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Ach, was waren das für glückliche Zeiten, als meine Kinder noch klein und süß waren, friedlich im Wagen vor sich hin schlummerten und man genau wusste, wenn sie schreien, gibt es nur eine Handvoll an Gründen, nämlich Hunger, Hose voll, zu warm, zu kalt oder zu allein. Aber man lernt ja immer erst schätzen, was man hat, wenn man es eben nicht mehr hat!
Natürlich waren meine Süßen auch anstrengend, sie kosteten Zeit und Nerven, wie jedes kleine Kind, aber zumindest lagen sie sich noch nicht wegen jeder hirnrissigen Kleinigkeit in den Haaren und verlangten lautstark nach meiner Solidarität oder der ihres Vaters im Kampf gegen ein oder mehrere Geschwister.
Heute sind meine Sprösslinge 10, 13 und 15 Jahre alt, und gerade die beiden Jüngeren können streiten, dass ein Bürgerkrieg dagegen wie eine Erholung anmutet!
Im Ernst – Palästinenser und Israelis würden vor Neid erblassen, könnten sie sehen, mit welcher Vehemenz bei uns um Kleinigkeiten gefochten wird bis aufs Messer! Grenzstreitigkeiten? Pah! Kinderkram! Hier geht es um existenziell wichtige Fragen, wie z.B. wer an der Reihe ist mit Spülmaschine ausräumen, Tisch decken oder Müll rausbringen!
In Abwandlung eines Zitats von Jürgen von der Lippe möchte ich manchmal fragen: Warum streiten Kinder? Na? Klar: Weil Sie´s können!
Und ich habe wahrhaftig schon einmal zu meinem Mann gesagt: "Schatz, hilf mir doch mal auf die Sprünge - wieso wollten wir nochmal Kinder haben?"
Besagter Erzeuger dieser kleinen Kampfhähne bekommt davon allerdings nur selten etwas mit, da er unter der Woche den ganzen Tag aushäusig ist und oft erst nach Hause kommt, wenn die Wogen - etwa eine Stunde vor dem Schlafengehen - wieder geglättet sind. Dann trifft mich gelegentlich ein verständnisloser Blick, wenn ich nun meinerseits gereizt auf Kleinigkeiten reagiere, und auch meine oft umständlich anmutenden Erklärungen, wie sich ein Streit woran entzündet hat und welche Stadien er im Einzelnen durchlaufen hat, ändern daran - praktisch nichts.
Ein gebrummeltes „Aha.“ ist für gewöhnlich das Höchste der Gefühle, dass für mich rausspringt, und selbst in meinen eigenen Ohren klingt es oft genug seltsam, wenn man den Ausgangspunkt der Fehde beim Namen nennt.
Falls dann mal ein langes Wochenende ansteht, oder ein Urlaub und währenddessen ein solcher Konflikt ausbricht, steht mein Ehemann davor, wie das berühmte „Kind beim Dreck“ und staunt, welche Ausdrücke aus den süßen Kindermündern fliegen, während ich nur ungerührt zusehe und die Streithähne irgendwann trenne – auf die eine oder andere Art...
Das soll nun nicht heißen, dass mein Göttergatte keine Ahnung von Erziehung hat, oder sich nicht um selbige kümmert, beileibe nicht, aber so sind nun mal die Tatsachen. Wir sind (leider?) eine reichlich spießige Familie, wo er der Ernährer ist und ich die Vollzeitmama.
Und so eine echte Vollzeitmama hat meiner Erfahrung nach wenig mit der immer strahlenden, stets gepflegten Lächelmutti aus der Fernsehwerbung gemeinsam, sondern sie rotiert auch schon mal zwischen Schule, Einkaufen, diversen Kindertransporten, Streitschlichten und dem bisschen Haushalt derart, dass sie abends, wenn der Gatte nach Hause kommt, müde und verschwitzt im Sessel hängt und statt des erwarteten Vier-Gänge-Menüs aus gesunden, frischen Zutaten nur Dosenravioli auf den Tisch bringt.
Bei genauer Betrachtung ist es ja eigentlich meistens die Mutter, die herhalten muss, wenn was schiefläuft. Sei es, dass der Sohnemann in der Schule querschlägt und die Versetzung gefährdet ist, oder wenn die Älteste ihre ZZM (Z

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inuten) durchmacht. Ja, selbst, wenn es nur sowas vergleichsweise Harmloses ist, wie eine militante Rentnerin, die sich davon gestört fühlt, dass die Kinder im eigenen Garten etwas so Verwerfliches tun, wie lautstark zu spielen, selbst dann ist es primär die Mutter, die zur Schnecke gemacht wird.
Ich erinnere mich an eine Situation, wo ich auf einem Parkplatz stand und Zeuge wurde, wie ein mir wildfremder, etwa zehnjähriger Junge aus einer Parklücke hervorschoss und einer Autofahrerin vor die Kühlerhaube lief.
Es passierte Gott sei Dank nichts, aber die geschockte und erboste Fahrerin kurbelte ihr Fenster herunter und überschüttete mich auf der Stelle mit Vorwürfen, ob ich nicht besser auf mein Kind aufpassen könne, obgleich der Junge sofort zu einem Mann auf der anderen Seite der Fahrzeugreihe gelaufen war, den ich – natürlich – überhaupt nicht kannte.
Auf meinen Einwand, dass dies nicht mein Sohn sei, erntete ich nicht etwa eine Entschuldigung, sondern nur einen bösen Blick...
Fazit: Die Mutter ist immer schuld!
Und natürlich bin ich auch eine voreingenommene Rabenmutter, denn ich stehe keinem meiner Kinder in den unzähligen Auseinandersetzungen, denen sie sich tagtäglich stellen müssen so bei, wie sie sich das wünschen, sondern bestehe auf solch unsinnigen Dingen wie Fairness und Kompromissbereitschaft, ts, ts, ts!
Nun habe ich grundsätzlich keine Probleme damit, wenn meine Kinder streiten. Ich selbst war ein Einzelkind und von daher bestand nie die Notwendigkeit für mich, mit jemandem um irgendetwas zu streiten.
Das Ergebnis davon ist, dass ich bis heute bei Auseinandersetzungen meistens diejenige bin, die klein beigibt, bzw. versuche ich Streit meistens von vornherein aus dem Wege zu gehen … was mit steigendem Alter meiner Kinder logischerweise schwieriger wird.
Und selbstverständlich habe auch ich schon gebrüllt, dass ich hinterher heiser war.
Allerdings geht mir das Verständnis für manche Streitgründe meiner Kurzen völlig ab. Kein Anlass ist zu trivial, als dass man daran nicht eine veritable Vendetta entzünden könnte, und mir bleibt jedesmal nur, mit offenem Mund daneben zu stehen und zu staunen.
Einen Trost (?) habe ich allerdings: Sobald es darum geht, dass ein elterliches Edikt durchgesetzt werden soll, halten sie wieder zusammen - wie der sprichwörtliche Pech und Schwefel! Das nenne ich Geschwisterliebe!

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Texte: Cover: 220909_R_K_B_by_S. Hofschlaeger_pixelio.de.jpg
Tag der Veröffentlichung: 16.10.2011

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