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Einsamkeit ist das Leichentuch jeder Beziehung. Es beginnt mit Routine, wird zu Langeweile. Angestrengtes Beobachten führt zur mikroskopischen Betrachtung von Eigenheiten und aus Spleens werden Fehler. Fehler führen zu Überlegenheit zu Streit und später zu Krieg. Aus Angst vor dem Gau entwickelt sich Sprachlosigkeit. Die Stille – schwer und erdrückend wie die Luft zur Regenzeit in Asien drückt die Köpfe tiefer in die Teller und lässt das Besteck schriller und lauter klirren. Kein Lachen dämpft dieses Schweigen. Schüchterne Lächeln, geboren aus Erinnerung und Hoffnung sitzen krampfartig in kauenden Masken, erzeugen Unsicherheit, schaffen Angst vor Spott. Gefangen unter Glashauben, gleich dem Käseteller auf der Anrichte sind keine Berührungen mehr möglich. Der eigene Atem beschlägt den Schutzraum und die Sicht auf das Gegenüber wird verschwommen. Töne von außen klingen dumpf und verzweifeltes Trommeln des Mitgefangenen ans Glas gibt uns das Gefühl um Mitternacht in einem Glockenturm zu kauern. Einsam und taub in der Hölle der bebenden Schlegel. Doch die Vibrationen des Körpers sind längst verstummt. Die Glieder sind nach der Starre wieder weich und ohne Widerstand. Das Aufbäumen des Todeskampfes ist vorüber.

Und doch ist es nur ein scheinbarer Tot. Kein Entlassen in die Weiten des Universums. Die Enge des Sarges ist nur gefühlt. Der Deckel lose, nicht genagelt. Ein fester Ruck öffnet den Weg in die Freiheit. Leer und ohne Begrenzungen, kein Duft, keine Farben nur Hoffnung. Hoffnung und Angst. Die Einsamkeit unter der Glocke als Tausch gegen die Gefahren der Freiheit? Ein vorsichtiger Stoß gegen das Glas erlaubt einem kleinen Lufthauch einzudringen. Aufgeregte Nüstern blähen sich um den Hauch aus dem erstickenden Kohlenmonoxyd zu filtern. Die Freiheit dringt gleich einem kühlen Sommermorgen ins Schlafzimmer. Lustvoll weckend, angereichert mit Versprechungen und verwirrend voller Möglichkeiten. Die Stöße werden heftiger – der Lufthauch schmilzt den feuchten Beschlag, die Sicht wird klar. Das Glas der Glocke springt und in den scharfen Splittern spiegeln sich Regenbogen. Ein Feuerwerk. Noch ist die Glocke des Gegenübers geschlossen. Durch den eigenen Nebel nimmt der Insasse die Veränderung war, verwundert doch angefüllt mit der Angst vor dem Vergessen werden – dem endgültigen Tod. Die zweite Glocke zerspringt. Von Schärfe und Splittern umgeben stehen zwei Menschen in einem Raum. Der Weg zueinander führt über Scherben. Fakiren gleich, ohne Schutz an den Sohlen müssen die Schritte gegangen werden. Die Herzen so offen und blutend wie die Füße. Hände strecken sich und werden zur Verlängerung der eigenen Sehnsucht. Die Lippen öffnen sich und mit den ersten Worten schwinden die Schmerzen. Hände berühren sich, Körper ziehen sich magnetisch an. Viel später erst werden die Wunden verbunden, reißen die Narben wieder auf, heilen und schaffen Raum für neue Verletzungen. Worte verbinden. Augen lernen wieder zu lächeln. Die Füße unter dem Tisch berühren sich, das Besteck klingelt leise im Hintergrund der Geschichten des Tages – Freude, Sorgen, Abenteuer – Leben.

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Tag der Veröffentlichung: 28.03.2011

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