Cover

Vorwort

 

Die Heimat-Fantasy-Geschichte ist immer noch nicht zu Ende. Der alt gewordene Drachenreiter Nimhil und sein Bruder Elrom kommen in den Nordländern immer noch nicht zur Ruhe. Sie leben nun dort, seit sich die Menschen im ganzen alten Elfenland breit gemacht haben, und der Drache gestorben ist. Nimhil wurde vor langer Zeit einmal Drachenreiter, um die Elfen gegen die Menschen zu verteidigen. Es gab aber nur eine Schlacht gegen die Menschen. Die haben die Elfen zwar mit der Hilfe der Zwerge aus den Feuerbergen gewonnen, das Ausbreiten der Menschen wurde aber nicht verhindert.

Drachenreiter zu sein wurde daher für Nimhil immer sinnloser. Irgendwie wollte er nie begreifen, wieso die Elfen nicht alle ihre technischen Möglichkeiten zur Verteidigung gegen die Menschen nutzten. Obwohl man beispielsweise mit Elfenflügeln fliegen konnte, wurde das alte Elfenland nur mit einen einfachen Verteidigungswall mit Speer- und Steinschleudern gegen die Menschen verteidigt.

Auf einer Reise mit einem Schiff zum Nordeis, die Elrom einmal mit seiner Frau Samadrin unternahm, erfuhr er von dem Kapitän etwas über unter Wasser fahrende Schiffe. Dabei erklärte der Kapitän einem neugierigen Fahrgast, wie die Orientierung unter Wasser angeblich funktionieren sollte. Als dann das Schiff in einem Schneesturm ohne jede Sicht mit voller Fahrt zwischen Eisbergen hindurch fuhr, schlich Elrom auf den Kommandostand. Dort sah er dann die Geräte, die der Kapitän dem Fahrgast erklärt hatte. Auf Sichtkristallen waren die Eisberge unter Wasser und der Meeresboden zu sehen.

Nun wissen Elrom und Nimhil, dass es hoch entwickelte technische Lösungen für die Verteidigung gibt, die aber offensichtlich nur in den Nordländern und nicht im übrigen Elfenland angewendet werden. Nimhil ist überzeugt, dass es eine Verschwörung gibt, bei der sich einige auserwählte Elfen in den Nordländern einen Lebensraum sichern, während man akzeptiert, dass alle anderen von den Menschen verdrängt werden.

 

Nimhils Tochter Miria wird von ihrem Mann und ihrem bereits erwachsenen Sohn verlassen. Während Nimhil und Elrom nun nach Beweisen für eine Verschwörung suchen, um diese dann in einem Buch zu veröffentlichen, plant Miria eine Weltreise. Sie will einerseits ihrer Einsamkeit ohne Mann und Sohn entfliehen, andererseits will sie sich nach einem möglichen neuen Lebensraum für die Elfen umsehen. Nimhil und Elrom akzeptieren es einfach nicht, dass das Zeitalter der Elfen nun einfach so zu Ende gehen soll, eine Vorstellung, von der offensichtlich die meisten Elfen überzeugt sind.

Auch hier gibt es wieder einen Bezug zu der heutigen Zeit, wobei nun weniger die allgemeinen Veränderungen in der Gesellschaft, sondern Themen wie Verschwörungen, Flucht und Auswanderung im Vordergrund stehen. Wie ich es bereits in meinen beiden anderen Büchern beschrieben habe, deutet nämlich einiges darauf hin, dass auch das Zeitalter unserer Hochkultur in nicht allzu ferner Zukunft zu Ende gehen wird. Wenn diese Vermutung richtig sein sollte, kann man nur hoffen, dass unsere Hochkultur nicht bald von einem neuen "tausendjährigen" Reich abgelöst wird, das dann vielleicht wirklich tausend Jahre oder mehr überdauert.

Es sieht jedenfalls so aus, als würden sich immer mehr Menschen in den Industrieländern eine solche Hölle auf Erden irgendwie wünschen. Statt schwierige Probleme zu lösen, ist es nun einmal einfacher, Leute zu suchen, die diese Probleme angeblich verursachen, und diese Leute dann auszugrenzen und zu verfolgen. Wer bei der Bildung zu kurz gekommen ist und daher nur einfach denken kann, ist leider für solche "einfachen Lösungen" empfänglich.

Lassen Sie sich also ein drittes mal in die Welt der Elfen, Kobolde und Drachen verführen. Wie bei den Geschichten des Drachenreiters und der Rache einer Elfe können Sie auch in dieser Geschichte alle Orte der Handlung auf einer Landkarte wieder finden. Dieses mal benötigen Sie aber statt einer Karte unseres Heimatlandes einen Weltatlas - und am besten noch einen Taschenrechner zum Umrechnen der Elfen-Positionsangaben in Längen- und Breitengrad.

Also wünsche ich wieder viel Spaß beim lesen.

 

ihr Nikolai Fritz.


Mirias Reise” ist der dritte und letzte Teil der Elfen-Geschichte (Teil 1 „Der Drachenreiter”, Teil 2 „Die Rache einer Elfe”). Während er entstand wurde aus Nikolai Fritz Nicole Doll. Eine Art Bericht oder Autobiographie darüber ist in „Die Transautolegasthenistin” von Nikolai Fritz und Nicole Doll zu lesen.

Als Nicole Doll habe ich kein Bedürfnis mehr Fantasy-Romane zu schreiben. Deshalb bleibt „Mirias Reise” unvollendet. Nach dem Ende des Manuskripts habe ich daher die Stichworte stehen gelassen, mit denen Nikolai Fritz die weitere Handlung skizziert hatte. Würde ich versuchen das weiter zu schreiben, wäre es nicht mehr so, wie es sich Nikolai Fritz einmal gedacht hat.

Die Verwandlung vom Mann zur Frau zeigt sich bereits in diesem Roman. Der Konflikt zwischen dem „alten ewig nörgelnden Stinkstiefel” Nimhil, der sich von allem abwendet und in Verschwörungstheorien verrennt, und seiner Tochter Miria, die in die Welt hinaus will, spiegelt das wieder, was sich in meinem Inneren zwischen Nikolai und Nicole abspielt.

Der Mann, der alles aufgegeben hat und sich aus Angst verkriecht, und die Frau, die dieser sozialen Isolation entkommen will. Was mir als Nicole noch fehlt, ist so ein weißer Bär. Nur müsste der für mich weiblich sein. Ich bin als Mann hetero und wäre entsprechend als Frau lesbisch. Mehr zu solchen Besonderheiten bei Transmenschen ist in meiner Autobiografie „Die Transautolegasthenistin” zu lesen.

 

Ihre Nicole Doll



 

 

Kapitel 1

In den Nordländern, die weit im Norden an das Eismeer heran reichten, war von dem erwarteten Ende des Zeitalters der Elfen kaum etwas zu bemerken. Das Leben verlief so, wie es bei den Elfen schon immer verlaufen war. Wie es aber den Elfen erging, die im alten Elfenland südlich des Meeres verblieben waren, wusste niemand. Als Nimhil der Drachenreiter und seine Tochter Miria in die Nordländer gekommen waren, kamen noch gelegentlich Elfenflügel über das Meer angeflogen. Diesen Flugbetrieb hatte damals Miria zusammen mit den alten Elfen wieder eingerichtet.

Nun war aber schon lange kein Elfenflügel mehr über das Meer gekommen. Wahrscheinlich waren viele dieser alten Elfen bereits für immer fort gegangen. Die übrig gebliebenen Elfen lebten sicherlich noch tief in den Wäldern irgendwie mit den Menschen zusammen - aber eben irgendwie. Die Lebensweisen der Elfen und Menschen passten ja nun einmal überhaupt nicht zusammen.

Wenn ein Elfe sehr alt war und gebrechlich wurde, wartete er nicht auf den Tod, sondern er ging für immer fort. Er ging dann an einen einsamen Ort irgendwo im Wald und setzte sich an einen Baum. Dort schlief er ein und wachte nicht wieder auf. Um seinen toten Körper kümmerten sich dann Bären, Wölfe und Geier. Wenn ein Elfe getötet wurde, verbrannte man seinen Körper, und streute dann die Asche im Wald aus.

Die Elfen hatten sich in die Nordländer zurück gezogen. Warum verteidigten sie aber nicht das alte Elfenland gegen die Menschen? Dafür war Nimhil doch Drachenreiter geworden. Als Nimhils Bruder Elrom bei einer Reise zum Nordeis auf einem Schiff Geräte entdeckt hatte, mit denen man sich unter Wasser orientieren konnte, und der Kapitän Geschichten über unter Wasser fahrende Schiffe erzählt hatte, war es ihm sofort klar, dass die Elfen hoch entwickelte technische Lösungen zur Verteidigung gegen die Menschen besaßen.

Man konnte sich also höchst wahrscheinlich nicht nur von unter Wasser, sondern auch mit Elfenflügeln aus der Luft sehr effektiv gegen die Menschen verteidigen. Im alten Elfenland gab es aber nur einen Verteidigungswall mit Speer- und Steinschleudern. Dazu kam dann Nimhil als einziger Drachenreiter. Nimhil und Elrom schrieben daher ein Buch über eine mögliche Verschwörung, bei der sich einige Elfen in die Nordländer in Sicherheit brachten, während man alle anderen irgendwie einfach den Menschen auslieferte.

Dabei trugen sie alle Hinweise zusammen, an die sie zu diesem Thema heran kamen. Diese Verschwörung sollte auch erklären, warum Nimhils Kampf mit dem Drachen gegen die Menschen letztlich erfolglos geblieben war. Das war für Nimhil und Elrom irgendwie ein Trost. Deshalb mussten sie unbedingt dieses Buch schreiben.


Als das Buch fertig war und in allen Bibliotheken zu lesen auslag, war Mirias Sohn Amir erwachsen geworden. Mirias Mann war Flügelhandwerker auf dem Flugplatz, an dem Miria als Pilotin arbeitete. Bei den Elfen war es weit verbreitet, dass man seine Frau oder seinem Mann wieder verließ, wenn die Kinder erwachsen waren. Dann schaute man sich oft auch an einem anderen Ort nach einer neuen Tätigkeit um.

Also ging auch Mirias Mann einfach fort. Er wollte an der Küste beim Schiffsbau tätig werden. Sein Sohn Amir folgte ihm. Nun war Miria alleine. Wenn sie dann mit einem Elfenflügel in der Luft war, grübelte sie über die Probleme der Elfen und eine mögliche Verschwörung, statt wie früher an ihren Mann und ihren Sohn zu denken. Elrom und Nimhil nervten sie ja immer wieder mit diesen Themen. So wurde die Fliegerei für Miria immer unerträglicher. Wo sollte sie aber hin und was sollte sie machen?

Jedes mal, wenn Miria in der Luft war. musste sie irgendwie an das bevor stehende Ende des Zeitalters der Elfen denken. Konnte es wirklich richtig sein, dass sich die Elfen in die Nordländer zurück zogen und - wenn es eine Verschwörung gab - ein technisches Bollwerk gegen die Menschen aufbauten? Nimhils und Elroms ganze Lebensgeschichte lief nun immer wieder vor ihren geistigen Auge ab.

Waren die Nordländer, in denen es im Sommer nachts nicht richtig dunkel und im Winter tagsüber nicht richtig hell wurde, wirklich ein geeigneter Lebensraum für die Elfen? Miria hatte jedenfalls immer irgendwie Probleme mit der Kälte und Dunkelheit im Winter. Und in den hellen Nächten im Sommer konnte sie kaum schlafen. Gab es nicht vielleicht irgendwo auf der Erde einen Platz, an dem die Elfen besser leben konnten?

 

Als sie wieder einmal mit einer Ladung Fracht alleine im Elfenflügel saß, hatte sie plötzlich die Idee, mit Elfenflügeln um die ganze Welt zu fliegen und diese so zu erkunden. Wie sollte das aber gehen? Miria überlegte: Für einen Flugbetrieb mit Elfenflügeln benötigte man überall Landeplätze mit Startwinden. Mit einem Schiff könnte man aber diese Winden mit nehmen. Dann müsste man jedoch überall, wo geflogen werden soll, Start- und Landeplätze anlegen.

Auf einem flachen Strand wäre das sicherlich kein Problem. Was könnte man aber machen, wenn man irgendwo nur Steilküsten vorfindet? Man müsste auf dem Wasser starten und landen. Elfenflügel waren aber als Segelflugzeuge sehr leicht gebaut. Beim Start oder einer Landung auf dem Wasser wären sie einfach auseinander gebrochen.

Mit großen Schwimmern oder einem entsprechend stabilen Rumpf, wären sie viel zu schwer und als Segelflugzeuge nicht mehr tauglich gewesen. Konnte man aber vielleicht irgendwie mit den Rädern auf dem Wasser starten und landen? War es nicht möglich, eine schwimmende Startbahn zu verwenden?

Als sich die Elfen ihres Dorfes wieder abends bei Räucherfleisch und Musik auf dem Dorfplatz zusammen fanden, sprach sie über das, worüber sie in der Luft nachgedacht hatte. Ein Fischer sagte dann: "So eine schwimmende Startbahn sollte doch nicht schwer herzustellen sein, eine lange Reihe einfacher Bootsrümpfe mit einer Plattform darauf, das ganze so steif, dass die Räder darauf rollen, aber gleichzeitig so beweglich, dass die Plattform die Bewegungen des Seegangs mit macht.

Für die Rümpfe könnten wir einfache Holzgerippe bauen, die wir mit wasserdicht gemachtem Segeltuch bespannen. Das ist leicht und hoffentlich ausreichend stabil. Am nördlichen Ende des Sees gibt es eine Bucht, wo wir die Startbahn ausprobieren könnten. Die richten wir dann nach der vorherrschenden Windrichtung aus. Dann kannst du immer gegen den Wind starten und landen - Ich spreche mit meinen Kollegen über diese Sache."

Miria teilte dem Leiter des Flugplatzes mit, dass sie eine Weltreise plante, und er einen Ersatz für sie als Pilotin suchen sollte. Sie erzählte ihm auch von den geplanten Versuchen mit der schwimmenden Startbahn und bat ihn, einen Elfenflügel zu beschaffen, der durch einen neuen ersetzt wurde. Solche Elfenflügel waren zwar alt, aber in einem einwandfreien Zustand, da sie ja immer wieder mit Fluggästen in der Luft waren.

Bald hatten die Fischer die Schwimmende Startbahn fertig gestellt. Sie zogen sie mit ihren Booten in die Bucht am nördlichen Ende des Sees. Dort befestigten sie sie mit Seilen so an zwei Seiten des Ufers, dass sie in der vorherrschenden Windrichtung ausgerichtet war. Miria fuhr mit den Fischern in ihren Booten zu der Startbahn und begutachtete sie. Es machte alles einen ordentlichen und soliden Eindruck. Wenn man über die Startbahn hinweg lief, gab der Boden immer ganz leicht nach und sank ein wenig nach unten.

Wie stark würde er aber nach unten sinken, wenn ein Fahrgestell mit dem Gewicht eines Elfenflügels darüber rollte? Verglich man das Gewicht einer Person mit dem eines Elfenflügels, sollte die Startbahn nicht allzu stark absinken. Es entstand dabei aber eine Mulde, aus der das Fahrgestell immer bergauf hinaus rollen musste. Wie stark bremste das den Elfenflügel nach der Landung ab? Konnte vielleicht das Fahrgestell dabei abbrechen? Diese Fragen konnte Miria niemand beantworten.

 

Inzwischen traf der außer Betrieb genommene Elfenflügel auf dem Flugplatz ein. Der Leiter des Flugplatzes drängte nun darauf, dass der belegte Stellplatz in der Halle bald wieder frei wurde. Das Wetter war freundlich und der Wind kam aus der richtigen Richtung. Also beschloss Miria, einen Versuch zu wagen. Sie bat also die Fischer, mit ihren Booten zu der Startbahn zu fahren. Die sollten den Elfenflügel nach der Landung ans Ufer zu einem Unterstand bringen, den sie dort errichtet hatten.

Eine Winde für die Starts gab es dort noch nicht. Miria hatte noch nicht alle Teile dafür zusammen bekommen. Nun wurde Miria nervös. Die schwimmende Startbahn war kurz und schmal. Da musste man für die Landung sehr genau anfliegen, sonst war der Elfenflügel schnell im Wasser. Gab es irgend welche besonderen Luftströmungen dort am See? Niemand wusste es. Aber die Landung musste beim ersten Versuch gelingen.

Miria riss sich zusammen und ließ sich in die Luft ziehen. An einem Hang kurbelte sie sich dann weit nach oben. Sie wollte sich erst einmal eine Überblick verschaffen, und dann mehrere Landeanflüge über der Startbahn in größerer Höhe durchspielen. Dann gab es aber nur noch einen Versuch. Der Elfenflügel war leer. So brauchte er keine lange Landebahn. Durch sein geringes Gewicht war er aber sehr windempfindlich.

Aus großer Höhe erschien die schwimmende Startbahn nun noch viel kürzer und schmaler. Miria wurde es mulmig. Dann übte sie drei mal in größerer Höhe: Platzrunde, Klappen raus, Festhalten. Die nächste Platzrunde flog sie ein Stück größer. Jetzt wurde es ernst: zweite Kehre - genau auf die Landebahn zu - Klappen raus - zu tief: Klappen wieder rein - Richtung stimmt - Klappen wieder raus - Festhalten.

Knapp hinter dem Anfang der Bahn setzten die Räder auf. Mit einem kräftigen Ruck bremste das Flugzeug ab und kam im zweiten Drittel der Landebahn zum Stillstand. Miria stieg mit zitternden Knien aus. Die Fischer klatschten. Sie waren stolz darauf, dass die von ihnen gebaute Landebahn funktioniert hatte.

Nun schoben die Fischer den Elfenflügel zum Anfang der Startbahn. Dann sollte er über einen hölzernen Steg an Land geschoben werden. Das gestaltete sich ziemlich schwierig. Der Steg rutschte auf der Startbahn immer hin und her, wenn die Fischer dort herum liefen. Wenn dann endlich ein Rad auf dem Steg war, rutsche er zur Seite weg und der Elfenflügel drehte sich. Einmal wäre er dabei fast ins Wasser gefallen.

Miria rannte nervös hin und her. Dann wurden mehrere Seile an dem Elfenflügel angebracht und hinüber an Land geführt. Endlich gelang es, den Steg an seiner Position fest zu halten und den Elfenflügel mit beiden Rädern auf ihn zu ziehen. Als dann der Elfenflügel an Land war und unter dem Überdach stand, waren die Fischer völlig geschafft.

Für den Transport an Land musste unbedingt eine Bessere Lösung gefunden werden. Miria war aber froh, dass die Landung geklappt hatte. Als sich alle wieder erholt hatten, fuhr sie mit den Fischern in einem Boot zu ihrem Dorf zurück.

 

Während die Fischer an einer Lösung für den Transport des Elfenflügels an Land arbeiteten, begab sich Miria zur nächsten zentralen Bibliothek. Dort ließ sie ein kleines Büchlein drucken, in dem sie ihren Plan für eine Weltreise mit mehreren Schiffen, bei dem es Erkundungsflüge mit einem Elfenflügel geben sollte, vorstellte. Sie suchte einen Kapitän, der sich bereit erklärte, seine Schiffe für eine solche Reise zur Verfügung zu stellen. Nun konnte sie nur noch hoffen, dass sich bald jemand bei ihr melden würde.

Als sie von der Bibliothek zurück kam, waren auch alle Teile für die Startwinde auf dem Flugplatz eingetroffen. Also ging es direkt am nächsten Tag mit den Fischern zur schwimmenden Startbahn. Die Winde wurde aufgebaut und in Betrieb genommen. Bald gab es dann die ersten Testflüge. Miria bekam bald Routine bei den Starts und Landungen auf der schmalen und kurzen Bahn. Auf dem ruhigen See funktionierte alles recht gut.

Das Problem mit dem Transport des Elfenflügels von der Startbahn an Land hatten die Fischer auch gelöst. Wie würde es aber bei Seegang auf dem Meer aussehen? Dort konnte man die schwimmende Startbahn auch nicht am Ufer fest machen. Wie würde es also mit der Startbahn zwischen zwei Schiffen funktionieren?

 

Inzwischen war es Herbst geworden. Der Testbetrieb wurde eingestellt und Miria brachte Zeltplanen als Wände an den Unterstand an, in dem der Elfenflügel stand. So sollte er ohne Schäden über den langen Winter kommen. Die schwimmende Startbahn brachte sie mit der Hilfe der Fischer ebenfalls unter das Überdach. Nun war dort alles zu gestellt und übereinander gestapelt. Da Miria ihre Beschäftigung als Pilotin gekündigt hatte, saß sie nun immer den ganzen Tag alleine in ihrem Haus.

Dann ging ihr wieder alles durch den Kopf: das Ende des Zeitalters, ihr Mann, ihr Sohn, Nimhils Verschwörungstheorie und die geplante Reise. Also ließ sie sich mit einem Elfenflügel in das Dorf am See bringen, in dem Nimhil, Elrom und Samadrin lebten. Nun musste sie sich zwar ständig etwas über unter Wasser fahrende Schiffe oder ähnliches zum Thema Verschwörung anhören, das war aber leichter zu ertragen, als die Einsamkeit in ihrem Haus. Nimhil und Elrom freuten sich, dass Miria bei ihnen war. Samadrin sorgte für gutes Essen und gelegentlich für eine willkommene Abwechslung bei den Themen einer Unterhaltung.

Draußen wüteten nun die Herbststürme. Oft regnete es dabei wie aus Eimern. Da klopfte es plötzlich an der Tür. Miria öffnete. Draußen stand ein großer kräftiger Mann. Er sagte: "Ich suche eine Miria, die eine Weltreise unternehmen möchte. Ich bin Kapitän. Bin ich hier richtig?" Miria antwortete: "Ja, hier bist du richtig, Kapitän. Ich bin Miria. Komm herein. Sei gegrüßt." Der Kapitän betrat das Haus.

Da rief Elrom: "Samadrin, komm schnell her! Der weiße Bär ist hier! - sei gegrüßt, Kapitän."

Der Kapitän erwiderte: "So sieht man sich also wieder. Der Fahrgast, der in meinem Schiff herum spionierte und dann auch noch die Frechheit besaß, darüber in einem Buch zu schreiben. Du hast mir gehörig den Spaß verdorben. Seit nun alle wissen, dass ich die Eisberge von unten sehen kann, nimmt mich keiner mehr ernst, wenn ich zum Fluchen auf den Mast steige. Die entsetzten Gesichter der Fahrgäste, wenn ich mit voller Fahrt ohne Sicht zwischen den Eisbergen hindurch fuhr und auf dem Mast fluchte, weil ich angeblich kaum etwas sehen konnte, fehlen mir jetzt. - wie war noch dein Name?"

Miria zeigte auf die im Zimmer anwesenden und antwortete: "Das ist Elrom, das ist Samadrin, seine Frau, und das ist mein Vater Nimhil."

Der Kapitän entgegnete: "Ich bin Melendiel, Kapitän, alle nennen mich aber nur der weiße Bär."


Nachdem sich alle noch eine Zeit lang gegenseitig angesehen hatten, setzten sie sich an den Tisch. Samadrin holte ein paar Flaschen Honigwein und Gläser.

Dann sprach der 'weiße Bär' weiter: "Miria, wo hast du dich denn nur versteckt? Ich war bei deinem Haus. Es stand leer und verlassen da. Dann habe ich auf dem Flugplatz gefragt. Da hat man mich dann hier her gebracht. - Also Miria, du möchtest eine Weltreise mit mehreren Schiffen machen. Da kann ich drei Schiffe anbieten, mein Fahrgastschiff, mit dem ich immer zum Nordeis fahre, und zwei Schiffe zum Fischen, meine beiden Begleitschiffe. Du möchtest aber einen Elfenflügel mit nehmen und die fernen Länder aus der Luft erkunden. Ich habe noch nirgendwo ein Schiff gesehen, auf dem man einen abflugbereiten Elfenflügel vernünftig unterbringen könnte. Auf dem Deck wäre er Wind und Wellen ausgesetzt. Da würde er ganz schnell unbrauchbar. Außerdem müsste man dann beim Verladen immer irgendwie die Flügel und das Leitwerk zwischen den Masten und der Takelage hindurch fummeln. Wahrscheinlich würde der Elfenflügel schon dabei kaputt gehen. Und nach dem ersten richtigen Sturm wäre dann nur noch Brennholz von ihm übrig. So geht es jedenfalls nicht. Und unter Deck gibt es überall Streben und Stützen. Da ist kein Platz für so etwas großes wie einen Elfenflügel. - aber Miria, willst du überall, wo geflogen werden soll, einen Startplatz anlegen? Das kostet doch immer viel Zeit, und oft gibt es überall nur Steilküsten. Dann kannst du das mit deiner Fliegerei doch vergessen."

Miria rief dazwischen: "Das muss ich nicht vergessen! Ich kann auf dem Wasser starten und landen. Ich habe eine schwimmende Landebahn. Letzten Sommer habe ich hier auf dem See Versuche damit gemacht. Es funktioniert!"

 

Der 'weiße Bär' schaute Miria ungläubig an. Was für ein Seemannsgarn spann sie da jetzt? Dabei war er doch der Experte für Seemannsgarn. So etwas erzählte er immer sehr gerne seinen Fahrgästen. Da ging es dann um eine Eisfürstin am Nordpol oder um Trolle, die immer wieder riesige Eisenhaufen umschichten, damit die Magnetfinder auf den Schiffen in die falsche Richtung zeigen. War aber da mit dieser Startbahn vielleicht doch etwas dran?

Also sprach er weiter: "Eine schwimmende Startbahn? Das will ich sehen. Aber bei diesem Sauwetter im Herbst oder bei Schnee und Eis im Winter habe ich keine Lust darauf. Also Miria, wenn du mir jetzt kein Seemannsgarn unterschieben willst, komme ich im Frühjahr wieder und sehe mir das mit dieser Startbahn an. Diese Weltreise reizt mich sehr. Und schon oft hätte ich gerne eine zerklüftete Küste aus der Luft erkundet. Es ist immer gefährlich, wenn man da irgendwo hinein oder hindurch fahren will, Untiefen, Riffe und so. Ich habe nur überhaupt keine Idee, wie ich einen abflugbereiten Elfenflügel auf ein Schiff verladen soll. Aber dazu fällt mir vielleicht noch etwas ein. Der Winter ist ja noch lang."

Miria freute sich. Sie sagte: "Kapitän, ich belüge dich wirklich nicht. Also dann sehen wir uns im Frühjahr wieder, sobald das Wetter besser wird. Ich freue mich sehr darauf."

Der 'weiße Bär' stand von seinem Stuhl am Tisch auf und sagte: "Sei mir bitte nicht böse, Miria, wenn ich jetzt sofort wieder gehe. Ich denke, wir haben das Wichtigste besprochen. Ich komme auf jeden Fall im Frühjahr zurück. Mein Pilot wartet. Sonst fliegt hier von diesem kleinen Landeplatz bei solchen Wetter ja wohl keiner. Da habe ich ihn gebeten, auf mich zu warten. - Also macht es gut, bis zum Frühjahr."

So schnell wie er gekommen war, verschwand der 'weiße Bär' nun wieder. Miria konnte es jetzt kaum erwarten, bis es Frühjahr wurde und der Kapitän endlich zurück kam.

 

Als im Frühjahr der Schnee weg taute und das Eis auf dem See schmolz, brachte Miria zusammen mit den Fischern die schwimmende Startbahn wieder auf den See hinaus. Der Flugbetrieb konnte dann sofort wieder aufgenommen werden. Es dauerte auch nicht mehr lange, bis der 'weiße Bär' eintraf. Nun erwartete Miria ihn in ihrem Haus. Am Flugplatz schickte man den Kapitän direkt zu ihr. Als er am späten Nachmittag vor ihrer Tür stand, gab es erst einmal ein gutes Abendessen und ein langes Gespräch.

Dabei sagte er: ".. über die Möglichkeit, einen Elfenflügel auf ein Schiff zu laden, habe ich lange nachgedacht. Wenn man einen großen Raum schaffen will, in den ein ganzer Elfenflügel hinein passt, muss man sich einige Gedanken über die Festigkeit des Rumpfes machen. Die großen Kräfte aus den Masten und der Takelage müssen ja irgendwie um den großen Raum für den Elfenflügel herum geleitet werden. Ein vorhandenes Schiff entsprechend umzubauen, erscheint dabei so gut wie unmöglich. Man müsste das komplette Fahrgastdeck über den beiden Rümpfen neu konstruieren. - also habe ich erst einmal daran gedacht, den Elfenflügel für den Transport auf dem Schiff zerlegbar zu machen. Dazu habe ich auf dem Flugplatz am Hafen die Flügelhandwerker angesprochen. Die haben mir gesagt, dass sie von so etwas überhaupt nichts halten. Zerlegbare Verbindungen hätten immer ein klein wenig Spiel. Das ginge nicht anders, weil man sie sonst weder auseinander noch wieder zusammen bekommen könnte. Aber alles, was Spiel hat, schlägt mit der Zeit aus, wenn ständig große Kräfte daran hin und her zerren. Dann beginnt es zuerst zu wackeln und bricht am Ende schließlich ab. Deshalb muss ein Elfenflügel komplett spielfrei verleimt sein, wenn er längere Zeit sicher fliegen soll. - Da ich die beschriebene Problematik auch vom Schiffsbau kenne, sehe ich ein, dass ein zerlegbarer Elfenflügel wohl nicht das Richtige für uns ist. So wie es im Moment aussieht, muss ein neues Schiff gebaut werden. .."

Miria war nun ziemlich enttäuscht. Sie wusste, dass man mehrere Jahre brauchte um ein neues Schiff fertig zu stellen. Wann sollte dann die Reise los gehen?

 

Am nächsten Tag war das Wetter trocken. Es war zwar etwas kühl, aber sonnig. Auch die Windrichtung stimmte. Also nahmen sich Miria und der 'weiße Bär' ein Boot von den Fischern und ruderten zur schwimmenden Startbahn. Den Steg zum Ufer hatten die Fischer inzwischen so weit verbessert, dass zwei Personen ausreichten um den Elfenflügel auf die Startbahn zu ziehen.

Der 'weiße Bär' stieg auf die Startbahn und schaute sich alles genau an. Dann sagte er: "Auf diesem kurzen und schmalen Ding willst du also nachher landen?" Miria antwortete etwas trocken: "Na ja, für Anfänger ist das Teil wohl nicht so gut geeignet."

Dann schoben die beiden den Elfenflügel vom Unterstand auf die Startbahn. Miria erklärte dem 'weißen Bären', wie man die Winde bediente. Dann hängte sie das Startseil ein und stieg ein. Sie rief: "Und los." Der 'weiße Bär' setzte die Winde in Gang, und der Elfenflügel schoss in die Luft. Er dachte: das war ja noch einfach, jetzt bin ich aber gespannt auf die Landung.

Auf die musste er dann noch ziemlich lange warten. Miria fand an einem kleinen Hang sofort Aufwind und kurbelte sich mit dem ohne Ladung sehr leichten Elfenflügel hoch hinauf. Nach einem längeren Rundflug wurde es dann endlich interessant. Mira flog mit einer großen Platzrunde sehr flach an.

Dann gingen die Bremsklappen mehrmals immer kurz rein und raus. Mit kleinen präzisen Ausschlägen am Steuerknüppel hielt Miria dabei den Elfenflügel exakt auf einer Linie zur Startbahn. Dann setzte er am Anfang der Bahn auf. Die von den Rädern wellenförmig herunter gedrückte Startbahn bremste ihn nun stark ab. Nach zwei Drittel der Länge blieb er stehen.

 

Miria stieg aus. Der 'weiße Bär' sagte: "Miria, so eine saubere Landung schafft doch nur ein sehr erfahrener Pilot. Und hier haben wir nur schwachen Wind und keinen Seegang. Hast du eine Vorstellung davon, welche Probleme das draußen auf dem Meer geben kann? Ich denke, die Startbahn müsste erheblich breiter und länger sein, und auch viel stabiler gebaut. Du bist hier sehr niedrig über Land angeflogen. Da bewegt sich der Boden nicht. Hast du irgendwie eine Vorstellung davon, was Wind und Wellen bei geringer Höhe mit deinem Flugzeug machen können? Ich habe gesehen, wie exakt du steuern musstest. Das war ungefähr so, wie wenn ich mit voller Fahrt zwischen zwei Riffen hindurch fahren müsste. Ein kleiner Fehler und es geht daneben! - Gut, ich habe gesehen, dass es grundsätzlich funktioniert. Aber Bedenken habe ich trotzdem."

Miria sagte: "Ich kann ja noch einmal fliegen. Dann wirst du sehen, dass die zweite Landung genau so gut klappt."

Der 'weiße Bär' entgegnete: "Miria, ich habe gesehen, dass du eine sehr gute Pilotin bist. Wenn es weitere Versuche geben soll, dann sollten wir die draußen auf dem Meer machen. Hier habe ich jetzt genug gesehen. Ich habe nämlich keine Lust, mir hier die Beine in den Bauch zu stehen, während du dich wieder aus großer Höhe an der Aussicht erfreust."

Die beiden holten den Elfenflügel wieder von der schwimmenden Startbahn und stellten ihn in den Unterstand. Dann ruderten sie zum Dorf zurück und gingen zu Mirias Haus. Dort wartete bereits Nimhil. Er sagte: "Seit gegrüßt, Kapitän und du, Miria."

Miria entgegnete mürrisch: "Sei ebenfalls gegrüßt, Vater. was willst du hier? Ich glaube nicht, dass dir der Kapitän jetzt irgend etwas erzählen möchte."

Nimhil sagte verärgert: "Wird man als Vater so behandelt, wenn man Sehnsucht nach seiner Tochter hat?"

Miria rief: "Du hast Sehnsucht nach mir? Es geht dir doch nur um deine unter Wasser fahrenden Schiffe. Sonst lässt du dich doch nie hier blicken. Woher weißt du überhaupt, dass der weiße Bär hier ist? - Jetzt hast du auch noch einen Spitzel auf dem Flugplatz. Es wird ja immer schlimmer mit dir!"

 

Nun meldete sich der 'weiße Bär': "Nimhil, ich verstehe ja, dass es schwer für dich sein muss, als Drachenreiter sinnlos gekämpft zu haben. Aber wo sind die vielen Elfen, die früher einmal im alten Elfenland gelebt haben? Soll man wegen ein paar alter Elfen irgendwo in den Wäldern und für ein paar Kobolde Krieg führen? Wir brauchen das große Land für uns wenige übrig gebliebene Elfen schlicht und einfach nicht mehr. Sind die Nordländer vielleicht überbevölkert? Das sind sie doch bestimmt nicht. Uns geht es hier so gut, wie es uns immer gegangen ist. Ist es da nicht letztlich richtig, die Nordländer effektiv gegen die Menschen zu verteidigen, und den ganzen Rest, den wir sowieso nicht mehr brauchen, einfach den Menschen zu überlassen. Was willst du also, Drachenreiter? - Natürlich hat unsere Verteidigungstruppe mehr als nur ein paar Stein- und Speerschleudern und unsere berühmten Bogenschützen. Es leben aber auch viele Elfen eng mit Menschen zusammen. Da wird dann über alles Mögliche gesprochen. Also ist es doch um so besser, je weniger Elfen von den wirklichen Möglichkeiten unserer Verteidigung etwas wissen. Wer nichts weiß, der kann auch nichts verraten - auch dann nicht, wenn er besoffen ist. - Willst du wirklich, dass am Ende die Menschen aus deinen Büchern davon etwas erfahren? - Also, von mir erfährst du nichts. Da kannst du hundert mal bei mir aufkreuzen."

 

Nimhil stapfte wütend mit den Füßen herum. Dann rief er: "Also Kapitän, dann bring mir nur meine Tochter wieder gesund von eurer Reise nach hause. Mach es gut, Kapitän. Und du auch, Miria." Brummend und knurrend machte er sich auf den Weg in Richtung Flugplatz.

Als er weg war, fragte Miria: "Kapitän, meinst du jetzt wirklich, dass die Nordländer für uns Elfen vollkommen ausreichend sind? Welchen Sinn hat denn dann überhaupt unsere geplante Reise? Ich dachte, wir wollten neuen Lebensraum für die Elfen erkunden."

Der 'weiße Bär' antwortete: "Miria, das wollen wir auch! Aber das muss ich doch nicht unbedingt diesem alten Sturkopf erzählen. Von mir aus kann der schreiben, was er will. Nur von mir darf er es nicht haben."

Miria und der 'weiße Bär' gingen ins Haus. Am Abend saßen sie dann wieder bei einem guten Essen und Honigwein am Tisch. Es gab wieder ein langes Gespräch. Dabei sagte der 'weiße Bär': ".. Was ich von deiner Fliegerei halten soll, weiß ich irgendwie noch nicht so richtig. Doch ich habe gesehen, dass es grundsätzlich funktioniert. Wie lange soll es aber dauern, bis ein neues Schiff fertig ist? Ich würde jedenfalls am liebsten schon morgen mit meinen drei Schiffen zu unserer Reise aufbrechen. - Also machen wir es kurz. Um die Möglichkeit, einen Elfenflügel auf ein Schiff zu verladen, kümmere ich mich. Vielleicht gibt es da ja eine Lösung, auf die wir beide noch nicht gekommen sind. Sobald ich also etwas genaues weiß, melde ich mich wieder bei dir. Warte bitte auf mich - auch wenn es länger dauert! Ich mache diese Reise mit dir. Meine drei Schiffe stehen im Hafen für uns bereit. .."

Am nächsten Tag setzte sich der 'weiße Bär' in einen Elfenflügel und flog in Richtung Hafen davon. Nun war Miria wieder allein in ihrem Haus. Bei Elrom, Samadrin und ihrem ständig schlecht gelaunten Vater Nimhil wollte sie nicht wieder einziehen. Nachdem nun der 'weiße Bär' klar Stellung bezogen hatte, würde Nimhil wohl noch mehr auf seiner Geschichte mit einer Verschwörung bei der Verteidigungstruppe herum reiten. Auf so etwas hatte Miria überhaupt keine Lust. Da war ihr die Einsamkeit in ihrem Haus irgendwie lieber.

Also ging sie zum Flugplatz und bot an, immer wieder als Pilotin einzuspringen, wenn einer der Piloten seinen Flug nicht antreten konnte oder wollte. Da sie nicht wusste, wann der 'weiße Bär' wieder zurück kommen würde, wollte sie sich nicht fest in einen Flugplan einteilen lassen. Auf dem Flugplatz akzeptierte man das. Schließlich war man sogar froh, dass nun für unvorhergesehene Fälle immer eine Pilotin zur Verfügung stand. Für Miria gab es so immer wieder eine kleine Abwechslung, während sie auf den Kapitän wartete.

Kapitel 2

Es dauerte zwei lange Jahre, bis der 'weiße Bär' endlich wieder bei Miria vor der Tür stand. Das ständige Warten hatte ihr ziemlich zugesetzt. Meistens war sie alleine in ihrem Haus. Und wenn sie immer wieder einmal flog, war es auch nicht besser. Meistens waren es Frachtflüge. Dann war sie auch alleine. Es war noch Winter, aber der Frühling kündigte sich bereits an.

An einem kalten, aber sonnigen Tag mit schwachem Wind, der sich ideal zu Fliegen eignete, klopfte der 'weiße Bär' an Mirias Tür. Die beiden begrüßten sich herzlich. Dann sagte der 'weiße Bär': "Wir können sofort zu unserer Reise aufbrechen. Ich habe zwei große Doppelschiffe mit jeweils einer Halle für einen Erkundungsflügel herrichten lassen. In die beiden Hallen passt auch die schwimmende Landebahn. Dann sind da noch meine drei Doppelschiffe für das Nordeis, ein Fahrgastschiff und zwei zum Fischen. Auf den beiden großen Schiffen habe ich über den Hallen für die Elfenflügel bequeme Fahrgastdecks einrichten lassen. Damit sollte die Reise recht angenehm werden. Auf den beiden großen Schiffen ist auch noch Platz für ein paar Netze und Winden. Also können wir mit ihnen auch Fische fangen. So sollten wir es lange weit draußen auf dem Meer aushalten können. Es ist alles bereit: die fünf Schiffe mit Seeleuten, zwei Erkundungsflügel mit Piloten und eine schwimmende Landebahn. - Also Miria, packe deine Sachen zusammen! Meine Mannschaften warten!"

Nun ging alles sehr schnell. Der 'weiße Bär' wollte den in den Nordländern kurzen Sommer für seine Reise so gut wie möglich ausnutzen. Im Herbst wollte er schon weit im Süden sein, wo es keinen richtigen Winter mehr gab. Er kannte die Stürme im Herbst und Winter bei den westlichen Nordländern. Besonders unangenehm war es um die westlichste dieser Inseln herum, mit ihrem riesigen Gletscher.

Neben dem dauernden Sturm gab es dort auch immer viele Eisberge. Die brachen jeden Sommer von dem Gletscher ab und schwammen dann überall herum. Auch wenn der 'weiße Bär' die Eisberge unter Wasser sehen konnte, waren sie bei einem Sturm sehr gefährlich. Wenn man nicht umsichtig navigierte, konnte der starke Wind ein Schiff gegen einen Eisberg drücken.

Dabei konnte es zu Bruch gehen und sinken. Deshalb war der 'weiße Bär' weit im Norden nie ohne Begleitschiffe unterwegs. Eisberge gab es überall im nördlichen Meer. Also wollte der 'weiße Bär' den Süden erreicht haben, bevor die Herbststürme begannen.

 

Miria packte alle Sachen zusammen, die sie für ihre Reise brauchte. Das war vor allem zweckmäßige Kleidung sowohl für kalte als auch für heiße Tage. Anzüge aus wasserdicht gemachten Segeltuch und wasserdichte Stiefel gab es für Miria an Bord des Schiffes. Die waren unerlässlich, wenn man bei einem schweren Sturm an Deck musste.

Als sie alles verpackt hatte, ließ sich Miria mit einem Elfenflügel zu Nimhil, Elrom und Samadrin bringen. Ihr Pilot wartete auf dem Landeplatz. Miria verabschiedete sich nur von den drei alten und machte sich sofort wieder auf den Weg. Dabei nahm sie Nimhils Bogen und sein magisches Schwert mit. Sie bat die drei, sich während ihrer Abwesenheit um ihr Haus zu kümmern. Nun hatte sie alles für ihre Reise zusammen.

Während Miria fort war, hatte der 'weiße Bär' ihre Sachen bereits mit einem Karren von ihrem Haus zum Flugplatz gebracht und in einem Elfenflügel verladen. Am nächsten Morgen sollte der die beiden dann nach Westen zum Hafen bringen. Also übernachtete Miria nur noch ein mal in ihren Haus. Sie war schrecklich nervös und bekam die ganze Nacht kaum ein Auge zu. Es sollte ja ihre erste Reise mir einem Schiff werden. Und diese erste Schiffsreise war gleich eine Weltreise, bei der niemand wusste, wie lange sie dauern würde.

An die Möglichkeit, dass sie vielleicht nicht wieder zurück kommen würde, wagte sie gar nicht erst zu denken. Miria vertraute dem 'weißen Bären'. Der war durch seine Fahrten zum Nordeis, wo sich sonst kaum jemand hin wagte, ein sehr erfahrener Kapitän. Vorher war er als Fischer auch oft weiter im Süden unterwegs gewesen. Als er dann begonnen hatte, seinen Fang direkt an Bord zu räuchern, fischte er immer häufiger weit draußen im fischreichen kalten Nordmeer.

Durch das Räuchern war es kein Problem, wenn die Fahrt zum Heimathafen schon einmal mehrere Mondphasen dauern konnte. Bei seinen Fahrten im Nordmeer kam er schließlich auf die Idee, Fahrgäste zum Nordeis zu bringen. Diese Weltreise war aber auch für ihn etwas neues. Also war auch er ziemlich nervös. Das ließ er sich aber nicht anmerken. Also ermahnte er Miria immer wieder, endlich ruhig zu sein, damit er angeblich schlafen konnte. Dabei bekam auch er kaum ein Auge zu.

 

Am nächsten Vormittag saßen dann Miria und der 'weiße Bär' in einem Elfenflügel. Früh am Morgen hatte es kaum Aufwind gegeben. Also mussten die beiden erst einmal warten. Nun blickte Miria von oben auf den See, an dem sie lebte, seit sie mit Nimhil, Elrom und Samadrin die Feuerberge verlassen hatte. Sie wusste, dass sie ihn nun sehr lange nicht mehr sehen würde.

Nun musste sie an ihren Sohn denken. Fühlte der sich jetzt bei seinem Vater wohl? Und was machte er jetzt überhaupt? Miria hätte ihn ja in der ganzen Zeit, in der sie auf den 'weißen Bären' gewartet hatte, besuchen können. Sie wollte aber ihren Mann nicht sehen, der sie verlassen hatte.

Also hoffte sie, dass Amir einmal seine Mutter besuchen würde. Er kam aber nicht. Dann sollte er doch bei seinem Vater bleiben, dachte Miria. Es tat ihr aber trotzdem weh, dass Amir sie nicht besuchte. Miria und der 'weiße Bär' sprachen kaum miteinander. sie waren beide irgendwie müde und dösten einfach nur vor sich hin.

 

Der Flug ging über Wälder und einige Dörfer, die von Wiesen umgeben waren, nach Westen. Die Landschaft war zunächst hügelig und wurde immer flacher. Bald war das Meer zu sehen. Dann sah man auch die große Siedlung mit dem Hafen. Ein kleines Stück außerhalb lag der Flugplatz. Dort landete der Elfenflügel. Miria und der 'weiße Bär' gingen direkt zum Hafen.

An einem Steg lagen zwei sehr große Doppelschiffe mit hohen Masten. Bei ihnen war das Fahrgastdeck, das die beiden Rümpfe miteinander verband, sehr hoch und Zweistöckig. Das obere Stockwerk hatte den bei Fahrgastschiffen üblichen umlaufenden Balkon mit großen Kristallfenstern. Im unteren Stockwerk war hinten über die gesamte Breite ein großes Tor. Es führte zu der Halle für den Elfenflügel. Die Beiboote hingen an Auslegern über diesem Tor vor dem Balkon. In der Mitte gab es einen sehr langen Ausleger aus zwei Holzbalken mit Verstrebungen dazwischen. Mit ihm konnte der Elfenflügel verladen werden.

Der 'weiße Bär' führte Miria zu einem dieser Doppelschiffe. Über eine lange Treppe an der Längsseite ging es hinauf zum Balkon des Fahrgastdecks. Dann schafften Seeleute alle mit gebrachten Sachen an Bord. Nun zeigte der 'weiße Bär' Miria das gesamte Deck. Alle Kabinen waren groß und geräumig. Auf Fahrgastschiffen wurde die Mannschaft üblicherweise auf der Vorderseite des Decks untergebracht. Da hatten die Kabinen nur kleine Fenster in der Decke hinter dem Wellenbrecher. Die ließen nur wenig Licht hinein und erlaubten keinen Blick hinaus auf das Meer.

Auf diesem Schiff hatten aber alle Kabinen der Mannschaft große Kristallfenster am umlaufenden Balkon. Vorne hinter den Wellenbrecher gab es eine geräumige Küche und einen großen Räucherofen. Es gab zwei Fahrgäste. Sie waren Lehrer und besonders an Naturkunde interessiert. Auf der Reise wollten sie noch unbekannte Pflanzen und Tiere studieren und dokumentieren.

Sonst gab es außer Miria und dem Piloten für den Elfenflügel nur Seeleute auf dem Schiff. Miria war die einzige Frau. Kein Kapitän hätte jemals eine Frau für die schwere Arbeit an Deck mit genommen. Bei einem schweren Sturm packten auch der Koch und und der Schiffsarzt an Deck mit an. Also mussten auch sie Männer sein.

 

Nachdem Miria das Fahrgastdeck besichtigt hatte, ließ sie sich den Laderaum mit dem Elfenflügel zeigen. Die gesamte Länge und Breite dieses Raumes mit der Größe einer Halle nahm ein Erkundungsflügel ein. Diese Bauart eines Elfenflügels war etwas kleiner und für eine geringere Last ausgelegt. Dafür war ein Erkundungsflügel sehr stabil gebaut, hatte ein robustes Fahrgestell mit großen Rädern und eine Notlandekufe. Solche Elfenflügel wurden nur von den Spähfliegern der Verteidigungstruppe eingesetzt.

Neben und unter dem Erkundungsflügel füllten Teile der schwimmenden Landebahn fast den gesamten Raum aus. Sie waren mit stabilen Gurten am Boden der Halle sicher festgezurrt. Auf beiden Seiten der Halle lagen große Fischernetze. Vorne waren dafür jeweils Winden eingebaut worden. Hinten am großen Tor waren die Rollen für die Seile der Netze. Dort konnte jeweils ein kleiner Teil des Tores zum Fischen geöffnet werden. Miria stellte sich nun im Geiste vor, wie sich ein intensiver Fischgeruch im ganzen Fahrgastdeck breit machte. Auf was hatte sie sich mit dieser Reise nur eingelassen?

Plötzlich fiel Miria etwas auf. Die Teile der schwimmenden Landebahn zeigten überall starke Spuren einer Abnutzung wie Kratzer oder Schleifspuren. Sie mussten schon häufig im Einsatz gewesen sein. Außerdem war die schwimmende Landebahn handwerklich viel solider ausgeführt als die von den Fischern angefertigte auf dem See. Sie war auch erheblich größer, stabiler und robuster.

Was hatte das nun zu bedeuten? Von irgendwelchen umfangreichen Tests mit dem Erkundungsflügel und der Landebahn hatte der 'weiße Bär' jedenfalls nichts erzählt. Miria wollte ihn aber erst irgendwann später darauf ansprechen. Insgesamt machte ja alles auf dem Schiff einen sehr guten Eindruck. Und Mannschaft und Ausrüstung waren vollständig.


Nach einem Abendessen im Speisesaal des Schiffes ging es dann bald in die Kojen. Miria und der 'weiße Bär' waren jetzt richtig müde. Und am nächsten Morgen sollten die fünf Schiffe früh auslaufen. Als Miria dann wach wurde, schaukelte alles um sie herum. Ihr wurde ziemlich Mulmig. Sie schob einen Vorhang bei Seite und sah aus dem großen Kristallfenster ihrer Kabine hinaus. Draußen waren nur Wasser und hohe Wellen zu sehen.

Unter der tief stehenden Sonne zeigte sich das Wasser in einem fast gespenstischen, sehr dunklen Blau, fast schwarz. Darüber kräuselte sich die weiße Gischt der Wellen. In der Ferne ragten zwei der Begleitschiffe mit ihren hohen Masten und Segeln aus den Wellen heraus. So etwas sah Miria zum ersten mal. Sie war überwältigt. Trotzdem ärgerte sie sich ein wenig darüber, dass die das Auslaufen der fünf Schiffe verschlafen hatte.

Miria zog sich an und ging in den Speisesaal. Dort stand ein üppiges Frühstück für sie bereit. Ihr war aber von der Schaukelei des Schiffes ziemlich schlecht. Also wollte sie erst einmal gar nichts essen. Die Tür zum Kommandostand stand offen. Von dort waren die Kommandos des 'weißen Bären' und die Antworten der Seeleute zu hören.

Immer wieder nach etwa der gleichen Zeit hieß es: "Klar zur Wende." - "Ist Klar." -"Re." Dann drehte sich das große Schiff mit einem gewaltigen Ruck herum und kippte dabei von einer Schräglage in die entgegengesetzte. Dann brüllte der 'weiße Bär': "Anluven! Höher an den Wind! wir müssen Richtung Westen, da hin, wo der Wind her kommt." Nun wurde die Schräglage etwas stärker und das Schiff stampfte noch heftiger durch die Wellen, die nun immer häufiger vorne gegen den Wellenbrecher krachten. Dann ergoss sich jedes mal das Wasser am seitlichen Balkon vom oberen Deck herunter.

Eine Stimme rief: "Wenn ich noch mehr anluve, lässt der Schotbrecher immer wieder die Segel aus dem Wind drehen. Dann kommen wir bestimmt nicht besser vorwärts. Also entweder fahren wir jetzt so weiter wie bisher, oder wir schicken die Mannschaft zum Reffen an Deck." Der 'weiße Bär' rief: "Reffen? Du willst doch jetzt einem erfahrenen Kapitän nicht erzählen, dass man mit kleineren Segeln besser vorwärts kommt. - Also weiter wie bisher. Und pass auf, dass der Schotbrecher nicht aktiv wird." Die Stimme sagte nur noch: "Jawohl, Kapitän."

Miria ließ das Frühstück erst einmal stehen und stieg die Treppe zum Kommandostand hinauf. Aus den Fenstern sah sie nun, wie die Wellen immer wieder auf der Leeseite das obere Deck und die Sonnenkristalle überspülten, mit denen das Sonnenlicht eingefangen wurde, um das Schiff zu beleuchten und die Winden für die Segel anzutreiben. Nun spürte sie erst richtig, wie sich das Schiff schräg gegen den Wind durch die Wellen kämpfte.

Der 'weiße Bär' begrüßte sie und sagte: "Na Miria, hast du dir das so vorgestellt? Jetzt darfst du gleich am Anfang erleben, wie man sich gegen den Wind vorwärts arbeitet. Das wird jetzt wohl noch mindestens drei ganze Tage und Nächte so weiter gehen. Wahrscheinlich dann noch einmal einen Tag und eine Nacht.

Der Wind ist sehr stark. So werden wir zwar ziemlich schnell, gewinnen aber Richtung Westen nur wenig Höhe. Hoffentlich wird der Wind nicht noch stärker. Dann müssen wir Reffen. Sonst können wir nicht mehr hoch genug am Wind fahren. Mit kleineren Segeln gewinnen wir aber noch weniger Höhe."

 

Der 'weiße Bär' zeigte auf eine Seekarte, die auf einem großen Tisch lag. Dabei sprach er weiter: "Wir müssen erst einmal weiter nach Westen, hier von den östlichen Nordländern weg und dann hier im Norden an den beiden ersten großen Inseln der westlichen Nordländer vorbei. Danach geht es an der Westküste der zweiten Insel weiter Richtung Süden. Da wird die Fahrt dann hoffentlich angenehmer. Hier gehen wir an Land und nehmen Proviant auf. Das ist der Hafen, wo diese kurzen witzigen Gedichte her kommen. Der liegt tief in der größten Flussmündung dieser Insel. Im Norden der Insel gibt es an der gesamten Westküste nur Berge, Steine und hohe Klippen. Weiter im Süden ist es dann flach mit breiten Sandstränden. Da reitet man gerne auf seinen Pferden durch das Wasser. Baden geht da aber keiner. Dafür ist das Wasser zu kalt, und die Wellen sind zu meistens zu hoch. Westlich der Insel gibt es ja nur endloses Meer."

Miria ging zurück in den Speisesaal. Nun hatte sie doch etwas Hunger bekommen und aß etwas. Ihre Übelkeit von der Schaukelei des Schiffes legte sich, wenn sie auf das Meer hinaus schaute. Wenn sie dabei den Horizont sah, begriff sie wohl irgendwie innerlich, dass nur das Schiff und nicht die ganze Welt schaukelte.

Gegen Abend verschwand der Küstenstreifen, der in nördlicher Richtung in weiter Ferne gerade noch auszumachen war, nun vollständig hinter dem Horizont. Jetzt war außer den Begleitschiffen überall nur noch Wasser zu sehen. Zwei Tage und Nächte stampfte das Schiff nun weiter durch die hohen Wellen. Dabei pfiff der Wind kräftig durch alle Ritzen.

Mira konnte nachts kaum schlafen. Immer wieder wurde ihr von der Schaukelei schlecht. Wenn sie dann in die Dunkelheit hinaus schaute, half das nichts, da man den Horizont nicht sehen konnte. Ihr wurde also immer erst besser, wenn morgens die Dämmerung einsetzte. Sie fragte sich, wie der 'weiße Bär' das aushielt. Dem machte die Schaukelei aber offensichtlich überhaupt nichts aus.

 

Endlich war gegen Vormittag wieder Land in Sicht. Der 'weiße Bär' ging zum Kommandostand und übernahm die Führung des Schiffes. Nun ging es zwischen der ersten großen Insel der westlichen Nordländer im Süden und einer Inselgruppe im Norden hindurch. Der 'weiße Bär' machte ständig Peilungen mit dem Magnetfinder zu Landmarken auf beiden Seiten. Dabei zeichnete er die Position des Schiffes immer wieder in die Seekarte ein.

Riffe und Untiefen mussten nun umschifft werden. Darum kümmerte sich der Kapitän selbst. Die anderen Schiffe folgten dabei seinem Schiff in einer Reihe. Da der Wind immer noch von Westen kam, folgten nun die Wendemanöver in der recht schmalen Durchfahrt kurz aufeinander. Das Wetter war wechselhaft, mal Sonne, mal Wolken und immer wieder ein Regenschauer. Die Sicht blieb dabei aber immer gut. So wirkte der Kapitän zwar beschäftigt, aber ruhig und entspannt. Man sah ihm an, dass er die Lage gut im Griff hatte.

Bald war die Durchfahrt geschafft und es ging in einem recht großen Abstand an der Küste im Süden vorbei. Der Kapitän verließ wieder den Kommandostand. Miria fragte ihn, wie die Fahrt weiter gehen sollte, wenn sie den Hafen in der großen Flussmündung wieder verließen.

Der 'weiße Bär' erklärte: "Es geht dann immer weiter nach Richtung Süden. Von der Insel erst einmal zur Westküste des alten Elfenlandes und dann immer weiter diese Küste entlang." Miria unterbrach ihn: "Ich dachte, wir wollen nach Westen zu den Westländern jenseits des Meeres. Warum segeln wir dann nach Süden an der Küste des alten Elfenlandes entlang und nicht nach Westen?"

 

Der Kapitän antwortete: "Ich kenne das Meer und das Wetter hier im Norden sehr gut. Dort bei der westlichsten Insel der Nordländer mit dem großen Gletscher gibt es fast ständig einen sehr starken Westwind. Da müssten wir, wie schon den ganzen Weg bis hier, immer hoch am Wind fahren und kämen kaum vorwärts. Außerdem gibt es dort im Norden viele Eisberge. Da kann man im Sturm leicht gegen einen von ihnen geraten. Wenn dann dabei das Schiff zu Bruch geht, hat man ohne ein Begleitschiff keine Chance, mit dem Leben davon zu kommen. Bei einem Sturm kommt man mit einem kleinen Beiboot nicht weit. Deshalb bin ich dort auch nie alleine unterwegs. - Also, nach Süden kommen wir schon einmal viel schneller vorwärts. Und dann gibt es da weit südlich dieser Insel mit dem Gletscher über dem Meer ein Gebiet mit hohem Luftdruck. Von dort strömt die Luft in alle Richtungen weg und wird von der Drehung der Erde um sich selbst rechts herum gelenkt. So entsteht da im Norden der starke Westwind. Wenn wir also weit genug nach Süden segeln, sollte der Wind erst nach Nord und dann nach Ost drehen. Und dann kommen wir so zu sagen mit Rückenwind zu den Westländern. - So sollte es jedenfalls sein, wenn ich das mit dem Luftdruck richtig verstanden habe."

Miria entgegnete: "Aber so ganz genau, weißt du das alles doch wohl nicht, oder?" Der 'weiße Bär' antwortete: "Woher soll ich das alles genau wissen? Es gibt keine verlässlichen Berichte über Reisen zu den Westländern. Da gibt es nur verschiedene Geschichten, von denen keiner weiß, ob sie wahr sind. Dann gibt es einige wenige unmaßstäbliche Karten von den Westländern, die alle anders aussehen. Was soll ich als Seemann mit denen Anfangen? Das ist auch mit ein Grund, warum ich diese Reise mache. Ich möchte anständige Karten von den Ländern zeichnen, zu denen wir jetzt segeln. Mit dem Winkelauge und einer genauen Uhr kann ich doch die Position meines Schiffes immer recht genau bestimmen. Das reicht doch aus um eine einigermaßen verlässliche Karte zu zeichnen. - So weit im Süden, wo uns der Wind jetzt wohl hin leiten wird, bin ich noch nicht gesegelt. Also kann ich nur vermuten, dass ich da mit dem Luftdruck und der Erddrehung richtig liege. Vielleicht ist es ja da im Süden mit dem Wind irgendwie anders als im Norden. Aber das werden wir ja bald heraus finden."

Die Fahrt ging weiter nach Westen. Schon bald war im Süden kein Land mehr zu sehen. Dann tauchte im Süden wieder eine Landspitze auf, die größte der Inseln, die dem Land westlich vorgelagert waren. Um diese ging es großräumig herum und dann Richtung Süden. Endlich wurde die Fahrt ruhiger. Das Schiff stampfte nicht mehr, sondern rollte nun sanft über die hohen Wellen.

 

Die Fahrt ging nun an einer langen Reihe Inseln vorbei. Dann war wieder für eine Lange Zeit nur noch Wasser zu sehen, bis im weit Im Süden hohe Berge auftauchten. Das Schiff ging wieder höher an den Wind heran, Kurs Südwest. Nun stampfte es wieder. Und wieder gab es nur noch Wasser zu sehen. Bald ging es dann um eine Landspitze herum wieder nach Süden.

An der Küste gab es zunächst nur hohe Klippen und ein steiniges Land ohne einen Baum oder Strauch, so wie es der 'weiße Bär' auf der Seekarte erklärt hatte. Aber bald gab es eine flache Küste mit einem endlosen Sandstrand und dann eine sehr breite Flussmündung, in die sich die fünf Schiffe vom Westwind hinein treiben ließen. Es ging weit in das Land hinein, bis sie endlich einen Hafen erreichten. Seit der Abfahrt im Heimathafen waren nun mehr als zwei Mondphasen vergangen.

Für etwa eine Mondphase blieben die fünf Schiffe im Hafen. Wasser und Proviant wurden aufgefüllt. Als Miria von dem Plan einer Weltreise erzählte, wurden alle Elfen im Hafen sehr neugierig. Sie musste allen erklären, warum sie diese Reise machte, und was sie sich erhoffte, dabei zu entdecken. Die Zeit an Land ging schnell vorbei. Als man dabei war, die Schiffe zu beladen, saß der 'weiße Bär' auf einer Kaimauer und sagte ein kurzes Gedicht auf. Miria stand nicht weit entfernt und hörte zu.

 

Einst auf einem Schiff fuhr ein Kapitän.

Der wollte die Welt weit von oben seh'n.

Da stieg er mit Hast

hinauf auf den Mast,

dabei hat er unten doch gar nichts verpasst.

 

Nun meldete sich Miria und sagte auch ein Gedicht auf.

 

Beim Krummen Fluss in den Feuerbergen,

da lebte ein Drache, versteckt bei den Zwergen.

Ein Haus ein Stück weiter,

von dort kam sein Reiter.

Der flog mit dem Drachen dann fort, immer weiter.

 

Da sagte der 'weiße Bär': "Ich dachte immer, die kurzen Gedichte aus diesem Hafen hier wären eine Besonderheit der Nordländer. Dabei gibt es sogar eins über deinen Vater Nimhil und seinen Drachen. Ja, so kann man sich eben täuschen."

 

Am nächsten Morgen zog man

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 17.03.2018
ISBN: 978-3-7438-6167-1

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Titelbild: Isla Diablo, Panama Foto von Nicole Doll: privat alle weiteren Abbildungen: Pixabay.de

Nächste Seite
Seite 1 /