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Blick aus dem Dachfenster, 16:00 Uhr


Das Geäst bewegt sich im Wind
wissen wir, wer wir sind?
die Wolken ziehen vorüber
stellen wir uns unserem Gewissen gegenüber
die Farben mischen sich aus Blau und Grau
wir betrachten die Welt und werden nicht schlau.

Das Geäst bewegt sich im Wind
ab Herbst hat es nichts zu tragen
doch stellen wir nie die richtigen Fragen
ob es falsch ist oder ob es stimmt
ein nacktes Gerippe
zum Verfall noch nicht verdammt
es ist Brauch und Sitte
zu glauben an den menschlichen Verstand.


Blick aus dem Dachfenster, 17:15 Uhr

Wie kleine Glasperlen aus Prinzessinnen-Träumen
hängen die Regentropfen vor unserer Sicht
ein Gemisch aus Grau in Grau bildet den Hintergrund
wir bewegen uns schnell um nichts zu versäumen
denn schlimmer als jede Trauer ist der Konsumverzicht
und wir stehen vor dem Schaufenster der Natur mit offenem Mund.

Durch Herbst und Winter gezeichnete Bäume
strecken sich wie aus Protest gen Himmel
sie werfen schwarze Schatten des Fröstelns
wir schließen unsere Acrylpelzkrägen
die Leeren in unserem Kopf sind wie knurrende Mägen
und ganz entfernt hören wir den Laut des geilen Lechzens
nach Licht ohne Schatten, wir lassen uns nicht abwimmeln
wenn wir aus voller Kraft vor Wut aus dem Mund schäumen.


Wie kleine Murmeln aus naiven Kindheitserinnerungen
nehmen uns die Regentropfen den verklärten Blick
und ohne etwas zu merken knüpfen wir weiter den Strick
damit wir später einmal nach langem Leben
ungezwungen uns in den Schatten der kahlen Bäume begeben
und darauf warten,
dass die Kälte
aus unseren
Köpfen
weicht.





Blick aus dem Dachfenster, 15:30 Uhr


Die Verästelungen drapieren sich
wie eine Armee aus der Zeit der großen Revolutionen
hier,
heute
und jetzt
sie sind vernetzter wie das Fangwerkzeug einer
Radnetzspinne.


Wir suchen und
wir finden
im Schlachtfeld der Garnisonen
verstümmelte Gedanken,
schreiende Gefühle
und in Sicherheit wiegend entdecken wir
die Wahrheit.


Was es ist,
wie es funktioniert
der General lässt seine Männer ganz bewusst
in den Tod marschieren
und kurz vor dem letzten Gericht erreichen wir die
Weggabelung.


Wohin und
woher
die Richtung wird stimmen,
wer wird uns führen
der General hat sich von seinem Torso verabschiedet
doch ein Fingerzeig aus unserem Innersten weist auf
die Tür.


Öffnen und
schließen
das Durchschreiten der geheiligten Pforte
lässt uns doch wieder hoffen
jeder hat seinen Platz
im Krieg wie im Frieden
im dunklen Königreich.




Blick aus dem Dachfenster, 23:30 Uhr

Wie ein schwarzes Samtgewand
hat sich die Nacht
um uns gelegt
silberne Stickereien
vereinzelt als Muster auszumachen
jeder der jetzt etwas zu sagen hat
ist besonders gut zu hören
nach unten
zieht einen der Sog
und die natürliche Erdanziehungskraft verdoppelt sich
die Gedanken schweben nun
frei im Raum
sie suchen sich
neue Ufer
wir legen an
und betreten wie immer
fremdes Land
das unwirkliche Licht reißt
einem die Augen auf
doch die Lider spenden schnell wieder
Schatten


weiter geht die Reise
wo sie endet ist ungewiss
doch steht der Zeitpunkt fest
immer dann wenn sie schreitet
immer auf selbem Kurs
wer sich jetzt nicht erhebt
der schafft den Weg ans Ziel nur mühsam
denn jetzt erwarten weiche kühle Hände
den Entdecker und Eroberer
und mit einem letzten Seufzer
wird entglitten.


Gute Nacht!



Blick aus dem Dachfenster, 21:15 Uhr


Eine gesättigte pechschwarze Masse
wälzt sich über das Firmament
weiße Einschüsse durchdringen ein Nichts
angestaute Tagesfrustration
geballte Enttäuschung
versammelte Zukunftsängste
hier verstummen alle
jeder Kampf der jetzt geführt wird
hat so viel Erfolg
wie der Tanz auf rohen Eiern
jetzt sind die Gedanken frei und Zug um Zug schlagen sie
auf dem Schachbrett der tausend Irrtümer
den Hochmut
doch nur wer es rechtzeitig schafft
die Gedanken wieder einzuholen
kann sich aus der Masse wieder erheben
und Enttäuschung, Angst und Frust
den ganzen hellen Tag lang ausleben
welch ein Genuss.



Wir blicken mal wieder aus dem Dachfenster, 16:30 Uhr

Stahlblau hebt sich der Himmel ab
hinter den kahlen Verästelungen
beginnt die große Weite
hier verlaufen keine Grenzen
nur
in
den
Köpfen
tummeln sich manch seltsame Gedanken
wir verlassen den Platz unserer Ehrenloge
nehmen Kurs Richtung Firmament
das Universum zu begreifen
nach den Sternen greifen
würde bedeuten,
das Rätsel der Unendlichkeit gelöst zu haben
wir brauchen uns nichts vorzumachen
auch da befindet sich nicht die Freiheit
und
es
ist
kalt


blicken wir zurück
man kann den nackten Baum erkennen
er hat verstanden
in jeder Situation zu leben
lasst es uns auch versuchen
denn in uns keimt genauso der Frühlingsspross
immer wieder von neuem
wir können uns den Herausforderungen stellen
aufmunternd lächelt uns der Baum zu
er ist schon sehr lange hier und weiß Bescheid
vielleicht wird er uns auch helfen
nur in diesem Augenblick
hat er leider
keine Zeit.



Impressum

Texte: adrian noering
Bildmaterialien: adrian noering
Tag der Veröffentlichung: 27.03.2012

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