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Die Januarnacht war sternenklar und klirrend kalt.
Hätte der Mann, der im Finstern hinter den Bäumen stand und das kleine Haus beobachtete noch geatmet, hätten dampfende Wolken in der eisigen Luft gestanden, aber das Atmen hatte er bereits vor Jahrhunderten aufgegeben. Sein Körper war so kalt wie die Umgebung, doch in ihm brodelte ein Zorn, so heiß, wie glühende Lava. Ebenfalls seit Jahrhunderten genährt, erfüllte diese Wut ihn ganz und gar, und manchmal hatte er das Gefühl, dass allein sie es war, die ihm noch Substanz verlieh und nichts sonst.
In diesem Augenblick befand sich der Mensch, welcher Dreh- und Angelpunkt dieses Zorns war, dort drüben in dem kleinen Haus, welches ein wenig abseits des übrigen Dorfes lag, an dessen äußerstem Rand er gerade stand.
Zu den nächsten Nachbarn war es ein ganzes Stück die schmale Gasse hinunter, und auch Straßenbeleuchtung suchte man hier vergeblich. Das Häuschen lag im Dunkeln, und nur in einem einzigen Fenster brannte noch ein schwaches Licht, wie von einer Schreibtisch- oder Stehlampe.
Der kalte Mann wusste, wer hier lebte. Er wusste, wie der einzige Bewohner hieß, er wusste, dass dieser keine Familie hatte, wovon er lebte, wohin er ging und woher er kam, denn er beobachtete ihn inzwischen schon seit einigen Wochen jede Nacht, hatte mehrmals heimlich die Räume des kleinen Hauses durchstreift, immer auf der Suche nach Informationen über seinen Bewohner und hätte den Tagesablauf des jungen Mannes auswendig herbeten können – wäre so etwas wie ein Gebet für ihn noch in Frage gekommen.
Aber auch das war seit langem vorbei.
Vor über funfhundert Jahren hatte sein Herz aufgehört zu schlagen, war Dimitri Kostjatovs Leben als Mensch zu Ende gegangen und hatte sein neues Dasein als Blutsauger begonnen.
Er war ein Nosferatu, ein Vampir, und er war es stets gern gewesen!
Zumindest bis ER gekommen war, Victor van Doorn, seines Zeichens Arzt und Vampirjäger. Lange hatte van Doorn ihn gejagt, hartnäckig und unermüdlich, ohne seiner habhaft werden zu können und doch war ihm eines Tages Erfolg beschieden gewesen – durch einen Verräter in den Reihen der Vampire!
Aus einfachen Verhältnissen stammend hatte Dimitri es in den drei Jahrhunderten seit seiner Verwandlung zu einigem Wohlstand gebracht, und da er von Natur aus gesellig war, hatte er einen kleinen Zirkel an Vampiren um sich geschart, von denen er die meisten selbst erschaffen hatte.
Die einzige Ausnahme war Tifan gewesen, ein Vampir mit dem Gesicht eines Engels, der sich leider in Dimitri verliebt hatte.
Leider, weil Dimitri seine Gefühle nicht erwiderte. Er fand Tifan recht anziehend, er hatte gern sein Vergnügen beim Sex mit ihm, aber das galt auch für Andere, und als Tifan es begriff, verriet er in seiner gekränkten Eitelkeit den Zirkel an van Doorn.
Wenn er Dimitri nicht für sich haben konnte, sollte ihn auch kein anderer bekommen.
Die Vampire wurden allesamt bei Tage im Schlaf überrascht, als sie arglos in ihrer Gruft lagen, und van Doorn war gründlich. Er und seine Gehilfen pfählten sämtliche Vampire, die sie fanden, schlugen ihnen die Köpfe ab und verbrannten sie.
Der Einzige, der entkam war Tifan. Da er wusste, was kam, hatte er rechtzeitig das Weite gesucht.
Die Gruft wurde mit Weihwasser und Hostien gereinigt, und van Doorn zog erst ab, als er nur noch qualmende Reste vor sich hatte - allerdings nicht, ohne die Asche der Getöteten vorher noch tief im Boden zu vergraben.
Auch Dimitri war zu Asche verbrannt, doch er war nicht völlig zerstört worden, und das verdankte er einzig einer winzigen Unachtsamkeit van Doorns. Wie es schien, hatte dieser sich eine kleine, schwach blutende Verletzung zugezogen, während er die Aschehäufchen vergrub, und so war Dimitris Asche mit etwas Blut in Berührung gekommen. Die Menge hatte zwar nicht ausgereicht, ihn wieder zu beleben, aber seine endgültige Vernichtung wurde verhindert. Sein Geist war jedoch unter der Erde eingeschlossen geblieben, eingesperrt in die modernde Asche, und er litt unvorstellbare Qualen, fast zweihundert Jahre lang.
Dann war ihm die Moderne zu Hilfe gekommen.
Dort, wo er und seine Gefährten den Vampirtod gestorben waren, rückte eine Baufirma an, denn die Stadt hatte sich bis zum ehemaligen Standort seines Hauses vorgearbeitet. Das gab es allerdings schon längst nicht mehr, und nun sollte hier eine Gasleitung verlegt werden, um die sich ausbreitende Stadt zu versorgen.
Tief gruben sich die Bagger in die Erde, und Dimitris Asche landete auf der Ladefläche eines Lastwagens.
Er war natürlich taub und blind gegenüber seiner Umgebung, doch er fühlte, dass sich etwas verändert hatte. Vor allem aber spürte er in seinem nagenden, wilden Hunger die Anwesenheit potentieller Beute – Menschen!
Die Wagenladung mit der Erde war fortgebracht worden, ans Ufer eines Sees, und hier war das Unglaubliche dann geschehen: Eine Eule schlug nachts ein Kaninchen, und dessen Blut spritzte genau auf die Stelle, wo Dimitris Asche sich halbwegs mit der umgebenden, feuchten Erde mischte.
Er erinnerte sich noch an diesen Augenblick, denn es hatte sich angefühlt, als schlüge plötzlich ein gleißender Blitz in eine finstere Höhle und katapultierte ihn mit einem Schlag ans Licht.
Und nur Augenblicke später bebte der Erdhaufen wie der Leib einer Schwangeren und gebar den auferstandenen Vampir, nackt und dreckverschmiert, aber vollständig wiederhergestellt - und vor allem hungrig.
In dieser Nacht hatte er als Erstes seinen Hunger gestillt. Sein empfindlicher Geruchssinn hatte ihn bald auf die Spur menschlicher Ausdünstungen geleitet, und als der Horizont sich der aufgehenden Sonne entgegenrötete, war er satt, sauber und besaß Kleidung, in der er nicht auffiel.
Den Tag über verbarg er sich in einem leerstehenden Abbruchhaus, und als die Sonne wieder unterging erwachte er ausgeruht und zufrieden – abgesehen von dem brüllenden Zorn, der in seinen Eingeweiden brodelte.
Er wollte sich rächen, nicht an van Doorn, sondern an dem Mann, dem sie das Gemetzel zu verdanken hatten – Tifan! Schon seinen Namen zu denken war, als rollte eine Feuerwoge durch Dimitris Geist!
Er machte sich auf die Suche. Zunächst musste er diese neue, unbekannte Welt, die ihn umgab kennen und verstehen lernen, doch er war schon immer lernbegierig gewesen, und seine geschärften Vampirsinne taten ein Übriges dazu. Bald bewegte er sich wie selbstverständlich in der Moderne und machte sich die Errungenschaften der Informationstechnik zunutze, um seinem Ziel näher zu kommen.
Schon nach kurzer Zeit war er anderen seiner Art begegnet, sogar ein paar wenigen Bekannten von früher. Nur Tifan fand er nicht. Doch schließlich, als er schon beinahe glaubte, es sei alles umsonst, begegnete er einem uralten Vampir, der sich noch gut an den exklusiven, kleinen Vampirzirkel erinnern konnte, den Dimitri einst um sich versammelt hatte. Und er war auch der Erste, der etwas über Tifans Verbleib berichten konnte, denn er hatte ihn ebenfalls gekannt.
Wie es schien, war der Verräter nach der Vernichtung seiner Gefährten ziellos durch die Welt geirrt. Erfüllt von Reue über das, was er getan hatte, voller Sehnsucht nach dem Mann, dessen Vernichtung er verursacht hatte und doch unfähig die eigene Zerstörung zu suchen, war er bald nur noch ein Zerrbild seines früheren strahlend schönen Selbst gewesen, und eines Tages von einem Jäger zur Strecke gebracht worden.
Als Dimitri das hörte, schlug er aufgebracht mit der Faust gegen die Wand der zerfallenden Kapelle, in welcher die Zusammenkunft mit dem Uralten stattfand, und der schenkte ihm daraufhin einen missbilligenden Blick.
Dimitri war das egal. Er war seiner Rache beraubt worden, und in seinem Kopf hämmerte immer nur der eine Gedanke: Es ist zu spät!!


„Ich verstehe, dass Du wütend bist und Dich um Deine Rache betrogen fühlst, mein Freund, aber warte! Ich bin noch nicht fertig mit meiner Geschichte!“ versuchte der Alte Dimitris Aufmerksamkeit wieder zu gewinnen.
Doch der drehte erst den Kopf, als plötzlich wie von weitem das Wort „Sohn“ an sein Ohr drang.
Er bleckte die Fangzähne und fauchte: „Was hast Du da gerade gesagt?“
„Tifan hatte einen Sohn, und vielleicht gibt es weitere Nachfahren. Wenn Du Dich also unbedingt rächen willst, warum machst Du sie nicht ausfindig und hältst Du Dich an die?“
Dimitri zögerte. „Nachfahren? Menschen also? Wie kann das möglich sein? Tifan war ein Vampir, und Vampire zeugen keinen Nachwuchs!“
Der alte Vampir lächelte nachsichtig. „Er wurde doch nicht als Vampir geboren, genausowenig wie Du oder ich! Als Mensch war er verheiratet und hatte zumindest einen Sohn. Das weiß ich ziemlich sicher, denn ich war dabei, als er verwandelt wurde, und er flehte herzzerreißend um Gnade, weil er Familie hätte. Wie wäre es also, wenn Du nach ihr suchst? Wie ich schon sagte - womöglich gibt es noch heute Nachkommen?“
Von neuer Hoffnung erfüllt, hatte Dimitri sich ans Werk gemacht. Monatelang sammelte er Informationen, reiste durch die Welt und suchte nach Spuren von Tifans Familie.
Und dann endlich, hatte er gefunden, wonach er suchte. Der alte Vampir hatte nicht gelogen – Tifan hatte tatsächlich einen einzigen Sohn gehabt, und als Dimitri dessen Stammbaum weiter verfolgte, gelangte er schließlich zu dem jungen Mann, der hier allein in dem kleinen Haus lebte.
Zwar gab es noch andere Nachfahren, doch Dimitri hatte sie alle in Augenschein genommen und sich für ihn entschieden, weil er Tifan sehr ähnlich war.
Er hatte das gleiche schmal geschnittene Gesicht mit den hohen Wangenknochen, eingerahmt von denselben blonden, leicht gewellten Haaren, die er schulterlang trug und im Nacken zusammenfasste. Auch seine Statur glich Tifan, er war mittelgroß wie sein Vorfahre, von feingliedrigem und doch männlichem Körperbau. Der einzige Unterschied im Äußeren, den Dimitri ausmachen konnte, waren die Augen. Tifans Augen waren von einem hellen Blau gewesen, die seines Nachkommen dagegen dunkel, fast schwarz, was einen reizvollen Kontrast zu den hellblonden Haaren bildete.
Überhaupt war dieser junge Mann von großer Anziehungskraft für Dimitri, doch er hatte nicht vor, sich davon beeinflussen zu lassen. Sein Plan war, ihn zu einem Vampir zu machen, ihn auszubilden und ihn dann dem Tageslicht auszusetzen, damit er bei vollem Bewusstsein verbrannte.
Dafür hatte er sogar schon den perfekten Ort gefunden und für seine Bedürfnisse hergerichtet: Ein altes, halb verfallenes Herrenhaus am Rande der Everglades in Florida hatte es ihm angetan, und er erwog, nach Vollzug seiner Vendetta dort dauerhaft Quartier zu nehmen. Es war so abgelegen, dass er bei Tag sicher ungestört bleiben würde, und doch nah genug an der nächsten Ortschaft, dass er bequem Nahrung fand.
Aber zuerst galt es, den richtigen Zeitpunkt abzupassen, um sein Opfer zu entführen, und nachdem er alles in Erfahrung gebracht hatte, was es über den jungen Mann zu wissen gab, hatte er für sich entschieden, dass heute die alles entscheidende Nacht sein sollte. Geduldig wartete er, bis weit nach Mitternacht das letzte Licht im Haus erlosch. Zur Sicherheit verharrte er noch einmal eine halbe Stunde und schlich erst dann lautlos hinüber zur Haustür.
Dort angekommen verharrte er, schloss die Augen und schickte seine übrigen Sinne aus. Seine Nasenflügel bebten, als ihm der verführerische Duft des jungen Mannes kaum merklich entgegenstrich, seine Ohren vernahmen den langsamen Herzschlag im Inneren den Hauses und die tiefen Atemzüge, die ihm beide zusammen verrieten, dass sein Opfer fest schlief.
Noch ein letztes Mal sah er sich um, dann packte er den Griff der Haustür, und mit einem kräftigen Ruck hatte er das Schloss zerbrochen.
Er trat ein und lauschte erneut. Nichts hatte sich verändert, der Schläfer hatte nichts von seinem Eindringen bemerkt.
Ohne sich länger aufzuhalten, durchschritt er den kleinen Flur, stieg die Treppe hinauf und ließ sich dort von seiner Nase leiten. Gleich darauf stand er in einem schmalen Schlafzimmer und blickte auf den Mann hinunter, der dort im Bett lag.
Es war dunkel, doch für Dimitri spielte das keine Rolle, er war ein Geschöpf der Nacht und konnte daher alles genauso gut erkennen, als wäre es heller Tag.
Friedlich und nichtsahnend lag er vor ihm, Sergej Kujenko, und jetzt, mit geschlossenen Augen war die Ähnlichkeit mit seinem verräterischen Urahn so groß, dass Dimitri kaum an sich halten konnte.
Ein Knurren stieg in seiner Kehle auf, und er beherrschte sich nur mühsam. Als er jedoch sicher war, dass er sich in der Gewalt hatte, sah er keinen Grund, länger zu warten. Er machte einen Schritt auf die Seite des Bettes, ging auf die Knie und packte zu. Mit einer Hand fasste er in Sergejs schulterlanges, blondes Haar und bog den Kopf zurück, und mit der anderen drückte er ihn mit der Schulter auf das Bett hernieder. Noch bevor der Schläfer richtig wach war, hatte der Vampir bereits zugebissen.
Der Kampf dauerte nicht lange. Dimitri trank zügig und viel, und durch den Blutverlust verlor Sergej rasch das Bewusstsein. Als es soweit war, leckte der Vampir einmal kurz über die Bisswunden, damit sie sich schlossen, stand auf, zerrte den schlaffen Körper in die Höhe und warf ihn sich über die Schulter. Ohne noch eine einzige Sekunde zu zögern, dematerialisierte er sich mitsamt seinem Opfer und stand augenblicklich im Keller des alten Herrenhauses, dort, wo er bereits vor einiger Zeit eine bequeme Gruft für sich und einen Käfig für seinen Gefangenen vorbereitet hatte. Es gab auch ein Zimmer für die Zeit nach Sergejs Verwandlung, aber vorläufig war er im Käfig besser aufgehoben.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Sergej gerade noch lebte, schleppte er ihn mühelos durch die Gittertür des Käfigs und ließ ihn unsanft auf die Pritsche fallen, die dort stand.
Abgesehen davon bot die Zelle keinerlei Annehmlichkeiten, dafür aber eine an der Wand befestigte Kette mit einer Fußschelle, die er seinem Gefangenen nun anlegte. Nachdem sie eingerastet war, prüfte er erneut den Puls seines Opfers, nickte grimmig und biss sich dann selbst ins Handgelenk. Anschließend presste er die Wunde auf Sergejs Mund und ließ eine kleine Menge seines Blutes hineinlaufen.
Um ihn dazu zu bringen, zu schlucken, strich er ihm über die Kehle und klopfte ihm dann kräftig auf beide Wangen, sodass er halbwegs das Bewusstsein wiedererlangte. Allerdings verschluckte er sich dabei und sprühte beim Husten einen roten Nebel auf Dimitris Gesicht und Oberkörper.
Erbost darüber versetzte dieser seinem Gefangenen eine kräftige Ohrfeige, und daraufhin öffnete Sergej zum ersten Mal die Augen. Entsetzt, verstört und desorientiert sah er um sich, bekam aber sofort noch einmal das blutige Handgelenk an die Lippen gesetzt.
Reflexartig wehrte er sich, doch Dimitri bleckte die Zähne und fauchte: „Trink gefälligst!“ in derart drohendem Ton, dass der junge Mann automatisch gehorchte und mit schlürfenden Geräuschen schluckte, was ihm in den Mund floss. Dabei verzog er allerdings das Gesicht vor Ekel.
Dimitri kümmerte das nicht. Als er der Meinung war, es sei genug, zog er die Hand weg und ließ Sergej mit rot verfärbten Lippen wieder auf die Pritsche zurückfallen.
Vom Blutverlust war der noch immer so geschwächt, dass er nur noch einmal kurz die Augen verdrehte und wieder zurück in die Bewusstlosigkeit glitt.
Ihn betrachtend leckte Dimitri über die Wunde an seinem Handgelenk, damit sie sich schloss und ging dann nach nebenan, wo er Waschgelegenheit und saubere Kleidung hatte.
Er hasste es, dreckig zu sein und selbst, wenn er eine Jagd und die sich daran anschließende Mahlzeit noch so sehr genoss, bereitete es ihm Unbehagen, wenn er verschwitzt und klebrig daraus hervorging.
Nachdem er sich gereinigt und umgezogen hatte, schickte er seine Sinne aus und spürte, dass die Sonne draußen tief stand. Diese Nacht bräuchte er nicht mehr auf die Jagd zu gehen, Sergejs Blut hatte ihn bereits gesättigt, trotzdem erwog er für einen Moment, die Umgebung zu erkunden, sobald es vollends dunkel geworden war. Aber eigentlich wollte er gar nicht gehen. Er war seinem Ziel einen großen Schritt näher gekommen, Sergej, Tifans Nachfahre, war in seiner Gewalt und hatte bereits die Vampirtaufe erhalten!
Die Verwandlung würde bereits in den nächsten Stunden beginnen, und er wusste aus eigener Erfahrung, dass sie mehr als schmerzhaft, ja geradezu qualvoll sein würde. Das wollte er sich auf keinen Fall entgehen lassen!
Also wählte er aus seinem reichhaltigen Fundus ein Buch und machte es sich im Sessel neben einer Stehlampe bequem. Die Tür zu dem Raum mit dem Käfig ließ er offen, damit ihm nicht entging, wenn die Show anfing.


Sergej hatte im Tiefschlaf gelegen, als ihn die Faust des Eindringlings so grob gepackt hatte. Er hatte kaum verstanden, wie ihm geschah, als sich auch schon ein paar nadelspitze Zähne in seinen Hals bohrten.
Der Schmerz war schier unerträglich, während ihm das Blut gierig aus dem Körper gesogen wurde, und er spürte rasch, wie ihn heftiger Schwindel erfasste. Die Kraft wich aus seinen Gliedern, bis er schließlich schlaff zusammensackte und ins finstere Vergessen driftete. Er fühlte einen Sog, als würde er buchstäblich aus seinem Körper gezogen, widerstand nur mit Mühe und war sich vage bewusst, dass er praktisch am Rande des Todes schwebte.
Wie hatte das so plötzlich geschehen können? Wer war dieser Mann? Warum tat er das?
Doch die Fragen zerflatterten wie welkes Laub im Sturm, und er ergab sich endgültig der Bewusstlosigkeit.
Ihm fehlte jegliches Gefühl dafür, wie lange er sich in diesem Zustand befunden hatte, als ein brutaler Schlag ins Gesicht ihn daraus hervorholte. Ruckartig riss er die Augen auf und bekam sofort etwas Festes auf die Lippen gepresst. In seinem Mund war ein kupfriger Geschmack, den er augenblicklich mit Blut assoziierte. Er wollte sich schon wehren, doch da ertönte ein Knurren, dem Fauchen eines Raubtiers ähnlicher als einer menschlichen Stimme: „Trink´ gefälligst!“ und die Drohung die darin lag, war unverkennbar.
Also tat er wie geheißen und schluckte rasch die zähe, metallisch schmeckende Flüssigkeit, die über seine Zunge rann. Dabei riskierte er einen Blick nach oben, von wo die Stimme gekommen war und sah – etwas verschwommen – eine große, breitschultrige Gestalt über sich aufragen. Das Gesicht konnte er nicht deutlich sehen, doch er erahnte schulterlange, schwarze Haare und scharf geschnittene Züge. Ein paar dunkle Augen sahen grimmig auf ihn hinab, und er fragte sich, ob er diesen Mann von irgendwoher kannte.
Doch noch bevor er den Gedanken zu Ende denken konnte, beschloss sein Kidnapper offenbar, dass er genug getrunken hatte. Er ließ ihn los und Sergej fiel zurück auf sein Lager wie ein nasser Sack, unfähig noch länger wach zu bleiben. Seine Lider klappten zu und er driftete wieder davon.


Als er das nächste Mal aufwachte, war ihm furchtbar heiß. Noch immer fühlte er sich schwach und elend, aber gleichzeitig kribbelig und überdreht. Sein Herz jagte, und an seinem Körper rannen wahre Sturzbäche an Schweiß herab. Er wollte sich aufsetzen, hörte ein Klirren und registrierte im gleichen Moment etwas an seinem linken Fuß. Ungläubig schaute er hin und erkannte eine schwere Kette, die in einer Metallplatte endete, welche wiederum mit vier massiven Schrauben an der steinernen Wand über dem Fußende der Pritsche befestigt war. Ein breiter Ring, ebenfalls aus massivem Metall lag eng um seinen Knöchel und war mit einem dicken Vorhängeschloss an der Kette befestigt.
Was sollte das? Warum war er mit Fesseln bestückt, als hätte er Bärenkräfte, obwohl er doch ganz offensichtlich gerade so schwach war, wie ein kleines Kätzchen?
Außerdem bestand der Käfig, in dem er eingesperrt war aus dicken Eisenstäben, mit gerade mal einer Handbreit Abstand zwischen den Stangen und war mit einem genauso dicken Schloss gesichert.
Schwer atmend ließ er den Blick weiterwandern und sah, dass die Tür die dahinter in den nächsten Raum führte offenstand. Dort war ein weiterer Raum zu sehen, anscheinend weitaus behaglicher eingerichtet, und genau gegenüber der Tür stand ein bequemer Ohrensessel, worin im Schein einer Stehlampe sein Entführer saß und las, als wäre nichts geschehen.
Die Hitze in Sergejs Körper wurde immer unerträglicher, fast fühlte es sich an, als pulsierte flüssiges Metall durch seine Adern anstelle von Blut, und er konnte ein schmerzhaftes Stöhnen nicht mehr unterdrücken.
„Oh Gott!“ kam es von seinen Lippen, während er sich krümmte und gleichzeitig an seinen Kleidern zerrte, die sich plötzlich anfühlten, als trüge er einen beengenden Panzer.
„Nach ihm brauchst Du nicht zu rufen. Selbst wenn es ihn gäbe, hier würde er Dich nicht hören!“ ertönte da eine tiefe Stimme ganz in der Nähe.
Sergej hob den Kopf und sah, dass der schwarzhaarige Mann völlig lautlos bis dicht vor den Käfig getreten war. Seine Augen waren ebenso dunkel wie seine Haare, und nun richtete er sie mit einem seltsam erwartungsvollen Ausdruck direkt auf seinen Gefangenen.
„Wer bist Du?“ keuchte Sergej mühsam, dem das Atmen immer schwerer fiel, doch noch bevor er eine Antwort bekam, jagten mit einem Schlag so heftige Schmerzen durch seinen Körper, dass es ihn in die Höhe riss. Im nächsten Moment schlug er hart auf den Steinboden, denn die Kraft ihn zu tragen war seinen Beinen längst abhanden gekommen. Den Aufprall spürte er allerdings kaum, denn die Schmerzen pulsierten in derart grauenvollen Wellen durch sämtliche Nerven seines Leibes, dass er sich in Krämpfen wand und dabei brüllte wie am Spieß. Nach einer Welle ebbten sie etwas ab, und er lag schluchzend auf dem Boden, roch seinen eigenen sauren Schweiß und sog gierig die abgestandene Luft seines Verlieses ein.
Ein leises Lachen drang an seine Ohren, und er drehte vorsichtig den Kopf.
Der Dunkelhaarige war in die Hocke gegangen und streckte eine Hand durch die Gitterstäbe. Damit packte er Sergej in den Haaren und zerrte seinen Kopf vollends herum.
„Wer ich bin willst Du wissen? Gut, dass Du fragst! Mein Name ist Dimitri Kostjatov. Ich weiß, diesen Namen hast Du noch nie in Deinem Leben gehört, aber trotzdem bist Du kein Fremder für mich!“ Er lächelte ein freudloses Lächeln, das die Augen nicht erreichte, und plötzlich blitzten seine Eckzähne gefährlich spitz im trüben Licht des Raumes.
„Du fragst Dich sicher, wo Du bist, warum Du hier bist und Ähnliches, aber fürs Erste musst Du nur wissen, dass noch heute Nacht Dein menschliches Leben zu Ende geht! Mein Blut fließt durch Deine Adern, und bald wirst Du das sein, was ich auch bin – ein Vampir!“ sagte er, bevor er die Hand zurückzog und sein Opfer weiter beobachtete, als wäre er neugierig auf die Reaktion angesichts einer solchen Ankündigung.
Und die klang so abenteuerlich, dass sie den roten Schmerznebel, welcher sich um Sergejs Bewusstsein gelegt hatte durchdrang.
Ein Vampir? Und er sollte sich ebenfalls in Einen verwandeln?
Das schien ihm unglaublich, doch dann fiel ihm wieder ein, was in seinem Haus passiert war, und er durchlebte noch einmal den alptraumhaften Moment, als sich scharfe Zähne in seinen Hals gruben. Also stimmte es doch, was der dunkle Fremde sagte? Aber er kam nicht dazu weiter über diese Fragen nachzugrübeln.
Für die Dauer seines Flashbacks waren die Schmerzen fast gänzlich verschwunden gewesen, doch kaum wurde er sich dessen bewusst, kehrten sie mit doppelter Heftigkeit zurück und versiegelten die Worte die ihm auf der Zunge gelegen hatten: „Warum ich?“
In den folgenden vierundzwanzig Stunden durchlitt Sergej seine ganz persönliche Hölle. Immer wieder verlor er gnädigerweise das Bewusstsein, doch nie für lange und jedesmal, wenn sein erschöpfter, tränenverschleierter Blick während einer der immer kürzer werdenden Atempausen in Richtung der Tür wanderte, sah er Dimitri dort stehen, den Blick fest auf ihn geheftet, als wären seine Schmerzen und seine Qual ein köstlicher Nektar, von dem er sich keinen einzigen Tropfen entgehen lassen durfte.
Er verlor jegliches Zeitgefühl, spürte aber, dass sein Körper diese Tortur nicht mehr lange ertragen konnte, und schließlich, als sich ohne sein Wissen darum, draußen bereits die nächste Nacht herabsenkte, fing sein Herzschlag an unregelmäßig zu werden. Er krampfte die Hände um seinen Hals, schluckte krampfhaft gegen den gewaltigen Kloß an, den er dort fühlte, Augen und Mund weit aufgerissen.
Dimitri hatte seinen Beobachterposten nicht verlassen, jetzt kam er näher, legte die Hände um die Gitterstäbe und wandte den Blick nicht mehr ab. Er schien den mitleiderregenden Anblick, den seine Geisel ihm bot regelrecht aufzusaugen.
Sergej befiel ein heftiges Zittern, jeder einzelne Herzschlag durchrollte seinen Körper wie eine Schockwelle, in einer hilfesuchenden Geste hob er eine Hand und streckte sie Dimitri entgegen, der ihn jedoch nur kalt musterte, und dann plötzlich war es vorbei.
Ein letztes Keuchen entrang sich seiner Kehle, die Hand sank schlaff herab, und die Haut des jungen Mannes nahm eine fahle Tönung an. Sein Kopf sank vornüber, er rührte sich nicht mehr. Die Qual hatte endlich ein Ende – er war tot ... ?


Dimitri blieb noch eine Weile reglos stehen und betrachtete den leblosen Körper in der Zelle. Das blasse Gesicht des jungen Mannes glänzte noch feucht von seinem letzten Schweiß, die blonden Haare klebten in dunkleren Strähnen in seinem Nacken. Das Vorderteil des Pyjamas war mit getrockneten Blutflecken überzogen, und die Fersen der nackten Füße glänzten wund, weil er in seinen schmerzerfüllten Krämpfen damit immer wieder über den rauhen Steinboden geschabt war.
Schließlich öffnete der Vampir das Schloss an der Gittertür und kniete sich vor sein Opfer. Mit einer Hand fasste er in das schulterlange Haar des Toten und kippte den Kopf nach hinten, um das Gesicht ansehen zu können.
Lange betrachtete er die vertrauten Züge.
„Warum hast Du uns verraten, Tifan?“ flüsterte er. „Warum hast Du MICH verraten? Du lässt mir keine andere Wahl! Die Asche Deines Nachkommen für meine und die meiner Gefährten! Und ich schwöre Dir, dass Du seinen Feuertod spüren wirst, auch wenn Du schon seit Ewigkeiten in der Hölle schmorst!“
Aus seiner flüsternden Stimme war ein heiseres Zischen der Wut geworden, und trotzdem war da plötzlich ein ganz neues Gefühl, tief in seiner Brust, eine leise Stimme, die jetzt auf einmal Zweifel an der Richtigkeit seines Tuns anmeldete.
Ärgerlich über sich selbst ließ er knurrend Sergejs Kopf los und stand auf. Vermutlich war es der Hunger, der da aus ihm sprach. Er hatte seit dem Überfall auf Sergej nicht mehr getrunken und war entsprechend durstig. Rasch verließ er den Käfig, schloss wieder sorgfältig ab und ging dann in Richtung Kellertreppe.
Nur wenige Minuten später war er draußen im Freien. Es war mild, jedoch nicht so schwül, wie im Sommer.
Dimitri schloss die Augen, und einem Beobachter hätte nur das kaum merkliche Beben der Nasenflügel verraten können, dass all seine Vampirsinne aufs Schärfste gespannt waren.
Er hoffte, irgendwo im Umkreis von zehn Meilen die Spuren von Menschen zu finden, damit er nicht unnötig lang fortbleiben musste.
Sergej würde bald aufwachen, und auch diesen Augenblick gedachte er zu genießen. Er erinnerte sich noch gut an seine eigene Verwirrung und Desorientierung, nachdem er zum ersten Mal als Vampir aufgewacht war, und natürlich an den regelrecht schmerzhaften Hunger, der in seinen Eingeweiden gewühlt hatte.
Im Unterschied zu Sergej hatte er jedoch nicht an der Kette gelegen, sondern sofort losziehen und sich Nahrung beschaffen können.
Seinem Gefangenen wollte er es aber nicht so einfach machen.
Dimitri hatte ihn erschaffen, war damit sein Herr und Meister, und das würde er ihn auch fühlen lassen.
Obwohl er nie sadistisch veranlagt gewesen war, nicht einmal in seinen wilden ersten Jahrzehnten als Nosferatu, brannte tief in ihm der Wunsch, Sergej zu demütigen, ihn zu quälen und ihn auf diese Weise für die Schuld seines Vorfahren bezahlen zu lassen. Das Bild seines männlich schönen Gesichts erstand vor seinem geistigen Auge und vermischte sich mit dem von Tifan.
Unwillig über diese Ablenkung schüttelte er stirnrunzelnd den Kopf und konzentrierte sich. Und tatsächlich, schwach ausgeprägt lag da eindeutig ein menschlicher Geruch in der Luft.
Als wäre dieser Duft eine Art Leine tastete sich sein Geist voran durchs Dunkel der Nacht und erreichte schließlich den Ursprungsort des Geruchs. Ein kleiner Zeltplatz, ein Zelt, darin ein Pärchen. Jung, verliebt und im ersten Tiefschlaf nach heftigem Sex, keine fünf Meilen entfernt.
Dimitri lächelte. Das war genau das Richtige!


Nur eine knappe halbe Stunde später langte er wieder vor dem alten Herrenhaus an. Bevor er es betrat, lauschte er nach unten in den Keller, doch dort rührte sich noch nichts. Zufrieden ging er hinein und stieg die ausgetretenen Stufen wieder hinab, zurück in seine Gruft. Nach einem flüchtigen Blick auf Sergejs Körper, der noch so dalag, wie er ihn zurückgelassen hatte, wusch er sich zunächst Gesicht und Hände und wechselte das Hemd.
Zwar hatte er das Pärchen nicht getötet und ihnen auch jegliche Erinnerung an den Vorfall genommen, aber wenn er trank, ging das nur sehr selten ganz ohne Flecken ab. Menschen wehrten sich nun mal instinktiv, wenn sie gebissen wurden, und obwohl ein Mensch im Zweikampf keinen Gegner für einen Vampir darstellte – zumal einen Jahrhunderte alten – artete es so eben des öfteren in eine Sauerei aus. Den meisten Vampiren machte das nichts aus, und es gab eine Menge unter ihnen, die den Geruch von Blut ebenso sehr schätzten, wie manche Menschen das Aroma eines guten Weins, aber Dimitri gehörte noch nie zu diesen Vertretern seiner Art. Blut war für ihn ein Nahrungsmittel, das einzige, er brauchte es zum Überleben, mehr nicht.
Sterbliche Menschen liefen ja für gewöhnlich auch nicht mit den Spuren der letzten Mahlzeit auf dem Körper herum, und abgesehen davon gehörte es sich einfach nicht, mit Essen zu spielen, basta!
Nachdem er sich erfrischt fühlte, ging er wieder hinüber in den Raum mit dem Käfig und musterte Sergej, ob er schon Anzeichen für dessen baldiges Aufwachen erkennen konnte. Doch es hatte sich noch immer nichts verändert, und so setzte er sich wieder in seinen Sessel, um in dem begonnenen Buch weiter zu lesen.
Dank seines hohen Alters verfiel er bei Tagesanbruch nicht mehr automatisch in den Starrezustand. Normalerweise zog er zwar trotzdem die Bequemlichkeit eines Sarges vor, in dem er ungestört ruhen und Kraft schöpfen konnte, aber es war auch kein Problem für ihn, an einem vom Tageslicht abgeschiedenen Ort wach zu bleiben. Seine Sinne waren allerdings tagsüber stumpfer und seine Reaktionen langsamer.
Hier jedoch hatte er deswegen nichts zu befürchten, zumal Sergej nach dem Aufwachen nicht nur sehr viel jünger und schwächer sein würde, als er, sondern darüber hinaus auch noch sein Sklave.
Dimitris Blut, das er, wenn auch unter Zwang getrunken hatte, fesselte ihn auf Gedeih und Verderb an seinen Meister, und er wäre überhaupt nicht in der Lage, die Hand gegen ihn zu erheben.


Langsam vertickten die Nachtstunden in Dimitris unterirdischer Gruft, und das einzige Geräusch, welches durch die düsteren Räume klang, war das regelmäßige Umblättern der Buchseiten.
Erst als sich draußen der östliche Horizont zart rosa zu färben begann, ertönte plötzlich ein Seufzen aus der Zelle und gleich darauf ein Scharren und Rascheln, als versuche jemand ungelenk auf die Beine zu kommen.
Dimitri klappte sein Buch zu und ging rasch hinüber in den angrenzenden Raum, wo hinter den dicken Gitterstäben Sergej mit verwirrtem Blick schwankend auf unsicheren Beinen stand.
Seinem Gesicht war anzusehen, dass er vollkommen desorientiert war, und als Dimitri hereinkam, trat er langsam ans Gitter und umschloss die Stäbe mit den Händen, während er hilflos ins Gesicht seines Entführers starrte.
Er öffnete den Mund, doch zunächst war es nur ein unverständliches Lallen, was herausdrang. Erst nach mehreren Anläufen war er in der Lage eine deutliche Frage zu formulieren: „Was ist mit mir passiert?“
Dimitri reckte den Kopf in die Höhe und sah auf ihn hinunter. „Das wird Dir früh genug alles wieder einfallen. Du bist jetzt kein Mensch mehr, sondern genauso wie ich.“
Sergejs Blick ging ins Leere, während er krampfhaft nachdachte. Dann schien ihm eine Erleuchtung zu kommen, doch sie gefiel ihm offenbar nicht, seiner Miene nach zu urteilen.
„Ein Vampir?“ hauchte er, und Dimitri nickte. Sergejs Hand zuckte zu seinem Hals, wo die Bisswunde jedoch schon vollständig verheilt war.
„Warum hast Du mich gebissen? Warum wolltest Du, dass ich ein Vampir werde?“ waren die nächsten Fragen, und Dimitri verschränkte die Arme vor der Brust.
„Einer Deiner Vorfahren war ebenfalls ein Vampir. Er wurde vor langer Zeit vernichtet, aber Du siehst ihm ähnlich. Ich wollte, dass auch Du verwandelt wirst.“
Sergejs Gehirn verarbeitete die Informationen noch sehr langsam, er überlegte lange, bevor er erneut eine Frage stellte.
„Du kanntest ihn?“ Dimitri nickte. „Und - war er Dein Freund?“ Dimitri zögerte einen Sekundenbruchteil, bevor er antwortete: „Ja, das war er.“ Damit hatte er nicht gelogen und doch auch nicht die ganze Wahrheit gesagt.
Um weiteren Fragen zuvor zu kommen sagte er: „Du hast mein Blut getrunken, darum bin ich Dein Meister, und Du wirst mir gehorchen. Hast Du Durst?“
Sergej umklammerte die Gitterstäbe und konnte nicht verhindern, dass ein Ausdruck der Gier in seine Augen trat.
„Ja!“ Er nickte heftig, und Dimitri lächelte maliziös.
„Gut. Dabei wird es vorläufig bleiben. Du sollst es schätzen lernen, wenn ich Dir gestatte zu trinken, und darum wirst Du den Durst noch eine Weile ertragen.“
Sein Gefangener sagte nichts darauf, doch sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Verzweiflung, Frustration und Wut mischten sich darin, und Dimitri langte blitzartig durch die Gitter hindurch. Er packte den Blonden am Hinterkopf und knallte dessen Gesicht gegen die Eisenstäbe, dass ihm ein zischender Schmerzlaut entwich.
„Hör mir gut zu, Sergej Kujenko! Du magst jetzt ein Vampir sein, aber denk´ nicht mal im Traum daran, Dich mit mir messen zu wollen!“ sagte er leise und drohend. „Im Vergleich zu mir, bist Du nur ein schwaches Kind und außerdem mein Sklave, denn es war mein Blut, das Dich verwandelt hat! Erhebe nur einen Finger gegen mich, und Du lernst, was Schmerzen sein können! Verstanden?“
Es war besser, die Fronten gleich zu klären, das ersparte hässliche Szenen und unnötig dramatische Erziehungsmaßnahmen, wenn Sergej womöglich zu einem späteren Zeitpunkt versuchte, sich gegen seinen Schöpfers aufzulehnen, unerfahren und nichtsahnend wie er war.
Als Dimitri damals aus dem Todesschlaf aufgewacht war und festgestellt hatte, dass er sich in einen Blutsauger verwandelt hatte, war sein Schöpfer längst über alle Berge gewesen. Nicht alle Vampire kümmerten sich um ihre „Kinder

“. Viele zogen es vor, sie ihrem Schicksal zu überlassen, und so kam es, dass sich immer wieder frisch verwandelte Vampire in der Welt herumtrieben, ihren Trieben und dem Blutdurst ohne Anleitung ausgeliefert, was leider auch sehr häufig dazu führte, dass sie frühzeitig entdeckt und getötet wurden. Sie dachten für gewöhnlich nur an die nächste Mahlzeit und nicht an die eigene Sicherheit.
Dimitri hatte die schwierige Anfangszeit mit viel Glück überlebt und irgendwann für sich allein verstanden, dass es gewisse ungeschriebene Regeln in seiner Welt gab, die ihn zwar einschränkten, jedoch sein Überleben sicherten.
Dazu gehörte unter anderem, dass er seine Opfer für gewöhnlich nicht mehr tötete, sondern nur soviel trank, wie er brauchte, um seinen Hunger zu stillen, und wenn dafür ein Opfer nicht ausreichte, musste er eben ein weiteres auftreiben. Nur gelegentlich hatte er einen Menschen verwandelt, und diese hatten allesamt über Eigenschaften körperlicher oder geistiger Art verfügt, die die entsprechende Person in seinen Augen reizvoll erscheinen ließen.
Und jeden Einzelnen davon hatte er angeleitet und erzogen, damit er die schwierige Anfangszeit gut überstand, bevor er ihn in seinen Zirkel eingliederte - falls er es wünschte.
Am Ende waren es fünf männliche und drei weibliche Vampire gewesen, die er diesem Zirkel zugeführt hatte. Dazu kamen noch Tifan und er selbst, sodass sie zu zehnt waren, und bis auf ihn und Tifan waren sie alle vernichtet worden.
Sergej bleckte in einer raubtierähnlichen Geste die Zähne und knurrte tief in der Kehle, doch gegen Dimitris Stärke kam er nicht an, sodass er endlich „Ja, verstanden!“ hervorpresste.
„Ja, MEISTER!“ korrigierte ihn Dimitri, und widerwillig wiederholte er es. Erst dann ließ Dimitri ihn los, und er machte einen hastigen Sprung rückwärts, weg vom Gitter.
Zufrieden musterte Dimitri seinen Zögling. Das war schneller gegangen, als befürchtet, ein vielversprechender Anfang. Wenn es ihm erst gelungen war, Sergejs Willen zu brechen, würde es ein Kinderspiel sein, ihn in den Status vollkommener Unterwürfigkeit und Ergebenheit zu versetzen. Und wenn der junge Vampir erst soweit war, dass er ihm völlig vertraute, dann war es Zeit, dass Sergej seinen letzten Sonnenaufgang erlebte ...


Nachdem Dimitri den Raum verlassen hatte, stand Sergej noch eine ganze Weile da und starrte ihm nach. Jede Faser seines Körpers schien vor Hunger zu brüllen, und er legte eine Hand in Magenhöhe auf seinen Bauch. Während er darüber rieb, registrierte er, wie fest dieser sich jetzt anfühlte. Neugierig geworden zog er sein Pyjamaoberteil nach oben und berührte die nackte Haut. Ihm wurde bewusst, dass sie sich zwar nicht richtig kalt, aber doch zumindest kühler als gewohnt anfühlte. Probeweise spannte er die Bauchmuskeln an und zog überrascht die Brauen in die Höhe, als sich ein deutliches Sixpack abzeichnete.
So etwas hatte er vorher nicht besessen.
Sein Beruf war nicht dazu angetan, wirkliche körperliche Fitness zu erreichen. Er war ein Bücherdetektiv, der für wohlhabende Klienten, zumeist Sammler, verschollene Bücher aufspürte. Der Job machte ihm Spaß, er kam in der Welt herum, verdiente nicht schlecht und konnte sich dazu noch mit seinem Steckenpferd – jeglicher Art von Büchern – beschäftigen. Zwar las er Bücher lieber, als dass er sie in verschlossenen Vitrinen sehen wollte, aber ihm war bewusst, dass er sich selbst mit seinem Lohn für die Detektivjobs, die allermeisten dieser Bücher, Handschriften und Folianten, die er an den merkwürdigsten Orten aufstöberte, nie im Leben hätte leisten können. Insofern war er froh, dass er Gelegenheit erhielt, solche Raritäten in Händen halten und meistens sogar hineinsehen konnte.
Und dann plötzlich wurde ihm bewusst, dass es damit nun endgültig vorbei war.
Er fuhr mit den Fingern in seinen Mund, auf der Suche nach Beweisen und ritzte sich sofort an den scharfen Eckzähnen. Ein einzelner Blutstropfen quoll hervor, doch der winzige Schnitt schloss sich sofort, ohne eine Narbe zurück zu lassen. Er starrte entsetzt darauf, unfähig zu akzeptieren, dass er sich in eine muskulöse und gefährliche Bestie verwandelt hatte.
Die Wucht der Erkenntnis überkam ihn mit einem Schlag, sodass er taumelte und schwer auf seine Pritsche fiel.
Er war ein Vampir, mit anderen Worten, so ziemlich das gefährlichste Raubtier, das es gab, noch dazu untot - nicht tot, aber weit entfernt vom Leben, wie er es gekannt hatte. Er würde nie wieder die Sonne sehen, war verdammt dazu, von nun an in der Dunkelheit zu existieren. Und vor allem war er Dimitris Sklave! Gebunden durch das Blut, welches der Dunkelhaarige ihn zu trinken gezwungen hatte!
Er vergrub das Gesicht in den zitternden Händen.
Hieß das, dass er von jetzt an zum Mörder werden musste, wenn er weiter existieren wollte?
Das durfte nicht wahr sein! Ein verzweifeltes Schluchzen stieg in seiner Kehle empor, und er krallte die Finger in seine Haare, fiel schließlich auf die Seite und rollte sich auf seinem Lager zusammen, wie ein Kind das tut, wenn es einen bösen Traum gehabt hat.


Im Nebenzimmer vernahm Dimitri den trostlosen Laut, rührte sich jedoch nicht aus seinem Sessel, sondern gab vor, weiter in seinem Buch zu lesen. In Wirklichkeit jedoch ging ihm das Schluchzen unter die Haut, die Angst und die Einsamkeit, die darin lagen ergriffen ihn, sehr zu seinem eigenen Ärger.
Er war wohl doch einfach zu weichherzig? Aber erst als es im Nebenzimmer still war und selbst er mit seinem geschärften Gehör nichts mehr vernehmen konnte, stand er auf und ging hinüber, ohne das mindeste Geräusch zu verursachen. Vor den Gittern blieb er stehen und betrachtete Sergej, der in eine totenähnliche Starre gefallen war und darin verharren würde, bis die Sonne erneut unterging.
Nach der überstandenen Tortur hätte er ein Bad oder zumindest eine gründliche Waschung vertragen können, und Dimitri beschloss, ihm das am Abend nach dem Aufwachen anzubieten. Aber vermutlich wäre es nicht unklug, ihn vorher als Erstes trinken zu lassen, denn frisch verwandelte Vampire besaßen für gewöhnlich keinerlei … Tischmanieren. Vermutlich war sein Pyjama danach endgültig hinüber, aber das war auch nicht weiter schlimm. Er sollte ja ohnehin in Zukunft nicht im Schlafanzug herumlaufen, selbst wenn er nicht lange hier sein würde, also musste er sowieso neu eingekleidet werden.
Schon vor Wochen hatte er sich Zugang zu Sergejs Haus verschafft und dabei unter anderem dessen Konfektionsgröße in Erfahrung gebracht. So hatte er passende Kleidung besorgen und für den großen Tag im Schrank deponieren können.
Plötzlich ertappte er sich dabei, wie er mit den Augen den Linien des blassen, erschöpften Gesichts nachspürte und an den leicht geöffneten Lippen hängenblieb. Ärgerlich schüttelte er den Kopf und ging zurück zu seinem Sessel. Er spürte deutlich, dass der Sonnenaufgang bevorstand und beschloss, nur noch ein paar Seiten zu lesen, bevor er sich schlafen legte. Im Gegensatz zu ihm, konnte Sergej seine Starre während des Tages nicht abschütteln, war taub, blind und gefühllos gegen alles, was um ihn herum geschah und würde auch nicht lange genug existieren, um in dieser Hinsicht eine tiefgreifende Veränderung zu erleben, denn Dimitri war fest entschlossen, sein Vertrauen zu gewinnen, ihn von sich abhängig zu machen und dann sehenden Auges in die totale Vernichtung zu schicken. Oder?
Plötzlich fühlte er Unbehagen bei dem Gedanken an seinen Plan. Das war ihm vorher noch nie passiert. Er hatte über drei Jahre lang nach Tifans Nachkommen gesucht, und als er fündig geworden war, hätte man an seiner Entschlossenheit noch Stahl schmieden können. Warum also war er jetzt nicht glücklich, wo er den ersten und entscheidensten Teil bereits erfolgreich umgesetzt hatte?
Er merkte auf einmal, dass er das Buch zwar aufgeschlagen in den Händen hielt, aber keine einzige Zeile mehr gelesen hatte. Ärgerlich klappte er es zu und stellte es zurück ins Regal. Vermutlich war es besser, sich endlich zur Ruhe zu begeben.
Er war stark, aber er hatte seit zwei Tagen nicht mehr geschlafen, denn auch am Tag unmittelbar vor Sergejs Entführung war er innerlich so aufgewühlt gewesen, dass er nur mehr wie ein wildes Tier in einem Käfig in seiner Gruft herumgelaufen war, während draußen die Sonne am Himmel stand. Nun rächte sich das. Er brauchte Ruhe und zwar dringend. Wenn er erst frisch und ausgeruht war, würden auch diese seltsamen Empfindungen verschwunden sein, dessen war er sicher.


Das Aufwachen ging für Sergej nicht schmerzlos vonstatten. Ein heißer Druck pulste durch seinen noch bewegungsunfähigen Körper und schien ihm das Hirn durch die Schädeldecke und das Herz aus der Brust pressen zu wollen, was ihn schließlich mit einem erstickten Laut in die Höhe fahren und die Finger in den Stoff des Pyjamaoberteils krallen ließ.
Einen winzigen Moment lang war er desorientiert, dann fiel ihm alles wieder ein, und er sah hinüber zur Tür. Sie war geschlossen, und er hatte keine Ahnung, ob sein Kidnapper noch da war.
Genau genommen wusste er nichts, weder wie spät es war, noch wo er sich überhaupt befand. War er weit fort von zuhause oder nicht? Lag das Haus, in dessen Keller er sich offenbar befand, in einer Stadt, einem Dorf oder womöglich irgendwo ganz einsam und abgelegen?
Er hatte keine Antworten auf diese Fragen, doch plötzlich spürte er deutlich, dass draußen die Sonne untergegangen war. Der Himmel war noch schwach rotgolden überhaucht, aber nicht mehr für lange.
Er konnte nicht sagen, wieso er das wusste, aber er war sicher, dass es so war. Und noch etwas drang in sein Bewusstsein: Wenn er sich darauf konzentrierte, konnte er sämtliche Geräusche hören, die in und um das Haus aufklangen. Er hörte Zikaden, Frösche, das Rascheln kleiner Tiere und das Plätschern von Wasser. Das sprach dann wohl zumindest gegen die Stadt. Außerdem hörte er das Huschen von kleinen Füßen - Mäuse! - dachte er sofort, das kaum wahrnehmbare Knistern und Knacken des alten Hauses und all die anderen winzigen Klänge, die immer da waren, aber von sterblichen Ohren nicht wahrgenommen werden konnten.
Fasziniert von seiner neuen Fähigkeit vergaß er einen Augenblick lang den nagenden Hunger, doch nur Momente später brachte er sich schmerzhaft in Erinnerung und riss ihn aus seiner Erkundung der Umgebung, zurück in sein trostloses Gefängnis.
Er krümmte sich zusammen und unterdrückte einen Schmerzlaut, als plötzlich die Tür zum Nebenzimmer geöffnet wurde und Dimitri eintrat.
„Ich sehe, Du bist wach.“ stellte er fest, ohne eine Miene zu verziehen. „Das ist gut. Ich werde Dich jetzt rauslassen und dafür sorgen, dass Du trinken kannst. Aber damit das klar ist – Du hältst Dich an meine Anweisungen, verstanden? An ALLE meine Anweisungen!“
Sergej nickte, doch Dimitris Miene verschloss sich. „Ich kann nichts hören.“ sagte er.
Einen kurzen Moment lang erwiderte Sergej seinen Blick aufmüpfig, doch dann sah er zu Boden.
Sein Hunger war einfach zu groß, obwohl er sich dafür verachtete, dass er so schnell klein beigab. „Ja, Meister.“ sagte er. „Ich habe verstanden.“
Dimitri ließ bewusst noch einen Augenblick verstreichen, bevor er die Gittertür öffnete und Sergejs Fußfessel löste. Dann trat er wieder hinaus und bedeutete seinem Gefangenen, ihm zu folgen.
Kurz darauf waren sie draußen vor dem alten Herrenhaus und Sergej sah sich staunend um. Es war Nacht, doch im ersten Moment hielt er es für hellen Tag, denn seine Sicht war nicht im Mindesten behindert.
„So muss eine Katze sehen!“ schoss es ihm durch den Kopf, denn als er sich umschaute, konnte er selbst in den dunkelsten Schatten noch jede Einzelheit wahrnehmen.
„Wie Du sicher merkst, hat sich einiges für Dich geändert.“ hörte er Dimitri sagen, der neben ihm stand und ihn beobachtete.
„Konzentrier´ Dich auf alle Deine Sinne. Nicht nur auf das Sehen. Mach´ die Augen zu und horche. Sag´ mir, was Du hörst.“
Sergej gehorchte, schloss die Augen und lauschte. Er vernahm nun all die Geräusche, die er schon aus seiner Zelle heraus wahrgenommen hatte, nur sehr viel deutlicher. Aber hier mischte sich eine weitere Ebene hinein. Er runzelte die Brauen und konzentrierte sich auf den leisen, aber immer deutlicher werdenden Klangteppich. Dieser bestand aus pochenden und tickenden Lauten, manche davon schnell und hektisch, wie eine kleine Uhr, andere langsamer und dunkler, und wieder andere urtümlich und machtvoll, geradezu gravitätisch anmutend im Vergleich.
Was war das? Er lauschte weiter, und plötzlich riss er die Augen auf, als ihm die Antwort zufiel wie eine Selbstverständlichkeit: Es war nichts weiter, als die Herztöne sämtlicher Lebewesen in der Umgebung.
Überrascht sah er zu Dimitri. Der erwiderte seinen Blick und nickte. „Ich sehe, Du hast es herausgefunden. Gut. Und nun zur nächsten Lektion. Kannst Du mir sagen, ob Menschen in der Nähe sind?“
Verwirrt starrte Sergej ihn an. Woher sollte er das wissen? Er hatte keine Ahnung, ob einer oder mehrere der erlauschten Herztöne menschlich waren. Sein Meister sah ihm an, was er dachte und sagte: „Du hast noch mehr Sinne außer Hören und Sehen. Mach´ die Augen wieder zu und wittere. Du bist jetzt ein Beutejäger, also verhalte Dich wie Einer.“
Sergej war bei dem Wort „Beutejäger“ zusammengezuckt, doch nach einem Moment des Zögerns schloss er erneut die Augen und hob die Nase in die sanfte, nächtliche Brise. Tief sog er die Luft ein, roch den nahen Sumpf, abgestandenes Wasser und von der Sonne erhitztes Gras. Irgendwo lag ein totes Tier, und das Gemäuer des alten Hauses steuerte ebenfalls sein ganz eigenes Aroma bei. Lange stand er so da und sog prüfend die Luft durch die Nase, doch er nahm nichts wahr, was er auch nur im Entferntesten für menschlich halten würde.
Woher sollte er auch wissen, wonach er hier suchte? Bis vor kurzem war er selbst noch ein normaler Mensch gewesen und hätte im Traum nicht daran gedacht, andere durch ihren Geruch ausfindig zu machen!
Er wollte schon die Augen öffnen und sagen, dass es keinen Zweck hatte, als ihm plötzlich etwas in die Nase stieg, was sich von allem unterschied, das er jemals gerochen hatte.
Es war schwach, nur der Hauch einer Ahnung des köstlichsten Geruchs, den er sich vorstellen konnte.
Augenblicklich reagierte sein Körper, und er fühlte, wie ihm der Speichel fast aus dem Mund zu laufen drohte vor Gier. Ein hungriges Knurren stieg in seiner Kehle auf, und er machte einen Schritt in die Richtung, aus der der Duft zu ihm getragen wurde.
Weiter kam er allerdings nicht, denn sofort hatte Dimitri, der mit dieser Reaktion gerechnet hatte, seinen Arm in einem marmorharten Griff umklammert und hielt ihn zurück.
„Hiergeblieben!“ sagte er kalt, und Sergej drehte mit einem wütenden Fauchen den Kopf. Wie konnte er es wagen, ihn zurück zu halten? Er hatte Hunger, so sehr, dass er fast verrückt wurde, und dieser Duft verhieß Nahrung – Blut! Er musste dort hin, musste trinken, unbedingt … !
Ein scharfer Schmerz in seiner Brust ließ ihn aufstöhnen und seinen Kopf schlagartig wieder klar werden.
Was hatte er da eben gedacht? War er wirklich so versessen darauf gewesen, das Blut eines Menschen zu trinken, dass er alles getan hätte, um seines Opfers habhaft zu werden?
Dass ihm das Überleben seiner Nahrungsquelle absolut gleichgültig gewesen war?
Entsetzt über sich selbst sank er zu Boden.
„Ich habe es Dir drinnen schon gesagt – Du wirst Dich an meine Regeln halten und tun, was ich Dir sage!“
Sergej sah nicht auf, und Dimitri sprach weiter: „Schön, Du hast also ein geeignetes Opfer gefunden. Ich wusste auch, dass es da ist, trotzdem ist es gut, dass Deine Sinne jetzt schon so ausgeprägt sind. Aber das heißt nicht, dass Du einfach drauflos stürmen und ein Blutbad anrichten kannst! Du musst vorsichtig sein. Es gibt immer noch Vampirjäger da draußen in der Welt, und manchmal stellen sie unsereinem raffinierte Fallen. Wenn Du dich einem Opfer näherst, weißt Du nie, ob es kein Köder ist und nicht irgendwo in der Nähe ein Jäger mit einem spitzen Pflock wartet, um Dich zu pfählen! Außerdem erregt es viel zuviel Aufsehen, wenn Du Deinen Trieben einfach nachgibst und Menschen völlig aussaugst. Das fällt auf und bringt nicht nur Dich in Gefahr, sondern auch alle anderen Vampire, einfach durch die Aufmerksamkeit, die Du erregst! Wir begeben uns jetzt zu dem Menschen, den Du gefunden hast. Es ist ein Mann, jung und gesund. Er campiert allein nicht allzu weit von hier. Da Du noch unerfahren bist, werden wir laufen. Also steh´ vom Boden auf und komm`!“
Er machte eine ungeduldige Geste und Sergej stemmte sich hoch.
Nachdem er den Duft nun einmal wahrgenommen hatte und wusste, wofür er stand, gierte er mit jeder Faser seines Körpers danach, so schnell wie möglich an den Ursprungsort des Aromas zu gelangen.
Gleichzeitig war er fassungslos über sich selbst und seine tierische Begierde, fühlte sich in einem gewaltigen Zwiespalt hin und her gerissen – zwischen seinem Hunger auf der einen Seite und seinen Skrupeln auf der anderen.
Dieser Hunger, den er verspürte, war nicht zu vergleichen mit dem Hungergefühl, welches er aus seinen sterblichen Zeiten kannte, und das lag nicht nur daran, dass zu seinen Lebzeiten in der Regel der Kühlschrank oder zur Not auch eine Gaststätte stets leicht zu erreichen gewesen waren. Anfangs waren die Empfindungen durchaus vergleichbar gewesen, doch inzwischen hatte das, was er in Ermangelung eines besseren Wortes weiterhin „Hunger

“ nannte, eine weitaus gewaltigere Dimension angenommen.
Was er jetzt fühlte, war ein schmerzhaftes Ziehen, nicht nur in seinen Eingeweiden, sondern in seinem gesamten Körper, ausgehend von seinem Herzen, gerade so, als wären seine Adern Kraftstoffleitungen und sein Herzmuskel eine Art Motor und die Zuleitungen allesamt völlig leer. Der Motor schrie nach Kraftstoff, doch die Reserven waren erschöpft, und alles was er noch zustande brachte, war ein qualvolles Pumpen und Saugen, auf der Jagd nach den letzten Tropfen des kostbaren Stoffes.
Und das, obwohl er sich völlig darüber im Klaren darüber war, dass sein Herz nicht mehr schlug!
Doch jetzt über all das nach zu grübeln war schlichtweg unmöglich. Je näher sie der Quelle des Duftes kamen, desto schwerer fiel es ihm, nicht in Laufschritt zu verfallen und als sie beide auf Dimitris Geheiß stehenblieben, bebte er am ganzen Leib, wie ein Rennpferd vor dem Start.
Der Geruch füllte mittlerweile sein gesamtes Bewusstsein, vernebelte sein Denken, und er verdrehte genießerisch die Augen, als er ihn tief einsog. Gleichzeitig spürte er, wie seine Fangzähne noch länger wurden. Er sehnte sich danach, sie in weiches, warmes Fleisch zu schlagen und das austretende Blut aufzulecken wie eine Süßigkeit.
Dimitris Stimme holte ihn zurück in die Wirklichkeit.
„Da vorn ist es, siehst Du?“ Er flüsterte und deutete voraus, wo in ein paar Metern Entfernung in unmittelbarer Nähe zum Wasser, eine grasbewachsene Fläche von vielleicht fünf Metern Durchmesser lag, auf welcher ein Zelt aufgebaut war und die Reste eines kleinen Lagerfeuers träge vor sich hin qualmten.
Instinktiv schickte Sergej seine Sinne aus und erspürte die Präsenz eines einzelnen Mannes, jung und kräftig, genau wie Dimitri gesagt hatte.
Ungeduldig sah er zu seinem Meister auf, doch der schien abgelenkt. Mit gerunzelter Stirn schaute er in die Umgebung, als wäre er auf der Suche nach etwas, wurde aber offenbar nicht fündig.
„Meister?“ fragte Sergej zähneknirschend, denn er hielt es kaum noch aus. Dimitri beendete daraufhin seine Musterung des umliegenden Geländes und wandte Sergej wieder seine volle Aufmerksamkeit zu.
„Wir gehen jetzt in das Zelt – leise! Du wirst zusehen, wie ich es mache, und dann darfst Du auch trinken. Ich erwarte nicht, dass Du Dich selbst im Griff hast, aber wenn ich Dir befehle aufzuhören, dann tust Du besser, was ich sage!“ meinte er eindringlich, und sein Schüler nickte hastig. Er hatte kaum gehört, was Dimitri sagte, das Einzige woran er denken konnte, war das Blut des Mannes, der dort keine zehn Meter entfernt, hinter der dünnen Zeltwand lag und ahnungslos schlief. Sein Herzschlag lockte ihn geradezu unwiderstehlich.
Der schwarzhaarige Vampir ging geräuschlos hinüber, und Sergej folgte ihm. Kaum waren sie am Zelt angelangt, sah sich Dimitri kurz um, bückte sich und öffnete den Reißverschluss des Eingangs. Wie ein nächtlicher Schatten schlüpfte er hinein, und der Blonde tat es ihm nach. Es war eng in dem Ein-Mann-Zelt, aber das war kein Problem, schließlich würden sie nicht lange bleiben.
Der Camper lag in einem dünnen Schlafsack vor ihnen, den er bis knapp über der Hüfte geöffnet hatte. Darunter war ein weißes Shirt zu sehen. Er lag auf dem Rücken und hatte einen Arm halb über sein Gesicht gelegt, verwuschelte braune Haare und ein leichter Drei-Tage-Bart rahmten die männlich-markanten Züge ein.
Sergej konnte sich kaum noch zurückhalten, doch Dimitri machte den Anfang, genau wie er gesagt hatte.
Er beugte sich hinunter, schwang ein Knie über den Camper und warf Sergej einen letzten Seitenblick zu. Dann ging es blitzschnell: Mit einer Hand packte er den Arm, der über dem Gesicht lag, mit der anderen das Kinn des Schlafenden. Noch bevor der richtig wach war, hatte er bereits seine Zähne im Hals des jungen Mannes vergraben und machte die ersten, tiefen Züge. Doch kaum hatte er ein paar Schlucke getrunken, löste er die Lippen von der weichen Haut der Halsbeuge, leckte noch einmal über die kleinen Wunden, die sich sofort schlossen und sah Sergej mit blutverschmierten Lippen an.
„Hast Du gesehen, wie ich es gemacht habe?“
Der Angesprochene nickte automatisch, sagte aber nichts. Viel zu groß war die Gier nach dem Blut, dessen metallischer Geruch sich regelrecht in seine Nase zu bohren schien und ihn folterte. Unfähig den Blick von der pochenden Halsschlagader ihres Opfers abzuwenden, beugte er sich näher. Der junge Mann wehrte sich zwar heftig, doch seine Bemühungen perlten an Dimitri ab, wie Wassertropfen von einer Glasscheibe.
Mit bebenden Nasenflügeln, zitternd vor Verlangen, und jeden Augenblick darauf gefasst, von Dimitri zurückgepfiffen zu werden, beugte er sich vor. Doch sein Meister hielt ihn nicht zurück, und so berührten im nächsten Moment seine Lippen den Hals des Mannes. Sergej realisierte, dass Dimitri ihn tatsächlich gewähren ließ und bohrte deshalb seine Fangzähne hinein. Köstliches, warmes Blut spritzte ihm in den Mund, netzte ihm Zunge und Gaumen und rann zähflüssig seine Kehle hinunter.
Es war die pure Ekstase!
Alles um ihn herum versank angesichts dieses Rauschzustandes, es gab nur noch ihn und den jungen Mann, der ihm diesen Genuss schenkte. Sergej krallte die Finger in das weiße Shirt und saugte kräftiger. Laute Schlürfer durchbrachen die Stille der Nacht.
Irgendwann registrierte er verschwommen, dass Dimitri ihm befahl aufzuhören, doch er klammerte sich an sein Opfer, dessen Bewegungen bereits schwächer geworden waren und verstärkte im Gegenteil sein Saugen und Zerren. Noch einmal wiederholte der dunkelhaarige Vampir seinen Befehl, doch Sergej war außerstande zu gehorchen. Im nächsten Moment durchzuckte ein heftiger Schmerz seine Brust, vergleichbar dem, mit dem Dimitri ihm schon einmal Einhalt geboten hatte. Doch diesmal war er so stark, dass Sergej die Zähne aus dem Hals des Campers riss und mit zurückgelegtem Kopf einen erstickten Schrei ausstieß.
Nur langsam ebbte der Schmerz ab, doch er hatte seinen Zweck erfüllt.
Und mit der Ernüchterung kam das Entsetzen und der Selbstekel. Fassungslos starrte Sergej auf den Körper des jungen Mannes, dessen Blut noch an seinen Händen und auf seiner Zunge klebte und ihm wurde klar, dass er noch vor Sekundenbruchteilen bereit gewesen war, ihn zu töten, nur um diesen unbeschreiblichen Genuss bis zur Neige auskosten zu können.
„Bist Du okay?“ hörte er die tiefe Stimme seines Meisters und sah hoch.
Mit kühlem Blick musterte Dimitri seinen Schüler und nickte dann grimmig. „Das reicht! Geh´ nach draußen und kühl´ Dich ab. Ich sorge noch dafür, dass er sich an nichts erinnert und dann gehen wir zurück.“
Gehorsam schob sich Sergej aus dem Zelt, und draußen schlang er die Arme um seine Brust. Der brüllende Hunger war fürs Erste verstummt, obwohl er noch längst nicht das Gefühl hatte, satt zu sein. Aber allein der Gedanke an das, was er soeben getan hatte reichte aus, ihm Schauer über den Rücken laufen zu lassen, sodass er um nichts in der Welt hätte weitertrinken mögen.
Er hatte einen Menschen gebissen, sein Blut getrunken, geradezu darin geschwelgt und nicht nur das! Er hatte es genossen, den Biss, das Trinken, und vor allem auch die Tatsache, dass er stärker war, als das strampelnde Opfer! Er erinnerte sich daran, wie der junge Camper sich gewehrt hatte, und ein Teil seines neuen Ichs schnurrte vor Genuss bei diesem Gedanken, wie eine Katze, die soeben das Sahnetöpfchen entdeckt hatte, während der Rest sich vor Abscheu wand.
Seine Überlegungen wurden unterbrochen, als Dimitri aus dem Zelt kam. Sorgfältig verschloss er den Eingang und wandte sich dann Sergej zu. Prüfend musterte er ihn, und Sergej folgte seinem Blick. Noch immer trug er den Pyjama, in dem er entführt worden war, aber er ähnelte inzwischen mehr einem schmutzigen alten Lappen. Das Oberteil war blutverkrustet, denn darauf klebte nun nicht nur sein eigenes Blut, sondern auch das des Campers. Dazu kam der Schmutz des Kellerbodens, auf dem er gelegen hatte. Die Hose war in ähnlichem Zustand, und seine nackten Füße starrten ebenfalls vor Dreck, denn er war damit durch mehr als ein Schlammloch gewatet, auf dem Weg zum Zeltplatz. Außerdem waren Gesicht und Hände ebenfalls klebrig von Blut, und er fühlte sich selbst wie eine Gestalt aus einem Alptraum.
„Du siehst aus, als könntest Du ein Bad gebrauchen.“ stellte Dimitri fest. „Und saubere Kleider wären auch dringend nötig.“ Er warf einen Blick zum Himmel hinauf und sagte: „Wenn wir gleich zurück gehen, ist noch Zeit genug bis zum Sonnenaufgang. Du kannst baden und Dich herrichten, und anschließend bringe ich Dir noch ein paar Grundlagen näher, die in Zukunft wichtig für Dich sind!“
Ohne eine Antwort abzuwarten wandte er sich ab und marschierte los. Erst nach ein paar Metern merkte er, dass Sergej ihm nicht folgte, blieb stehen und warf einen fragenden Blick zurück.
„Was ist?“
Der Blonde sah ihn an, dann schaute er wieder zur Seite und schlang erneut die Arme um seine Körpermitte.
„Warum hast Du mich verwandelt? Ich will nicht so sein! Eben, da drin im Zelt, da war ich nicht mehr ich selbst! So kenne ich mich nicht, so … gierig und … rücksichtslos! Der Mann da drin war mir vollkommen egal, ich habe mich nur noch für sein Blut interessiert! Wenn Du mich nicht aufgehalten hättest, hätte ich ihn getötet! Ich will das nicht!“ wiederholte er und blieb dann mit hängendem Kopf stehen.
Dimitri kam zurück zu ihm. In seiner Brust stritten die Gefühle miteinander. Einerseits war er wütend über die Verzögerung – er wollte nicht den Seelenklempner spielen, Sergej sollte einfach so schnell wie möglich ein richtiger Vampir werden, damit er seine Rache an ihm vollziehen konnte! – andererseits aber empfand er Mitleid und auch so etwas wie Reue. Er hatte Sergej Hals über Kopf in etwas hineingestoßen, was ihn mental und seelisch völlig überforderte.
In früheren Zeiten hatte er nur Menschen verwandelt, die er schon länger kannte, die wussten wer und was er war und sich einverstanden erklärt, oder sogar selbst darum gebeten hatten. Er hatte niemandem ein Dasein als Kreatur der Nacht aufgezwungen. Sergej war der Erste, bei dem er das tat.
Im nächsten Moment ärgerte er sich über seine Weichherzigkeit, und seine Antwort fiel harscher aus, als beabsichtigt.
„Hör´ auf zu jammern!“ blaffte er. „Du wirst Dich schon dran gewöhnen! Und jetzt komm´ gefälligst!“
Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging los. Nach ein paar Metern schloss Sergej zu ihm auf, und auf dem restlichen Heimweg sprachen sie kein Wort mehr miteinander.


Zuhause angekommen wies Dimitri seinem Schüler den Weg in ein altmodisches Badezimmer, in dem eine Wanne mit vier Klauenfüßen stand und befahl ihm, aus dem Brunnen hinter dem Haus Wasser zu holen, während er selbst in dem antik anmutenden Herd in der riesigen Küche Feuer entfachte und einen gewaltigen Topf hervorkramte.
Als Sergej mit zwei schweren Zinkeimern voller klarem, kaltem Wasser zurückkam, ließ Dimitri es ihn in den Topf gießen, der inzwischen auf dem Herd stand. Danach musste er noch dreimal die Eimer füllen und das kalte Wasser in die Wanne kippen. Als wenig später das Wasser auf dem Herd kurz vor dem Kochen stand, wurde es wieder in die Eimer verteilt und diese ebenfalls in die Wanne geleert. Nun hatte das Badewasser eine angenehme Temperatur und Dimitri befahl knapp: „Zieh´ Dich aus und steig´ in die Wanne!“
Sergej zögerte. Er mochte sich nicht vor jemandem ausziehen, den er praktisch nicht kannte, schon gar nicht vor seinem Meister!
Doch der gab nichts auf solche Zierereien, sondern knurrte nur unwillig und packte dann selbst zu. Mit einem Ruck hatte er das Oberteil in Fetzen gerissen und langte schon nach der Hose, während Sergej sich verschämt und erschrocken krümmte.
„Nicht!“ bat er und hob die Hand. Dimitri hielt inne und verschränkte die Arme. „Also dann – wird’s bald?“
Zitternd drehte sich Sergej um und wandte ihm den Rücken zu, streifte sich die Hose hinunter und stieg so schnell wie möglich ins rettende Wasser.
Ein Stück Seife lag schon bereit, und Dimitri reichte es ihm. „Hier! Und wasch´ Dich ordentlich. Ich hab´ nichts übrig für Dreckspatzen.“
Damit verließ er zu Sergejs Erleichterung den Raum, sodass dieser sich halbwegs genüsslich in der Wanne ausstrecken konnte.
Obwohl sein Körper nicht wirklich hitze- oder kälteempfindlich war und praktisch immer dieselbe Temperatur annahm wie seine Umgebung, war es definitiv ein wohliges Gefühl, im warmen Wasser zu liegen.


Dimitri ging unterdessen hinüber in das ehemalige Speisezimmer des Herrenhauses und stellte sich an eines der großen Fenster. Doch er sah nicht, was draußen war, sondern hatte nur das Bild von Sergejs nacktem Körper vor Augen. Lange, schlanke Gliedmaßen, die perfekt mit dem eleganten, biegsamen Körper harmonierten, und obwohl sich durch seine Verwandlung zum Vampir die Muskeln sehr viel deutlicher abzeichneten, so wirkte er nicht im Mindesten unproportioniert, ganz im Gegenteil. Dazu kam die blasse Haut, die im schwachen Licht der einzelnen Kerze, welche das Badezimmer erleuchtet hatte, golden und samtig schimmerte, wie eine unausgesprochene Aufforderung, darüber zu streichen, sie zu fühlen und zu liebkosen … !
Er schluckte und ärgerte sich wieder einmal über sich selbst.
Er hatte Sergej nicht zu seinem Vergnügen hergeholt, sondern um endlich seine Rachegelüste zu befriedigen! Da waren solche Gedanken nicht gerade hilfreich.
Um sich abzulenken, schickte er seine Sinne nach draußen, bis hinüber zu dem kleinen Zeltplatz, wo er zufrieden feststellte, dass der Camper wieder tief und fest schlief.
Er würde noch ein oder zwei Tage ein wenig schlapp und müde sein, aber sonst keine Schäden davontragen. Dimitri hatte ihm nicht nur jede Erinnerung an den Vorfall genommen, er hatte ihn so gründlich betört, dass er sich nicht einmal fragen würde, woher die Blutflecken auf seinem Shirt kamen.
Allerdings kam dem Vampir jetzt wieder in den Sinn, was ihn kurz vor dem Betreten des Zeltes abgelenkt hatte.
Für einen kurzen Augenblick hatte er geglaubt, eine Präsenz wahrzunehmen. Er hatte das Gefühl gehabt, jemand wäre in der Nähe, beobachte sie vielleicht sogar. Jemand, der nicht sterblich war. Und das konnte nur bedeuten, es war ein anderer Vampir. Doch als er sich konzentriert hatte, war die Präsenz verschwunden, sodass er dachte, er hätte sich getäuscht und die Angelegenheit verdrängte.
Jetzt jedoch, als er am Fenster stand und blicklos nach draußen starrte, fiel es ihm wieder ein.
Hatte er sich wirklich getäuscht? Oder war doch jemand dort draußen gewesen?
Er zuckte die Achseln. Es war durchaus möglich, dass ein weiterer Vampir sich in der Gegend herumtrieb. Und dass er sich nicht zeigte, gesetzt den Fall, dass er sie wirklich bemerkt oder sogar beobachtet hatte, konnte viele Gründe haben. Vielleicht war er auf der Jagd und hatte sich zurückgezogen, weil sie ihm zuvorgekommen waren, oder er war schlichtweg ungesellig.
Obwohl es durchaus etliche Vampire gab, die wie Dimitri Artgenossen in Zirkeln um sich scharten, waren doch sehr viele von ihnen Einzelgänger. Besonders die ganz Alten und die Jungen, die von niemandem angeleitet wurden, blieben meist für sich.
Natürlich gab es auch Ausnahmen, aber auf jeden Fall war nichts Ungewöhnliches an einer zufälligen Begegnung, wie dieser.
Eine Tür knarrte, und er wandte sich um. Sergej trat ins Zimmer, und sein Anblick ließ Dimitri eine unerwartete Hitze ins Gesicht steigen. Der junge Mann war nackt bis auf das Handtuch, das sein Meister ihm hingelegt hatte und welches nun tief auf seinen schmalen Hüften hing. Die blonden Haare waren nass und hingen in feuchten Strähnen auf seine Schultern.
Erneut ließ der Unwillen über seine eigene Reaktion Dimitri heftig auffahren. „Was willst Du? Bist Du schon fertig?“
Sergej zuckte leicht zusammen, dann nickte er mit gesenktem Blick.
„Ja. Es ist nur ...“ Er stockte und wagte nicht aufzublicken.
„Es ist nur was? Wenn Du etwas fragen willst, tu´ es richtig! Ich habe keine Lust auf Ratespielchen!“ brummte Dimitri.
Dann dämmerte ihm, was Sergej wollte. „Ich vermute Du brauchst was zum Anziehen?“
Der Blonde nickte erleichtert, und Dimitri wandte sich zur Tür. „Komm´ mit. Ich zeige Dir, wo Deine Sachen sind.“
Er fasste den Anderen beim Arm und zog ihn hinter sich her, zurück in den Keller. Dort angekommen öffnete er eine weitere Tür, hinter der sich ein komplett eingerichtetes, wenn auch fensterloses Zimmer befand. Nur stand dort außer einem breiten Bett auch ein einfacher, hölzerner Sarg auf einem Podest.
Sergej blieb bei diesem Anblick abrupt stehen, und sein Arm entglitt Dimitris Fingern. Der wandte sich um und runzelte die Stirn, angesichts von Sergejs Miene.
„Was ist denn jetzt schon wieder?“
„Was ist das hier für ein Zimmer?“ fragte Sergej leise, und der dunkelhaarige Vampir stemmte die Hände in die Hüften.
„Was glaubst Du denn, wessen Zimmer das ist? Deins natürlich!“
Sergej starrte ihn an, und in seinem Gesicht arbeitete es. Doch er sagte nichts, und so ging Dimitri hinüber zu einem Schrank. Er holte saubere Kleidung heraus, die er dem Anderen gleich darauf hinhielt.
Sergej nahm sie entgegen, starrte darauf und hob dann den Blick.
„Hast Du das alles hier für mich vorbereitet?“
Sein Gegenüber zog die Brauen in die Höhe. „Hast Du ein Problem damit?“
„Ich versuche nur immer noch, es zu verstehen.“ erwiderte Sergej. „Wenn ich mich hier so umsehe, dann ist mir klar, dass Du schon ziemlich lange vorgehabt hast, mich zu entführen und zu verwandeln. Ich frage mich nur, wieso?“ Er blickte zu Dimitri auf, doch der antwortete nicht, sondern sah ihn nur finster an.
„Wie hieß er eigentlich?“
Nun war sein Meister eindeutig irritiert. „Wer?“
„Mein Vorfahre. Der, dem ich so ähnlich sehe. Hast Du es seinetwegen getan?“
Dimitri nickte langsam. Ihm war klar, dass er sich jetzt auf gefährlich dünnem Eis bewegte und keinen falschen Schritt machen durfte, wenn er seinen Plan nicht gefährden wollte.
„Du hast wohl sehr an ihm gehangen, dass Du jetzt mein ganzes Leben so durcheinander bringst ohne mich zu fragen und ...“ fuhr Sergej fort, doch Dimitri fiel ihm heftig ins Wort.
„Ich habe Dein Leben nicht durcheinander gebracht

– ich habe es beendet

!“ Mit einem ausgestreckten Zeigefinger beugte er sich über den Blonden und funkelte ihn an.
„Du bist nicht mehr am Leben, Du bist untot, genau wie ich und zwar einzig und allein, weil ich es so wollte! Und was ich will, ist von jetzt an für Dich Gesetz! Ich bin Dein Meister, und das ist in etwa das Gleiche wie Gott! Merk´ Dir das!“
Damit rauschte er aus dem Zimmer und knallte die Tür heftig hinter sich zu, dass Sergej zusammenzuckte. Eine kleine Weile später ließ dieser sich auf das Bett sinken und betrachtete wie betäubt den Kleiderstapel, den er noch immer in den Händen hielt.
Er bestand aus einer Jeans, einem weißen T-shirt und Unterwäsche, alles nagelneu.
Langsam begann er, sich anzuziehen, stellte fest, dass alles passte, wie angegossen, und als er fertig war, stand er unschlüssig im Zimmer.
Dimitri hatte etwas von Grundlagen gesagt, die er ihm beibringen wollte, doch Sergej konnte sich nicht dazu durchringen, den Raum zu verlassen und nach seinem Meister zu suchen. Er hatte so wütend gewirkt, als er hinausgestürmt war!
Schließlich wurde ihm die Entscheidung abgenommen, denn die Tür öffnete sich energisch, und Dimitri kam wieder herein.
Als er Sergejs ansichtig wurde, nickte er und meinte: „Du bist angezogen, wie ich sehe. Gut. Dann komm´ mit.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich um, ging hinaus und Sergej folgte ihm.


Sie gingen in den Raum, in dem Dimitri auf Sergejs Verwandlung gewartet hatte, und der Schwarzhaarige bedeutete ihm, sich zu setzen. Sergej ließ sich also in einem der Sessel nieder, und Dimitri setzte sich ihm gegenüber. Er fasste den blonden Vampir scharf ins Auge und schwieg einige Zeit, bis dieser begann, unbehaglich auf seinem Sitz herum zu rutschen.
„Sag´ mir, was Du über Vampire weißt!“ forderte Dimitri schließlich gebieterisch.
Sergej hielt in seinen Rutschbewegungen inne und riss die Augen auf.
Was wusste er über Vampire?
„Nun …“ stotterte er, denn was sollte er sagen? Er hatte keine Ahnung von Vampiren!
Woher denn auch? Aber konnte er das einfach so sagen?
„Na los!“ forderte sein Gegenüber. „Du hast doch bestimmt auch schon Geschichten über uns gelesen, oder Filme gesehen, oder etwa nicht?“
„Naja, … doch ... schon, aber...!“
„Na also. Dann erzähl´ mir, was Du aus diesen Büchern und Filmen gelernt hast!“ befahl Dimitri, und Sergej fasste sich.
„Naja, Vampire mögen keinen Knoblauch, sie sterben im Tageslicht und werfen kein Spiegelbild. Sie fürchten sich vor Kreuzen und Weihwasser, können ein Haus nur betreten, wenn sie eingeladen werden und kein fließendes Wasser überqueren. Der Kontakt mit Silber fügt ihnen Verbrennungen zu, und um sie zu vernichten, muss man ihnen einen Pflock ins Herz stoßen. Was den Alltag angeht, sind sich die Buchautoren nicht einig. Bei Manchen schlafen sie tagsüber in einem Sarg...“ er stockte kurz, als ihm der Sarg in seinem eigenen Zimmer einfiel, machte dann aber weiter, „bei Anderen nicht. Es gibt sogar eine Autorin, deren Vampire in der Sonne nicht sterben, sondern glitzern.“ Er dachte kurz nach, dann schüttelte er den Kopf und sagte leise: „Tut mir leid, mehr fällt mir nicht ein. Ich habe mich nie besonders für dieses Genre interessiert.“
Dimitri blieb einen Moment still, dann stemmte er sich im Sessel gerade und legte unter dem Kinn die Fingerspitzen zusammen.
„Na, das ist doch schon mal was. Damit können wir anfangen! Fürs Erste lass´ mich Dir eins sagen: Vampire glitzern nicht in der Sonne, sie brennen! Ich kenne die Geschichten, aber ich muss schon sagen, das geht für meinen Geschmack eindeutig zu weit. Wir sind keine wandelnden, weichgespülten Discokugeln, sowas haben wir nicht nötig - wir stehen ganz oben in der Nahrungskette! Ich will nicht soweit gehen zu behaupten, wir wären die Krone der Schöpfung, aber wir sind den Menschen eindeutig überlegen. Daraus ergibt sich allerdings auch Verantwortung! Verantwortung für den Umgang mit unserer Nahrungsquelle! Aber darauf kommen wir später zurück. Jetzt erst mal weiter in Deiner Liste. Was wird einem Vampir gefährlich? Du hast Kreuze und Weihwasser erwähnt. Das ist Humbug. Kein Vampir fürchtet sich vor dem Symbol eines Gottes, der als Mensch gestorben ist! Und Du wärst erstaunt zu hören, wieviele von uns regelmäßig Kirchen und andere Gotteshäuser aufsuchen. Wir leben nicht, aber die Spanne unserer Existenz kann sehr lang sein, viele Jahrhunderte lang, und so mancher von uns sucht zumindest zeitweise Trost in der Religion. Ich weiß, das klingt unglaublich, aber es ist so. Allerdings kommt auch für die meisten dieser Vampire irgendwann der Moment, wo sie den Glauben als das erkennen, was er ist – eine substanzlose Ersatzbefriedigung.“ Er machte eine kurze Pause, bevor er weiterredete. „Knoblauch – ein wichtiges Gewürz, aber kein Schutz vor Blutsaugern. Dass wir ihn nicht mögen liegt daran, dass wir sterbliche Nahrung komplett verabscheuen, aber schaden kann er uns nicht. Bei Silber sieht es anders aus. Der Kontakt mit Silber fügt uns in der Tat schwere Verbrennungen zu. Ich weiß nicht, wieso das so ist, aber es ist wahr. Wenn ich dagegen in einen Spiegel sehe, kann ich mich klar und deutlich erkennen, also muss das wohl eine Legende sein und fließendes Wasser, also ein Fluss oder Bach ist auch noch nie ein Hindernis für mich gewesen. Was die Einladung in ein fremdes Haus angeht, ist die Sache etwas komplizierter. Als Vampir kann ich mich an jedem beliebigen Ort materialisieren, es sei denn, es ist ein fremdes Haus oder eine Wohnung, und ich wurde nicht dorthin eingeladen. Dann muss ich eben einbrechen, so wie bei Dir.“ Er musterte Sergej und fuhr fort: „Ich nehme an, Du hast Dich schon gefragt, wie ich in Dein Haus gelangt bin, wo Du mich doch noch nie gesehen hast?“ Doch der Angesprochene machte große Augen, dieser Gedanke war ihm noch gar nicht gekommen.
„Gewöhnliche Türschlösser halten mich nicht auf, meine Kraft reicht aus, eine verschlossene Tür einfach zu zerbrechen. Allerdings mache ich für gewöhnlich keinen Gebrauch davon, es erregt zuviel Aufmerksamkeit. - Aber wieder zurück zu dem, was Du aufgezählt hast!“ Er überlegte einen Moment und meinte dann: „Es gibt nicht sehr viele Dinge, die einen Vampir töten können. Ein gut platzierter Pflock allerdings erfüllt seinen Zweck. Trotzdem sollten ihn nur erfahrene Jäger benutzen, denn wenn er das Herz nur streift, oder es nicht durchbohrt, ist es zwecklos. Auch dann wäre es noch eine ernste Verletzung für einen Vampir, aber die würde heilen, sobald der Pflock entfernt wird. Das Gleiche gilt für eine Waffe mit Silberkugeln, oder eine silberne Klinge. Man muss das Herz richtig treffen und durchbohren, sonst ist es am Ende wirkungslos. Am sichersten ist es, uns dem Tageslicht auszusetzen. Sobald der erste Strahl der aufgehenden Sonne auf uns trifft, gehen wir in Flammen auf und verbrennen – nun ja, nicht bei lebendigem Leibe, aber immerhin bei vollem Bewusstsein. Abgesehen davon fällt mit nur noch eine Art ein, einen Vampir umzubringen – indem man ihm den Kopf abschlägt. Wenn Vampire untereinander eine Blutfehde austragen, stirbt der Unterlegene übrigens meistens, indem der andere ihm seinen Kopf abreißt.“
Abwartend sah er zu Sergej hinüber, der angesichts dieser Schilderungen eine leichte Übelkeit verspürte.
„Und muss man als Vampir … in einem Sarg schlafen?“ brachte der Blonde schließlich leise heraus. Wieder spürte er Dimitris kühlen Blick auf sich ruhen, bevor der antwortete.
„Du bist noch sehr jung, was bedeutet, Du musst tagsüber ruhen. Schlaf würde ich es nicht nennen, Du fällst mehr in eine Art Totenstarre, die erst vergeht, wenn die Sonne untergegangen ist. Das Aufwachen ist schmerzhaft, zumindest im ersten Augenblick, und während der Starre merkst Du nicht, was in Deiner Nähe vorgeht. So gesehen, ist es am besten, diese Zeit in einem Sarg zu verbringen, denn Du hast keinen Einfluss darauf, was um Dich herum geschieht. Ganz egal, wie gut ein Versteck gewählt ist, es kann immer zu unvorhergesehenen Zwischenfällen kommen, und was glaubst Du, was passiert, wenn irgendwelche Menschen Dein Versteck entdecken, während Du ruhst und die vermeintliche Leiche – Dich - ins Freie schleppen? Am Anfang ist es ungewohnt, in einem Sarg zu liegen, aber das vergeht, glaub´ mir.“
„Was ist mit Dir?“ fragte Sergej nun neugierig geworden weiter. „Schl …, ich meine, ruhst Du nicht?“
„Ich bin über fünfhundert Jahre alt. Meine Kraft ist größer, meine Sinne schärfer, und ich kann bei Tage wach bleiben, wenn es nötig ist. Allerdings nicht unbegrenzt, auch ich muss irgendwann ausruhen.“
Sergej nickte beeindruckt. Dann stellte er eine weitere Frage: „Du hast davon gesprochen, dass Du Dich an jedem beliebigen Ort … wie hast Du es genannt? - materialisieren kannst. Kann das jeder Vampir? Ich auch?“
Nun zog Dimitri die Brauen zusammen und beugte sich wütend vor.
„Bilde Dir nicht ein, dass Du mir auf diese Weise entkommen kannst! Du hast mein Blut getrunken, darum würde ich sofort wissen, wo Du bist! Außerdem ist es noch zu früh für Dich. Diese Fähigkeit wirst Du erst langsam zu beherrschen lernen, da ist es am Besten, Du vergisst das erst mal ganz schnell wieder!“ herrschte er ihn an.
Sergej war während dieses Ausbruchs in die Tiefe seines Sessels gerutscht. Dimitri wirkte mehr als bedrohlich, wie er ihn jetzt so anfunkelte. Als es um seine Nahrung - das Blut des Campers - gegangen war, hatte Sergej ihm Widerstand geleistet, wenn auch nicht für lange, aber jetzt kam er nicht einmal auf den Gedanken.
Dafür wurde ihm bewusst, dass er sich plötzlich schrecklich müde fühlte. Seine Augenlider klappten zu und er hatte das Gefühl, in einen bodenlosen, schwarzen Schacht zu stürzen. Er wollte noch etwas sagen, doch mehr als ein müdes Nuscheln kam nicht mehr aus seinem Mund. Er hörte, wie Dimitri einen gedämpften Fluch ausstieß, hatte gleich darauf das Gefühl, er würde schweben, und dann kam nichts mehr außer Dunkelheit ...


Dimitri fluchte herzhaft. Wie hatte ihm das passieren können?
Er hatte geredet und erklärt und darüber völlig vergessen auf die Zeit zu achten. Als Sergej dann plötzlich zusammensackte, wurde ihm mit einem Schlag bewusst, dass die Nacht draußen vorüber war. Hastig erhob er sich aus seinem Sessel und schnappte sich den schlaffen Körper gerade noch rechtzeitig, bevor er vornüber zu Boden kippte. Ohne große Anstrengung trug er Sergej dann auf seinen Armen hinüber in sein Zimmer und legte ihn auf dem Bett ab. Einen Augenblick lang erwog er, ihn dort liegen zu lassen, schließlich nahm er aber doch den Deckel von dem Sarg und hob den blonden, jungen Mann hinein. Bevor er den Deckel wieder schloss, blieb er neben dem Sarg stehen und musterte das blasse Gesicht.
Warum übte Sergej so eine starke Anziehungskraft auf ihn aus?
Er sah Tifan so ähnlich, als wäre er sein Zwilling, und in Dimitris Herz und Seele gab es für Tifan nur noch Hass und Abscheu. Wieso brachte Sergej ihn dann so aus dem Gleichgewicht?
Ärgerlich knallte er den Deckel zu und stampfte aus dem Zimmer. Da hatte er Sergej noch keine zwei Tage in seiner Gewalt und dann schon so etwas! Das durfte doch nicht wahr sein! Wie lange hatte er ihn vorher beobachtet? Über Wochen! Und nie hatte es ihm das Geringste ausgemacht! Er hatte in ihm nur das Werkzeug für seine lang ersehnte Rache gesehen! Natürlich hatte er während seiner heimlichen Beobachtungen bald gemerkt, dass Sergej seinem Vorfahren nur äußerlich glich.
Während Tifan eitel und selbstverliebt gewesen war und in allem nur seinen eigenen Vorteil gesucht hatte, war Sergej geradezu der Prototyp des netten Jungen von nebenan. Er kam mit allen gut aus und war so freundlich zu seinen Mitmenschen, dass Dimitri schon von seinem Beobachterposten aus manchmal so etwas wie Übelkeit verspürt hatte. Aber trotzdem war er die ganze Zeit fest entschlossen gewesen, seinen Plan durchzuziehen.
Und nun ertappte er sich dabei, dass er Sergejs Gesellschaft genoss, ins Plappern kam wie ein altes Tratschweib und darüber alles vergaß!
Um als Vampir zu überleben, war Disziplin wichtig, und bisher war er stets ein Musterbeispiel an Disziplin gewesen! Er musste sich unbedingt wieder in den Griff bekommen.
Einen Augenblick lang überlegte er, ob es nicht klüger wäre, sich des jungen Vampirs bereits jetzt zu entledigen, doch er verwarf die Idee so schnell, wie sie gekommen war.
Rache war ein Gericht, dass bekanntlich am besten kalt genossen wurde, und er hatte nicht vor, sich von seinem Plan abbringen zu lassen. Sergej sollte an Tifans Stelle spüren, wie es war, wenn Vertrauen missbraucht wurde und wie sich Verrat anfühlte, damit er ihm noch in der Hölle davon berichten konnte!
Mit diesen Gedanken legte auch er sich endlich in seinen Sarg, um Ruhe zu finden, und als die Dunkelheit ihn gnädig umschloss wie schwarzer Samt, war es für ihn wie das Eintauchen in ein Meer wohltuender Stille.


In den folgenden Wochen lernte Sergej immer mehr über das Dasein als Vampir. Er war klug und besaß eine rasche Auffassungsgabe, und doch war er selbst überrascht, wie schnell er sich an diese neue Form der Existenz anpasste. Er machte sich keine Gedanken mehr über das Leben, das er zurückgelassen hatte. Da er allein gelebt und auch keine nahen Angehörigen mehr gehabt hatte, gab es vermutlich ohnehin niemanden, der ihn noch vermisste, und er selbst vermisste höchstens seine Bücher.
Doch da auch Dimitri über eine überaus gut sortierte Bibliothek verfügte, ließ sich dieser Mangel verschmerzen.
Auch an das Trinken von Blut hatte er sich schnell gewöhnt, und da sie niemanden töteten, sondern ihre Nächte ruhig vor sich hin plätscherten, in einem alltäglichen – oder besser allnächtlichen Gleichmaß, war er mit sich im Reinen und verbot sich, allzuviel nachzudenken. Er war immer stolz auf sein Improvisationstalent gewesen und hier kam es ihm mehr als zugute.
Bereits nach einer Woche hatte er seinen Hunger so gut im Zaum, dass es keine Auseinandersetzungen mit seinem Meister mehr gab. Er wartete geduldig, bis Dimitri das Zeichen zum Zuschlagen gab und hörte auf zu trinken, wenn dieser meinte, es sei genug.
Nach weiteren zwei Wochen überließ Dimitri ihm zum ersten Mal die Führung bei einer Jagd und mischte sich nicht ein, nachdem er ein Opfer gestellt hatte. Trotzdem war er in der Lage, sich zu beherrschen und rechtzeitig aufzuhören. Sein Meister war zufrieden, und Sergej ertappte sich dabei, so etwas wie Stolz zu empfinden.
In den übrigen Nachtstunden, nachdem sie ihren Hunger gestillt hatten, erzählte Dimitri ihm viel über sein früheres Leben, und auch daraus lernte Sergej so einiges für sich selbst. Er war inzwischen auch in der Lage, zu spüren, wenn sich der Sonnenaufgang näherte und dementsprechend rechtzeitig in seinen Sarg zu schlüpfen, an den er sich ebenfalls schnell gewöhnt hatte.
Das Einzige, was ihm noch immer zu schaffen machte, war Dimitris Unnahbarkeit. Selbst wenn er mit seinem Schüler zufrieden war, konnte er sich nicht zu einem freundlichen Wort oder gar einem Lächeln durchringen. Meist war seine Miene kühl und sein Gehabe herrisch und befehlend.
Und weil es sonst niemanden gab, mit dem Sergej sich hätte anfreunden können, fühlte er sich manchmal einsam, trotz Dimitris Gesellschaft.
Dieser dagegen wurde innerlich immer rastloser, je länger er Sergej unter seinem Dach beherbergte. Er spürte selbst, dass er sich mit jeder Nacht tiefer in einen Gefühlswirrwarr verstrickte, aus dem es bald kein Entrinnen mehr geben würde, dennoch steuerte er sehenden Auges immer tiefer hinein.
Seine kalte Unnahbarkeit war nichts weiter als eine Maske, mit deren Hilfe er verzweifelt versuchte, seine Fassade aufrecht zu erhalten, in der Hoffnung, dies ermögliche ihm ein Festhalten an seinem Plan. In Wirklichkeit jedoch konnte er sich schon längst nicht mehr vorstellen, Sergej in den Flammentod zu schicken.
Oft, wenn Sergej bereits zur Ruhe gegangen war, war er in Versuchung, hinüber in dessen Zimmer zu gehen, den Deckel von seinem Sarg abzunehmen und in Sergejs Anblick zu schwelgen, aber das verbot er sich.
Schon lange sah er nicht mehr Tifan, wenn er Sergej anschaute, empfand aber dafür ein heftiges Verlangen, wie er es von sich selbst nicht kannte. Noch nie hatte er ein anderes Wesen, egal ob Mensch oder Vampir so sehr begehrt, wie Sergej. Das machte ihn zuerst wütend und dann ängstlich und schließlich wieder wütend, weil er ängstlich war.
Darum gab er sich Sergej gegenüber weiter kalt und dominant, kehrte den Meister bei jeder Gelegenheit heraus und war dann doch wieder zornig auf sich selbst, weil er sah, wie Sergej zusammenfuhr, wenn er ihn anherrschte.
Sein Gemütszustand war am ehesten vergleichbar mit dem einer gereizten Raubkatze, die in einem stabilen Käfig eingesperrt war und nun zähnefletschend an den Gitterstäben auf und ab strich, in der Hoffnung einen Weg nach draußen zu finden. Sie sah die Menschen auf der anderen Seite, konnte sie aber nicht erreichen, um ihren Zorn an ihnen auszulassen.
Auch Dimtri war in gewisser Weise eingesperrt, nur stand bei ihm Sergej auf der anderen Seite der Gitter, und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, war ihm nur zu klar, dass er sie selbst geschmiedet hatte. So vergingen die Nächte und Sergej begann zu vergessen, dass er vor nicht allzu langer Zeit ein Mensch gewesen war. Glücklich war er allerdings nicht und wenn er Dimitri auch gehochte und als seinen Meister respektierte, so gab es doch noch immer eine Barriere zwischen ihnen und eben weil Sergej dies spürte, war er verschlossen und in sich gekehrt. Er hatte nicht das Gefühl, dass er Dimitri kannte oder ihm vertrauen konnte, sondern war beständig auf der Hut, weil seine Ausbrüche und Stimmungsschwankungen immer unangekündigt kamen.
Doch rund zwei Monate nach Sergejs Entführung geschah etwas, was die Situation grundlegend änderte und die Karten neu mischte: Sie bekamen Gesellschaft!


Als sie eines Abends nach erfolgreicher Jagd wieder auf dem Heimweg waren, blieb Dimitri plötzlich stehen. Die erste Jagd mit Sergej fiel ihm wieder ein, denn da hatte er die gleiche Präsenz wie jetzt gespürt, nur war sie diesmal viel stärker als damals.
Er runzelte die Stirn und sah zu Sergej. Auch der hatte etwas gespürt und sah fragend zu seinem Meister auf. Wortlos verständigten sie sich zum Weitergehen – sie waren noch kaum hundert Meter von dem alten Herrenhaus entfernt – und vorsichtig pirschten sie sich durchs Gestrüpp.
Als sie auf die kleine Lichtung traten, die das Gebäude umschloss, sahen sie auf den ersten Blick die Gestalt eines Mannes auf der Veranda sitzen.
Beim Näherkommen schälten sich seine Umrisse im Mondlicht allmählich deutlicher aus den Schatten, und Sergej konnte langes, kupferrot leuchtendes Haar erkennen, das dem Unbekannten weit über den Rücken hinabfiel, ein blasses Gesicht mit ausgeprägten Wangenknochen und leuchtend grüne Augen. Seine Beine steckten in einer schwarzen Jeans und darüber trug er ein rotes Hemd aus einem glänzenden Material.
Sergej wusste sofort, dass er einen anderen Vampir vor sich hatte und fragte sich, was er von ihnen wollte. Doch da stand der Fremde bereits auf und kam die Verandastufen hinunter auf sie zu.
Er legte den Kopf schief und lächelte. „Dimitri! Schön dich so wohlauf zu sehen. Ich war in der Gegend und dachte mir, ich schaue mal nach, wie es Dir so geht und wie Du vorankommst.“ Seine Augen glitzerten, als der Angesprochene ihn finster musterte.
„Ragnar!“ knirschte er und ignorierte die ausgestreckte Hand des Ankömmlings. „Wie Du siehst, geht es mir gut. Also kannst Du wieder verschwinden und Dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmern!“
Doch der Rothaarige tat, als habe er den Wink nicht verstanden, wandte sich Sergej zu und streckte nun diesem die Hand hin. „Ich vermute, Du bist Sergej, Tifans Nachfahre? Es freut mich, Dich kennenzulernen!“
Überrumpelt ergriff Sergej automatisch die dargebotene Hand, und Ragnars Lächeln vertiefte sich, sodass seine blitzenden Fangzähne zu sehen waren.
„Dein Meister war schon immer ein ungehobelter Klotz!“ sagte er jetzt, während er sich zu Sergej vorbeugte, ohne jedoch die Stimme zu senken. „Da bin ich gerade erst gekommen und schon will er mich wieder wegschicken! Ts, ts, was ist nur aus der viel beschworenen Gastfreundschaft hier im Süden geworden? Ich hatte eigentlich vorgehabt, Euch für eine Weile Gesellschaft zu leisten! Bestimmt geht er dir schon schrecklich auf die Nerven!? Ich kenne ihn, er ist ungefähr so herzerwärmend wie ein Tiefkühlschrank! Da brauchst Du unbedingt mal eine Abwechslung, oder nicht?“
Sergej war irritiert und wusste nicht, was er sagen sollte, doch Dimitri kam ihm zuvor. „Es tut mir sehr leid, Ragnar, aber wir haben keinen dritten Sarg, den wir Dir anbieten könnten. Und einem Vampir Deines Ranges möchte ich nun wirklich nicht zumuten, auf meiner Couch zu ruhen, das wäre mehr als respektlos. Du siehst also, es wäre besser, wenn Du anderswo Quartier nimmst!“
Der Rothaarige schüttelte lächelnd den Kopf. „Mein lieber alter Freund, mir tut es leid, dass ich Dich belästige! Aber wie Du sicher selbst weißt, dauert es nicht mehr lange, bis die Sonne aufgeht und außer Dir kenne ich niemanden in dieser gottverlassenen Gegend. Also bitte ich Dich, meine Anwesenheit nur für einen einzigen Tag zu ertragen! Und dass Du mir keinen Sarg anbieten kannst, macht nichts. Du weißt, dass ich fast doppelt so alt bin, wie Du – ich muss also nicht zwingend den Tag in einem Sarg verbringen. Ich werde es mir in Deiner Bibliothek gemütlich machen und die hellen Stunden mit ein paar guten Büchern überbrücken. Du hast doch sicher auch hier eine Bibliothek?“ Mit einem Seitenblick auf Sergej fügte er hinzu: „Ich fresse einen Besen, wenn Du keine hast!“
Zähneknirschend willigte Dimitri schließlich ein, und so betraten sie gemeinsam mit ihrem Gast das alte Herrenhaus.


Der Rest der Nacht verlief gelinde gesagt unbehaglich. Die Spannung zwischen Ragnar und Dimitri war geradezu mit den Händen greifbar, und während Letzterer fast nur finster vor sich hin starrte, gab sich der Rothaarige entspannt und locker, plauderte und zog Sergej mit seinen Anekdoten und Geschichten aus alter Zeit bald völlig in seinen Bann.
Es entging Dimitri natürlich nicht, wie sein Schüler in Ragnars Gegenwart immer mehr auftaute und bald gebannt an seinen Lippen hing. Das verdross ihn, und eben weil es ihn verdross, wurde er noch wütender. Nur mühsam beherrschte er sich, als Ragnar schließlich zu der Erklärung ansetzte, woher sie beide sich kannten.
„Oh, das vergesse ich nie! Das war in Rom, 1789! Er und sein Zirkel waren reichlich abgerissen aus Frankreich geflohen, wo gerade die Revolution ausgebrochen war, und als wir uns begegneten, waren sie auf der Suche nach einer Bleibe. Ich war so großzügig, ihnen mein Haus zur Verfügung zu stellen, aber leider entsprach meine Gastfreundschaft wohl nicht ihrem Geschmack – oder sollte ich vielleicht besser sagen: SEINEM Geschmack?“ Ragnar kicherte. „Keine Ahnung, was ihm so missfallen hat, jedenfalls hatte ich nur wenige Nächte lang das Vergnügen ihrer Gesellschaft. Naja, zumindest die Gesellschaft einiger seiner Vampire war ein Vergnügen – er selbst weiß ja scheinbar nicht mal, wie man das Wort schreibt!“ Er machte eine kurze Pause und schenkte Sergej dann einen weiteren tiefen Blick. „Besonders gern erinnere ich mich da an Tifan, Deinen Vorfahren. Er war ein kleiner Teufel mit dem Gesicht eines Engels! Hat Dimitri Dir erzählt, wie er genannt wurde? Aber was frage ich!“ antwortete er sich selbst, „Natürlich hat er Dir überhaupt nichts gesagt, oder irre ich mich?“ Er warf einen amüsierten Blick zu Dimitri, der vor Wut zu kochen schien.
Sergej schüttelte den Kopf, denn es stimmte. Von seinem Vorfahren hatte ihm sein Meister noch kein einziges Wort erzählt, und nachdem er anfangs so eine heftige Abfuhr bei diesem Thema kassiert hatte, hatte er auch nicht mehr gewagt, die Sprache erneut darauf zu bringen. Er hatte einfach gehofft, dass Dimitri irgendwann von allein reden würde. Aber nun sah es ja so aus, als sollte er durch diesen fremden Vampir, Ragnar, die ersten Informationen über seinen Urahnen erhalten. Gespannt sah er ihn an und konnte es kaum erwarten.
„Sie nannten ihn angil

, das ist russisch für Engel. Er sah genauso aus wie Du, Sergej! Aber für Dich scheint mir dieser Name noch viel angemessener! Du siehst nicht nur aus wie ein Engel, Du ...“
Weiter kam er nicht. Dimitri war aufgestanden und schlug nun mit der Faust so heftig auf den kleinen Beistelltisch, der zwischen ihnen Dreien stand, dass das zierliche Möbelstück in die Knie brach.
„Das reicht, Ragnar!“ rief er zornig. „Wenn Du nur vorhast Unruhe zu stiften, wie Du es schon immer getan hast, dann ist es besser, Du gehst! Noch ist der Sonnenaufgang weit genug entfernt, damit Du Dir einen anderen Unterschlupf suchen kannst!“
Scheinbar völlig ungerührt sah der rothaarige Vampir zu ihm auf und erwiderte seinen sprühenden Blick einen Moment lang, bevor er ein verbindliches Lächeln aufsetzte und beschwichtigend die Hände hob.
„Du hast recht, alter Freund! Ich entschuldige mich! Aber Du weißt ja, alte Gewohnheiten legt man nur schwer ab, und ich hatte schon immer ein etwas loses Mundwerk! Ich verspreche, ich werde mich ab jetzt benehmen!“
Er wandte sich zu Sergej und deutete mit dem Oberkörper eine lächerliche, kleine Verbeugung an. „Auch bei Dir entschuldige ich mich! Ich hatte wirklich nicht vor, Deinen Meister irgendwie in Misskredit zu bringen, aber wie es scheint, bin ich mit meinen alten Geschichten etwas zu weit gegangen!“ Er lächelte noch einmal zu Dimitri auf und lehnte sich dann ruhig zurück. „Wie wäre es, wenn Ihr mir stattdessen etwas über die Gegend hier erzählt? Kann man hier gefahrlos jagen, oder gibt es Vampirjäger in der Nähe?“
Sergej war enttäuscht. Er hatte gehofft, etwas über seinen Urahnen zu erfahren, vor allem natürlich darüber, wie er und Dimitri zueinander gestanden hatten. Es sah doch sehr danach aus, dass Dimitri ihn, Sergej, vor allem wegen seiner großen Ähnlichkeit mit ihm entführt und verwandelt hatte. Also, wie nahe hatten die Beiden sich gestanden? Waren sie so gute Freunde gewesen?
Wie hatte Ragnar gesagt? Ein Teufel mit dem Gesicht eines Engels. Was hatte denn das nun zu bedeuten? Sergej konnte sich ohne weiteres nicht so einfach einen Reim darauf machen.
Aber zumindest hatte er nun einen Namen erfahren: Tifan!
Etwas beklommen wegen der angespannten Atmosphäre sah er zu seinem Meister hinüber, der sich sichtlich unwillig wieder hingesetzt hatte.
„Die Gegend hier ist ziemlich abgelegen.“ hörte er ihn sagen. „Aber es gibt eine kleine Stadt nicht weit entfernt. Hier heraus in den Sumpf kommt allerdings so gut wie niemand, nur ein paar Survival-Freaks hin und wieder, oder auch mal ein Pärchen, das ein Zurück-zur-Natur-Erlebnis mit ungestörtem Sex verbinden will. Die findet man dann aber normalerweise ein gutes Stück weit weg, auf einem kleinen Zeltplatz. Das Haus hier kennt offenbar fast niemand mehr. Die Zufahrt ist ja auch völlig überwuchert und von der Straße nicht zu sehen. Wenn jemand herkommt, ist es ein Zufall und zwar ein verdammt großer.“
Ragnar nickte bedächtig. „Und hast Du vor, Dich hier ganz niederzulassen?“
Dimitri Miene wurde noch eine Spur finsterer. „Ich wüsste nicht, was Dich das angeht.“ erwiderte er, und sein Gegenüber ließ ein weiteres Mal sein entwaffnendes Lächeln aufleuchten.
„Stimmt. Es geht mich nichts an – ich mache nur Konversation, um die Zeit totzuschlagen. Weißt Du, ich bin jetzt schon so lange allein unterwegs, ich lechze geradezu nach angenehmer Gesellschaft!“
Er blinzelte Sergej zu und wandte sich dann wieder an Dimitri. „Du bist doch auch nicht anders. Du hängst noch immer den alten Zeiten nach, oder nicht? Jetzt hast Du Dir sogar jemanden an Deine Seite geholt, der einem Deiner früheren Gespielen wie aus dem Gesicht geschnitten ist! Du wirst verstehen, dass mich das neugierig macht!“
„Woher hast Du überhaupt gewusst, wo Du uns findest?“ wollte Dimitri wissen. „Oh, naja, Du weißt schon, ich halte Augen und Ohren offen, und ich habe Geduld.“ Ragnar lächelte. „Das ist wiederum etwas, was dir abgeht, mein Lieber! Nicht wahr?“ Er sah Sergej fragend an, und dieser wand sich unbehaglich auf seinem Sitz.
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, und die beiden alten Vampire maßen einander mit beredten Blicken.
Schließlich sagte Dimitri: „Sergej? Es ist besser, wenn Du Dich jetzt zurückziehst! Die Sonne geht bald auf, und außerdem haben Ragnar und ich noch einiges zu besprechen, was Dich nur langweilen würde.“
Der Angesprochene erhob sich sofort, denn er hatte die wachsende Spannung zwischen seinem Meister und ihrem Gast sehr wohl gespürt. Widerspruchslos eilte er hinaus und in sein eigenes Zimmer, wo er sich auf das Bett legte und ein Buch zur Hand nahm. Doch seine Gedanken schweiften ab, er konnte sich nicht konzentrieren und wünschte sehnlichst, dass Ragnar noch bleiben würde, damit er ihn noch einmal nach Tifan fragen konnte.


Dimitri und Ragnar saßen noch immer regungslos in ihren Sesseln und maßen sich stumm mit Blicken. Schließlich brach der Rothaarige das Schweigen mit einem kleinen, spöttischen Lachen.
„Du hast ihn gut abgerichtet. Aber lohnt es die Mühe überhaupt, wenn Du ihn doch sowieso töten willst?“
„Misch´ Dich nicht in meine Angelegenheiten. Das hier hat nichts mit Dir zu tun, Ragnar!“ erwiderte der Andere mit noch immer gerunzelter Stirn.
Der Angesprochene legte den Kopf schief und schlug die Beine übereinander. „Hm, das sehe ich anders. Es geht doch hier um Tifan, oder nicht? Und was den betrifft, habe ich die älteren Rechte, ob es Dir passt oder nicht!“
Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden, und sein Blick wurde hart.
„Woher weißt Du das alles? Wie lange beobachtest Du uns schon?“ wollte Dimitri wissen, und in Ragnars Gesicht blühte erneut ein strahlendes Lächeln, bei dem seine Fangzähne blitzten.
„Ah! Du hast mich also doch bemerkt! Dabei war ich so vorsichtig, aber offenbar nicht vorsichtig genug! Naja, vor Artgenossen verstecke ich mich ja auch nur selten.“ Er lachte leise und wurde unvermittelt wieder ernst.
„Seit dem Augenblick, wo Du anfingst nach Tifans Nachkommen zu suchen. Ich war nur eine Tür entfernt, als Grigorij Dir den Rat gab, nach seiner Familie zu suchen und bin Dir danach gefolgt wie Dein Schatten. Wie gesagt – meine Rechte an Tifan sind älter als Deine, und trotzdem bin ich nie auf den Gedanken gekommen, seine Nachkommen ausfindig zu machen, kannst Du Dir das vorstellen? Doch als ich Eure Unterhaltung dann zufällig mithörte, schien mir die Idee völlig einleuchtend zu sein! Aber Du kennst mich" er schenkte Dimitri einen koketten Blick, "ich mache mir nicht gern unnötige Mühe, und nun wusste ich ja, dass Du mir die Drecksarbeit abnehmen würdest! Darum bin ich auf Deiner Fährte geblieben, wie ein Bluthund.“ Er grinste über seinen eigenen lahmen Scherz, wurde dann unvermittelt sehr ernst und fuhr fort: „Ich werde beim nächsten Sonnenuntergang verschwinden, aber nicht ohne Sergej. Du kannst ihn mir freiwillig abtreten, oder ich nehme ihn mir mit Gewalt – das liegt ganz bei Dir!“
Dimitri rührte sich nicht, als er fragte: „Was für Rechte sollen das sein, die Du angeblich hast? Du hast Tifan doch erst durch mich kennengelernt, als wir nach Rom kamen!“
Ragnar lachte amüsiert und legte dabei den Kopf in den Nacken. „Hat er das gesagt? Das sieht ihm ähnlich!“
Er fasste Dimitri wieder ins Auge. „Als wir uns in Rom begegneten, war es für Tifan und mich kein Kennenlernen, es war ein Wiedersehen! Hast Du ihn nie gefragt, ob er weiß, wer ihn verwandelt hat?“
Er sah Dimitri auffordernd an, und der zog prompt den einzig logischen Schluss. „Du? Du hast ihn verwandelt?“ Er blinzelte überrascht. „Er hat immer gesagt, er kenne seinen Schöpfer nicht. Und Du sagst, Du hast es getan?“
Ragnar nickte. „Ja, am 23. September 1568. Dieses Datum vergesse ich nie, solange ich existiere! Damals befand ich mich in Russland und bewegte mich im dortigen Hochadel. Diese Leute lassen sich von Geld einfach zu leicht über die wahre Natur der Personen, denen sie begegnen hinwegtäuschen! Der Großfürst Wladimir Jaroslawicz hatte mich auf sein Gut eingeladen, und dort begegnete ich Tifan. Er war ein Bediensteter des Großfürsten und steckte gerade in ziemlichen Schwierigkeiten, weil er die Zofe der Fürstin in andere Umstände gebracht hatte. Die gottesfürchtige Frau duldete keine Unzucht in ihrem Haus und stellte ihn vor die Wahl, das Mädchen zu heiraten oder vom Gut gejagt zu werden. Er beugte sich dem Druck und heiratete sie, kurz bevor sein Sohn geboren wurde. Ungefähr zu der Zeit lernte ich ihn kennen. Als ich ihn das erste Mal sah, war es als wäre ich aus einem dunklen Raum plötzlich ins Licht getreten! Vom ersten Moment an begehrte ich ihn, und ich hätte alles dafür getan, ihn zu erobern!“
Er lachte leise. „Wie sich zeigte, war dafür nicht viel vonnöten – ein Beutel mit Geldstücken reichte aus, dass er mir in die Hände fiel, wie eine reife Frucht. Aber ich merkte schnell, dass es für ihn nur ein Geschäft war, nicht mehr. Für mich dagegen ...“ Er machte eine Pause und sah versonnen vor sich hin. Gleich darauf jedoch hob er den Kopf und fuhr fort.
„Ich überlegte, wie ich ihn an mich binden könnte, ohne Zwang auszuüben, doch er wies mich rundweg zurück. Also ließ ich mich verleiten, und verwandelte ihn gegen seinen Willen. Zu diesem Zweck lud ich ihn in mein Haus ein, wo ich damals zusammen mit Grigorij und einer bildschönen Vampirin namens Lucrezia wohnte. Wir tranken zu dritt von ihm, was ihn an den Rand des Todes brachte, doch es war alleinmein

Blut, das die Verwandlung einleitete! Ich wachte bei ihm und hielt seine Hand, als die Qualen der Umwandlung ihn in den Klauen hatten, ich wiegte ihn im Arm und wischte den Schweiß von seinem wunderschönen Körper! Und als er endlich aufwachte, als neugeborener Vampir, da war ich es, der ihn anleitete und ihm alles beibrachte!“
Erneut schwieg er, und seine Miene verdüsterte sich. „Aber ich hatte mich, wie schon viele von mir, von seiner äußeren Schönheit blenden lassen! Angil

! Ich war es, der ihn zum ersten Mal mit diesem Kosenamen anredete, aber er übernahm ihn nur zu gern für sich. Er teilte das Bett mit mir, und ich war so glücklich wie seit Jahrhunderten nicht mehr. Ich wähnte mich am Ziel meiner Sehnsüchte, doch in Wirklichkeit gehörte sein Herz mir niemals! Das wurde mir schmerzlich klar, als ich ihn mit Lucrezia in flagranti erwischte und er mir wegen meiner bestürzten Miene geradewegs ins Gesicht lachte! Er erklärte mir rundheraus, dass er nie etwas für mich empfunden habe und Sex sei für ihn nun mal ein reines Vergnügen, mehr nicht! Bald darauf verließ er mein Haus und mich, und ich sah ihn erst wieder, als er mit Dir und Deinen Gefährten in Rom auftauchte. Du hast es vermutlich nicht gewusst, aber schon zu diesem Zeitpunkt war er Dir verfallen. Ich wusste es vom ersten Moment an. Wie er Dich ansah und an Deinen Lippen hing, das war nicht zu übersehen! Und obwohl ich es für eine Art ausgleichende Gerechtigkeit hielt, dass er sich nun in einer ähnlichen Lage befand, wie ich am Anfang unserer Bekanntschaft, kannst Du Dir nicht vorstellen, wie heftig meine Eifersucht war! Ich beneidete Dich und hätte alles darum gegeben, an Deiner Stelle zu sein! Ich denke, in dieser Eifersucht lag auch der Grund dafür, dass ich mir die größte Mühe gab, Dir den Aufenthalt zu verleiden. Ich entschuldige mich in aller Form dafür!" Er warf Dimitri einen Seitenblick zu. "Leider führte Eure Partnerschaft ja auch zu nichts Gutem, wie wir beide wissen, und als ich eines Tages hörte, dass er vernichtet worden war, dachte ich, nun sei alles vorbei. Die letzten Jahrhunderte strichen beinahe unbeachtet an mir vorüber. Ich blieb für mich und ließ mich auf niemanden ein. Aber dann spielte das Schicksal mir noch einmal eine Chance zu! Ich traf Grigorij wieder, und er lud mich zu sich ein. Ich wollte zuerst nicht, aber er bestand darauf. Und dann bist Du mit einem Mal dort aufgetaucht, und ich hörte, wie Grigorij Dir den Rat gab, Tifans Nachkommen ausfindig zu machen. Ich folgte Deiner Spur, und nun stell´ Dir meine Überraschung vor, als ich Sergej zu Gesicht bekam! Er gleicht Tifan fast aufs Haar und doch ist er völlig anders als er! Verstehst Du, das ist meine zweite Chance! Ich werde ihn mitnehmen, und er wird mich nicht zurückweisen, so wie sein Urahn es getan hat! Er wird mich lieben, da bin ich sicher!“
Strahlend wandte er Dimitri das Gesicht zu, und der schüttelte fassungslos den Kopf.
„Du bist ja völlig verrückt! Woher willst Du wissen, wie er sich entscheidet? Er kennt Dich doch gar nicht!“
„Oh – er wird mich schon kennenlernen, sei unbesorgt! Du willst ihn töten, aber ich werde ihn auf Händen tragen! Was glaubst Du, wofür er sich entscheiden wird, wenn er erst weiß, welche Absichten Du hegst?“
Dimitri sah wieder vor sich, wie Sergej an Ragnars Lippen gehangen hatte, den Gesichtsausdruck, als dieser ihm die alten Geschichten erzählt und ihn mit seinem Charme übergossen hatte.
Plötzlich wallte ein neues Gefühl in seiner Brust auf und seine Fantasie gaukelte ihm Bilder von Sergej in Ragnars Armen vor. Wütend sprang er in die Höhe und baute sich vor dem Rothaarigen auf.
„Wag´ es ja nicht und erzähl´ ihm davon! Ich schwöre, ich bring´ Dich um, wenn Du das tust!“
„Ach ja?“ Ragnar lächelte diabolisch. „Das möchte ich gern sehen! Ich bin doppelt so alt wie Du und könnte Dich wie eine Fliege zerquetschen!“
Ein leises Quietschen erweckte ihre Aufmerksamkeit, synchron drehten sie die Köpfe und ihr Blick fiel auf die Gestalt, die mit gesenktem Blick im Rahmen der geöffneten Tür stand. Sergej!
Ein Blick in sein Gesicht zeigte Dimitri deutlich, dass er mehr gehört hatte, als er jemals hatte hören sollen, und er fluchte unterdrückt.
„Was machst Du hier?“ rief er. „Geh´ zurück in Dein Zimmer! Ich dulde es nicht, dass Du mir nicht gehorchst!“
Sergej hob das Gesicht, und seine Miene war eine Mischung aus Schock und Unglauben. Ragnar stemmte sich aus dem Sessel hoch und ging auf ihn zu.
„Bleib´ weg von ihm!“ herrschte Dimitri ihn an, doch der Rothaarige würdigte ihn nicht einmal eines Blickes, als er antwortete: „Warum sollte ich? Es sieht ganz so aus, als hätte Sergej gerade ein paar Dinge erfahren, von denen er bislang keine Ahnung hatte und die ihn ziemlich mitnehmen. Ist es nicht so, mein Lieber?“
Er streckte die Hand aus und legte seine schlanken Finger auf Sergejs Schulter. Der Schwarzhaarige knirschte mit den Zähnen. „Sergej!!“ blaffte er ungestüm, doch der sah ihn nur an und fragte: „Ist das wahr? Du willst mich töten?“
Da war sie, die Frage, welche Dimitri insgeheim gefürchtet hatte, und er sah stumm zur Seite, denn er wollte sie nicht beantworten. Doch das war schon genug für Sergej, und er flüsterte: „Warum?“
Ragnar antwortete an Dimitris Stelle: „Weil Du ein Nachkomme von Tifan bist, der ihn und seine Gefährten vor langer Zeit an einen Vampirjäger verriet. Dadurch wurden sie alle vernichtet, und nur Dimitri hatte Glück im Unglück. Er wurde zu Asche, aber nicht vollständig ausgelöscht und konnte sich zweihundert Jahre später regenerieren. Er giert nach Rache, aber Tifan wurde bereits vernichtet. Darum wollte er sich an Dir schadlos halten. Du siehst aus wie Tifan und entstammst seiner Blutlinie, warst also der ideale Kandidat.“
Er warf einen Blick zu Dimitri, der schweigend vor ihnen stand und sie finster anstarrte.
In Sergejs Gesicht konnte man in diesem Moment lesen, wie in einem offenen Buch. Seine Emotionen huschten deutlich sichtbar über seine Miene, wechselten wie die Bilder einer Laterna Magica, und er rührte sich nicht.
Damit hatte er nicht gerechnet. Natürlich, Dimitri war sein Meister, und er kannte ihn praktisch nur streng und unnahbar, manchmal regelrecht kalt, aber es gab doch auch immer wieder Momente, wo Sergej ahnte, dass dies nur eine Fassade war, hinter der sich ein ganz anderer Dimitri verbarg.
Bisher war es ihm jedoch noch nicht gelungen, vollends hinter diese Fassade zu blicken, und er hatte sich oft gefragt, was der wahre Beweggrund dafür war, dass Dimitri ihn zu sich geholt und verwandelt hatte.
Und nun, als er all seinen Mut zusammen genommen und entgegen der Anweisung seines Meisters sein Zimmer noch einmal verlassen hatte, weil er Ragnar um weitere Informationen bitten wollte, die vielleicht Licht ins Dunkel bringen konnten, da hörte er, dass Dimitri ihn töten wollte!
Das ergab doch überhaupt keinen Sinn, oder?
Warum hätte Dimitri ihn zu einem Vampir machen sollen, wenn er plante, ihn zu vernichten? Es wäre doch wesentlich einfacher gewesen, ihn gleich beim ersten Angriff umzubringen!
In seinem Kopf ging alles durcheinander und er verstand überhaupt nichts mehr.
Plötzlich spürte er, dass Ragnar seine Hand ergriff. Wie betäubt sah er hoch und begegnete dem Blick des fremden Vampirs. Seine grünen Augen glühten geradezu, als er Sergejs Fingerspitzen an seine Lippen führte und sagte:
„Du hast die Wahl, Sergej! Sag´ nur ein einziges Wort und ich nehme Dich sofort mit mir, bringe Dich weit weg von hier! Dimitri will Deine Vernichtung, aber ich biete Dir meinen Schutz an! Komm´ mit mir, und ich verspreche, Du wirst es nicht bereuen!“
Sergej verstand kaum, was er da hörte, war gefangen in einem Strudel aus Angst und Leere. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit brach das Gefüge seiner Existenz in tausend Stücke. Ihm wurde klar, dass er Dimitri trotz allem vertraut und sich völlig auf ihn verlassen hatte, auch wenn er ihm manchmal Furcht einflößte. Und nun war dieses Vertrauen mit einem Schlag zerstört – was sollte er also tun?
Er kannte Ragnar nicht, aber im Augenblick war die Wahl zwischen ihm und Dimitri gleichbedeutend mit einer Wahl zwischen Leben und Tod, zwischen Fortbestand und völliger Vernichtung.
Sein Blick pendelte hektisch zwischen den beiden Vampiren hin und her, und Dimitri versuchte es erneut mit Strenge.
„Sergej!“ donnerte er. „Komm´ her zu mir! Sofort!“
Sergej zuckte zusammen und sah zu Ragnar auf, der noch immer dicht vor ihm stand. Einen Moment zögerte er noch, dann nickte er Ragnar zu, und im gleichen Augenblick umfasste dieser Sergejs Hüfte, zog ihn an sich heran und verschwand mit ihm.
Dimitri hatte nur Sekundenbruchteile gebraucht, um zu verstehen, wie sich Sergej entschieden hatte und war mit einem Aufbrüllen und vorgereckten Händen auf sie zu gestürzt. Doch es war zu spät – er bekam nur noch leere Luft zu fassen, sie waren beide fort.


Ende des 1. Teils


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Tag der Veröffentlichung: 27.01.2012

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