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Die Suche

Kennst du das Gefühl wenn du etwas nicht finden kannst, dass du unbedingt und unter allen Umständen benötigst? Du bist ganz unruhig und überlegt: „Wo kann es sein, wo ist es nur?“ Aber du kannst es nicht finden. Ein bösartiges Gefühl mit körperlichem Ausdruck von Schweiß auf der Stirn, von pulsierendem Rauschen in den Adern, das dein Herz schneller schlagen lässt. Wellen der Hitze durchziehen deinen ganzen Körper. Das schnelle Zucken der Gliedmaßen ist nicht zu verhindern. Du rennst aufgeregt durch den Raum und überlegst die ganze Zeit: „Wo kann es sein, wo ist es nur?“


Deinen Kopf durchdringt ein stechender Schmerz von der Belastung deiner Gehirnzellen. Du atmest hektisch und dir wird so schummrig vor den Augen, dass du dich erst mal hinsetzen musst.
Aber lange Zeit zum Ausruhen hast du nicht, du überlegst: „Wo kann es sein, wo ist es nur?“
Du hast keine Ruhe und musst weitersuchen, aber du findest es nicht und gehst schlafen.
Natürlich kannst du nicht schlafen. Du drehst und wälzt dich im Bett herum und schüttelst die Decke andauernd auf. Du versuchst, dir andere Gedanken zu machen, indem du am Bett deinen 40‘‘ - TV anschaltest und eine Blu-Ray einlegst, um endlich einschlafen zu können. Es gelingt dir nicht. Unausgeschlafen und zerknautscht wie deine Bettdecke stehst du auf, weil du auf Arbeit musst. Im Bad vor dem Spiegel erkennst du kaum etwas, da du deine Augen vor Müdigkeit nicht aufbekommst. Dein Kopf hämmert vor Schmerzen.


Auf der Fahrt zu Arbeit, es ist sehr früh am Morgen und stockdunkel, überlegst du: „Wo kann es sein, wo ist es nur?“. Eine Ampel strahlt dir mit ihrem schrecklich grellroten Licht ins Gesicht, aber du denkst gerade nicht daran was dies bedeuten könnte, du bist nur auf der Suche. Du bremst nicht, du fährst! Dann ist es passiert! Du bist bei Rot über die Ampel gefahren. Mit deinem Mercedes machst du eine Vollbremsung und bist geschockt, wie kann dir nur so etwas passieren. Nun stehst du mitten auf der Kreuzung und weit und breit ist kein anderes Auto zu sehen. "Zum Glück" denkst du dir und fährst zitternd weiter. Jetzt aber mit dem Gedanken: „So kann das nicht weitergehen, du musst es endlich finden, bevor du ins Gras beißt!“.

Auf der Arbeit angekommen grüßen dich deine Kollegen, aber du hast sie nicht gehört, du überlegt nur: „Wo kann es sein, wo ist es nur?“. Deine Kollegen denken nur: „Der Typ hat wieder schlechte Laune, wir reden heute nicht mehr mit dem!“. An deinem Arbeitsplatz angekommen fängst du sofort an zu arbeiten, so wie ein Roboter, ganz automatisch, und vergisst auf einmal alles andere. Du vergisst sogar deine Suche.

Es klingelt das Telefon und du schaust auf die Uhr, es ist 12 Uhr, Mittag.

In der Mittagspause, weit weg von der Arbeit, fällt es dir wieder ein, da war doch was: „Wo kann es sein, wo ist es nur?“. Du schaust auf dein iPhone und bemerkst erschrocken, „Shit, es ist schon 12:30 Uhr! Ich muss zurück an die Arbeit!“ und du rennst mit dem Gedanken, zu spät zu kommen, weil dir nur 30 Minuten Pause zustehen. Du machst dich wieder an die Arbeit. Augenblicke später ist es schon 18 Uhr und dir fällt auf, dass du doch mal nach Hause gehen musst. 


Nachdem du in deinen Mercedes gestiegen bist und die Sitzheizung angemacht hast fährst du los. Es kommt dir so vor, als ob dein Auto die Strecke nach Hause von alleine fährt. Du denkst nicht nach, wo du abbiegen musst oder wie schnell du fährst, es geht voll automatisch und du hast Zeit für den wichtigen Gedanken mit der Frage: „Wo kann es sein, wo ist es nur?“. Unfallfrei zuhause angekommen drückst du auf den Knopf und das Tor der Tiefgarage öffnet sich von selbst. Du parkst auf deinem eigenen Parkplatz ein und musst aufpassen, dass noch genügend Abstand zu deinem neuen Motorrad bleibt, um es nicht umzufahren. Nachdem du ausgestiegen bist, gehst du trockenen Fußes hoch in deine Drei-Raum-Wohnung, wo du schon schwanzwedelnd von deinem Labrador erwartet wirst. Nach einer herzlichen Begrüßung hängst du deine Sachen auf und stellst den Rucksack im Arbeitszimmer ab. Auf dem Weg zum Wohnzimmer schaust du mit einem zweifelnden Blick in den Kühlschrank und hoffst, etwas Leckeres zu finden, aber alles was drin ist steht dir nicht an und du machst mit einem unbefriedigten Gesicht die Tür wieder zu.

Auf der Couch angekommen machst du das Heimkinosystem an. Der 50''- LED-TV erstrahlt in feinsten Farben und aus den 8 Lautsprechen um dich herum ertönt ein unglaublicher Sound. Nach zehn Minuten dieser Berieselung schaltet deine Aufmerksamkeit für das actionreiche Gesehen ab und dir fällt wieder auf, dass dir etwas fehlt und du fragst dich wieder „Wo kann es sein, wo ist es nur?“.

Die gedankliche Suche erschöpft dich so sehr, dass du nicht merkst, wie deine Augen zugefallen sind und du mitten im Film eingeschlafen bist.

Traumlos wachst du Punkt 4 Uhr auf und weiß nicht, wo du bist. Dein Herz schlägt schnell und du musst dich erst mal orientieren, dabei überlegst du, was passiert ist. Nichts! Nichts ist passiert, außer dass du eingeschlafen bist. Dein Puls beruhigt sich langsam, doch wieder einschlafen kannst du nicht. Du schaust dich im Raum um, nur das Licht des Fernsehers erhellt den Raum. Du blickst aus dem Fenster. Draußen ist es dunkel. Nur einzelne Laternen werfen einen schwachen Schein auf die Straße. Kein Mensch ist weit und breit zu sehen. Totenstille. Eine friedliche Stille. Trotz des Friedens fehlt dir etwas und du überlegst wieder: „Wo kann es sein, wo ist es nur?“. Verzweiflung macht sich breit, ein Gefühl der Unfähigkeit, sich an etwas doch so Wichtiges nicht zu erinnern trübt die ruhige Stimmung. Trostlos läufst du durch die Wohnung und schaust in jeden Raum in der Hoffnung, doch etwas zu finden was dich deiner gesuchten Sache näher bringt. Aber nichts bringt dich auf den fehlenden Gedanken. Trauer erobert deine Gefühle und krampfhaft versuchst du, es nicht zuzulassen, doch es gibt kein Halten mehr. Die Hitze steigt in dein Gesicht und Tränen fließen über deine Wangen. „Warum nur, warum finde ich es nicht? Was habe ich getan, so bestraft zu werden?“ Dein Verstand scheint sich in den Tränen aufzulösen. Du schleppst dich ohne es zu realisieren in dein Bett und schläfst vor Erschöpfung ein.

Gegen 7 Uhr wachst du auf. Du denkst „Oh Gott! Ich hab verschlafen!“ und springst aus dem Bett. Mit schnellen Schritten und etwas schwankend vom plötzlichen Aufrichten stürmst du ins Bad und versuchst, dich für die Arbeit fertig zu machen. Im Radio ertönt relaxende Musik und die Stimme des Radiosprechers ist zu hören: „Einen wunderschönen guten Morgen den Frühaufstehern…“, Du denkst dir: „Wieso Frühaufsteher?“ und hörst weiter zu „… es wird ein wunderschöner Sonntag mit viel Sonne und angenehmen Temperaturen…“. „Sonntag? Was heute ist Sonntag?“ Du schaust auf dein iPhone und da steht es, Sonntag.

Diese Erkenntnis versetzt dir einen Schock. Wie kann man nur so von der Realität abweichen, dass man sich nicht einmal an den aktuellen Wochentag erinnern kann.

Du schaust in den Spiegel und erblickst in deinem Gesicht die geschwollen Augen. Dir fällt wieder ein, wo sie herkommen und du bist nun fest entschlossen, dass es so nicht weitergehen kann. „Du musst es endlich finden!!!“ Dieses Gefühl, des entschlossenen Handelns stärkt dein Vertrauen und du machst dich daran, dir zu überlegen, wie du die Suche optimieren kannst.

Du wirfst dich auf dein gemütliches Sofa und schnappst dir dein iPad, um vielleicht im Netz eine Antwort zu erhalten. In der Eingabezeile der Suchmaschine blinkt der Cursor und dir fällt nichts ein, was du eingeben könntest. Spontan schreibst du: „Ich suche etwas und kann es nicht finden“ und der dritte Eintrag lautet „Ich suche etwas und kann es nicht finden. Vielleicht, weil ich nicht weiß, was ich suche? Oder wen? Vielleicht mich selbst?“

Du denkst über das Gefundene nach …

Erstarrt sitzt du vor der Antwort. Zumindest treffen die letzten Worte einen Punkt der Selbsterkenntnis. „Du suchst dich selbst!“

Jetzt weißt du wonach du suchst, aber …

 

„Wie kann ich mich finden?“

Impressum

Texte: Daniel Wolf
Bildmaterialien: Daniel Wolf
Tag der Veröffentlichung: 24.08.2014

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