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1. Kapitel

 

Auszug eines Artikels des Boulevardblatts von Julia Cullman.

 

Erneut ist unsere geschätzte Reporterin Julia Cullman einem Skandal auf die Schliche gekommen.

Wir haben schon mehrfach in unserem Magazin über die amourösen Abenteuer des Herzensbrechers Alexander Schwindling (33), Firmeninhaber der Schwindling-Werke, berichtet. Dieses Mal scheint er allerdings deutlich über die Stränge geschlagen zu haben.

Aus zuverlässiger Quelle erfuhren wir, dass der Arbeitgeber vieler unserer Mitbürger vom Kindermädchen seiner kleinen Tochter Sex erzwungen haben soll. Sie verweigerte sich ihm, deshalb hat er sie anscheinend kurzerhand vor die Tür gesetzt und ihr den letzten Lohn nicht ausbezahlt.

Im Interview mit Julia Cullman war die junge Frau völlig aufgelöst und schilderte unter Tränen den Vorfall. Sie schwor auf das Leben ihrer Mutter, dass sie die reine Wahrheit sagte.

Für Frau Cullman gab es keine Zweifel an der Aufrichtigkeit der Person.

„Die junge Frau saß da und zitterte wie Espenlaub“, berichtete sie vertraulich in unserer Redaktion.

Warum die Gerichtsbarkeit in diesem Falle noch nicht tätig wurde, bleibt ein Rätsel. Alexander Schwindling schweigt sich zu diesem Vorfall aus und verweigert eine Stellungnahme. Ob es ihm bewusst ist, dass dieses Verhalten seine Glaubwürdigkeit beeinträchtigt?

 

Alexander Schwindling saß hinter seinem Schreibtisch, zerknüllte wutschnaubend und unter Schimpfkanonaden das Boulevardblatt und schleuderte es in den Mülleimer. Vor ihm saß sein Kompagnon und bester Freund Ralf Kockler.

„Wie kann Wendy mir so etwas antun? Was in Gottes Namen ist nur in sie gefahren? Dieses verfluchte Miststück! Und dann diese Schmierfinken von Reportern! Haben die nichts anderes mehr zu drucken? Wer überhaupt ist diese ...“

„Julia Cullman“, half ihm Ralf, wofür er sich einen grimmigen Blick von ihm einfing.

„Von der habe ich noch nie gehört. Die wird mich kennenlernen ...“ Wütend schlug Alexander auf die Tischplatte.

„Beruhige dich, Alex! Ich bin bereits an der Sache dran und habe dem Blatt schon angedroht, sie wegen Verleumdung zu verklagen, sollten sie den an den Haaren herbeigezogenen Artikel in der nächsten Ausgabe nicht revidieren. Den Rest erledigt unser Anwalt. Der kann auch mal was für sein Geld tun“, versuchte Ralf ihn zu beruhigen und tippte eine Nummer auf sein Handy ein.

So einfach war es für Alexander allerdings nicht, denn er hatte mit Wendy Bromer eine gutes Kindermädchen verloren. Und warum das alles? Weil dieses eins achtundfünfzig große, rothaarige Luder sich in den Kopf gesetzt hatte, mehr von ihm bekommen zu wollen, als nur eine gut bezahlte Anstellung. Was versprach Wendy sich davon, wo er doch keinerlei Interesse an ihr hatte?

Das Ganze riss in ihm eine alte Wunde auf. Seine Gedanken gingen zurück in die Vergangenheit, statt im hier und jetzt zu bleiben. Doch Alexander verspürte dabei keinen Schmerz mehr, vielmehr keimte erneut die alte Wut auf, als er sich erinnerte. Seine Exfrau hatte ihn der Untreue beschuldigt gehabt, obwohl Tanja es gewesen war, die ihn mit einem Filmproduzenten betrogen hatte. Sie und dieser Möchtegernreggiseur wurden von Ralf zusammen in einer Bar, etwas abgeschieden vom Geschehen, in eindeutiger Pose gesehen. Alexander wusste noch, wie schwer sein Freund sich damit getan hatte, ihm dass zu sagen. Doch des Kindes wegen, wie Ralf gemeint hatte, konnte er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren.

Als er daraufhin seine Frau zur Rede stellte, hatte Tanja es nicht einmal geleugnet. Sie hatte sogar gemeint, mehr vom Leben zu wollen, als nur das Heimschen am Herd zu sein. Tanja wollte doch tatsächlich eine Schauspielkarriere anstreben. Diesen Floh hatte ihr dieser Mistkerl ins Ohr gesetzt, um sie zu ködern. Und es gelang ihm. Ohne Skrupel hatte Tanja ihre Habseligkeiten zusammengepackt und selbst ihr gemeinsames Kind verlassen. Einfach so im Stich gelassen!

Das hatte Alexander damals bis ins Mark erschüttert. So sehr, dass er seitdem den Frauen aus dem Weg ging. Außerdem brauchte Annika ihn mehr denn je, denn sie hatte nur ihn. Da blieb gar keine Zeit für eine Liaison. Das war nun zwei Jahre her.

 

Unruhig stand Alexander auf und ging zur großen Fensterfront, von der aus er eine Aussicht auf das ganze Firmengelände hatte, während Ralf gerade das Gespräch beendete. Als ob sein Freund fühlte, an was er gerade gedacht hatte, meinte er:

„Alex! Du, ich und viele deiner Angestellten wissen, wie du wirklich bist. Ich bin mir absolut sicher, dass die Presse es sich nach meiner Androhung gut überlegen wird, was sie zukünftig tun, und in der nächsten Ausgabe einen Artikel mit einer öffentlichen Entschuldigung bringt.“

Ohne sich zu ihm umzudrehen, meinte Alexander: „Deine Unerbittlichkeit in Ehren und ich weiß es zu schätzen, stehe ich jetzt aber dennoch als Sexist und nicht nur mehr als Playboy da, was schon lachhaft genug ist.“

Als er sich der Stille wegen nun doch zu Ralf umwandte, sah er ihn grinsen.

„Das du ein Playboy sein sollst fand ich ja lustig“, sprach sein Partner. Alexander rümpfte nur die Nase.

„So ist es leider, wenn man wie du jung, charmant und gutaussehend ist. Man zudem auch

noch ein reicher Single ist. Da stören sich die Frauen auch nicht an der Kleinen“, meinte sein Freund weiter und konnte noch darüber lachen.

Angewiedert verzog Alexander das Gesicht zu einer Fratze. „Ralf, du hast nicht alle Tassen im Schrank! Dort, wo ich mich notgedrungen blicken lasse, gibt es reichlich bessere Partien, wie du weißt. Ich hasse diese gehobenen, gesellschaftlichen Anlässe, bei denen es nur darum geht, seinen Wohlstand zur Schau zu stellen. Doch ich bin gezwungen, mich ab und an auf solchen blicken zu lassen, damit die Firma nicht wieder Schaden nimmt.“

Jedoch hatte sein Freund nicht Unrecht darin. In letzter Zeit spielten so manche Frauen verrückt, wenn er sich in der Öffentlichkeit zeigte, was zum Glück wegen seiner Tochter nicht all zu oft geschah. Wenn er einen Festlichkeit besuchte, wohlgemerkt zu geschäftlichen Zwecken, dauerte es nicht lange, bis dass sich eine Frau an seine Fersen heftete. Sei es auch nur, um einmal mit ihm auf dem Titelblatt zu erscheinen. Manche jedoch klammerten sich aber regelrecht an ihn, stalkten ihn sogar, weswegen es dann in den Schmierblättern hieß: Wieder einmal ist unserem Herzensbrecher Alexander Schwindling eine Frau ins Netz gegangen. Besuchte er solche Events mit Ralf, las es sich: Frauenschwarmwieder auf Beutefang oder so etwas ähnliches. Und diese Frauen merkten nicht einmal, dass ihm das zuwider war.

Alexander glaubte auch zu wissen, woran das lag. Als er die Schwindling-Werke seines verstorbenen Vaters übernommen hatte und die Firma mit Hilfe seines Freundes aus den roten Zahlen bringen konnte, wurde die Schwindling-Werke zu dem führendsten Unternehmen. Dank Ralfs Kompetenzen und Marketingstrategien hatte er ihn daraufhin auch zum Teilhaber gemacht. Sein Freund verstand mehr von den geschäftlichen Belangen, als er und sein Vater je geahnt hatten. Bis heute, sechs Jahre später, bereute Alexander es kein bisschen, Ralf mit an Bord genommen zu haben. Hinzu kam, das er niemals an seiner Freundschaft und Loyalität zweifeln würde. Ralf war wie ein großer Bruder für ihn.

Da erhob auch schon sein Freund ergeben die Hände, denn er wusste,dass ihm all das Brimborium mächtig stank. „Was nun diese Anschuldigung allerdings angeht, da hört der Spaß auf! Es wird Zeit, diesen Klatschreportern mal ordentlich einzuheizen. Das wird Folgen für die haben! Darin sind sie zu weit gegangen“, sprach Ralf jetzt ebenfalls erbost aus.

 

Alexander nickte. Er hatte jetzt noch andere Sorgen. Diese betrafen seine zweijährige Tochter, denn Annika stand nun ohne Kindermädchen da. Er ging zurück zum Schreibtisch und setzte sich wieder auf seinen Platz. Ralf erkundigte sich nach weiteren Vorgehensweisen.

„Können wir das auf später verschieben? Ich muss mich erst um ein neues Kindermädchen bemühen. Wobei ich nur hoffen kann, dass die Arbeitsagentur diesem Wisch keinen Glauben schenkt und mir vielleicht keine mehr vermitteln möchte. Denn wie du weißt, brauche ich gerade jetzt jemand für Annika. Sonst kann ich die Geschäftsreise abhaken und wir verlieren die Chance, den Großkunden an Land zu ziehen. Frau Potter ist zu alt, um auf das Kind mehr als zwei Stunden aufzupassen“, erinnerte Alexander seinen Freund an die Nachbarin. „Lass mich nur einen Anruf tätigen, dann können wir uns überlegen, wie wir vorgehen. Das ist momentan meine einzige Sorge.“, klagte er seufzend.

„Das verstehe ich, Alex! Und es würde wirklich nicht gut rüber kommen, wenn ich alleine bei diesem Geschäftstreffen auftauche“, räumte Ralf mit einem Kopfnicken ein. „Ich bediene mich währenddessen an der Kaffeemaschine. Soll ich dir einen Kaffee mitbringen?“

Alexander bejahte und sein Freund verschwand aus der Tür.

 

Geraume Zeit später hätte Alexander am liebsten das Telefon aus dem Fenster befördert. Ihm rauchte der Kopf. Wie schon vermutet, wagte es die Arbeitsagentur nicht, ihm erneut ein Kindermädchen zu vermitteln. Da halfen auch die Beteuerungen seiner Unschuld nichts. Diese Unterstellung, ein Sexist zu sein, würde, wenn es so weiter ging, seine Existenz arg gefährden. Er sah sich sogar schon mit einem Fuß im Gefängnis, wenn sich diese dreiste Lüge nicht aufklärte. Es war einfach lächerlich. Ralf meinte jedoch, dass er diese Sache lieber seinem Anwalt zutragen sollte. Seinen Unschuldsbeteuerungen würde man eh nicht glauben, wie Alexander soeben feststellen musste.

„Was habe ich nur falsch gemacht?“, fragte er sich frustriert aufstöhnend.

Ralf kam in sein Büro hereingeschlendert, in jeder Hand einen Becher Kaffee haltend.

„Und, wie ist es gelaufen? Wann schickt man dir eine Neue?“

Alexander verzog das Gesicht zu einer Grimasse und antwortete ihm: „Mehr als beschissen. Sie werden mir kein anderes Kindermädchen vermitteln, bis dass sich dieser ganze Mist aufgeklärt hat. Auf Qualifikationen werde ich jetzt wohl verzichten müssen und mir stattdessen eine Schülerin oder Studentin, die ihr Taschengeld aufbessern möchte, per Annonce suchen können.“

„Hör zu, Alex! Wenn es dir hilft, bleibe ich wieder alleine im Büro, bis du jemanden gefunden hast. Arbeite du weiter von Zuhause und bei wichtigen Angelegenheiten schalten wir wieder auf Videotelefonie“, bot sein Freund bedrückt an.

Tat er dies nicht schon zu Genüge? Alexander konnte und wollte Ralf nicht schon wieder mehr aufbürden, als dass er eh schon für ihn tat. Das sagte er ihm auch.

„Du und dein Gewissen! Sind wir doch Freunde oder nicht? Du würdest für mich genau das Gleiche tun, wenn ich Probleme hätte. Also lass mich dir helfen, dafür sind Freunde da!“, bat er.

Alexander schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Und was für ein Freund Ralf für ihn war! Dicker ging es gar nicht.

„Mir bleibt wohl nichts anderes übrig. Jetzt heißt es für uns beide, diesen Texaner an Land zu ziehen. Wenn wir diesen Großindustriellen als Kunden haben, können wir noch mehr Arbeitsplätze schaffen und stehen weitere Jahre auf sicheren Beinen.“

Ralf schüttelte plötzlich verständnislos den Kopf und meinte: „Ich kann gar nicht verstehen, wie du jetzt an die Menschen hier denken kannst. Sicher gibt es welche darunter, die diesen ganzen Mist aus der Zeitung glauben. Und denen willst du helfen?“

 

Das Eine hatte doch mit dem Anderen nichts zu tun. Überrascht von den Worten, starrte Alexander seinen Freund an und sagte: „Es wird sich zeigen, wer von den Bewerbern

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Cover: Sunny
Lektorat: Angelique L. Carveau
Tag der Veröffentlichung: 02.08.2018
ISBN: 978-3-7438-8357-4

Alle Rechte vorbehalten

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