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Die Rache ist ein Erbteil schwacher Seelen



Der Schmerz brennt in meiner Brust. Das Feuer der Zurücksetzung rinnt brennend wie alter Whiskey durch meine Adern. Meine Augen wollen sich mit löschenden Quellen füllen, doch ich dränge die Rettung, die Entspannung zurück in eine Ecke meiner Seele, die ich für immer versperre. Auch die Wut lasse ich nicht zu. Kein Geräusch kommt über meine Lippen. Die Zähne sind so fest aufeinander geklebt, das sie schmerzen. Mein Nägel pressen halbmondförmige Abdrücke in meine Handballen. Ich will den Schmerz fühlen. Ich will ihn auskosten, mich daran laben in dem Wissen, dass ich ihn zurückgeben werde. Ich werde in ihre Gesichter sehen und ihre Gefühle kennen. Aber im Gegensatz zu mir werden sie nicht auferstehen, nicht siegen, vielleicht nicht einmal weiterleben. Sie werden leiden. Lange und schmerzhaft. Ein Krebsgeschwür beißend, kauend und fressend in ihren Eingeweiden. Sie werden bei lebendigem Leib verdaut werden von ihrem Leid. Um Gnade winseln und nicht wissen wen anzuflehen Erlösung bringt. Denn es gibt keine Erlösung. Galle steigt scharf in meine Speiseröhre. Galle des Zorns. Ich trete einen Schritt zurück. Dann noch einen und einen weiteren. Noch auf dem Weg zurück aus der Küche lasse ich keinen Gedanken zu. Ich fokussiere meine Tatkraft auf mein Ziel. Tot. Blut. Ich will das Blut, das hinter meinen Lidern rauscht im weiß der Laken strömen sehen. Der Griff des Messers liegt warm in meinem Handballen. Den Unterarm leicht erhoben gehe ich meinen Weg. Wieder sehe ich die achtlos abgestreiften High Heels, über die ich beim Heimkommen gestolpert bin. Leise vergrößere ich den Spalt, durch den ich die weißen Leiber, nackt, aufgedunsen und mit beginnenden Spuren eines nahen Alterns ineinander verknotet zum ersten mal gesehen habe. Der leichte Verwesungsgeruch klebrigen Alkohols dringt bis zu mir. Meine Nüstern beben und die Luft, deren Strom ich angehalten habe bahnt sich ihren Weg zurück in meine Gefäße. Mein Gehirn weitet sich aus. Meine Instinkte, Tot, Verderben und Hass bleiben bestehen, doch nehme ich mir die Zeit, Einzelheiten der Szenerie in mir aufzunehmen.

Die Frau, das herausgewachsene blonde Haar versucht in letzter Scham den Busen zu verdecken. Das grelle Licht zeigt Risse im Bindegewebe an Brust und Schenkeln mit grausamer Genauigkeit. Die Schenkel, noch gespreizt, die Scham rasiert und feucht glänzend. Der Mund ist geöffnet und ein kleiner Speichelfaden rinnt über die Wange. Der Mann, Gefährte und Sparringpartner, Liebhaber und tröstender Arm der vergangenen Jahre liegt auf Rücken. Sein Penis, jetzt klein, eingezogen und an der Spitze mit den Resten seines Spermas und ihres Saftes besudelt liegt auf seinem Bauch. Ich kann sein Gesicht nicht erkennen, doch erinnere ich mich an den Ausdruck während er schläft. An seinen Geruch. An das Streicheln seiner Brusthaare an meinem Rücken. Erneut fließt das Blut hinter meine Augen, sticht das Messer in meinen Magen und ich trete einen weiteren Schritt in Richtung Bett. Die Hand noch immer erhoben sehe ich sie vor mir sterben. Überrascht, doch in der Erkenntnis ihrer Schuld. Einer Schuld die nur mit Blut getilgt werden kann.

Ein leichtes Räuspern vom Bett läßt mich den Kopf heben. Ich sehe die beiden als Paar. In zehn Jahren. Eine Leidenschaft aufgebaut auf Monaten der Täuschung. Der gemeinsamen Lügen. Ich sehe ein gemeinsames Abendessen mit fragenden Blicken und hastigem Schweigen. Die suchenden Augen nach fremden Haar, während des innigen Begrüßungskusses nach einer Dienstfahrt. Das Schnuppern, vertuscht durch zärtlich Küsse im Nacken, fahndend nach dem Geruch fremder Lust. Langsam lasse ich die Hand mit dem Messer sinken. Ich trete zurück. Meine Rache liegt ausgebreitet vor mir. Noch immer kommt kein Laut über meine Lippen, aber meine Nacken ist entspannt, meine Hände entkrampft. Auf dem Weg in ein Hotel in der Innenstadt beginne ich zu lächeln. Gib ihn frei um zu leiden. Gib ihnen was sie wollen. Sei Ihnen Freundin und Gefährtin. Und aale dich in ihrem Schmerz.

Es dauerte zwei Jahre bis ich mich freigegeben hatte. Die lange heiße Dusche im Hotel hatte mich entspannt aber in meiner Absicht bestärkt. Mein Hass grub sich tiefer und tiefer in meine Seele. Mein Lächeln – das der Freude und das der Rache floh aus meinem Gesicht. Nur die Zornesfalte grub sich mit der Wucht eines Vulkanausbruchs in meine Stirn. So lebte ich das leben der anderen. Fühlte Stiche bei ihrem lächeln, wurde ihre Freundin, wurde kalt und bös. Bis ein Blick in den Spiegel an einem sonnigen Morgen, es war ein Sonntag, einen Blick in meine Seele erlaubte. Bis ich mir erlaubte zu atmen und zu sein. Frei zu sein und offen für Freundlichkeit. Bis zur Liebe war es ein weiter Weg. Aber der Weg zum Glück lag in meinen Händen. Ich lächelte mich an und ließ los.

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Tag der Veröffentlichung: 31.05.2011

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