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Der Mond stand hell am sternenklaren Firmament und warf sein silbernes Licht auf die Wälder, die weiten Steppen und die großen Städte der Völker dieser Welt. Zu jener Zeit unterhielten Menschen und Elfen freundschaftliche Handelsbeziehungen zueinander, und so kam es nicht selten vor das Schiffe vor der Küste Ayeonas kreuzten. So war es auch in dieser Nacht, mit nur einem Unterschied: Weder Kapitain noch Besatzung kamen mit friedlichen Absichten. Ihre Motive waren Streitsucht, Neid und Habgier. Schon lange beneideten sie die Elfen um ihre Kunst, ihre Fertigkeiten Waffen und Rüstungen zu schmieden, das lange Leben, das damit einhergehende Wissen als auch die wertvollen Rohstoffe ihrer Heimat, die sie jedoch den Menschen nur in kleinen Mengen zugänglich machten.

Allein der Gedanke an all dies ließ den Kapitän vor Zorn erbeben. Er würde es diesen Spitzohren heimzahlen, den Laderaum des Schiffes mit Kunstgegenständen und Holz füllen, und den Rest seines Lebens als reicher Mann genießen. Wehe jenen die versuchten ihn und seine Männer von diesem Vorhaben abzubringen. Die Mannschaft befuhr seit Jahren gemeinsam die Meere der Welt, sie kannten die Strömungen, die Untiefen als auch die Klippen wie nur wenige sonst, so gelang es ihnen unbemerkt und fernab des eigentlichen Hafens, in einer kleinen Bucht vor Anker zu gehen. Wenige Zeit später setzten die Männer etwa 2 Dutzend an der Zahl, gekleidet in beschlagenes Leder oder Kette und mit Schwertern und Äxten bewaffnet ihren Fuß auf Elfengebiet.

Ohne Rücksicht auf die heimische Tier-und Pflanzenwelt schlugen sie sich ihren Pfad tiefer in den Wald hinein. Die abgetrennten Äste wurden von Sklaven auf einer Bahre hinterher gezogen. Dieses Holz so sagte der Kapitän werde auf dem Schwarzmarkt einen guten Preis bringen. Die schwer gepanzerten Stiefel der Gruppe zertraten Blumen sowie junge Schösslinge gleichermaßen. Zweige wurden geknickt, Blätter verbrannten an den Flammen der mitgeführten Fackeln und die Tiere flohen tiefer in die Sicherheit der Wälder.

Nach einigen Stunden Marsch befahl der Kapitän den Aufbau eines provisorischen Lagers um zu rasten. Die Meute teilte sich wortlos in 2 Gruppen. Eine Handvoll Männer begab sich auf die Jagd, die restlichen begannen das Lager aufzuschlagen. Nach einiger Zeit kehrten die Jäger mit Ihrer Beute zurück. Sie hatten mehr Wild erlegt als die Gruppe in 2 Tagen zu essen vermochte, auch kümmerte es die Menschen nicht das das Holz welches sie zum befeuern des Lagerfeuers verwendeten in vielen Jahren vielleicht einmal als stattlicher Baum den Tieren Schatten gespendet hätte.

Während der Kapitän und seine Meute begannen sich mit Trinkspielen die Zeit zu vertreiben und mit ihrem zukünftigen Reichtum zu prahlen, trat unbemerkt ein elfischer Waldläufer nicht weit entfernt aus dem Wald. An seiner Seite trat ein schneeweißer Wolf aus dem Unterholz. Die bernsteinfarbenen Augen des Tieres schienen prüfend über das Lager zu wandern und wandten sich dann vorwurfsvoll zu dem Elfen empor. Dieser nickte seinem Begleiter still zu und schritt in Richtung Lager. Der Wolf folgte ihm dicht auf. Beim Anblick der vielen grundlos getöteten Tiere zog sich der Magen des Elfen zusammen. Die Mischung aus brennendem Holz und Alkohohl, die in der Luft lag ließ Übelkeit in ihm aufsteigen.
Der Wolf stieß ein tiefes kehliges Knurren aus. Schlagartig verstummten die Unterhaltungen am Feuer und die Männer wandten sich den Neuankömmlingen zu. Beim Anblick des Wolfes schienen einige weiter in den Schatten zu rutschen, fast so als wollten sie sich seinem prüfenden Blick entziehen.
Der Waldläufer trat in den Lichtkreis des Lagerfeuers, ließ seine Augen über die Männer schweifen und deutete anklagend auf die Kadaver der Tiere die abseits des Feuers lagen.

Der Kapitän sowie 3 seiner Männer erhoben sich schwankend und bauten sich dann drohend vor dem Elfen auf, die Hände auf den Griffen der Schwerter ruhend. "Seht euch an wen wir hier haben Männer... einen Baumstreichler.. und sein zahmes Haustier" Nach einem hämischen Lachen musterte er den Waldläufer. "Hör mir zu Spitzohr, meine Männer und ich amüsieren uns hier... wenn dir das nicht gefällt, dann nimm deinen Bettvorleger , erdeutete auf den Wolf, und verkriech dich in das Astloch aus dem du gekrochen bist".

Der Waldläufer der zwar die genaue Bedeutung der Worte nicht verstand, schloss aus dem Tonfall jedoch das er mit Erklärungen hier auf Taube Ohren stoßen würde, suchte nach einer anderen Möglichkeit diesen Menschen ihren Frevel an der Natur verständlich zu machen.

Dazu jedoch sollte es nicht kommen. Der Kapitän, offenbar gelangweilt, schlug ohne weitere Vorwarnung nach dem Elfen. Während dieser elegant zurücksprang, schnellte der Wolf nach vorne und vergrub die mächtigen Zähne in den Arm des Angreifers. Die Kraft des zuschnappenden Kiefers war so gewaltig, dass der Kettenpanzer darunter zersplitterte. Die Zähne gruben sich tief ins Fleisch. Das Gewicht des Wolfs ließ den Kapitän nach hinten taumeln und schließlich zu Boden stürzen. Innerhalb eines Augenblicks brach nun Panik im Lager aus. Waffen wurden gezogen, die Schmerzensschreie des Kapitäns hallten in den Nachthimmel, und die Männer näherten sich dem Wolf und dem Elfen. Der Wolf ließ von seinem Opfer ab und sprang leichtfüßig zurück neben seinen Begleiter, welcher beim Anblick der näher kommenden mordlüsternen Menschen sein Jagdmesser gezogen hatte.

Blut troff von den Lefzen des Wolfes, als der Kapitän mit schmerzverzerrtem Gesicht und unter Schock stehend langsam wieder auf die Beine kam. „Tötet dieses Mistvieh…“ der Rest des Satzes ging im Brüllen seiner Männer unter. Mit erhobenen Klingen stürzten sie sich auf die beiden Waldbewohner. Einem Tänzer gleich wich der Waldläufer den plump geführten Hieben aus, und trieb mit der Erfahrung von Dekaden der Jagd die Klinge seines Messers durch die groben Glieder der Kettenhemden. Wie ein weißer Schatten huschte die Silhouette des Wolfes durch das Kampfgetümmel. Waldläufer und Tier schienen sich gegenseitig Rückendeckung zu geben. Fast schien es so als hätten sie bereits in vielen Schlachten gemeinsam gekämpft. Nach kurzer Zeit lagen mehrer Männer kampfunfähig am Boden, aus zahlreichen Wunden blutend. Dennoch wussten sowohl Elf wie Wolf dass sie gegen eine solche Übermacht auf Dauer nicht würden bestehen können. Fast unmerklich näherte sich der Waldläufer langsam der Baumgrenze, während der Wolf die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zog um seinem Gefährten den Rückzug zu ermöglichen.

Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit genügte. Einer der Eindringlinge stieß seine Schwertklinge tief in die ungeschützte Flanke des Wolfes. Das Tier stieß ein langes Jaulen aus. Die gelben Augen schienen sich vor Schmerz und Wut zusammen zu ziehen. Mit einem gezielten Prankenhieb ins Gesicht, beendete der Wolf das Leben des Angreifers. Das schneeweiße Fell des Tieres begann sich rötlich zu färben. Mit einem langen Satz brachte es sich aus der unmittelbaren Gefahrenzone. Bei der Landung jedoch schienen die Vorderpfoten fast wegzuknicken. Dennoch stand der Wolf sicher. Das tiefe Knurren und die blitzenden Augen sowie die blutigen Zähne, ließen die noch auf den Beinen befindlichen Männer zögern.
Der Elf war seinem Gefährten von der Waldesgrenze einen mitfühlenden/dankbaren Blick zu und verschwand zwischen den Bäumen.

Auch der Wolf schien nun nach einer Möglichkeit zu suchen den rettenden Wald zu erreichen.
Langsam begann sich ein Schleier über die Bernsteinfarbene Iris zu legen. Benommen ob des hohen Blutverlusts schüttelte das Tier den Kopf. Mit erhobener Axt näherte sich ein Seemann dem Wolf, bereit dessen Leben zu beenden. Wenige Meter von ihm entfernt blieb er abrupt stehen und riss die Augen auf. Ungläubig blickte er an sich herab. Knapp über seinem Gürtel ragte plötzlich der hölzerne Schaft eines Speeres aus seinem Körper. Während er den Schaft mit beiden Händen umklammert, versuchte herauszuziehen entwich unaufhaltsam das Leben aus seinem Körper und er sank tot auf den Waldboden. Ein in billige Leinen gekleideter Sklave, dessen nackte Oberarme von blutigen Peitschenstriemen geziert wurden trat hinter einem hohen Stein hervor und blickte den Wolf mit einer Mischung aus Furcht und Erleichterung an. Während der Kapitän laut brüllend versuchte die restlichen Männer zu motivieren den Kampf fortzusetzen, schlichen Wolf und Sklave mit langsamen Schritten in den Wald.

„Ich kriege dich du Höllenvieh! Du kannst dich nicht vor mir verstecken.. und wenn ich den ganzen verfluchten Wald abfackeln muss… dein Kopf gehört mir“, hörten sie den Kapitän auf der Lichtung brüllen. Wenig später umfing sie dann die Stille des Waldes. Mensch und Wolf schleppten sich zwischen den Bäumen dahin. Da das Tier wie es schien ein Ziel zu haben schien, folgte der Sklave ihm bereitwillig.

Unerwartet trat der Waldläufer hinter einem der Bäume hervor. Beim Anblick der Wunde und des blutigen Fells seines Freundes weiteten sich seine Augen vor Schreck. Er war dem Menschen einen zornigen Blick zu, und griff langsam nach seinem Jagdmesser. Ein kehliges Grollen des Wolfes jedoch ließ ihn innehalten. Der Sklave schien verwirrt. Sollte es wirklich möglich sein das dieser Elf die „Sprache“ des Wolfes verstand? Als das Grollen des Wolfes abebbte, nahm der Waldläufer die Hand von der Waffe und redete in einer fremden Sprache auf den Menschen ein. Als er jedoch sah das dieser in nicht verstand schwieg er.

Auf verschlungenen Pfaden erreichte die ungleiche Gruppe unter Führung des Wolfes eine weitere Lichtung.
Die Ruhe, welche auf dieser vom Mondschein erhellten Lichtung herrschte, schien in keiner Weise unnatürlich. Vielmehr wirkte sie beruhigend sogar erfrischend. Langsam folgten Elf und Mensch dem Wolf tiefer auf die Lichtung. In deren Mitte erhob sich eine gewaltige Esche. Unter deren Weitausgefächerten Geäst, gaben die Vorderpfoten des Tieres nach und es ließ sich mit einem seufzen ähnlichen Laut auf die Seite fallen. Sofort war der Elf an der Seite seines Freundes und redete beruhigend auf seinen Gefährten ein. Als er sich die schwere der Wunde genauer besah, füllten sich seine Augen mit Tränen. Teils aus Trauer über den unvermeidlichen Verlustes eines langjährigen Freundes, teils aus Zorn über die mordenden Eindringlinge die dafür die Verantwortung trugen.

Den gewaltigen Wolfskopf auf seinem Schoß saß der Elf lange Zeit auf der Lichtung und schien die Welt um sich herum völlig vergessen zu haben. Vor einer Weile bereits hatte der Sklave bemerkt wie das Funkeln aus den Augen des Tieres gewichen war, welches nun blicklos in den Nachthimmel zu starren schien. Da der Waldläufer in eine Art Singsang oder Gebet vertieft war, beschloss der Mensch sich still zu verhalten um ihn in seiner Trauer nicht zu stören.

Mit Erstaunen registrierte der Sklave wie sich eine Hand auf die Schulter des Waldläufers legte. Dieser wandte langsam den Kopf, und schien keineswegs überrascht eine freundlich blickende Frau, in einfachen Bauerngewändern hier mitten im Wald zu erblicken. Auch der Sklave bekam den Eindruck dass diese Frau hierher gehörte. Von ihr ging eine angenehme lindernde Ruhe aus. Auch glaubte er um sie herum ein bläuliches Schimmern zu sehen, war sich jedoch nicht sicher ob dies nicht auch vom Mondlicht stammen konnte.
Langsam erhob sich der Elf und ließ den Kopf des Wolfes vorsichtig auf den Waldboden gleiten.

Leise begann er mit der Bauersfrau zu reden.. und deutete dabei hin und wieder auf den am Boden liegenden Wolf und den unweit entfernt stehenden Menschen. Nachdem der Elf geendet hatte wandte die Frau sich dem Sklaven zu, und winkte in mit einer einladenden Bewegung zu sich heran. Der Elf trat mit einer Verbeugung einige Schritte zurück und folgte dem Gespräch zwischen Mensch und Hochelfe.

„Tritt näher, von mir hast du nichts zu befürchten“. Obwohl er die Frau nicht kannte, so wusste der Sklave dass ihre Worte wahr waren. Erfüllten sie seine aufgewühlten Gedanken und seinen geschundenen Körper doch mit einem angenehmen inneren Frieden.
„Nun erzähl mir was sich in dieser Nacht in meinen Wäldern zugetragen hat, und welche Rolle du dabei gespielt hast.“
Eilig berichtete der Sklave von den Geschehnissen der Nacht, vom Vorhaben der Schiffsbesatzung, dem Kampf… und schließlich der Drohung des Kapitäns den ganzen Wald zu verbrennen.

„Ich danke dir für deinen selbstlosen Einsatz, so etwas ist diese Tage leider selten geworden unter den Menschen. Gier und Rache scheinen nun in den Herzen der Menschen zu regieren. Doch ich werde nicht zulassen, dass durch diese Rache die Natur in Mitleidenschaft gezogen wird. Diese Bäume, dieser Wald wird nicht verbrennen. Er steht unter meinem Schutz.. wie alle Wälder. Es scheint an der Zeit zu sein den Menschen dies wieder ins Gedächtnis zu rufen
Ihr beide, sie deutete dem Elfen näher zu treten, werdet die Gestalt dieser Erinnerung für die Menschen annehmen. Und welche Gestalt wäre passender als die eines Wolfes?

Nach diesen Worten legte Garlen jedem die Hand auf die Brust. Eine angenehme Wärme breitete sich daraufhin im ganzen Körper aus. Mensch wie Elf spürten eine noch nie zuvor da gewesene Agilität und Kraft durch ihre Körper strömen. Auch waren sie in der Lage weit entfernte Bäume die kurz zuvor nur schemenhaft zu erkennen waren, scharf umrissen zu sehen so als ständen sie dicht davor. Selbst der Geruch der Baumrinde stieg ihnen in die Nase.
Sie hörten kleine Tiere durchs Unterholz huschen. Ihre Sinne waren aufs äußerste gespannt.
Der Drang auf die Jagd zu gehen wurde nahezu unerträglich.

„Nun geht meine Kinder und verhindert dass diesem Wald noch mehr Schaden zugefügt wird und rächt den Schaden der bereits begangen wurde. Sorgt euch nicht um die Waffen der Eindringlinge, denn wie alle Wesen die im Einklang mit der Natur leben, so steht auch Ihr nun unter meinem Schutz. Niemand wird Euch auf natürlichem Wege Schaden zufügen können. Schützt und Ehrt die Natur, wie auch ich es tue.
Doch die Welt ist groß, wann immer ihr auf jemanden trefft, den ihr für würdig erachtet, teilt diese Gabe mit ihm. Wann immer der Mond, so wie heute sein ganzes Gesicht zeigt, werdet Ihr und all jene die Ihr auserwählt habt an Eure Aufgabe erinnert werden.

Nach diesen Worten verschwanden die beiden Wölfe in der Nacht.
Niemand soll in jener Nacht die Insel verlassen haben.

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Tag der Veröffentlichung: 24.09.2009

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