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Sonnenfinsternis
in Bayern


Wie wir erst kurz vor Redaktionsschluß erfuhren, wurde die Jahrhundert-Sonnenfinsternis in der bayrischen Gemeinde Wöhningen von dem katholischen Priester E.
Hatlemeyer (56) untersagt. In seiner Predigt am Sonntag, dem 1. August des Jahres widerlegte der Priester die Vorhersagen der Medien. Er predigte wörtlich:

"Ihr Kleingläubigen! Wie könnt ihr den vor der Jahrtausendwende produzierten Weissagungen mehr glauben als eurem Gott?
Wißt ihr nicht, daß vor allen derartigen Ereignissen, ja sogar vor Jahrhundertwenden der Untergang der Erde vorhergesagt wurde?
Aber Gottes Zorn ist nicht vorhersehbar!
Und auch eine Sonnenfinsternis ist ein natürlicher Vorgang, den man nicht zu sogenannten Wahrsagungen missbrauchen soll.
Ich aber sage euch: Es gibt gar keine Sonnenfinsternis in diesem Jahr!"

Und dann kam sein Hauptargument, welches schließlich auch den Gemeinderat in seiner eilig am nächsten Tag einberufenen Sitzung veranlaßte, sämtliche Veranstaltungen anläßlich der angekündigten Sonnenverdunklung abzusagen:

"Dabei ist es für Jedermann einfach zu überprüfen, daß es am 11. August überhaupt keine Sonnenfinsternis geben kann.
Seht. Zur Zeit haben wir Vollmond. Ihr wißt, daß jede Mondphase 28 Tage dauert, denn nach 28 Tagen haben wir wieder Vollmond. Demnach haben wir also in den nächsten 14 Tagen abnehmenden Mond und - es kann jeder mitrechen, am 11. 8 haben sehen wir überhaupt keinen Mond!
Wie soll aber ein Mond, den wir überhaupt nicht sehen können, die Sonne verdecken?
Ja wenn Vollmond wäre, könnt die Rechnung der Astrologen und wie sie alle heißen, zutreffen. Aber in diesem Fall kann man nur von einer allgemeinen Volksverdummung ausgehen.“

*

Am Tag der vorhergesagten Sonnenfinsternis versammelte sich die Gemeinde wieder im Gotteshaus. Sie sangen die alten Lieder von Schuld und Sühne, Verdammnis und Erlösung, beklagten ihre kleinen Missetaten, beteten mit großer Inbrunst und der Priester ermahnte seine Schäfchen schließlich:

„Oh ihr Ungläubigen, die ihr euch heute hier zuhauf versammelt habt, weil ihr in eurem Innersten zweifelt. Zweifelt, an der Güte Gottes. Im Sog der von den Medien verbreiteten Nachrichten verfallt ihr dem Irrglauben, hier, ausgerechnet hier im gottgläubigen Bayern, konzentriere sich die Sonnenfinsternis zu einer totalen. Wem glaubt ihr eigentlich mehr? Den gottlosen Linken zum Beispiel oder eurer Kirche. Und wenn ich euch sage, es wird und es kann gar keine Sonnenfinsternis geben, so sage ich euch das als Diener Gottes.“

Und während er dies sprach, kam eine große Dunkelheit über die Gemeinde. Entsetzen machte sich breit. Die Kirchenfenster waren zu schwarzen Löchern geworden. Nur die Leuchter am Alter gaben ein diffuses Licht ab und der vergoldete Heiland erstrahlte dadurch fast überirdisch.

Da drängten die Gläubigen aus ihren Sitzen, dem Erlöser zu, murmelten Gebete und ereiferten sich gegenseitig dermaßen, daß jeder von ihnen glaubte, das Weltenende ist nahe herbeigekommen.
Endlich bahnte sich die Stimme ihres Hirten eine Bahn durch die Ängste der Versammelten und es wurde mit einem Mal ganz still.

„Brüder und Schwestern in Christie!
Was Gott auch damit bezweckt haben mag; wir wissen es nicht.
Fürchtet euch nicht, denn uns ist heute ein großes Wunder zuteil geworden. Gott hat es so gewollt. Der unsichtbare Mond hat tatsächlich die Sonne verdunkelt. Und in 10 Minuten ist alles vorbei!“

„Alles vorbei?“ schrie eine hysterische Gemeinde wie aus einem Munde und drängte sich noch inniger aneinander.

„Ja, da ist die Sonnenfinsternis vorbei.
Ich sagte es doch schon. Ein völlig normaler Vorgang. Gott sei gedankt. Es war eine Prüfung für unseren Glauben und eine Mahnung, jederzeit bereits zu sein, vor den Herrn zu treten.
Gelobt sei Jesus Christus.“

„In Ewigkeit. Amen“

*

Christoph W. (17) wurde in der Schule tagsdrauf gehänselt, weil er ausgerechnet zu dem Zeitpunkt in der Kirche war, als ein wunderbares Naturereignis Millionen Menschen in Europa in seinen Bann gezogen hat.
Er schämte sich und gab kleinlaut zu, daß er von den Gesängen, gewaltigen, schauerlichen Worten sowie von den Riten und Gebräuchen in der Kirche ganz benebelt worden ist und auch jetzt noch nicht ganz klar sieht. Hat nun Gott ein Wunder vollbracht, indem er den unsichtbaren Mond vor die Sonne schob oder ist es ein ganz normaler Vorgang, daß etwas, was man nicht sieht, doch so eine Wirkung hervorrufen kann?

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Tag der Veröffentlichung: 12.11.2009

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