus der Form in die
Vertiefungen des Bartes gesenkt und dort verhalten hatte.
Goethe
Nota Bene
Wenn ich nur von Goethe erwähnt worden wäre, könnte
jemand vielleicht glauben, ich sei nur eine literarische Erfindung.
Es gibt aber auch ein zweites Dokument, eine Zeichnung
„Das verfluchte zweite Küßen“ des Malers Tischbein,
auch eines Untermieters des Hauses: Sie zeigt mich vorne
auf einem Wolfsfell in der Mitte eines Schlafzimmers und
Wolfgang Goethe im Hintergrund, der auf dem Bett ein
zweites Kissen arrangiert.
Katzen verlieren auch vor den größten Künstlern nicht ihre
eigene unermessliche Selbstschätzung! Sie wählen immer
den besten Platz; gemäß ihrem Rang sitzen sie entweder in
der Mitte eines Raumes wie die Großherrscher oder oben
wie Gottvater.
Bei genauer Betrachtung sieht man, daß meine Umrisse
von „Tisbe“ über Bettdecke und Wolfsfell nachträglich gezeichnet
worden sind. Ich, die kleine „Hausherrin“, bin ganz
schnell in das Schlafzimmer hineingerannt, um mit meiner
Anwesenheit dem Geschehen ein besonderes „Gewicht“ zu
geben!
Was für ein peinliches Dokument für Goethe!
Ich bin Zeugin seiner gescheiterten Verabredung mit einer
römischen Frau! Wer kann noch daran zweifeln, daß ich
tagtäglich den vollen Überblick über Goethes Leben und
Liebe in dem römischen Palazzo hatte? Wer kann noch
glauben, daß ich nur eine Nebenrolle bei dem Dichter gespielt
habe?
Und wenn die Herausgeberin des Buches mir auch die Fähigkeit
des Lesens, Schreibens und Dichtens verleiht und
mich als Autorin dieser Blätter bekannt macht, übertreibt
sie nicht, denn sie ist auch eine Römerin und glaubt, daß
das „Tier Verstand habe wie ein Christ“. Und warum sollen
wir nicht wie Wolfgang von Goethe „Dichtung m i t Wahrheit“
mischen? Eine Sache ist sicher: Zur Überraschung vieler
Forscher und Germanisten wissen die Leser über mich
mehr als über Goethes Geliebte in Rom.
Die Autorin
Ha, ich bin Herrin der Welt! mich lieben
Die Edlen, die mir dienen.
Ha, ich bin Herrin der Welt, ich liebe
Die Edlen, die ich gebiete.
Ich bin die Herrin im Haus, ich, eine römische Katze! Ich bin
zweifellos die einzige wahre Zeugin: Eigentlich hätte ich gern
auf diese Rolle verzichtet; nie hatte ich mit einem deutschen
Dichter im Bett gerechnet! Nun werde ich gern die ganze
Wahrheit über meinen Friedensstörer, den ungewollten Goethe,
ausschütten, weil ich meine guten Gründe habe.
Ich weiß, was der Leser gierig und neugierig von mir verlangt,
nämlich dies: Kannst du mir erzählen, wie viele
Frauen Goethe in Rom geliebt hat? Wie viele hat er in
meinem römischen Bett erobert?
Menschen stellen oft solche irrelevanten Fragen, als ob das
Wichtigste im Leben sich nur um diese Sache drehen würde!
Ich werde vielleicht den Leser enttäuschen: Es waren
weniger, als er denkt!
Die Geliebte kam spät, nur einige Wochen vor seiner Abreise!
Wer könnte es besser wissen als ich! Germanisten vielleicht?
Nein ! Es mag sein, daß sie Goethe aus den Büchern
wie fleißige Leseratten von hinten und von vorne kennen:
Mit dem Dichter haben sie doch nie wie ich geschlafen. Sie
interpretieren ihn bloß, nackt haben sie ihn nie gesehen.
Aber ich war in Rom in diesem Bett, dem Bett des Anstoßes,
das so viel Entsetzen in Weimar auslöste!
Du, eine Katze, bist in Goethes Bett gewesen? Wird der
erstaunte Leser fragen. Ich muß diese falsche Behauptung
gleich korrigieren: Ich, die Herrin des Hauses, in seinem
Bett?
Er war in meinem Bett!
Alles für die Katz! Ist das Kennwort in Rom. Wehe dem
Fremden, der sich Rom ohne Katzen vorstellt!
Er darf sich die Stadt ohne Päpste vorstellen, aber nicht
ohne uns. Am liebsten würden wir Katzen diese „Ungläubigen“
sofort zum Kolosseum einladen: Bei Löwe zu Tisch!
Rom, du bist schön, weil es uns Katzen gibt. Wer nicht daran
glaubt, ist verrückt!
Mit dieser Tatsache habe ich beim Einzug in mein Haus
den Dichter mit Migrationshintergrund konfrontiert.
Ich überreichte ihm gleich ein Zettelchen mit der Katzen-
Rom-Propaganda:
Roma sei bella,
Perché ci sono i gatti:
Questi sono i fatti.
Quelli che non ci credono
Sono proprio matti!
- Auswendig lernen! sagte ich! Der fremde Gast aber zögerte.
Er hatte noch Fragen!
- Und was ist mit den Denkmälern, Kirchen, Palästen, Plätzen
und Tempeln, die ich wie ein Hungriger seit meiner
Kindheit sehen wollte?
Naivität und Übertreibung, stellte ich bei ihm fest! Der
Fremde muß ein Deutscher sein! Ich erklärte ihm:
- Es sind nur wunderbare Kulissen für unser anspruchsvolles
Leben.
- Und die ehrwürdigen Ruinen von Rom?
Es nervte mich diese deutsche Pedanterie, ich antwortete:
- Nur ein Podest für unsere Mittagspause!
Ich starrte den Romnarren mit meinen großen Katzenaugen
mitleidsvoll an und sagte:
- Schade, daß viele Ausländer wie du nur aus banalen Gründen
nach Rom kommen! Einige pilgern hierher, nur um
den Fuß des Papstes zu küßen! Gelehrte, Kunstsinnige,
Künstler, Maler und Dilettanten verlassen sogar Land
und Familie, um diese alten Kunstbrocken zu studieren!
Ich kann nicht begreifen, daß alle diese Romschwärmer
sich nur für kahle und kühle Steine interessieren. Noch
unglaublicher! Ein Deutscher will sogar mit unseren Steinen
sprechen! Er errötete.
Saget, Steine, mir an, o sprecht, ihr hohen Paläste!
Straßen, redet ein Wort! Genius, regst du dich nicht?
Ja, es ist alles beseelt in deinen heiligen Mauern,
Ewige Roma; nur mir schweiget noch alles so still.
Ich öffnete die Tür meines Schlafzimmers und sprang auf
das Bett. Der Fremde folgte mir still!
- Ja, erwiderte ich, Herr Inkognito, lauter Verrückte laufen
durch die Stadt! Ich treffe sie auf Schritt und Tritt: Es
gibt mehr Künstler-Kolonien in Rom als Seehunde in der
Nordsee.
- Und wo leben alle diese Ausländer?
- Mit uns, mit den Katzen von Rom, wo sonst? Die Ewige
Stadt gehört uns! Wer ein Bett in Rom bekommen hat,
muß es mit einer Katze teilen. Ein Zettel lag im Schlafzimmer
mit der Gebrauchsanweisung: Wundere dich
nicht, Schlafender:
Alles ist hier für die Katz!
Er las diese Zeilen, kam ins Bett und nahm freiwillig seinen
Platz neben mir.
Tag der Veröffentlichung: 15.02.2012
Alle Rechte vorbehalten