Tischgebet und Gottesdienst um 2010
Friedel Müller (Name geändert) ist Bundestagsabgeordneter der CDU. Zu seinem Geburtstag ist die Familie am Mittagstisch versammelt.
„Wir wollen vor dem Essen beten, wie die Alten es uns gelehrt haben:“
Die Familie ist Einiges gewöhnt von ihm und faltet nach alter Sitte die Hände, schaut demutsvoll darauf und lauscht, wie des Vaters Stimme die Feierlichkeit eines Diener Gottes annimmt:
„Lieber Vater Müller-Sho-An.
Wir danken Dir, daß wir unseren Tisch wieder so reichlich decken durften.
Du hast wieder alles so wundersam gerichtet, auf das es uns gut gehe und wir ein langes Leben haben.
Amen.“
Man beginnt mit dem Mahl. Die Teller und Löffeln klappern. Doch die Gehirne grübeln. Was war das jetzt eigentlich?
Ein Enkel unterbricht als erster die leise Unruhe im Zimmer:
„Opa, wer ist denn der Müller-Sho-An, zu dem wir gebetet haben?“
„Es ist ein Ur-Ur-Enkel von Dir.
Du kannst ihn noch nicht kennen. Er wird erst 2085 geboren.“
Die Familie hält im Essen inne und sieht den Vater und Opa ratlos an.
„Was haben wir mit Leuten zu tun, die es noch gar nicht gibt?“, platzt der Enkelsohn heraus.
„Wir haben uns von ihm Geld geliehen, damit wir unsere Kriege bezahlen, den Reichen ihren Reichtum, wir uns den Geburtenrückgang leisten können und damit es uns trotzdem heute so gut gehen kann.“
Der Opa sagt es etwas zerknirscht, beschämt und hart. Als möchte er sich damit von einem schlechten Gewissen freikaufen. Man sieht es ihm an, daß es ihm nicht gelingt.
„Aber Opa“, sagt die Schwiegertochter, “Ich denke, die Schuldenlast hat unsere Staat doch viel eher schon abbezahlt. Soviele sind es nun auch wieder nicht. Ich glaube es sind 20.000 ¤ je Bürger“
„Ist ja gut, wir haben verstanden. Doch es ist schlimmer, als ihr denkt.
Erstens haben wir gegenwärtig nicht einmal jedes Jahr das Geld, um die laufenden Zinsen für den Schuldenberg von fast 2 Billionen Euro – allein in Deutschland - bezahlen zu können.
Zweitens wird es den nächsten Generationen viel schwerer fallen, keine neuen Kredite aufzunehmen und auch noch die alten, also die Schulden der Eltern, Großeltern und Urgroßeltern abzubezahlen. Denn alles im Leben wird für sie teurer und komplizierter werden…“
„Und drittens,“ fällt ihm die Oma ins Wort, „hörst du wenigstens beim Essen mit diesem Thema auf. Da kann einem ja der Appetit vergehen, mit deinem ewigen Problemen.“
Da schweigt der Opa wieder einmal, seiner Frau zu liebe.
Die Familie ist unterschiedlich am Gesprächsinhalt interessiert. Seine zwei Kinder und deren Ehepartner wollen auch, daß dieses leidliche Thema verbannt wird. Sie kennen ihren Vater und seine Argumente. ‚Diese seien nicht für Familienfeiern geeignet‘, meinen sie. Deshalb geben sie Muttern recht.
Doch die drei Enkelkinder lassen keine Ruhe. Sie wollen mehr wissen. Aber wie sollten sie das anfangen, ohne daß es gleich wieder Theater gibt?
„Du, Opa,“ beginnt die älteste Enkeltochter, „warum heißt der Ur-Ur-Enkel nicht Müller, wie wir auch, sondern hat noch so einen chinesischen Namen dranhängen?“
„Ja, Väterchen, daß würden wir auch gern wissen,“ ruft der kleinste, noch unverheiratete Sohn dazwischen.
„Nun denkt einmal nach.“
Er läßt eine Pause, in dem die Spannung leicht ansteigen soll.
„ Weil die Chinesen in 60 Jahren so eine Weltmacht sein werden, wie es die USA vor 30 Jahren war. Weil wir dann mit chinesischen Kulturgut überschwemmt werden, mit Filmen und Musik, mit Büchern und Spielzeug, mit Kleidung und Nahrungsmittel – mit allem. Und weil es die neuen Generationen geil finden werden, übernehmen sie deren Kulturgut bis hin zur Namensgebung.“
„Das wäre ja noch schöner, wenn wir alle Chinesisch würden, nur weil die die neue Weltmacht sind. Man muß doch auch einen Nationalstolz haben und sein Kulturgut verteidigen.“
Die Schiegertochter spricht es ungläubig und fast empört aus, was wohl alle am Tisch dachten.
Opa sagt nur zwei Sätze dazu und damit ist das Thema für den Augenblick gestorben.
„Ja, liebe JENNY-VIVIEN, Menschen sind halt so. Denkt einmal darüber nach, wie sich unsere Generationen bis heute verhalten haben.“
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Tags drauf finden wir Friedel Müller im Gottesdienst seiner Heimatgemeinde wieder.
Wir wollen einige Auszüge aus diesem Sonntags-Gottesdienst in uns aufnehmen.
„Wir hören Gottes Wort aus dem zweiten Buch, die Verse 12 bis 19“,
sagte der Geistliche. Die Gemeinde erhebt sich bei diesem Satz, wie gewohnt von den harten Bänken, streicht sich über den geplagten Hindern und Rücken, faltet die Hände und hört gebannt auf die heiligen Worte:
„Als Gott auf Sodom und Gomorra blickte,
sah er auch,
wie die Menschen über ihre Verhältnisse lebten.
Der Wein floß die Straßen entlang,
während die Kinder keine Milch hatten.
Damit kein Unkraut die Ernte verdarb
ließen sie arme Nachbarn.
ohne eine angemessene Entlohnung.
für sich arbeiten.
Ihr Hab und Gut verpfändeten sie,
auf ihrer Kinder und Kindeskinder Namen.
So hatten sie Zeit
um in fortwährender Freude und Lust
untereinander Unzucht
und anderes Sündiges zu treiben.
Nicht war ihnen Heilig.
Ihrer Vergnügungen wegen
waren sie bei allen vorbeiziehenden
Hirten und ihren Familien
beliebt,
aber gehaßt,
von ihren betrogenen Vertrauten.“
Nachdem die Gemeinde wieder Platz genommen hatte, ergänzte er:
„Ihr wißt, wie die Geschichte endete.
Gott der Herr vernichtete die Stätte der Sünde und nur Lot mit seinen zwei Söhnen konnte der Gottes-Strafe entkommen.“
Später, von der Kanzel herunter, spricht der Prediger recht ausführlich über die Schuldenberge, welche unsere Generationen des 20. Jahrhunderts denen ‚Nach-Uns‘ hinterlassen werden. Und er rechtfertigt die Schulden mit einem, in einer Kirche, doch außergewöhnlichen, politischen Kommentar:
„Es geschah dies in der guten Absicht. Wir wollten unbedingt den Krieg gegen den Kommunismus mit friedlichen Mitteln gewinnen.
Der Kalte Krieg
mit dem wahnsinnigen Wettrüsten,
mit den Aufwänden für Sabotage
und 40 jährige psychologische Unterwanderung der DDR,
mit der zur Verführung der Ostdeutschen
inszenierten sozialen Marktwirtschaft,
mit der wirtschaftlich-ökonomisch mißlungenen Wiedervereinigung
haben uns Unmengen gekostet.
Nun gut. Ende gut – alles gut. Wir haben den Sieg errungen und dafür durfte uns kein Opfer zu gering sein.
Ich aber sage euch:
wir haben es nicht nur für uns getan,
sondern für unsere Kinder und Kindeskinder.
Sie werden in einer freien Welt leben
und vor den Verführungen des Sozialismus sicher sein.“
Bei diesem Satz ging ein höhnisches Raunen durch das Kirchenschiff.
„Nur müssen wir heute ehrlich zu uns selbst sein.“
fuhr er fort.
„Der Wohlstand, den wir dem Osten vorgegaukelt haben –
nein vorgaukeln mußten, damit wir überleben! –
hat uns natürlich selbst gefallen.
Wir wußten, daß es zu Lasten späterer Generationen sein wird, aber es mußte sein.
Wir mußten die vielen Ferienreisen nach Italien und Spanien auf uns nehmen, um zu zeigen, wie frei und reich wir alle sind. Die Reichen ebenso wie die Arbeitslosen, die Arbeitsnehmer wie die Rentner. Sitzen alle in einem Boot. Haben alle ein Auto, einen eigenen Psychiater, eine intakte Wohnung usw..“
Wenig später beginnt der Priester in Vorbereitung auf das Abendmahl mit dem Sündenbekenntnis der Gemeinde in einen für diesen Tag modernisierten Text, welchen die Gemeinde stellenweise, wo sie ihn kennt auch mitmurmelt:
„An die Generation unserer Enkel, Ur-Enkel und Ur-Ur-Enkel !
Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen
Wir armen, elenden, sündhaften Menschen,
bekennen Euch all unsere Sünden und Missetaten,
womit wir Euch jemals erzürnt
und eine Strafe zeitlich oder ewiglich verdient haben.
Sie sind uns aber herzlich leid,
und wir bereuen es sehr,
und wir bitten Euch,
in Eurer grundlosen Barmherzigkeit,
Ihr möget uns armen, elenden, sündenhaften Menschen
gnädig und barmherzig sein,
uns all unsere Kredite bezahlen
und uns zu unserer Besserung Eure Kraft verleihen.“
Das Orgelspiel, was im Hintergrund dazu ‚Herr, erbarme dich – Christe, erbarme dich‘ gespielt hat, klingt reumütig aus. In diese Stille hinein singt nun der Priester nach der uralten Leier mit ausgebreiteten Armen, der sündigen Gemeinde zugewandt:
„Auf solch euer Bekenntnis,
so ihr es ehrlich bereut
und euch zur Besserung entschlossen habt,
verkündige ich euch
als verordnete Diener unsres Herrn,
im Namen Gottes, des Vaters des Sohnes und des Heiligen Geistes
die Vergebung all eurer Sünden und Missetaten.
Amen.“
Als am Schluß die Gemeinde aus der Kirche strömt, schreitet der Bundestagsabgeordnete Müller aus dem Landkreis auf den Priester zu, um mit ihm unter vier Augen, betont wichtigtuerisch vor seinen vorbeiziehenden Wählern, noch kurz über den Gottesdienst und seine persönlichen Probleme zu sprechen.
„Herr Pfarrer, ich bedanke mich, daß sie heute die Schuldenlast, welche die gegenwärtigen Generationen unseren Enkeln und Urenkel aufgebürdet haben, als Thema ihrer Predigt und des Abendmahls wählten.“
„Aber das ist doch selbstverständlich. Sie baten mich doch darum und wenn meine Partei einen Wunsch hat, dann ist es für mich wie ein Befehl von Gott.“
„Das ist ja eine recht ordentliche Einstellung von ihnen.
Seis drum.
Für mich sind allerdings zwei Fragen offen geblieben.“
Der Herr Pfarrer macht eine einladende Handbewegen, ‚nur zu‘ andeutend.
„Zuerst: Beim heutigen Wort Gottes haben sie eine Bibelstelle zitiert, von der ich noch nie etwas gehört habe.“
„Sie haben vollkommen Recht. Es zeigt, was für ein guter Bibelkenner sie sind.
Ich hatte die ganze Bibel durchsucht, um eine passende Stelle zu finden, die zu unserem unglaublichen Schuldenberg passen könnte. Aber er ist einmalig in der 5.000 jährigen Religionsgeschichte. Man sagt ja, in der Bibel gibt zu allem Menschlichen eine passende Stelle.
Ich fand jedoch nichts.
Da habe ich selbst eine Geschichte etwas verändert.“
„Und das kann man dann als Gottes Wort ausgeben?“ Friedel Müller, ein studierter Rechtsanwalt, ist stark im Zweifel und sagt es vorwurfvoll.
„Man kann, mein Sohn, man kann.
Da ich Gottes Diener bin, hat er mir diese Worte eingegeben. Wie Gott Moses die verschiedensten Order gab, hat er mir wohl auch diese Weisheit und Vollmacht gegeben.
Ich habe natürlich nicht das Buch Moses erwähnt, woher die Bibelstelle eigentlich stammen müßte, sondern nur von irgendeinem Buch gesprochen.
Aber was war ihre zweite Frage?“
‚Wo er Recht hat, hat er Recht‘, denkt sich Müller und geht zum nächsten Thema über:
„Die Schuld, die wir gegenüber den nächsten Generationen haben, ist also mit dem heutigen Abendmahl vergeben?“
„Jawohl,“ antwortet der Seelenhirt sicher und sieht dabei etwas spitzbübischer aus, als ein so ehrwürdiger Mann eigentlich aussehen dürfte.
„Gott hat IHNEN – also nur die hier anwesend waren – die Schuld vergeben.
Wer nicht um Vergebung bittet, kann auch keine Vergebung bekommen.“
„Also müßte die CDU/CSU-Fraktion des Bundestages in ihrem Gottesdienst kommen, damit…“
„So in etwa,“ fiel der Pfarrer ins Wort.
„Jedoch bedenken sie, nur Gott hat ihnen heute vergeben!
Ob ihnen die Enkel, Ur- und Ur-Ur-Enkel je vergeben können, ist eine andere Sache.
Darauf habe ich und haben natürlich auch der Vater und der Sohn und der Heilige Geist KEINEN EINFLUSS!“
„Aha, natürlich, da haben sie Recht.“ Der religionstreue Abgeordnete wird sehr nachdenklich. Da hat sich ja für ihn überhaupt nichts geändert. Wie steht er nun immer noch vor seinen Nachkommen da!
Der Pfarrer bemerkt, welchen seelischen Schlag diese Erkenntnis den wackeren Christenmenschen versetzt hat und versucht ihn zu trösten:
„Unsere Nachkommen stehen natürlich vor demselben Dilemma, wie wir. Als Christenmensch sind wir angewiesen, UNSERE FEINDE ZU LIEBEN, WIE UNS SELBST.“
„Wir sind doch aber nicht die Feinde unserer Nachkommen. Wir sind doch ihrer verehrungswürdigen Ahnen.“ Müller hat da noch seine Zweifelt.
„Verehrungswürdig?“ Der Pfarrer macht eine kleine Pause, als wollte er darauf eingehen, entschließt sich dann aber anders.
„Das schon. Aber unser Herr Jesus hat das auch abstrakter gemeint. Im Vaterunser sagt er es uns deutlicher, denn wir sollen beten
‚… und vergib uns unsere Schuld,
WIE AUCH WIR VERGEBEN
UNSEREN SCHULDIGERN….‘
Also, wenn die nächsten Generationen in den Himmel kommen wollen, müssen sie uns vergeben. Ob sie wollen oder nicht.
Doch ob sie uns die an sie vererbte Schuldenfalle wirklich vergeben, ist somit nicht unser, sondern deren Problem!“
„Aber im schlimmsten Falle kommen unsere Nachkommen durch unsere Schuld nicht in den Himmel, weil sie uns nicht vergeben können?“
Der Abgeordnete ist es gewohnt, die Sache auf den Punkt zu bringen.
„Machen sie sich mal keine Sorgen. Das ist eine andere Generation. Die haben andere Ärgernisse und Probleme, Verführungen und Sündenmöglichkeiten als wir. Wer weiß, ob die uns nicht sogar verfluchen, weil wir den Sozialismus bekriegt haben. Der Kapitalismus soll ja auch nicht das Optimale sein.“
„Aber Herr Pfarrer, das aus ihrem Munde!“
Der Abgeordnete ist so beschämt, wie eine Jungfrau, die das erste Mal vom Koitus Interrupts hört.
„Ich wollte sagen, die werden einmal ganz andere Sünden begehen, für die sie nicht in den Himmel kommen, da sind unsere heutigen Bedenken ein Krümelchen dagegen.“
Nun ist die Seele dieses CDU- Mannes endlich in eine vorläufige Ruhigstellung gebracht, weshalb er sich spontan verabschiedet, ehe neue Zweifel aufkommen.
„Herr Pfarrer, ich danke ihnen für diese Worte.
Nun wollen wir nur hoffen, daß unsere Nachkommen auch noch so gutgläubig – Verzeihung, so gottgläubig sind, wie wir heute.“
Das „Amen“ des Priesters ist im mehrfachen Echo der alten Kreuzgewölbe kaum verhallt, da fällt ihm noch etwas Wichtiges ein. Er lauft den in seine Sakristei eilenden Geistlichen hinterher...
„Herr Pfarrer, noch auf ein Wort, bitte“
Der Gottesmann wendet sich dem emsigen Politiker noch einmal höflich zu und läßt ihm seine Aufmerksamkeit erkennen.
„Wir haben doch heute eigentlich nur über Kreditschulden gesprochen, die der Bund über die Jahre aufgenommen hat.“
„Ja, natürlich. Aber auf was wollen sie hinaus?“ kommt etwas ungeduldig dessen Gegenfrage.
„Unsere Generationen haben .den folgenden - also unseren Enkeln und Ur-Enkeln - doch auch noch den unschätzbaren MATERIELLEN Schaden zugefügt. Das Erdöl, das Erdgas, die Braunkohle sind so gut wie aufgebraucht. Alles was billig war und einfach zu gewinnen, haben wir verbraucht, ohne an unsere Kinder und Kindeskinder zu denken. Die Gashülle der Erde ist mit CO2-Gas klimaschädlich verunreinigt, die Erdkruste ist kontaminiert mit …“
„Ich weiß jetzt, was sie meinen. Das ist wahrlich der größte Schaden, den wir unseren Nachgeborenen hinterlassen!“
Dem Pfarrer läuft ein Schauer über den Rücken, während er darüber nachdenkt.
Sein Gesprächspartner will nun sofort wissen: „Und ist das heute auch mit vergeben worden?“
„Mein Sohn, wo denkst du hin. So etwas kann Gott nicht vergeben.“
„Wieso, ich denke immer, Gott kann …“
Er stutzt. Sein Gehirn läuft auf Hochtouren. Er wird direkt aggressiv.
„Woher wollen sie wissen, daß Gott das nicht will, nicht kann?“
„Bedenke, Gott hat uns das mit den Krediten vergeben können. Denn dafür sind wir allein haftbar. Kredit sind Menschenwerk – nicht seine Schöpfung.
Jedoch die Ressourcen Luft, Wasser, Energie, also die Naturreichtümer hat Gott vorausschauend selbst geschaffen. Und sie sollte noch für die nächsten Jahrhunderte ausreichen.
Aber wenn sich eine Generation Menschen anmaßt, für so viele und fürchterliche Kriege innerhalb nur eines Jahrhunderts und für so viel Klimbim, den der Mensch Wohlstand nennt, Gottes ganze Reserven aufzubrauchen, dann ,ist das nicht verzeihbar.“
„Und wenn Gott es nicht kann, dann kann es doch Jesus Christus tun. Schließlich hat er die Welt nicht geschaffen und…“
Der Pfarrer unterbricht ihn schroff: „Die Beiden halten zusammen. Da fällt nicht einer dem anderen in den Rücken, wie ihr das im Bundestags vielleicht gewöhnt seid.
Ich sage dir, such dir einen anderen Gott, mit dem du so einen Kuhhandel machen kannst. Mit meinem Gott geht so etwas nicht!“
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Drei Wochen später war der Herr Bundestagsabgeordneter Friedel Müller aus der Kirche und CDU ausgetreten.
Nachwort
Die kleine Erzählung ist zwar als Satire eingestuft, hat natürlich, wie Jedermann erkennen wird, einen sehr ernsthaften Kern: Wie verfährt man nun mit einer Schuld, die außerhalb heutiger Gerichtsbarkeit und Rechtsauffassung liegt. Einer Schuld, die man womöglich als solche erst in den nächsten Jahrzehnten einklagen wird, wenn die Schuldigen nicht mehr leben.
Ich habe sie sarkastisch in unsere heutige Zeit mit alten Auffassungen über den Umgang mit Schuld und Vergebung aufeinandertreffen lassen. Die Verunglimpfung der Religion stand nicht zur Diskussion, sondern deren Ohnmacht in dieser Angelegenheit.
Ich möchte mit diesem Nachwort versuchen, mich dem Thema noch etwas zu nähern.
Die Schuld, um die es geht, ist der materielle und ideelle Schaden, den wir Heutigen für Morgen hinterlassen.
DIE KATEGORIEN DER SCHULD
Es geht zusammengefaßt um folgende Kategorien der Schuld, die ich hier nicht extra quantifizieren muß, da die Größenordnungen weitgehend bekannt sind und es mir nur auf die Komplexität ankommt:
DIE FINANZSCHULD. Wie hoch die sein wird, ist unwichtig. Sie ist astronomisch und wächst täglich. Bei uns in Deutschland und in der ganzen Welt.
DIE UMWELTSCHÄDEN. Durch die Vernichtung CO2 bindender Pflanzen (Urwaldrodung …), durch Verwüstungen, Kontaminierungen, überproportionalen CO2 – Ausstoß gegenüber der Regenerationsmöglichkeiten unserer Erde, der Schädigung durch gigantische militärische Einlüsse (allein an die 2.000 Atom- und Wasserstoffexplosionen mit je dem Vielfachen von Hiroshima) bleiben Schäden zurück, die eine Erdbevölkerung von bald 10 Milliarden Menschen nicht ohne weiteres eliminieren kann.
DER RAUBBAU AN DEN RESSOURCEN. Die heutigen Generationen haben mehr Energie und Rohstoffe verbraucht, als alle bisherigen Generation in der 3 Millionen jährigen Geschichte der Menschheit. Gleichzeit haben wir die Naturreichtümer abgebaut, die relativ billig erreichbar waren. Viele Vorkommen sind in den nächsten 2 bis 3 Jahrzehnten aufgebraucht. Alternativen stehen uns noch nicht ausreichend zur Verfügung. Wir hoffen, daß die nächsten Generationen rechtzeitig Ersatz finden und entwickeln können. Er wird mit Sicherheit aufwendiger sein, als unsere heutigen Ressourcen.
DER RAUBTIERKAPITALISMUS. Der neoliberale Kapitalismus, unser heutiger Stolz, hat neben den Vorteilen einer im Konkurrenzkampf sich fast explosionsartigen Entwicklung der Produktivkräfte, folgende Nachteile: Er fordert ein freies, uneingeschränktes Unternehmertum, was eine anarchische Wirkung auf Wirtschaft und Gesellschaft hat. Es werden in Zyklen 20 bis 30 % mehr produziert, als im Markt verbraucht werden kann – die Folge sind Vernichtung von Arbeitsplätzen ohne Alternativen und Vernichtung von produzierten Werten (Arbeitskraft und Rohstoffe). Diese Verschwendung kann sich eine Erde mit 10 Milliarden Menschen nicht leisten. Fast 1/3 der Menschheit ist mit Machterzwingenden oder erhaltenden Aufgaben befaßt. Das Militärwesen ist mehrfach stärker entwickelt, als die friedensschaffenden und -erhaltenden Maßnahmen. Die Kräfte der Vernichtung haben solche Größenordnungen angenommen, die eindeutig erkennen lassen, daß hier Wahnsinnige am Werk sind.
DIE ETHIK UND MORAL. Wir hinterlassen Generationen, die eine Ethik und Moral in die Zukunft mit nehmen, welche sie nicht befähigt, die anstehenden Probleme in besserer Weise zu lösen, als wir es taten: Wir leben auf Kosten Anderer (ausgebeuteter Entwicklungsländer, Kredite, Raubbau…)
Wir leben egoistisch, auf das Individuum und die Familie bezogen. Uns fehlt in Größenordnungen der Gemeinsinn, wie sind politisch – gesellschaftlich in der Masse uninteressiert und inaktiv, die gesellschaftlichen Kräfte sind in viele Parteien und Interessengebieten zergliedert und zerstritten. Persönliche Bereicherung zu Lasten der Gemeinschaft nennen wir Kleppernis, die Kritik daran wird als Neidgesellschaft abgetan. Die persönliche Bereicherung an den Naturreichtümern – die allem Lebewesen gehören und unverkäuflich sind - nennen wir unverletzbare Grundrechte. Die Beherrschung der Wirtschaft und Gesellschaft, ihre Produktions- und Verteilungsverhältnisse, die Manipulierung der Menschen durch sogenannte freien Medien usw. durch eine Lobby von Mächtigen des Kapitals, der Politik, der sogenannten Eliten und Weisen nennen wir rechtsstaatlich und demokratisch. Besonders schlimm sind die in den ‚entwickelten Ländern‘ übliche Moral einer Wohlstands- und Wegwerfgesellschaft, die ohne geschichtliche und gesellschaftliche Verantwortung in den Tag hineinlebt – wir leben nur einmal – meinen Spaß will ich haben - den Nach-Uns wird schon etwas einfallen, wie es weitergehen wird; der Mensch ist doch erfinderisch! Ende der Beispiele.
WORIN LIEGT NUN EINE SCHULDHAFTIGKEIT?
Es ist die Schuld des aufwendigen, opferreichen Kampfes des Kapitalistischen gegen das Sozialistische Weltsystem. In diesen Heißen und Kalten Kriegen blieb alles auf der Strecke, was bei einer vernünftigen Betrachtung unterblieben wäre.
Es ist die Schuld des Kapitalismus, der eine Gesellschaftsform der Verschwendung (etwa 50% der Produkte (Kriegs- oder Zivilproduktion) sind der Vernichtung vorbehalten. Das anarchische – man nennt das freiheitliche – Wirken auf dem Erdball, insbesondere die Eroberung und Ausbeutung neuer Rohstoff und Absatzmärkte usw. hat die Erde ruiniert.
Es ist die Schuld der fehlenden oder einseitigen Bildung, des Verfalls der Kultur, die wir zugelassen und durch unser Mittun, gefördert haben (die verderbliche Wirkung des kommerziellen Fernsehens, die profitgierige Verbreitung bestimmter ‚amerikanischer‘ Werte z.B. der Gewalt, Verschwendung in Filmen, Musik, Fernsehen, Kleidung, Büchern – in Allem.
Es ist unsere Mitschuld durch falsche Wahlentscheidungen und ungenügende gesellschaftliche Kontrolle, durch unsere ungebremste Teilnahme an der vorgegaukelten Wohlstandsgesellschaft, von der wir wußten, daß sie uns in dem Umfang nicht zusteht, daß wir sie uns in dem Umfang nicht leisten können, daß sie zu Lasten der armen Länder und der Zukunft unserer Kinder erfolgt.
ZU UNSERER VERTEIDIGUNG KÖNNEN WIR ANFÜHREN:
Wir haben zwei Weltkriege erlebt und genossen den Wiederaufbau und Aufschwung, als Entschädigung für unzählige Entbehrungen und unbeschreibbar erlittenes Leid.
Die Vergeudung von Werten ist untrennbar mit dem Kapitalismus verbunden; wir haben keine besser Gesellschaftsordnung bisher und die es sein wollte, hat im gleicher Weise der Umwelt und den Ressourcen Schäden zugefügt.
Wir waren geblendet vom Wahn des Antikommunismus – Klassenkampf
Wir waren manipuliert durch die Mächtigen dieser Welt über unsere Bildung und Medien.
Wir wollten Vieles nicht wissen, haben uns mit einigen Spenden und Solidaritätsbekundungen das Gewissen besänftig. Wir haben unserer Kind Glück ständig im Mund, aber nicht im Gehirn und im Herzen gehabt, sonst hätten wir ihnen das nicht antun können.
Wir fühlten uns hilflos, ohne Alternative, der Situation ausgesetzt. Es fand keine Aufklärung statt, wir waren uns nicht einig im Handeln, wir glaubten an Gott und das es irgendwie weitergehen wird.
WAS IST VIELLEICHT DAS SCHLIMMSTE AN DER GEGENWÄRTIGEN LAGE?
Es gibt keine Korrektur in Politik und Gesellschaft, in Bildung, Ethik und Moral.
Wir kennen kein kollektives Schuldgefühl – Schuldbekenntnis.
Die Rufer in der Wüste verhallen in der gesteuerten Informationsüberschwemmung.
Um Vergebung können wir erst nachdenken,
wenn wir den unheilvollen Weg in die Schuld gestoppt
und Alternativen eingeleitet haben.
Texte: Alle Rechte beim Autor
Tag der Veröffentlichung: 08.02.2010
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