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Vorwort

Also wer oder was bin ich nun? - Erst einmal bin ich jemand, der Bücher schreibt. Und da gibt es Autoren, die auf unterschiedlichen Wegen unterwegs sind: beispielslweise Krimis und Kinderbücher. Dann kann es vorteilhaft sein, zwei Pseudonyme zu verwenden wie beispielsweise „Donna Falcone” für die Krimis und „Astrid Sundholm” für die Kinderbücher.

Ich habe meine Veröffentlichungen mit dem „Drachenreiter” als ersten Teil meiner Elfen-Trilogie als Nikolai Fritz begonnen. Die lange davor entstandenen Manuskripte zur Parawissenschaft, die in die Elfen-Romane eingeflossen ist, stehen noch bis auf eine Populärwissenschftliche Zusammenfassung der Themen unter dem Titel „Paraphysik - Ganzheitliches Denken statt heiliger Wissenschaft” zur Veröffentlichung aus. Also gibt es mit Nikolai Fritz nun einen Autor für Fantasy-Romane und Sachbücher.

 

Mit dem dritten und letzen Teil der Elfen-Trilogie „Mirias Reise” hört Nikolai Fritz auf zu existieren. An seine Stelle tritt Nicole Doll, die nun weder mit der Thematik der Elfen-Romane noch mit der Parawissenschaft viel im Sinn hat. Ich dachte zunächst daran nur noch nach und nach alles zu veröffentlichen, was ich als Nikolai Fritz geschrieben hatte, und damit diesen Autor quasi einfach „sterben” zu lassen.

Dazu schrieb ich als Nicole Doll eine Erklärung für das plötzliche Ende der unvollendeten Geschichte in den Letzten Teil des Romans und zitierte einfach den in Form von Stichworten non Nikolai Fritz skizzierten weiteren Verlauf der Handlung. Wo es nötig war, fügte ich noch Kommentare hinzu.

 

Als Nicole Doll schrieb ich immer noch, aber nur noch Beiträge in verschiedenen Internet-Foren. Irgendwelche Projekte für Romane oder Sachbücher gab es nicht. Da waren nur ein nie fertig gewordener Versuch eine Autobiografie des Nikolai Fritz zu schreiben - Titel: „Der Autolegasthenist” - und ein angefangener Science-Fiction-Roman.

Dann hatte ich eine Idee: Die als Nikolai Fritz angefangene Autobiografie sollte mit meiner Verwandlung zu Nicole Doll ergänzt und damit zum Abschluss gebracht werden. Der alte Teil mit Nikolai Fritz als Autor und der neue mit Nicole Doll. So wurde aus dem „Autolegasthenisten” eine „Transautolegasthenistin”. Mit der Veröffentlichung dieses Buches hatte ich dann mein Coming Out als Autorin Nicole Doll. Der angefangene Science-Fiction-Roman, von dem nur wenige Kapitel existierten, blieb erst einmal liegen.

 

Warum ist das alles jetzt so kompliziert, wo ich es doch auch hätte einfach haben können? - Mit der Verwandlung vom Mann zur Frau haben sich auch die Themen komplett geändert, über die ich gerne schreiben möchte. Die Auseinandersetzung mit einer Gesellschaft, in die ich einfach nicht hinein passe, habe ich in die Person eines Drachenreiters übertragen, der erkennen muss, dass er im Kampf mit seinem Drachen das bevorstehende Schicksal nicht beeinflussen kann.

Als Nicole versuche ich nun nicht mehr in diese Gesellschaft hinein zu passen. Entweder man akzeptiert mich nun so, wie ich bin, oder man lässt es sein. Damit will, auf die Elfen übertragen, der Drachenreiter das Schicksal nicht mehr beeinflussen. Und ich möchte auch im Rahmen der Parawissenschaft nicht weiter nach Möglichkeiten suchen, mit denen man die Welt retten könnte, was immer zu einem Spagat zwischen ernsthafter Wissenschaft und verschiedenen Verschwörungstheorien führt.

 

Noch kurz etwas zu meiner Person oder besser dazu, wie ich diese nun der Welt präsentiere. Auf die komplexe Thematik, die dahinter steckt, werde ich im Folgenden detailliert eingehen. Ich habe bisher von einer Verwandlung vom Mann zur Frau gesprochen. Das betrifft aber nur die Rolle, die ich in der Gesellschaft nun Spiele. Biologisch - also bezüglich der Geschlechtsmerkmale und auch zum großen Teil mit meinem Charakter - bin ich ein Mann. Als solcher fühle ich mich aber nicht. Zudem weiß ich, dass ich niemals eine richtige oder echte Frau sein kann. Also was bin ich nun? - Transvestit? Transfrau? androgyn? nicht-binär? genderfluid? - Ich denke, die vielen Begriffe - auf die ich im Folgenden noch eingehen werde - zeigen, wie kompliziert diese Sache ist.

Auf dem Titelbild wagt sich nun mein wahres Gesicht hinter dem Atommodell hervor, wo ich meine Rolle als Mann immer versteckt habe. Da ist eine Person, die irgendwo zwischen Mann und Frau einzuordnen ist. Die trägt nun Frauenkleider und lässt ihre Haare lang wachsen. Wenn sie raus geht, möchte sie als Frau gesehen werden. In Männerkleidung hat sie sich nie wohl gefühlt. Deshalb trägt sie keine mehr.

 

Gender-Schwachsinn oder Trans-Evolution?

Nun braucht es zum Verständnis doch wieder (Para?-)Wissenschaft. Ganz ohne diese geht es auch bei Nicole Doll nicht. Die wissenschaftliche Denkweise habe ich in der Schule und an der Universität gelernt. Deshalb muss ich immer alles analysieren und bewerten, wenn ich versuche es zu verstehen oder zu erklären. Also beginne in nun unter dem Blickwinkel der Psychologie, Medizin und Biologie.

 

In unserer Gesellschaft regieren Unsicherheit und Angst. Angst ist die in den ältesten Teilen unseres Gehirns verwurzelte Reaktion auf äußere Bedrohungen. Wenn wir die spüren, schärfen wir alle Sinne und setzen unseren Körper in Alarmbereitschaft. Das Herz rast, der Blutdruck steigt. Wir sind bereit zu einem sofortigen Angriff oder zur Flucht.

In der Urzeit oder so genannten Steinzeit war dieses Verhalten ein großer Vorteil für unser Überleben. Da war die Bedrohung konkret: wilde Tiere oder die Krieger verfeindeter Stämme. Heute gibt es latente Bedrohungen, die wir ständig spüren, aber gegen die wir uns nicht verteidigen können: fortschreitende Zerstörung unserer Umwelt, Klimawandel, drohender Atomkrieg, Radioaktivität durch Atommüll, Überbevölkerung, Gift in der Nahrung und vieles mehr.

Unsere Reaktion darauf ist irrational, aber in unseren Gehirnen fest verankert. Wir sind ständig in Alarmbereitschaft, obwohl wir nichts ausrichten können. Wir werden nervös, der Blutdruck steigt. Irgendwann ist dann ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall die Folge. - Oder wir wenden uns immer mehr von der Realität ab. Dann vereinsamen wir, werden depressiv und verblöden so langsam. Das Endstadium ist dann eine Demenz, bei der wir unsere engsten Angehörigen - die sich dann ja auch schon lange weitgehend von uns abgewendet haben - nicht mehr kennen.

 

Und was hat nun unsere doch so hoch entwickelte Medizin zu dieser Enwicklung zu bieten? - erst einmal Tabletten: Beta-Blocker gegen den hohen Blutdruck und Antidepressiva. Und dann als zweiten Schritt Operationen oder einen Platz in einer „Anstalt” (Pflegeheim oder Psychiatrie). Für viele verstärkt diese „Perspektive” die Angst noch mehr.

Die Flucht vor der Realität kann verschiedene Formen annehmen. Bei mir - oder genauer Nikolai Fritz - war es die Suche nach einer besseren Welt mit den Methoden der Parawissenschaft. Für so etwas ist (natur-)wissenschaftliches Denken nötig, das man zunächst in höheren Schulen und dann in einer Universität vermittelt bekommt. Wie ist es aber nun bei Menschen, die keine umfassende Bildung mit einem Hochschulabschluss erlangen wollen oder können? Wie kommen die mit der Angst und einer Flucht vor der latenten Bedrohung klar?

Hier gibt vielfältige Möglichkeiten, von denen eine immer mehr - und auch immer bedrohlicher - in Erscheinung tritt. Da gibt es die Flucht in eine Welt, die angeblich früher einmal viel besser und schöner war als das immer schlimmer werdende Chaos, auf das die Welt nun immer schneller zu steuert. Und wenn es Chaos ist, was die Welt ins Verderben führt, dann brauchen wir eine strenge Ordnung, die dieses verhindert. Und wer steht ganz oben für eine solche Ordnung? - Der allmächtige Gott oder Allah.

 

Also müssen wir doch nur in die Bibel oder in den Koran schauen, wenn wir einen Weg zurück in die frühere, angeblich so heile und schöne, Welt suchen. Wer aber nun wenig Bildung abbekommen hat, dürfte wenig interesse daran haben dicke Bücher wie die Bibel oder den Koran zu lesen. Also lässt er sich von „kompetenten” Personen erklären, was angeblich alles dort drin steht. - Nur welches Ziel verfolgen diese doch so „kompetenten” Personen?

Bei unserer abendländischen Gesellschaft führt die beschriebene Entwicklung immer mehr zu einer zu einer christlich-konservativen Orientierung. Wo das bei den Muslimen hin steuert, kann man derzeit gut in der Türkei beobachten: dort wird es vermehrt islamisch-konservativ.

Eine konservative Ordnung wird immer von oben herab - mit Gott oder Allah an der Spitze - vorgegeben. Das steht im Widerspruch zu demokratischen Prinzipien. Damit bringen konservative Kräfte eine Demokratie immer wieder in Gefahr. Sie arbeiten den freiheitlich-demokratischen Prinzipien immer wieder entgegen, da sie - quasi als Stellvertreter einer göttlichen Ordnung - einfach nur von oben herab REGIEREN wollen.

Eigentlich sollte ich die Religion aus dieser Betrachtung heraus halten. Aber es geht nicht. Sie ist - leider - ein bestimmender Faktor. Da ist dieser alte Konflikt zwischen Religion (Papst, Vatikan) und der Naturwissenschaft: auf der einen Seite Gottes unantastbare Schöpfung und auf der anderen Seite eine Natur, die sich nach den Prinzipien der Evolution selbst erschafft und dabei immer weiter entwickelt.

 

Nun kommen wir - nach dieser hoffentlich einigermaßen verständlichen Einführung - zum eigentlichen Kern meiner Betrachtung. Wenn Gott oder Allah die ganze Welt mit seiner unfehlbaren Allwissenheit so erschaffen hat, wie wir sie heute vorfinden, dann ist sie mit einer göttlichen Ordnug klar gegliedert: Da gibt es Mann und Frau. Die gründen eine Familie, bekommen Kinder und sichern damit den Fortbestand der Art. Alles, was davon abweicht, widerspricht dem göttlichen Prinzip. Es ist Teufelswerk. Amen.

Aber da treten nun Schwule, Lesben, Trans- und Intersexuelle immer mehr aus dem Verborgenen heraus und fordern ihre Rechte und einen Platz in der Gesellschaft. Und mit ihrem Anspruch auf Anerkennung suchen sie auch mit naturwissenschaftlichen Methoden nach einer Erklärung für ihre Existenz. Damit, dass sie der Teufel zur Zersetzung der göttlichen Ordnung erschaffen haben soll, wollen sie sich nicht abfinden.

 

Die Naturwissenschaft arbeitet mit Beobachtungen, die zunächst einmal in ein Schema einsortiert und dann analysiert werden. Bei der Genderforschung stößt man da auf eine Vielzahl verschiedener Erscheinungsformen des geschlechlichen Empfindens (englisch: gender; man unterscheidet „sex” das biologische und „gender” das gefühlte Geschlecht).

Da gibt es zum einen Intergeschlechtliche oder Zwitter, die mit nicht eindeutigen Geschlechtsmerkmalen geboren werden. Bei ihnen ist das biologische Geschlecht (sex) schon nicht eindeutig, weshalb man das oft gerne schon bei Säuglingen mit anpassenden Operationen „korrigiert” hat - mit fatalen Folgen für die Psyche der Betroffenen.

Beispiel: Da wird ein Mädchen zur Frau, aber es bleibt die Pubertät irgendwie aus. Es gibt keine Periode. Und auch der Wunsch nach einem Mann als Partner kommt nicht auf. Dann stellt sich heraus, dass es bei der Geburt einen kleinen Penis und die Anlagen für Hoden gab, die sich in einer vagina-artigen Öffnung verbargen. Gebärmutter und Eierstöcke gibt es nicht - und deshalb ist da auch keine Periode. Das „Mädchen” war also mehr Mann als Frau, aber der Mann wurde einfach weg operiert. So wurde mit der Operation ein geschlechtsloses Wesen geschaffen, das sich nun nirgendwo zugehörig fühlen kann.

 

Aber auch wenn das biologische Geschlecht (sex) eindeutig ist, muss des Empfinden (gender) damit nicht unbedingt zusammen passen. In der Regel (gemäß aktueller Statistik in etwa 99,5% aller Fälle) wächst man in die den Merkmalen entsprechende Rolle hinein und indetifiziert sich schließlich auch damit. Wenn es aber eindeutig nicht zusammen passt, gibt es viele verschiedene Erscheinungsformen (beispielsweise transsexuell, nicht-binär, androgyn oder genderfluid), die man im Rahmen der Genderforschung einzuorden versucht.

Die bekannteste Varinante wird - vollkommen unpassend - Transsexualität genannt. Mit Sexualität oder sexueller Ausschichtung wie hetro-, homo- oder bisexuell hat das Empfinden des Geschlechts (gender) nämlich überhaupt nicht zu tun. Die Betroffenen fühlen sich im falschen Körper geboren. Damit passen die (biologischen) Geschlechtsmerkmale nicht mit der gefühlten Identität zusammen - was nun wieder mit einer Hormontherapie und Operationen passend gemacht wird. Darauf, wie ich dazu stehe, werde ich später noch detailliert eingehen.

 

Kommen wir aber nun zur konservativen Sichtweise zurück. Hier muss sich alles einer höheren (göttlichen!?) Ordnung unterordnen. Und entsprechend dieser Ordnung gibt es nur Mann und Frau. Und diese haben zur Erhaltung der Art für Nachwuchs zu sorgen. Alles was davon abweicht, ist Teufelswerk. Es muss bekämpft werden. Genderforschung ist einfach nur Unsinn oder Schwachsinn und gehört abgeschafft.

Wer in seinen Gedanken von dieser Ordnung abweicht - homo- oder transsexuell oder was auch immer - sollte umerzogen werden. Und wenn das nicht gelingt, sollte man diese Person sterilisieren und dann weg sperren, falls sie keine Ruhe gibt. Also spach der Führer. Auf unser Vaterland und Sieg Heil!

 

Wer jetzt nicht glauben will, was ich vorstehend geschrieben habe, der lese einfach mal im Parteiprogramm der AFD. So drastisch und zynisch wie bei mir ist es nicht formuliert, sagt aber sinngemäß dasselbe aus.

Ergänzend wäre hier noch zu erwähnen, dass man - in der Absicht sich als demokratische Partei ins rechte Licht zu rücken - schon bereit ist die Anpassung des Geschlechts mit Hormonen und Operation zu akzeptieren - aber nur dann, wenn hinterher alles schön sauber und unauffällig in das „heilige” Schema passt. Und mit der geschlechtsangleichenden Operation gibt es ja praktischerweis auch gleichzeitig eine Sterilisation.

 

Im Gegensatz zu dieser konservativ und religiös geprägten Sichtweise steht die Naturwissenschaft. Und zu ihr zählt weit mehr als nur die Genderforschung. Da wären als die wichtigsten Bereiche Medizin und Biologie zu nennen.

Beginnen wir mit der Biologie. Bei Pflanzen und Tieren sind die Strategien zur Vermehrung vielfältig. Bei Clownfischen gibt es beispielsweiese sogar einen Wechsel des Geschlechts. Mit der Evolution, und damit einer stetigen Anpassung der Arten an ihre Lebenbedingungen, ist eine solche Vielfalt im Prinzip auch beim Menschen möglich.

Wenn sich nun die Lebensbedingungen nicht oder nur sehr wenig ändern, - konstantes Klima, ein starr organisierter Staat, unveränderliche Strukturen der Gesellschaft - wird sich letztlich ein einziges Konzept aus dem Spektrum dieser Vielfalt durchsetzen.

Alle anderen sind unter den gegebenen Unständen kaum lebensfähig und kommen nur selten zur Vermehrung. Also werden deren Gene auch selten weiter gegeben. Sie sind damit eine Randerscheinung, die in einer gleichgeschalteten Masse so gut wie unsichtbar bleibt.

 

Man kann viele Beispiele nennen, wo es bei der menschlichen Gesellschaft solche konstanten Verhältnisse gab. Im Prinzip sind es alle bekannten Hochkulturen: Sumer, Babylon, Ägypten, das antike Griechenland, das Römische Reich und viele mehr.

Es gab klare und feste Strukturen, die alles im Leben bis ins kleinste Detail regelten. Das hat immer eine mehr oder weniger lange Zeit gut funktioniert. Dann sind aber alle diese Hochkulturen wieder untergegangen.

Beim Römischen Reich gibt es dazu wohl die umfangreichsten schriftlichen Zeugnisse. Es wird von einem Verfall der Sitten berichtet. Grausame Galdiatorenspiele, Sauferei, Völlerei, wilde Gelage.

 

Und was spielt sich gerade bei uns ab? - Alkoholprobleme, Übergewicht, Prügeleien bei den Fans im und um ein Stadion herum, grausame Filme im Kino oder Fernsehen, Kinder-Ponografie im Internet und vieles Mehr. Unser Gesellschaftssystem oder unsere Hochkultur IST gerade dabei unterzugehen.

Dabei spaltet sich die Gesellschaft grob in zwei Gruppen: die konservativen, die alles wieder so haben möchten, wie es früher einmal war, und diejenigen, die unter den starren Strukturen schon immer gelitten und ihren Platz in dieser Gesellschaft nicht wirklich gefunden haben. Sie treten nun immer mehr aus der Masse der Bedeutungslosigkeit heraus und fordern Rechte und Anerkennung.

 

Wie kommt es nun zu dieser Entwicklung? - Stark vereinfacht könnte man sagen: Früher war alles aus Holz und heute ist alles elektrisch. Es hat in kürzester Zeit eine gigantische Entwickling in Wissenschaft und Technik gegeben, mit der eine starr strukturierte Gesellschaft nicht mithalten kann.

Für einen Alleinherrscher (König, Kaiser, Präsident eines totalitären Staates) sind revolutionäre technische Neuerungen in erste Linie wirksame Waffen gegen ihre Gegener. Wie schnell wurden beispielsweise aus dem Traum des Menschen von Fliegen extrem gefährliche fliegende Kampfmaschinen?

Und was ist mit technischen Mitteln zur Kommunikation wie Telegrafie, Telefon, Funk oder Internet? - Damit hat ein Tyrann ein sehr leistungsfähiges Instrument in der Hand um seine Untertanen möglichst lückenlos zu überwachen. Da sind doch George Orwell und sein „großer Bruder” irgend etwas rückständiges aus einer lange vergangenen Zeit.

 

Mit der rasant weiter entwickelten Technik haben sich auch ebenso rasant neue Probleme ergeben: Gift auf Feldern und Äckern, Abholzung der Regenwälder, Bedrohung durch Atomwaffen, gigantische Mengen Atommüll, Überbevölkerung, Zivilisationskrankheiten... Ich konnte die Auflistung jetzt noch lange weiter führen.

Und wie geht eine starr strukturierte Gesellschaft mit diesen Dingen um? - Man verspricht dem Wähler einen bescheidenen Wohlstand und versucht den Eindruck zu erwecken mit diesen Problemen klar zu kommen.

Sonst sorgt man flächendeckend für Ablenkung: Fernsehen, Internet, Sport-Veranstaltungen, Urlaubsreisen mit Animation im Billigflieger, Konsumerlebnisse im Einkaufszentrum... Auch diese Auflistung lässt sich lange fortsetzten. Bei den alten Römern gab es da Brot und Spiele.

 

Wie werden die Probleme aber konkret angegangen? - Beispiel Atommüll: der wird erst einmal irgendwo hin geschafft, wo ihn möglichst keiner mehr sieht - am besten nach Sibirien ins Eismeer. Da kommt selten ein Mensch hin, und radioaktiv verstrahlt ist da sowieso schon alles.

Dem systematisch dumm gehaltenen Volk erzählt man etwas vom Ausstieg aus der Atomenergie. Die ältesten und gefährlichsten Atomkraftwerke schaltet man dazu ab - NACHDEM es in Fukushima wieder einmal zu einer Katastrophe kam!

Dann gibt es erst einmal Vergünstigungen für Unternehmen, die Windräder aufstellen. Damit wachsen diese Dinger - als deutliche und weit sichtbare Symbole - wie Pilze aus dem Boden, nur es gibt keine Leitungen für den Strom, den sie erzeugen könnten. Also kauft man Atomstrom in Frankreich ein, damit die Lichter nicht aus gehen.

Nun erklärt man den steigenden Strompreis mit der Dringlichkeit, die fehlenden Leitungen endlich bauen zu müssen. Dabei hätte man das Geld doch gespart, wenn man immer nur so viele Windräder aufgestellt hätte, wie es das Leitungsnetz aktuell verkraftet. Wie war das noch mit Zins und Zinseszins? Für wie blöd hält man da den Bürger? Ein klares Konzept sieht jedenfalls irgendwie anders aus.

 

Kommen wir nun zu den zwei Gruppen, in die sich unserer Gesellschaft grob spaltet. Wer ein Unternehmen unter klaren und abschätzbaren Bedingungen aufgebaut hat, möchte natürlich, dass diese Bedingungen möglichst lange unverändert erhalten bleiben. Damit minimiert sich sein Risiko.

Und wenn sich doch etwas ändert, erwartet er vor allem Flexibilität und Offenheit für Innovationen von seinen Mitarbeitern, die er mit einer permanenten Aussicht auf eine mögliche Kündigung auf sein Unternehmen „einschwört”.

Das ist etwas, dass mir persönlich extrem quer kommt. Es ist mindestens unfair, wenn man von anderen etwas verlangt, zu dem man selbst nicht bereit ist. Leider ist das aber in vielen Unternehmen übliche Praxis.

 

Wie einfach war es da doch für ein Unternehmen, als Deutschland noch einen Führer hatte. Dem lieferte man die „Wunderwaffen”, die er haben wollte, und schon konnte man alles durchsetzen, was man wollte.

Jetzt muss aber das Volk einen solchen „Führer” (regierende Partei, Bundeskanzler) alle paar Jahre mehrheitlich wählen. Nur die - wahre - Mehrheit will gar keinen Führer haben. Was ist also zu tun? Wie kommt man nun an die erforderlichen Wählerstimmen heran?

Damit sind wir wieder bei der Angst und Unsicherheit, mit der ich dieses Kapitel eröffnet habe. Veränderungen können eine große Chance sein, sind aber immer auch ein Risiko. Also muss man die Chancen im Bewustsein klein machen und die Risiken zu einem gefährlichen Monster aufblähen.

 

Was erzeugt bei uns also die meiste Angst? - Es ist immer des Unbekannte oder Unverständliche, das man irgendwie nicht einschätzen kann. Zum Beispiel Ausländer: die haben seltsame Sitten und Gebräuche und sprechen eine unverständliche Sprache. Was führen die im Schilde? - Man kann es irgendwie nicht einschätzen.

Diese Ausländer drängen nun auf unseren eng gewordenen Arbeitsmarkt und mehmen uns offensichtlich Arbeitsplätze weg. Aber was für Arbeitsplätze sind das mehrheitlich? - Doch solche, bei denen es ein Deutscher vorzieht auf Krank zu machen und sich dann mit ALG II zufrieden zu geben. Warum soll man sich mit schwerer Arbeit die Gesundheit kaputt machen, wenn man an kleines Geld - mehr gibt es ja oft für die Arbeit nicht mehr - einfacher heran kommt?

Nächstes Argument: Kriminalität. Klar gibt es unter den Ausländern Kriminelle. Aber was ist mit den Deutschen, die Asylantenheime in Brand setzen oder Ausländer umbringen? - Die sind doch viel krimineller als Ausländer, die irgendwo randalieren oder mit Diebstahl oder Betrug „etwas dazu verdienen” wollen.

 

Das Angst-Prinzip ist eigentlich einfach. Man hält erst einmal die Anzahl der Arbeitsplätze knapp, indem man möglichst viele Gebrauchsgüter aus Billiglohn-Ländern importiert. Dann verspricht man: Wenn ihr uns wählt, sorgen wir für Wachstum und neue Arbeitsplätze. Das Wachstum gibt es dann auch. Nur die Arbeit wird von Maschinen und Robotern erledigt.

Man hofft nun, dass der ungebildete Wähler nur das Wachstum und nicht die Maschinen und Roboter sieht und weiter auf neue Arbeitsplätze hofft. Für so ein Verhalten gibt es im Gesetzbuch eine treffende Bezeichnung: BETRUG - und damit wären wir wieder bei der Kriminalität.

Nun wäre noch dafür zu sorgen, dass es möglichst viele ungebildete Wähler gibt. Dafür kürzt man erst einmal das Geld für Schulen und Hochschulen. Dann erstellt man Lehrpläne, die von den unterbezahlten und überlasteten Lehrern gar nicht umgesetzt werden können. Schüler und Studenten werden sich selbst überlassen, statt sie bei ihrem Weg ins gesellschaftliche Leben bestmöglich zu unterstützen. - Wie ist es denn beispielsweise sonst zu erklären, dass es trotz vieler Jahrzehnte Schulpflicht immer noch Analphaneten in Deutschland dibt?

So wird eine ungebildete Unterschicht gefördert, die mehrheitlich auf den beschriebenen Betrug herein fallen soll. Und wer den Betrug erkennt, fühlt sich bei keiner Partei vertreten und geht gar nicht erst zur Wahl. So hilft auch er dabei die Mehrheit zu den Konservativen hin zu verschieben.

 

Das Vorstehende klingt nun sehr nach einer dieser Verschwörungstheorien, von denen ich mich jetzt als Nicole Doll distanzieren möchte. Ob das nun eine Verschwörung ist oder einfach nur organisierter Betrug mit den Methoden der Mafia mag nun jeder Leser für sich entscheiden. Auf jeden Fall empfinde nicht nur ich das als extrem ungerecht.

Bei Verbrechen und Justiz gibt es immer das Problem der Beweislast. Wie soll man hier beweisen, dass es Betrug ist, und nicht nur einfach dumme Lügen sind. Jedenfalls ist offensichtlich die Mehrheit dumm genug diese Lügner immer wieder zu wählen.

Eigentlich geht es mir hier auch gar nicht darum irgendjemanden anzuklagen. Ich möchte nur aufzeigen, wie ein Gesellschaftssystem immer wieder zusammen bricht, wenn die Vertreter der öffentlichen Ordnung mit den Veränderungen der Lebensumstände nicht mehr mithalten.

 

Betrachten wir das alte Rom, endet deren Hochkultur mit dem Einmarsch der Vandalen, die aus Wut und Verzweiflung über die langjährige Unterdrückung durch die Römer einfach alles kurz und klein schlagen. Sie haben an den schönen Dingen der Römer nie teilhaben können. Deshalb bedeuten sie ihnen nichts. Und die Römer sollen sich nicht mehr daran erfreuen.

Und wo sind nun die heutigen „Vandalen”? - Ich denke, sie sind schon lange in unserem Land. Viele von ihnen haben einen Arbeitsplatz oder betreiben ein Geschäft. Folglich werden sie wenig Interesse daran haben einfach nur irgendwas kaputt zu schlagen - damit würden sie sich ja selbst schädigen.

Dann sich da noch diejenigen, die bereits in die Armut abgerutscht sind. Bei ihnen gibt es zwar Vandalismus, aber nur in recht geringen Umfang. Die meisten dürften zu der Überzeugung gekommen sein, dass es letztlich niemandem nützt, wenn man alle schönen Dinge einfach nur kaputt schägt.

Also kann ich nur hoffen, dass mit unseren heutigen „Vandalen” an unserer Seite etwas anderes auf die derzeitige Kultur folgen wird als ein rückständiges Mittelalter. Wir sollten mit ihnen möglichst viel reden, damit das, was auf die zusammen brechende Gesellschaft folgen wird, weitgehend unseren Idealen entpricht.

 

Kommen wir aber nun zur Biologie und damit zur Evolution zurück. Für den Umgang mit den vorab beschriebenen globalen Veränderungen - Überbevölkerung, Verknappung der Recourcen, Zerstörung der Umwelt - haben die nun immer lauter werdenden konservativen Kräfte keine Konzepte. Weiteres Wachstum kann nur irgendwann zum Zusammenbruch führen. Die Bäume können nun einmal nicht in den Himmel wachsen.

Und das traditionelle Konzept der Familie mit Kindern fördert dieses sinnlose Wachstum nur. Das erkennen immer mehr Menschen und suchen für sich andere Wege. Eine klassische Ehe eingehen und dann einfach nur verhüten, ist da zwar ein möglicher Weg, aber kein echtes Konzept. Auch Ein-Kind-Familien, wie sie in China staatlich verordnet wurden, bringen nur mehr Probleme als Nutzen. Damit sich etwas ändert, braucht es neue Strukturen.

Die klassische Familie sollte dabei als eine mögliche Variente weiter Bestand haben - aber möglichst jeweils mit mehreren Kindern. Andere neue Varianten wie gleichgeschlechtliche Partnerschaften oder das Ausleben einer anderen gefühlten Geschlechtsidentität verhindern dann ohne Kinder eine sinnlose übermäßige Vermehrung.

Durch Vermischung der Varianten werden dann auch die veränderten Gene der neuen Konzepte weiter gegeben. Damit wird längerfristig das Wachstum der Bevölkerung rückläufig und kann sich irgendwann nach einigen Generationen auf ein für alle zuträgliches Maß einpendeln.

 

So viel erst einmal zu meiner Idee einer Homo-und-Trans-Evolution als mögliche Ursache der Phänomene, die weltweit immer mehr in Erscheinung treten. In den nächsten beiden Kapiteln möchte ich die biologischen Grundlagen dazu näher erläutern.

Mutation und Selektion

Bekanntlich wurde das Prinzip der Evolution von Charles Darwin erkannt und erstmalig beschrieben. Das meiste, was Darwin dazu beisteuerte, waren seine Beobachtungen auf seinen Reisen rund um die Welt. Es ging ihm vor allem darum zu zeigen, wie es zu einer Auslese bei unterschiedlichen Varianten im Körperbau kommt.

Die besser an die Umgebung oder die Lebensumstände angepasste Form kommt häufiger zur Vermehrung. Damit werden die Gene dieser Variante vermehrt an die nächste Generation weiter gegeben. Andere weniger angepasste Varianten werden dabei selten oder sterben sogar vollständig aus.

Wie es zu den Varianten oder Mutationen kommt, konnte Darwin noch nicht wissen. Naheliegend waren zufällige Änderungen die sich beim Teilen der DNS-Stränge immer wieder als Fehler einschleichen können. Auf diese Weise entstehen Erbkrankheiten. Also nahm man an, dass Mutationen die selbe Ursache haben.

 

Ein Anpassen der Arten an veränderte Lebensbedingungen widerspricht natürlich völlig der Schöpfungsgeschichte in der Bibel. Damit hatte Darwin sofort bei der Kirche einen erbitterten Gegner. Die setzte das Gerücht in Umlauf, Darwin behaupte der Mensch stamme vom Affen ab. Das erscheint zwar sehr wahrscheinlich, wenn man beobachtet, wie sich der Mensch benimmt, ist aber trotzdem falsch.

Es muss viele Millionen Jahre zurück einen gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Affe gegeben haben. Hier geben aber die Knochenfunde aus aller Welt mehr Rätsel auf als sie wirklich etwas erklären. Immer wieder gibt es Meldungen, in denen behauptet wird man habe das immer noch fehlende Bindeglied zwischen Mensch und Affe jetzt endlich entdeckt. Eine wirklich eindeutige Linie der Abstammung kennt man aber bis heute nicht.

Da werden dann Ideen Verbreitet wie die von Erich von Däniken, wonach viele Jahrtausende zurück Außerirdische mit einer gezielten Genmanipulation einen plötzlichen Sprung bei den Mutationen künstlich herbei geführt haben sollen. Entsprechend gibt es keine Zwischenformen und deshalb findet man auch keine.

 

Es hätte aber auch ohne Dänikens Außerirdische funktionieren können. Dazu muss man sich jedoch von der Vorstellung verabscheiden, dass Mutationen zufällig durch Gendefekte zustande kommen, was nur sehr langsame Änderungen ermöglichen würde. Eine sprunghafte evolutionäre Verändung würde jedenfalls erklären, warum man nur sehr selten irgendwelche Zwischenformen findet.

Aufschluss darüber geben neuere Beobachtungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Lange war man überzeugt, dass es im Erbgut fest verankert ist und so von Generation zu Generation vererbt wird, ob eine Vogelart Zug- oder Standvogel ist. Mit dem Klimawandel beobachtet man aber, dass Zugvögel quasi von einer Genaration zur nächsten zu Standvögeln werden können.

Dabei sind die Varianten entscheidend, die ich bei meiner Idee einer Homo-und-Trans-Evolution ins Spiel gebracht habe. Offensichtlich gibt es immer einmal einige wenige Vögel, deren Verhalten von der Norm abweicht. Wenn sich die anderen, wie es ihrem vererbten und damit angeborenen Verhalten entspricht, zu dem für die Art typischen Zug in den Süden aufmachen, bleiben sie einfach zurück.

 

In den früheren kalten Wintern mit viel Eis und Schnee verhungerten sie und gaben so ihr Erbgut nicht an die nächste Generation weiter. Jetzt ist es aber wärmer und sie überleben den Winter immer häufiger. Und nun sind sie bei der Selektion im Vorteil. Während ihre Artgenossen noch bei ihrem langen Zug unterwegs sind, bauen sie schon ihre Nester und legen ihre Eier darin ab.

Wenn die anderen dann ankommen, schlüpfen bei ihnen bereits die Jungen. Die nutzen jetzt das Nahrungsangebot. Der Nachwuchs der Rückkehrer kommt dann zu spät und muss sich mit dem zufrieden geben, was übrig bleibt. Entscheidend ist nun, dass der Nachwuchs der zurück gebliebenen Vögel nicht mehr zum Vogelzug aufbricht. Die - bei Versuchen als angeboren erkannte - Eigenschaft nicht zu ziehen wurde also mit dem Erbgut weiter gegeben.

 

Nur das Weitergeben des Erbgutes bei sehr wenigen Vögeln, deren Verhalten zufällig aufgrund eines Gendefektes von der Norm abweicht, erklärt noch nicht die schnelle Anpassung innerhalb von einer oder nur weniger Generationen. Hier muss es einen Mechanismus geben, bei dem erlerntes Verhalten in das Erbgut aufgenommen und dann an die nächste Generation weiter gegeben wird.

Die Vögel kehren also zurück und sehen, dass ein Artgenosse den Winter überlebt hat und bereits dabei ist Junge groß zu ziehen. Das kann für einige der Auslöser sein es einfach ebenfalls zu versuchen und nach dem Sommer nicht zum Zug aufzubrechen.

Würden sie nun dieses Verhalten nicht mit dem Erbgut an die nächste Generation weiter geben, bliebe es immer noch eine relativ seltene Randerscheinung. Mit der Vererbung führt es aber zu einer schnellen Änderung im Verhalten der gesamten Population.

 

Eine Erklärung für dieses Phänomen ist, dass es im Erbgut der Vögel sowohl Gene für das Ziehen als auch für des Zurückbleiben gibt, die abhängig von den jeweiligen Bedingungen ein- und ausgeschaltet werden können. Ist das Gen dann eingeschaltet, wird es auch in diesem Zustand mit dem Erbgut weiter gegeben.

Entsprechend könnte es beim Menschen Gene für die homo- oder heterosexuelle Ausrichtung und für alle bekannten Formen einer Transsexualität geben, die je nach den Umständen ebenfalls ein- oder ausgeschaltet werden können.

Diese Idee kam mir, als ich in einer Selbthilfegruppe eine etwas seltsame Familie traf. Es waren zwei Frauen und ein kleiner Junge. Die eine Frau war die Mutter und die andere der Vater, der jetzt als Frau lebt. Und der kleine Junge war die Tochter der beiden.

 

Dieser eine Fall ist sicherlich kein Beweis für die Vererbung eines Trans-Gens, aber ich sehe das als deutlichen Hinweis. Einen weiteren Hinweis auf eine Vererbung sehe ich auch bei meinem Vater und Großvater, die wie ich nie wirklich glücklich waren und bei der Erhaltung der Art mit jeweils einem Einzelkind ihren Auftrag offensichtlich als erledigt ansahen.

Bei meinen Eltern habe ich nie mit bekommen, dass sie Sex miteinander hatten. Daher vermute ich, dass es nach meiner Zeugung bei ihnen keinen mehr gab. Dabei könnte mein Vater als unbewusst gefühlte Frau so etwas wie eine lesbische Beziehung zu meiner Mutter ausgelebt haben. Ob und wenn wie viel Trans in meinem Vater und Großvater möglicherweise gesteckt haben, werde ich aber nie erfahren.

 

Man könnte natürlich das nicht-akzeptieren des biologischen Geschlechts einfach nur als erlerntes Verhalten ansehen, aber kein Mensch entscheidet mal eben so, dass er jetzt gerne trans sein möchte.

Da gibt es oft ein nicht wirklich klar definiertes Gefühl, dass da mit dem biologischen Geschlecht und der damit verbundenen Rolle irgendwie etwas nicht zusammen passen könnte. Erst wenn man die andere Rolle im täglichen Leben ausprobiert und dabei feststellt, dass es einem plötzlich viel besser geht, kommt es zu der Erkenntnis irgendwie trans zu sein.

Fühlt man sich in der anderen Rolle ebenfalls nicht wohl, muss das mit dem unklaren Gefühl eine andere Ursache haben. Da könnte dann ein Psychologe weiter helfen, falls es so extrem sein sollte, dass man davon unglücklich wird.

Wenn also der Vater zur Transfrau oder die Mutter zum Transmann wird, kann man das kaum als Vorbild für ein Kind ansehen nun auch trans sein zu wollen. Falls aber so ein Gefühl vorhanden ist, führt es sicher zu einer früheren Erkenntnis. Und dabei liegt es doch irgendwie nahe, dass dieses Gefühl vererbt sein könnte.

 

Die Ansicht, dass Trans irgendwie mit Erziehung oder erlerntem Verhalten zu tun hat, ist in konservativen Kreisen weit verbreitet. Daher kommt auch die absurde Idee, dass man mit einer Umerziehung irgend etwas erreichen könnte.

So wie man aber einem Schwulen selbst bei Androhung von Folter oder Todesstrafe nicht beibringen kann eine Frau zu lieben, kann man eine Transfrau nicht dazu bringen wie ein Mann zu fühlen. Man kann sie lediglich dazu zwingen Männerkleidung zu tragen, was den Wunsch eine Frau zu sein dann nur noch größer macht.

 

Aus der selben Fehleinschätzung heraus entsteht auch die Ansicht, dass man in Kindergärten und Schulen immer auf ein genaues Einhalten der Geschlechterrollen achten soll. Die Kinder sollen lernen sich richtig einzuordnen, damit sie gar nicht auf die idee kommen vielleicht irgendwie anders zu fühlen.

Der fatale Fehler dabei ist, dass niemand lernen kann, was er fühlt. Erlernen ist ein rationaler Vorgang. Gefühle sind aber NICHT rational. Wenn jemand beispielsweise Angst hat, muss nicht eine real existierende Gefahr die Ursache dafür sein. Da kann jemand extreme Flugangst haben und trotzdem leidenschaftlich gerne Motorrad fahren. Rational müsste er vor dem Motorrad erheblich mehr Angst haben als vor dem Fliegen, weil da die Anzahl der Unfälle um ein Vielfaches größer ist.

Wenn sich also jemand seinem biologischen Geschlecht nicht zugehörig fühlt, dann fühlt er das eben so. Eine rational erklärbare Ursache muss es nicht geben. Und er kann auch NIEMALS lernen anders zu fühlen. Er kann lediglich lernen, wie er mit diesem Gefühl am zweckmäßigsten umgeht.

 

In einer Gesellschaft, in der Trans-Menschen keinen Platz haben, erscheint es dann zweckmäßig, wenn man die zum biologischen Geschlecht gehörige Rolle spielt, auch wenn man anders fühlt. Dann fällt man nicht auf und alles entspricht der Norm.

Aber damit gibt es einen niemals endenden Konflikt. Unsere Gesellschaft verlangt von uns ständig, dass wir uns selbst als die Person, die wir sind, darstellen und gegenüber den anderen präsentieren.

Als Betroffener mit einer falschen Geschlechtsindentität fühle ich mich aber nicht als die Person, die ich den anderen vorspiele. Wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich nicht ein Bild von mir selbst, sondern eine fremde Person, die andere in mir sehen sollen.

Wenn ich neue Kleidung kaufe, dann kaufe ich die nicht für mich, sondern ich kaufe sie, damit die von mir gespielte Person einer äußeren Erwartung entspricht. Statt mich also selbst mit dem Kauf zu erfeuen und somit zu belohnen, erfülle ich nur eine immer lästiger werdende Pflicht. Statt einer Belohnung empfinde ich schließlich eine Bestrafung. So beginne ich diese Kleidung zu hassen, die ich nur deshalb trage, weil man es von mir erwartet.

 

In diesem Beispiel habe ich, so wie man es in konservativen Kreisen fordert, gelernt, wie ich mit meinen angeborenen Geschlechtsmerkmalen zu leben habe. Nur wer hat etwas davon? Mich macht es nur unglücklich, weil es sich ständig falsch anfühlt, und die anderen haben auch nicht wirklich etwas davon, weil ein unglücklicher Mensch kaum einen positiven Beitrag zum Gesellschaftlichen Leben leisten kann - mehr dazu im machfolgenden Kapitel.

Bei mir war es ganz konkret so: Ich spielte diese Rolle und erkannte schließlich, dass es immer sinnloser wurde. Am Ende war alles verspielt und alles egal. Ich wartete nur noch auf den Tod als Erlösung von diesem öden und sinnlosen Dasein.

Das einzige, was mich da noch am Leben halten konnte, war eine permanente Flucht vor der als immer unerträglicher empfundenen Realität. So eine Fucht kann erfolgen, indem man sich unentwegt in die Arbeit stürzt (Workoholic), sich jede freie Minute in ein Hobby vertieft oder sich dem Rausch irgendwelcher Drogen (meistens Alkohol oder Tabletten) hingibt.

Bei mir war es - neben veschiedenen Hobbys - die intensive Beschäftigung mit der Parawissenschaft - also gewissermaßen als Workoholic, aber außerhalb meines Berufes, wo ich mit der damit verbundenen Männerrolle nicht klar kam. Damit gehörte dieser Beruf ebenfalls zu der Realität, bei der ich jede Gelegenheit zu einer Flucht aus ihr heraus nutzte.

Welchen Nutzen hätte es also für meine Mitmenschen geben können, wenn ich die ganze Energie, die ich in meine Hobbys und die Parawissenschaft steckte, bei der Ausübung meines Berufes hätte einsetzen können? - So „verpuffte” es nur in ein paar Büchern, die bis jetzt nur wenige gelesen haben.

 

Kommen wir nun zurück zum Erbgut. Nach dem vorab Beschriebenen kann dieses Gefühl, dass etwas nicht stimmt, unmöglich erlernt sein. Es könnte zwar die Ursache in irgendwelchen widrigen Lebensumständen haben, aber viele Betroffene hatten - wie auch ich - eine wohlbehütete Kindheit. Was für Ereignisse sollen dann so stark gewesen sein, dass sie ein derartiges Gefühl prägen konnten?

Es deutet also alles darauf hin, dass ein solches Gefühl mit dem Erbgut von einer Generation zur nächsten weiter gegeben wird. Dazu passt auch das Beispiel der kleinen Familie mit den zwei „Müttern” (also einer Mutter und einer „Väterin”) und einer Tochter, die ein Junge sein will.

Wer nun aus konservativer Sicht vor allem die Erhaltung der Art als Sinn des Lebens ansieht, ist entsetzt über eine solche Familie. Da werden doch tatsächlich Gene weiter gegeben, die dem „Sinn des Lebens” entgegen stehen. Und es gibt niemanden, der konsequent etwas dagegen unternimmt - wie beispielsweise eine rechtzeitige Zwangs-Sterilisation des „völlig aus der Bahn geratenen” Vaters.

 

Im Sinne einer Homo-und-Trans-Evolution macht diese spezielle Familie ganau das, was eine evolutionäre Veränderung der menschlichen Population voran treibt - sie gibt die Gene für ein besser an die neuen Lebensbedingungen angepasstes Verhalten weiter.

Hierbei helfen sogar unfreiwillig die Konservativen, in dem sie beispielsweise Homosexuelle in das traditionelle Schema zwingen. Die gehen dann unter dem Druck von außen erst einmal eine Hetero-Ehe ein und sorgen dabei auch für Nachwuchs, bevor sie sich schließlich als homosexuell outen. Dabei geben sie ihre Homo-Gene an die nächste Generation weiter. Bei Transmenschen läuft es oft ähnlich - besonders wenn sie sich wie ich erst sehr spät outen.

Und wenn die Konservativen sich nun immer mehr an Geld, Reichtum und Erfolg orientieren, wobei der Nachwuchs zunehmend zu einem unerwünschten Kostenfaktor wird, entwickelt sich die Evolution genau in die richtige Richtung. Die einen bekommen weniger Nachwuchs, weil sie eine andere Form von Sex parktizieren, und die anderen, weil sie aus finanziellen Erwägungen heraus verhüten - was mit der Anti-Baby-Pille sehr einfach geworden ist.

 

Wenn wir nun wieder das Beispiel der Zugvögel betrachten, haben wir hier eine sehr ähnliche Situation. Die Gene des urprünglichen Verhaltens werden - hier wegen des Verhütens - seltener weiter gegeben, während die Gene der neuen Varianten häufiger vererbt werden.

Die Situation hat sich für Homo- und Trans-Menschen, durch das massive Einfordern ihre Rechte bereits erheblich verbessert. Und es ist zu hoffen und zu erwarten, dass sie sich noch erheblich mehr verbessern wird. Damit wird die Anzahl derer, die an ihrem Homo- oder Trans-Dasein verzweifeln und zugrunde gehen, bevor sie eine Gelegenheit haben ihre Gene weiter zu geben, immer kleiner.

Der bei jedem Lebewesen in irgend einer Form vorhandene Wunsch nach Nachwuchs ist auch bei Homo- und Trans-Menschen recht stark verbreitet. Neben der bereits beschriebenen Praxis seinen „biologischen Auftrag” noch zu erledigen, bevor man den Sex nur noch seiner Neugung folgend praktiziert, spenden einige Transfrauen vor einer geschlechtsangleichenden Operation ihren männlichen Samen und lassen ihn einfrieren, damit sie später als Frau mit Hilfe einer Leihmutter ein leibliches Kind haben können.

 

Wer sich im falschen Körper als Frau fühlt, würde sicherlich am liebsten wie eine (biologische) Frau ein Kind bekommen wollen. Das ist natürlich auch mit Hormonen und Operation nicht möglich. Mit der Samenspende ergibt sich aber die Möglichkeit, trotzdem ein leibliches Kind zu bekommen - wenn auch biologisch als Vater und nicht als Mutter.

Über Sinn und Unsinn lässt sich hier natürlich streiten, aber es geht hier um Gefühle. Und die sind nun einmal nicht rational. Damit stellt sich die Frage nach Sinn oder Unsinn gar nicht erst. Das Gefühl ist da, und der Wunsch ist da, und wenn es eine Möglichkeit gibt, diesen irgendwie zu erfüllen, wird die auch genutzt.

 

Auch wenn es die Konservativen nicht wahr haben wollen: Die Homo-und-Trans-Evolution nimmt ihren Lauf. Massive Rückschläge, wie sie sich durch immer stärker werdende konservative oder rechtsradikale Kräfte abzeichen, werden sie lediglich verzögern, aber nicht mehr aufhalten können.

Die Machtergreifung Hitlers und das Dritte Reich waren ein solcher massiver Rückschlag. Und jetzt geht es danach mit deutlich mehr Energie und Einfluss wieder aufwärts - und das bei weitem nicht nur in Deutschland sondern weltweit.

Wichtig ist bei dieser Betrachtung, dass es hier um die Natur und um deren Prinzipen einer Selbst-Schöpfung geht, die auch Bestandteil der buddhistischen Lehre ist. Die Natur kennt keine Rücksicht auf einzelne Schicksale. Wer bei ihrer Entwicklung seinen Platz im Leben nicht finden kann oder will, geht unter. Es überleben aber auch immer eine ausreichende Anzahl Individuen, die den Lauf der Evolution immer weiter voran treiben.

Wer also auf der Strecke bleibt, hat vielleicht verloren oder kapituliert, es bleibt aber immer sein Beitrag für das große Ganze. Und wenn wir uns nach dem Buddhismus orientieren, haben wir im nächsten Leben wieder eine neue Chance - bis wir es irgendwann einmal geschafft haben werden und schließlich im Nirvana unseren wohl verdienten Frieden finden.

 

Ich bin eigentlich eher naturwissenschaftlich oder sachlich orientiert, aber die buddhistische Sichtweise spendet meiner Meinung nach viel mehr Trost als das christliche, jüdische oder moslimische Streben nach einem Paradies.

In der Natur ist nichts perfekt. Wo viel Licht ist, gibt es auch viel Schatten. Also muss es auch eine Hölle geben, wenn es ein Paradies gibt. Und je schöner dieses Paradies ist, desto schrecklicher und grausamer muss es in der Hölle sein. Soll ich also meinen Platz im Paradies damit einkaufen, dass ich jemand anderen in die Hölle verbanne?

Ein solches Weltbild kann ich für mich nicht akzeptieren. Wenn ich nicht in die Hölle will, darf ich auch keinen anderen dort hin schicken.

 

Zu diesem kleinen Exkurs zu religiösen Themen möchte ich nur kurz hinzu fügen, dass ich mich - als ursprünglich evangelischer Christ - zu KEINER Konfession bekenne. Aus den vorstehenden Ausführungen ist aber auch zu entnehmen, dass ich KEIN Atheist bin. Ich bezeichne mich daher als HEIDE.

Den bei allen Konfessionen vorhandenen Anspruch, DIE einzige wirkliche Wahrheit zu verbreiten, was dann oft mit Gewalt durchgesetzt wird, kann und will ich nicht unterstützen. Auch der eigentlich so friedliche Buddhismus wurde lange Zeit in Tibet mit dem Dalai Lama als weltliches wie geistliches Oberhaupt mit Gewalt durchgesetzt. Der heutige Dalai Lama möchte davon zwar nichts mehr wissen, aber es ist historisch belegt.

Dieser Gegensatz zieht sich durch alle Religionen. Da hat Jesus von der Liebe gepredigt und seine Vertreter verbreiten Gewalt und Schrecken. Auch steht von Gewalt und Terror als Weg zu Allah nicht wirklich etwas in Koran.

 

Das Prinzip der Evolution sollte nun weitgehend verstanden sein. Es erklärt aber bei weitem nicht alles, was in der Natur beim Zusammenleben der verschiedenen Lebewesen vor sich geht. Ein ganz wesentlicher weiterer Faktor ist dabei das Prinzip der Symbiose, auf das ich im nachfolgenden Kapitel eingehe.

 

Das Prinzip der Symbiose

Die Evolution ist bei Dokumentationen über das Tierreich irgendwie immer das zentrale Thema: der tägliche Kampf ums Überleben, der Bessere setzt sich durch, der ständige Wettbewerb um die richtige Strategie - wer da nicht mithält, verliert und geht unter. So sollen wir wohl auf einen nie endenden sinnlosen Kampf letztlich gegen uns selbst eingeschworen werden.

Nach diesem Prinzip ist zum großen Teil das Zusammenleben in unserer Gesellschaft organisiert. Einen immer kleiner werdenden sozialen Aspekt gibt es da wohl noch, aber doch eher nach dem Motto: Wer beim Wettbewerb um den großen Kuchen nicht mit kommt, kann doch froh sein, wenn für ihn noch ein paar Krümel übrig bleiben.

Ist das in der Natur aber wirklich so brutal und gnadenlos wie es meistens dargestellt wird? - Man könnte es glauben und soll es wohl auch glauben. Aber da gibt es noch ein anderes, aus meiner Sicht viel wichtigeres, Prinzip in der Natur, über das eher selten berichtet wird: das Prinzip der Symbiose.

 

Wenn wir bei der Entstehung des Lebens ganz weit zurück schauen, beginnt alles mit einem sehr einfach aufgebauten Einzeller ohne Zellkern und weitgehend ohne innere Struktur. Solche Einzeller sind im Prinzip heute noch die Bakterien.

Im Laufe der Evolution wurden dann die einzelnen Zellen immer strukturierter. Es gab schließlich einen Zellkern und verschiedene Weitere Zellen in der Zelle, die eine Aufgabe als Organ für bestimmte Stoffwechselprozesse innerhalb der Zelle übernahmen.

Als nächster Schritt fanden sich dann mehrere Zellen zu einem Verband zusammen - zunächst wieder ganz einfach ohne komplexere Strukturen wie bei einer Qualle, bis sich schließlich solche Zellen zu hoch komplexe Lebewesen wie dem Menschen zusammen fanden.

 

Betrachtet man ausschließlich das Prinzip der Evolution, hätte immer nur eine primitive Ur-Zelle eine andere gefressen, sich geteilt, wieder gefressen, sich wieder geteilt und so weiter, bis ans Ende aller Tage. So war und ist es aber nicht.

Wenn eine Zelle etwas durch die Zellwand hindurch in sich aufnimmt, zerlegt sie das üblicherweise in seine chemischen Bausteine und baut diese entweder in ihren Körper ein oder gewinnt Energie daraus. Wird also eine andere Zelle aufgenommen, sollte sie somit komplett aufgelöst und verwertet werden.

Offensichtich haben einige Zellen aber gelernt oder irgendwie erkannt, dass solche aufgenommenen Zellen sehr nützlich sein können, wenn sie als lebender Organismus in ihrem Inneren verbleiben. Dann können sie als Organ eine spezielle Aufgabe übernehmen, woraus sich für das nun entstandene System aus zwei Zellen ein Vorteil für die Evolution ergibt.

 

Nun bietet die äußere Zelle der inneren den Lebensraum, der für sie ideal ist, und schützt sie vor anderen Zellen, die sie fressen wollen. Als Gegenleistung übernimmt die innere Zelle eine ganz bestimmte Aufgabe beim Stoffwechsel, die sie nun geschützt und in einer optimalen Ungebung sehr effektiv erledigen kann.

Wir haben damit ein System, das nicht wie die Evolution auf Wettbewerb und Auslese, sondern auf gegenseitiges Geben und Nehmen beruht: eine Symbiose.

 

Aus dem Biologieunterricht kennen wir sicherlich noch die Flechte als Beispiel für eine Symbiose. Sie ist ein Pilz in dessen Inneren Algen leben. Die Algen betreiben Photosynthese und versorgen so mit Hilfe des Sonnenlichts den Pilz mit Nährstoffen. Dafür bietet der Pilz den Algen in seinem Inneren die feuchte Umgebung, die sie zum Überleben brauchen.

Ohne den Pilz würden die Algen vertrocknen, und ohne die Algen könnte der Pilz nur in einer Ungebung überleben, in der er genügend Nahrung findet. Erst das Zusammenleben von Algen und Pilz als Symbiose bietet für beide einen großen Vorteil bei der Evolution. Aber auch überall sonst in der Natur sind immer BEIDE Prinzipien aktiv - Evolution UND Symbiose.

 

Manche sehen in einem Bienen- oder Ameisenstaat so etwas ähnliches wie eine totalitäre Staatsform. Da gibt es eine Königin, die ein ganzes Volk für sich arbeiten lässt. Und dann ist diese Königin auch noch so unverschämt, dass sie bei ihren Untertanen den Sex verbietet und es nur ausgesuchte Männchen gibt, die es mit ihr treiben dürfen.

So kann man die Sache - eher oberflächlich betrachtet - natürlich sehen. Aber schauen wir uns die Königin einmal an. Da ist beispielsweise bei den Ameisen ein übergroßer fast unbeweglicher Körper, der nichts anderes kann und macht, als ständig Eier zu produzieren. Würde er von den Arbeiterinnen nicht ständig gepflegt und gefüttert, könnte er nicht überleben.

Lebt so eine Königin, die ihre Untertanen ausbeutet? Da sind nicht die Arbeiterinnen der Macht der Königin ausgeliefert, sondern die Königin ist von den Arbeiterinnen abhängig. Würden die nämlich einfach in den Streik treten, müsste die Königin verhungern.

 

Ich denke, wir sehen eine solche totalitäre Machtstruktur in einem Ameisen- oder Bienenstaat, weil wir selbst solchen Machtstukturen ausgesetzt sind. Wenn wir uns selbst unterdrückt fühlen, übertragen wir das auf die Arbeiterinnen bei den Bienen oder Ameisen.

Wo ist da aber nun der Unterschied? Sehen wir uns also die Kammern in einem Ameisenhaufen an. Da gibt es im Hinblick auf Luxus oder Wohlstand keinen Unterschied zwischen denen der Königin und denen der Arbeiterinnen. Man lebt also unter gleichen äußeren Bedingungen in einem großen „Haus” zusammen.

Jeder macht in der Gemeinschaft seine Arbeit: die Arbeiterinnen schaffen die Nahrung heran und füttern die Königin und den Nachwuchs, die Soldaten halten Feinde auf Distanz, die Königin legt Eier, und die geflügelten Männchen schwirren aus um irgendwo bei einem anderen Staat eine Königin zu befruchten.

Wenn die Soldaten neben den Arbeiterinnen ständig aufpassen, kann das natürlich den Eindruck erwecken, sie würden sie mit Gewalt zur Arbeit zwingen. Wen greifen die Soldaten aber an? Sie gehen doch auf uns los, wenn wir dem Ameisenhaufen zu nahe kommen, und bespritzen uns mit ihrem Gift.

 

 

Bei genauer Betrachtung ist also ein Ameisen- oder Bienenstaat ein Beispiel für eine gut funktionierende Symbiose. Durch die Arbeitsteilung ergibt sich für den Staat insgesamt ein großer Vorteil bei der Evolution, bei der er mit den Tieren in der Umgebung und mit anderen Staaten im Wettbewerb steht.

Der Staat selbst lebt also nach dem Prinzip der Sympiose, während die Staaten untereinander nach dem Prinzip der Evolution oder Auslese in Konkurrenz treten.

 

Eine weitere Form einer der Symbiose sind Schwärme. Hier gibt es Regeln, nach denen sich alle Beteiligten richten. Beim Formationsflug der Zugvögel führt beispielsweise immer ein Vogel die Formation an und alle anderen nutzen kräftesparend jeweils die Wirbelschleppe des vorher Fliegenden aus.

Wenn dann der voraus fliegende Vogel müde wird, lässt er sich nach hinten abfallen, und er nächste übernimmt die anstrengende Position an der Spitze.

In Schwärmen schwimmen Fische immer nach einem ganz bestimmten Muster dicht gedrängt umeinander herum und verwirren so einen Jäger auf der Suche nach Beute.

 

Kommen wir nun zu den mehrzelligen Organismen zurück. Bei ihnen wiederholt sich die Struktur mit Zellkernen oder Zellorganen als Zelle in einer Zelle immer wieder vom Kleinen zum Großen. Außen schließen sich zunächst einmal Zellen zu einer Haut oder Hülle zusammen, und innen bilden sie verschiedene Organe, die wiederum aus vielen Zellen bestehen.

Jedes Organ besitzt dabei ebenfalls eine Haut oder Hülle aus Zellen. Damit ist es ein höheres Lebewesen in einem anderen höheren Lebewesen. Dabei gibt es seine Eigenständigkeit auf, übernimmt eine spezielle Aufgabe im Organismus und erhält von diesem Schutz nach außen.

 

Im Sinne der Symbiose entsteht so ein Gleichgewicht von Geben und nehmen. Dieses Gleichgwicht kann nun wie jedes andere gestört werden. Nehmen wir also einmal an, das Organ wäre die Leber in einem menschlichen Körper.

Im Inneren dieses Körpers erhält sie Schutz und Wärme, und dafür versorgt sie Magen und Darm mit Enzymen für die Verdauung. Wie „fühlt” sich aber diese Leber nun, wenn sie der Körper, in dem sie lebt und von dem sie abhängig ist, ständig mit Alkohol vergiftet?

Irgendwann hat sie doch dann keine „Lust” mehr. Sie „weiß” dass es ihr Ende bedeutet, wenn sie ihre Aufgabe verweigert und damit den Körper schwer krank werden und schließlich sterben lässt. Aber welche Alternative hat sie? Sie kann den Körper nicht einfach verlassen und ihren eigenen Weg gehen.

 

Also was macht diese Leber? - Sie leidet still vor sich hin, solange sie das noch irgendwie aushalten kann. Ihre Aktivität schränkt sie nun ein oder ändert sie. Damit setzt sie dem Körper zu, damit er das mit dem Alkohol endlich einschränkt.

Wie reagiert aber der Körper? Er hat ja irgendwann zur Flasche gegriffen, weil es ihm schlecht ging. Nun geht es ihm noch schlechter. Also braucht er jetzt ein paar Flaschen mehr. Und entsprechend mehr leidet die Leber.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten das Gleichgewicht wieder herzustellen. Entweder der Körper ändert sein Verhalten und wendet sich vom Alkohol ab, oder die Leber gibt auf und geht gemeinsam mit diesem Körper zugrunde.

 

Wenn die Leber nun extrem leidet, kann sie auch eine Strategie entwickeln das gemeinsame Ende schneller herbei zu führen. Dafür stellt sie ihre Beschäftigung nicht einfach ein, sondern sucht sich eine neue, die den Körper nun möglichst extrem schädigen soll.

Das geht recht einfach, wenn sie einen Teil ihrer Zellen dazu bringt, sich einfach nur noch massenhaft zu teilen und dabei dem Körper möglichst viele Nährstoffe zu entziehen. Der Körper wird sich dagegen natürlich wehren und sein Immunsystem gegen die den nun entarteten Teil der Leber antreten lassen. Er ist aber vom Alkohol geschwächt. Also ist jetzt die Leber im „Vorteil”.

Ein Teil von ihr wächst nun zu einem immer größeren, für den Körper nutzlosen Gebilde heran. Die Verdauung funktioniert nicht mehr richtig, und dieses große nutzlose Ding drückt auf die anderen Organe und verursacht damit Schmerzen.

 

Und was macht der Körper nun? - Er holt sich Hilfe. Das ständig wachsende nutzlose Ding muss endlich weg. Man Operiert es heraus, und allem, was davon im Körper noch verbleibt, setzt man mit starkem Gift und radioaktiver Bestrahlung zu.

Die viel zu kleine, noch funktionierende Leber, das viele Gift und die Radioaktivität lassen nun auch die anderen Organe massiv leiden. Also haben auch sie bald keine „Lust” mehr. Die Sache mit dem massenhaften Teilen den Zellen erscheint nun auch für einige von ihnen „zielfühernd”. Das haben sie nun von der Leber „gelernt”.

 

Auch wenn sich das mit dem Alkohol nun mit Hilfe der Ärzte erledigt hat, wird der Körper nur noch schwer wieder gesund. Es hat zuerst die Leber „aufgegeben” und die anderen Organe „folgen” nun ihrem Beispiel.

So beginnt ein langer zermübender Kampf gegen die Organe, die sich gegen die extrem schlechten Bedingungen in ihrem Lebensraum „auflehnen” und deshalb den gemeinsamen Untergang einem nie enden wollenden Leiden vorziehen.

 

Aus dem Blickwinkel der Symbiose ist es also sehr verständlich, warum eine Krebsbehandung, so wie man sie heute praktiziert, mit sehr viel Aufwand nur mäßigen Erfolg verspricht. An die Stelle des aus dem Gleichgewicht geratenen Prinzips der Symbiose tritt nun das Prinzip der Auslese.

Dabei Treten die sich „auflehnenden” Organe mit den Krebszellen, gegen die Organe in Konkurrenz, die ihren Lebenraum im Inneren des Körpers nicht verlieren und damit zugrunde gehen wollen. Statt den Körper als Symbiose gemeisam gesund zu halten bekämpen sich die Organe nun gegenseitig.

 

Anmerkung: Dieses Beispiel soll nicht irgendwie zeigen, dass Alkohol Leberkrebs auslöst. Es geht mir hier um das Prinzip, und für dieses spielt es keine Rolle, ob der Auslöser für Krebs nun Alkohol, Teer in der Lunge, Feinstaub oder irgend etwas anderes ist.

 

Aus der Sicht der Symbiose wäre es bei Krebs grundsätzlich sinnvoller das gestörte Gleichgewicht wieder herzustellen als mit Gift und Strahlen gegen die entarteten Organe vorzugehen. Und je früher man die Sache erkennt, ist dabei die Aussicht auf Heilung.

Ist das Gleichgewicht wieder hergestellt, hat das Immunsystem eine gute Chance alle Krebszellen nach und nach zu vernichten, während keine neuen mehr entstehen.

Ich vermute, dass es in dem meisten Fällen, bei denen der Krebs vollständig geheilt wird, zu einem Wiederherstellen dieses Gleichgewichts kommt. Bleibt es beim Kampf der Zellen oder Organe gegeneinander, bleiben immer wieder Krebszellen übrig, die sich irgendwann wieder massenhaft vermehren.

 

Wer also an Krebs erkrankt, muss seinen Körper und auch seinen Geist im Sinne einer Symbiose wieder ins Gleichgewicht bringen. Wie groß der Anteil der üblichen Krebsbehandlung an diesem Erfolg dann ist, kann niemand wissen.

Wissenschaftliche Studien berücksichtigen nur Menschen, die sich mit den üblichen Methoden behandeln lassen. Wer diese Behandlung ablehnt und dann trotzdem gesund wird, erscheint in keiner anerkannten Statistik mehr. Sollte es also da messbare Erfolge geben, werden diese nicht wissenschaftlich-seriös dokumentiert.

Damit ist unklar, ob die vielen so genannten Scharlatane, die alternative Krebsbehandlungen fordern und anbieten, tatsächlich Erfolge vorweisen können oder nicht. Die anerkannte Medizin warnt jedenfalls eindringlich vor ihnen. Sind aber vielleicht diese „Scharlatane” nichts anderes als ernste Konkurrenten, die man aus dem Geschäft drängen möchte?

 

Ich kann und will hier niemandem etwas raten. Falls ich Krebs haben sollte, weiß ich das nicht, weil ich mich nicht untersuchen lasse. Ich lehne für mich die übliche Behandlung ab und sehe den Tod als des kleinere Übel an. Also würde ich erst dann zum Arzt gehen, wenn es mit größter Wahrscheinlichkeit bereits lange zu spät ist.

Unter diesem Aspekt wäre nichts zu verlieren wenn man es einfach mit den Methoden des einen oder anderen „Scharlatans” einmal versucht. Dann kann man sich vielleicht freuen, wenn man gesund wird, und lässt sonst einfach den Dingen ihren natürlichen Lauf, bei dem der Tod heute einen viel zu wenig beachteten Platz einnimmt.

Aber wie gesagt, so sehe ICH das für MICH.

 

Was das „Wohl Fühlen” der inneren Organe betrifft, sind neben Giften wie dem Alkohol im vorstehenden Beispiel auch die äußeren Lebenbedingungen wesentlich beteiligt. In der Medizin spricht man dabei von Psychosomatik.

Die heute überall weit verbreiteten Darmprobleme haben neben Bluthochdruck und Herzproblemen oft ihre Urasche im immer größer werdenden Stress am Arbeitsplatz oder bei der Angst vor einer globalen ökologischen Katastrophe. Wer ständig Angst hat, überträgt diese auch auf seine Organe, die sich dann im Körper nicht mehr optimal geschützt „fühlen”.

Und damit ist das Gleichgewicht der Symbiose bereits gestört. In diesem Sinne erzeugt eine kranke Gesellschaft auch kranke Menschen.

 

Kommen wir nun zum Prinzip der Symbiose in unserer Gesellschaft. Die Ordnung unsere Zusammenlebens ist immer noch von Männern geprägt, auch wenn schon lange die Gleichberechtigung von Mann und Frau Bestandteil der Verfassung ist. Und beim Wettberwerb um ein Weibchen zur Fortpflanzung treten bei Säugetieren und dabei insbesondere bei Primaten die Männchen nach dem Prinzip der Auslese gegeneinander an. Damit verbunden sind auch immer wieder hierarchische Strukturen beim Zusammenleben.

Das Prinzip der Symbiose wenden dagegen die Weibchen beim Aufziehen des Nachwuchses an. Wenn es darum geht den Nachwuchs zu beschützen oder gegen Fressfeinde zu verteidigen, unterstützen sich die Weibchen gegenseitig. In diesem Sinne könnte man bei der Auslese vom männlichen und bei der Symbiose vom weiblichen Prinzip sprechen.

 

Auf unsere Gesellschaft übertragen folgt die Führung eines Staates dem männlichen Prinzip, da er immer noch überwiegend von Männern regiert wird. Und wenn es dann doch eine Frau an der Spitze gibt, wendet die auch eher das männliche Prinzip an. In der Regierung gibt es zwar inzwischen immer mehr Frauen. Bei den Vorständen großer Konzerne sieht das aber noch ganz anders aus.

Vergleicht man einen Staat mit einem Organismus, wie bei den Bienen oder Ameisen, wird dieser bei uns nach dem falschen Prinzip geführt. Statt einer Symbiose, bei der jeder eine bestimmte Aufgabe übernimmt und an einem gemeinsamen Ziel gearbeitet wird, gibt es eine Rangordnung mit einem Wettbewerb um die besten Plätze darin.

 

Ein Wettbewerb nützt immer nur dem, der daraus als Gewinner hervorgeht. So entsteht eine Rangordung, die sich von den größten Gewinnern bis hin zu absoluten Verlierern erstreckt Mit dieser der Rangordnung verteilt sich die Arbeitsleistung nicht gleichmäßig über alle Mitglieder des Staates. Wichtige oder angesehene Arbeiten sind den Gewinnern vorbehalten und die Verlierer dürfen froh sein, wenn sie sich für einen bescheidenen Wohlstand bei wenig angesehenen Tätigkeiten abrackern müssen.

 

So ist die Motivation bei den Gewinnern groß und bei den Verlierern klein. Als man noch viele Arbeiter für korperlich schwere aber einfache Arbeiten brauchte, funktionierte dieses Prinzip gut. Heute werden aber solche Arbeiten von Maschinen und Robotern erledigt. Also zahlt der Staat den größten Verlierern einem minimalen Unterhalt, damit sie nicht kriminell werden und damit die Ordnung gefährden.

 

Bei allen, die eine Beschäftigung haben, ist die innere Bereitschaft dem gesamten System zu nutzen je kleiner, um so weiter unten sie sich in der Rangordnung befinden. Als gefühlter Verlierer möchte man zumindest unbewusst ordentlich Sand in das Getriebe unserer Gesellschaft streuen - so wie die vom Alkohol vergiftete Leber ihre Funktion so langsam einstellt. Dann ist innerlich die Freude groß, wenn mal wieder im Betrieb das Chaos ausbricht.

 

So etwas ist keine Grundlage für eine gut funktionierende Gemeinschaft. Fühlen sich dagegen die meisten nicht als Verlierer, sondern als wichtiges Mitglied einer gut funktionierenden Symbiose, gibt es nur selten Probleme, bei denen es immer zu einem großeren zusätzlichen Arbeitsaufwand bei den Ranghöheren kommt. Diese weisen dann ihre Kollegen in den niedrigeren Rängen zurecht, was deren inneres Bedüfnis nach Sand im Getriebe immer größer werden lässt.

 

Zusammengefasst kann man also sagen: Je komplexer ein Organismus oder eine Gesellschaft ist, desto mehr ist das Prinzip der Symbiose für dessen Funktionieren notwendig. In einem komplexen System sind die Anforderungen vielfältig. Dabei braucht jedes Individuum eine Gelegeneheit die Fähigkeiten zu entwickeln, die es in die Gemeinschaft einbringen kann.

Das Prinzip der Auslese ermöglicht dagegen eine schnelle Anpassung an klar definierte und weitgehend konstante Lebensbedingungen, wenn beispielsweise vor allem viel Kraft für körperlich schwere Arbeit gebraucht wird, wobei die weniger Geeigneten einfach aussortiert werden.

Mein Weg zur Erkenntnis

Ich bin in einer Zeit groß geworden, als Homosexualität noch per Gesetz verboten war und niemand über Transsexualität redete. Es gab Travestie-Auftritte in entsprechenden Lokalen. Sonst gab es - außer vielleicht hier oder da mal in einem eher negativ geprägtem Artikel in einer Zeitung - nichts über Transmenschen zu hören, zu sehen oder zu lesen.

Transvestiten galten als krank oder pervers. Gelegentlich sah man sie auf dem Straßenstrich - also dort, wo man es als anständiger Mensch nicht zugab, wenn man gelegentlich dort hin ging. Kontakte zu Homo- oder Trans-Menschen hatte ich nicht. Und falls ich zufällig einen Schwulen kannte, dann wusste niemand, dass der schwul ist - auch ich nicht.

 

Irgendwie war aber dieses völlig undefinierte Gefühl, dass mit meiner Rolle als Junge und später als Mann irgendwie etwas nicht stimmte, wahrscheinlich schon immer vorhanden. Einige Zeit dachte ich, es begann erst mit meiner Pubertät, als mein Frauenkleider-Fetisch - oder zumindest das, was ich dafür ansah - so ganz langsam in Erscheinung trat.

Vor meiner Einschulung lebte ich wohl behütet von den Eltern aber mit wenig Kontakt zu anderen Kindern. In einen Kindergarten ging ich nicht. Ich kann mich noch schwach erinnern, dass ich damals eine Puppenstube und ein Puppenhaus hatte. Beides hat mein Vater aus Sperrholzplatten zusammen gebaut und auch die Einrichtung dafür in Spielzeugläden zusammen gekauft.

Statt der bei einem Mädchen üblichen kleinen Puppen spielte ich darin mit kleinen Tierchen aus Schaumstoff. Das sollte wohl ein Zugeständnis dazu sein, dass ein Junge nicht mit Puppen spielt. Für mich als Kind machte das aber keinen Unterschied.

Bald kamen dann zum Spiel mit den Tier-Püppchen Bauklötze, technisch orientiete Baukästen, Spielzeugautos und schließlich eine elektrische Eisenbahn hinzu. Das sollte mich wohl ohne Zwang vom Spiel mit den Puppen weg bringen und tat das auch - erst einmal.

 

Als ich in die Schule kam, mussten die Puppenstube und das Puppenhaus verschwinden. Ich wollte nicht, dass meine Mitschüler das sahen. Ich gab das Spiel mit den Puppen aber nicht wirklich auf.

Ich kann mich noch erinnern, das ich meine Eltern so lange immer wieder nervte, bis sie eine Weltraumstation für mich kauften, in der ich mit Astronauten-Puppen spielen konnte. Das Ding war damals richtig teuer.

Interessanterweise spielten einige meiner männlichen Mitschüler immer sehr gerne mit mir zusammen mit dieser Weltraumstation und den kleinen Astronauten. Es war damals die Zeit der Mondlandung und als Fernsehserie faszienierte „Raumschiff Enterprise” uns als Kinder.

 

Mit der Einschulung und dem weitgehend fehlenden Kontakt zu andern Kindern davor ergab sich ein anderes Problem. Ich hatte keine Erfahrung im Umgang mit anderen und wurde immer wieder gehänselt oder verprügelt.

Als Lösung für dieses Problem meldete mich meine Mutter mit Unterstützung vom meiner Großmutter mütterlicherseits in einer Sportschule für Kampfsport zum Judo an. Die Schule hatte neben Judo auch Karate im Angebot, das damals aber nur für Erwachsene.

Also machte ich dort Judo bis zum grünen Gürtel, stellte aber fest, dass mir das zur Verteidigung wenig nützte. Wenn ich jemanden mit einer Judo-Technik zu Boden bringen will, muss ich ihn erst einmal zu fassen bekommen. Viel effektiver sind da die Schlag- und Tritt-Techniken beim Karate.

 

Also suchte und fand ich einen Weg Karate zu lernen. Das Karate-Training fand immer abends nach meinem Judo-Training statt. Also zog ich mich nach dem Training um und verließ die Sportschule. Statt aber nun nach hause zu fahren versteckte ich meine Sporttasche in einem Gebüsch und schlich mich zur Sportschule zurück.

Während das Karate-Training stattfand war außer dem Karate-Lehrer nur noch eine Putzfrau im Gebäude, die immer irgendwo bei den Umkleideräumen und Duschen beschäftigt war. Also konnte ich unbeobachtet die Treppe zum Karateraum hinauf schleichen und dort aus einer Deckung heraus das Training verfolgen.

Zuhause wunderte man sich zunächt, wieso ich immer erst so spät zurück kam. Die Sportschule war aber in einem anderen Stadtteil. Ich musste mit Bus und Straßenbahn fahren und mehrmals Umsteigen. Also konnte ich erzählen, dass die Anschlüsse extrem schlecht waren und ich immer sehr lange warten musste. Meine Eltern wunderten sich zwar immer darüber, aber akzeptierten es irgendwann.

 

Was ich nun beim Karate-Training immer beobachtete und alles, was der Karate-Lehrer erklärte, probierte und übte ich nun immer, wenn ich irgendwo alleine draußen unterwegs war. Und so war es dann schnell vorbei mit den Hänseleien. Ein falsches Wort und es gab ordentlich eins auf die Nuss.

Einmal versuchte man noch mich mit vereinten Kräften zu verprügeln. Am Ende lag dann einer von denen winselnd am Boden und die anderen waren davon gelaufen.

Meine Ruhe hatte ich nun, aber mehr soziale Kontakte auch nicht. Viele fürchteten sich nun vor mir und gingen mir aus dem Weg. Das verstärkte ich auch noch, indem ich immer wieder auf Baustellen zeigte, was ich gelernt hatte, und mit bloßen Händen Dachziegel kaputt schlug.

 

Es war auch sonst eher schwierig mit den Kontakten. Fußball interessierte mich beipielsweise überhaupt nicht. Das Mitspielen auf einem Bolzplatz hatte sich schnell erledigt, da ich mich immer extra ungeschickt anstellte. Aber ich musste wenigstens mitreden können.

Also schaute ich mir nicht die Spiele im Fernsehen an, aber immer die Zusammenfassungen in den Nachrichten. So wusste ich dann wenigstens, das Beckenbauer beide Tore des 2:0 geschossen hatte, das eine mit einer Vorlage von Breitner und das andere als er bei einem gegnerischen Spieler dazwischen ging.

Wer so etwas nicht wusste, war doof. Mit so jemandem redete man aus Prinzip nicht. Also musste ich es wissen, obwohl es mich überhaupt nicht interessierte.

 

Fußball hat mich auch später nie wirklich interessiert, was der Freund meiner Mutter - mein Vater war da schon länger verstorben - nicht begreifen konnte. Also musste ich ihn immer mal wieder ein wenig ärgern.

Ich ging das Fernsehprogramm durch und sagte: „Du guckst ja heute wieder Fußball. Heute spielt Borussia gegen Dortmund.” Er schaute mich an, als ob er mich im nächsten Moment auffressen wollte. Dann musste er schlucken. Es spielte Borussia Mönchengladbach gegen Borussia Dortmund. Also war es richtig, was ich gesagt hatte.

 

Auch wenn ich bei den Jungs beim Fußball ein wenig mitreden konnte, passte es bei anderen Themen oft nicht. Irgendwie fühlte ich mich nie so richtig dazu gehörig. Und bei den Mädchen hieß es: „Hau ab, du bist ein Junge.” Schließlich blieben mir dann oft nur noch meine Bauklötze.

Ich kann mich nicht daran erinnern als Kind einmal heimlich Frauenkleider angezogen zu haben. Meine Mutter erzählte nur gelegentlich, dass ich als kleines Kind die dunklen Schuhe für Jungs nie anziehen wollte. Da war es dann oft schwierig Exemplare in einer helleren Farbe zu bekommen.

Auch ist mir nichts darüber bekannt, dass ich einmal geäußert hätte ein Mädchen zu sein. Vielleicht liegt es daran, dass ich Einzelkind war. Da gab es keine Schwester, die ich um ihre Rolle als kleines Mädchen in meiner Familie hätte beneiden können.

 

Als ich in die Grundschule und dann in die Unterstufe des Gymnasiums ging, waren Cowboy und Indianer als Verkleidung beim Kinder-Karneval angesagt. Ich hatte Kostüme und Ausrüstung für beide Varianten. Aber der Indianer hatte es mir irgendwie angetan.

Dazu hatte ich eine lange schwarze Perücke und dazu ein Stirnband mit Feder. Dann ein Kostüm mit buntem indianischem Muster, das man durchaus als Kleid ansehen konnte. Mit dieser Verkleidung war es nicht eindeutig, ob es männlich oder weiblich sein sollte. Ich sah damit ein gutes Stück aus wie Winnetous Schwester im Film.

Und jetzt kommt es: Ich kann mich erinnern, dass ich dieses Kostüm einmal nicht mehr ausziehen wollte, als der Karneval vorbei war. Waren es die langen Haare oder das „Kleid”? Ich weiß es nicht? Jedenfalls wollte ich meine langweiligen Alltags-Jungen-Sachen nicht wieder anziehen. Ich machte es schließlich widerwillig und war nur noch schrecklich traurig.

Die langen Haare könnten es durchaus gewesen sein. Ich hasste es jedenfalls immer abgrundtief, wenn ich zum Frisör musste und sie, wie bei Jungen üblich, kurz abgeschnitten wurden. Später setzte ich es durch meine Haare lang zu tragen.

 

Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass ich als Kind irgendwie das Bedürfnis hatte meine Männlichkeit besonders zu zeigen. Das änderte sich mit der Pubertät. Da muss es wohl beim Werben um eine Freundin einen starken Konkurrenzdruck gegeben haben. Schließlich konnte bei mir alles nicht männlich genug sein.

Und damit passte es wieder nicht. Nach außen zeigte ich den echten Kerl, aber mein Wesen war ganz anders. So wollte es mit einer Freundin nie klappen. Wahrscheinlich war meine Erscheinung zunächst interessant, aber dann stellte sich heraus, dass ich in Wirklichkeit ganz anders war - im Verhältnis zu der Erwartung wohl total „langweilig”. Ich zeigte einfach nicht das angeberische Verhalten, das zu einem echten Kerl wohl dazu gehört.

Also träumte ich immer nur von einer Freundin, während mir nichts anderes übrig blieb als zu Masturbieren. Eine Gelegenheit zu normalem Sex mit einer Frau bot sich nicht. Und es breitete sich Aids immer mehr aus. Wenn man sich damit ansteckte, war das ein Todesurteil. Wirksame Medikamente gab es noch nicht. Die schnelle Nummer zwischendurch war damit für mich zu riskant und eine feste Beziehung kam nicht zustande.

Ein Kondom sah ich nicht als wirklich wirksamen Schutz vor einer Ansteckung an. Es war zwar erheblich sicherer als ohne, aber erfahrungsgemäß rutschte so ein Ding immer wieder einmal herunter. Also ließ ich es mit dem normalen Sex und masturbierte nur.

 

Als ich einmal in alten Fotos herum stöberte, erkannte ich, dass ich meine Weiblichkeit bereits in meiner Jugend zeigte - ohne irgendwie auf die Idee gekommen zu sein auch nur im Entferntesten etwas mit trans zu tun haben zu können. Es war in den 1970er Jahren, in der Zeit der Hippies. Da fiel es überhaupt nicht auf, wenn ein Junge lange Haare hatte. Also ließ ich meine „Wolle” auf dem Kopf einfach wachsen.

Jetzt habe ich einfach mal ein Foto von damals einem aktuellen gegenüber gestellt. Es ist doch einfach nur verblüffend wie sehr sich die Erscheinung ähnelt. Man stelle sich einfach links ein Kleid vor. Dann ist da doch zwei mal die selbe Frau, einmal als junges Mädchen und dann etwa 45 Jahre später.

 

 

Auf dem linken Foto bin ich ungefähr 15 Jahre alt. Etwa sechs Jahre später sah ich dann bereits so aus:

 

 

Die langen Haare sind dem Wehrdienst zum Opfer gefallen und meine Männlichkeit unterstrich ich schon länger mit einem Oberlippenbart. Zu meinem passenden Auftritt als Mann gehörte damals auch schon eine 500er Honda. Und als „Dienstfahrzeug” bewegte ich einen Leopard-Panzer.

Von meinem Frauenkleider-Fetisch durfte damals niemand etwas wissen. Damit muss es irgendwann in der Pubertät angefangen haben. Daran, wann das genau war, kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich weiß nur, dass ich einmal maskiert als Hexe zum Karneval ging. Die Maske trug ich, weil ich den Oberlippenbart nicht abrasieren wollte. Ob das nun vor oder nach dem Wehrdienst war, bekomme ich nicht mehr zusammen.

Ich kann mich erinnern, dass ich ein oder zwei mal als Frau zu einer Studenten-Karnevals-Fete ging. Dabei trug ich das Hexen-Kostüm. Ob mit oder Maske weiß ich nicht mehr. Später gab es dann eine Rollentausch-Party bei mir zuhause. Da zeigte ich mich als Frau im Abendkleid mit hochhackigen Schuhen, langen Handschuhen, unmaskiert und mit abrasiertem Bart.

Ein Hexen-Kostüm, das ich neu angeschafft hatte, trug ich später noch einmal zum Karneval. Damit zog ich - jetzt wieder unmaskiert - zusammen mit einer Bekannten den ganzen Tag durch die Stadt und tanzte danach noch bis zum frühen Morgen in einem irischen Pub. Zu der Zeit arbeitete ich schon länger als Ingenieur.

 

Neben den Karnevalskostümen hatte ich Strumpfhosen, hohe Schuhe, Perücken und Masken, die ich nur zuhause als Fetisch zur sexuellen Erregung beim Masturbieren nutzte.

Mit der Zeit wurde es damit immer skurriler. Jeder Fetisch funktioniert immer nur eine gewisse Zeit. Dann braucht es etwas neues. Also habe ich mit allem möglichen herum probiert: Fesseln, Knebel, Masken und ähnliches aus der Sado-Maso-Szene.

Schließlich versuchte ich es mit einer aufblasbaren Puppe. Das funktionierte irgendwie gar nicht. Die sah zwar wie eine schöne Frau aus - ich hatte da schon etwas tiefer in die Tasche gegriffen -, aber es regte sich nichts an ihr. Es blieb für mich einfach ein toter Gegenstand.

Am meisten hat es mich immer erregt, wenn ich im Spiegel das Bild einer lebenden schönen Frau sehen konnte. Irgendwann stieß ich dann im Fernsehen auf Männer, die sich in lebende Gummipuppen verwandeln. Es war ein Krimi: CSI Las Vegas. Man fand eine nackte männliche Leiche und nebendran in der Mülltonne den Puppen-Gummianzug mit Maske.

 

Ich stöberte im Internet herum und informierte mich über alles, was man zu diesem Thema wissen musste. Eins erkannte ich schnell: Wenn man das richtig machen wollte, wurde es auch richtig teuer. Die Bilder davon lösten bei mir irgendwie eine Mischung aus Schock und Faszination aus.

Die Faszination war, dass dabei ein hässlicher alter Mann - und als ein solcher fühlte ich mich - zu einer Gummipuppe werden konnte, die eine wunderschöne Frau darstellt. Die Illusion war perfekt, aber für mehr als ein paar Fotos oder Videos taugte die Sache doch irgendwie nicht.

 

Inzwischen stöberte ich auch im einem Transgender-Forum herum - erst einmal nur als Gast. Dort ging es vor allem darum, als Frau in die Öffentlichkeit zu gehen. Sollte ich also jetzt einen großen Auftritt irgendwo draußen als Gummipuppe planen?

So etwas kann man sicherlich machen, muss man aber nicht wirklich. Man kann sich dann auf jeden Fall darauf gefasst machen, dass man von allen intensiv angstarrt wird.

Aber was wollte ich nun: einen neuen Fetisch oder als Frau in die Öffentlichkeit. Für den neuen Fetisch hätte ich tief in die Tasche greifen müssen. Um aber einfach nur als Frau in die Öffentlichkeit zu gehen war alles da: Kleidung, Schuhe, Perücken, Make-Up, usw.. Ich brauchte es „einfach” nur zu tun.

 

Das Problem war aber dieses „einfach”. Wie würden die Leute reagieren? Gut, ich kannte es schon vom Karneval, aber einfach so im normalen Alltag war das doch etwas anderes. Und was wäre, falls mich jemand erkennt und die Sache bei allen Nachbarn im Dorf die Runde macht? - Das wäre doch einfach nur peinlich, dachte ich.

Also suchte ich nach Gelegenheiten zum Umziehen. Die gab es in Form von Behinderten-Toiletten im Simmerner Globus-Markt und im Freibad. Behinderten-Toiletten sind da doppelt vorteilhaft. Zum einen gibt es darin genug Bewegungsfreiheit und zum andern sind sie unisex. Als Mann rein und als Frau wieder raus oder umgekehrt fällt also niemandem auf.

 

Als ich dann einmal zusammen mit meinem Cousin schwimmen ging, packte ich ein paar eher weibliche Sachen und eine Perücke ein. Wir gingen ziemlich früh am Tag ins Freibad. Da war erst einmal noch wenig Betrieb.

Also zog ich die Frauensachen an und wir gingen nur so um das große Becken herum, was niemanden interessierte. Dann machten wir ein paar Fotos. Danach zog ich eine Badehose an und wir gingen ganz normal schwimmen wie immer.

 

 

Kurze Zeit später gab es dann eine Aktion im Globus-Markt. Nun machte ich bereits den gesamten Einkauf als Frau in einem roten Sommerkleid. Wieder gab es recht wenig Reaktionen darauf. Viele waren offensichtlich so mit ihrem Einkauf beschäftigt, dass ihnen gar nichts auffiel.

Es lief also alles gut. Nur die Umzieherei auf der Toilette nervte. Es konnte ja ständig jemand kommen, der die Toilette benutzen wollte. Also hatte ich keine Ruhe für das Umziehen und vor allem für das Make-Up. Dabei wurde ich nervös und es wollte einfach nicht richtig klappen.

 

Ich zog mich erst einmal um und begann dann mit dem Make-Up. So konnte ich die Toilette verlassen, falls sie jemand benutzen wollte, und danach wieder hinein gehen. Aber ein gutes Gefühl hatte ich dabei nicht, und in dem Toilettenraum war es heiß und stickig. Ich schwitzte wie in einer Sauna.

Mit dem herunter rinnenden Schweiß war auch kein anständiges Make-Up hin zu bekommen. Was zuhause am Spiegel überhaupt kein Problem war, gelang einfach nicht. Es ging nicht recht voran, und ständig konnte jemand die Toilette benutzen wollen. So fand ich nicht die nötige Ruhe.

Als ich dann endlich so einigermaßen akzeptabel als Frau zurecht gemacht war, musste ich mich erst einmal erholen.

 

 

Wie sollte es also weiter gehen? Entweder ich blieb dabei immer nur zuhause als Fetisch Frauenkleider anzuziehen oder ich musste mich komplett outen. Das mit der Umzieherei auf Toiletten war keine Dauerlösung. Aber was hatte ich zu verlieren? - Eigentlich doch nichts.

Also machte ich den Schritt. Ich ging einfach als Frau vor die Tür. Und? Es gab ein paar irritierte Blicke - sonst nichts. Nun war es kein Probem mehr als Frau irgendwo hin zu gehen. Ich machte mich nur noch in aller Ruhe zuhause zurecht und ging dann los. Der Umzieh-Stress und die Sauna-Temperaturen im Toilettenraum waren vergessen.

Nun gewann ich immer mehr Sicherheit im Auftreten, wenn ich als Frau unterwegs war. Ich fühlte mich immer besser dabei. Ich war endlich irgendwie ich selbst und nicht mehr dieser „blöde Hampelmann”, den ich meinen Mitmenschen immer vorgespielt hatte.

 

Wenn ich mal eben schnell etwas erledigen wollte, war der Mann-Modus nun immer noch gewohnt und praktisch. Da zog ich nur die alt-gewohnten Klamotten drüber und ging einfach unrasiert und mit wirren Haaren raus.

Nur plötzlich war da etwas anders. Wohl gefühlt hatte ich mich draußen im Mann-Modus nie, aber ich kannte auch keine Alternative. Aber jetzt fehlte mir das angenehme Gefühl, das ich immer als Frau spürte. Und dafür lohnte es sich vor dem raus Gehen für ein gutes Aussehen zu sorgen.

Als Mann dachte ich da immer nur an Mamas Ermahnungen: Du MUSST dich ordentlich rasieren - du MUSST dich kämmen - wie sieht das wieder aus? - du MUSST aber was anständiges anziehen. Ich machte es dann immer irgendwie Zähneknirschend und hatte damit für den Rest des Tages wieder einmal schlechte Laune.

Schließlich war mir mein Aussehen völlig egal und Mama, die mich immer ermahnt hatte, war inzwischen verstorben - aber wohl fühlte ich mich damit auch nicht. Ich erstparte mir nur den verhassten Blick in den Spiegel, der mir immer für den Rest des Tages die Laune verdarb.

 

Nun zog ich immer häufiger Frauensachen an, wenn ich weg gehen wollte. Zuhause trug ich zunächst noch aus Gewohnheit Männersachen, aber wenn ich als Frau unterwegs war und nach hause kam, wollte ich mich nicht mehr umziehen. Ich ließ die Frauensachen einfach an und fühlte mich wohl.

Bald ließ ich einfach meinen Schlafanzug an, wenn ich nicht aus dem Haus ging. Für ein besseres Gefühl beim Blick in den Spiegel setzte ich dazu immer häufiger eine Perücke auf und verwendete etwas Make-Up. Wenn ich mich dann schließlich doch noch ankleidete, wählte ich Frauenkleider. Die alten, meist verschlissenen und schmutzigen Männersachen zog ich nur noch für schmutzige Arbeiten an.

Es gab keinen Job oder irgendeine Person - Familie, Ehefrau, Partnerin -, der oder die den Mann-Modus von mir forderte. Meine Bücher kann ich ja genauso gut in Frauenkleidern - oder auch im Schlafanzug - schreiben.

Die Teilzeitfrau, als welche viele in dem Internet-Forum unterwegs sind, war damit für mich nur - wenn man von den wenigen Auftritten beim Karneval absieht - eine kurze Episode, die wenige Monate dauerte. Ich hatte mich im Frühjahr geoutet und war bereits im Herbst nur noch als Frau draußen unterwegs.

 

Mit dem trüben Wetter im Herbst und Winter, gab es immer weniger Gelegenheit für mich als Frau raus zu gehen. Und nun kamen die trüben Gedanken auch wieder zurück, die ich den Sommer über weitgehend verdängt hatte.

Ich suchte einen Weg aus meiner sozialen Isolation, in die ich in meiner Rolle als Mann geflüchtet war. Neben den üblichen Kontakten beim Einkauf oder gelegentlich bei der Bank oder einer Behörde gab es nur einmal im Monat die Selbsthilfegruppe in Koblenz.

Alle anderen Kontakte laufen online über das Internet. Da gibt es zunächst das Trnasgender-Forum. Dann habe ich mich - ganz entgegen meinen Prinzipien als Mann gegenüber (a-)sozialen Netzwerken - bei Facebook angemeldet. Dort bin ich in mehreren Gruppen aktiv wie Transgender, Grenzwissenschaften, Bücher-Marketing und Autoren-Selbsthilfe.

 

Der ganze elektronische Kram ersetzt aber für mich - scheinbar ganz im Gegensatz zur heutigen Jugend - keine echten Kontakte zu anderen Menschen. Deshalb habe ich in Simmern eine Selbsthilfegruppe für Transgender gegeründet.

Damit läuft es - nach einem zunächst viel versprechenden Start - recht schleppend. Es ist aber auch auf dem Land. Da leben nicht so viele Menschen, und ich vermute, da trauen sich viele einfach nicht sich zu outen. Ich habe jetzt dabei mehr Kontakt zu Mitarbeitern der evangelichen Kirche - in deren Räumen findet das Gruppentreffen statt - als mit Trans-Menschen.

 

Mit der Einsamkeit und Depression im trüben Winter meldete sich nun auch wieder mein Fetisch. Da war irgendwie immer noch das Bild von der schönen lebenden Gummipuppe - nur es hatte sich ein wenig gewandelt.

Bei YouTube sah ich mir einige Videos an, in denen sich schöne junge Frauen in einem Latexanzug in der Öffentlichkeit zeigen - nicht als Puppe in einer kompletten Gummihaut mit Maske und normaler Kleidung daüber, sondern einfach nur in Latex gehüllt. Das passte nun irgendwie mehr mit meinen Autritten als Frau in der Öffentlichkeit zusammen. Vielleicht könnte ich ja ein Video drehen und bei YouTube ins Netz stellen.

Also stöberte ich im wieder im Netz nach Latexanzügen. Bei der Gummihaut einer lebenden Puppe hätte ich für den Anzug eine große Dicke des Materials von mindestens 0,7 mm benötigt. Sonst wirkt es bei Hautfarbe durchsichtig. Und diese Materialstärke macht den Anzug schon einmal teuer.

Dann muss man für eine wirklich realistisch aussehende Maske noch einmal richtig tief in die Tasche greifen. Was ich da bisher für meinen Fetisch zu hause angeschafft hatte, war von der schönen Frau als Gummipuppe noch weit entfernt.

 

Bei einer Dicke von nur 0,3 oder 0,4 mm war ein Latexanzug sogar mit Maßanfertigung - was anderes geht bei meiner Figur nicht - bereits recht preiswert aus China zu bekommen. Eine Gummipuppen-Haut mit mindestens 0,7 mm hätte etwa das dreifache gekostet - ohne die Maske.

Vom Lackieren alter Autos weiß ich, dass rot von allen Farben am besten deckt. Also würde ein roter Latexanzug auch bei geriger Dicke nicht tranparent wirken. Und in eine junge Dame in einem der Videos bei YouTube, die in einem roten Latexanzug steckte, hatte ich mich regelrecht „verliebt”.

Jetzt ließ es mir keine Ruhe mehr. Nur mit einem preisgünstigen roten Latexanzug war es den Versuch wert. Ich hatte mich inzwischen geoutet, also konnte ich die „Maske” mit Hilfe meiner Schmink-Utensilien auf mein Gesicht malen, dazu eine Langhaarige Perücke und fertig war die „Puppe”.

 

Also nahm ich alle erforderlichen Maße und schickte damit meine Bestellung nach China ab. Als Wartezeit war mit ungefähr zwei Monaten zu rechnen. So sollte der Latexanzug gerade noch rechzeitig als „Weihnachtsgeschenk” bei mir ankommen.

Schließlich gab es Lieferschwierigkeiten. Der von China aus beauftragte Billig-Zusteller fand mein Haus nicht. Erst nach einigen Emails, die zwischen mir und dem Chinesen, bei dem ich bestellt hatte, hin und her gegangen waren, traf das Paket endlich ein. Das war dann bereits im neuen Jahr (also im Januar 2018).

 

Nun konnte ich mich endlich in eine Gummipuppe verwandeln. Nur so als Fetisch genügte es mir aber irgendwie nicht. Sollte ich jetzt draußen Fotos machen oder ein Video drehen?

Also machte ich mich spät abends als Puppe fertig und verließ erst einmal probeweise das Haus. Draußen lag die Temperatur so um den Gefrierpunkt herum und es schneite. Also verließ außer mir niemend in der Dunkelheit das Haus, und es gab keine Zuschauer.

In der Wohnung hatte ich in dem Latex noch anstandig geschwitzt. Jetzt übertrug sich aber die Kälte ohne jede isolierende Schicht direkt auf meine Haut. Bereits nach kurzer Zeit im Freien frohr ich entsetzlich.

Ich ging wieder ins Haus und zog einen Wintermantel über das Latex. Jetzt war die Kälte insgesamt auszuhalten, nur von unten her zog es unangenehm eisig herauf, und ich musste an die Pinguine auf dem Eis der Antarktis denken. Ich trug offene hochhackige Schuhe. Stiefel mit langem Schaft wären sicherlich gut gewesen. Aber da hatte ich keine, die irgendwie zu dem Latex-Outfit passten.

 

Danach versuchte ich wärmende Sachen unter dem Latex anzuziehen. Damit ich mich dabei nicht kaputt schwitzte, zog ich den Latexanzug - wieder spät abends - draußen an. Ich hatte die Maße für die Bestellung direkt von meinem Körper abgenommen und nicht mit warmen Sachen darüber. Entsprechend eng war es jetzt.

Ich kam nur mit Mühe und nur ganz langsam in den Anzug hinein, wobei ich selbst bei der Kälte schrecklich schwitzte. Über die dicken Sachen rutschte das mit Babypuder behandelte Latex bei Weitem nicht so einfach wie über die nackte Haut. Als ich aber dann - wieder in der Dunkelheit - nur noch so draußen herum lief, war es ganz gut auszuhalten.

Für draußen Videos zu drehen oder zu Fotos machen wollte ich nun erst einmal auf wärmeres Wetter warten. Auf eine öffentliche Vorstellung draußen im Garten für meine Nachbarn zum Thema „wie komme ich mit warmen Sachen daunter in einen Latexanzug” oder aufs Frieren während der Aufnahmen hatte ich keine Lust.

 

Inzwischen war bald wieder Karneval. So der große Karnevalist war ich nie. Eigentlich geht mir dieses ganze Treiben eher am A.. vorbei. Aber vor meinem Outing war es eine Gelegenheit, mich als Frau in der Öffentlichkeit zu zeigen, die ich immer wieder einmal nutzte.

Als nun geoutete Nicole interessierte es mich nicht mehr wirklich. Aber jetzt gab es da die lebende Gummipuppe. Sollte ich die vielleicht zum Karneval schicken? - vielleicht zum Rosenmontagszug nach Koblenz? - Es reizte mich irgendwie sehr.

Wie sollte das aber ablaufen? - besser draußen frieren oder drinnen beim Besuch einer Kneipe schwitzen? Und wie wäre das überhaupt den ganzen Tag im Latex? - Auf der Toilette ist da Pinkeln kein Problem, aber für das große Geschäft muss ich aus dem Anzug raus und hinterher wieder hinein - und das nass geschwitzt und ohne Puder - und dann stehen auch noch viele vor der Toilette Schlange.

 

Irgendwie war mir nun Koblenz für einen ersten Versuch zu riskant. Mit hin- und Rückfahrt mit dem Bus wäre ich da viele Stunden unterwegs gewesen. Doch in Simmern gab es abends eine Veranstaltung am Schinderhannesturm. Wie würde aber eine lebende Gummipuppe hier auf dem Land bei den eher spießigen Karnevalisten ankommen?

Ich schaute mich erst einmal in den Geschäften nach Möglichkeiten um, an meiner Verkleidung für wenig Geld etwas zu gestalten. Dabei stieß ich auf einen roten Hut und ein buntes Hemd. Eine lange gelockte Perücke hätte ich noch haben können, aber ich habe genug Perücken, also verzichtete ich darauf.

Auch über eine Maske dachte ich nach, fand aber in den Läden nichts passendes für eine Puppe. - Da gab es nur verschiedene Grusel-Monster-Masken. Und außerdem war eine Maske zum Essen oder Trinken sowieso unpraktisch.

Nun probierte ich verschiedene Verkleidungen aus - mit und ohne Latex - und entschied mich die Gummipuppe erst einmal warten zu lassen. Hier also mein Outfit für den Karneval am Simmerner Schinderhannesturm:

 

 

Und was ist nun? Die lebende Gummipuppe wartet immer noch auf ihren großen Auftritt. Zum Fotos oder Videos Aufnehmen habe ich im Sommer irgendwie keine Lust. Da bin ich sowieso mehr oder weniger ständig draußen unterwegs. Im Winter zieht es einen aber immer nach draußen, wenn sich die Sonne mal wieder nach längerem Nieselregen oder Schneefall zeigt. Und dann möchte man draußen auch etwas unternehmen. Einfach nur in den Garten möchte man sich bei der Kälte ja nicht setzen.

Und was macht jetzt die Gummipuppe? - Ihre Gummihaut legt sich immer mehr in Falten, da ich seit dem Ermitteln der Maße für die Bestellung des Latexanzugs ziemlich abgenommen habe. Ich freue mich natürlich darüber, dass ich es schaffe so langsam aber sicher abzunehmen. Für die Gummipuppe ist es aber nur doof. Und deshalb schaut sie auch so traurig...

 

Eine Gesellschaft der Vielfalt - Vision oder Realität?

Meine Geschichte, wie ich sie im vorigen Kapitel erzählt habe, ist typisch für die meisten Trans-Frauen, die sich erst spät in ihrem Leben outen. Oft sind es die Familie, der Lebenspartner oder der Beruf, die sie dazu bringen lange zeit ein Doppelleben als Teilzeitfrau zu führen. Bei mir war das alles vor meinem Outing bereits zusammen gebrochen und damit ist meine Rolle als Mann überflüssig geworden.

Sicherlich gibt es wohl auch Crossdresser, die einfach nur gerne zwischendurch in weibliche Kleidung schlüpfen und sich sonst in ihrer Rolle als Mann wohl fühlen. Es melden sich immer wieder welche im Internet-Forum an, die sich so beschreiben. Es sind aber recht wenige.

Vielleicht suchen aber auch nur wenige von ihnen den Kontakt zu Gleichgesinnten in einem Internet-Forum. Da weiß vielleicht die Ehefrau oder Freundin davon oder ein paar enge Freunde. Und sonst soll keiner etwas davon erfahren.

Im Internet ist man jedenfalls nicht sicher davor, ausspioniert zu werden. Mir ist das inzwischen völlig egal. Wenn ich alles offen zeige, gibt es nichts mehr zu spionieren. Damit wird die Sache völlig uninteressant. Wenn aber wirklich niemand etwas erfahren soll, darf ich nichts darüber ins Netz stellen.

 

Wenn ich jetzt schon mal beim Thema Internet bin, frage ich mich allerdings, wie das mit der Tarnung sicher funktionieren soll, wenn man die Frauensachen online einkauft. Da erstellen doch Google, Amazon oder wer auch immer ein ganz klares Profil.

Entsprechend wird dann auch die Werbung im Netz unterbreitet. Eine Zeit lang gab es da bei mir ständig Angebote aus dem Leder-Lack-Latex-, Sado-Maso- und Fetisch-Bereich. Zur Zeit ist es überwiegend Damenbekleidung.

Da braucht doch dann nur mal ein Kollege über die Schulter zu schauen, wenn man gerade im Netz unterwegs ist, und schon stellt er peinliche Fragen.

Sicherlich kann man sich bei einem Verkaufsportal unter einem anderen Namen anmelden, aber Bankverbindung und Lieferanschrift müssen dann richtig angegeben werden. Auch über die IP-Adresse des Computers ist zu erkennen, wer da gerade Online ist - es sei denn man macht die Sache mit mehreren Proxy-Servern kompliziert.

Also kurz: Tarnung ist möglich, aber nicht wirklich sicher. Bei einer kleinen Unachtsamkeit kann es damit schnell vorbei sein.

 

Kommen wir aber zu den Crossdressern zurück, die sich auch als Mann wohl fühlen. Offensichtlich gibt es recht viele von ihnen, die in ihrer Freizeit zu hause oder irgendwo in einer anderen Stadt gerne Frauenkleider anziehen, bei Nachbarn oder Kollegen aber nicht geoutet sind und einen Austausch mit Gleichgesinnten meiden.

Man kann ja das schrägste Hobby haben, wie beispielsweise das Sammeln von Kronkorken, und geht damit ganz offen um, aber wenn man als Mann Frauenkleider anzieht, darf niemand etwas erfahren. Da ist immer noch die Angst als abartig oder pervers von der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden.

 

Ich habe bei den Crossdressern nur von Männern berichtet. Wie sieht es aber bei Frauen aus, die Männerkleidung tragen möchten? - Wer sich als Frau einfach nur mehr oder weniger männlich kleiden will und sich sonst als Frau wohl fühlt, also kein Trans-Mann ist, hat überhaupt keine Probleme.

Oft bin ich draußen eine der wenigen Personen, die einen Rock oder ein Kleid tragen. Sehr viele Frauen tragen Hosen. Und ebenfalls viele Frauen tragen ihre Haare kurz, oft kürzer als viele Männer. Dazu dann Pullover, Jeans und Turnschuhe, so wie es auch viele Männer tragen. Das ist ganz normal und fällt niemandem auf.

Wenn ich aber als Mann - vielleicht auch noch mit Bart und Glatze - typisch weibliche Sachen wie einen Rock, Strumpfhosen oder hochhackige Schuhe anziehe, falle ich sofort auf. Da heißt es dann bei vielen: „Der ist doch schwul”. Den vorab erwähnten Frauen unterstellt aber niemand, dass sie lesbisch seien.

 

Wenn ich also als Mann das Bedürfnis verspüre in der Öffentlichkeit Frauenkleider anzuziehen, weil ich mich darin einfach nur wohler fühler als in den Männerklamotten, und nicht ständig angestarrt werden möchte, habe ich nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich kleide mich vollständig und möglichst perfekt als Frau oder ich lasse es sein.

Viele, die sich in Frauenkleidern wohler fühlen, trauen sich damit gar nicht erst in die Öffentlichkeit. Sie machen es immer nur heimlich zu hause, haben ständig ein schlechtes Gewissen und Angst dabei erwischt zu werden. Damit werden die ungeliebten Männersachen immer mehr zum Zwang und der Wunsch einfach als Frau herum zu laufen wird immer stärker.

Deshalb gibt es wohl auch so viele, die sich wie ich erst spät outen, wenn sie quasi ihre Rolle als Mann weitgehend zu Ende gespielt haben. Sie wollen dann Vollzeit als Frau leben, verzichten aber häufig auf eine körperliche Angleichung mit Hormonen und OP.

 

In Selbsthilfegruppen habe ich den Eindruck, das Trans-Männer meistens jünger sind, wenn sie sich outen. Und dann ist oft auch der Wunsch da, körperlich mit Hormonen und OP ein Mann werden zu wollen. Vor allem wollen viele ihre weiblichen Brüste entfernen lassen.

Wer sich also als Frau lediglich eher männlich gekleidet wohl fühlt, hat mit der Emanzipation bereits alle Möglichkeiten dazu. Deshalb ist es bei Frauen kein Thema Crossdresser zu sein. Sie treten erst dann in Erscheinung, wenn das Gefühl im falschen Geschlecht gefangen zu sein sehr stark ist.

 

Wenn man die recht häufig anzutreffenden Frauen, die sich eher männlich kleiden, und die Crossdresser mit einer vermutlich großen Dunkelziffer betrachtet, erkennt man einen fließenden Übergang von cis, also dem kompletten Leben im biologischen Gechlecht, zu trans, dem kompletten Leben im anderen Geschlecht.

In der Genderforschung gibt es für alles dazwischen, je nachdem wie sich der Drang zum anderen Geschlecht zeigt, verschiedene Formen oder Bezeichnungen:

Wer sich abwechselnd als Mann oder als Frau fühlt, ist genderfluid. Fühlt man sich undefiniert irgendwo dazwischen, ist man non-binär, und wer eher kein Empfinden für sein Geschlecht zeigt, ist androgyn.

 

Hier zeigt sich, dass unsere Gesellschaft - einschließlich der (Natur-)Wissenschaft - offensichtlich eine großes Problem mit solchen fließenden Übergängen hat. Falls ich mich gemäß der Gederforschung einordenen sollte, wüsste ich nicht wirklich wo.

Manchmal fühle ich mich mehr als Mann und manchmal mehr als Frau. Also müsste ich genderfluid sein. Oft fühle ich mich aber weder als Mann noch als Frau irgendwo dazwischen. Damit wäre ich non-binär. Und bin ich jetzt auch noch androgyn, wenn mein Empfinden gerade einmal zu keinem der beiden Geschlechter tendiert?

Welchen Sinn machen also diese „Schubladen”, außer dass alles irgendwie kompliziert erscheint? Und für die Konservativen ergibt sich damit ein gutes Argument dafür, dass die ganze Genderforschung einfach nur Unsinn ist.

 

Meine Enscheidung nun Vollzeit als Frau zu leben, hat vor allem damit zu tun, dass ich meine Rolle als Mann einfach nicht mehr spielen will. Ich habe mich in dieser Rolle nie wohl gefühlt. Und mit dem Zwang sie immer spielen zu müssen, habe ich sie immer mehr gehasst. Mit der Ablehnung dieser Rolle fühle ich mich nun nicht (mehr?) als Mann. So ganz als Frau kann ich mich aber auch nicht fühlen, da ich nun einmal biologisch keine Frau bin.

Wenn mich draußen jemand anspricht, sage ich ich wäre eine Trans-Frau. Das Wissen um deren Existenz ist inzwischen überall angekommen. Dann passe ich wieder in eine „Schublade” und es werden keine weiteren Fragen gestellt. Würde ich „nicht-binär” sagen, könnte damit kaum jemand etwas anfangen. Auch wenn ich äußere, dass ich als Mann nicht schwul bin oder als Frau lesbisch wäre, stößt das im Allgemeinen auf völliges Unverständnis.

Also sage ich erst einmal nichts. Dann sollen doch alle glauben ich sei Trans-Frau und als Mann schwul. Wenn es jemand wissen möchte, erzähle ich natürlich gerne, wie es richtig ist.

 

Wer eine Hormonbehandung und eine geschlechtsangleichende Operation machen lassen möchte, benötigt von einem Psychotherapeuten oder Psychiater eine entsprechende Indikation. Die ist notwendig, damit die Krankenkasse die Kosten übernimmt. Ohne die „Diagnose” einer „Krankheit” wird eben keine Behandlung bezahlt.

Diese Regelung führt immer zu der eigentlich überflüssigen oder sinnlosen Frage: „bin ich trans oder nicht?” Richtig müsste man fragen: „wie viel trans bin ich?” Für die Krankenkasse würde sich damit aber die Frage nach einem Grenzwert stellen, was die Situation auch nicht verbessert. Ob man das jetzt Indikation oder Grenzwert nennt, macht nicht wirklich einen Unterschied.

Eigentlich soll der Psychotherapeut beurteilen, ob der so genannte Leidensdruck mit den falschen Geschlechtsmerkmalen groß genug ist um eine Hormonbehandlung und Operation zu rechtfertigen. Übertragen könnte man also fragen: „ist der Blinddarm entzündet genug um ihn zu entfernen?”

 

Ich frage jetzt einfach einmal provozierend: „Woher stammt überhaupt dieser Leidensdruck, der so groß werden kann, dass er eine komplizierte und riskante Operation an einem eigentlich vollkommen gesunden Körper notwendig macht?”

Ich fühle mich jedenfalls bereits wohl, wenn ich einfach nur mit einer äußeren weiblichen Erscheinung aus meiner Rolle als Mann entfliehen kann. Da frage ich mich, was eine Operation daran ändern noch würde.

Also sehe ich für mich vor allem die Risiken, die mit zunehmendem Alter und Übergewicht größer werden. Hormone für größere Brüste und weiblichere Gesichtszüge überzeugen mich da schon mehr. Aber auch hier gibt es massive Nebenwirkungen. Muss ich mir das also in meinem Alter mit knapp 60 Jahren noch antun?

 

Wie würde ich aber argumentieren, wenn ich noch jung und auf dem Weg wäre meinen Platz in dieser Gesellschaft zu finden. Wie sähe ein solcher Platz für einen Transvestiten oder eine sofort als solche erkennbare Trans-Frau aus? Da wäre es sicherlich schwer den gewünschten Job in meinem Beruf zu bekommen. Sich immer wieder outen müssen ist sicherlich für einen jungen Menschen auch extrem belastend.

Ich muss in meinem Alter nirgendwo mehr hinein passen. Da oute ich mich lieber immer wieder, als dass ich in meine Sozialphobie zurück falle und mit niemandem mehr rede. Also gibt es für mich nicht wirklich einen großen Leidensdruck.

Wenn ich aber befürchten müsste in dieser Gesellschaft keinen Platz zu finden und immer ein Außenseiter zu bleiben, der irgendwo am Rande des Geschehens sein Dasein fristet, wäre das ein gewaltiger Leidensdruck.

 

Wäre ich also jetzt nach meinem Outing noch jung, würde ich vermutlich alles daran setzen meinen Psychotherapeuten davon zu überzeugen, dass ich definitiv trans bin. Und wenn es dazu einen Selbstmordversuch als Argument brauchte, wäre ich auch bereit, diesen glaubhaft zu inszenieren. Was hätte ich denn schlimmstenfalls zu verlieren? - Es wäre doch nur ein ödes Dasein oder ein unerträgliches Leben.

Nach der vollständigen Transition mit Hormonbehandlung und Operation und einer Namens- und Personenstandänderung wäre da die Chance mein noch langes restliches Leben völlig unauffällig als Frau glücklich zu werden. Ich denke, ich würde alles auf eine Karte setzen und diesen Weg gehen. Über genderfluid, nicht-binär oder vielleicht androgyn würde ich gar nicht erst ernsthaft nachdenken.

Natürlich ist diese Situation für mich aus heutiger Sicht schwer vorstellbar. Ich kann mich nur daran erinnern, wie ich die Welt als junger Mann wahrgenommen habe. Damals hätte ich als Transvestit oder erkennbare Trans-Frau keine Chance für mich gesehen. Für solche Menschen gab es - vielleicht abgesehen von einer Karriere als Künstler - definitiv keinen Platz in dieser Gesellschaft.

Wie das heutige junge Menschen empfinden, kann ich nicht nachfühlen. Nach dem, was ich aber in Selbsthilfegruppen und Internet-Foren immer wieder erfahre, dürften ihre Empfindungen nicht wesentlich anders sein als meine damals als junger Mann.

 

Einen Aspekt habe ich bisher noch gar nicht berücksichtigt: Ich habe mich erst lange nach der Pubertät als trans erkannt und geoutet. Wie ist es aber, wenn jemand bereits vor oder während der Pubertät erkennt, dass er trans ist? - Da gibt es ganz bestimmt einen sehr großen Unterschied.

Ich habe meine Pubertät als Mann durchlebt und dabei meine männliche Sexualität und auch meine heterosexuelle Orientierung komplett entwickelt. Hätte ich mich da bereits als Frau gefühlt, wäre das ganz bestimmt anders abgelaufen.

Für mich war es ganz normal, dass die Stimme tiefer wurde, der Bart zu wachsen anfing und sich keine Brüste entwickelten. Da wurde eben ein Junge zum Mann. Hätte ich mich aber bewusst als Mädchen oder Frau gefühlt, wäre das schrecklich für mich gewesen. Ich hätte die Pubertät nur ablehnen können. Auch das Interesse an Frauen als Sexualpartner hätte zu meinem Empfinden nicht gepasst. Ich hätte mich also zumindest dagagen aufgelehnt.

Ob eine solche innere geistige Haltung ausreicht um schwul zu werden, kann ich nicht beurteilen. Unwahrscheinlich ist es aber nicht. Und alles männliche, dass sich mit der Pubertät am Körper ausprägt, würde ich doch auch immer mehr ablehnen - einschließlich meines Penis und der Hoden.

 

Unter diesem Aspekt haben Aussagen wie „Das Ding da unten muss endlich weg” ein ganz anderes Gewicht. Ich habe dieses Ding bei meiner Pubertät als Bestandteil meines Körpers angenommen. Hätte ich mich damals aber schon als Frau gefühlt, wäre es möglicherweis für mein Empfinden zu einem ungeliebten Fremdkörper geworden.

Ich denke, das mit der Pubertät macht viel beim Unterschied zwischen Crossdresser (CD) oder Transvestit (TV) und Transsexuell (TS) aus. In diesem Sinne sehe ich mich als TV. Ich kann mich nicht vollständig als richtige Frau sehen, weil ich in der Pubertät meinen männlichen Körper akzeptiert habe. Trotzdem passt es mit dem gefühlten Geschlecht oder der damit verbundenen Rolle in der Gesellschaft nicht zusammen.

 

Unter diesem Aspekt sollten nun bei meiner Aussage, dass ich höcht wahrscheinlich die komplette Transition zur Frau machen würde, wenn ich noch jung wäre und die Pubertät bereits hinter mir hätte, die Alarmglocken klingeln. Ich würde es ja nicht machen, weil ich meinen männlichen Körper ablehne, sondern nur, damit ich als Frau in die Gesellschaft hinein passe.

Würde mich das aber glücklich machen? - Ich denke eher nicht! Da ist erst der äußere Druck meine Rolle Mann möglichst perfekt zu spielen, und dann setze ich mich selbst unter Druck nun eine ebenfalls perfekte Frau abzugeben.

Zuerst würde wohl der ganze Weg der Transition wie die ganze Zeit als Mann meine Hobbys sehr intensiv für Ablenkung sorgen und eine Flucht aus der unerträglichen Realität darstellen. Da wäre viel zu tun: Namens- und Personenstandsänderung mit zwei Gutachten auf den Weg bringen, Psychotherapie, Arztbesuche beim Endokrinologen wegen der Hormone, beim Logopäden eine weibliche Stimme trainieren, Bart epilieren.

 

Während dieser Zeit gäbe es also kaum Zeit zum Nachdenken. In einer Selbsthilfegruppe hätte ich dabei die moralische Unterstützung anderer, die ihre Transition ebenfalls mit vollem Einsatz voran treiben.

Dabei hätte ich immer den Wunsch im Hinterkopf, bald endlich vollständig als Frau ganz normal leben zu können. Dieser Wunsch stünde aber immer mit der aktuellen Situation im Widerspruch. Da sind noch die männlichen Gesichtszüge, der Bratschatten, die tiefe Stimme. Kurz gesagt: das Passing ist (noch?) sehr schlecht.

Wie wäre es nun, wenn sich mit den Hormonen beim Wachstum der Brüste kaum etwas tut? Brauche ich dann einen kosmetischen Brustaufbau? Wie erreiche ich, dass die Krankenkasse den bezahlt?

Bei der Stimme ist vieleicht auch trotz Logopäden das Ergebnis nicht befriedigend. Brauche ich also eine Stimmband-Operation? Und wieder die gibt es die Frage, ob die Krankenkasse zahlt.

 

Und wie sähe es aus, wenn ich schließlich alles hinter mich gebracht hätte? Wäre dann mein Passing wirklich so gut wie erhofft? Es gibt im Internet viele Beispiele, wie aus einem Mann eine wirklich attraktive Frau wurde. Ist das aber eher die Regel, oder sind es ein paar wenige, besonders gelungene Ausnahmen?

Wer mit dem Ergebnis eher weniger zufrieden ist, wird es sicherlich nicht im Internet präsentieren. Er wird wohl auch nicht wieder zur Selbsthilfegruppe kommen um sich dort zu zeigen. Hilfe zur Transition braucht er nicht mehr. Also erfährt man auch in Selbsthilfegruppen eher nur von positiven Ergebnissen, die man gerne zeigen möchte.

 

Kommen wir also zum Platz in der Gesellschaft zurück. Und nehmen wir zudem an, mit der Transition wäre alles gut gelaufen. Ich wäre von der Erscheinung her eine attraktive Frau. Würde ich jetzt meinen erhofften Platz in der Gesellschaft finden?

Ich befürchte da ein klares NEIN - warum? - Nach meiner heutigen Erfahrung ist es FALSCH, wenn man seinen Platz in der Gesellschaft nur SUCHT. An jedem Platz, den man dann findet, wird es nämlich etwas auszusetzen geben. In dieser Welt ist nichts perfekt.

Seinen Platz in der Gesellschaft muss man für sich BEANSPRUCHEN, sobald man etwas gefunden hat, das den Vorstellungen oder Wünschen möglichst nahe kommt.

 

Suchen kann ich immer, egal ob ich mich wohl fühle oder nicht. Wenn ich aber etwas beanspruchen will, braucht es Selbstvertrauen. Auf welches Selbst soll ich aber vertrauen, wenn der Mann, den ich meinen Mitmenschen präsentiere, nichts weiter als eine gespielte Rolle ist?

Ich kann mir also nur ein selbstsicheres Auftreten antrainieren. Das ist dann aber kein Selbstvertrauen oder Selbstbewusstsein, sondern nur eine Form der Darstellung in meiner Rolle. Das kann dann nach außen sehr selbsbewusst wirken, in meinem Inneren fühle ich mich aber einfach nur unsicher und habe Angst.

Wenn ich also versuche, meinen Platz in der Gesellschaft einzufordern, fühle ich mich dabei immer unwohl, unsicher und ängstlich. Damit ist das eine Situation, die ich lieber vermeiden würde. Also bin ich viel häufiger bereit eine eher unbefriedigende Situation hinzunehmen als jemand, der ein echtes Selbstbewusstsein besitzt.

 

Mit dem Beanspruchen meines Platzes in der Gesellschaft will es also nicht recht klappen. Nun resigniere ich einerseits und schaue mich andererseits immer wieder nach etwas besserem um, was ich aber nirgendwo finde.

Sonst versuche ich allen immer alles recht zu machen, damit man mich endlich in der Gemeinschaft aufnimmt. Damit mache ich mich aber nur zu einem gutmütigen Trottel, den man immer nur ausnützt. Also sage ich irgendwann immer öfter NEIN. Und dann passt es überhaupt nicht mehr. Man wirft mir vor, ich sei wenig kooperativ und nicht teamfähig.

Das müsste ich nun eigentlich richtig stellen, aber dazu muss ich wieder einmal meine innere Angst und Unsicherheit überwinden. Ist es aber diese Anstrengung überhaupt wert, wenn ich mich da, wo ich meinen Platz beanspruchen müsste, sowieso noch nie wirklich wohl gefühlt habe?

Also drehe ich den Spieß um und benehme mich so, wie man es mir nun vorwirft. Ich mache alles einfach nur noch so, wie ich es für richtig halte, und zeige kein Interesse mehr für irgendwelche gemeinsamen Aktivitäten. Damit werde ich zu dem Außenseiter, den man mir vorwirft zu sein.

 

In der neuen Rolle als Frau hätte ich nun eine zweite Chance meinen Platz in der Gesellschaft zu finden und zu beanspruchen. Wie groß wäre aber die Gefahr einfach in das alte Muster zurück zu fallen? Wie viel echtes Selbstbewusstsein würde mir das ständig immer noch nicht optimale Passing während der Transition vermitteln?

Ich trete jetzt mit der Überzeugung auf, dass ich niemals eine echte Frau sein kann. Ich erwarte daher nicht mehr Passing, als es bei einem älteren biologischen Mann ohne körperliche Angleichungen möglich ist. Es genügt mir, wenn ich mich in der neuen Rolle als Frau ein gutes stück wohler fühlen kann als vorher.

Einen Platz in der Gesellschaft suche ich nicht mehr. Auf den musste ich ein halbes Jahrhundert verzichten. Dann sollte es auch notfalls ein weiteres halbes Jahrhundert ohne diesen weiter gehen können.

Würde ich mit meiner heutigen Überzeugung und Erfahrung die vollständige Transition beginnen, sehe ich eine zwar gute Chance dafür, dass es mir danach wirklich besser gehen könnte, ich habe aber einen Weg gefunden, mit dem ich mich auch ohne Transition wohl fühle. Ist es dann den ganzen Aufwand mit allen Risiken und Nebenwirkungen überhaupt noch wert?

 

Mit dem Vorstehenden sollte nun klar geworden sein, dass jemand, der sich als irgendwie trans erkennt, erst einmal SICH SELBST finden oder entdecken muss, bevor er mit irgendwelchen Maßnahmen beginnt. Auf mich wirken die meisten in den Selbsthilfegruppen sehr selbstsicher. Ist das aber nun echtes Selbstbewusstsein oder ist es einfach nur gespielt?

Ich kann den Menschen nur von außen vor den Kopf schauen. Was sich da drinnen abspielt, weiß aber nur jeder selbst. Zudem beobachte ich immer wieder eine sehr starke Gruppendynamik. Und da bin ich mit meiner Sozialphobie eindeutig im Vorteil. Die Gruppe kann mich mal mit ihrer Dynamik.

Und so werde ich wieder wie gewohnt zum Außenseiter. Als ich mich wieder einmal darüber beschwerte, sagte ich: „ja ich weiß, ich bin nur so ein nicht-binärer Hobby-Transvestit, der keine Ahnung hat.” - Das kam nicht gut an.

 

Ich denke, an echtem Selbstbewusstsein dürfte es oft mangeln. In der Rolle im falschen Geschlecht hat es nur wenig davon gegeben, und nun passt es mit der neuen Rolle ja bei Weitem noch nicht richtig. Statt der gewünschten oder gefühlten Frau zeigt sich oft ein sofort erkennbarer Mann in Frauenkleidern.

Da ist schon einmal wegen fehlender Erfahrung oder Übung die Kleidung unglücklich gewählt. Dann ist das Make-Up beim Versuch den Mann weg zu schminken auffällig übertrieben. - Statt einer Frau in Alltagskleidung zeigt sich eher eine Drag-Queen, die sofort auffällt.

Eine echte Drag-Queen parodiert als Mann eine Frau und will auch als Mann erkannt werden. Deshalb stellt sie alle weiblichen Aspekte wie Make-Up oder hohe Schuhe stark übertrieben heraus.

 

Aus Erfahrung weiß ich, dass man sich bei einem solchen Auftritt einfach nur unsicher fühlt. Da ist zwar der starke Drang endlich die Person zu zeigen, als die man sich fühlt und die man sein möchte, gleichzeitig fühlt man sich angestarrt und möchte sich irgendwo verstecken. Und mit dieser Unsicherheit fällt man natürlich erst recht auf.

Ein angenehmens Gefühl stellt sich erst ein, wenn man wieder zu hause ist und an den öffentlichen Auftritt als Frau zurück denkt. Dann ist man unheimlich stolz darauf es vollbracht zu haben. Und das wohlige Gefühl dabei wird zu einem starken Drang es möglichst bald wieder zu machen.

 

Am Anfang ist es also vor allem Mut. Selbstvertrauen baut sich erst mit der Zeit ganz langsam auf. Je vertrauter die Situation ist, wie beispielsweise bei einem Einkauf im Supermarkt, desto entspannter ist man und desto wohler fühlt man sich.

Aber man wird auch immer mutiger. Und damit gibt es immer wieder Situationen, wo man gegen eine Unsicherheit ankämpfen muss. Bei mir war es etwa ein Jahr nach meinem Outing so:

Es war hochsommerlich heiß und ich wollte schwimmen gehen. Da mich mein Cousin nicht begleiten wollte, ging ich alleine. Noch im Jahr davor hatte ich einen Bikini angeschafft, aber mich noch nicht getraut den in der Öffentlichkeit zu tragen. Nun reizte es mich.

Also zog ich statt meines Badekleides den Bikini an, ein Sommerkleid darüber und ging ins Freibad. Nun gab es kein Zurück mehr. Wenn ich schwimmen wollte, musste ich das Kleid ausziehen.

Also verbrachte ich meine Zeit im Freibad im Bikini. Die meisten interessierte es, wie ich es ja bereits gewohnt war, recht wenig. Aber etliche bohrende Blicke spürte ich. Als ich wieder zuhause war, beschloss ich beim nächsten Besuch im Freibad wieder das Badekleid anzuziehen. Trotzdem war ich bestimmt nicht das letzte mal im Bikini schwimmen.

 

 

Kommen wir nun zur Selbstfindung zurück. Wenn ich mich selbst entdeckt oder gefunden habe, möchte ich dieses Sebst natürlich nicht nur für mich ganz alleine sein, sondern ganz öffentlich draußen in der Gesellschaft präsentieren.

Mit genügend Selbstvertrauen sollte das auch ohne jegliche Angleichung des Körpers an das andere Geschlecht möglich sein. Nach dem Motto: Da bin ich, so wie ich eben bin als gefühlte Frau im männlichen Körper, und das zeige ich jetzt. Und wenn das jemandem nicht passt, dann kann er weg schauen.

Damit wären wir wieder beim so genannten Leidensdruck. Da wäre die Frage zu stellen, was mich nun leiden lässt. Ist es die Gesellschaft, die entweder einen Mann oder eine Frau sehen will, und irgend etwas dazwischen nicht kennt und ablehnt? Oder ist es mein Körper mit den falschen Geschlechtsmerkmalen?

Wenn ich nun eindeutig sagen kann, dass es mein Körper ist, dann sollte ich ihn so weit verändern oder angleichen wie es medizinisch möglich ist und mein empfinden verbessern kann. Soll ich aber meinen Körper angleichen, damit ich in das Bild der anderen hinein passe?

Mit ausreichdem Selbstwertgefühl sollte man diese Frage doch mit einem klaren NEIN beantworten. Ich würde doch nun im anderen Geschlecht wieder nur eine Rolle für andere spielen. Versuche ich so nicht wieder es allen recht machen zu wollen, damit ich zu ihnen dazu gehöre? Mache ich mich so nicht wieder zu einem dummen Trottel, den man immer nur ausnützt?

 

Damit bin ich wieder bei dem, was ich am Anfang diese Kapitels geschrieben habe: „Wäre ich also jetzt nach meinem Outing noch jung, würde ich vermutlich alles daran setzen meinen Psychotherapeuten davon zu überzeugen, dass ich definitiv trans bin.”

Es würde mich also die Angst davor, dass ich meinen Platz in der Gesellschaft als erkennbare Trans-Frau nicht finde, in die vollständige Transition treiben, obwohl ich mich als nicht-binär ansehe. Wie ich bereits schrieb, beziehe ich mich dabei auf mein gesellschaftliches Umfeld und meine Gefühle vor über vierzig Jahren. Ich befürchte nur, dass junge Menschen heute sehr ähnlich empfinden.

Eine starke Ablehnung der biologischen Geschlechtsmerkmale - vor allem der Penis bei Trans-Frauen und die Brüste bei Trans-Männern - kann durch Angst ausgelöst werden. Ich habe diese Angst nicht (mehr?). Stört mich nur deshalb mein Penis nicht?

 

Wichtig für die Entscheidung für den Weg der vollständigen Transition ist, dass ein starkes Gefühl der Ablehnung und damit ein Leidensdruck vorhanden IST. Stehen nun diejenigen, die sich als junger Mensch outen und die vollständige Transition anstreben, in der Skala von cis nach trans wirklich deutlich mehr bei trans, oder ist es zu einem großen Teil einfach nur Angst, was diese Gefühle auslöst?

Ich befürchte, dass die Angst bei jungen Menschen auch heute noch einen sehr großen Einfluss hat. Dann kann der Psychotherapeut nur noch den Leidensdruck feststellen und die Indikation bescheinigen. Ob es dann in der neuen Rolle im anderen Geschlecht wirklich passt, hängt aber einzig davon ab, wie sich das Selbstwertgefühl entwickelt.

 

Ich bin aber inzwischen zu der Erkenntnis gekommen, dass es wenig Sinn ergibt einfach immer wieder vor einer voreiligen Transition zu warnen. Die Gefühle sind da und damit auch der Leidensdruck. Also erscheint dieser Weg als richtig. Was bei mir einmal gewesen sein könnte, bleibt letztlich auch nur Spekulation.

Solange sich die Gesellschaft nicht ändert, ist dieser Druck da in dieses Schema hinein passen zu müssen. Dann gibt es diese Angst ins völlige Abseits gedrängt zu werden, die einen dazu bringen kann sich freiwillig kastrieren zu lassen - eine solche Operation ist letztlich nichts anderes.

Wäre dieser Druck nicht da, und gäbe es einen Platz zum Ausleben der Normvarianten im Empfinden seines Geschlechts, bräuchte niemand eine körperliche Anpassung. Und da sehe ich unter dem Aspekt der beschriebenen Trans-Evolution, dass es so langsam ein Umdenken und eine Änderung der Umstände geben wird.

Nur vor solchen Änderungen haben die Konservativen panische Angst, und werden alles in ihrer Macht stehende daran setzen sie zu verhindern oder wenigstens eine Zeit lang aufzuhalten.

 

Dazu möchte ich jetzt noch einen weiteren Aspekt aufzeigen. An der Transition verdienen Ärzte, Krankenhäuser und Pharmaindistrie gutes Geld. Und mit der Krankenkasse zahlt dafür die Allgemeinheit. Auch deshalb ist aus konservativer Sichtweise keine Änderung der gesellschaftlichen Umstände erwünscht.

Diese Änderung kann nur von den Betroffenen veranlasst werden, indem sie Anerkennung und einen Platz in der Gesellschaft immer wieder fordern. In diesem Sinne sollte man nach der Transition nicht einfach unauffällig im anderen Geschlecht leben und das Durchsetzten der Forderungen anderen überlassen.

Damit hätten die Konservativen nämlich erreicht, was sie wollen. Alles passt schön in das altgewohnte Schema, und kaum einer lehnt sich dagegen auf. Ob irgend jemand an diesen Zuständen zugrunde geht, ist diesen Herrschaften völlig egal.

 

Damit wäre ich wieder bei den Selbsthilfegruppen und den Organisation, die sich um Homo- und Trans-Menschen kümmern. Jeder der seine Transtion hinter sich bringt und dann inaktiv wird, erweist den Konservativen einen Dienst. Er macht damit genau das, was die sich wünschen.

Unter diesem Aspekt wäre es effektiver sich beim Durchsetzen der Rechte einzusetzen als sich immer nur mit der Transition zu befassen. Statt dem Leidendruck nachzugeben und deshalb seinen Körper anzupassen, erscheint es doch sinnvoller die Ursachen zu bekämpfen, die zu diesem Leidensdruck führen.

Leider sehe ich mich da oft auf verlorenem Posten. Was mich dabei besonders ärgert, ist dass mich Betroffene nicht ernst nehmen und als so etwas wie einen Hobby-Transvestiten ausgrenzen. Sie selbst fordern Akzeptanz, bringen diese aber gegenüber jemandem, der den ganzen Weg nicht gehen will, nicht auf.

Vielleicht sollte ich sie aber bedauern. Mit ihrer Einstellung haben sie vor den Konserativen nämlich kapituliert. Sie haben sich an deren starres und unmenschliches System anpassen lassen, anstatt daran zu arbeiten, dass dieses System sich endlich ändert.

 

Ich habe mit ein halbes Jahrhundert nicht geoutet und bin dabei immer mehr verzweifelt. Jetzt habe ich es getan und es geht mir besser. Soll ich mich also nun anpassen lassen und dann die Klappe halten, damit ich wieder anfange zu verzweifeln?

Mit meiner neuen Rolle als Nicole habe ich (hoffentlich endlich) mein Selbst gefunden. Was ich jetzt noch brauche und langsam aufbauen sollte, ist ein starkes Bewusstsein und ein Gefühl eines Wertes für dieses Selbst.

Dieses Selbst ist ein biologischer Mann, der sich als Frau wahrnimmt und als solche gesehen werden möchte. Es ist keine (richtige?) Frau, die irgendwie im falschen Körper steckt. Aus diesem Blickwinkel erscheint einiges in der Gederforschung tatsächlich als Unsinn. Man gewinnt den Eindruck, es diene nur dazu eine Begründung für die körperliche Anpassung zu finden.

Damit wird auch hier, wie aus meiner Sicht überall in der Medizin, nur an den Symptomen herum gedoktert (oder gestümpert?), statt die oft komplexen Ursachen zu suchen und zu bekämpfen. Es ist eben einfacher den Blutdruck mit Medikamenten herabzusenken, als wirksam gegen den Stress und das Mobbing am Arbeitsplatz vorzugehen, die den Blutdruck in die Höhe treiben.

Und sicherlich ist es auch hier wieder nicht zufällig, dass Ärzte und Pharmainsustrie an unhaltbaren Zuständen in der Gesellschaft gut vedienen.

 

Für die Zukunft habe ich mir also vorgenommen meinen Platz in dieser (Sch..-) Gesellschaft endlich einzufordern. Leider habe ich die meiste Kraft für eine sinnlose Flucht aus einer unerträglichen Realität bereits vergeudet. Und ich bin noch lange nicht so weit, dass ich keinen starken Drang mehr zu einer solchen Flucht verspüre.

So funktioniert vieles erst beim dritten oder vierten Anlauf oder auch überhaupt nicht. Wenn ich also nur kritisiere und wenig unternehme, liegt es vor allem daran, dass ich die Kraft dafür einfach (noch?) nicht aufbringe. Für mich ist es jedenfalls weniger Aufwand ein dickes Buch zu schreiben als immer wieder zu versuchen bei veschiedenen Leuten meine Forderungen durchzusetzen.

Jedenfalls laufe ich schon mal einfach so als „Transe” durch die Gegend. Damit zeige allen, dass ich anders bin, dazu stehe und auch so gesehen werden möchte. Wem das nicht passt, der kann wegschauen. Und wenn mich jemand darauf anspricht, erkläre ich ihm, was mit mir los ist.

 

Vielleicht wird ja aus mir noch so etwas wie eine neue Greta. Die alte oder echte Greta ist vor einiger Zeit verstorben. Sie war, na ja, sagen wir mal, etwas merkwürdig, lief ständig durch Simmern und sprach auf der Straße einfach jeden an und erzählte ihm etwas.

Jedenfalls war sie so bekannt, dass man ihr mit einer Bronze-Statue in der Simmerner Fußgängerzone ein Denkmal setzte. Wie wäre es da mit einer Doppel-Statue: links die dolle Nicole und rechts Greta?

 

 

Habe ich vielleicht jetzt neben Greta meinen Platz in der Gesellschaft gefunden?

Selbstwertgefühl und die Liebe zu sich selbst

Ich habe einmal gehört oder gelesen: Man kann nur einen anderen Menschen lieben, wenn man sich selbst liebt. Aber wie ist es dann, wenn man nur eine Rolle spielt, die andere so sehen sollen, und es ein wirkliches Selbst gar nicht gibt? Es ist doch nichts da zum Lieben.

Ich habe nie begriffen, was die vielen „Beziehungskisten” in meinem Bekanntenkreis zusammen hält. Da gibt es kaum wirkliche Gemeinsamkeiten und ständig wird gestritten. Dann wird gesagt: es ist die Liebe. Welche Liebe? Eine solche Liebe empfinde ich nicht. Ich kenne nur die körperliche Liebe eines Mannes zu einer Frau.

Was hält also die „Beziehungskiste” zusammen? Die einzige irgendwie logische Erklärung war immer für mich: Es sind zwei Bretter vor dem Kopf, die jeweils mit der Schädeldecke fest vernagelt sind.

Damit sollte klar sein, warum es bei mir mit einer Partnerschaft nie klappte. - Ich wollte mir kein Brett an die Schädeldecke nageln lassen. Also bestand ich auf meine Freiheit, die immer mehr zur Einsamkeit wurde.

 

Was war aber nun mit meinem Selbst? Hat es wirklich nicht existiert? - Irgendwie hätte es doch mit Nicole nicht erwachen können, wenn es überhaupt nicht da gewesen wäre. Es war da. Aber ich konnte es immer nur sein oder ausleben, wenn ich alleine war.

Immer wenn ich mich mit irgend etwas intensiv beschäftigte, das meinen Verstand forderte, war dieses Selbst aktiv. Sobald ich aber mit anderen in Kontakt trat, spielte ich nur diese Rolle, die alle von mir erwarteten, wie ich glaubte.

Was war nun dieses Selbst? - Es war doch ein kleines, unbedeutendes, ängstliches Wesen, das sich immer nur verkroch und von niemandem gesehen werden wollte. Und welchen Wert empfindet man für so etwas?

 

Bei der Rolle war es so, dass es IMMER falsch war, wenn ich etwas so machte, wie ich es in meinem Inneren für richtig empfand. Und wenn ich etwas „richtig” machte, empfand ich es IMMER nur als lästige Pflicht. So wurde das kleine, unbedeutende, ängstliche Wesen mehr und mehr aus dem Leben gedrängt.

Was sollte also konkret richtig oder wichtig sein? - Zunächst einmal war wichtig, dass es mir einmal besser gehen wird als meinem Eltern. Dafür sollte ich zunächst einmal viel lernen und dann mit dem erlernten Wissen eine höhere Position in der Gesellschaft anstreben. Dann waren vielleicht Familie, Kinder, Enkelkinder und ein schönes Haus mit Garten angedacht.

 

Beginnen wir also mit dem Lernen. Eigentlich war ich immer an vielen Dingen interessiert. Dabei wollte ich immer begreifen, wie alles funktioniert und miteinander zusammen hängt.

Als ich aber in die Schule kam, fingen die Probleme an. Es war meine Legasthenie. Wenn ich lesen sollte, ging das nur immer ganz langsam und mit vielen Fehlern. Dafür beschimpte mich die Lehrerin, die ich heute noch dafür erwürgen könnte, als lahme Ente. Entprechend war die Reaktion meiner Mitschüler.

Wenn ich schrieb, gab es mehr falsch als richtig geschriebene Wörter. Beim Rechnen war es auch nicht viel besser, da ich die oft falsch aufgeschriebenen Zahlen immer vor meinen Augen tanzten sah. Im Kopf ging es mit dem Rechnen, nur schriftlich nicht. Der elektronische Taschenrechner wurde schließlich zu einer Erlösung für mich.

Also wurde ich von den Mitschülern gehänselt und von der Lehrerin nur getadelt. Bald interessierte mich die Schule nur noch einen Dreck. Ich erduldete stoisch den Unterricht und lernte immer gerade nur so viel, dass es für eine Versetzung reichte.

Dabei stilisierte ich es zu einer persönlichen Tugend ein „fauler Sack” zu sein.

 

Was das Lesen und Rechnen angeht, entwickelte ich nun eigene Strategien. Mit der Zeit trainierte ich mir an, Wörter als Ganzes mit einem Blick zu erfassen, da sonst die Buchstaben vor meinen Augen tanzten. So konnte ich bald recht schnell lesen. Nur beim Schreiben war es mir völlig egal wie es richtig sein sollte.

Beim Rechnen machte ich immer im Kopf eine überschlägliche Probe. Wenn dann das schriftlich ermittelte Ergebnis davon stark abwich, suchte ich den Fehler und fand ihn auch meistens. Wenn ich es also wollte, konnte ich richtig rechnen. Ich wollte es aber immer nur, wenn die Versetzung gefährdet war oder ich die Berechnung für eins meiner Hobbys brauchte.

Nur beim Umstellen von Formeln mit Buchstaben-Symbolen half mir das wenig. Wenn irgendwie möglich, setzte ich Zahlen statt der Symbole ein, damit ich eine Probe machen konnte.

 

Nun gab es da diese „bessere” Gesellschaft, in der ich eine Postion anstreben sollte. Gleichzeitig war mein Vater alt gedienter SPD-Soldat, und erklärte mir alles, was mit Klassenkampf zusammen hing. Irgendwie wurde mir dabei schnell bewusst, dass man von mir erwartete mich für die angestrebte höhere Position mit dem Klassenfeind zu arrangieren. Wie sagte noch Jesus: Du sollst auch deine Feinde lieben.

Meine Freunde suchte ich bei Leuten, die genau wie ich mit Lernen und Schule wenig im Sinn hatten. Die zogen sich lieber ein Joint rein oder schluckten ein paar Pillen, als sich um ihre Karriere zu kümmern. Strebertypen oder arroganten Arschlöchern, wie ich sie zu nennen pflegte, hätte ich stundenlang mit wachsender Begeisterung eins auf die Nuss geben können.

Irgendwann musste ich mich aber entscheiden. Wollte ich im Drogensumpf unter gehen, wie einige meiner Freunde, oder sollte ich einen anderen Weg wählen? Als ich schließlich ein Motorrad anschaffte, änderten sich meine Vorlieben. Statt irgendwo mit von Haschisch oder Pillen „erweitertem” Bewusstsein abzuhängen, suchte ich lieber den Kick bei einer schnellen Fahrt über eine kurvige Landstraße.

 

Bald hatte ich Abitur und meinen Wehrdienst abgeleistet. Was sollte ich also tun? - Ich hatte absolut keine Ahnung. Und was macht man, wenn man Abitur hat und nicht weiß, was man will? - Man immatrikuliert sich an einer Universität.

Dann hat man als Student einen recht angesehenen Status und kann sonst machen, wozu man gerade Lust hat. Und mit Reserveübungen hatte die Bunderwehr auch keine Chance, wenn man lange genug Student blieb.

Wegen meines Interesses für technische Dinge und den Umweltschutz wählte ich Bauingenieurwesen mit Schwerpunkt Siedlungswasserwirtschaft und Umwelttechnik als Studienfach.

 

Je mehr ich nun mit den Kreisen in Kontakt kam, mit denen ich später im Beruf zu tun haben würde, desto stärker lehnte ich diese Leute als Freunde oder gute Bekannte ab. Bald fand ich einen recht gut bezahlten Nebenjob als Programmierer und vernachlässigte mein Studium immer mehr.

Wenn ich nun beim Programmieren am Computer saß, hatte ich meine Ruhe und bekam noch Geld dafür. Also hatte ich überhaupt keine Lust mich als Ingenieur mit irgendwelchen „arroganten Arschlöchern” auseinander zu setzen.

Bald ging es nicht mehr weiter als Student mit Nebenjob. Was sollte ich also anderes machen als des Studium abzuschließen? - Um mit irgend etwas anderem von vorne anzufangen war es inzwischen viel zu spät, dachte ich.

Also brachte ich das Studium zum Abschluss und begann in meinem Beruf zu arbeiten. Damit war der Weg zum unglücklich Sein und Verzweifeln endgültig eingeschlagen.

 

Man könnte nun behaupten, nicht das Studium und der Beruf wären für mich falsch gewesen sondern lediglich meine Einstellung dazu. Wie hätte ich aber unter den beschriebenen Umständen zu einer anderen, auch vom Gefühl her richtigen, Einstellung kommen sollen? Und kann man hier überhaupt von richtig oder falsch sprechen?

Logisch betrachtet und von meinem technischen Interesse her waren Studium und Beruf sicherlich wollkommen richtig. Es hat „nur” mit meinem Empfinden absolut nicht zusammmen gepasst. Ein Selbst, das seinen eigenen Weg suchte, gab es nicht. Also blieb mir nichts anderes übrig als die gewählte, aber inzwischen immer mehr gehasste Rolle einfach weiter zu spielen.

Grundsätzlich ist es immer möglich sich anders zu orientieren und einen neuen Weg einzuschlagen. Dazu muss man aber erkennen, wo dieser Weg hin führen soll. Doch ich hatte mein kleines unbedeutendes Selbst so weit zurück gedrängt, dass ich überhaupt nicht wusste oder ahnte wo das vielleicht gerne hin möchte.

Ich spürte nur immer eine extrem starke Abneigung, wenn ich irgend etwas nicht wollte. So trat an die Stelle des Suchens nach einem neuen oder anderen Weg immer mehr die Flucht aus einer immer unerträglicher werdenden Realität. Jede Freie Minute verbrachte ich mit Hobbys wie Musik machen, Motorrad fahren, oder der Beschäftigung mit Parawissenschaft. Bei der Arbeit versuchte ich einfach nur irgendwie zu funktionieren.

 

Kommen wir nun vom Selbstwertgefühl und zur Liebe zu sich selbst zurück. Da war also dieses kleine unbedeutende Selbst tief in mir drin, das ich kaum wahrnahm und dessen Wert mir nicht bewusst war. Sonst sah ich nur dieses dumme Arschloch im Spiegel, das ich immer mehr hasste.

Und so wie dieses Spiegelbild hasste ich auch alle Menschen, für die ich mich genötigt sah das dumme Arschloch zu spielen. Dabei kamen schließlich Gedanken auf wie die an die „Endlösung der Menschheitsfrage”, eine „Kackbatterie mit Biogas-Kraftwerk” oder eine „Fließband-Köpfmaschine”.

Die beiden zuletzt genannten Gedanken sind daran angelehnt, wie bei der Massentierhaltung mit unserem Federvieh umgegangen wird. Meine Idee dabei war: Wenn der Mensch zu so etwas fähig ist, hat er selbst nichts besseres verdient. In diesem Sinne erschien mir schließlich die vollständige Vernichtung der Menschheit bei der „Endlösung” irgendwie viel zu human. Es kamen Gedanken an die ewige Verdammnis der Seele oder deren völlige Auslöschung auf.

Also kurz zusammen gefasst: Ich hasste mich selbst und die gesamte Menschheit abgrundtief.

 

Liebe war oder ist für mich nur ein Gefühl, das mit sexueller Erregung einher geht. Und das stellt sich bei mir nur gegenüber Frauen ein. Also muss ich zur Frau werden, wenn ich mich selbst lieben will. Wollte ich mich auf diese Weise als Mann selbst lieben, müsste ich schwul sein.

Zumindest hat es mit der Liebe zu mir selbst als Nicole so angefangen. Was zuerst nur ein Fetisch zum Masturbieren war, wurde zu einer Person im Spiegel, für die ich mich einsetzten möchte, damit es ihr gut geht. Ob das jetzt immer noch nur heterosexuelle körperliche Liebe, oder bereits eine echte Liebe zu mir selbst ist, kann ich nur schwer beurteilen.

Das mit dem Hass auf die Menschheit hat nachgelassen. Ich denke, es liegt vor allem daran, dass ich dieses Arschloch nicht mehr jeden Tag im Spiegel sehe. So etwas wie ein Hauch von „echter?” Liebe ist es wohl eher nicht.

 

Hass ist wie Liebe eine starke Leidenschaft. Wenn ich eine Fliege tot schlage, weil sie mich stört, hasse ich diese Fliege nicht. Nur wenn sie mich nicht in Ruhe lässt, haue ich eben drauf. Wenn ich aber jemanden hasse, dann wäre tot Schlagen nicht genug. Dann möchte ich ihn quälen, vernichten oder ausrotten, und diese Gedanken gehen einfach nicht aus dem Kopf.

Vielleicht ist es so, dass jemand, der nicht lieben kann, diese Leidenschaft, die er anderen gegenüber verspürt, in Hass umwandelt. Bei mir hat mich wohl die Angst, die meine Mutter ständig um mich hatte, erdrückt. Das war so viel übertriebene oder fehlgeleitete „Liebe”, dass ich sie nicht ertragen konnte. Wenn mich also meine Mutter in den Arm nehmen oder küssen wollte, stieß ich sie angewidert weg.

Mein Vater zeigte sich ähnlich gefühlskalt wie ich. Von ihm hätte ich wohl gerne Zuwendung bekommen, aber mehr als eher sachliche Gespräche oder gemeinsame Aktivitäten wie Basteln gab es nicht.

 

Bei meiner Mutter war IMMER alles falsch, was ich machte, bei meiner Großmutter dagegen IMMER richtig, egal was für einen Unsinn ich anstellte, und meinen Vater schien es nicht zu interessieren. Wie sollte ich also erkennen, was für mich richtig oder falsch ist?

Folglich machte ich in Bezug auf Ausbildung oder Lebensplanung alles zähneknirschend so, wie sie es meine Mutter für richtig hielt, und schaffte mir im Bereich Freizeit und Hobby Freiräume, in die ich mir von niemandem rein reden ließ.

Dabei empfand ich mein soziales Umfeld immer mehr als Bedrohung. Ich fürchtete in der Gosse zu landen, wenn ich mich nicht anpasste. Nur je mehr ich mich um ein Anpassen bemühte, desto weniger fühlte ich mich von der Gesellschaft angenommen

Ich sah da nur ein unbedeutendes kleines Nichts, und wurde auch als solches angesehen und behandelt. Dafür hasste ich meine Mitmenschen immer mehr. Ich hätte einige von ihnen langsam und genüsslich zu Tode quälen können, aber keiner von ihnen war es wert, dass man für ihn in dem Knast geht. Also ließ ich es.

 

Mit der Pubertät entwickelte sich eine Lust auf das weibliche Geschlecht. Schöne Frauen zogen mich magisch an - und waren der krasse Gegensatz zu dem ängstlichen kleinen Nichts, das ich immer im Spiegel sah. Ich versuchte bei dem Werben um eine Partnerin mit zu machen, wirkte dabei aber wohl immer so verkrampft, dass ich keine Chance hatte.

Dann wollte mein Sexualtrieb befriedigt werden, woraus sich schließlich durch das permanente Fehlen einer Partnerin der Frauenkleider-Fetisch entwickelte. Das dumme kleine Arschloch im Spiegel hasste ich, verwandelte ich mich aber äußerlich in eine schöne Frau, war da etwas, das ich - zumindest körperlich oder sexuell - begehrte.

 

Mir wurde früher öfter gesagt, ich sei ein attraktiver Mann. Mein Spiegelbild empfand ich aber immer nur abartig hässlich - so ein echter Kotzbrocken eben. Ich denke, das ist ähnlich wie bei einer magersüchtigen Frau, die sich immer noch als viel zu Fett im Spiegel sieht, selbst wenn sie nur noch aus Haut und Knochen besteht.

Im gesamten Angebot männlicher Kleidung, gab es nichts, das ich irgendwie als passend für mich als Person empfand. Da war nur dieses ewige „zieh etwas anständiges an”. Also kaufte ich widerwillig das, von dem ich meinte, dass man es für anständig ansieht. Ich sah da aber immer nur irgend etwas abartig Hässliches, so wie eine magersüchtige Frau überall Fett sieht, wo in Wirklichkeit gar keins ist.

Aus psychologischer Sicht kommt hier sicherlich der Gedanke an eine Therapie auf. Was bewirken aber solche Therapien bei Magersüchtigen? Mehr als dass sie lernen mit ihrer Situation besser zurecht zu kommen und ihre Gewohnheiten entsprechend ändern, geht da doch nicht. Das viele Fett sehen sie immer noch im Spiegel.

Und ich brauche nicht zu lernen, wie man mit männlicher Kleidung umgeht. Das habe Jahrzehntelang praktiziert. Jetzt führt es aber nirgendwo mehr hin. Und deshalb WILL ich es einfach nicht mehr, weil ich es hasse.

 

Wenn ich auf das Leben meiner Eltern und Großeltern zurück blicke, sehe ich da deutliche Parallelen zu meiner Situation, auch wenn sich niemand irgendwie als trans geoutet hat. Mein Großvater väterlicherseits, mein Vater und auch meine Mutter haben wie ich nicht wirklich IHR Leben gelebt.

Bei Vater und Großvater gab es die beschriebene Flucht in diverse intensiv gepflegte Hobbys. Meine Mutter hatte dagegen wohl vor allem mich als Lebensaufgabe, weshalb sie mich nie in Ruhe lassen konnte. Sonst war ihr einziges wirklich intensiv betriebenes Hobby stundenlang in der Stadt durch die Geschäfte zu laufen.

 

Diese starke Parallele zu meinen Eltern bestätigt auch den genetischen Aspekt im Sinne meiner Idee einer Homo-und-Trans-Evolution. Natürlich könnte ich das fehlende Selbstbewusstsein auch von meinen Eltern einfach nur gelernt haben. Wer kein Selbstwertgefühl besitzt, kann das auch nicht an seine Kinder weiter geben.

Da es aber vor allem ein Gefühl ist, mit dem man die eigene Person wahrnimmt, gehe ich davon aus, dass es zumindest teilweise genetisch vererbt ist. Lernen kann man Fähigkeiten oder Verhaltensweisen, aber keine Gefühle. Wenn das möglich wäre, hätte ich ja in über 40 Jahren lernen müssen, wie ich mich als Mann zu fühlen habe.

Unsere nicht-binäre Seele

Ich hoffe, mit dem ganzen Vorstehenden wird jetzt das verständlich, was ich nachfolgend erklären oder beschreiben möchte. Bei den Begriffen genderfluid, androgyn und nicht-binär habe ich die Problematik bereits angesprochen. Es ist unser binäres Denken, das nur die beiden Geschlechter männlich und weiblich kennt. Da gibt es nur entweder oder und nichts dazwischen.

Rein biologisch gibt es in den allermeisten Fällen beim Menschen nur männlich oder weiblich. Manchmal ist es es aber auch biologisch nicht eindeutig. Dann spricht man von Intersexuellen oder Zwittern. Aber selbst wenn es biologisch eindeutig ist, welches Geschlecht hat dann das, was auf geistiger Ebene unsere Persönlichkeit ausmacht, also unsere Seele.

 

Aus der Sicht der modernen Computertechnik, kann man die Seele als eine Software oder ein komplexes Betriebssystem betrachten, das auf der Hardware unseres Körpers und unseres Gehirns lauffähig ist. Von den Betriebssystemen des Marktführers M... wissen wir sicherlich alle, wie fehlerhaft und voller merkwürdiger Macken komplexe Betriebssysteme sind. Bei den Computern ist es dabei jedoch deutlich einfacher, da man bei ihnen nicht zwischen männlich und weiblich unterscheidet.

Wenn nun die Seele so etwas wie ein Computerprogramm ist, besitzt sie keinen Körper, der irgendwelche biologischen Geschlechtsmerkmale hat. Sie ist folglich geschlechtslos, also weder weiblich noch männlich. Bei einer korrekten Installation dieses Betriebssystems sollte es nun an die Hardware des Körpers, also üblicherweise männlich oder weiblich angepasst werden, was in den meisten Fällen wohl zufriedenstellend funktioniert. Bei Intersexualität gibt es da allerdings schon Probleme mit der Hardware.

Aber selbst wenn die Hardware eindeutig ist, muss das bei jedem Menschen ja individuell unterschiedliche Betriebssystem nicht immer mit der männlichen oder weiblichen Hardware harmonieren. Also zusammengefasst: Wir haben eine geschlechtslose Seele, die beim Heranwachsen eines Kindes erst einmal lernen muss, welche Bedeutung das biologische Geschlecht im gesellschaftlichen Zusammenleben hat.

 

Ohne die Rollenbilder in unserer Gesellschaft ist es für ein kleines Kind absolut gleichgültig, was es für ein Geschlecht besitzt. Es entdeckt die Welt und damit auch den eigenen Körper. Und der hat dann meistens entweder da unten so einen Schniedelwutz oder eben ein Loch. Das ist erst einmal einfach so und kein Grund dafür irgend etwas anzuzweifeln - auch dann nicht, wenn es nicht eindeutig sein sollte.

Zum Problem kann es erst werden, wenn dem Kind nun aufgrund seines biologischen Geschlechts versucht wird eine Rolle aufzuzwingen, mit der die Seele teilweise oder sogar überhaupt nicht klar kommt. Wenn sie überhaupt nicht klar kommt, spricht man von Transsexuell. Dann steckt angeblich eine weibliche Seele im männlichen Körper oder umgekehrt. Also wird der Körper äußerlich an das „Geschlecht” der Seele angepasst. So soll es dann passen, damit sich die Seele wohl fühlt.

 

Aber was passt hier nun wirklich? - die Seele zum Körper oder vielleicht einfach nur der äußerlich angepasste Körper in des binäre Rollenbild? Ist eine gefühlt weibliche Seele in einem männlichen Körper wirklich weiblich? Wenn sie geschlechtslos ist, sollte man doch besser fragen: Wo steht sie in einem fließenden, nicht-binären Übergang zwischen männlich und weiblich?

Wenn also die Seele stark zum anderen Geschlecht tendiert, sollte sie sich in einem äußerlich angepassten Körper wohl fühlen können. Was ist aber, wenn sie sich ziemlich undefiniert irgendwo dazwischen befindet? Dann hat es doch vor der Anpassung nicht gepasst und passt hinterher wieder nicht.

 

Wenn man sich die Wege anschaut, die vor allem jene gehen, die sich erst spät als Erwachsene als transsexuell outen, bestätigt sich genau dieser Eindruck. Viele beginnen den Weg mit der üblichen Hormontherapie und dem allgemein gehassten Alltagstest, bei dem man ein Jahr lang komplett in der Rolle des anderen Geschlechts leben und das dokumentieren soll.

Dieser Test ist erniedrigend und kann eine empfindliche Seele in den Selbstmord treiben. Aber wer seine einzigen Chance in einer Anpassung des Geschlechts sieht, geht Zähne knirschend diesen Weg. Die einzige Alternative wäre nämlich, sich irgendwann vor einen Zug zu werfen. Das Leben in der falschen Rolle erscheint sinnlos und damit auch wertlos. Wie vorab beschreiben: Da ist kein Selbst, das einem irgend etwas wert ist.

 

Während des Alltagstests und der Hormonbehandlung werden diese Betroffenen ständig von Zweifeln geplagt, sodass sie ohne den Rückhalt in einer Selbsthilfegruppe verzweifeln würden. Woher kommen aber diese Zweifel, wenn die Seele doch eindeutig das andere Geschlecht haben soll? Und warum haben sie sich überhaupt erst so spät geoutet?

Viele von ihnen belassen es mit der Hormonbehandlung und verzichten auf eine geschlechtsangleichende Operation. Ist das aber nun vor allem altersbedingt wegen der Risiken? Ich denke, ganz bestimmt nicht! Da ist die Seele oft einfach nicht so weit beim anderen Geschlecht, wie bei denen, die sich früher outen.

Und wenn die Seele wirklich so weit beim anderen Geschlecht ist, wird die Operation trotz der im Alter oft erheblichen Risiken angestrebt. Ich kenne da einen Fall, wo jemand in kürzester Zeit extrem abgenommen hat, damit Hormone und Operation möglich wurden. So etwas nimmt man nur in Kauf, wenn der Leidensdruck sehr groß ist.

 

Von Betroffenen, die nach ihrer Transition zum andern Geschlecht unglücklich sind oder gar wieder zurück wollen, hört man nur selten. Das dürfte vor allem daran liegen, dass sie von einer Selbsthilfegruppe oder einem Transgender-Foren im Internet keine Unterstützung mehr erwarten.

Wer einfach nur noch enttäuscht und verzweifelt ist, möchte dies nicht gerne anderen mitteilen. Also kommen nur diejenigen noch gelegentlich in eine Selbsthilfegruppe, die nach ihrer Transition weitgehend zufrieden sind.

Wer die Transition hinter sich hat, möchte aber oft einfach nur noch in Ruhe mit dem anderen Geschlecht leben und ist froh, dass er die ganzen Schwierigkeiten überwunden hat. Eine Selbsthilfegruppe braucht er nicht mehr.

 

Ich vermute, dass sich durch die beschriebene Situation ein falsches Bild ergibt. Wenn überhaupt, erfahren Betroffene nur etwas von denjenigen, die sich in ihrem Leben nach der Transition wohl fühlen. Das bestärkt sie dann darin den richtigen Weg zu gehen, auch wenn vielleicht die Seele - wie bei mir - gar nicht so eindeutig zum anderen Geschlecht tendiert.

Wenn ich Betroffene frage, sind sie sich aber meistens sehr sicher das Richtige zu tun. Viele vertrauen da ihrem Psychotherapeuten. Ich frage mich allerdings, wie der das als nicht betroffene Person richtig beurteilen will. Bei seinem Studium erlangte er nur theoretisches Wissen, und alles Praktische kennt er nur von dem, was ihm seine Patienten erzählen.

Die Aussagekraft von psychologischen Tests halte ich für zweifelhaft. Welche Absicht verfolgte derjenige, der den Test entwickelte? Und mit dem Praxistest werden nur diejenigen abgeschreckt, die sich wie ich den ganzen Stress mit der Transition nicht antun wollen.

Damit ist er nichts anderes als eine überflüssige Schikane, die so manchen zur Verzweiflung oder zum Selbstmord treiben kann. Ich laufe jetzt schon über ein Jahr als Frau herum. Also hätte ich den Praxistest bestanden, obwohl ich nach der strengen Definition gar nicht trans bin.

 

Bei einem fließenden Übergang ist die vollständige Transition nur für einen Teil der Betroffenen der richtige Weg. Das bestätigt auch die Statistik. Von denjenigen, die sich outen, ändert etwa ein Drittel nichts am Körper, ein weiteres Drittel macht die Transition nur teilweise - oft nur Hormone -, und das letzte Drittel geht den ganzen Weg.

Ich habe in meiner Rolle als Mann einen Hass auf unsere Gesellschaft entwickelt. Aus diesem Blickwinkel würde ich schon aus Prinzip nichts an meinem Körper verändern wollen, nur damit ich in ein gesellschaftliches Schema hinein passe. So einfach ist die Sache aber nicht.

Wenn es nicht passt, ist das auf Dauer ein unerträglicher Zustand. Bei mir wurde daraus ein Hass auf die Gesellschaft, andere beginnen aber ihren Körper zu hassen, weil der nicht mit ihrer Seele harmoniert. Und wenn das so ist, bringt dessen Veränderung oder Anpassung Erleichterung, auch wenn es logisch betrachtet falsch erscheint.

Logisch sinnvoller wäre natürlich daran zu arbeiten, dass die binären Strukturen und Denkweisen in der Gesellschaft nach und nach abgeschafft werden. Dann gäbe es irgendwann keine falschen Körper mehr und irgendwelche Anpassungen wären überflüssig. In der heutigen Situation ist das aber nur Wunschdenken.

 

Warum zeigt sich aber heute die nicht-binäre Seele immer häufiger? - Das hängt ganz klar mit der Entwicklung von einer in einem natürlichen Umfeld lebenden Primaten-Population - wie heute bei Gorillas oder Schimpansen - zu einer hoch entwickelten, komplex strukturierten Zivilisation zusammen.

Bei den Affen gibt es nur Nahrungsbeschaffung, Vermehrung und Verteidigung gegen Feinde. Entsprechend sind die Rollen klar und einfach verteilt. Die Weibchen kümmern sich um den Nachwuchs und die Männchen beschützen die Gemeinschaft.

Je mehr Nachkommen nun die Weibchen haben und je stärker die Männchen sind, desto vorteilhafter ist das für die Gemeinschaft. Also sorgt die Evolution mit Mutation und Selektion dafür, dass sich genau dieses Rollenbild entwickelt.

 

Wo führt aber eine Starke Vermehrung bei einer hoch entwickelten Zivilisation hin, bei der die Sterblichkeit aufgrund einer umfassenden medizinischen Versorgung gering ist? - Sie führt doch nur zu sinnlosem Wachstum und Überbevölkerung!

Und warum sollen die Männer stark sein, wenn alle schweren Arbeiten von Maschinen oder Robotern verrichtet werden? Da wissen die Männer doch schließlich nicht mehr wohin mit ihren Kräften und stellen damit nur Unfug an.

Statt Kraft und Ausdauer sind nun technisches Verständnis und Klugheit gefragt. Männer, die recht schwach, aber dafür klug sind, haben also immer mehr Erfolg bei der Evolution.

 

Die ursprüngliche, eher nach dem Prinzip der Auslese organisierte Population wird mit zunehmender Entwicklung und Komplexität immer mehr zur Symbiose. Auch wer als Mann körperlich eher schwach ist oder als Frau wenig zur Vermehrung beiträgt, findet in der Gemeinschaft einer Symbiose seinen Platz und leistet seinen Beitrag an deren Wohl.

Mit dem ursprünglichen Rollenbild passt das mit zunehmendem Entwicklungsstand immer weniger zusammen. Wer früher von der Evolution gnadenlos aussortiert wurde, findet heute eine ökologische Nische, in der er gut leben kann.

Folglich überleben immer mehr Seelen, die in das alte Rollenschema nur schlecht oder auch gar nicht hinein passen.

 

Obwohl in der Werbung immer noch die klassische Familie gerne dargestellt wird, gibt es diese Lebensweise in ihrer reinen Form immer seltener. Es entwickelt sich zunehmend in Richtung Patchwork-Familie, in der die unterschiedlichsten Formen einer Lebensgemeinschaft erfolgreich praktiziert werden.

Und wenn das mit dem Patchwork so erfolgreich ist, warum soll es dann gleichgeschlechtlich und mit Kindern aus einer geschiedenen Ehe nicht auch gut funktionieren. Dann haben die Kinder eben nicht Mama und Papa, sondern Manfred und Herbert, wobei Herbert biologisch eine Frau sein könnte.

Warum sollen denn Manfred und Herbert ihre Kinder nicht genau so liebevoll erziehen können wie sonst Mama und Papa? Und wenn sich zu dieser Lebensgemeinschaft auch noch Susanne hinzu gesellt, die vielleicht biologisch ein Mann ist, kann das doch auch nichts schaden.

 

Konzepte wie das vorstehend Beschriebene setzen sich immer mehr durch, und gleichzeitig werden die Stimmen immer lauter, die so etwas als Verfall der Sitten oder Verrat an Gottes Schöpfung anprangern. Ich denke, die meisten von denen, die sich dagegen auflehnen, haben einfach nur Angst davor, dass ihre schöne, alte, übersichtliche Welt nun so langsam untergeht.

Und? Meine Welt ist schon lange untergegangen, und ich lebe immer noch! Nach jedem Ende gibt es wieder einen neuen Anfang. Soll man also krampfhaft versuchen das Alte zu erhalten, oder sollte man nicht besser die Erfahrungen mit dem Alten nutzen um das Neue so gut wie möglich zu gestalten?

 

Der Wandel unserer Gesellschaft zu einer vielfältigen und komplexen Zivilisation hin ist vorhanden und wird langfristig - falls es keinen großen Rückschlag durch eine ökologische oder atomare Katastrophe gibt - nicht aufzuhalten sein, auch wenn die Konservativen das mit allen Mitteln zu bekämpfen versuchen.

Ich sehe in der Transition von Mann zu Frau oder umgekehrt lediglich eine Möglichkeit das Leiden einer Person, die mit der Rolle ihres biologischen Geschlechts nicht klar kommt, zu verringern. Aus meiner Sicht wäre aber das Abschaffen der starren Rollenbilder der bessere oder richtige Weg.

Dann sollte es gar nicht erst zu dem Leidensdruck kommen, durch den für viele die Transition die einzige Chance ist, das Leben einigermaßen erträglich zu machen. Nur die Gesellschaft ändern geht nicht so einfach wie eine Hormonbehandlung oder das Entfernen eines Penis und das Gestalten einer Neu-Vagina.

 

Ich bin dabei einen Weg zu finden, wie ich meine nicht-binäre Seele ausleben kann. Der erste Schritt dazu war meine verhasste Rolle als Mann aufzugeben und öffentlich als Frau in Erscheinung zu treten. Obwohl es von meinem Körperbau her nicht passt, ist das für mich erheblich angenehmer als vorher als Mann.

Ich fühle mich aber nicht wirklich als Frau. Also wäre es für mich ideal, wenn ich mich einfach als nicht-binäre Person oder Enby (=NB für non-binary) in der Öffentlichkeit wohl fühlen könnte. Wenn ich nur das Haus verlasse und nicht irgendwo hin weg gehe, kleide ich mich bereits weitgehend nicht-binär.

Wenn es draußen warm ist, ziehe ich einfach nur ungeschminkt und oft unrasiert ein Sommerkleid über, und laufe barfuß herum.

 

 

Meine Nachbarn kennen mich bereits so. Also gibt es keine bohrenden Blicke - es sei denn, es kommt wieder mal ein Paket für mich an und wird mir von einem Paketdienst oder einem Hilfszusteller der Post übergeben.

 

Wenn ich in der Stadt unterwegs bin um einzukaufen oder etwas zu erledigen, möchte ich nicht ständig auffallen. Also versuche ich mich so zu kleiden, dass ich beim flüchtigen Hinsehen als Frau gesehen werde.

Dabei kommt es gar nicht so sehr darauf an, was ich anziehe oder wie ich mich schminke. Wichtig ist der erste Eindruck und dabei vor allem ein sicheres Auftreten. Ich kann durchaus als Frau wie ein Bauarbeiter daher stapfen. Das fällt weniger auf, als wenn ich mich ungeschickt um eine weibliche Gangart bemühe und dabei unsicher umher blicke.

Der typisch weibliche Gang ist eher etwas für den Laufsteg oder für einen Crossdresser, der seine Freude daran hat so perfekt wie möglich eine Frau darzustellen. Es gibt viele Frauen, bei denen der weibliche Gang wenig ausgeprägt ist. Also fällt es bei einer Transfrau oder einem weiblich gekleideten Enby meistens nicht weiter auf.

 

Meine Sichtweise mit einer geschlechtslosen Seele und einem fließenden Übergang von cis über nicht-binär nach trans stößt leider gerade bei Transpersonen oft auf strikte Ablehnung. Da wird der Indikation des Psychotherapeuten einfach blind vertraut und eine scharfe Grenze zwischen Transfrauen auf der einen und Teilzeitfrauen, Crossdressern oder Transvestiten auf der andere Seite einfach willkürlich festgelegt.

Denen, die nicht als trans eingestuft werden, unterstellt man nur als Hobby oder zur sexuellen Befriedigung Frauenkleider zu tragen. Das wird dann manchmal sogar als abartig oder pervers bezeichnet. Dann bin ich geneigt zu fragen, wie abartig oder pervers es denn wohl ist trans zu sein.

 

Als Erklärung wird immer angeführt man wäre im falschen Körper geboren. Wenn es aber keine eindeutig männlichen oder weiblichen Seelen gibt, kann der Körper nicht falsch sein. Es passt lediglich die Seele mit der ihr aufgrund der biologischen Geschlechtsmerkmale zugewiesenen Rolle nicht zusammen.

Und wenn es nie passt, kann sich auch kein echtes Selbstwertgefühl in dieser Rolle entwickeln. Die Folgen sind Hass gegen sich selbst, Angst und Depression. Die als aufgezwungen empfundene Rolle wird immer unerträglicher.

Wer nun eher den nicht passenden Körper hasst, entspricht mehr der Trans-Definition und wird die Anpassung dieses Körpers an das andere Geschlecht anstreben. Entwickelt sich der Hass aber vor allem gegen die Rolle und die Menschen, von denen man sich genötigt fühlt diese zu spielen, ist das eher typisch für nicht-binär.

Wie in vorigen Kapitel beschrieben, löst das, was von unserem Spiegelbild im Bewusstsein ankommt, diesen Hass aus. Und da kann man eben einen falschen Körper oder ein angepasstes dummes Arschloch sehen. Im Falle des Arschlochs reicht es dann oft, wenn man nur seine Rolle ändert.

 

Sicherlich gibt es Travestie als Kunstform und Crossdresser, die ihre Auftritte in Frauenkleidern nur als Hobby sehen. Der Aspekt der sexuellen Befriedigung dürfte bei vielen vorhanden sein, bei denen der Konflikt mit der Geschlechterrolle erst nach der Pubertät in Erscheinung tritt, vor allem dann, wenn es mit einer Partnerschaft oder Ehe nicht klappt und deswegen häufig masturbiert wird.

Wer sich schon als Kind im falschen Geschlecht fühlt, lehnt sein biologisches Geschlecht bei der Pubertät bereits ab und lebt seine Sexualität entsprechend auch nicht aus. Also entwickelt er als Mann auch keinen Frauenkleider-Fetisch.

Daraus schließen zu wollen, trans und der sexuelle Aspekt hätten nichts miteinander zu tun, halte ich für falsch. Ich sehe da bei den Psychologen Überheblichkeit und Besserwisserei bei einer Situation, die sie aus eigener Erfahrung oder eigenem Empfinden überhaupt nicht einschätzen können.

 

Durch die strenge Unterscheidung von Transvestiten und Transfrauen wird es nicht-binären Personen wie mir erschwert ihren Körper so verändert zu bekommen, dass es keine psychischen Belastungen (Leidensdruck) aus dem nicht passenden Zustand mehr gibt. Ohne eine, in diesem Fall eigentlich falsche, Indikation als Transsexuell müssten sie alles selbst zahlen.

Dann gibt es bei der Hormonbehandlung in der Regel nur die Wahl zwischen ganz oder gar nicht. Für einen Zustand irgendwo zwischen Mann und Frau, der ja dem nicht-binären Empfinden eher gerecht würde, gibt es keine Richtlinien. Und ohne oder gegen solche zu handeln kommt für viele Ärzte nicht in Frage. Da verzichten dann viele - so wie auch ich - lieber ganz auf eine Hormonbehandlung.

Wenn ich nun keine Hormone nehme, aber eine Entfernung meines Bartes durch Nadelepilation von meiner Krankenkasse bezahlt bekommen möchte, hat die ein gutes Argument die Kostenübernahme abzulehnen. Ich nehme ja keine Hormone und bin damit auch nicht trans.

Und wie sieht es nun aus, wenn mein Haar immer dünner wird und eine Glatze entsteht? Als anerkannte Transfrau habe ich Anspruch auf Geld von der Krankenkasse für eine Perücke. Einer Frau mutet man nicht zu mit einer Glatze herum zu laufen. Ohne Indikation bin ich aber aus deren Sicht immer noch ein Mann.

 

Zu einer Perücke möchte ich kurz anmerken, dass die Exemplare, die hier auf einigen Fotos zu sehen sind, einfache Kunsthaarperücken sind, die zum kleinen Preis zu bekommen sind. Wenn man nur gelegentlich als Frau unterwegs ist oder nur gelegentlich eine Perücke trägt, sind sie durchaus brauchbar. Trägt man sie aber ständig, verfilzen sie schnell und sehen dann nicht mehr gut aus. Also braucht man etwas hochwertiges, vorzugsweise mit Echthaar, das seinen Preis hat.

Da ich noch genug Haare auf dem Kopf habe, war hier mein Weg schnell gefunden: nachwachsendes Echthaar. Das ist preiswert und sehr bequem. Die Länge ist inzwischen für mich akzeptabel und bei der Farbe helfe ich nach.

Schlussbemerkung

Vorstehend habe ich nun im Klartext zusammengefasst, was meinen Drachenreiter Nimhil in meiner Elfen-Trilogie bei seinen immer sinnloser werdenden Kampfeinsätzen verzweifeln ließ. Im Roman wurde er von Aransil, seinem Halbbruder und Sohn der rachsüchtigen Elfe Amandrin, deren Dorf die Menschen überfallen, und deren Eltern sie getötet hatten, in die Rolle des Drachenreiters gedrängt. Aransil entwickelte noch als Kind einen fiesen Plan dafür, den er dann als junger Mann in die Realität umsetzte.

 

Zunächst hat diese Geschichte überhaupt nichts mit Transidentität zu tun. Im Zusammenhang mit dem Verdrängen der Elfen durch die sich überall massenhaft ausbreitenden Menschen kommen aber im Laufe der Handlung Aspekte wie Homosexualität und Transidentität in der Gesellschaft der Elfen immer stärker zum Vorschein.

Mit dem zunehmenden Zurückweichen vor den Menschen werden die überlieferten Werte oder Ideale der Elfen immer bedeutungsloser. Im Sinne meiner Homo-und-Trans-Evolution zeigen sich also vermehrt die vielfältigen genetischen Varianten in einer Population.

In den drei Romanen bleibt das aber eher eine Randerscheinung. Mein weit zurück gedrängtes Ich, spiegelt sich dabei in zwei verschiedenen Figuren wieder. Der Mann in mir oder Nikolai Fritz ist im Drachenreiter Nimhil und seinem Halbbruder Aransil wieder zu finden.

 

Meine Mutter spiegelt sich zunächst in den beiden Drachen wieder, von denen Nimhil fast sein ganzes Leben lang nicht los kommt. Nach dem Tod des zweiten Drachen verzweifelt er völlig und nervt seine Mit-Elfen nur noch mit immer neuen und immer absurderen Verschwörungstheorien.

Im Zweiten Roman, der zeitlich vor, während und nach den Ereignissen im ersten Teil angesiedelt ist, zeigt sich dann meine Mutter als die rachsüchtige Elfe Amandrin, die ihren Sohn Aransil unbedingt zu einem Drachenreiter machen will, der die Menschen bekämpfen und am Ende möglichst vernichten soll.

 

Im dritten und letzten Teil wird schließlich Nimhils Tochter Miria zur Hauptperson. Mit ihr und ihrer Weltreise kommen neue Aspekte in diese Geschichte. Parallel dazu kommt es mit deren Sohn Amir wieder zu ähnlichen Problemen mit seiner Identität wie zuvor bei Nimhil.

In Miria zeigt sich bereits meine weibliche Seite oder Nicole Doll. Und die kann nun mit den sich irgendwie nur noch wiederholenden Problemen bei Amir nicht mehr viel anfangen. Als schließlich Nimhil und Aransil nach Elfen-Art „für immer fortgehen” und damit aus den Geschehen ausscheiden, ist für mich als Nicole das Thema dieser Elfengeschichte erschöpft.

Wie es mit meinem Leben nun weiter gehen wird, weiß ich nicht. Also wüsste ich auch nicht, wie es im Leben meiner Romanfigur Miria weiter gehen sollte. In Mirias Weltreise spiegelt sich erst einmal wieder, wie ich als Nicole die Welt neu entdeckt habe.

 

Vielleicht liegt der Schlüssel zu neuen Geschichten und weiteren Ereignissen ja bei dem angefangenen Science-Fiction-Roman, den ich vielleicht „Transtopia beim Aldebaran” oder so ähnlich nennen sollte. Jedenfalls habe ich darin begonnen eine außerirdische Gesellschaft zu beschreiben, die mein Ideal von einer in völliger Freiheit lebenden Gesellschaft ohne starre Rollenbilder für die Geschlechter widerspiegeln soll.

Im Moment hänge ich dabei allerdings in den ganzen Klischees fest, die sich in unsere Köpfe regelrecht eingebrannt haben. Vielleicht muss ich einfach den Enby noch eine Zeit lang ausleben, damit ich eine klare Vorstellung von dem bekomme, was ich da beschreiben will.

 

Jetzt wird es aber erst mal wieder Winter. Dann ist es kalt draußen. Also ist es mit kaum mehr als einem leichten Sommerkleid am Körper erst einmal für eine Weile vorbei. Und den Bikini trage ich vielleicht einmal im Hallenbad. Sonst habe ich für Herbst und Winter betont weibliche Kleidungsstücke angeschafft.

 

 

Mit einer Hose fühle ich mich wieder eher als Mann. Also mag ich auch als Enby keine anziehen. Und wenn ich zu einem ähnlichen Outfit wie auf dem Foto einfach einen Drei-Tage-Bart stehen lasse, fühle ich mich nicht wohl. Also bleibt der Enby erst einmal wieder schön zu hause und ich zeige mich in der Öffentlichkeit als Frau.

 

Kommen wir aber nun zu den Veränderungen in unserer Gesellschaft zurück, die mich so etwas wie eine Homo-und-Trans-Evolution erkennen lassen. Die alten Rollenbilder, aber auch die alten Konzepte zur sozialen Absicherung, kommen mit einer sich technisch rasant weiter entwickelnden Zivilisation nicht mehr mit.

Eine für das Funktionieren der Gemeinschaft notwendige Arbeiterschaft, auf die der Klassenkampf und damit das sozialdemokratische Konzept aufbaut, verliert immer mehr an Bedeutung. Die schwere Arbeit, soweit man sie nicht in Billiglohn-Länder auslagern kann, machen immer mehr Maschinen und Roboter oder Einwanderer aus Ländern mit einen viel geringeren Lebensstandard als bei uns.

Unter diesem Aspekt ist es also nicht verwunderlich, dass eine klassisch sozialdemokratische Partei immer weniger Anklang bei den Wählern findet. Da müssen andere Konzepte vertreten werden, wie beispielsweise eine Roboter-Abgabe zur langfristigen Finanzierung der sozialen Absicherung.

Wenn es für immer mehr Menschen wegen fehlender Bildung oder sonst geeigneter Qualifikation keine Aufgabe in dieser Gesellschaft mehr gibt, erscheint auch ein bedingungsloses Grundeinkommen - nach dem Vorbild einer Symbiose - als ein durchaus sinnvoller Weg. Mit Hilfe von Maschinen und Robotern wird ja genug erwirtschaftet um das zu finanzieren.

 

Eine sinnvolle Aufgabe für jeden wäre zwar zielführender, aber ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte verhindern, dass Menschen in die Armut abrutschen - oder das auch nur so empfinden - und sich deshalb eine strenge Ordnung wünschen, mit der die „guten” alten Zustände wieder zurück geholt werden.

Es haben inzwischen zu viele den Anschluss verpasst. Sie glauben einfach nicht mehr daran, dass sie noch irgendwo einen sinnvollen Beitrag zum Wohl der Allgemeinheit leisten können. Das Selbstwertgefühl ist dahin. Also geht es nur noch darum irgendwie zu überleben. Und darauf lässt sich nichts in die Zukunft Weisendes aufbauen.

So spaltet sich die Gesellschaft immer stärker in eine Gruppe, die sich immer mehr an Wachstum und Profit orientiert und eine zweite Gruppe, die von dieser Gesellschaft immer mehr ausgeschlossen wird. Für die zweite Gruppe gibt es keine politische Partei, die sie vertritt. Also wählt man dort entweder nicht oder eine Partei, die verspricht die „besseren” Zustände aus einer früheren Zeit zurück holen zu wollen.

 

In diesem Sinne erscheint das vermehrte in Erscheinung Treten von Homo- und Trans nur ein kleiner Aspekt einer großen Entwicklung von einer auf körperliche Arbeit aufbauenden zu eine technisch hoch entwickelten Gesellschaft zu sein. Der starke Mann, der mit dem Konzept der klassischen Familie für genügend Nachwuchs und damit Arbeitskraft sorgt, und die Frau, die sich dabei um Haushalt und Kinder kümmert, werden immer weniger gebraucht. Andere Rollenkonzepte zeigen sich zunehmend als besser überlebensfähig.

Diese müssen jetzt aus dem Schatten einer sozialen Randgruppe heraus treten und neue Konzepte aufzeigen und auch politisch vertreten. Bei vielen, vor allem den älteren von uns, zu denen ja auch ich zähle, ist das Selbstbewusstsein klein geworden. Dann fällt es sehr, sehr schwer in die Öffentlichkeit zu treten, auf sich aufmerksam zu machen und so seine Interessen schließlich durchzusetzen.

Also appelliere ich an die Jüngeren, die den größten Teil ihrer Kraft noch nicht auf einem falschen Weg sinnlos verschwendet haben.

 

Soll man nun eine neue Partei gründen? Betrachtet man die AFD, besteht dabei eine sehr große Gefahr, dass konservative Kräfte diese als Möglichkeit nutzen um hinter der Fassade einer demokratischen Partei an Wählerstimmen zu gelangen und so ihre Machtinteressen durchsetzen zu können.

Also wären da bei sozialer und / oder ökologischer Orientierung noch SPD, Grüne und die Linke. Sich als neues junges Mitglied da einbringen zu wollen ist ein beschwerlicher Weg. Aber welche Alternative gibt es?

Bei der so genannten LGBTI (lesbian, gay, bi-, trans-, intersexual) - Bewegung gibt es eine große Aktivität. Was spricht also dagegen dort mit zu machen um für eine neue, sozial gerechte und ökologisch nachhaltige, Gesellschaft einzutreten. Damit gibt es schon einmal eine Plattform, über die man auf unsere drängenden Probleme aufmerksam machen kann.

Den - zur Zeit noch? - wenigen, die von LGBTI direkt betroffen sind, würde es helfen, und für die anderen sozial ins Abseits Geratenen gibt es eine Möglichkeit sich Gehör zu verschaffen. Das sollten wir nutzen, BEVOR die rechten Kräfte wieder anfangen uns auf Vaterland, Führer und Endsieg einzuschwören und damit wieder alles zerstören, was wir erreicht haben.

 

Wenn ich jetzt noch jung wäre, würde ich mit dem Wissen, das ich vorstehend aufgezeigt habe, genau diesen Weg gehen. Mit meinem damaligen Wissen, als ich noch jung war, wäre ich aber vermutlich still und unauffällig den Weg der vollständigen Transition gegangen. Ob ich dann als Frau glücklich geworden wäre, bezweifle ich.

Vermutlich hätte so niemand etwas über mich erfahren. Vielleicht hat es diesen ganzen krummen und beschwerlichen Weg gebraucht, über Nikolai Fritz, seine Parawissenschaft und seine Fantasy-Romane schließlich zum Enby Nicole Doll, der / die jetzt nicht recht weiß was er / sie nun schreiben soll.

Und dieser Weg ist noch lange nicht zu Ende. Irgendwo eins von vielen Millionen Ebooks zu veröffentlichen, kann nicht das Ziel sein. Aber es ist ein Schritt dort hin. Und dann führen ganz viele Schritte hoffentlich irgendwann zum Ziel.

 

Nicole Doll

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 01.12.2018

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