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Lange war es her,
da tanzte sie unter der Frühlingssonne,
leicht und behende,
von allem unberührt,
unbeschwert.
Jahre vergingen.
Schicht um Schicht
bildeten sie auf
ihrem Herzen,
aber sie merkte es kaum.
So wuchs ein Panzer,
eine Kruste
auf ihrer Seele,
Schutz
und Hindernis zugleich.


Und dann kam der Tag,
da reckte sie ihr Gesicht
in die Frühlingssonne,
genau so wie einst
und wollte tanzen,
doch ihre harte Schale
verhinderte es.
Erstaunt besah sie sich
von oben bis unten,
doch erkannte sich nicht.
Wo war das junge Mädchen geblieben?
Wo der funkelnde Übermut?
Der biegsame Körper
und die sprühende Freude?
Wer war diese gebeugte, alte Frau?


Sie sah genauer hin
und entdeckte plötzlich:
Die Tänzerin von einst
war noch da,
begraben
unter einer dicken Patina
aus Alltag.
Und als sie ihre steifen Arme zwang,
sich zu beugen
und die müden Beine,
sich zu heben,
da sprang sie auf!
Risse wie Kluften
bildeten sich,
Sprünge wie Schluchten
ließen sie von ihr abfallen.


Frei, befreit
fühlte sie sich.
Froh war sie
und glücklich,
am Leben zu sein.
Doch da kamen Andere
und deuteten mit den Fingern:
„Seht sie Euch an!“
„Die alte Kuh!“
„Was bildet sie sich ein?“
„Schämt sie sich nicht?“
Und sie hielt inne,
sah an sich herab
und erkannte,
dass die jugendliche Tänzerin
noch immer
Vergangenheit war.


Schon wollte sie sich verstecken,
beschämt und gedemütigt,
doch plötzlich
sah sie die an,
die sie verächtlich musterten.
Jung waren sie,
und in ihrer Vorstellung
würden sie es auf ewig sein.
Genau wie sie auch,
vor so langer Zeit.


Da reckte die Tänzerin den Kopf
und lachte in die Frühlingssonne.
„Mein Körper ist alt geworden,
mag sein,
aber mein Herz ist jung
und wird es auch immer bleiben!
Könnt Ihr das auch von Euch sagen?“
Sie verstanden es nicht,
schauten weg,
denn die verrückte Alte
war ihnen peinlich.
Doch der alten, jungen Tänzerin
war nichts mehr peinlich,
nie wieder,
solange sie lebte
und tanzte...

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Texte: Cover: 442326_R_by_Rike_pixelio.de.jpg
Tag der Veröffentlichung: 05.10.2011

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Widmung:
Dies widme ich allen, die sich darin wiedererkennen. Eine späte Erkenntnis ist oft besser, als gar keine.

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