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Zwergenaufstand



Gestern waren wir Zwerge
und heute sind wir keine Riesen
versetzen immer noch keine Berge
und können Momente nicht geniessen.

Gestern waren wir Brüder
und heute sind wir nur noch Fremde
als andere sind wir immer klüger
und reichen einander keine Hände.

Gestern waren wir Zwerge
und heute sind wir keine Riesen
sind nicht verwurzelt in der Erde
und im Geiste immer klein geblieben.



Zwei Parteien


Wir schweben im Leben
mit Leichtigkeit einer Seerose auf dem Wasser
schwerelos und ganz still
alle leuchten schöner im sanften Sonnenlicht
Wir sind die Schmetterlinge!

wir teilen den süßen Necktar der Erkenntnis
und waren unscheinbar
haben uns verpuppt und dann gewandelt
zu Anmut und Eleganz
Wir sind die Schmetterlinge!

wir zweifeln im Leben
unter hausgemachten Anstrengungen
plump und lärmend
denken uns alle häßlich im Schein der Energiesparlampe
Wir fangen die Schmetterlinge!

Geben ist seeliger denn Nehmen
unser Denken bleibt immer unscheinbar
und glauben am Wandel des heiligen Geistes,
an Macht und kalte Herzen
Wir sind die Menschen!



24 h in einer Stadt



Eine Stadt
ist am ehrlichsten morgens um 6

,
wenn der Tag grau erwacht.

Auch um  7

 
ist  Hässlichkeit  noch selten,
die Menschen wischen sich den Schlaf aus den Augen und vergessen schlechte Träume.
Ab Acht


ist alles hellwach
und niemand schämt sich für vergossene Tränen.

Zwischen 9 und 10 Uhr droht das Elf-Uhr-Loch
und um 12

ist auch dies schon wieder Geschichte.
Gegen Eins


sind wir müde und satt
und wünschen uns den Abend herbei.

14, Fünfzehn, 16,


 die        Zeit         kriecht        dahin       wie      eine     Schnecke

-
ihr Schleim klebt an den Händen.

Ab 17 Uhr tritt Unruh ein,
doch wird der Wind nie zum Orkan.
Denn in den Abendstunden kehrt sie wieder ein:
Die Ruhe vor dem Sturm.



Belanglos
ziehen sie dahin,
die vielen Stunden des Abends.
Und sitzend
erkennen wir das Zwangsläufige

,
die Nacht

kennt kein Erbarmen.

Ab 0

Uhr
kommt die Unschuld wieder heim,
findet Heimat in vielen Betten.

Eine Stadt


ist am ehrlichsten morgens um  6

,
doch  möcht ich Nichts darauf verwetten.







Ludwigshafen am Rhein


Ode an meine Geburtsstadt
Die Illumination ist ganz nett geworden
die Schatten der Bauwerke des Prekariats
werden dadurch noch ein Stück länger
auf den Balkonen hängt
ehemals weiße Wäsche zum Trocknen
in der feuchten nebligen Luft
ein hoffnungsloses Unterfangen

Menschen gehen mit steinernen Mienen
ihrem Tagwerk nach
die Sirene erschallt zur nächsten Schicht
Trostlosigkeit hat hier seine Heimat
und überdauert alle Generationen
für Konsumterror ist hier schon lange kein Platz mehr
der Handel hat sich ausgesperrt
vierspurig fahren Autos durch die Stadt
alte Männer staunen mit offenen Mündern
denn keines hält hier an.



Ausflug aufs Land



Entspannt ruht mein Blick auf dem Lenkrad
der Horizont scheint greifbar
und ich hole auf.



Der Vogel läßt sich ganz gelassen
auf der schwarz geteerten Piste nieder
und putzt sich ohne Hast sein Gefieder.

Mein Herzschlag beschleunigt
mein Fuß verkrampft
und Kornfelder ziehen an mir vorbei.



Starr schaut der Vogel in den Staub
aufgewirbelt durch den Sommerwind
und zwingt sich den Kopf zu heben
um den Tag vorbeiziehen zu sehen.

Hin – und hergerissen bin ich
sitzend zwischen zwei Stühlen
kann mich nicht entscheiden
welchen Weg ich nehme
welche Strecke ich fahre
welche Richtung ich nehme.




Die Flügel ausgebreitet
den Schnabel geöffnet
bereitet er sich vor auf seinen Flug
der Weg ist fest abgesteckt
er hat den kürzesten gewählt.

Der Horizont rückt näher
warum muss ich Wege wählen
kann keiner für mich Entscheidungen treffen
und mir einen Rat geben?



Das Gefieder ist verschmutzt
und die Augen blicken starr und matt in den Himmel.

Der Schrei hallt scheinbar stundenlang
über die kahle Steppe meiner Seele
ich bin vom Weg abgekommen
das Ziel entfernt sich fast unbemerkt.



Das Gerippe bleicht in der Sonne
und aus bunten Schwanzfedern
haben sich kleine Indianer der Ironie
zeremoniellen Kopfschmuck gebastelt.

Meinen Weg habe ich dann doch noch
rechtzeitig gefunden.
Aber den Vogel wollte ich nicht überfahren.


Ehrenwort!





Das Ei des Kolumbus




Was war zuerst da
die Henne
oder die Vogelgrippe
die Gier
oder die Finanzkrise
der Geiz
oder das kostenlose Girokonto
die Unvernunft
oder amerikanische Waffengesetze
die Paybackkarte
oder der Datenschutz
das Zölibat
oder der Mißbrauch
der Body-Mass-Index
oder der aufgeblähte Hungerbauch
verletzende Worte
oder verfaulte Gedanken
kommt der Hochmut
vor dem Fall
tatsächlich erst die Schöpfung
und dann die Sünde
Religion
oder Unterschichtenfernsehen
wirre Gedanken
oder geniale Ideen?
Ich habe dafür gerade keine Erklärung!




Impressum

Texte: skulpturen sind vom freischaffenden künstler alexander simon ratka, die stadtansichten von andreas gaschott, die idee für das layout bei "eine stadt" stammt von anne varnhorn
Tag der Veröffentlichung: 04.03.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
für yvonne - weil ich dich liebe

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