Oh du meine Güte... wie kann ich mich denn nur hier verlaufen? Das gibt es doch nicht... ich stecke echt in der Klemme Leute! Mein Freund hat mir ein Buch zum Geburtstag geschenkt... "Pilze richtig sammeln!" Er hätte dazu schreiben sollen "Pilze richtig sammeln - für DAUs" Für die dümmsten anzunehmenden User! Ich glaube, zu diesen Klientel gehöre ich heute auch!
Also... es ist Herbst, Frühherbst jedoch mit viel Niederschlag. Ein Phänomän der Erderwärmung wahrscheinlich. Es regnet im September... früher reiften die Trauben! Was besagt, die Pilze wachsen... zumindest sagt man das! Wer ist eigentlich "man"? Na egal. Ich bin also gut gelaunt unterwegs, bewaffnet mit dem neuen Pilzbuch. Den Wald kenne ich seit meiner Kindheit. Seit mein Papa mit mir zusammen Eichhörnchennester ausgehoben hat, um sie daheim zahm zu erziehen. Das war ein Spaß sage ich euch!
Doch ich wollte euch ja eigentlich von meiner misslichen Lage erzählen. Also, ich im bekannten Wald. Mir kann nichts passieren, denke ich. Ich verlaufe mich niemals hier. Jaja dachte ich - und nun...
Ich habe am Rand des Waldes geparkt, bei der Grillhütte, wo wir jedes Wochenende parken, um mit dem Hund spazieren zu gehen. Habe mein Pilz-Bestimmungs-Buch genommen. Dazu einen Korb (wie Rotkäppchen) ein scharfes Messer und mein Handy - man weiß ja nie! Und ab die Post...
Man nehme... einen dunklen Tannenwald... ok, den kenne ich. Da muss ich da hin laufen. Ich schaue gerade den Weg entlang, wo irgendwann einmal links ein kleiner, dunkler Tannenwald erscheinen wird. So ist es dann auch. Dieses kleine Tannenareal ist sicher nicht größer als ein halbes Fußballfeld. Da haben wir im Winter schon Holz für den Ofen geschlagen. Die Pilzkulturen stehen laut meinem schlauen Buch um die Tannen im Kreis herum. Wenn du also einen Pilz erspäht hast, dann dreh dich einfach im Kreis und schaue genau hin.
Ich finde den ersten, laut Buch essbaren Pilz. Erfreut schneide ich ihn ab und drehe mich, wie im Buch empfohlen, im Kreis. Doch da sind keine mehr, also gehe ich weiter und suche. Ah - da noch ein Pilz, noch einer und ein dritter. Alle wandern in meinen Rotkäppchen-Korb. Wunderbar! Doch dann drehe und wende ich mich, ohne erneuten Erfolg.
Um es kurz zu machen. Irgendwann habe ich mich so oft gedreht und gewendet, dass ich die Richtung verloren habe. Ich stöbere nach Anhaltspunkten. Immerhin liegt der Wald zwischen drei Waldwegen. Das ist tröstlich. Auf dem Boden liegt ein alter Topf in leuchtend rot. Das ist mein Anhaltspunkt. Ich suche weiter den Ausweg, lande drei mal wieder am roten Topf, finde aber nicht einen der drei Wege.
Zwischen meinem Suchen nach dem Weg finde ich Unmengen von Pilzen. Ungewollt! Mein Korb wird schwer. Der Wald wird dunkler. Tiefe, schwarze Wolken haben das Licht verdunkelt. Und dann fängt es an zu regnen. Ach, vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich in diesem Teil des Waldes KEIN NETZ habe. Also auch kein Maps oder Navi, soviel zum Thema moderne Navigations-Methoden.
Die Dunkelheit schreitet schnell heran. Mit ihr auch der Regen. Kein Schauer, nein ein Sturzbach von Wasser, der sich sogar durch die dichten Tannenwipfel fallen läßt und mich total durchnäßt. Ich bekomme Gänsehaut, so hatte ich mir mein erstes Pilzesammeln nicht vorgestellt.
Ich sehe mich schon, verhungert und verdurstet, als Skelett mit einem Korb voller verfaulter Pilze an einem der alten Tannen lehnen. Wildschweine werden an mir nagen. Käfer werden mich auffressen, innerlich! Laut sage ich: "Ruhe jetzt!" Da höre ich ein Knacken im Geäst. Krachend kommt mir ein großer abgebrochener, trockener Ast entgegen gefallen und landet direkt neben mir auf dem Boden. Ein Ast streift mich und mein Arm blutet. Jetzt habe ich wirklich Panik.
Wieder knackt es im nun stockdunklen Unterholz. Ein Hund bellt. Auch das noch! Oder ist es ein Wolf? Rotkäppchen fällt mir ein! Ob ich wohl auch im Bauch des wilden Gesellen lande? Das Bellen kommt näher. Ich verfalle in eine Art Leichenstarre, mache mich am Fuß einer Tanne auf dem Boden ganz klein. Doch ohne erfolgreiche Tarnung. Ein riesiges schwarzes Untier, nun schemenhaft in der Dunkelheit auszumachen, bewegt sich zielstrebig und bellend auf mich zu. PANIK!
Dann steht das Ungetüm vor mir. Jedoch... es greift mich nicht an. Es winselt! In meiner unendlichen Angst, meiner Panik, merke ich nicht, was sich hier erfolgreich an mich herangepirscht hatte.
Da höre ich eine Stimme laut rufen: "Zeuss! Such die Mama! Such! Such die Mama!" Der Hund gibt Laut. Schleckt mich ab.
DAS IST MEIN HUND! Jetzt erst begreife ich in meiner Angst, inmitten der Dunkelheit dieses vermaledeiten Tannenwaldes, DAS IST MEIN HUND! Und die Stimme ist die Stimme meines Freundes! Einen Augenblick später sehe ich ein Licht, das den Boden absucht. Der Hund gibt Laut und ich werde gerettet! Minutenlang hänge ich an meinem schwanzwedelnden Lebensretter und heule was das Zeug hält. Erst als mein Freund mich vom Boden hochzieht und mich in seine schützenden Arme nimmt, seine warme Jacke um mich hängt und mir gut zuredet, werde ich langsam wieder lebensfähig.
Glaubt es mir... ich war noch nie so glücklich, wie in diesem Moment! Mein Leben wurde mir neu geschenkt.
PS: Die dämlichen Pilze habe ich ausgeschüttet, an Ort und Stelle... die können sich die Käfer aufteilen. Und das Buch habe ich in den Papiermüll geworfen! Und ab jetzt esse ich wieder die Champignons aus dem Supermarkt! Keine Diskussionen mehr! Ende! ;-)
(c) Elke Immanuel 2018
Texte: Elke Immanuel
Bildmaterialien: by Pixabay, Phil Humor https://de.share-your-photo.com/img/ef9c5b2056.jpg, Elke Immanuel: Uno-Zeuss-von-Eglanos
Cover: Elke Immanuel by CANVA
Tag der Veröffentlichung: 07.09.2018
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Allen Zuchtchampignons gewidmet, die mir den kläglichen Untergang im Tannenwald ersparen!