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Lionheart - mein Herzenslöwe

Mein Herz pocht immer noch laut, wenn ich an diese Geschichte denke... es war Liebe auf den ersten Blick. Diese Augen, tief wie die Landschaft, in der er lebt. Unglaublich kraftvoll und doch sanft. Ein Koloss unter seinesgleichen. Und doch zärtlich, anschmiegsam, voller Güte... Ich rede von Lionheart, einem zahmen Löwen.

Ja, ihr habt richtig gehört. Ein Löwe hat mein Herz erobert... und das bis heute!

Es war vor zehn Jahren. Damals hatte ich mich für ein Jahr mit einer Gruppe junger Leute für ein Soziales Jahr nach Namibia/Afrika gemeldet. Wir kamen zu einer Gruppe von Tierschützern, die in einem kleinen Ort Nähe Windhok ihre Station aufgebaut hatten, in der sie sich kranken oder verwaisten Tieren annahmen. Zuerst war alles so neu für mich. Wildtiere aus der Nähe zu sehen, war schon beeindruckend. Doch kranke oder verwaiste Tiere in unmittelbarer Nähe zu erleben, war unglaublich. 

Viele Arten von Tieren bekam ich in den Monaten meines Aufenthaltes zu sehen. Doch ein Tier hat mein Herz so sehr berührt, wie kein anderes zuvor. 

Wir hatten zuhause immer Hunde. Einer davon war mein Herzenshund, sozusagen ein Seelenverwandter. Daher hatte ich eine positive Einstellung zu allen Vierbeinern.

Nun, was ich erzählen will... Wir bekamen eines Morgens von einem der Wildhüter eine Nachricht über Funk, dass in der Nacht eine Löwin erschossen worden war. Es handelte sich anscheinend um Wilddiebe, die warum auch immer, auf dieses arme Tier geschossen hatten. Der Wildhüter hatte am Morgen auf seiner Kontrollfahrt ein verwaistes, noch ganz junges Löwenbaby gefunden, das jammernd neben seiner toten Mutter stand.  

Wir fuhren zu der uns genannten Stelle im Busch, wo der Wildhüter mit dem Kleinen auf uns wartete. Dies war das erste Mal, dass ich so ein kleines Raubtier aus der Nähe sah. Martin, unser Mann für solche Fälle, nahm das kleine Fellbündel und besah ihn sehr genau, um evtl. Verletzungen auszuschließen. Glücklicherweise war er davon verschont geblieben. 

Martin nickte mir zu und deutete mir an, zu ihm zu kommen. Etwas vorsichtig näherte ich mich dem kleinen Kerl. Ich schaute ihn an - und dann geschah es! Er blickte mir mit seinen bernsteinfarbenen Augen direkt in meine Augen. Ich sah ihn an und hatte das Gefühl, er spricht zu mir. So etwas kann man nicht mit Worten beschreiben. Ich fühlte, dass er sich mir anvertrauen wollte. Martin ermunterte mich, ihn auf den Arm zu nehmen und ihn auf dem Weg zurück zum Camp festzuhalten. Er war so klein, hatte die Größe eines größeren Welpen, wog vielleicht 15 kg. 

So setzte ich mich zurück ins Auto und nahm ihn einfach auf den Schoß. So wie ich früher unsere Hundewelpen gehalten hatte, so tat ich es mit diesem kleine Löwen. Sofort schmiegte er sich an mich und kurze Zeit später war er eingeschlafen. Martin sprach noch ein paar Minuten mit dem Wildhüter und kam dann zum Auto. Als er den schlafenden Löwen auf meinem Schoß sah, war er verwundert und gleichzeitig erfreut. Er meinte, das sei ein gutes Zeichen, so würde er sicher überleben. Augenscheinlich hatte er Zutrauen zu mir als Mensch.

Als wir im Camp ankamen, wurde der Kleine untersucht und wir boten ihm kleine Fleischstückchen an. Von mir nahm er sie sofort, die angebotenen Stückchen von Martin rührte er nicht an. Es war sonderbar. Doch wir freuten uns, dass er überhaupt so schnell ohne Scheu zu essen begann. Also übernahm ich seine Fütterung, gab ihm Aufgaben, die er lösen mußte, ging mit ihm um das Camp herum, beschäftigte ihn sinnvoll. Ich wurde die Ziehmutter eines Löwen.

Wir gaben dem Kleinen den Namen "Lionheart", "der Löwe mit dem großen Herzen" wie Martin ihn liebevoll nannte. Er wuchs täglich, war eher eine große Katze als ein Raubtier. Es gefiel ihm besser, bei uns auf der Veranda zu liegen und die Mittagssonne auf seinem Fell zu spüren, als dass er Anstalten gemacht hätte, "ein Löwe" zu werden. 

So verging die Zeit in Afrika für mich viel zu schnell. Dieses Fleckchen Erde mit all den freundlichen Afrikanern, mit Martin, der mir als Mentor und geistiger Vater ans Herz gewachsen war - und mit Lionheart. Es kam der Tag des Abschieds. Niemals hätte ich gedacht, dass ich einmal so schmerzlich Abschied nehmen würde, wie in diesem Moment. Der Löwe spürte Tage vorher, dass etwas im Gange war und wich nicht von meiner Seite. Er drückte oft seinen Kopf an meine Beine, als wolle er mich liebkosen. Ich weinte bitterlich, als der Moment gekommen war mich zu verabschieden.

Lange stand Lionheart vor mir und ließ sich das dicke Halsfell kraulen, dann drehte er sich plötzlich um und ging ohne sich umzuschauen einfach davon. Ich wußte in meinem Herzen, das war seine Art, Abschied zu nehmen. 

Im Laufe der Jahre hielt ich regen Kontakt mit Martin und seinen Helfern. Vier Jahre lang kam ich für 4 Wochen zu ihnen, um meinen Urlaub mit ihnen zu verbringen. Immer war Lionheart sofort zur Stelle, wenn er meine Stimme hörte. Er hatte sich nie vom Camp entfernt. Er war zahm geworden. Martin brachte es nicht übers Herz, ihn auszuwildern, eben weil er so ein Herzenstier geworden war.   

Im vierten Jahr lernte ich im Camp einen Mann kennen, der eine Auszeit von seinem Job in Deutschland nehmen wollte. Er hieß Johannes und war Tierarzt, hatte zuhause zusammen mit seinem Vater eine Tierarztpraxis und wollte, bevor er die Praxis ganz übernahm, noch einmal etwas erleben, wie er sagte. So landete er im Camp von Martin. Sie erzählten mir, dass Lionheart bei seiner Ankunft im Camp auf ihn zugetrottet kam, ihn beschnupperte, sich umdrehte und sich vor ihn legte. Johannes sagte mir später, er hatte das Gefühl, Lionheart wollte sich ihm anvertrauen, genau wir mir damals. 

Nun, wir verliebten uns und nach einem Jahr heirateten wir. Johannes entschloß sich, nach Windhok in dieses Camp zu gehen und dort mit Martin zu arbeiten. So zogen wir beide nach Afrika und sind nun seit dieser Zeit hier im Tierschutz tätig.

Lionheart ist inzwischen ein stattlicher, prächtiger Löwe, der sich Respekt einflößend präsentiert, doch in seinem Innern ist er ein Schmusehase geblieben. Er ist immer noch mein Herzenstier und das wird er bleiben, solange er noch lebt - und in meinem Herzen für alle Zeit! 

 

Impressum

Texte: Elke Immanuel
Bildmaterialien: Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 19.11.2017

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Johannes

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