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Prolog

„Tom…Tom….Hilf…mir…“

Diese Stimme, sie ruft nach mir. Nur von wo? Sie klingt so fern und doch irgendwie nah… Ich sah mich um. Nebel, nichts als Nebel. Ich versuchte ein paar Schritte zu laufen, bis ich bemerkte, dass ich überhaupt keinen Boden spürte. Ich blickte hinab. Ich schwebte. Unter mir sah ich Wasser, ich musste nur wenige Zentimeter über ihm schweben. Mein verschwommenes Spiegelbild sah mir verwirrt entgegen. Ich streckte den Fuß aus und stieß mit der Fußspitze auf die Wasseroberfläche beim Versuch zu Laufen. Kleine Wellen bildeten sich und wurden schnell immer breiter, bis ich sie nicht mehr erkennen konnte. Nun lichtete sich der Nebel langsam als würden die Wellen ihn davontragen und ich begann langsam meine Umgebung erkennen. Es schien, als würde ich über einen See schweben, am Rand des Sees war nur verschwommenes Grün zu sehen. Obwohl der Nebel sich weiter auflöste, blieb das Ufer weiterhin unklar.

Ich bemerkte eine Bewegung im Augenwinkel und drehte mich um. Was hier schwebend gar nicht so einfach war. Mitten im See stand ein Baum, seine weit ausladenden, hängenden Äste mit den hellgrünen Blättern verdeckten fast den gesamten Stamm. Er schien riesig. Die Baumkrone verschwand in den schneeweißen Wolken über mir. Seine dicken Wurzeln versanken tief im Wasser. Nur hie und da waren sie unter Wasser zu erkennen. Wie Schlangen windeten sie sich entlang, mal klar erkennbar, mal in den Tiefen verschwindend.

„Tom…“

Wieder rief sie meinen Namen, es kam von dem Baum. Hinter seinen Blättern bewegte sich etwas und ich konnte ein schwaches Leuchten ausmachen. Ich versuchte mich langsam zu nähern, es war, als würde ich auf weichem Sand laufen. Als ich nach den Ästen greifen wollte, um sie beiseitezuschieben, kam plötzlich ein starker Wind auf und gab mir den Blick auf den Stamm des Baumes frei.

Dort stand eine Frau, nein, eine Elfe. Ihr schlanker Körper wurde von einem zarten Kleid bedeckt, es leuchtete wie die Sonne an einem warmen Sommertag und wiegte leicht im Wind. Hie und da schimmerte es in einem zarten hellen Grün. Die Spitzen des Kleides strichen sanft über die Wasseroberfläche und verursachten kleine Wellen. Um ihre Taille trug sie einen breiten Gürtel mit rankenförmigen Verzierungen. Ihr langes blondes Haar lag glatt und leuchtend über ihren Schultern und reichte ihr bis zur Hüfte. Einige vorwitzige kürzere Strähnen strichen ihr zart über das Gesicht und Dekolleté. Lange spitze Ohren schauten unter ihrem Haar hervor und gingen in einem leichten Bogen nach hinten weg.  Ihre mandelförmigen grünen Augen sahen mich ängstlich an. Die zarten roten Lippen formten wieder meinen Namen. Es war kaum mehr ein Flüstern. Die Worte formten sich mehr in meinem Kopf, als dass ich sie hörte. Ich wollte zu ihr gelangen, doch ich konnte mich nicht bewegen. Etwas schien mich festzuhalten, mich davon abhalten weiterzugehen. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Plötzlich wurde der See unruhig, schlug große Wellen um uns herum, die uns jedoch nicht berührten. Eine dieser Wellen erstarrte hinter der Elfe und bildete nun eine Wand, die sich rot verfärbte und plötzlich ging sie in Flammen auf. Wir wurden von einer roten flammenden Wand beleuchtet, trotzdem spürte ich keine Hitze. Die Elfe drehte sich erschrocken um. Etwas trat aus diesen Flammen hervor, solch ein Wesen hatte ich noch nie zuvor gesehen. Es war groß, breitschultrig und auf der roten Haut sprangen kleine Flammen umher. Ein schwarzer rauchender Mantel bedeckte seinen Körper. Die Augen schwarz wie die Nacht und mit einem grimmigen hasserfüllten Ausdruck. Auf dem kahlen Kopf thronten zwei riesige schwarze Hörner die schraubenförmig nach oben zeigten. Es griff nach der Elfe, ich wollte sie warnen, doch bekam ich keinen Laut hervor. Er packte die Elfe und zog sie mit sich in die Flammen. Sie schrie kurz auf und versuchte sich zu wehren, doch es war zwecklos. Wie eine Puppe zog er sie ohne Mühe weiter. Dabei blickte er mich grimmig an.

„Hör auf sie zu suchen. Höre nicht auf sie. Bleib in deiner eigenen Welt. Dort gehörst du hin.“

Mit diesen Worten verschwanden er und die, sich weiterhin wehrende Elfe in den Flammen. Seine tiefe, grollende Stimme bereitete mir Gänsehaut am Körper. Noch immer konnte ich weder sprechen noch mich bewegen. Panik breitete sich in mir aus. Ich war gefangen.

Nun breiteten sich die Flammen aus. Der Baum begann lichterloh zu brennen. Sie tanzten über den See auf mich zu. Ich wollte wegrennen, konnte es jedoch nicht.  Kurz bevor die Flammen mich erreichten, brach der See unter mir auf und ich fiel in die Tiefe…

Kapitel 1: Ein weiterer Traum

Ich riss die Augen auf und sah die Decke meines Schlafzimmers. Die Lichter eines vorbeifahrenden Autos drangen matt durch die runtergezogene dunkelblaue Jalousie am Fenster und erhellten kurz den Raum. Ein Traum, es war nur ein Traum gewesen. Ging es mir durch den Kopf. Ich atmete tief durch, mein ganzer Körper war von kaltem Schweiß bedeckt, meine Decke lag neben dem Bett auf dem Boden. Mit der rechten Hand wischte ich mir den Schweiß aus dem Gesicht und anschließend meine, schon wieder viel zu langen Haare, nach hinten. Ich sah auf die roten leuchtenden Zahlen an der Decke schräg über mir, die von meinem Wecker ausgestrahlt wurden. 5:20 Uhr, noch viel zu früh. Aber wieder einschlafen würde ich sicherlich auch nicht. Ich seufzte und setzte mich langsam auf. Durch das halb geöffnete Fenster wehte ein kühler Wind an der Jalousie vorbei und in mein Schlafzimmer. Er strich langsam über meine nackte verschwitzte Haut, da ich nur in Boxershorts schlief und ließ mich frösteln. Schnell schmiss ich die Decke auf mein Bett, stand auf und lief ins Bad. Dort schaltete ich das Licht ein und wurde von der hellen Deckenlampe geblendet. Aus dem Schlafzimmer kam man direkt in einen schmalen Flur, davon gingen links eine Tür in mein kleines fensterloses Badezimmer, dahinter links in eine kleine Küche und rechts in ein Wohnzimmer. Die dunklen Dielen des alten Fußbodens knarrten bei jedem Schritt. Eine heiße Dusche ist nun genau das richtige, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Noch immer tanzten die Bilder meines Traumes vor meinem inneren Auge. Das ängstliche Gesicht der Elfe ging mir nicht mehr aus dem Kopf und dieses Wesen hinter ihr. Ich fragte mich, was das war. Es ähnelte sehr dem Teufel aus den Filmen im Fernsehen. War es etwa Luzifer persönlich? Oder ein Dämon? Nachdem ich mich langsam an das Licht gewöhnt hatte, betrat ich das Bad. Die kalten Fliesen ließen mich frösteln und ich sprang schnell auf den kleinen grauen Badteppich in der Mitte des Raumes. Ich stieg in die Dusche, drehte den Wasserhahn auf und ein Schwall kaltes Wasser ließ mich fluchen. Nur langsam wurde das Wasser wärmer, in diesen alten Häusern gab es nur Durchlauferhitzer und sie brauchten ewig, um das Wasser zu erwärmen. Unter dem nun warmen Wasser begann ich mich langsam zu entspannen. Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht und ließ Wasser darauf laufen.

 

Mein Name ist Tom Kayrah. Ich bin Anfang dreißig und eigentlich ein ganz normaler Typ. Ich habe braune Haare, die mir ständig im Gesicht hängen, blaue Augen und bin mit meinen knapp 1,80m nicht gerade der Größte. Doch wirke ich mit meinen breiten Schultern meist recht bullig. Ich habe einen Job in einem Berliner IT-Fachgeschäft und repariere meistens einfach nur im Hinterzimmer Computer. Kundengespräche sind nicht ganz so mein Ding.  Meine Freizeit verbringe ich gern an meinem eigenen und Spiele verschiedene Rollenspiele. Also nichts Besonderes, mal abgesehen von diesen verwirrenden Träumen. Sie verfolgen mich nun schon seit Wochen fast jede Nacht. Zu Beginn waren sie noch recht unspektakulär und ich hielt sie für Nachwirkungen meiner Spiele. Ich sah mich nie selbst, nur verschiedene Szenen von Landschaften eines fremden Landes, Städte wie aus dem Mittelalter und verschiedene Wesen wie Elfen, Engel, Zwerge und dergleichen, aber auch Menschen. Einmal konnte ich sogar einen Drachen erkennen, er schien mich kurz anzusehen. Ich hielt es für eine Täuschung. Heute war ich das erste Mal selbst präsent. Sie haben mich angesehen und mit mir gesprochen. Ich hatte bei ihrem Ruf das Gefühl, dass sie mich schon mehrfach gerufen hatte, ich sie jedoch nie wirklich hörte.

 

Allmählich schienen die Bilder des Traumes zu verblassen und ich drehte das Wasser ab. Der Wasserdampf waberte langsam durch das kleine Bad und der kleine quadratische Lüfter an der Decke ratterte laut vor sich hin. Nach dem Abtrocknen öffnete ich die Tür, um den Dampf ein wenig rauszulassen. Ich fand den Lüfter schon immer witzhaft. Wie kann… sollte so ein kleines Ding das ganze Bad durchlüften? Dann stellte ich mich vor dem beschlagenen Spiegel und rieb mit dem Handtuch kurz über das Glas. Nun bedachte ich mein Gesicht kurz im Spiegel und schnappte mir den Rasierer. Der Bart wuchs einfach zu schnell und unregelmäßig. Mein letzter Versuch einen Bart am Kinn wachsen zu lassen endete mit einem frühen Feierabend und einer Rasur zuhause. Da mir die verdammten Haare immer nach oben im Mund hingen, statt nach unten. Schwerkraft kannten sie anscheinend nicht. Nach der Rasur setzte ich erst einmal Kaffee in der Küche an. Während er durchlief, betrachtete ich den heller werdenden Himmel durch das schmale Küchenfenster. Dabei sah ich auch schwach mein eigenes Spiegelbild. Mittlerweile waren mir die kurzen Nächte anzusehen. Als ich auf der Couch meinen Kaffee schlürfte entschied ich mich, meine Erfahrungen mit Maik zu besprechen. Vielleicht hatte er einen Tipp oder hielt mich für verrückt. Kurz überlegte ich und zuckte dann mit den Schultern, schlimmer konnte es ja nicht werden. Ich schnappte mir mein Handy und schrieb ihm eine kurze Nachricht, um mich heute Abend mit ihm in unserer Lieblingsbar zu treffen.   

Maik war mein Kollege und eigentlich so einziger Kumpel in dieser Stadt. Wir teilten unsere Leidenschaft für Rollenspiele, gehen hin und wieder auf Konzerte und waren ansonsten ziemliche Computerfreaks. Von daher wohnten die meisten unserer Freunde kilometerweit entfernt.

Danach schaltete ich den Fernseher an und zappte ein wenig durch die Kanäle. Ich blieb bei den morgendlichen Nachrichten hängen. Ich ließ das übliche Gerede über unsere Politiker und den Kriegen dieser Welt, nur unterbrochen von Sport und Wetter über mich ergehen und lehnte mich zurück. Gegen 8 Uhr machte ich mich fertig und verließ meine Wohnung. Es war Mitte Mai und so langsam begann der Frühling Einzug zu halten. Es war angenehm warm und ich trug nur meine dünne schwarze Lederjacke. Auf dem Weg zur U-Bahn lief ich einen kleinen Umweg, um mir beim Bäcker noch ein belegtes Brötchen zu besorgen. Als ich den Bäcker verließ, wehte der Wind den Lärm der nahen Stadtautobahn in meine Richtung. Das Rauschen des gleichmäßigen Verkehrs erinnerte mich wieder an den aufgewühlten See in meinem Traum und an das Feuer am Ende. Wie ein Flashback sah ich es wieder vor mir und ich erstarrte. Plötzlich rempelte mich ein anderer Fußgänger an und brachte mich so wieder zurück in die Realität. Ich blickte mich kurz um, aber er verschwand schon in der Menschenmenge. Schnell machte ich mich auf den Weg zur U-Bahn, um noch pünktlich auf Arbeit zu gelangen.

 

Der Laden war schon geöffnet und ein grinsender Maik erwartete mich hinter der Kasse. Er sortierte gerade eine neue Lieferung von Mäusen und Tastaturen, die er danach hinter sich in die Regale räumte. Dort stapelten sich verschiedene Arten von Mäusen, Tastaturen, Kopfhörern und Headsets von den bekanntesten Marken. Um diese Uhrzeit ist es noch sehr ruhig, die ersten Kunden erscheinen meistens erst gegen Mittag. So konnten wir um diese Zeit in Ruhe neue Lieferungen einsortieren und zusammen im Hinterzimmer frühstücken. Durch die Glocke an der Eingangstür wurden wir immer rechtzeitig über neue Kunden informiert und Maik konnte schnell in den Verkaufsraum laufen. Er war der geborene Verkäufer. Wenn er wollte, könnte er wahrscheinlich einer Oma einen Gamer-PC aufquatschen. Davon hielt er zum Glück jedoch nicht viel.

„Du träumst also von schönen Elfen?“ Maik zog kurz seine Augenbrauen hoch und musterte mich durch seine schmale Brille, die er meist nur hier oder beim Zocken trug. Er war fast 2 Köpfe größer als ich, hieß eigentlich Michael Skinder und sein langes blondes Haar hatte er lässig im Nacken zusammengebunden. Sein blaues Hemd hing locker über der Jeans und verbarg einen eher mageren Oberkörper.  Am linken Arm trug er immer mehrere Festivalbändchen, von denen er immer gern erzählt.

„Können wir heute Abend darüber reden?“ antwortete ich grimmig, bevor ich durch die Tür neben der Kasse ins hintere Zimmer ging. Der Laden war klein und verbarg sich in einer Seitenstraße in der Nähe eines großen Einkaufszentrums. Er lebt hauptsächlich von Stammkundschaft aus dem IT-Bereich. Wir waren hier in Berlin sowas wie ein Geheimtipp. Besonders, da wir gern auch mal außergewöhnliche Stücke oder unbekanntere Hersteller im Sortiment haben. Im vorderen Teil des Ladens gab es alles, von einzelnen Teilen bis hin zu komplett fertigen Rechnern. Nur dass es keine Fertigrechner im eigentlichen Sinne waren, sondern von uns zusammengestellt wurden. Im hinteren Teil, ein länglicher Raum, welcher im vorderen Bereich vorrangig mein Reich ist, werden Wunschrechner zusammengestellt oder defekte Teile bzw. Rechner repariert.  Ich ließ mich an meinem Arbeitstisch nieder, um Software auf einem neuen Rechner zu installieren. Maik war mir gefolgt und wollte gerade noch etwas sagen, als jemand die Ladentür öffnete und eintrat. Also verschwand er wieder, um sich um unseren neuen Kunden zu kümmern. Anscheinend ein wichtiger Notfall, da die hektische Stimme des Kunden bis zu mir dran. Maik konnte ihn jedoch beruhigen und anscheinend auch helfen. Danach kam er zurück und wir ließen uns beide an einem Tisch in der hinteren Ecke nieder. Das war unser kleiner Pausenbereich mit einer kleinen Küchenzeile mit Kaffeemaschine, Wasserkocher und Mikrowelle und Schränken. Vor kurzem spendierte uns unser Chef auch einen Kühlschrank, dazu musste leider ein Schrank weichen und einige Lebensmittel standen nun auf dem kleinen Kühlschrank. Direkt neben der Mikrowelle befand sich das Fenster. So konnten wir nach dem Gebrauch gleich das Fenster öffnen und den Geruch nach Essen abziehen lassen. Der Tisch stand daneben, so dass einer immer halb vor der Küchenzeile saß. Die andere Seite des Tisches hatte dafür zwei Stühle. Maik ließ mich vorerst in Ruhe mit dem Thema der Elfe und erzählte von seinen Plänen im Sommer. Er hatte letztes Jahr doch tatsächlich zwei Wacken Tickets ergattert und versuchte mich nun zu überreden mitzukommen. 

Der Vormittag verlief ruhig und nur wenige Kunden besuchten unseren Laden, ich arbeitete daher einige Onlinebestellungen ab und Maik räumte ein bisschen auf und versah die Waren mit Preisen. Gegen Mittag kam unser Chef rein und brachte gleich das Mittagessen von einer Fastfood Kette mit. Wir lehnten uns an den Tresen der Kasse und jeder schnappte sich einen Chicken Nugget aus der Tüte. Wir unterhielten uns über das Geschäft, Kunden und neuen Bestellungen. Immer wieder blickte Maik mich an und begann zu grinsen. So langsam bereute ich meine Nachricht von heute Morgen und würde nach der Arbeit lieber schnell nach Haus gehen, anstatt mit ihm zu Sprechen.  Vielleicht war Maik doch nicht der Richtige dafür, er liest ständig Fantasy Romane, spielt weitaus öfter die Spiele als ich und geht regelmäßig selbst zu Rollenspielen. Mittlerweile hat er sogar mehrere Kurse im richtigen Umgang mit Schwertern hinter sich. Ich habe ihn ein paar Mal begleitet, jedoch nicht ansatzweise sein Geschick dafür.

Gegen 18 Uhr schlossen wir den Laden und verließen ihn. Auf dem Weg zur Bar blieb ich schweigsam, spürte aber seine ständigen Blicke. Erst als wir in der Bar ankamen, an unserem Lieblingsplatz in der Ecke am Fenster saßen und jeder ein Bier vor sich hatte seufzte ich.

„Also, wo soll ich anfangen…“ begann ich eher ratlos. Maik lächelte und nahm einen Schluck.

„Am besten direkt am Anfang. In deiner Nachricht stand ja nur ‚Träume seit ner Weile das gleiche, nun auch noch von ner schönen Elfe‘. Was hastn bisher geträumt? Und was wollte die Elfe?“ Ich erzählte ihm, dass die Träume vor 3 Wochen begonnen hatten und ich hauptsächlich von verschiedenen Orten, die mich an die mittelalterliche Welt unserer Spiele erinnerte. „Oft wiederholten sich die Orte, manchmal sah ich die gleichen Wesen, beobachtete sie eine Weile. Ich glaube es waren Elfen, Zwerge, Kobolde und viele mehr.  Niemand beachtete mich, es war, als wäre ich ein Zuschauer. Ich sah verschiedene Szenen, von einfachen Einkäufen auf einem Markt, von Zwergen beim Schmieden von Waffen, aber auch von Kämpfen und Raubzügen. Erst letzte Nacht war ich ein Teil dieses Traums. Ich wurde gerufen.“

Dann erzählte ich noch von letzter Nacht. Maik lauschte gespannt und nippte dabei an seinem Bier, bis ich geendet hatte.

„Junge, ey. Vielleicht sollteste ma weniger zocken.“ Meinte er nun lachend. Ich zog eine Grimasse.

„Das dachte ich auch Anfangs, aber die Träume haben nichts mit den Spielen gemeinsam. Die Landschaften sind völlig anders. Ich habe sogar eine Weile keins meiner Games angerührt. Sie haben trotzdem nicht aufgehört. Und mit Elfen hatte ich bisher noch gar nichts zu tun. Zumindest nichts mit Elfen mit heller Haut und blondem Haar, die mich um Hilfe bitten. Nicht mal bei WoW. Schließlich gehöre ich zur Horde.“ Maik schmunzelte und grinste wieder.

„Na, denn brauch die Elfe wohl deine Hilfe. Du solltest se als strahlenden Ritter retten und se dann heiraten.“ Ich boxte ihn gegen die Schulter und er begann zu lachen.

„Man, wenn du weiter so verrückte Sachen träumst, könntest du daraus echt 'n Buch machen! Unbedingt musste mir morgen von dein'n nächsten Traum erzählen. Bin schon ganz neugierig.“ Wir unterhielten uns noch eine Weile über verschiedene Dinge und verabschiedeten uns erst in den frühen Morgenstunden. Zum Glück war Samstag und der Laden hatte nur vormittags geöffnet. An Samstagen steht unser Chef immer allein oder mit seinem Sohn im Laden, um von seiner Frau weg zu kommen, wie er uns immer erzählt. Also konnte ich ausschlafen, wenn es denn möglich ist. Leicht angetrunken und todmüde zog ich lediglich die Hose und Socken aus, putzte mir schnell die Zähne und fiel ins Bett.

 

„Tom…Tom…bitte, du musst mir helfen…“

Wieder war ich am See, diesmal jedoch nicht auf dem Wasser. Sondern ich stand am Ufer fest auf dem Boden. Ich spürte das weiche, kühle Gras unter meinen nackten Füßen. Ich sah mich um, das Ufer war von üppigem Grün bewachsen, eine Wildwiese mit den verschiedensten Arten von Blumen übersäht. Schilf wuchs an einigen Stellen direkt am Ufer. Hinter mir begann ein dichter undurchdringlicher Wald. Trotz der Vielfalt der Bäume und der schönen Natur hörte ich keinen Vogel zwitschern oder auch nur ein Knacken eines Waldbewohners. Ich schmunzelte kurz über diese Ruhe, lediglich unterbrochen von dem leisen Rascheln der Blätter. Dann sah ich über den See zum Baum, doch konnte die Elfe nirgends entdecken. So sehr ich mich auch anstrengte, nah am Ufer entlangging und versuchte durch die Äste etwas zu erkennen. Ich sah mich weiter um und wollte dann wieder auf dem Wasser zu Laufen. Diesmal jedoch sank ich sofort ein. Es war unmöglich zum Baum zu gelangen. Ich sah mich noch einmal um, ob es vielleicht eine Brücke oder ähnliches gab, die ich gestern übersehen hatte. Doch nichts war zu sehen. Als wäre hier nie eine Menschenseele gewesen.

„Tom…du musst zu uns kommen…bitte hilf mir…“ Ich sah mich wieder um. Der Ursprung der Stimme war nicht auszumachen. Die schien direkt in meinem Kopf zu entstehen.

„Und wie soll ich das machen? Ich komme nicht zu dem Baum.“ Rief ich auf Geratewohl in Richtung See. Dann entdeckte ich sie. Schwach und durchscheinend wie eine Projektion durch die Äste schwebend. Hin und wieder flackerte sie und verschwand dabei fast. Unsere Blicke trafen sich, in diesem Moment schien mein Herz kurzzeitig stehen zu bleiben. Dieser Blick. Nun schlug mein Herz schneller. Ich wollte zu ihr.

„Finde… die alte Eiche…sie wird dich führen…Marie bringt sich nach Viridis.“ Langsam begann sie zu flimmern und verschwand.

„Was…wie…“ Begann ich, aber sie war weg. Ich lief am Ufer entlang, um sie zu suchen. Ich lief und lief, bis ich vollkommen außer Atem auf die Wiese sank. Der See war von einem schmalen Streifen Wiese umgeben, an dem der Wald grenzte. Eine stärkere Briese kam auf. Ich blickte auf den See und betrachtete den Baum in dessen Mitte. Die langen Äste bewegten sich sachte im Wind, die Spitzen strichen über den See und schufen so kleine Wellen.  Zwischendurch tauchte eine größere Welle auf und ich sah genauer hin. Hinter den Ästen stand eine Gestalt, keine zierliche, sondern eine große kräftige und schien mich zu beobachten. Das Wesen von gestern. Es schwebte über dem Wasser und trat langsam hinter den Ästen hervor. Dort, wo seine Füße das Wasser berührten dampfte es leicht und eine kleine Steininsel taucht auf, auf der er nun zu laufen schien. Blätter, die über seinen Körper strichen wurden braun. Die, die seine Haut im Gesicht oder am Kopf trafen schienen regelrecht zu verkohlen. Glommen sie nicht sogar ein wenig, als wären sie verbrannt? Es hatte sie Hände zu Fäusten geballt und sah mich zornig an.

„Ich sagte bereits du sollst sie nicht suchen. Diese Sache geht dich nichts an.“ Meinte es grimmig mit einer tiefen grollenden Stimme. Er ist ein Dämon. Ging es mir schlagartig durch den Kopf, als ich ihn direkt ansah.

„Halte dich von Viridis fern. Das Land ist kein Ort für dich. Bleib in deiner kleinen Menschenwelt. Die Elfe bekommt, was sie verdient, wenn sie meinen Forderungen nicht bald zustimmt. Misch dich nicht ein!“ Die letzten Worte zischte er boshaft und ich bekam unwillkürlich eine Gänsehaut.

„Lasst sie frei, bitte…“ stammelte ich und sah ihn weiterhin wie erstarrt an. Wieder konnte ich mich nicht bewegen. Es war, als würde mich eine unsichtbare Kraft festhalten.  Mich davor schützen eine falsche Bewegung zu machen

„Nein, das kann ich nicht. Es ist zu wichtig.“ Kurz sah ich einen traurigen Ausdruck in seinen Augen aufflackern, dann jedoch brüllte er laut auf und der See verwandelte sich in ein Flammenmeer. Er verschwand darin. Ich versuchte zurück zu weichen, aber es war mir nicht möglich. Ich zappelte hin und her, bis ich bemerkte, dass die Erde begann mich zu verschlingen. Ich versuchte mich weiter zu wehren, sank aber nur immer tiefer. Ich schrie so laut ich konnte und rief nach Hilfe. Bis mich die Erde komplett verschlang.

Kapitel 2: Der Weg nach Viridis

Mit einem Schrei erwachte ich aus dem Traum und setzt mich sofort auf. Sonnenstrahlen fielen ins Zimmer und blendeten mich. Letzte Nacht hatte ich völlig vergessen, die Jalousie herunterzulassen. Ich kniff die Augen zusammen, da ich nichts mehr sah. Schweiß tropfte von meiner Stirn und den Strähnen meiner Haare als ich versuchte meinen Atem zu beruhigen, dabei legte ich meine rechte Hand auf meine Brust. Mein Shirt klebte nass an meinem Körper und ich spürte die Kälte unter der Hand. Dann fiel ich wieder rückwärts ins Bett. Durch die kühle Brise des halb offenen Fensters begann ich zu zittern. Ich musste mir dringend den Schweiß abwaschen und was Anderes anziehen. Noch einmal atmete ich tief durch, stand dann auf, schmiss die Decke wieder aufs Bett und ging duschen.

Als das heiße Wasser über meinen Körper floss musste ich weiter an den Traum denken. Diesmal konnte ich ihn nicht einfach wegschieben. Die Worte saßen zu tief und ich musste nachdenken. Was ist Viridis? Ist das eine Stadt oder ein Land?  Ich habe noch nie davon gehört. Vielleicht ihre Welt? Und wer ist Marie? Wenn sie mir helfen soll, muss sie hier ja irgendwo wohnen, oder nicht? Ist sie vielleicht ein verschlüsselter Hinweis? Oder eine Fee?  Ich schüttelte den Kopf. Fange ich wirklich an, diese ganzen Träume ernst zu nehmen? Aber anscheinend muss irgendwas dran sein, schließlich hören sie einfach nicht auf und fühlen sich immer echter an. Ich habe den Wind richtig auf der Haut gespürt und er kam eindeutig nicht von meinem Fenster. Ich muss dringend was tun, sonst werde ich noch verrückt. Oder bin ich es schon? Vielleicht Wahnvorstellungen? Am besten fange ich erst einmal mit Recherche an. Mit einem kurzen Seufzen stellte ich das Wasser ab und begann mich abzutrocknen und frische Klamotten anzuziehen. Dabei kreisten meine Gedanken weiterhin um den Traum, meinem geistigen Zustand und die Möglichkeit, dass alles real sei.

Nach dem Frühstück ging ich an meinen Rechner, schaltete ihn ein und suchte nach allem Möglichen im Internet von Elfen über Feen bis hin zum Teufel und Dämonen. Man gab es da eine Menge Müll. Von der üblichen Fantasy Welt über verschiedene bekannte und unbekannte Autoren bis hin Bibelgeschichten oder deren Auslegung von irgendwelchen Verrückten. Verschwörungstheorien und Weltuntergänge. Auch über Viridis fand ich nichts Passendes. Lediglich, dass es bei uns wohl nur „Land“ bedeutete oder so und ein Hotel in Italien hieß so.  Hm…ob ich nach Island reisen muss, um die Elfe oder Fee zu treffen? Oder zu diesem Hotel?  Ich schüttelte den Kopf. Das ist doch alles Blödsinn. Es passt nichts richtig.  Wahrscheinlich bin ich tatsächlich verrückt geworden und sollte mich einweisen lassen. Ich lehnte mich seufzend zurück, starrte an die Decke und wollte schon aufgeben. Plötzlich schallte ein lauter Gitarrenriff durch den Raum und eine meiner Lieblingsbands rief „Zum Glück bin ich Verrückt…“. Es war mein Handy. Ich fand das Lied passend zu Maik und schnitt es mir zu recht. Nun, in diesem Moment passte es auch zu meiner Stimmung und zu meinen Gedankengängen. Ich grinste. So erkannte ich seinen Anruf immer. Ich ging ran und hörte sofort seine ungeduldige Stimme, noch bevor ich mich melden konnte.

"Na was! Raus mit der Sprache! Ich will alles hören! Bin grad aufgestanden und musste dich sofort anrufen." Mit einem kurzen Blick auf die Uhr musste ich grinsen.

"Du konntest so lange schlafen, obwohl du so neugierig bist?" Ich lachte.

"Musste wohl am Bier liegen." Er lachte ebenfalls. "Also erzähl." Mit einem kurzen Seufzen erzählte ich ihm von der letzten Nacht und das ich schon ein paar Stunden im Netz surfe aber leider nichts fand.

" Oh, das machste ganz verkehrt. Wie wärs, du kommst ma her und ich bestell gleich ne Pizza, ist ja schließlich schon fast 2 und du hast sicher auch noch nix gefuttert. Danach suchen wir ma zusammen." Ich stimmte zu und wir legten auf.

 

Maiks Wohnung war eine typische Junggesellenbude, von den einzelnen Zimmern her recht klein. Von dem kleinen dunklen Flur gingen, abgesehen von der Wohnungstür noch drei Türen ab. Die Tür links von mir ging in eine kleine längliche Küche. Sie sah sehr ordentlich aus, was wohl daran lag, dass er nie kocht. Maximal Fertiggerichte im Ofen oder in der Mikrowelle. Rechts die Tür ging in ein kleines fensterloses Bad. Und geradeaus war das große Wohnzimmer. Vom Wohnzimmer gingen zwei weitere Türen ab. Zum einen das Schlafzimmer und zum anderen in einen weiteren Raum, seine Zockerhöhle, wie er ihn gern nannte. Er war recht chaotisch, nannte es immer grinsend "geordnetes Chaos" und dass es bei Genies normal wäre, wenn ich ihn darauf ansprach. Er findet aufräumen für übertrieben, wenn man die Sachen sowieso wieder braucht. Also saßen wir im Wohnzimmer auf der Couch, ich habe seine Klamotten einfach zur Seite geschoben und genossen unsere Diavolo Salamipizzen, die kurz vor meiner Ankunft geliefert wurden. Nebenbei lief leise seine geliebte Rockmusik über ein Internetradio und wir hingen unseren Gedanken nach. Durch ein gekipptes Fenster wehte der Lärm der Hauptstraße ins Zimmer, welche genau vor seinem Block entlanglief.

Nach dem Essen gingen wir in seine "Höhle", ich holte noch zwei Flaschen Mate aus dem Kühlschrank in der Küche und er schaltete den Rechner an. Dann setzten wir uns auf die beiden abgewetzten Bürostühle. Da das Fenster immer abgedunkelt ist, er hatte einfach eine schwarze Decke an ein Brett geschraubt und das Brett über dem Fenster befestigt, sodass die Decke vor dem Fenster hing, schaltete ich die Schreibtischlampe ein und suchte Stift und Zettel für Notizen.

"Also...Fassen wa mal zusammen, du träumst von ner hübschen Elfe, die deine Hilfe braucht." Ich nickte und schrieb nebenbei Stichpunkte auf.

"Und dieser Teufel....ich denke du hast recht und das is nen Dämon, will das nicht." Wieder nickte ich.

"Was glaubst du ist Viridis?" Ich schrieb den Namen auf, wie ich ihn dachte oder besser gesagt, wie ich ihn im Netz gefunden habe. Maik nebenbei suchte im Netz mit verschiedenen Stichpunkten.

"Soll auf Spanisch Grün bedeuten. Aber ich denk nich, dass se Spanier sind. Schließlich sprachen se, zumindest in deinem Traum, unsere Sprache.“ Er lachte. "Nun, ich denk eher es ist das Land oder die Welt wo se leben. Hat das dieser Dämon nich indirekt gesagt? Wahrscheinlich das Land, das du vorher immer im Traum gesehen hast. `N Land voller magischer Wesen…" sinniert Maik nebenbei. „Muss echt klasse sein, der Ort. Magie, Kämpfe, schöne Frauen…“

Das ist gut möglich." Ich dachte nach und stieß ihn kurz an, damit er in die Realität zurückkehrte. "Sie meinte, ich solle eine Eiche finden und dass mir eine Marie helfen soll."

"Da ich nicht denke, dass sie ein Auto voraussetzt, muss es hier irgendwo sein. Aber Eichen gibt es viele…" Maik grinste. "Aber warte..." Jetzt schien er angestrengt zu überlegen, stützte sich dabei mit dem Ellenbogen auf dem Schreibtisch ab und legte die Hand an den Mund. Dabei starrte er abwesend auf dem Monitor mit der Auflistung der letzten Suchergebnisse. "Marie....Eiche...Baum...Irgendwas sagt mir das doch…" Plötzlich setzte er sich auf und begann einige Sachen in die Suchmaschine im Internet zu tippen, nach ein paar Minuten öffnete er einen Bericht mit der Überschrift "Die dicke Marie in Berlin Tegel". Darunter prangte links ein Foto einer großen alten knorrigen Eiche. Daneben ein Artikel über die, wahrscheinlich älteste Eiche Berlins und deren schlechten Zustand. Rechts davon entdeckten wir sogar einen Kartenausschnitt. Ich staunte nicht schlecht.

"Eine alte Eiche namens Marie und das noch nördlich von Berlin? Was für ein Zufall." meinte ich skeptisch. Maik lehnte sich zurück und grinste.

"Weißte, meine Oma hat mir früher immer nen Märchen erzählt, wenn ich sie nach meinen Eltern gefragt hab. Hab dir doch ma erzählt, das se bei nem Autounfall gestorben sind." Er nahm einen Schluck aus seiner Flasche und sah mich an.

"Ja, als du noch klein warst soll ein Betrunkener sie von der Straße geschoben haben. Du bist dann bei deiner Oma aufgewachsen."

"Genau. Immer wenn ich traurig war, kam meine Oma an und meinte, sie würde mir nen Märchen erzählen. Ne Liebesgeschichte, wie sich meine Eltern kennen lernten." Maik lachte. "Ich hielt das immer für erfunden. Dachte meine Mutter war aus‘n Ausland und ist geflüchtet oder so. Naja, anscheinend stimmte das ja anscheinend auch, denn irgendwie passt das in deine Story so super rein. Als gäbs da nen Zusammenhang."

"Na los. Nun erzähl schon. Dann bin ich wenigstens nicht der einzige Verrückte hier."

"Also meine Oma hat mir das so erzählt: Damals war mein Vater noch sehr jung und hat ne Ausbildung als Gärtner im Tegeler Schloss gemacht..."

 

Vor ca. 35 Jahren

 

Julian Skinder spazierte wie jeden Morgen durch die Parkanlage des Tegeler Schlosses. Vor knapp zwei Jahren begann er seine Ausbildung zum Gärtner und seit ein paar Wochen machte er nun ein Praktikum im Tegeler Schlossgarten. Es war schwierig etwas zu finden, doch er wollte nicht aus West-Berlin raus. Er genoss die Ruhe, fernab der lauten und verschmutzten Stadt. Es war mittlerweile Mitte September. Nachdem der August so heiß und trocken war, war dieser verregnete September eine Erleichterung. Zumindest für die Pflanzen und Gärtner. Heute war einer der wenigen sonnigen Tage des Monats und er genoss die, wahrscheinlich letzten warmen Sonnenstrahlen. Der Herbst hat Einzug gehalten und bald würden die Temperaturen sinken. Trotz der Sonne benötigte man eine Jacke, der Regen hat die Luft in den letzten Tagen abgekühlt und ein leichter frischer Wind wehte.   

„Herr Skinder, hören sie auf zu Träumen und fangen Sie endlich an die Blätter zusammen zu kehren.“ Er zuckte kurz zusammen und drehte sich zu seinem Chef um. Er stand auf dem Weg mit einem Rechen in der Hand, den er ihm hinhielt.

„Ja, Herr Tulke. Es tut mir leid.“ Schnell lief er zu ihm und nahm den Rechen ab.

„Sie sind nicht zum Spaß hier. Es wird langsam Herbst und die Wege und Rasenflächen müssen nun regelmäßig bereinigt werden. Schließlich wollen die Besucher einen ordentlichen Garten besuchen und keinen verwilderten Wald.“ Julian nickte freundlich, krempelte die Ärmel seiner grünen Arbeitsjacke hoch und begann mit der Arbeit. Trotz der knapp 15°C fing er irgendwann doch an zu schwitzen und war froh, als sein Chef zur Mittagspause rief. Anstatt mit den anderen zu Essen ging Julian gern durch den Schlosspark und suchte sich ein ruhiges Plätzchen. Die Kollegen waren freundlich, doch als Praktikant war er oft das Ziel ihrer Scherze und es war ihm unangenehm. Aus unerfindlichen Gründen kam er dabei immer bei der dicken Marie an.

Die dicke Marie ist eine uralte knorrige Eiche am Rand des Parks in der Nähe des Tegeler Sees. Eine niedrige Holzabsperrung trenne den Weg von dem Baum. Er stieg darüber und ließ sich bei ihr nieder, dank seiner grünen Latzhose störte ihn der kühle feuchte Boden nicht. Er biss von seinem Brot ab, genoss die wenigen Sonnenstrahlen, die sich durch die Bäume strahlten und betrachtete dabei die Eiche. Die wenigen Blätter an den Spitzen der Äste raschelten im Wind und um ihn herum sangen einige Vögel. Manchmal fragte sich Julian, wie es wohl damals war, als der Baum noch jünger war. Wie es hier aussah. Er hatte mal gelesen, die Eiche wäre nach einer wohlbeleibten Köchin des Schlosses benannt worden. Er grinste, als er sich ihre Reaktion darauf vorstellte. Er seufzte, langsam wurde es Zeit zurückzukehren. Die Sachen waren schnell zusammengepackt und er stand auf, drehte sich kurz zur Eiche und wollte sich wie immer verabschieden.

„So, alte Dame. Ich muss wieder gehen. Wir sehen uns sicher morgen wieder.“ Er lächelte und wollte gehen. Der knorrige Auswuchs kurz über den Boden flackerte. Julian blinzelte kurz. Hatte er sich das gerade nur eingebildet? Kurz darauf begann der Auswuchs noch einmal zu flackern Diesmal blieb das Flackern, wurde immer stärker und zu einem gleichbleibenden Leuchten. Dann verschwamm er langsam und schimmerte leicht silbern. Julian sprang erschrocken auf, stolperte zurück und starrte wie gebannt auf die Stelle. Das Schimmern wurde stärker und mit einem kurzen hellen Schrei fiel eine junge Frau aus dem Licht. Das ließ ihn wieder hinsehen. Sie landete vor ihm und schlug auf dem harten verwurzelten Boden auf. Dann verschwand das Licht wieder und der Baum sah wieder aus wie vorher. Die junge Frau versuchte nun stöhnend aufzustehen, kippte gleich darauf zur Seite weg und blieb reglos liegen. Julian löste sich nun aus seiner Starre und rannte zu ihr. Ihr flammend rotes Haar lag ausgebreitet wie eine Decke halb über ihr Gesicht und den Boden, die Augen waren geschlossen. Julian kniete sich neben sie, betrachtete sie kurz und strich ihr vorsichtig das Haar aus dem Gesicht. Ihr langes cremefarbenes Kleid war schmutzig, an einigen Stellen zerrissen und voller Blut. Nach kurzer Musterung entdeckte er einen tiefen Schnitt an der Schulter und viele kleinere am gesamten Körper. Außerdem hatte sie eine stark blutende Platzwunde an der Schläfe, die wahrscheinlich von dem Sturz kam. Julian zögerte nicht lang, er zog sich schnell Jacke und Hemd aus. Die Jacke zog er sich gleich wieder über und das Hemd zerriss er in Streifen. So konnte er die Wunden an der Schulter und der Schläfe vorerst laienhaft verbinden. Erst dann fielen ihm die vielen Federn rund um die Frau auf. Er nahm eine davon in die Hand und betrachtete sie. Die Feder war schneeweiß und so weich, dass er sie in seiner Hand kaum spürte. Sie waren wunderschön. Schnell steckte er sich einige davon in die Jackentasche. Nicht ahnend, dass sie bald zu Staub zerfallen. Dann stand er auf und hob die Frau dabei vorsichtig auf seine Arme. So schnell es möglich war lief er zum naheliegenden Gasthaus und ließ den Wirt einen Krankenwagen rufen.

Die nächsten Wochen besuchte er die wunderschöne Frau jeden Tag im Krankenhaus. Sie litt unter Amnesie und konnte sich an nichts vor ihrer Ankunft am Baum erinnern. So oft er sie auch danach fragte. Die Federn konnte er ihr als Beweis leider nicht mehr zeigen, sie waren verschwunden. Da stimmte ihn traurig. Doch erzählte er ihr davon und sie lächelte. Ihre Worte waren dabei jedes Mal:

„Wenn diese Federn bei mir waren, haben sie mich vielleicht geführt und zu dir gebracht.“  Ihre einzige Erinnerung war Licht und das kurze Aufflackern eines Bildes. Das von Julian, wie er vor dem Baum saß und ihr entgegenblickte. Auch die Ärzte wussten keinen Rat. Seine Schilderungen hielten sowohl sie wie auch die Polizei für Einbildung.

„Wahrscheinlich ist sie ein Flüchtling aus Ostdeutschland und lief quer durch den Park. Ich vermute, dass sie neben dem Baum angerannt kam und stolperte. Wer weiß, wo sie über die Grenze kam und was dabei passierte.“ Meinte einer der Polizisten. Die weißen Federn und ihr plötzliches Auftauchen erinnerten ihn an einen wunderschönen Engel, also gab er ihr den Namen Gabriele, eine Ableitung von Gabriel. In der Zeit verliebten sie sich ineinander und als sie Entlassen wurde zog sie zu ihm. Ihre Amnesie blieb und trotz langer Suche konnten weder ihre Identität noch Familie festgestellt oder gefunden werden. Auch nicht, als die Grenzen endlich geöffnet wurden und sie Deutschlandweit suchen konnten. Auch mehrere Besuche der Eiche führten zu keinem Erfolg.

Einige Jahre später heirateten sie und bekamen ein Kind, einen Sohn. Sie tauften ihn Michael und wurden so zu ihrer eigenen kleinen Familie. Als der Junge geboren wurde, lag eine einzige kleine weiße Feder in seiner Hand. Gabriele nahm diese an sich und ließ später ein Medaillon mit der Feder im Inneren anfertigen, welches sie ihrem Kind zum 1. Geburtstag schenkte.

Vier Jahre später wollte Julian seiner Frau ein besonderes Geschenk machen und fuhr mit ihr übers Wochenende ans Meer. Da sie es bisher noch nie gesehen hat bzw. sich nicht daran erinnern konnte jemals dort gewesen zu sein. Sie hatten sich endlich ein Auto leisten können und wollten es nutzen. Michael blieb derweil bei seiner Großmutter, der einzigen sonst lebenden Verwandten aus Julians Familie. Leider gerieten sie auf der Heimreise in einen furchtbaren Autounfall. Ein betrunkener Fahrer kam ihnen auf der Landstraße entgegen und sie konnten nicht mehr ausweichen.

Die Großmutter kümmerte sich danach um den Jungen und zog ihn groß. Die Identität von Gabriele konnte bis heute nie geklärt werden.

 

Heute

 

„Ja, so hat‘s mir Oma immer erzählt“ endete Maik und grinste mich an.

„Und du glaubst nun deine Mutter kommt aus dem Baum…also der dicken Marie…“ begann ich skeptisch.

„Na passt doch super, wahrscheinlich kommt meine Mutter aus diesem Land und war wirklich nen Engel. Gefällt mir auch mehr als die Flüchtlingsgeschichte.“

„Das ist eine schöne Geschichte, aber ich weiß nicht so recht. Übertreibst du jetzt nicht ein wenig? Es wäre ein bisschen viel Zufall.“ Plötzlich sprang Maik auf.

„Ich kann’s dir beweisen, warte…“ Mit diesen Worten verwand er aus dem Zimmer, ich stand auf und folgte ihm langsam. Ich fand ihn im Schlafzimmer, wo er eine Kommode durchwühlte und dabei Klamotten und dergleichen einfach auf den Boden warf.

„Ha! Da is sie.“ Grinsend drehte Maik sich zu mir um und hielt mir eine Kette vor die Nase. An einem zierlichen goldenen Band hing eine Art ovales Medaillon. Es schien komplett aus Gold zu sein und hatte viele Kratzer. Ich nahm die Kette und während ich sie vorsichtig öffnete, stopfte Maik schnell seine Sachen wieder in die Kommode. Das Medaillon enthielt ein kleines Foto von einem jungen fröhlichen Pärchen und in der Klappe des Medaillons ist eine kleine, schneeweiße Feder geklebt. Als er sich wieder zu mir umdrehte meinte er:

„Das sind meine Eltern und die Feder is die aus der Geschichte. Also die, die ich als Baby in der Hand hielt.“ Maik klappte das Medaillon wieder zu und hing sich die Kette stolz um.

„Soll das etwa heißen, deine Mutter war ein Engel oder so? Dann bist du ja selbst ein halber Engel. Also? Wo sind deine Flügel? Wäre hier in Berlin echt praktisch. Keine überfüllten U- und S-Bahnen mehr, kein Stau. Einfach über alles hinweg fliegen.“ Ich lachte und Maik fiel in mein Gelächter ein.

„Wäre doch auch ma was. Los, lass uns an den PC setzen und noch nen bissl im was im Netz suchen. Vielleicht gibt’s ja noch mehr Leute mit solchen Geschichten.“

„Na dann mal los.“ Wir gingen wieder ins Arbeitszimmer und setzen und an den PC. Wir durchsuchten viele Foren und Artikel bis tief in die Nacht. Leider konnten wir keine weiteren Berichte in der Hinsicht finden. Nur wieder der übliche Mist von Wahn- oder auch Wunschvorstellungen und Sichtungen, die mit schlechten Kameras verpixelt gefilmt wurden.  Merkwürdig, dass die Leute zu dem Zeitpunkt nie ihr Handy dabeihaben, sondern nur solche billigen oder uralten Teile. Irgendwann gaben wir nun doch auf, ein wenig enttäuscht. Da es mittlerweile schon weit nach Mitternacht war, entschied ich mich bei Maik auf der Couch zu schlafen. Wir suchten Decken und Kissen zusammen und er gab mir eine eingepackte Zahnbürste, die er für sowas immer dahatte. Dann aßen wir noch schnell ein Mikrowellengericht, gingen danach Zähne putzen und legten uns hin. Um uns noch ein wenig über das Thema zu unterhalten, ließ Maik die Schlafzimmertür offen. Da das Schlafzimmer direkt am Wohnzimmer angrenzte konnten wir uns gut unterhalten und verschiedenste Theorien über die Elfe, das Land oder dem Dämon austauschen. Wir schliefen trotzdem schnell ein.

 

 

Mitten in der Nacht

 

Tom und Maik schliefen tief und fest. Durch ein gekipptes Fenster im Wohnzimmer wehte eine schwache Briese ins Zimmer und brachte kühle Luft. Der Straßenlärm hatte mittlerweile stark abgenommen und es fuhren nur noch wenige Autos. Ein leuchtender Vollmond schob sich langsam über den Himmel und tauchte den Raum in ein silbernes Licht. Ein heller Punkt schien sich langsam vom Mond abzuheben und flog wie ein Glühwürmchen auf das offene Fenster zu. Es flog durch den Fensterspalt in die Wohnung und schwebte einen Moment lang in der Luft, als würde es überlegen. Als es sich wieder in Bewegung setzte umschwirrte es kurz den schlafenden Tom, ehe es weiter ins Schlafzimmer flog und vor Maik zum Halt kam. Mit einem kurzen Aufleuchten verschwand es plötzlich.

 

 

Maik

Lichter…Farben…Bilder… Verschiedene Bilder flackerten vor mir auf und verschwanden kurze Zeit darauf wieder. Zuerst nur nahm ich sie nur verschwommen war, helle und dunkle Bilder. Lichter. Hell und Dunkel. Allmählich wurden es kurze, immer klarer werdende Eindrücke von Landschaften und…Wesen…zumindest sahen sie Menschen nicht wirklich ähnlich. Bis ich sie nun richtig erkennen konnte. Zuerst Bilder einer vereisten Welt. Weiß und kalt schien sie mir, alles war mit Schnee oder dickem Eis bedeckt. Unwirtlich, ich sah in dieser Landschaft weder ein Tier noch sonst ein lebendes Wesen. Automatisch musste ich frösteln, obwohl ich nichts von dieser Kälte spürte. Es schien alles vollkommen unberührt. Die gleichmäßigen Schneefelder funkelten in der Sonne wie tausende kleiner Diamanten und das Eis schimmerte in einem blassen blau. Unwirtlich, ich sah in dieser Landschaft weder ein Tier noch sonst ein lebendes Wesen. Ich konnte an einigen Stellen einen Fluss erahnen, der sich durch die Landschaft schlängelte. Er war gefroren und teilweise durch Schnee bedeckt. Es flackerte kurz vor meinen Augen. Dann sah ich Bilder eines Dorfes. Die Häuser waren durch den Schnee kaum zu sehen und ähnelten abstrakten Eisskulpturen, die sich blau schimmernd aus dem tiefen Weiß emporstreckten. Verschnörkelte kleine Eisschlösser, die mittelalterlichen Hütten glichen und doch aus Eis gebaut schienen. Bei jedem erstreckte sich ein kleiner schmaler schwarzer Schacht aus der Mitte des Daches empor und rauchte in einer dünnen Bahn. Wahrscheinlich wurden die Hütten mit kleinen Feuerstellen oder Kaminen warmgehalten. Ich fragte mich mit was sie diese Feuer entfachten und halten konnten, da ich keine Bäume oder sonstiges Holz ausmachen konnte. Dann traten zwei Personen aus einem der Häuser und stapften durch den Schnee. Sie trugen weiße dicke Mäntel, trotzdem bewegten sie sich elegant und schienen fast zu schweben. Die eine Person schien weiblich, sie trug einen hellblauen dicken langen Rock, der unter dem Mantel hervorschaute und ihr langes weißes Haar lag offen über ihre Schultern. Die zweite Person war anscheinend männlich. Sie trug eine Hellblaue dicke Hose und weiße, mit Fell gefütterte Stiefel. Die Haare waren schulterlang und ebenfalls weiß. Ihre hellblaue Haut und schwarzen starren Augen ließen mich erzittern. Plötzlich verschwand das Bild und ein neues tauchte auf. Weitere Personen, die den beiden zuvor stark ähnelten, versuchten mit verschiedenen Werkzeugen das Eis des Flusses aufzubrechen. Neben ihnen lagen Netze und Angeln. Anscheinend war die Eisschicht meterdick, denn sie hatten bereits ein tiefes Loch ausgeschlagen und noch immer war kein Wasser zu sehen. Wieder verschwand das Bild. Neue Bilder kamen zum Vorschein. Schwarzes, totes Land und alte halb verfallene Hütten, die verlassen wirkten, doch bewohnt schienen und ausgetrocknete Flüsse waren zu sehen. Unterschiedliche Wesen mit roter, brauner und schwarzer Haut liefen durch die heruntergekommenen Straßen. Sie hatten grobe Ähnlichkeiten mit Menschen, nur waren sie teilweise weitaus größer, besaßen Hörner oder spitzzulaufende Ohren und teilweise keine Haare, sondern Flammen tanzten auf ihrer Haut in den unterschiedlichsten Rot- und Blautönen. Diese erinnerten mich an Toms Erzählung des Dämons. Waren dies hier welche? War ich hier in einer Art Hölle? Ich sah kurz hoch. Nein, der Himmel ist blau. Eine weiblich wirkende Person kämpfte sich gerade wild fluchend durch die Menge zu einem heruntergekommenen Stand am Rand der Straße. Sie trug ein schwarzes Ärmelloses Gewand, welches an der schlanken Taille durch einen geflochtenen Gürtel eng anlag. Ihre Haut hatte einen dunkelroten Ton und kleine hellblaue Flammen waren hier und dort zu sehen. Ihr langes schwarzes Haar wurde durch ein Band nach hinten gehalten, wodurch ihre kurzen spitzen Hörner sichtbar waren. Es verlieh ihr, trotz ihres für mich grotesken Aussehens, eine unbekannte Schönheit. Sie stritt mit einem anderen Wesen, welches ich durch das Dach des Standes nicht erkennen konnte. Zwischen den…ich nenne sie einfach mal Dämonen…erkannte ich Wesen, welchen Hunden oder großen Katzen ähnelten, mit messerscharfen Zähnen und Klauen. Alle sahen sie ziemlich zerlumpt, abgemagert und herunter gekommen aus. Sie schienen Nutz- und Haustiere zu sein. Die Szene verschwand und das Bild eines halb ausgetrockneten Sees tauchte auf, dieses zog mich plötzlich an. Ich wurde regelrecht in das Bild hinein gesogen. Kurz flackerte es auf, dann verlor ich das Gleichgewicht und fiel.

Ich kam auf einem harten grauen Steinboden auf und Schmerz durchzog mein linkes Knie. Nach ein paar Minuten, als der Schmerz allmählich abebbte, stand ich langsam auf und sah mich um. Ich stand inmitten eines hohen Raumes. Die Wände waren aus dunklem Stein und es gab sich keinerlei Fenster. Die dunkle Decke ließ ebenfalls Stein und einige schwarze Balken erahnen. An den Wänden hingen große Kerzenhalter aus Metall und deren Kerzen verströmten ein warmes schwaches Licht im gesamten Raum. Es reichte jedoch kaum, um den Raum richtig auszuleuchten. Sie waren teilweise ziemlich runtergebrannt und auf dem Boden darunter befanden sich Wachspfützen, in die das Wachs stetig rein tropfte. Vor mir und links von mir gingen zwei Gänge weg, die in völliger Dunkelheit getaucht waren. Ich überlegte, ob ich es wagen könnte, einen von ihnen zu betreten und vielleicht einen Ausgang zu suchen. Ließ es jedoch schnell bleiben, da ich mich mit Sicherheit verlaufen würde.

Plötzlich erklangen Schritte aus dem Gang vor mir, die sich näherten. Ich war wie erstarrt und konnte mich nicht rühren, sondern nur in die Dunkelheit vor mit schauen. Mein Herz raste vor Angst. Wer kommt da? Ich hielt den Atem an und zitterte. Langsam schälte sich eine Gestalt aus der Dunkelheit. Zuerst konnte ich nur Umrisse und ab und zu ein schwaches Leuchten an einigen Stellen erkennen. Dann trat er heraus. Es war ein Dämon. Er war noch ein Stück größer als ich, also über 2m. Seine spiralförmigen Hörner glänzten im Schein der Kerze schwarz. Auf seinem kahlen Kopf schienen hin und wieder kleine rote Flammen zu tanzen oder spielte mir das flackernde Licht der Kerzen einen Streich? Seine schwarzen Augen musterten mich zuerst verwirrt, dann fragend und letztendlich skeptisch.

„Du bist nicht Tom.“ Es war eine Feststellung, keine Frage. Seine tiefe Stimme rollte über mich und schallte in dem hohen Raum leise nach. Alle Luft schien mir zu entweichen und ich atmete langsam aus, da ich sie lange angehalten hatte.

 „Ähm…“ begann ich, da er sich jedoch nicht näherte atmete ich kurz durch und nahm all meinen Mut zusammen. „Nein, ich heiß Maik. Wo bin ich hier?“

„Du träumst. Ich hatte Tom gesucht. Anscheinend ist deine Magie größer als seine. Ich wollte mit ihm über Eleanora sprechen.“

„Die Elfe, oder? Tom hats erzählt. Dann musst du Risk sein. Du hast sie entführt.“ Die Worte rutschten plötzlich aus mir heraus, manchmal rede ich schneller, als ich denken kann. Risk sah mich kurz überrascht an, begann dann jedoch zu grinsen.

„Ganz recht. Das bin ich. Und ja, ich habe sie entführt und in meinen Kerker werfen lassen. Sie hat es nicht anders verdient. Darüber wollte ich mit Tom sprechen. Er…“

Auf einmal begann der ganze Raum, inklusive Risk zu flackert. Ich sah mich kurz verwirrt um und dann wieder zu dem Dämon. Er verzog das Gesicht.

„Ich habe nicht viel Zeit, meine Magie ist in eurer Welt nicht so mächtig. Ich hatte dir Bilder geschickt. Dies ist mein Land. Die Elfe ist der Grund…“ Plötzlich wurde alles um mich herum schwarz und Risk verschwand. Seine restlichen Worte wurden von einem lauten Rauschen verschluckt. Bevor ich fiel, konnte ich noch Bruchstücke der Rede von Risk hören. „…sie weigert sich…totes Land…sie kennt den Ort…zerstören…“ Doch konnte ich daraus keinen Zusammenhang herstellen.

 

Ich schlug die Augen auf. Ich war in meinem Schlafzimmer, lag in meinem Bett. An der Lampe an der Decke über mir hing ein Spinnennetz. Ich betrachtete es einen Augenblick und atmete tief durch. Dann begann ich über Risks Worte nachzudenken. Was wollte er mir sagen? Hatte seine Entführung etwa einen Grund? Ist diese Elfe hier vielleicht die Böse in dem Ganzen? Tom scheint von ihrer Unschuld überzeugt. Was hatte es mit dem Land auf sich. Armut…Tod…Und welchen Ort meinte er? Oder möchte er ihr Land zerstören? Fragen über Fragen und niemand konnte sie mir beantworten. Ich zerbrach mir eine ganze Weile den Kopf und konnte dennoch keine Antwort finden. Irgendwann kam die Müdigkeit über mich und ich schlief doch wieder ein. Diesmal träumte ich weder von dem Land noch dem Dämon.

 

Beim Frühstück sah ich Tom nachdenklich an. Er hatte an der Tankstelle um die Ecke schnell ein paar Brötchen geholt, während ich Kaffee kochte, den Tisch deckte und grübelte. Kann ich‘s ihm erzählen? Er hat ja die Elfe getroffen. Irgendwas stimmt an der ganzen Sache nich. Warum wollte Risk mit Tom sprechen? Was versuchte er mir zu sagen? Den Traum behalte ich lieber vorerst für mich. Ich muss mehr herausfinden, bevor ich es ihm erzähle. Ich trank genüsslich einen Schluck Kaffee und seufzte.

„Sag ma, die Elfe, was hat se dir so erzählt?“ begann ich langsam und sah Tom dabei an. Dieser nahm sein Brötchen, in das er gerade beißen wollte, runter und meinte:

„Nichts. Eigentlich nur, dass ich ihr helfen soll. Sie schien verzweifelt. Ich soll die Eiche finden und Marie bringt mich nach Viridis.“

„Und der Teufel…oder Dämon? Was hat er gesagt?“

„Er meinte nur, ich soll mich fernhalten. Die Elfe bekäme, was sie verdient. Wahrscheinlich wollte sie ihm irgendwas nicht geben, dass er haben wollte. Einen Schatz? Wie in einem Film oder so. Warum fragst du?“

„Nur so…ich find das alles ziemlich komisch. Meinst du wirklich, dass es so einfach is? Ich denke wir sollten schauen, ob wa nach Viridis kommen.“

„Du glaubst mir also alles? Und du denkst wir gelangen durch diese alte Eiche dahin? Wie sollen wir das anstellen?“ Tom sah mich dabei ziemlich fragend an und biss nun doch in sein Brötchen. Ich belegte mein Brötchen nun auch mit Käse und aß es langsam, dabei überlegte ich, was ich ihm antworten könnte. Eine Weile saßen wir schweigend da, frühstückten und hingen unseren Gedanken nach.

„Ich hab’s. Du fährst heim, ziehst dir frische Klamotten an und ich guck derweil ma, wie wir zur dicken Marie kommen.“ Tom sah kurz aus dem Fenster, erste dunkle Wolken zogen langsam vorbei. Es sah nach einem verregneten Tag aus.

„Du willst echt da hin? Okay, entweder klappt‘s oder wir machen uns zum Deppen.“ Tom lachte.

„Ach, wird schon klappen. Klingt doch echt wie’n Anfang von nem neuen Fantasyroman.“ Ich grinste. Tom lachte weiter und nickte zu meiner Aussage.

Nach dem Frühstück machte sich Tom auf dem Weg und ich ließ mich vor dem PC nieder. Die Verbindung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur dicken Marie hatte ich schnell herausfinden können, anschließen druckte ich mir noch die Karte aus. Von dem Bus aus mussten wir noch einen zwanzigminütigen Weg in Kauf nehmen. Einem Einfall folgend rief ich unseren Chef an und ließ uns beiden drei Wochen Urlaub geben. Zum Glück nutzen wir unseren Urlaub kaum und der Chef wollte eh eine Weile weg von seiner Frau. Anscheinend gab es mal wieder Streit.

Als Tom wieder zurück war, hatte ich bereits einen Rucksack zusammengepackt. Ich musste grinsen, als ich ihn, ebenfalls mit einem Rucksack vor der Tür stehen sah. Wir hatten wohl den gleichen Gedanken. Neben einer Taschenlampe, Wasser und Knabberkram enthielt mein Rucksack auch ein bis zwei Wechselsachen und einen Notizblock mit unseren Erkenntnissen. Ich zeigte ihm kurz auf meinem Handy den Weg und hielt dann die Karte hoch.

„Ich lass mein Handy lieber hier.“ Ich grinste. „Nicht, dass ich‘s noch in fremden Welten vergess. Außerdem gibt’s in solchen Fantasywelten ja eh meist kein Strom.“

„Ja, da hast du wohl recht. Empfang werden wir dort wahrscheinlich nicht haben.“ Tom holte sein Handy aus der Tasche und legte es noch schnell ins Wohnzimmer.

„Na hoffentlich brauchen wir das nicht noch. Naja, mit Pech sind wir heute Abend eh wieder zurück.“ Tom zuckte mit den Schultern und ging raus.

„Und mit Glück springen wir durch nen Baum.“ Gab ich zurück und folgte ihm. Ich schloss meine Wohnung ab und wir spazierten zur U-Bahn.

 

 

 

Tom

Als wir in der U-Bahn saßen, schien Maik abgelenkt. Er sah aus dem Fenster und sprach kein Wort. Ich hatte das Gefühl, dass er mir etwas verschwieg. Ob es mit seiner Mutter zusammenhängt? Hofft er bei diesem Abenteuer etwas über sie herauszufinden?  Hier fährt die U-Bahn kurze Zeit über den Straßen, bis sie wieder in einen Tunnel abtaucht. Als vor den Fenstern alles schwarz wurde, schreckte Maik plötzlich zurück. Er rieb sich die Augen und ließ sich dann zurück in den Sitz fallen. Ich saß ihm gegenüber und sah ihn an.

„Alles okay? Du wirkst so abwesend.“

„Kla, alles bestens. Hab nur über was nachgedacht. Glaubst du der Elfe?“

„Ja natürlich. Ich meine, warum nicht? Sie ist so ein wunderschönes reines Wesen. Sie schien so hilflos und verzweifelt.“ Ich sah, dass er etwas sagen wollte, doch beließ er es anscheinend und sah mich an. Ich wunderte mich, dass er die Frage wieder stellte. Glaubte er mir etwa nicht?

„Was denkste? Kommen wir durch den Baum? So mit ner Menge Licht und so?“ Von dem plötzlichen Themenwechsel überrascht, antwortete ich nicht sofort.

„Ich weiß es nicht. Wir sollten uns vor Ort ein Bild machen.“ Kam es dann doch von mir. Wir sprachen noch eine Weile über die Möglichkeiten, was passieren könnte und was uns dadurch bevorsteht. Wir hatten überhaupt keine Ahnung, was uns erwarten wird.

Nachdem wir die U-Bahn verlassen haben und in den Bus eingestiegen sind, holte Maik die Karte raus.

„Also wenn wa hier aussteigen.“ Er zeigte auf einem Punkt auf der Karte. „Müssen wir noch knapp 20 Minuten laufen, bis wir ankommen. Ist ungefähr nen Kilometer“ Er grinste mich an.

„Na ein Glück, das wir regelmäßig Joggen und hin und wieder wandern gehen. Sonst wäre das ein weiter Weg.“ Gab ich eher sarkastisch zurück. So ein Kilometer ist für Berliner Verhältnisse nun wirklich nicht viel. Maik lachte, er war wieder ganz der Alte. Ich fragte mich trotzdem, was ihn so beschäftigte.

 

Nachdem wir ausgestiegen sind, hielt Maik die Karte hoch und versuchte sich zu orientieren.

„Hm…ach…das passt ja. Schau ma, hier erstma rechts rein und der Straße nen bisschen folgen, dann kommt links nen Weg.“ Er zeigte dabei auf die Kreuzung gleich neben uns. Wir rannten dabei halb über die Straße, da wir gerade noch grün hatten. Auf der anderen Straßenseite hielten wir kurz an.

„Hey, wenn es nicht funktioniert, können wir hier was Essen.“ Meinte ich und zeigte auf das Restaurant vor uns.“

„Ne Brauerei? Passt.“ Grinste Maik. Dann wandten wir uns nach rechts und folgten der Straße. Nach dem Restaurant begann anscheinend der Park. Links und rechts von der großen Straße waren nur noch Bäume zu sehen. Trotzdem schien die Straße viel befahren, sie war in jeder Richtung dreispurig, wobei die äußere spur wohl zum Parken genutzt wurde, und der Verkehr ebbte nicht ab. Ich sah kurz nach oben. Die Wolken zogen recht schnell vorbei. Bisher wurden wir vom Regen verschont. Doch die Wege waren nass, also hatten wir einfach nur Glück bisher. Wir kamen an der nächsten Kreuzung an. Maik sah noch einmal auf die Karte und zeige auf den Weg, der halb links von der Straße wegführte.

„Da müssen wa lang. Bis fast zum See und dann links. Ma gucken. Da soll wohl auch nen Restaurant sein.“ Also bogen wir ab und liefen nun direkt in den Park. Durch die dichten Wolken am Himmel und dem Blätterwerk der Bäume wirkte der Weg ziemlich düster. Es gab auch keine Laternen oder ähnliches. Der Weg an sich war befestigt, links und rechts geht der Wald hügelig nach oben. Als würden wir zwischen zwei Wällen durchlaufen. Es knackte, einzelne Wassertropfen fielen noch immer von den Blättern und die Bäume raschelten im Wind. Wäre nicht das ständige Vogelgezwitscher, wäre es hier ziemlich unheimlich. Auf der gesamten Strecke kam uns keine Menschenseele entgegen. Was wohl am Wetter lag. Wir liefen schweigend nebeneinanderher. Jeder in seinen eigenen Gedanken versunken. Ich dachte wieder über die Träume nach und hoffte wirklich, dass es funktionierte. Ob ich sie dort sehe? Ob sie mich weiterhin in den Träumen aufsucht? Ich wüsste gern, warum er sie gefangen hält. Ist sie eine Königin und er will ihr Land? Besitzt sie irgendetwas wertvolles? Ich hatte viele Fragen und hoffte auf Antworten in Viridis. Ich rief mir wieder das Bild der Elfe, wie sie dort auf dem Wasser schwebte und mich ansah, ins Gedächtnis und musste lächeln. Sie war wirklich wunderschön.

Als links von uns ein kleiner, unbefestigter Parkplatz, auf dem zwei Autos standen, auftauchte stoppte Maik.

„Halt! Hier irgendwo müssen wa links lang.“ Wir sahen uns um und entdeckten ein kleines Stück vor uns ein Schild, welches den Parkplatz zum Restaurant wies. Da liefen wir erst einmal rein. Am Restaurant angekommen, merkten wir unseren Fehler, gingen zurück und den Weg dahinter Richtung See. Nach einem kurzen Stück war der Weg zur „Dicken Marie“ mit einem Holzschild auch ausgeschildert. Endlich waren wir da und prompt fing es an zu regnen. Dank des dichten Blätterdachs wurden wir nicht gleich pitschnass. Kurzentschlossen liefen wir zurück und gingen im Restaurant eine Kleinigkeit essen. Wir bestellten uns Bier, Maik nahm einen Burger und ich Nuggets mit Pommes.

„Hoffentlich hört es bald wieder auf. Sonst müssen wir unseren Ausflug doch verschieben.“ Meinte ich und sah raus.

„Ach wat. Hört sicher gleich wieder auf und dann gucken wa uns noch ma bei der Marie um.“

„Na, mal sehen. Der Baum sah ziemlich tot aus. Meinst du, es klappt trotzdem?“

„Bin mir sicher. Vertrauen wa ma einfach auf deine Elfe.“ Grinste Maik. Als endlich, nach recht langer Wartezeit das Essen kam, hörte es doch langsam wieder auf zu regnen und wir konnten nach dem Essen wieder zum Baum gehen.

„Boah, man…, wenn wa länger hier bleiben gehen wa aber zu der Brauerei vor. Ich will nen richtiges Bier und nicht sowas Schales wie hier.“ Meinte Maik, als wir am Baum ankamen.

„Klar gern. Vielleicht gibt es da dann auch mehr Auswahl.“ Ein knorriger alter Baum, im unteren Bereich ragten, über einem großen Auswuchs, einige kahle Äste hervor, die Krone hatte doch ein dünnes hellgrünes Blätterdach, kaum erkennbar. Wir standen auf dem Weg, vor uns eine niedrige Absperrung aus Holz. Ich sah mich um, aber durch den Regen war niemand auf eine Tour durch den Wald unterwegs. Maik hob kurzerhand einen Fuß an und stieg über die Absperrung. Dann ging er zum Baum und umrundete ihn. Ich sah mich vorsichtshalber noch einmal um und folgte ihm dann. Schöne Elfe, ich werde euch retten. Dann trat ich zu dem Baum und betrachtete ihn. Langsam strich ich mit der Hand über den dicken Auswuchs an der Vorderseite. Fast schon erwartend, dass sich nun ein leuchtendes Tor öffnet und uns hineinzieht. Doch nichts geschah. Maik umrundete den Baum ein weiteres Mal und blieb dann neben mir stehen.

„Ich kann echt nix  erkennen. Also nach der Geschichte meiner Oma“ er tippte kurz auf den Auswuchs, „kam meine Mutter wohl angeblich hier raus. Also wenn ich‘s richtig in Erinnerung hab.“ Wir waren ratlos. Wir versuchten es mit unterschiedlichen Methoden. Während ich nachdachte, über den Stamm strich, über alte knorrige Äste strich und nach sowas wie einem Hebel suchte, begann Maik mit den unterschiedlichsten Sprüchen. Dabei stellte er sich genau vor dem Auswuchs und hampelte in verschiedenste Weise rum. Von ‚Abrakadabra‘ bis hin zu ‚Sesam öffne dich‘, alles, was er so kannte. Irgendwann hörte ich auf und beobachtete ihn. Teilweise sah es so lustig aus, dass ich mir ein Lachen fast nicht verkneifen konnte. Nun nahm er sich einen Stock, sah mich dann ernst an.

„Jetzt hab ichs.“ Dann schwang er den Stock wie einen Zauberstab und tippte den Auswuchs an. „ALOHOMORA. Hm… okay: DISSENDIUM“ Das reichte. Ich fing an lauthals zu lachen.

„Man Maik, wir sind hier nicht in Hogwarts. Und wir wollen da auch gerade nicht hin.“

„Hm… na nen Versuch wars Wert.“ Am späteren Nachmittag begann es wieder zu regnen und wir brachen erst einmal ab.

„Vielleicht muss es dazu auch dunkel sein. Weißt doch, Nacht‘s is alles magischer. Außerdem wär ja doof, wenn es sich bei Touristen oder Kindern einfach öffnen würde. Würde ja in allen Nachrichten kommen.“ Meinte Maik. Diesmal gingen wir den Weg zurück, bis wir wieder fast an der Bushaltestelle waren und gingen die das Restaurant mit der Brauerei. Maik bestellte sich ein großes Dunkles und ich mir ein großes Helles. Hunger hatten wir noch keinen, darum saßen wir erst mal nur beim Bier zusammen und philosophierten weiter über die Aktivierung des Zugangs. Als die Kellnerin unser Bier brachte, sah sie uns etwas merkwürdig an. Eine blonde schlanke Frau, vielleicht etwas jünger als wir. Maik lächelte sie an und fragte sie kurzerhand, ob ihr noch etwas einfiele. Im ersten Moment schien sie erschrocken und hielt uns wohl für verrückt.

„Wir schreiben ein Buch und suchen noch eine gute Idee, wie wir in die magische Welt gelangen.“ War das Erste, was mir einfiel, bevor sie vielleicht noch die Polizei rief. Das schien sie zu erleichtern. Sie lächelte und meinte:

„Na dann solltet ihr aber nicht das Übliche nehmen. Erstens ist es langweilig und zweitens könntet ihr Probleme bekommen, wenn ihr es von anderen klaut. Also nichts mit Alohomora und dem Ganzen. Ich mag neue, unbekannte Sachen. Denkt euch was Eigenes aus, schaut mal im Übersetzer.“

„Leider haben wa unsere Handys zuhause vergessen. Wollten hier in der Natur auf tolle Ideen kommen. Vielleicht was mit ner blonden schönen Frau als Hauptfigur.“ Gab Maik charmant zurück und zwinkerte ihr zu.

„Oh, na gut. Wenn ihr noch etwas hierbleibt und vielleicht was esst, kann ich mal schauen, ob ich ein paar Minuten Zeit finde und euch was aufschreibe.“ Lächelte sie ihn strahlend an und verschwand wieder. Ich sah Maik an.

„Warum bist du nochmal Single? Also dass Isabelle ein Fehler war, weiß ich, aber sonst?“ Maik zuckte mit den Schultern.

„Die meisten, die auf Zocken, Wacken und reales Rollenspiel abfahren, sind vergeben oder wollen aktuell oder generell keinen Kerl. Zumindest die, die ich kenne.“ Dabei zuckte er gelassen mit den Schultern. Wir bestellten uns später noch jeder ein großes Bier und, wie versprochen, was zu Essen. Als unsere großen Schnitzel mit Pommes kamen, legte die Kellnerin Maik einen zusammengefalteten Zettel neben den Teller, zwinkerte ihn an und verschwand wieder.

Maik nahm den Zettel, faltete ihn auf und las ihn kurz. Dann grinste er erstmal etwas verlegen. Ich sah ihn fragend an, während ich mir schon eine Pommes in den Mund steckte. Ich war froh, dass wir uns hierfür entschieden hatten, es schmeckte wesentlich besser und das Personal war freundlich. Nun hielt er mir den Zettel hin und ich nahm ihn. Maik fing schnell an zu essen, um nichts sagen zu müssen. Also sah ich den Zettel an und musste grinsen. Der Großteil des Blatts war mit verschiedenen Sprachen beschrieben. Das meiste davon sollte wohl „Türen öffnet euch“ oder ähnliches in mehreren verschiedenen Sprachen sein und ganz oben, in einem großen Herz, stand „Tanja“ und ihre Handynummer. Ich grinste.

„Nun Tanja scheint nicht vergeben zu sein und eindeutig an dir interessiert.“ Lachte ich und aß dann weiter.

„Naja, aber sie weiß ja nix von mir.“ Dann aß auch Maik weiter. Nach dem Essen bestellten wir dann vorsichtshalber lieber zwei Cola. Da es jetzt Abend wurde füllte sich das Restaurant schnell und Tanja hatte, zum Glück für Maik, keine Zeit mehr für uns.

Als es langsam dunkel wurde, zahlten wir unsere Rechnung, natürlich mit gutem Trinkgeld für Tanja und gingen wieder zu dem Baum. Wir brauchten unsere Taschenlampen, um den Weg im Dunkeln zu finden. Maik und ich versuchten die gleichen Dinge, diesmal mit den neuen Sprüchen von Tanja. Nichts geschah.

„Vielleicht sollten wir doch aufgeben.“ Gab ich zu. „Es ist mittlerweile zu dunkel und fängt wieder an zu regnen. Und…kam deine Mutter nicht auch mitten am Tag durch den Baum?“

„Man, so ein Mist aber auch. Da haste Recht.“ Maik betrachtete den Baum. Plötzlich schien er eine Idee zu haben und holte das Amulett seiner Mutter aus der Tasche. Als er es an den Auswuchs hielt begann es schwach zu leuchten. Maik begann zu lachen.

„Ach, hätt mir das nich früher einfallen können?“ Er öffnete das Amulett und hielt die Feder so nah es ging an den Stamm.

Und tatsächlich begann er schwach zu leuchten und die Rinde verschwamm. Allmählich vergrößerte es sich und begann schwach silbern zu leuchten. Maik grinste mich an.

„Na dann ma los. Durch mit dir.“

„Willst du nicht lieber als erster?“ Unsicher sah ich erst Maik, dann die leuchtende Stelle an.

„Nee, nicht, dass es sich dann gleich schließt.“ Langsam trat ich an ihn ran und streckte zögernd meine Hand aus. Maik schien das zu lang zu dauern, denn plötzlich spürte ich einen Stoß. Ich machte einen Schritt nach vorn und trat dadurch durch das Licht. Maik schob mich weiter und schien mir zu folgen.

Kapitel 3: Ankunft in Viridis

Plötzlich standen wir mitten im Wald. Ziemlich verblüfft sahen wir uns erst um und dann gegenseitig an.

„Also irgendwie hab ichs mir spektakulärer vorgestellt. So mit Licht und schweben oder so.“ Maik sah mich bei diesen Worten kurz an und begann zu grinsen. „Naja zumindest wissen wir, dass wir nicht verrückt sind. Wir sind wirklich durch den Baum in diese Fantasywelt.“

„Ja, es scheint wahr zu sein. Und nun?“ Ich sah ihn fragend an. Als er antworten wollte, hörten wir ein Knacken irgendwo über uns und jemand rief:

„Wer seid ihr? Wie seid ihr an den Wachen vorbeigekommen?“ Dabei sprang plötzlich jemand aus einem der Bäume und landete etwas entfernt von uns elegant auf dem Boden. Er federte sich kurz ab. In einer fließenden Bewegung richtete er sich sofort danach auf und zog einen einfachen Bogen vom Rücken und einen Pfeil aus dem Köcher daneben. Mit gespannten Bogen kam er langsam näher. Dabei musterte er uns mit seinen braunen Augen genau, registrierte jede kleine Bewegung. Der Fremde trug ein grünes Hemd, eine braune Hose und schwarze Stiefel. Darüber eine Art einfache Lederrüstung, die einen Teil seines Oberkörpers bedeckte. Ein paar Blätter hingen in seinen kurzen schwarzen Haaren, die rausfielen, als er den Kopf leicht schief legte.

Da wir vor Schreck wie angewurzelt dastanden und nichts sagten, wiederholte er seine Fragen.

„Also wir…äh…“ Begann ich langsam und überlegte fieberhaft, wie ich es erklären sollte. Schließlich begriff ich es selbst kaum. Ich wollte es gerade vorsichtig versuchen, da fing Maik gleich direkt an.

„Sind aus dem Baum da gekommen.“ Dabei zeigte er auf den großen alten Baum, der direkt hinter uns stand und ein riesiges altes Astloch zu haben scheint. Ich sah erst ihn entsetzt an und dann vorsichtig zu dem Fremden. Er muss uns doch für verrückt halten. Gleich erschießt er uns. Doch widererwarten ließ er langsam den Bogen sinken und sah uns nachdenklich an.

„Wie seid ihr aus dem Baum gekommen und von woher?“ Der Fremde hielt den Bogen weiterhin gesenkt, aber noch immer gespannt. Ein falscher Schritt und er würde den Bogen sofort heben und schießen. Da war ich mir sicher.

„Wie? Keine Ahnung. Hab den Anhänger meiner Mutter an nen alten Baum rangehalten und plötzlich konnten wir durchlaufen. Und wir kommen von zuhause.“ Maik grinste und hielt den Anhänger hoch. Er drehte sich leicht, so dass der Fremde einen kurzen Blick auf die Feder und das Bild hatte.

„Also es hat sich anscheinend ein Tor geöffnet. Wir kommen von Berlin… Also Deutschland… oder je nachdem wo wir hier sind, von der Erde.“ Fügte ich noch schnell hinzu, ehe der Fremde etwas sagen konnte.

„Ihr kamt mit Hilfe eines Amuletts in unsere Welt und kommt aus der Menschenwelt. Hm… ich habe die starke Magie des Baumes gespürt, als das Tor geöffnet wurde.“  Er betrachtet uns noch einmal ganz genau, ließ dann den Bogen locker und steckte den Pfeil zurück in den Köcher am Rücken. Dann legte er zwei Finger an den Mund und ein lauter langer Pfiff war zu hören. Einige Vögel flogen aufgeschreckt aus den Bäumen in alle Himmelsrichtungen. Als der Pfiff verklang wurde es kurzzeitig still, bis die Bäume um uns herum zu rascheln begannen. Nach und nach sprangen weitere Menschen aus den Bäumen um uns herum und kreisten uns ein. Die Männer trugen ähnliche Kleidung wie der Fremde vor uns. Die Hemden hatten lediglich verschiedene Grüntöne. Von einem sehr hellen Gelbgrün bis hin zu dunkleren Tönen. Einige von ihnen trugen anstatt der Lederrüstung braune Westen mit Stickereien, die an Ranken, Blumen und teilweise auch an Bäume erinnerten. Die Frauen trugen enganliegende, lange Oberteile, ebenfalls in verschiedenen Grüntönen. Um die Taille waren braune, breite Gürtel gebunden, die ebenfalls Stickereien auswiesen. Hier jedoch teilweise detaillierter und zusätzlich mit Tiermotiven wie etwa Vögel. Die meisten hatten braunes Haar, die Männer sehr kurz und die Frauen fest zu einem Dutt gebunden. Nur zwei weitere Personen hatten ebenfalls so schwarzes Haar, wie der Fremde vor uns. Als wir komplett umkreist waren und somit nicht mehr fliehen konnten, lächelt der Fremde.

„Mein Name ist Darragh und ich bin einer der Beobachter. Wir schützen das Dorf und den alten Ginkgo.“ Ich sah ihn verständnislos an. Ich verstand kein Wort. Maik schien die anderen genau zu betrachten und sah danach wieder zu Darragh.

„Hallo, ich bin Maik und der hier neben mir heißt Tom. Was sind‘n Beobachter? Ginkgo ist nen Baum, oder?“ Darragh stutzte bei Maiks Worten kurz und musste daraufhin laut loslachen.

„Na, ihr seid mir ja gut. Der alte Ginkgo ist der Baum, aus dem ihr rausgekommen seid. Wir Beobachter beobachten, wie der Name schon sagt, den Wald. Ich glaube in anderen Kulturen nennt man uns Wachen. Wir wachen über das Dorf.“ Er lächelte. „Das scheint es bei euch nicht zu geben.“

Eine große, schlanke Frau mit braunem Haar und hellgrünem Oberteil und ein großer kräftiger Mann mit hellbraunem Haar und ebenfalls hellgrünem Hemd traten vor und stellten sich links und rechts neben uns. Sie sahen uns ernst, ja eher grimmig an und griffen nach unseren Oberarmen. Die Frau stand neben mir und hielt mich fest. Ich sah sie kurz an, sie war etwa einen halben Kopf größer als ich. Nun starrte sie gerade aus in Richtung von Darragh. Ich sah kurz zu Maik, der Mann, der ihn festhielt, war auch ein Stück größer als er. Der Mann starrte ebenfalls geradeaus. Als würden sie Befehle abwarten.

„Das sind Bosca und Gurgan. Sie begleiten euch nun zu eurer Unterkunft. Ich werde die Ältesten in Kenntnis setzen. Sobald sie euch sehen wollen, holen wir euch ab. Bitte seht davon ab, euch davon zu stehlen oder allein durch das Dorf zu wandern.“ Er lächelte und ging los. Unsere beiden Begleiter folgten ihm schweigend und zogen uns mit sich.

„Hey, wartet mal…“ Begann Maik, doch keiner reagierte. Wir liefen einige Minuten durch den Wald, wobei Maik und ich eher umherstolperten. Unsere Begleiter schienen dagegen eher zu schweben, so leichtfüßig und leise, wie sie sich bewegten. Eine große Schutzmauer aus Holz tauchte nun vor uns auf. Durch den dichten Wald und der Beschaffenheit der Mauer, nahm ich sie erst richtig wahr, als wir fast davorstanden. Genau vor uns war ein geschlossenes Tor zu sehen. Es war so hoch wie die Mauer, doch besaß es zusätzlich verschiedene Querbalken mit eingravierten Symbolen. Sie ähnelten teilweise Jagdszenen oder Tierportraits. Am Tor angekommen verließen uns die meisten unserer Begleiter wieder. Sie gingen zurück oder kletterten flink und elegant auf die nächsten Bäume. So schnell, wie sie kamen, waren sie nun auch wieder verschwunden. Lediglich Darragh, Bosca und Gurgan blieben bei uns. Darragh gab einen weiteren Pfiff ab, diesmal ähnelte er eher dem Laut eines Vogels. Danach wurde es für eine kurze Zeit still. Ich sah mich um. Maik sah vollkommen gebannt auf das Tor und betrachtete wohl die Gravur. Um uns herum konnte ich außer der Mauer und dem Tor nur dichten Wald erkennen. Es war mitten am Tag und hie und da drängten sich dünne Sonnenstrahlen durch die Blätter. Vogelgesang war kaum zu hören. Ich sah die Frau an, sie starrte weiterhin nur geradeaus. Ihre dunklen Lippen waren zu einem Spalt zusammengepresst und zwischen ihren Augen zeigte sich eine schmale Falte.

„Bosca…ähm…können Sie mir vielleicht sagen, wie spät es ist?“ Bosca wandte sich zu mir um und sah mich nun verwirrt an. Die Falte zwischen den Augen verschwand kurz, kehrte jedoch schnell wieder.

„Du hast eine merkwürdige Aussprache, Kleiner. Die Sonne hat vor einiger Zeit den Zenit überschritten und wird bald verschwinden. Dann gehen die Monde auf.“ Sie drehte sich um, da genau zu der Zeit, als sie mit mir sprach das Tor geöffnet wurde. Ihre Stimme war heller, als ich es erwartet hatte und ziemlich melodisch. Dann ist es wahrscheinlich am späten Nachmittag, was meint die mit Monde? Gibt es hier mehrere? Wir setzten uns wieder in Bewegung. Die Innenseite des Tores enthielt ebenfalls Gravuren mit verschiedenen Bildern. Hierbei handelte es sich jedoch um Bilder von Familien, Menschen bei der Arbeit und dergleichen. Beim Durchgehen fragte Maik:

„Sagt ma, warum habt ihr eigentlich diese ganzen Bilder ins Tor geritzt?“ Darragh, und dadurch auch wir anderen, blieb stehen und drehte sich um. Er sah Maik verständnislos an.

„Wie bitte? Was ist geritzt?“ Maik zeigte Richtung Tor, das sich nun wieder geschlossen hatte.

„Na diese Bilder hier.“

„Du meinst die Gravuren? Das sind Schutzsymbole und Bitten an den Waldgott. Die Äußeren sollen uns vor fremden Eindringlingen schützen und eine gute Jagd versprechen. Die Inneren bieten uns und unseren Familien Schutz.“

„Oh, verstehe. Ein Waldgott also. Und? Funktioniert‘s?“ Maik grinste. Manchmal frage ich mich, ob er überhaupt vorher nachdenkt. Doch Darragh lachte und meinte:

„Nun bisher ist uns noch nichts Schlimmes widerfahren. Die schwarzen Wölfe und die roten Bären blieben uns bisher fern. Die Speisekammern sind ebenfalls gut gefüllt.“ Er drehte sich wieder um und ging weiter. Bären? Wölfe? Ich drehte mich um, das Tor wurde mitgerade mit einem riesigen Querbalken verriegelt. Nun sah ich auch von innen, dass das Schließen und Verriegeln über eine Art Flaschenzug geschahen. Zwei Leute betätigten Kurbeln, was einen Mechanismus in Gang setzte. Wir gingen Richtung Dorfmitte. Das Dorf schien in einen Kreis aufgebaut. Die meisten Häuser standen auf dem Boden und erinnerten mich an Blockhütten, in verschiedenen Größen. Die kleinsten davon waren gerade mal so groß wie ein normales Zimmer, die größten wie ein großes zweistöckiges Haus. Diese standen eher am Rand, nahe der Mauer. Durch ein großes Loch im Dach stiegen bei einigen, vorrangig den größeren Häusern, Rauchschwaden auf. In der Mitte stand ein großer Baum, in dessen Krone ein großes Baumhaus gebaut war. Sowohl der Baum als auch das Haus waren reich mit verschiedenen Motiven und Verschnörkelungen verziert. Eine dicke Strickleiter führt am Stamm des Baumes nach oben. Sie ist fest im Boden verankert. Überall war reges Treiben, Frauen und Männer, die Tiere ausnahmen, Fell spannten, nähten oder Werkzeuge herstellten. Eine Gruppe saß im Kreis, in der Mitte verschiedene Pflanzen und sortierten und zerkleinerten diese. Vermutlich Kräuter oder Getreide? Kinder liefen umher, halfen ihren Eltern oder spielten. Mir fiel auf, dass die Erwachsenen alle mindestens so groß wie ich sein müssten. Auch die Frauen. Die meisten ähnelten unseren Begleitern. Es gab jedoch auch Frauen in langen braunen Röcken und Männer mit reich verzierten Westen. Doch langsam hielten sie inne und immer mehr von ihnen wurden auf uns aufmerksam. Die betrachteten uns und fingen an zu flüstern. Ich konnte Worte wie „merkwürdige Kleidung“, „der alte Ginkgo erstrahlte“, „vielleicht Magier“ und „Menschen“ heraushören. Maik schien das auch zu bemerken, er lauschte angestrengt und versuchte anscheinend sich einen Reim aus dem Geflüster zu machen. Wir kamen an eine der kleineren Hütten nahe dem Baumhaus an und Darragh öffnete die Tür.

„So, hier ist euer Quartier. Ich werde gleich mit den Ältesten sprechen, doch ich denke sie werden euch nicht vor morgen sehen wollen.“ Wir traten ein, die Hütte enthielt zwei Holzbetten mit einfachen Decken, eine kleine Feuerstelle in der Mitte und an der Seite ein kleiner Tisch mit einer Wasserschale. Über der Feuerstelle gab es ein Loch im Dach, wodurch man den Himmel sehen konnte.

„Ruht euch aus. Bosca und Gurgan werden vor eurer Tür bleiben. Bitte bleibt in der Hütte. Die Leute sind skeptisch gegenüber Fremden. Bei Bedürfnissen oder Fragen, sprecht einfach mit den beiden.“ Darragh lächelt fröhlich. „Wir hatten lange keine Menschen mehr hier zu Gast.“

„Moment.“ Nun wurde es mir doch zu viel. „Was seid ihr, wenn ihr keine Menschen seid?“ Maik stand neben mir und verschränkte die Arme.

„Genau, die Leute da draußen hab’n auch so komisch geflüstert.“  Darragh sah uns nachdenklich an.

„Na, wir sind Waldläufer, Kinder des Waldgottes. Was sonst? Gibt es in eurer Welt keine?“

„Waldläufer…aber ihr seht uns ziemlich ähnlich muss ich ma sagen.“ Ich sah zuerst zu Maik und dann zu Darragh, gespannt auf dessen Antwort zu Maiks Bemerkung.

„Ihr kennt wirklich keine Waldläufer. Hm…Waldläufer stammen ursprünglich von Menschen ab, ja. Unsere Vorfahren sind vor tausenden von Sommern in den Wald gegangen und haben sich dem Waldgott verschrieben. Im Laufe der Zeit haben wir uns komplett den Bedingungen des Waldes angepasst und dessen Gaben angenommen.“

„Oh, Cool.“ Maik grinst. Ich muss über Darraghs verwirrten Gesichtsausdruck lächeln. Dann verließ er uns und wir setzten uns auf die Betten. Draußen wurde es langsam dunkel. Hin und wieder hörten wir draußen Gespräche. Anscheinend versuchten die anderen Waldläufer einen genaueren Blick auf uns zu werfen. Doch sie wurden immer wieder abgeblockt. Maik und ich unterhielten uns noch eine Weile über diesen Tag und das fremde Land. Er sinnierte über die Möglichkeiten, die dieses Land zu bieten hatte und die verschiedenen Völker, die wohl vielleicht herbergen könnte. Zwischendurch bekamen wir mehrere Kerzen aufgestellt und die Feuerstelle wurde von Bosca angezündet. Nachdem es schon ein Weilchen dunkel war, kam Gurgan mit zwei Schalen Suppe und etwas, das wie Brot aussah.

„Hier, Menschen, ich soll euch Essen bringen.“ Er reichte sie uns und verschwand ohne ein weiteres Wort.

„Der Typ scheint uns irgendwie nich zu mögen.“ Meinte Maik und betrachtete die Suppe. Ich roch kurz dran und verzog das Gesicht.

„Naja, zum Glück hatten wir vor unserer Reise was gegessen.“ Maik bis von dem Brot ab und schien ehrlich erstaunt.

„Boah, koste ma dieses Brot hier. Ist das lecker. Hat was von Frischgebackenem mit…weiß nich…Minze oder so? Erinnert mich irgendwie an Tee.“ Ich sah erst Maik und dann das Brot an. Dann biss ich ebenfalls hinein. Es war sehr weich, obwohl der Kanten etwas Anderes vermuten ließ. Der Kanten war jedoch nicht hart, sondern dünn und knusprig, wie frisch aus dem Ofen. In dem Brotteig wurden offenbar verschiedene Kräuter eingebacken, welche es frisch und saftig wirken ließen. Neben den unbekannten Geschmack konnte ich eine leichte Note Menthol oder Eukalyptus ausmachen. Es war sehr ungewohnt und doch schmeckte es richtig gut. Nun probierte ich auch vorsichtig die Suppe. Diese war lediglich eine heiße Fleischbrühe, die Fleischstücken schmeckten stark nach Wild und sie enthielt Kräuter und ein bisschen Gemüse. Ich denke sie sollte uns eher für die Nacht aufwärmen als zu schmecken. Wir aßen beide die Suppe sowie das Brot. Unsere Vorräte aus den Rucksäcken fassten wir nicht an, wer weiß was noch vor uns steht. Danach legten wir uns hin. Ich vermutete, dass es nach unserer Zeitrechnung bereits weit nach Mitternacht sein müsste. Kurze Zeit später schliefen wir auch schon ein.

 

Maik

Ich schlug die Augen auf. In den letzten Minuten hatte ich nur noch von Wasser geträumt. Meine Blase drückte. Ich sah kurz rüber zu Tom, der tief und fest zu schlafen schien. Zumindest was ich von ihm erkennen konnte. Es war stockfinster, man konnte nur ein paar Schemen in der Hütte erkennen. Lediglich ein paar Sterne und der schwache Schein von ein…nein zwei Monden schien durch die Öffnung im Dach. Ich betrachtete sie kurz genauer. Sie schienen aneinander zu hängen. Einer der beiden lag halb hinter dem anderen. Sie ähnelten beide in gewisser Weise unserem Mond, doch war das Bild der Krater anders, diese schienen auch tiefer und größer als bei unserem. Trotz der Gedanken musste ich nun wirklich dringend auf Toilette. Ich stand leise auf und ging zur Tür. Sie war unverschlossen, als ich dagegen drückte. Doch saßen draußen gleich daneben unsere beiden Begleiter. Bosca schien zu schlafen und Gurgan hielt Wache. Er sah mich finster an, also sagte ich leise.

„Ich muss ma dringend wohin…also wo kann ich mich hier… erleichtern?“ Ich versuche es extra eleganter auszudrücken, da ich denke mit ‚Ich muss ma pinkeln.‘ würde ich ihn nur verwirren. Er nickte und stand auf. Dann nahm er meinen Arm und zog mich zu einem hinteren Winkel der Mauer.

„Hier lang.“ Wir liefen an einigen Hütten vorbei. Es war ruhig, die meisten schienen zu schlafen. Nur ein paar Waldläufer liefen uns einmal über den Weg. Sie trugen ihre Waffen griffbereit und schienen hier Patrouille zu laufen. Als wir anhielten, standen wir an einer, etwas vorgesetzten hölzernen Wand.

„Dahinter und dann links. Denk an das Stroh, wir sind schließlich keine Wilden.“ Ich nickte und ging um die Wand herum. Dahinter befand sich ein größeres Waldstück, welches noch immer von der Mauer eingekreist war. Direkt hinter der Wand war ein großer Haufen Stroh aufgehäuft und ein kleiner Brunnen. Ich nahm eine Hand voll und ging mich erleichtern. Als ich wiederkam wusch ich mir meine Hände. Man, die sind hier ja echt vornehm. Stroh und dann Wasser zum Hände waschen. Ob die schon sowas wie Bakterien kennen? Oder ist das einfach ihre Kultur? Als ich wieder zu Gurgan trat, traute ich mich dann doch nicht meinen Mund aufzumachen. Er sah ziemlich grimmig aus und schien uns nicht leiden zu können. Sofort zog er mich zu unserer Hütte zurück, öffnete, dort angekommen, die Tür und stieß mich hinein. Dann schloss er sie wieder. Ich seufzte kurz und legte mich wieder hin.

 

Am nächsten Morgen wurden wir durch lautes klopfen an der Tür aus dem Schlaf gerissen. Wir schreckten hoch und sahen uns erst einmal verwirrt an. Dann dämmerte es mir. Doch bevor wir irgendetwas sagen konnten, wurde die Tür aufgerissen und Bosca brachte Brot, Trockenfleisch und Wasser. Sie lächelte uns kurz an, wurde dann aber wieder ernst.

„Esst und macht euch fertig.“ Sie warf uns Kleidung hin. „Eure merkwürdige Kleidung und die Taschen bleiben hier. Ihr macht den meisten hier Angst. Sie vermuten, ihr seid gekommen, um uns unsere Heimat zu nehmen.“

„Nee.“ Begann ich sofort, wieder ohne nachzudenken. „Das brauchen wir nicht, haben nen eigenes. Das reicht uns völlig. Macht genug Arbeit.“ Bosca musste sich nun doch ein Kichern verkneifen.

„Gut, Gurgan wollte euch schon fesseln damit ihr nichts Falsches anstellen könnt.“ Dann meldete sich Tom, er müsse mal dringend wohin. Also gingen er und Bosca raus. Derweil begann ich zu essen. Als Tom mit verwirrter Miene zurück kam sah ich ihn fragend an.

„Sie haben Stroh und Wasser…ich habe sie gefragt, wie sie von den Bakterien wissen. Sie hat mich ausgelacht und meinte, dass das Ritual der Reinigung wichtig wäre. Sie wisse auch nicht, wer dieser Bakterien sei. Ob ich damit einen Gott meine.“ Ich grinste ihn an.

„Ich musste letzte Nacht auch ma, aber Gurgan wollte ich nicht deswegen fragen. Fehlt nur noch ne warme Dusche, oda?“

„Na das wäre super, aber ich denke so reinlich sind sie hier nicht.“ Tom aß nun auch schnell und wir zogen uns um. Die alten Sachen stopften wir in unsere Rücksäcke. Zum Glück hatte uns Bosca noch Ledertaschen, die wir schräg über den Rücken binden konnten, dazu gelegt. Dort hinein steckten wir unseren Knabberkram, die kleinen Wasserflaschen, die Taschenlampen und unsere Notizen. Dann hieß es warten. Nach einer Weile wurde die Tür geöffnet und Darragh kam grinsend rein.

„So, ihr beiden. Die Ältesten möchten euch nun sehen. Da ihr anscheinend nicht aus diesem Land stammt möchte ich euch kurz etwas erklären.“ Er schloss die Tür und setzte sich zu uns.

„Menschen sind nicht wirklich hier willkommen. Die großen Magier sind damals beim großen Überfall einfach durch das Tor verschwunden und haben uns unserem Schicksal überlassen. Bleibt einfach in meiner Nähe. Ich bin der einzige, neben Bosca, der den Legenden der Ahnen glaubt.“ Wir sahen ihn fragend an.

„Hab mich schon gefragt, warum Gurgan uns nich leiden kann.“ Meinte ich kurz, Tom zur selben Zeit:

„Was für Legenden?“

„Darin wurde von der Rückkehr der Magier gesprochen, die dem Land ihren alten Glanz zurückgeben. Es ist sehr rätselhaft formuliert. Ich weiß nicht, ob ihr es seid. Doch ich hoffe es einfach und deshalb konnte ich die Ältesten überreden euch zu treffen. Gurgan glaubt den Legenden nicht, doch er respektiert den Wunsch seiner Gemahlin.“ Ich musste grinsen, also sind unsere beiden Begleiter da draußen Partner. Darragh fuhr nach einer kurzen Pause fort.

„Tretet mit Respekt und Ehrfurcht vor ihnen. Nachdem ihr die Leiter erklommen habt, zieht eure Schuhe aus und kniet nieder. Dann wird der Vorhang erhoben und ihr begebt euch vorsichtig auf Knien hinein. Ich werde es euch vormachen. Sprecht nicht, wenn ihr nicht gefragt werdet.“ Er sah mich ernst an.

„Besonders du solltest deine Zunge hüten. Respektlosigkeit gegenüber den Ältesten wird bei uns hart bestraft.“ Ich sah ihn überrascht an, nickt dann jedoch. Ich sollte mich wirklich zusammenreißen, sonst ist unser Abenteuer hier schon zu Ende. Dann stand Darragh auf und bedeutete uns zu folgen. Wir standen ebenfalls auf und traten mit ihm aus der Hütte. Sofort flankierten uns Bosca und Gurgan, während wir auf den großen Baum in der Mitte des Dorfes zugingen. Vor der Leiter blieben wir stehen. Darragh drehte sich zu uns um.

„Ich klettere hoch und gebe den Beschützern Bescheid. Dann gebe ich euch ein Zeichen und ihr folgt mir. Bosca und Gurgan ihr folgt als letzte.“ Wir alle nickten und Darragh begann flink hochzusteigen.

„Also so schnell wird’s bei uns wohl nich. War schon immer ne Niete im Klettern.“ Sprach ich leise zu Tom. Dieser nickte.

„Zumindest ist sie im Boden verankert.“ Kurz darauf kam ein kurzer Pfiff von oben und Bosca stieß uns an.

„Hoch mit euch.“ Dann begannen wir zu klettern. Erst Tom, dann ich, darunter folgte uns Bosca und Gurgan gab das Schlusslicht. Ich hörte von unten immer wieder ein Grummeln und Wortfetzen. „langsame Schnecken“, „sollten sich beeilen“, „selbst die Ältesten sind schneller“. Ich grinste, ja, wir waren wirklich langsam. Oben angekommen wartete Darragh schon unruhig. Wir standen auf eine Art große Terrasse. Hier hätten locker zwanzig Leute eine Party feiern können. Die Wände des Baumhauses waren mit verschiedenen Motiven von Tieren, Bäumen und Ranken verziert. Die Brüstung bestand aus ca. 1 m hohen Holzpfählen. Diese waren rund, dunkelbraun gebeizt und mit Efeuranken verziert. Auf dem Großteil des Bodens lagen Felle in verschiedenen Braun- und Rottönen. Mit Ausnahme des Teils, auf dem wir nun standen. Dieser ähnelte Dielenboden. Lange breite Bretter waren aneinandergelegt. Vor dem ersten Teppich standen mehrere Paar Schuhe. Der Eingang zum Baumhaus wurde von zwei Waldläufern bewacht. Sie trugen, neben Pfeil und Boden auch je ein Kurzschwert bei sich. Sie beobachteten uns aufmerksam und auch misstrauisch. Eine falsche Bewegung und sie würden uns wahrscheinlich angreifen oder einfach runter werfen. Wir hätten keine Chance. Sie trugen enganliegende Lederrüstungen, die ihnen wohl viel Bewegungsfreiheit boten und die Muskeln eher hervorhoben als zu verstecken, braune Hosen und hohe Stiefel. Ihre Haare waren braun und kurzgeschoren, wie die der meisten anderen.

Wir zogen unsere Schuhe aus, stellten sie zu den anderen und gingen dann zu Darragh.

„Das hat ja gedauert.“ Er verzog das Gesicht. „Kniet euch bitte vor den Eingang, wenn ich euch rein bitte, folgt ihr der Aufforderung sofort.“ Er selbst ging ganz normal durch die Tür. Das gab mir im ersten Moment zu denken. Doch als er seinen Kopf kurz durch die Tür steckte und uns rein bat, knieten wir uns nieder und gingen auf Knien in den Raum. Darragh bedeutete uns bis zum Tisch vorzugehen und uns dann richtig hinzusetzen. Wir taten wie geheißen. Wohl auch aus Furcht. Der gesamte Raum war sehr groß und hoch. Es gab nur wenige Fenster, die das Tageslicht hineinließen. Dadurch und durch die vielen Kerzen im gesamten Raum, erhielt dieser ein Dämmerlicht. Leicht flackernd und mit tanzenden Schatten. An den Wänden befanden sich Felle und verschiedene Zeichnungen. Der Tisch vor uns war niedrig, jedoch sehr groß und rund. Um den Tisch herum saßen die Ältesten, insgesamt sechs an der Zahl, und dahinter jeweils ein jüngerer Waldläufer. Darragh stellte sich ganz links hinter eine ältere Frau. Neben ihm stand hinter einem älteren Mann ein fremder Waldläufer. Bosca und Gurgan stellten sich ebenfalls hinter zwei der Ältesten. So standen von links nach rechts Darragh, ein Fremder Mann, Bosca, Gurgan und noch zwei weitere fremde Frauen. Vor ihnen saßen die Ältesten, ebenfalls drei Frauen und drei Männer. Diese saßen jedoch abwechselnd, eine Frau und ein Mann. Bei den Ältesten trugen die Männer, sowie die Frauen ihr weißes langes Haar zu einem festen Knoten am Hinterkopf. Die Frauen hatten die Frisur lediglich mit zwei geflochtenen Zöpfen aufgepeppt. Ihre faltigen Gesichter waren gezeichnet von fremden unbekannten Symbolen. Sie erinnerten mich an Blätter oder dergleichen. Ob es Tattoos oder eine Bemalung war, ließ sich so leider nicht feststellen. Die Bärte der Männer waren lang, weiß und geflochten, mit dunklen Bartperlen. Sie trugen weite grüne Hemden, braune Hosen und einen weiten hellgrünen Mantel mit rankenähnlichen Stickereien. Die Frauen trugen weite hellgrüne Kleider mit einem dicken braunen Gürtel um die Taille. Ihre Kleider waren ebenfalls reich bestickt. Außerdem trugen alle verschiedenen Schmuck, von Ohrringen, Armreifen bis hin zu Ketten. Alles samt aus Holz angefertigt und verziert. Die fremden Frauen und Männer trugen in Gegensatz zu unseren Begleitern ebenfalls langes Haar, welches Hochgebunden wurde und ähnliche Kleidung und Schmuck. Nur waren die Verzierungen und der Schmuck weitaus weniger und filigraner. Nachdem ich die Waldläufer gemustert hatte, die allesamt ruhig und schweigsam dasaßen und sich ebenfalls ein Bild von uns zu machen schienen, fiel mir hinter ihnen eine große Karte auf. Sie schien alt zu sein und war auf Leder gezeichnet worden. Unten stand in großen Buchstaben das Wort „Viridis“. Das schien eine Karte des Landes zu sein. Ich betrachtete sie genauer.

 

 

 

 

„Menschen…Menschen aus der anderen Welt…“ Die unerwartet kräftige und ausdrucksstarke Stimme ließ mich aufschrecken. Ich sah zu der Ältesten, die vor Darragh saß. Sie musterte uns genau und mit einem grimmigen Ausdruck. „Ich wollte es erst nicht glauben, als Darragh mir davon erzählte.“

„Die Geschichten sind also wahr.“ Diese verwunderten Worte kamen von der Frau ganz rechts von uns. „Die Magier kehren zurück und neue Zeiten brechen an.“

„Unsinn! Das hier sind wahrscheinlich ein paar ganz gewöhnliche Bauern. Vielleicht haben sie sich im Wald verirrt oder sie wollen ein Abenteuer erleben. Sie wären nicht die ersten, die dumm genug sind, nur in der Hoffnung auf Reichtum, loszuziehen.“ Gab die Älteste vor Darragh verächtlich zurück.

„Fea, bitte. Sie kamen aus dem Baum. Darragh hat es gesehen. Und wir alle spürten die Magie. Lass uns die beiden Menschen anhören, was sie zu sagen haben.“ Der Älteste neben Fea sah erst sie und dann Darragh hinter ihr an. Er lächelte gutmütig. Fea schnaubte kurz und sah uns nun abwartend an. Ich sah kurz zu Tom, der links neben mir saß. Er schien vollkommen in die Gravur auf dem Tisch vertieft zu sein. Starrte sie regelrecht an. Diese zeigte einen riesigen Weltenbaum, der sich über den gesamten Tisch erstreckte. Hat Tom Angst vor ihnen? Also war es wohl an mir ihnen alles zu erzählen. Ich erzählte ihnen kurz von Toms Traum und unserer Idee es einfach zu versuchen. Meinen Traum ließ ich, einer Eingebung folgend, aus. Ich weiß auch nicht warum. Dann beschrieb ich ihnen die Versuche durch den Baum zu gehen und wie es erst mit dem Anhänger funktionierte. Da ich ihn um den Hals trug, nahm ich ihn ab und hielt das Amulett hoch. Dabei öffnete ich es und präsentierte die Feder und das Bild meiner Eltern. Sie schimmerte leicht. Es war mir schon letzte Nacht aufgefallen. Ein Raunen ging von den Ältesten aus. Bosca schnappte kurz nach Luft und sah uns erstaunt an.

„Die Feder eines Engels. Normalerweise zerfallen sie zu Staub, wenn sie sie verlieren.“ Kam es von der zweiten stehenden Frau rechts.

„Stammt sie vielleicht von Luneta? Das Bild, es ist klein und schwer zu erkennen. Die Frau scheint ihr zu ähneln.“ fragte die, ihr Nebenstehende ganz leise und kniff die Augen zusammen, um das Foto meiner Eltern besser erkennen zu können.

„Nun, anscheinend steht der Träger unter dem Schutz des Engels. Ich habe Legenden darüber gehört, dass eine geschenkte Feder für immer erhalten bleibt und den Beschenkten schützt. Die Magie lässt keine anderen Schlüsse zu.“ Es kam von dem freundlichen Ältesten neben Fea. Er sah uns kurz nachdenklich an und begann nun zu lächeln.

„Nun denn. Wir sollten uns vielleicht einmal vorstellen. Schließlich sind diese Menschen zu Besuch bei uns. Mein Name ist Friseal und hinter mir steht Crann. Darragh kennt ihr ja bereits, vor ihm sitzt Fea.“ Nachdem er kurz den Arm gehoben und nach rechts ausgeschwenkt hat, zeigt er kurz auf die Personen links von ihm. „Vor Bosca sitzt meine liebe Ivy und daneben ihr Mann Mallow und uns gegenüber sitzen Lilac und Aol. Die beiden Damen dahinter sind Jacenty und Leilani.  Und wie dürfen wir euch ansprechen?“ Nun sahen wieder alle abwartend zu uns. Vorher hatten einige von ihnen kurz gelächelt oder genickt, während ihre Namen genannt wurden.

„Ich bin der Maik…naja eigentlich Michael, aber für die meisten bin ich einfach nur Maik. Der hier neben mir is Tom.“ Ich stieß ihn kurz in die Seite. Er schreckte auf und sah kurz in die Runde. Anscheinend war er vollkommen in Gedanken versunken gewesen.

„Hi, ich bin Tom.“

„Nun, ihr wollt also die Elfe retten, die durch einen Traum zu euch sprach? Wie wollt ihr das anstellen?“ Fea sah uns fragend an. Ich sah sie völlig perplex an und mir wurde klar, dass ich mir nie einen Kopf darübergemacht hatte. Ich bin einfach Tom gefolgt und weil mich mein Traum hatte skeptisch werden lassen. Außerdem waren meine Neugierde und die Idee in einer Fantasywelt unterwegs zu sein ebenfalls Gründe ohne Nachdenken loszulaufen. Also sah ich ihn an.

„Sie wird uns leiten.“ Tom starrte wieder auf den Tisch „Ich spüre sie. Sie ruft nach mir, doch irgendetwas hält sie von einem Kontakt mit mir ab.“

„Das liegt an der Barriere, die unser Dorf umgibt. Hier oben ist sie  ein wenig dünner, daher kannst du die Magie der Elfe spüren. Unten im Dorf dürftest du sie überhaupt nicht spüren.“ Tom und ich sahen nach rechts. Lilac sprach, ihre Stimme klang sanft und glatt. Sie wollte einfach nicht zu der älteren Frau passen, die wir vor uns sahen. Sie lächelte leicht.

„Ich habe diese Barriere mit Hilfe von Mallow erschaffen. Sie schützt uns vor den Gefahren und schadender Magie von außen. Wir, die Ältesten und unsere gewählten Nachfolger erneuern die Barriere zur Sonnenwende. Dadurch ist sie stark und schützt uns alle.“

„Also müssen wir nur das Dorf verlassen und sie kann mit mir sprechen.“ Tom wollte aufspringen, doch ich hielt ihn zurück. Während des Gespräches kam mir ein Gedanke.

„Wir müssen zu dem Ort dieses…wo Risk wohnt. Denke ma, dass is nen trister grauer Ort.“ Ich hob kurz die Schultern. „Wisst ihr, wo das sein könnte? Kennt ihr nen Weg dahin? Wäre zumindest ein Anfang.“ Ich sah mich einmal in der Runde um. Als Darragh sprach.

„Der Wald dort draußen ist gefährlich. Wenn die Rettung der Elfe auch unsere Rettung ist, führe ich euch gern nach Calles. Dies ist eine Handelsstadt und sie wird von allen Völkern besucht, dort werden wir sicherlich weitere Informationen erhalten.“ Nun drehten sich alle zu ihm um.

„Der Weg würde zwei Tage in Anspruch nehmen und führt quer durch den Wald. Das kann ich nicht zulassen.“ Fea sah ihn grimmig an, doch ich konnte auch Angst erkennen.

„Mutter… ich meine Älteste…“ Er legte die Hände auf ihre Schulter. „Ich bin der beste Bogenschütze des Dorfes. Ich werde gut auf sie achten und dafür sorgen, dass die Geschichte sich erfüllt. Der Wald wird bald wieder uns gehören und wir können frei Jagen.“

„Glaubst du wirklich die Rettung einer Elfe würde sie dazu bringen uns unseren Wald zurückzubringen?“

„Wenn es stimmt, was die Elfenjäger im Wald erzählen, dann ist die Gefangene ihre Königin. Zumindest stimmen der Name und die Beschreibung zu dessen Erzählungen.“

„Darragh, du warst wieder im Norden des Waldes? Wenn die Elfen dich erwischt hätten.“ Donnerte Fea nun wütend los.

„Beruhige dich, sie achten nie darauf, wer in den Bäumen sitzt. Sie sind nur auf die Jagd am Boden konzentriert. Nun, ich werde sie begleiten. Es ist der einzige Weg den Wald zurückzubekommen. “

Fea sah sich um, keiner schien ihm zu widersprechen.

Dann seufzte sie resigniert. „Nun gut. Doch ihr müsst euch gut auf die Reise vorbereiten. Der Weg führt direkt durch das Gebiet der roten Bären. Dort jagen die Elfen besonders gern. Sie lieben das Fell der Bären. Wenn sie euch erwischen…“ Darragh nickte.

„Ich weiß. Wir werden darauf achten und besonders vorsichtig sein.“

„Gut, dann ist die Besprechung hiermit beendet. Darragh, nimm diese Menschen bitte mit und bereitet euch auf die Reise vor.“ Darragh nickte und wir verließen mit ihm das Baumhaus. Draußen musste ich mich erst einmal ausgiebig strecken. Mein linker Fuß ist eingeschlafen, also hüpfte ich danach hin und her und versuchte das Kribbeln zu beseitigen. Darragh betrachtete mich verwirrt, sah dann aber zu Tom. Dieser stand nur da und sah fast sehnsüchtig zum Wald, als hoffte er, dass sie Elfe plötzlich auftaucht. Als das Kribbeln langsam nachließ, stieß ich gegen Tom und zog ich meine Schuhe an. Tom kam daraufhin wieder zu sich und tat es mir gleich. Dann folgten wir Darragh vom Baumhaus hinunter und er brachte uns zu unserer Hütte.

„Nehmt eure Sachen. Wir bringen sie bei mir unter. Mit diesen außergewöhnlichen Taschen würdet ihr nur auffallen. Das würde Fragen und Argwohn mit sich bringen“ Also nahmen wir unsere Rücksäcke und folgten Darragh zu seiner Hütte. Die Waldläufer im Dorf gingen ihren Arbeiten nach, sahen aber hin und wieder verstohlen zu uns rüber und hielten einen sicheren Abstand. Als ein Kind unseren Weg kreuzte, kam die Mutter sofort angerannt und zog es weg. Wir schienen ihnen wohl Angst zu machen. Ob sie hier sonst keine Fremde zu Besuch haben? Vermutlich nicht, bei einer solchen Barriere und Mauer. Sie halten uns hoffentlich nicht für diese Elfenjäger so. Als wir in Darraghs Hütte ankamen, bat er uns Platz zu nehmen. Er entzündete ein Feuer, stellte einen Kessel darauf und begann dann Kleidung und verschiedene Gegenstände in einen Beutel zu packen. Tom schien wieder normal zu werden, denn er fragte:

„Warum nanntet ihr uns Magier und was sind diese Elfenjäger?“ Darragh hielt inne und sah Tom an. Kurz schien er über seine Antwort nachzudenken. Ich selbst war überrascht, dass Tom das Gespräch bei den Ältesten doch mitbekommen hatte. Dann sah ich ebenfalls zu Darragh, ebenfalls neugierig über dessen Antwort. Darragh seufzte kurz.

„Das ist eine längere Geschichte.“ Er legte seinen Beutel beiseite, goss das heiße Wasser in Becher mit Kräutern und reichte uns zwei. Es roch nach Kräutertee. Er holte noch drei von diesen Kräuterbroten aus einem Lederbeutel und reichte jeden von uns ein. Dann setzte er sich mit seinem eigenen Becher zu uns.

„Nun wo fange ich an…“

„Na am Anfang.“ Rutschte es mir raus. Darragh sah mich kurz verwirrt an, musste dann jedoch grinsen.

„Das ist gute Idee. Am Anfang…. Nun ich kenne die Geschichten nur durch Erzählungen und Legenden. Vor ungefähr 800 Jahren sah unser Land noch anders aus. Es gab keine Elfen in Viridis. Elfen lebten bis dahin nur in Austur und wagten sich nur zum Handel auf die Meere Richtung Westen. Die Insel Viridis liegt zwischen den großen Kontinenten Austur und Vestur. Sie ist die größte Insel auf dem Meer und keinem der vier Reiche direkt zugeordnet. Die vier Reiche sind Varuun und Kretania auf Austur und Mór Forgings und Castrum auf Vestur. Eine strikte Trennung der Völker. Vor Jahrtausenden geschaffen…Nun die Geschichte würde zu weit gehen…Der kurze Abriss unserer Welt sollte genügen. Zurück zu Viridis. Die Insel wurde vom Magier Orden geleitet. Es gab eine große Burg, auf welcher sie ausgebildet und dann von dort in die Welt geschickt wurden. Für deren uneingeschränkte dienste wurden Friedensverträge unterschrieben und die Unabhängigkeit Viridis erklärt. Die Insel wurde zu einem großen Umschlagsplatz für den Handel aller Völker. Die Städte hier im Süden besaßen noch ihre ursprünglichen Namen.“ Darragh stellte seinen Becher auf einen niedrigen Tisch und stand auf. Im hinteren Teil seiner Hütte stand ein Regal, in welchem einige Schriftrollen lagen. Eine davon holte er raus. Er entrollte sie vor uns. Sie zeigte das südliche Land. Es schien eine Kohlezeichnung zu sein.

 

Wir betrachteten die Karte. Neben den jetzigen Namen der Städte und des Sees wurden die anscheinend alten Namen hinzugefügt.

„Ich habe diese Namen von alten Schriftrollen im Baumhaus abgeschrieben. Ich hoffe Fea findet nicht heraus, dass ich sie angeschaut habe. Eigentlich ist der Zugriff nur den Ältesten erlaubt.“ Meinte Darragh ein wenig verlegen.

„Wie wird man hier eigentlich so ‘n Ältester? Gibt’s da nen Ritual oder sowas?“ Ich musste es einfach Fragen. Meine Neugier ließ mir keine Ruhe.

„Naja…“ Darragh lächelte. „Grundlegend wird man von einem der Ältesten erwählt. Wenn ein Ältester seinen Platz einnimmt, wählt er unter den Kindern des Dorfes einen Nachfolger. Oft das eigene Kind, manchmal auch ein anderes. Es gibt ein Ritual, im Geheimen von dem Ältesten und dem erwählten Kind. Leider darf ich es nicht genau beschreiben. Ich kann jedoch sagen, dass es im Traum stattfindet und die Magie testet“

„Oh…na okay. Das verstehe ich.“ Ich grinste. „Könnte ja sonst jemand euch überlisten, um in den Rat zu gelangen, wenn das Ritual jeden bekannt wäre. Aber wenn se die eigenen Kinder bevorzugen, werden se wohl nie andere Kinder testen, die vielleicht fähiger sind. Vielleicht will das Kind ja das gar nich machen.“ Darragh nickte und sah mich nachdenklich an.

„Genau das ist mein Problem…aber lassen wir das. Ihr wolltet etwas über die Magier und die Elfenjäger wissen.“ Er tippte auf die Karte und wir sahen uns sie genauer an.

„Warum die Elfen in unser Land kamen, ist nur zum Teil bekannt. Sie kamen wohl aus ihrem Reich Varuun. Das Reich aist hauptsächlich von Elfen bevölkert. Damals bestanden sie aus einem Zirkel und sind wohl vor einer Strafe geflohen. Unser Land war zu der Zeit friedlich, wir besaßen kaum Waffen und die Magier waren nicht im Kampf ausgebildet. Und…“

 

Vor ca. 800 Jahren.

 

Im letzten Licht der untergehenden Sonne kam das rege Treiben am Hafen von Afstand langsam zum Erliegen. Hafenarbeiter begannen ihre Arbeit niederzulegen und sich auf den Weg in die naheliegenden Wirtshäuser oder auf den Heimweg zu machen. Ein letztes Schiff verließ gerade den Hafen, es enthielt allerlei Waren und auch eine Gruppe Magier begann ihre Reise zum nächsten großen Kontinent. Sie haben vor kurzem ihre Prüfungen abgelegt und waren nun auf der Suche nach einer Anstellung. Einige erhofften sich Stellungen in großen Bibliotheken oder am Hofe eines der vier großen Reiche.

Die Insel Viridis liegt genau zwischen den beiden Kontinenten und ist somit ein zentraler Handelspunkt. Auf dem westlichen Kontinent liegen die Reiche der Zwerge und der Menschen, auf dem Östlichen, die der Elfen und der Drachen.

Nur wenige befanden sich noch am Hafen, als ein riesiges Segelschiff einlief, auf welchem eine Mannschaft von über hundert Leuten Platz hätte. Das ankommende Schiff besaß einen bauchigen Rumpf, doch durch die geschwungene Form der Holzplanken und der Schnitzereien wirkte es trotzdem elegant. Leichte Wellen schlugen gegen das Schiff und die Möwen kreisten über ihm. Als erhofften sie sich Fisch und andere Ware, die die üblichen Handelsschiffe an den Hafen brachten.

Das große, weiße Segel wurde langsam von mehreren Gestalten eingeholt, welche Flink über die Takelagen kletterten und nur schemenhaft zu erkennen waren. Es herrschte ein reges Treiben auf dem Schiff. Doch durch weite Mäntel und Kapuzen waren die Personen nicht genau zu identifizieren. Als das Schiff langsam in Position gedreht wurde erschien eine Gestalt am Hauptdeck.  Mehrere Hafenarbeiter, die noch am Hafen letzte arbeiten erledigten und das ankommende Schiff erblickt hatten, begannen sich in Position zu stellen.

„Klar zum Anlegen!“ Kam in tiefer kräftiger Stimme von der Person an Deck und das Treiben auf dem Schiff begann sich entsprechend anzupassen. Auf verschiedenen Positionen riefen Männer ein „Ist klar“. Nach einigen weiteren Kommandos wurden die Leinen zu den Hafenarbeitern geworfen und diese von ihnen befestigt. Durch das Vertäuen der schweren Seile an den Steinpollern waren die Hafenarbeiter geschafft und erhofften sich nun eine Belohnung, als die Rampe hinabgelassen wurde.

Mehrere Personen verließen eleganten Schrittes das Schiff über die schwankende Rampe und eine davon näherte sich den Arbeitern. Die anderen blieben an der Rampe stehen und warteten. Sie trugen lange Mäntel und hatten ihre Kapuzen tief ins Gesicht gezogen. Mittlerweile waren sie die Einzigen am Hafen, die Sonne war untergegangen und Gaslampen gaben ein spärliches Licht von sich. Die Person hielt in etwas Entfernung an und hielt kurz einen kleinen Stoffbeutel hoch, bevor sie sie den Hafenarbeitern vor die Füße warf. Der Beutel öffnete sich und es vielen einige goldene Münzen raus.

„Elfengold…“ stieß einer der Arbeiter hervor und kniete sich nieder. Die anderen taten es ihm gleich.

„Es ist selten hier zu sehen und sehr wertvoll. Das reicht für mehrere Wochen.“ Kam es von einem anderen.

„Ihr könnt es behalten, wenn ihr niemandem von unserer Ankunft erzählt.“ Kam es in tiefer befehlender Stimme von der Person. Es schien der Mann zu sein, der vorher auf dem Schiff die Befehle gab. „Geht Heim oder ins Wirtshaus, aber schweigt über uns.“  Die Hafenarbeiter nickten, nahmen das Geld und verschwanden so schnell sie konnten. Als sie außer Sichtweite waren, drehte sich der Mann zu den anderen Personen um.

„Wir können nun ausladen. Nehmt alles weitestgehend mit. Beladet die Karren und spannt sie hinter den Ochsen. Thaleia, meine Liebste, führe sie nach Alwetend. Sobald wir hier fertig sind, holen wir euch auf.“ Als er mit einer der Personen, Thaleia, sprach, wurde seine Stimmte sanfter. Die angesprochene Person verneigte sich kurz und kehrte wieder auf das Schiff zurück. Nun standen noch drei Personen vor ihm. Kurz sah er sich um, schien die Umgebung genau zu betrachten und nahm dann seine Kapuze ab.

„Ich kann keinen Menschen in der Nähe spüren.“ Zum Vorschein kam ein schmales Gesicht mit hohen Wangenknochen und schmalen Augen. Die Pupillen glänzten im Schein der Laternen silbern. Das Hellblonde, fast weiß wirkende Haar war zu einem kurzen Knoten am Hinterkopf zusammengebunden. Die Ohren waren geschwunden und liefen spitz am Ende aus. Er war ein Elf. Seine Begleiter legten ebenfalls die Kapuzen ab. Auch sie waren Elfen, zwei von ihnen männlich, ähnlich dem Mann vor ihm, nur mit dunklerem Haar und grünen Augen. Die dritte Person war eine Frau, sie hielt demütig den Kopf gesenkt. Ihr Haar war ebenfalls von einem dunkleren Blond, jedoch lang und geflochten. Die Augen funkelten in einem Türkis.

„Prinz Serdar…“ begann sie. „Ich sollte Thaleia helfen.“

„Nein, meine liebe Cyra. Deine Dienste in Varuun haben eine hohe Belohnung verdient. Ich möchte, dass ihr den Kriegern helft die Einhörner zu satteln und mit ihnen das Schiff zu verlassen. Die Berittenen sollen mit euch voranschreiten und Thaleia den Weg freihalten. Niemand darf vorher von uns in Alwetend berichten. Der Angriff muss überraschend sein.“ Er begann zu grinsen. Cyra nickte und lief schnell über die Rampe, um die Anweisungen ihres Herrschers weiter zu tragen. Serdar sah die beiden Männer vor ihm an.

„Sobald wir entladen haben, müssen wir alle Schiffe im Hafen niederbrennen. Niemand darf entkommen. Dieses Land wird unsere neue Heimat und wir werden herrschen. Die Kunde wird erst auf die Kontinente getragen, wenn ich den Thron bestiegen und ich mir die Treuer des hiesigen Adels sicher bin.“ Ein kurzes Krachen ließ alle drei herumfahren. Sie sahen sich um. An der Straße, die vom Hafen in die Stadt führt, war ein Stapel Kisten umgekippt. Skeptisch machte Serdar einen Schritt darauf zu, als plötzlich eine große graue Katze aus dem Haufen sprang und die Straße hinunterrannte. Er blieb stehen und drehte sich wieder zu den anderen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Der Brand solle wie ein Unfall aussehen. So sind die Bewohner der Stadt beschäftigt und sie können unbemerkt nach Alwetend reisen und das Land erobern.

„Laut meinen Forschungen herrscht der Meistermagier Jocseus über das Menschenvolk. Er lebt in der großen Universität.“ Begann der Linke der beiden Männer. Er begann dunkel zu grinsen. „Das Land ist friedlich. Die Magier lernen kaum Kriegszauber hier, solche Schriftrollen befinden sich nur auf den Kontinenten. Es wird uns ein leichtes sein.“ Serdar nickt.

„Gut, Selenio. Die Überraschung wird uns nützen und die Verluste gering halten.“ Während des Gespräches wurde eifrig Material, Wagen, Ochsen und Einhörner ausgeladen. Männer folgten, beluden die Wagen und sattelten die Einhörner. Der zweite Mann vor Serdar sah sich um, es lief alles so leise und schnell wie möglich ab.

„Ich muss zu meinen Männern, Prinz. Die Berittenen müssen eingewiesen werden und wir benötigen einen Treffpunkt, bevor wir zur Universität aufbrechen.“

„In Ordnung Kimon.“ Kimon verbeugte sich kurz, wandte sich danach um und ging zu seinen Männern, um den Marsch zu koordinieren. Mittlerweile begann Thaleia ihren Weg nach Alwetend mit mehren, von Ochsen gezogenen Karren. Sie hatte sich eine Truppe von Fußsoldaten zusammengesammelt, welche die Ochsen führten. Sie nahmen die Hauptstraße und ähnelten, durch ihre weiten Mäntel, einer Händlergruppe. Cyra und drei weitere Elfen saßen auf ihren Einhörnern und ritten raschen Schrittes vor Thaleia. Sie waren schnell und lautlos unterwegs und verschwanden fast sofort in der Dunkelheit.

 

Dabei kamen sie an den umgekippten Kisten vorbei. Die zusammengekauerte Gestalt hinter den Kisten bemerkten sie jedoch nicht. Nachdem sie vorbeigezogen sind, sah die Gestalt kurz zum Schiff. Serdar schritt bereits den Hafen hinunter, um die richtigen Stellen für die Feuer auszukundschaften, begleitet von weiteren Elfen. Kimon und Selenio waren vertieft in der Planung zum Vormarsch. Schnell huschte die Gestalt die Straße hinunter und schien dabei mit den Schatten zu verschmelzen. An einem Gasthaus schlüpfte sie durch den schmalen Türspalt. Erst im Haus atmete sie wieder durch. Monere konnte kaum glauben, von was sie gerade zufällig Zeugin wurde. Aus einem Impuls heraus nutzte sie ihre Magie, um ihre Aura zu verbergen und versteckte sich hinter einigen Kisten. Diese dumme Katze hätte sie beinahe verraten. Doch ein kurzer Stoß ließ das Tier aufspringen uns losrennen. Es reichte, um die Elfen abzulenken. Eigentlich wollte sie den Hafen entlang spazieren, da sie sich für Schiffe interessierte. Morgen sollte ihr Schiff nach Kretania auslaufen, dem Reich der Drachen auf dem östlichen Kontinent, um mit den Drachen zu verhandeln. Vor kurzem haben sich einige von ihnen auf einem der Berge in Viridis niedergelassen. Da die Insel ein Verbindungspunkt der beiden Kontinente ist. Drachen sind das älteste Volk dieses Landes und achten das Gleichgewicht. Im Allgemeinen mischen sie sich nicht in die Belange anderer ein, sondern beobachten sie. Durch ihre lange Lebensspanne, heißt das mehrere 1000 Jahre, bevor sie irgendetwas tun. Doch haben viele Händler nun Angst den Weg nach Corundo einzuschlagen. Er führt nun genau zwischen dem Himmelsberg und dem Drachenfels hin durch. Monere sollte einen garantierten Friedensvertrag mit Pendragon auszuhandeln. Doch nun wird es keine Reise geben. Schnell warf sie ihren dunklen Umhang über einen Haken und rannte hinauf zu ihrem Zimmer. Dabei musste sie ihren grünen Rock raffen, um nicht über ihn zu fallen. Der strenge Zopf, der ihre langen roten Locken zusammenhielt, hatte sich gelöst. Nun fielen sie ihr bei jedem Schritt in ihr sommersprossiges Gesicht. Mit ihren 28 Jahren ist sie eine der Jüngsten im großen Rat der Magier. Doch ihre Talente und ihre Sprachgewandtheit in der Politik ließen sie schnell aufsteigen und den Posten als Außenpolitikerin besetzen. Im Zimmer angekommen verschloss sie die Tür und sah sich um. Ihr fiel nur eine Möglichkeit ein. Also setzte sie sich an den Tisch, steckte sie Feder ins Tintenfass und verfasst schnell einen Brief an ihre Schwester. Diese war Botanikerin in der Universität und beschäftigte sich in der Magie mit Hilfe der Pflanzen und Tiere. Vorrangig in der Medizin und Heilung. Sie hatte Monere vieles beigebracht. Mit einem kurzen Zauber Richtung Fenster flog nach wenigen Minuten ein Falke durch eben dieses und landete auf dem Schreibtisch. Monere band den Brief an den Fuß des Falken und sah ihn genau an, dabei begannen ihre braunen Augen golden zu leuchten.

„Bring den Brief so schnell du kannst zu Mentha.“ Der Falke verbeugte sich kurz, stieß sich ab und verschwand durch das Fenster. Schneller als ein normaler Falke schien er im Flug fast zu verschwimmen.  Als sie aufstand und ihm nachsah brannte der Hafen bereits lichterloh. Sie hörte die Schreie der Bewohner und seufzte. Es hatte begonnen…

 

In Alwetend schliefen die Menschen friedlich in ihren Betten, unwissend was in Afstand vor sich ging. Auch der nachfolgende Tag verlief ruhig. Die Prüfungszeit war vorüber und die Schüler begannen sich für die Heimreise fertig zu machen. Die Ersten waren bereits vor Tagen mit den Kutschen zum Hafen gefahren. Die Abschlussprüfungen fanden immer zuerst statt. Erst nachdem sie abgereist sind, folgten die Prüfungen der unteren Jahrgänge. In den nächsten Tagen fahren weiter Kutschen in alle Teile des Landes und brachten die Schüler heim. An diesem Abend fand das letzte große Abendessen statt, bei dem bestandene Prüfungen gefeiert und Durchgefallene betrauert wurden.

Am frühen Morgen des darauffolgenden Tages wurde plötzlich und sehr Laut die Alarmglocke im Turm geschlagen. Lehrer, sowie Schüler sprangen aus ihren Betten, warfen sich ihre Mäntel um und rannten auf den großen Hof der Universität. Ein älterer Mann mit kurzem weißem Haar und wehendem blauen Mantel bahnte sich einen Weg durch die Schüler und stieg auf ein leicht erhöhtes Podest. Auf dem gesamten Hof herrschte reges Durcheinander und alle sprachen sie durcheinander. Erst als eine Frau mit schwarzem, fest zusammen geknotetem Haar ebenfalls auf das Podest stieg und der Absatz ihrer Schuhe ein lautes „Klock“ von sich gab, wurde es nach und nach still.

„Was ist hier los?“ Ihr strenger Blick schweifte durch die Schülerschaft. Sie trug einen orange-gelben bodenlangen Mantel, den sie fest um ihre Taille geschnürt hatte. Niemand antwortete.

„Wer hat die Glocke geschlagen?“ Im hinteren Bereich, in der Nähe des Turms wurde es unruhig. Sie sah in die Richtung.

„Was ist da hinten los?“ Die Schüler und Lehrer drehten sich um und begannen Platz zu machen. Durch den entstandenen Weg rannte eine junge Frau mit wehenden glatten roten Haaren hindurch. Ihr grüner Mantel war offen und gab den Blick auf ein flattriges weißes Nachthemd frei. Einige Schüler begannen zu kichern. Verstummten jedoch schnell, als sie zu sprechen begann. Sie schob ihre Brille beiseite und ihre braunen Augen leuchteten vor Schrecken.

„Professor Aliana! Es ist von meiner Schwester…“ Keuchend stolperte sie auf das Podest. Der ältere Mann stützte sie ab.

„Meine Liebe Mentha, was ist passiert? Was ist mit Ihrer Schwester?“ Sie sah ihn an, dann atmete sie kurz durch.

„Meister Jocseus…es ist schrecklich…Elfen…in Afstand…“

„Mentha, jetzt setzen Sie sich endlich. Valor, bringen Sie einen Stuhl.“ Professor Aliana sah einen Mann in grauem Anzug hinter dem Podest an. Dieser nickte und brachte schnell einen Stuhl. Mentha setzte sich und hielt den Brief hoch.

„Monere, sie ist doch in Afstand und sollte morgen zu den Drachen aufbrechen. Es kamen Elfen…in der Nacht. Sie sind auf dem Weg hierher. Sie wollen das Land.“ Gab sie, noch immer leicht keuchend, von sich.

„Aber Mentha, Elfen leben in Varuun. Was wollen sie denn hier?“ Begann Jocseus, als sich ein Mann mittleren Alters aus der Lehrerschaft meldete. Mentha atmete tief durch und beschrieb den Inhalt des Briefes. Monere hatte die Ankunft, die Gespräche und die Reisegesellschaft mit Thaleia beschrieben.

„Meister Jocseus, ich habe eine schlimme Vorahnung. Wenn es stimmt, was dort steht.“ Nun sahen alle gebannt auf ihn.

„An was denkst du, Lucjan?“

„Nun, es gab Krieg in Varuun. Der rote König ist gefallen. Sein Sohn geflohen. Ich denke es ist Serdar. Er sucht ein neues Reich. Die, von den Elfen genannten Namen passen zu seinem Gefolge. Wenn ich meinen Quellen bei den Drachen glauben darf, sind es gut hundert Mann, schwer bewaffnet. Sowohl beritten als auch Fußsoldaten.“ Eine eiskalte Stille befiel den gesamten Hof. Jeder musste diese Neuigkeit erst einmal verdauen. Dann wurde es sehr laut, Schüler verfielen in Panik, andere wollten kämpfen. Mit einem lauten Pfiff brachte Prof. Aliana Ruhe in die Menge.

„Liebe Schülerschaft…“ begann sie laut und durch dringlich. „bitte begebt euch nun in eure Zimmer. Die Lehrmeister Lucjan und Aralia bringen euch in eure jeweiligen Flügel. Ruht euch aus und kommt, wie immer, zum Frühstück. Wir werden uns beraten und euch das Vorgehen später mitteilen.“ Mit diesen Worten wurde die Versammlung aufgelöst und jeder verschwand in die entsprechende Richtung. Valor half Mentha auf die Beine und half ihr dann hinein in den privaten Bereich von Jocseus. Der Meistermagier besaß einen kleinen Wohnbereich in der Universität, von dem aus er auch über das südliche Land herrschte. Dort setzten sie sich alle vor den Kamin auf Sessel und Sofas und diskutierten über das weitere Vorgehen. Schnell wurde klar, dass sie den Elfen nichts entgegenzusetzen hatten. Lucjan sprang auf und sah Meister Jocseus und Aliana erschrocken an.

„Ihr wollt fliehen? Was ist mit den Menschen in den Dörfern und auf dem Land?“ Meister Jocseus seufzte und sah Lucjan an.

„Die Elfen werden bald hier sein. Unser Volk ist seit Jahrtausenden friedlich, wir können diesen Kampf nicht gewinnen. Der Friedensvertrag mit den vier Reichen beinhaltete die Abgabe aller Schriftrollen mit Kampfzaubern. Nur die Magier auf den Kontinenten lernen diese Nachträglich. Sie würden nie rechtzeitig hier sein. Niemand würde das.“

„Wir müssen es zumindest versuchen. Lieber sterbe ich, als feige wegzurennen. Sie benötigen bestimmt noch mindestens einen Tag.“

„Lucjan bitte versteh es doch…“

„Nein! Geht, wenn ihr es wollt. Ich bereite mich nun auf einen Kampf vor und jeder, der mir hilft ist gern willkommen.“ Damit verließ er den Raum.

„Lucjan läuft in den Tod. Was können wir nur tun?“ Aralia sah den Meister und die Schulleiterin Prof. Aliana ängstlich an. Diese sah nachdenklich in die Runde.

„Wir können diesen Krieg nicht gewinnen. Wir müssen fliehen oder wir sterben. Doch wohin sollen wir gehen? Die Schiffe wurden niedergebrannt, die Dämonen im Norden und die Waldläufer im Lichtwald werden lediglich ihr eigenes Volk retten.“ Da sprang Mentha auf.

„Ich habe vielleicht eine Lösung.“ Sie lächelte in die Runde. „Bei meinen Forschungen bei den Waldläufern fand ich ein Portal.“ Nun richteten sich alle Blicke auf sie. Meister Jocseus wirkte skeptisch.

„Ein Portal? Wo? Und wohin führt es?“

„Im alten Ginkgo. Es führt in eine andere Welt, besiedelt nur von Menschen! Dort gibt es bestimmt Magier, die uns helfen könnten. Wir könnten dort die Schülerschaft für die Zeit in Sicherheit bringen.“

„Du meinst, dass wir von dort Hilfe holen könnten? Es gibt einige Zauber, die das Dorf und die Universität sicherlich ein paar Tage schützen könnten. Doch wie können wir zu dem Baum gelangen? Die Waldläufer werden es nicht zu lassen.“ Gab Prof. Aliana zu bedenken.

„Ich denke, wir könnten ihnen eine Kopie des Schutzzaubers überlassen. Einige Schüler haben Zauber von alten Schriftrollen und Büchern auf neue übertragen.“ Bei Aralias Worten nickten alle.

„Gut, dann ist es beschlossen. Aralia suche Lucjan und berichte ihm unseren Entschluss. Nach dem Frühstück wählen wir die begabtesten Schüler aus. Sie werden uns begleiten. Der Rest hält den Schutzzauber aufrecht und verteidigt das Dorf. Wenn wir die Pferde nehmen, werden wir die Waldläufer in gut zwei Tagen erreichen. Heute Mittag machen wir uns auf den Weg.“

„Oje.“ Begann Mentha. „Morgen sollten doch zwei Vertreter der Engel hier ankommen, um Verträge neu auszuhandeln und als Verbindung zu den Dämonen zu fungieren.“ Meister Josceus sah sie an.

„Schick einen Falken, sie sollen die Reise abbrechen und zurückkehren. Außerdem sollen sie dem Norden Bescheid geben.“ Mentha nickte und lief los. Damit löste sich die Versammlung auf. Lucjan wurde in den Plan eingeweiht und stimmte ihm zu. Als die Schüler nach dem Frühstück informiert wurden, wählten die Lehrmeister Lucjan und Aralia zehn der begabtesten Schüler für die Reise aus. Der Rest sollte, in Führung von Lucjan, die Universität schützen und so lang wie möglich standhalten. Nach dem Mittagessen stiegen Aralia, Meister Jocseus, Prof. Aliana und Mentha auf die Pferde und ritten los. Begleitet von den zehn Schülern. Im Gepäck hatten sie neben Verpflegung mehrere Schriftrollen und magische Utensilien, um das Portal zu öffnen. Lucjan und Valor bereiteten den Schutzzauber vor und setzten ihn, mit Hilfe einiger Schüler, frei. Der Falke kam jedoch nie an und so kamen die beiden Engel mitten in der Schlacht zwischen den Elfen und der Menschen an. Welche das Schicksal der Beiden besiegeln sollte.

 

Am Ende des zweiten Tages kamen die Magier am Dorf der Waldläufer an. Sie erklärten ihnen die Lage und gaben die Schriftrolle einem der zukünftigen Ältesten. Dieser machte sich sofort auf den Weg zu den Ältesten. Nach seiner Rückkehr dürften die Magier zum alten Ginkgo und ihre Reise durch das Portal vorbereiten. Bevor sie eben durch dieses gingen, versprachen sie bald mit Verstärkung zurückzukehren. Sie besiegelten den Pakt auf einer Schriftrolle. Doch das taten sie nicht. Die Waldläufer wachten lange am Baum und warteten.

Die Schlacht in Alwetend nahm nach 23 Tagen ein blutiges Ende. Serdar nahm den Thron ein, neben ihn seine geliebte Thaleia. Die überlebenden Menschen wurden teils versklavt und teils an harte Regeln gebunden, um weiterzuleben. Für die Elfen waren sie ein niederes Arbeitervolk. Die Engel wurden gefangen genommen und in den Kerker gesperrt. Serdar wollte von ihnen Informationen über ihr Volk, um weitere Bereiche der Insel unterwerfen zu können. Nach außen hin sind die Engel zwischen die Fronten geraten und gefallen. Als Serdar versuchte sein Reich weiter auszubreiten, stieß er schnell an seine Grenzen. Der Weg ins Reich der Dämonen wurde geschlossen, die Drachen und die Engel schützten ihre Reiche und die Waldläufer erweiterten den Schutzzauber mit Hilfe ihrer eigenen Magie, die sie aus der Natur zogen. Trotzdem beanspruchte Serdar den größten Teil des Waldes für sich und ließ jeden Waldläufer töten, der sich dort aufhielt. So wuchs die Macht der Elfen in den nächsten Jahren stark an und ihre Gier nach einem reichen und bequemen Leben. Sie zogen, mit kleinen Kristallen aus ihrer alten Heimat, die Magie aus dem Land. Sie ließen die Menschen für sich arbeiten und gaben den Städten neue Namen, der ihrer Eleganz entsprechen sollten.

 

Heute.

 

„Nun so konnte ich es aus den alten Schriften entnehmen.“ Darragh grinste. „Ich wusste, dass die Magier uns irgendwann unsere Retter schicken würden. Auch, wenn es länger gedauert hat, als wir dachten.“ Ich sah ihn unsicher an und versuchte dann mit einem Blick auf Tom dessen Hilfe zu bekommen. Doch Tom schien abwesend.

„Öhm…naja…Magier…also eigentlich.“ Verlegen strich ich mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht. „Eigentlich gibt’s bei uns keine Magie. Und ich weiß auch nix von irgendwelchen Magiern.“ Nun entglitt Darragh sein Lächeln und er sah uns entgeistert an.

„Aber ihr kamt doch aus dem Baum und wollt die Elfe retten. Ich nahm an, dass ihr dadurch mit ihr verhandelt oder verhandelt habt und die Völker von ihnen befreit.“

„Ja schon…“ begann ich.

„Ich muss mit ihr diese Nacht sprechen.“ Als Tom mich unterbrach, sah ich erschrocken zu ihm. Er sah uns abwechselnd an. „Bitte, gibt es hier einen Ort außerhalb der Magie? Ich möchte sie nach dieser Geschichte fragen. Vielleicht kennt sie genaueres über die Geschichte, vielleicht war es ganz anders. Also…ich weiß es nicht, aber ihre Version wäre in Wirklich wichtig.“ Darragh nickte langsam.

„Am Rande des Dorfes gibt es ein Baumhaus, es wird von Beobachtern genutzt. Es ist hoch genug, um über dem Schutzkreis zu liegen. Es gibt dort auch Betten.“ Er stand auf und packte zusammen. „Wir werden dort übernachten und auch unsere Reise von dort aus beginnen. Es liegt genau in der richtigen Richtung unserer Reise.“ Während der Geschichte hatten wir den Tee getrunken und das Brot gegessen. Wir spülten die Becher ab. Darragh gab uns Lederbeutel, die alles für die Reise enthielten. Danach folgten wir ihm. Es war bereits dunkel geworden und die beiden Monde standen hoch am Himmel. Nun erkannte ich, dass einer von ihnen näher und größer war und der andere sich leicht hinter dem Ersten versteckte. Niemand war mehr zu sehen, die Dorfbewohner schienen in ihre Hütten gegangen zu sein. Hie und da konnte ich einen Feuerschein durch ein Fenster oder Rauch durch die Öffnung im Dach sehen. Wir kamen an das Tor, durch das wir das Dorf betreten hatten. Es war verschlossen. Doch links davon ging eine Leiter nach oben. Ich hatte sie beim ersten Vorbeigehen übersehen. Diese stiegen wir nun hinauf. Oben angekommen erkannten wir ein Baumhaus. Der Baum war unten von der Mauer umgeben und in seiner Krone hoch oben befand sich das Baumhaus. Ein Flaschenzug ging von dort aus zum Tor, mit dem es wohl geöffnet wurde. Wir mussten noch eine Leiter bis zum Baumhaus erklimmen. Natürlich waren wir wieder viel zu langsam für Darraghs Geschmack und er fragte uns, ob alle Menschen in unserer Welt so träge waren. Wir lächelten nur und ließen das unkommentiert. Wir betraten das Haus und zwei Waldläufer standen schnell auf. Der Raum war nicht sehr groß und spartanisch eingerichtet.

„Darragh, was macht Ihr hier mit diesen…diesen Menschen.“ Begann der eine Vorsichtig.

„Wir werden hier übernachten. Tom’s Magie wird von dem Schutzzauber blockiert. Er benötigt sie jedoch zur Vorbereitung der Reise.“ Die beiden Fremden betrachteten Tom kurz, als überlegten sie, was sie nun tun sollten. Sie trugen die übliche Kleidung der Waldläufer. Ihre grünen Hemden und braune Hosen. Beides recht einfach und aus groben Material. Sie nickten schließlich und setzten sich wieder auf den Boden des Hauses. Neben ihnen lagen Bögen und Pfeile. Vor ihnen Wasserschalen und Reste eines Abendessens. Von ihren Plätzen aus konnten sie durch ein riesiges Fenster den Wald und den Bereich vor dem Tor überblicken. Darragh führte uns in einem Raum dahinter. Hier befanden sich zwei Schlaflager auf dem Boden.

„Hier sind wir außerhalb der Magie und können schlafen. Ich bin auch schon sehr müde.“ Darragh gähnte, nahm sich ein paar Decken und legte sich neben die Schlaflager. Tom und ich legten uns drauf und deckten uns zu. Ich war ebenfalls sehr Müde und schlief schnell ein.

 

Tom

Darragh und Maik schienen schnell einzuschlafen. Ich legte mich ebenfalls hin und starrte zur Decke. Seit unserer Ankunft spürte ich sie. Es kribbelte schwach in meinem Körper, als versuchte die mich zu berühren. Während der Zeit innerhalb des Dorfes war sie eine Zeit lang verschwunden, wie ein Loch in meiner Brust. Eine leere, die ich nicht zu Füllen vermag. Ihre Präsenz fehlte mir. Bei den Ältesten spürte ich sie wieder. Nur schwach, aber doch war es wie ein Hilferuf. Eine drängende Bitte. Es zog mich fort. Hier, außerhalb des Schutzzaubers spürte ich sie, ihre Nähe. Eine zarte Umarmung ihrer Präsenz oder ihres Geistes. Ja, sie wird mich heute Nacht im Traum besuchen. Ich habe so viele Fragen. Ich schloss die Augen und hoffte schnell einzuschlafen. Zuerst wollte es mir nicht gelingen. Ich hörte die Geräusche der Nacht. Eine Eule rief durch den Wald, Blätter raschelten im Wind und ein Wolf heulte. Ich hörte das leise Gespräch der Beobachter, es ging um uns. Ihre Worte konnte ich nicht genau verstehen und wollte es auch nicht. Doch kurz darauf, als würde mich jemand davon reißen, schlief ich tief und fest ein.

 

„Tom, du bist hier.“ Ich stand am See. Es ähnelte den vorherigen Träumen und doch war es anders. Ich sah zuerst zum Baum mitten auf dem Wasser, doch erkannte ich, dass die Stimme nicht von dort kam. Links von mir führte diesmal ein steinerner Weg in den Wald.

„Tom, bitte komm zu mir.“ Die Stimme kam aus dem Wald. Sie wirkte wie ein Sog. Ich folgte dem Weg und der Stimme. Nach einigen Minuten lichtete sich der Wald und vor mir erstreckte sich eine große lichtdurchflutete Lichtung. Kurz musste ich die Augen zusammenkneifen, so sehr blendete mich das plötzliche Licht. Als ich mich langsam daran gewöhnt hatte, sah ich mich um. Die Lichtung bestand aus einer satten grünen Wiese und Unmengen an bunten Blumen. Als ich nach oben sah, wurde ich nur geblendet. Direkt einen Himmel oder die Sonne konnte ich dort nicht erkennen. Also blickte schnell ich wieder zur Wiese. Kurz tanzten Sterne vor meinen Augen, dann jedoch sah wieder klar und entdeckte sie. Mitten auf der Wiese saß sie auf einer Decke. Die Elfe. Sie war so wunderschön wie in den letzten Träumen und lächelte mich erfreut an. Ich ging langsam zu ihr und betrachtete sie nun aus der Nähe.

„Setz dich doch zu mir. Hier ist meine Magie stark und wir können uns an diesem Ort in Ruhe unterhalten. Risk hat nun keine Macht sich zutritt zu verschaffen.“ Ich setzte mich neben sie und konnte meine Augen nicht von ihr lassen. Aus der Nähe war sie noch schöner. Ihre Haut war fast weiß und ebenmäßig, die vollen roten Lippen gaben einen guten Kontrast dazu. Einige Strähnen ihrer blonden Haare vielen ihr sanft über die Schultern. Sie schimmerten leicht rötlich in dem hellen Licht. Ich musste mich zusammen reiße, um sie nicht zu fassen und zwischen meine Finger gleiten zu lassen. Durch ihren leicht schrägen Sitz hatte sich das Kleid verschoben und ein wunderschönes schneeweißes Bein schaute unter dem Schlitz an ihrem grünen seidenen Kleid hervor. Mein Blick blieb an ihrem Oberschenkel hängen und ich erschrak, als sie mich an der Schulter berührte.

„Tom…“ Ich sah in ihr Gesicht. Sie schlug ihre Augen nieder und sah leicht durch ihre langen, tiefschwarzen Wimpern. „Du wirst mich befreien, ich weiß es. Ich spüre die Magie in dir und den starken Willen. Mein Name ist Eleanora und ich bin die Königin der Elfen.“ Mein Mund war wie ausgetrocknet. Ich konnte kaum sprechen. Ich räusperte mich kurz. Ihre warme, zarte Hand strich langsam meinen Arm hinunter und griff dann nach meiner Hand. Sie drückte diese kurz und ließ dann los. Ein Schauer durchlief meinen Körper. Am liebsten hätte ich sofort wieder nach ihrer Hand gegriffen und sie nicht wieder losgelassen.

„Wie soll ich das tun? Ich bin nur ein Mensch. Darragh glaubt wir seien Magier, aber…“

„Wer ist Darragh?“ unterbrach sie mich.

„Ähm…er ist ein Waldläufer. Er glaubt, wir würden mit deiner Rettung auch sein Volk retten.“

„Waldläufer…sie leben doch tief im Wald. Dort ist ihr Reich. Was haben wir Elfen damit zu tun?“ auf ihren fragenden Blick hin erklärte ich ihr die Situation der Waldläufer und die Jagd der Elfen.

„Oje, ist das so?“ Sie war erstaunt. „Nun, dann werde ich mit Damianos sprechen. Wenn Darragh dich vollkommen unterstützt und ihr mich rettet, werde ich im Gegenzug die Elfen aus dem Wald zurückrufen lassen. Seine Belohnung von mir wird der Wald sein.“ Ich war erstaunt über ihre schnelle Zusage und feierlichen Stimme im letzten Satz. Meint sie es wirklich ernst? Ich sah sie an und sie lächelte so liebevoll und zuversichtlich, dass ich ihr einfach glauben musste. Sie strich mir sanft mit ihrer zarten warmen Hand über die Wange, sodass ich Gänsehaut bekam.

„Mein lieber Tom, in dir steckt die Magie. Sehr starke Magie. Du musst es nur erkennen.“ Ihr Gesicht näherte sich dem meinem. „Ich erwecke sie. Du musst nur lernen sie einzusetzen.“ Und dann küsste sie mich. Mein Denken setzte aus. Ihre Lippen waren so weich, dass ich nichts Anderes mehr wahrnahm. Automatisch erwiderte ich ihn und genoss das Kribbeln unter meiner Haut. Nach dem Kuss zog sie sich ein Stück zurück und sah mich an.

„Lerne die Magie zu nutzen, mein lieber Tom. Lass sie frei, spüre sie und ergib dich ihr. Befreie mich aus dem Kerker. Rette mich vor diesem bösartigen Dämon, bevor er mich foltern kann, um seine Ziele zu erreichen. Er ist grausam und versucht mir meine Macht und mein Reich zu stehlen. Er möchte ganz Natura unter seiner Kontrolle bringen. Um jeden Preis.“ Ich nickte benommen und versuchte wieder klar zu denken. Es fiel mir sichtlich schwer. Ich versuchte mich an meine Fragen zu erinnern, doch keine einzige kam mir in den Sinn. Bis auf.

„Wie…wie finden wir dich? Was müssen wir tun?“

„Geht zuerst nach Calles. Du brauchst Waffen und Magie, vielleicht auch weitere Begleiter. Eine Truppe im Kampfe gegen die Dämonen. Ich erfülle jedem Retter seine Wünsche.“ Sie nickte bekräftigend. „Ich werde versuchen dich jede Nacht zu besuchen, dich führen und dir die Wege zeigen.“ Sie nahm meinen Arm und schob den Ärmel meines Hemdes hoch. Dann legte sie ihre Hand darauf. Unter ihrer Hand wurde es am sehr warm, allmählich sogar heiß. Ich wollte zurückzucken, doch sie hielt mich fest. Als sie los ließ befand sich ein Symbol auf meinem Arm. Es waren zwei leicht übereinander gelegte weiße Kreise, der Vordere war gefüllt mit vielen kleineren Kreisen. Der Hintere war komplett weiß.

„Dies ist das Symbol der Mondzwillinge Luna und Lunaris. Die Legenden sagen, dass wir die Kinder von Lunaris sind.“ Sie strich vorsichtig über das Symbol. Die Hitze war verschwunden und auch kein Schmerz war zu spüren. „Hiermit kann ich dich überall finden und du mich jederzeit in deinen Träumen rufen. Leg dafür deine Finger auf das Symbol und sag laut meinen Namen.“ Ich betrachtete eine Weile die Monde und sah sie dann wieder auf.

„Ich kann nicht kämpfen. In unserer Welt war das bisher nicht nötig. Außerdem gibt es bei uns keine Magie. Ich wusste nicht einmal, dass so etwas möglich ist.“ Nun begann die Elfe zu lächeln.

„Für Kämpfe mit Waffen brauchst du Begleiter. Magie steckt in dir. Ich kann dir helfen sie zu erwecken und dir in den Nächten helfen sie zu benutzen und zu lenken.“

„Aber… Das hier ist doch nur ein Traum…“

„Trotzdem fühlt es sich hier echt an, oder? Du brauchst lediglich das Gefühl der Magie und das Wissen. Dann wird dein Körper von ganz allein reagieren, was bereits in deinem Inneren verankert ist“ Ich nickte darauf hin. Schließlich sollte ich mich bei der Reise ja nicht immer hinter Darragh verstecken müssen.

„Und wie willst du sie erwecken?“ Fragte ich noch, doch sie lächelte.

„Schließ deine Augen und konzentriere dich. Versuch etwas in dir zu spüren.“ Ich schloss die Augen und versuchte mich zu konzentrieren. Ich hörte meinen eigenen Herzschlag und meinen Atem. Ich versuchte beides zu beruhigen, aber es gelang mir nicht. Mit einem seufzen wollte ich schon aufgeben und die Augen öffnen. Doch da spürte ich bereits ihre Hand auf meiner Stirn. Ich genoss ihre Wärme und versank darin. Erst nach einiger Zeit bemerkte ich eine Veränderung in mir, als schien etwas zu erwachen. Die Wärme ihrer Hand weitete sich auf meinen gesamten Körper aus. Ich wurde sehr ruhig und etwas in meinem Unterbewusstsein schien sich zu bewegen. Mit einem Mal schlug ich die Augen auf. Es war so klar und offensichtlich. Ich spürte eine Art Energie in mir. Ein leiser Fluss, der durch meine Adern floss. Er war warm und leuchtend, so fühlte es sich zumindest an. Es war schwer zu beschreiben, wie ich mich in dem Moment fühlte. Machtvoll? Unbesiegbar? Doch ich merkte auch, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich diese Energie verwenden sollte. Ich sah zu Eleanora. Sie lächelte mich an.

„Du spürst sie. Habe ich recht? Es ist deine Magie. Die Energie deines Geistes. Um sie zu verwenden, musst du die Energie des Landes spüren. Jedes Lebewesen hat sie und diese musst du nehmen und verwenden, um deine zu verstärken.“

„Die Energie des Landes? Kann ich sie so einfach nehmen? Schadet es dem Land nicht?“

„Es ist immer ein Geben und Nehmen.“ Sie kam mir näher und schmiegte sich leicht an mich. Mein Herz klopfte wie wild und ich legte vorsichtig einen Arm um sie. „Du nimmst etwas von dem Land und gibst ihm die Gerechtigkeit. Du rettest mich damit.“ Hauchte sie mir leise entgegen. Ich konnte kaum klar denken, ihr Duft umhüllte mich und ich versank darin. Sie roch nach Rosen und einen Hauch von Frühling. In diesem Moment hätte ich alles für sie getan. Wenn sie nur bei mir bliebe.

Wir saßen lange zusammen und unterhielten uns. Sie wollte mehr über meine Welt wissen, wie und wo ich lebe. Ich beschrieb ihr gerade das Leben in einer Großstadt als sie sich langsam von mir entfernte und sich elegant erhob.

„Mein lieber Tom.“ Sie reichte mir ihre Hand und ich stand ebenfalls auf. Ich sah sie verwirrt an, doch sie lächelte mich an. „Es wird Zeit aufzuwachen. Deine Begleiter sind bereits wach und warten auf dich.“ Ich wollte nicht gehen. Ich wollte hierbleiben. Bei ihr. Als wenn sie meine Gedanken erahnen konnte, schüttelte sie den Kopf. „Du musst gehen. Ihr müsst euren Weg fortsetzen, um mir zu helfen.“ Ich nickte leicht bedrückt.

„Und wie wache ich auf?“ Sie legte die Hände auf meine Schultern und begann mich zu schütteln. Als sie sprach hörte ich, anders als erwartet Maiks Stimme.

„Wach endlich auf du Schlafmütze.“

 

Ich schlug die Augen auf und sah Maik direkt ins Gesicht. Vollkommen verwirrt und noch schlaftrunken sah ich mich um. Wir waren im Baumhaus. Maik ließ mich los und grinste mich an.

„Man hast echt nen tiefen Schlaf, was? Kenne ich gar nicht von dir. Tut dir die frische Waldluft etwa so gut? Wollten schon ohne dich Frühstücken und losziehen.“

„Was?“ Ich war hellwach und setzte mich auf. „Ihr geht nicht ohne mich!“ Ich sah Maik an und er begann laut loszulachen. Darragh und Bosca tauchten in der Tür auf. Sie hatten Schüsseln mit Suppe und Brot mitgebracht.

„Oh, anscheinend habe ich etwas lustiges verpasst.“ Sagte Darragh und reichte uns die Schüsseln. Bosca musterte uns nur, reichte Darragh seine Schüssel und das Brot und verschwand wieder. Ich sah ihr nach und wollte etwas sagen. Doch mein Magen begann laut zu knurren. Nun musste auch Darragh lachen und ich begann schnell zu essen.

Nach dem Frühstück kam Bosca, brachte uns Reisekleidung und nahm unsere Schüsseln mit. Wir zogen uns um. So fielen wir eindeutig weniger in dieser Welt auf und konnten uns freier bewegen. Die Kleidung bestand aus einer groben, sehr bequemen braunen Leinenhose, stabile Lederstiefel, ein dunkelgrünes weites Hemd, über das wir ein enganliegendes ärmelloses Lederwams zogen und einem braunen Reisemantel. Sie Sachen passten ganz gut, wer sie für uns wohl abgegeben hatte? Darragh hob sich lediglich durch seinen grünen Reisemantel von uns ab. Wir nahmen unsere Ledertaschen und hängten sie uns über die Schultern. Darragh nahm den Köcher mit den Pfeilen und den Bogen und hängte sich beide um. Er betrachtete uns.

„Wie sieht es bei euch mit Waffen auf?“ Er musterte uns. „Ihr kamt unbewaffnet, doch die Reise wird gefährlich. Mit welcher Waffe könnt ihr am besten umgehen?“ Er ging mit uns durch das Baumhaus in den ersten Raum, wo diesmal zwei andere Waldläufer saßen und uns beobachteten. Er öffnete eine unscheinbare Tür neben der zum Schlafgemach und zeigte uns verschiedene Waffen.

„Wir lagern hier immer eine Auswahl für den Notfall. Was braucht ihr?“ Maik und ich sahen uns an, dann begann Maik.

„Naja…also eigentlich…brauchen wir keine Waffen in unserer Welt. Wir sind ja keine Soldaten. Aber naja…ich kann nen bissl mit nem Schwert umgehen. Ich bin oft auf LARPs unterwegs. Mache das aber eher aus Spaß und übe hauptsächlich alleine.“ Er zeigte auf mich. „Mein lieber Tom hier auch, kann aber kaum kämpfen.“ Er grinste. Darragh sah uns verwirrt an.

„Was ist ein larb? Bezeichnet ihr eure Kriege so? Oder ist das eine Art Turnier?“ Er reichte Maik ein Langschwert und mir grinsend einen Dolch.

„Nun Tom, dann wirst du wohl hinter uns bleiben müssen. Mit dem Dolch kannst du dich im Notfall verteidigen. Ich seufzte verlegen.

 

 

Maik

Ich nahm Darragh das Schwert ab, zog es aus der braunen ledernen Scheide und betrachtete es. Es war leichter als ich dachte. Ich hatte mit einem schweren Eisenschwert gerechnet, das ich kaum hätte heben können. Aber dieses hier ist leicht. Ich schwenkte es vorsichtig. Im Licht, welches durch das Fenster fiel, schimmerte es leicht grün und ich fragte mich, aus welchem Material es war. Es schien scharf zu sein, zumindest wirkt der schräge Schliff sehr filigran gearbeitet. Es schien ähnlich von gefaltetem Stahl gemacht, von den Mustern her und ich vermutete, dass es nicht so schnell brechen wird. Vielleicht sollte ich nach unserem Abenteuer eine Weile hierbleiben und die Handwerker hier beobachten.  Nachdem Tom verlegen den Dolch nahm, musste ich grinsen und sah zu Darragh.

„LARP is sowas wie‘n Spiel. Wir treffen uns und spielen Kämpfe nach. Aber wir verletzen uns dabei nicht. Is eher ne Art Choreografie oder Tanz. Unter den Leuten, mit denen ich das spiele, befindet sich ein Professor. Er studiert Geschichte und die Kampfpraktiken mit dem Schwert. Durch ihm hab ich einiges gelernt. Und vieles eben selbst getestet und geübt.“

„Ähm…“ Darragh schien es nicht ganz zu verstehen. „Also hast du von einem Meister in deiner Welt gelernt. Das ist wirklich sehr praktisch.“ Dann sah er zu Tom und dann wieder zu mir. „Nun, wir sollten aufpassen und wachsam sein. Wir müssen einmal im Wald übernachten. Wenn wir nur wenige Pausen einlegen, sind wir übermorgen noch vor Sonnenuntergang in Calles.“ Ich nickte, steckte das Schwert in die Schwertscheide zurück und band mir den Schwertgurt um. Tom knotete die Dolchscheide an seinen Gürtel. Er schien noch etwas sagen zu wollen, entschied sich jedoch anders und meinte nur.

„Dann können wir uns ja auf den Weg machen.“ Wir nickten und kletterten vom Baumhaus. Das Tor wurde geöffnet und wir gingen in den Wald in Richtung Calles.

Kapitel 4: Tiefer Wald

Maik

Eine Weile liefen wir meist schweigend und nachdenklich nebeneinanderher. Das Zwitschern der Vögel begleitete uns. Die Gesänge waren mir unbekannt und ich konnte es keinem, mir bekannten Vogel zu ordnen oder versuchen zuzuordnen. Ich kenne mich eigentlich nicht damit aus, aber bestimmte Gesänge hört man ja immer wieder zum Beispiel Spatzen oder Krähen. Trotzdem waren sie angenehm, eine Vielfalt verschiedener Lieder sozusagen. Ich betrachtete die Bäume, auch hier standen vereinzelt Ginkgos. Natürlich waren diese hier weitaus jünger als der Baum, durch den wir kamen. Andere Bäume erinnerten an Ahorn, doch waren die Blätter weitaus schmaler. Wieder andere an Eichen, nur waren die Blätter länger und heller. Ich war fasziniert davon, wie sehr sich unsere Welten gleichen und doch unterschieden. Auch bei den Sträuchern und kleineren Pflanzen. Einige könnten auch in unserer Welt stehen, andere waren mir völlig unbekannt. Zumindest habe ich die in unseren Breitengraden noch nie gesehen. Ich gehe auch in Berlin und drum herum gerne auf Wanderschaft, genieße einfach mal die Natur und Ruhe. Naja, soweit es möglich ist. Besonders in den ersten warmen sonnigen Tagen des Jahres sind viele bekannte Wanderwege voll von Menschen und im Sommer sind natürlich alle am, im und auf dem Wasser.

Die Reise verlief ruhig. Der Boden war teilweise sehr uneben, teilweise von Moos oder kleinen Sträuchern bewachsen und wir mussten aufpassen, wohin wir gingen. Darragh beschwerte sich hin und wieder über unsere stümperhafte Art durch den Wald zu trampeln. Es würde alles in der Nähe verschrecken. Außerdem seien wir viel zu langsam. Hin und wieder sollten wir anhalten und Darragh ging voraus, um den Weg zu überprüfen oder Ausschau nach wilden Tieren zu halten. Angetroffen haben wir jedoch kein einziges. Vermutlich wegen unserer Trampelei. Am Abend suchten wir uns einen guten Platz für eine Feuerstelle. Darragh schickte Tom und mich los, um Feuerholz zu sammeln, währenddessen er ein Feuer mit Stöckern, Feuersteinen und trocknen Gras machen wollte. Ich wollte eigentlich lieber zusehen, aber er scheuchte uns los. Grinsend meinte er, dass er uns das sowieso beibringen wollte und gerne wüsste, wie es in unserer Welt funktionierte. Wir liefen ein wenig umher und sammelten große und kleine Zweige ein.

„Sag mal Tom, kann es sein, dass de uns heute morgen im Baumhaus was sagen wolltest?“ Fragte ich, als ich glaubte weit genug von Darragh entfernt zu sein. Tom, der sich gerade bückte, um einige Äste aufzusammeln, sah auf. Erst schien er nichts sagen zu wollen, dann begann er langsam.

„Die Elfe…sie heißt Eleanor. Ich habe die letzte Nacht im Traum getroffen. Wenn es denn nur ein Traum war… Sie zeigt mir, dass ich Magie in mir habe…“ Er sah weg und schien leicht rot zu werden. Ich grinste.

„Die hübsche Elfe ma wieder? Und? Kannste jetzt zaubern? Hätteste doch sagen können. Is doch praktischer als nen Dolch.“

„Ich weiß nicht recht. Also anwenden kann ich sie noch nicht. Vielleicht lerne ich es diese Nacht? Vermutlich benötige ich einiges an Übung, wenn es denn funktioniert. Aber ich bin mir unsicher…“

„Ach papperlapapp, wenn sie es dir zeigt, ist doch cool. Dann kannste auch kämpfen und se retten. Wenn wir am Feuerchen sitzen, erzähl uns einfach alles. Vielleicht kann Darragh auch einige Infos aus seiner Welt zugeben.“ Ich grinste. Wir sammelten noch etwas Holz und gingen zurück. Darragh saß an einem kleinen Feuerchen, neben ihm lagen zwei kleine Hasen. Anscheinend war er bereits jagen gewesen. Er sah auf und grinste.

„Ihr macht einen Krach. Man kann euch von weiten hören.“ Begann er wieder. „Ich habe uns schon Abendessen besorgt. Schmeißt am besten schon etwas Holz ins Feuer.“ Dann nahm er eines der beiden Tiere, einen Dolch und begann ihnen das Fell abzuziehen und sie auszunehmen.

„Naja wir müssen in unsrer Welt nich durch Wälder schleichen. Wir kaufen uns unser Essen einfach im Supermarkt.“ Sagte ich und setzt mich ans Feuer. Tom schmiss ein Schwung Holz ins Feuer. Es wurde kurz kleiner, dann loderte es stärker auf.

„Ihr lasst also andere jagen und kauft es ihnen auf einem großen Markt ab. Wir brauchen noch Wasser.“ Darragh zeigte in eine Richtung. „Dort ist ein kleiner See.“

„Ich mach das.“ Meinte Tom und schnappt sich die Wasserschläuche. Da wir beide solche Märsche nicht gewöhnt waren, waren wir zwischendurch ziemlich aus der Puste geraten. Bei einer kleinen Pause haben wir unsere Schläuche fast komplett gelehrt. Als Tom weg war, beobachtete ich Darragh. Er nahm geschickt die beiden Hasen aus und spießte sie auf zwei lange Stöcker.

„Maik…Als wir unsere Kleidung wechselten sah ich auf Toms Arm ein Symbol. Es war das der Mondzwillinge. Das heilige Symbol der Elfen. Wo hat er das her?“ Ich sah von dem Hasen auf und direkt in Darraghs Augen.

„Ich hab’s auch gesehen. Tom erzählte mir vorhin, dass er von der Elfe geträumt hat. Sie heißt wohl Elenora oder so. Er wollte uns gleich ausgiebig davon erzählen.“

„Eleanora…Wie bitte? Er soll Eleanora retten?“ Darragh sprang erschrocken auf. „Ich dachte es geht um eine normale Elfe, vielleicht eine Adlige, eine ihrer Magierinnen… Aber die Königin höchst persönlich?“ Er fiel zurück auf seinen Platz und strich sich kurz mit beiden Händen durch die Haare.

„Sie is die Königin? Oh…Okay…“ Ich fuhr mir in der Hand durch das Gesicht und verzog es dabei. „Sie wird sicherlich besonders gut bewacht. Das wird sehr hart. Wenn wirs überhaupt bis dahin schaffen. Da brauchen wa bestimmt noch mehr Leute zur Hilfe. Oder eine Armee?“ Er hat also die Königin entführt…Ich erinnerte mich an meinen kurzen Traum. Was meinte er damit, dass sie sich weigert…Will er ihr Königreich? Nein, das wäre zu einfach. Da muss doch mehr dahinterstecken. Was sagte…sie sei der Grund? Wofür? Ich sah mich kurz um, ob Tom zurückkommt. Da ich ihn noch nicht sah, drehte ich mich zu Darragh um.

„Kann ich dich was fragen? Also etwas, das Tom nicht wissen darf?“ Er sah mich verwundert an, nickte jedoch.

„Nun, wer is Risk und in welchem Zusammenhang steht er mit ihr?“ Darragh sah mich verwundert an.

„Risk ist der Sohn von Nigrum, Herrscher des nördlichen Reiches. Ein Dämon. Als die Elfen kamen, haben sie den Weg dahin versperren lassen. Also den Pass durch die Berge. Die Dämonen weigerten sich, sich den Elfen unterzuordnen und verloren dadurch die Möglichkeit des Handels. Ich kenne ihn nur aus Geschichten. Es gibt wohl andere Wege durch die Berge. Verborgene und gefährliche. Die Elfen scheinen kein Interesse mehr am nördlichen Reich zu haben. Es gibt fast keinen Kontakt mehr zu den Dämonen. Warum fragst du das?“

„Nun, er hat mich ebenfalls in nen Traum besucht. Er wollte eigentlich mit Tom reden, hat aber mich erwischt. Mir kommt da etwas merkwürdig vor. Bitte erzähle Tom nichts davon.“ Darragh nickte und meinte dann.

„Also hat es Tom geschafft die Elfe zu treffen. Also die Königin. Von ihr wird er das Symbol haben. Er sollte es in Calles gut verstecken. Nicht jeder ist ein Freund von Eleanora. Viele sind unzufrieden mit ihrer Herrschaft. Würden sie gerne stürzen. Doch die Macht der Elfen ist zu groß. Und Eleanora lässt niemanden zu sich, ihr Berater wimmelt jeden ab.“ Ich nickte. Da kam bereits Tom zurück, er schien den letzten Satz gehört zu haben.

„Eleanora ist gutmütig und freundlich.“ Er gab mir meinen Trinkschlauch und setzte sich zu uns. „Sie hat die Magie in mir erweckt und möchte mir den Umgang damit zeigen. Ich verstehe es nur noch nicht ganz. Vielleicht wird sie einfach nicht über die Missstände informiert.“ Er sah Darragh an.

„Tut mir leid, ich kann keine Magie verwenden. Also kann ich dir dabei nicht helfen. Aber es ist gut, dass du uns im Kampf unterstützen kannst. Hat sie was zu den Elfenjägern gesagt?“ Tom nickte.

„Sie hat mir versprochen, euch den Wald zurückzugeben. Es schien ihr wirklich nicht klar. Auch in unserer Welt wurden Adlige oft im Dunkeln gelassen und andere zogen die Fäden. Sie ist wirklich freundlich und wird helfen, nachdem sie zurück ist.“ Darragh atmete tief aus und ich spürte seine Erleichterung.

„Wenn das so ist, werde ich mein Bestes tun, um eure Elfe zu retten. Für den Wald und meine Leute.“

Wir unterhielten uns noch einige Zeit und teilten uns die beiden Hasen. Danach bereiteten wir unser Nachtlager aus. Darragh wollte wach bleiben und die erste Wache schieben. Nach ein paar Stunden würde ich ihn ablösen.

 

Tom

Ich legte mich nah uns wärmende Feuer und schlang den Mantel eng um mich. Hier auf dem Boden zu schlafen, war etwas völlig Ungewohntes. Er war sehr hart und ich hatte Schwierigkeiten einzuschlafen. Maik schien es leichter zu fallen. Schon nach kurzer Zeit hörte ich seine gleichmäßigen Atemzüge. Naja, auf Festivals schläft er immer im Zelt. Also ist es für ihn nichts Neues. Vielleicht sollte ich ihn doch hin und wieder begleiten. Nun vermisste ich mein Zuhause und mein, doch sehr weiches und warmes, Bett. Doch der Gedanke an Eleanora ließ mich irgendwann doch Einschlafen.

 

Ich lief wieder durch den Wald und kam an der Blumenwiese an. Dort saß sie und lächelte mir entgegen. Ich setzte mich schnell zu ihr. Ihr Duft hüllte mich wieder ein und ich konnte sie nur ansehen.

„Es freut mich, dass du wieder hier bist. Ich möchte dir heute zeigen, wie du deine Magie einsetzen kannst. Ich erwecke sie in dir, zeige dir, wie du die Kraft des Landes nutzt und den Zauber verwendest.“ Ich atmete tief durch, wollte sie nach der Kraft des Landes fragen, was deren Benutzung bedeutet. Doch es fiel mir schwer. Ich atmete tief ein, nahm ihren Duft in mich auf. War es denn wichtig? Ich wollte die Magie erlernen. Ich spürte die Macht in mir und wollte sie nutzen. Eleanor stand auf und ich mit ihr. Sie nahm meine Hände.

„Schließ die Augen und spüre deine Magie. Dann versuch die Kraft des Landes zu spüren. Sobald du das tust, versuch sie zu vereinigen.“ Sie sprach sanft. In einem wunderschönen Singsang wiederholte sie ihre Worte. Ich weiß nicht mehr wie lange wir dastanden und ich versuchte das zu tun, was sie wollte. Meine Magie fand ich schnell, die des Landes lange Zeit nicht. Ich wollte schon aufgeben und sie loslassen. Doch ihre Hände wurden irgendwann wärmer und dann spürte ich es. Meine Magie nahm ich als blaue Energie war. Sie schimmerte und erinnerte mich an den Himmel. Die Kraft des Landes war grün. Ein sattes dunkles Grün, wie in der Sommerzeit. Wenn das grüne die Frische des Frühlings verlor und die Blüten verwelkten. Wenn das Obst begann zu reifen und die Luft summte vor Hitze. Als wüsste Eleanora, dass ich es geschafft habe, sprach sie nun.

„Dieses Gefühl solltest du dir immer behalten. Wenn du Magie benötigst, denke daran. Rufe es in dir auf. So kannst du die Energien der Lebewesen um dich herum sehen und für deine Magie verwenden. Ein Geben und Nehmen. Nimm sie dir und gib ihnen die Freude an der Magie zurück.“

„Wenn ich die Energie anderer verwende, schade ich ihnen dann nicht?“ Bedenken kamen in mir hoch. War es richtig? Ich spürte einen warmen Atem an meinem Hals und Eleanora hauchte mir ihre Worte ins Ohr, sodass ich Gänsehaut bekam.

„Nein, denn du nimmst nur so viel, dass es für deinen Zauber ausreicht. Es wird sie vielleicht kurz schwächen, aber ihnen nicht schaden. Die Tiefen des Landes, geben ihnen ihre Energie zurück. Nun versuche deine Magie mit der Kraft des Landes zu vereinen.“ Sie ließ mich langsam los. Ich spürte sofort, wie sie sich von mir entfernte. Wie eine leichte Kälte spürte ich die Abwesenheit und bekam Gänsehaut. Doch ich versuchte ihren Worten Folge zu leisten, konzentrierte mich und die Magien zu vereinen. Es fiel mir schwer beides im Geiste zu greifen und zusammen zu bringen. Ich biss die Zähne zusammen und strengte mich noch mehr an.

„Tom, hebe nun langsam die Hände und führe die Magie in diese, dann öffne langsam die Augen.“ Ich griff nach der Kraft des Landes, doch zu Beginn entglitt sie mir wieder und wieder. Eine Weile stand ich so da und versuchte es. Mit einem tiefen Atemzug nutzte dann ich all meine Konzentration und griff danach. Nun funktionierte es endlich. Die vereinte Magie schickte ich nun, wie geheißen, in meine Hände und öffnete langsam die Augen. Ich konnte mein Staunen nicht verbergen. Meine Hände leuchteten Blau mit einer feinen grünen Nuance. Sie huschte fast unmerklich durch das Blau. Es war, als würden sie von innen her leuchten. Wie eine Lampe. Kein guter Vergleich, aber mir fiel in dem Moment nichts Anderes ein.

„Tom…Tom!“ Ich war so gebannt, dass ich ihre Stimme erst nicht hörte, doch der scharfe Ton ließ mich erschrocken aufblicken. Doch sie lächelte nur freundlich und sprach sanft. „Nun versuche diesen Stein zu bewegen. Du musst es nur wollen.“ Neben ihr stand ein großer Felsbrocken. Wo hatte sie ihn plötzlich her? Ich konnte mich nicht an Steine auf dieser Lichtung erinnern. Oder habe ich ihn bisher übersehen, da ich nur auf sie achtete? Ich tat wie geheißen. Ich streckte meine Hände aus, als wolle ich ihn packen und fortschleudern. Ich dachte daran, stellte es mir in meinem Kopf genau vor und versuchte mit aller Kraft meine Magie wirken zu lassen. Eleanora schüttelte langsam den Kopf. Seufzte leicht.

„Nein. Du darfst es nicht erzwingen, sondern musst es von ganzen Herzen wollen.“ Sie kam langsam auf mich zu und strich über meine Schulter.

So übte ich noch einige Zeit. Nichts passierte. So sehr ich mich auch konzentrierte, es mir im Kopf ausmalte. Oder an etwas dachte, was ich lieber schnell forthaben möchte. Zum Beispiel etwas Ekliges oder jemand Fieses. Ich wollte schon aufgeben, stieß den angehaltenen Atem aus und machte dabei eine wegwerfende Handbewegung. Dabei wollte ich gerade sagen, dass es keinen Sinn mache. Als der Stein plötzlich davon geschleudert wurde.

„Ja, Tom. Genau! Nun hast du es.“ Sie lachte dabei fröhlich und umarmte mich. Ich war so verwirrt, dass ich es erst nicht wahrnahm. Ich starte nur verblüfft dem Stein hinterher. Danach auf meine Hände. Dann legte ich doch meine Arme um sie. Ich wollte etwas sagen und sah sie an, als ich einen Schrei vernahm. Rufe, die von weit herkamen. Eleanora versteifte sich kurz und ließ mich dann los. Sie da mich ernst an.

„Deine Freunde. Sie werden angegriffen. Du musst ihnen helfen.“ Dabei schubste sie mich mit einer Kraft, die ich nicht von ihr erwartet hatte.

 

Maik

Ich war gerade tief eingeschlafen, als Darragh mich wachrüttelte. Zumindest fühlte es sich an, als wäre ich gerade erst eingeschlafen. Ich brauchte kurz einen Moment, um mich wieder zu erinnern, wo ich war.

„Hey Maik, du bist dran.“ Verschlafen sah ich auf. Er grinste mich an. „Nun brauche ich auch ein wenig Schlaf.“ Ich setzte mich auf und gähnte einmal kräftig.

„Nen Kaffee wär jetzt echt gut.“ Dabei streckte ich mich ausgiebig und sah danach in Darraghs verwirrtes Gesicht. Ich lachte.

„Ist nen Getränk bei uns das Wach macht. Schmeckt echt widerlich, aber hilft. Die meisten trinken es jeden Morgen. Oder den ganzen Tag über…“

„Ihr habt merkwürdige Bräuche. Aber etwas zum Wach werden kann ich dir gern geben.“ Er schüttelte den Kopf und holte ein paar Blätter aus seiner Tasche. Als er sie mir gab, meinte er nur.

„Ein bis zwei Blätter der Feruska reichen bereits. Du musst sie ausgiebig kauen.“ Dann lächelte er und legte sich langsam hin. „Setz dich am besten ans Feuer und leg dein Schwert griffbereit neben dir. Pass auf das das Feuer nicht erlischt. Wenn etwas ist, weck uns schnell.“ Ich nickte und tat wie geheißen. Als ich am Feuer saß, nahm ich vorsichtig ein Blatt. Ich roch dran. Ich glaube am ehesten würde ich es mit Minze vergleichen. Die Blätter sehen ihr zum Verwechseln ähnlich. Aber der Geruch ist süß, wie bei einem Bonbon und zugleich zwickt mich irgendwas an dem Geruch in der Nase. Ich weiß nur nicht was. Erst wollte ich es doch lassen, dann gab ich mir einen Ruck und nahm das Blatt in den Mund. Nun begann ich zu kauen. Im ersten Moment dachte ich wirklich an ein Bonbon, dann kam eine leichte Schärfe. Es war aber angenehm und ich aß noch ein zweites Blatt. Die Müdigkeit verschwand. Es war ruhig, hin und wieder konnte ich kurz den Schrei einer Eule oder eines Wolfes hören und blickte mich dabei um. Um nicht doch wieder einzuschlafen, begann ich mit einem Stock ein wenig im Feuer herumzustochern. Ich wusste ja nicht, wie lande dieses Kraut wirkt und die Nacht schien endlos. Hin und wieder Holz legte ich Holz nach, damit das Feuer nicht aus ging. Es wärmte zumindest schön. Ein leichter Wind zog auf und es raschelte hie und da. Ich hatte mich nach einer Weile an die Geräusche gewöhnt und lehnte mich zurück. Ich muss dann doch kurz eingenickt sein, vielleicht zu wenig Kraut, denn als ich wieder aufwachte war das Feuer fast niedergebrannt. Ich legte schnell ein Schwung Holz nach und blickte auf. Ich erstarrte, denn ich blickte in die tiefschwarzen Augen eines riesigen Bären. Er stand auf allen vieren und sah mich über das Feuer hinweg an. Er maß schon so mindestens zwei Meter Höhe. Wie Länge konnte ich von hier aus nicht abschätzen, aber vermutlich war er entsprechend sehr lang. Sein Fell glänzte im Schein des wider aufloderndes Feuer. Irrte ich mich oder war es ebenso rot? Als würde es selbst brennen. Ich wollte nach meinem Schwert greifen, nach Darragh rufen, irgendwas, doch ich konnte mich vor Angst nicht rühren. Mir bracht der kalte Schweiß aus und ich spürte, wie er mir über die Stirn lief. Ich zitterte und hoffte, dass der Bär wieder verschwinden würde, wenn ich mich nicht bewegte. Doch das war nicht der Fall. Konnte er meine Angst riechen? Er kam langsam auf mich zu und fletschte dabei die Zähne, knurrte sogar kurz. Er schien mich ins Auge gefasst zu haben, als seine nächste Beute, als seine nächste Mahlzeit. Dabei beachtete er wohl das, im Vergleich zu ihm, winzige Feuer nicht und trat mit seiner linken Vorderpfote genau mitten rein. Er brüllte laut auf und stellte sich auf die Hinterläufe. Der Lärm hatte Darragh geweckt. Dieser sprang sofort auf, schnappte sich den Bogen und einen Pfeil, welche neben ihm lagen und spannte ihn.

„Was…“ Dann erstarrte er und sah den Bären. „Bei Natura und Solaris. Helft uns.“ Er richtete den Bogen auf den Bären und kam langsam zu mir. Der Bär hatte sich derweil die Pfote gelegt und wieder auf alle viere gestellt. Er sah das Feuer an, holte mit der rechten Pranke aus und vergrub es unter einer dicken Schicht Erde. Nun saßen wir in der Dunkelheit. Ich brauchte einen Moment, bis meine Augen sich an das fahle Licht gewöhnten. In dieser Zeit kam der Bär noch einen Schritt näher.

„Maik! Schnell nimm dein Schwert!“ Darraghs Schrei holte mich aus meiner Erstarrung. Ich griff nach dem Schwert und sah zu Tom. Er lag, immer noch schlafend, nahe der Stelle, an der das Feuer war. Mit einem Sprung war ich bei ihm und versuchte ihn zu wecken. Wahrscheinlich träumte er wieder von der Elfe, es muss ein Zauber sein oder sein Geist ist einfach woanders. Es schien vollkommen unmöglich ihn da rauszuholen. Wenn ich es nicht schaffte, war er verloren. Keiner von uns beiden kann ihn bei einer Flucht tragen. Ich schüttelte ihn, so stark ich konnte.

„Man Tom, wach endlich auf! Deine Elfe kann dir morgen mehr zeigen.“ Derweil versuchte Darragh die Aufmerksamkeit des Bären auf sich zu lenken, in dem er Pfeile auf ihn abschoss. Beim Schießen bewegte er sich langsam weg von uns. Der Bär brüllte auf und sah zu Darragh. Ein paar der Pfeile steckten nun in der Schulter und Seite des Bären. Tom war nicht wach zu kriegen. Ich versuchte nun ihn aus der Gefahrenzone zu ziehen und verlor dabei mein Schwert. Es fiel ausgerechnet auf einen Stein und klirrte laut. Ich hielt den Atem an und sah zum Bären. Schnell ließ ich Tom los, schnappte das Schwert und wollte mich vor ihn stellen, da holte der Bär aus und schleuderte mich beiseite. Ich schlug auf den Boden auf und konnte mich vor Schmerzen kaum bewegen. Mein Arm schmerzte und blutete, wo er mich mit seiner Pranke getroffen hatte. Ich blinzelte den Grauschleier weg und drehte mich langsam in Toms Richtung. Der Bär wollte sich gerade auf ihn stürzen, als Darragh angerannt kam und Tom mit großem Schwung wegschleuderte. Nun lag Darragh unter dem Bären. Der Bär hob wieder seine Pranke und wollte sich auf Darragh werfen. Das Maul geöffnet, kurz brüllend und dann die Zähne gefletscht. Ich versuchte aufzustehen und ihm zu helfen, beim Aufstehen wurde mir schwindelig und ich kippte wieder zurück. Das Einzige, was ich noch sah, war ein Blau-Grüner Blitz. Dann wurde mir schwarz vor Augen.

 

Tom

Ein Schlag weckte mich aus meinem Traum.  Es fühlte sich an, als hätte mich jemand durch die Gegend geworfen. Meine Schulter schmerzte leicht und mein Kopf lag mit dem Gesicht nach unten im Moos. Ich hob den Kopf, dreht ihn dabei und schlug die Augen auf Das erste, was ich sah, war Darragh, wie er versuchte den Angriff eines riesigen, roten Bären abzuwehren. Lediglich der Bogen hielt den Bären davon ab zuzuschnappen. Sollte dieser brechen, wäre er dem Bären hilflos ausgeliefert. Der Bär versuchte gerade nach Darragh zu schnappen. In dem Moment handelte ich Instinktiv. Als wäre die Übung aus meinem Traum real gewesen griff ich sofort nach meiner Magie und der der Natur. Dann schleuderte ich einen hellen, leuchtenden grünblauen Blitz dem Bären entgegen. Er traf ihn, schleuderte ihn dabei weg und hüllte den Bären kurz ein. Als das Licht erlosch lag der Bär leblos neben Darragh. Dieser setzte sich keuchend auf, Blut schien über seine Schläfe zu laufen, vermutlich aus einer großen Schnittwunde. Sein Hemd hatte dunkle Flecken und an einigen Stellen wohl gerissen. Ich konnte helle stellen, durchschimmern sehen. Er ließ seinen Bogen neben sich fallen und sah erst zu dem Bären, dann zu mir. Seinen Gesichtsausdruck konnte ich in der Dunkelheit nicht erkennen. Die beiden Monde über uns brachten etwas Licht, jedoch nicht genug. Etwas entfernt von ihm lag Maik. Er bewegte sich nicht. Ich stand schnell auf und stolperte zu ihm.

„Maik“ Ich schüttelte ihn leicht. Er hatte am Arm eine große Schnittwunde und bekam langsam eine dicke Beule an der Stirn, ansonsten war er anscheinend unverletzt. Er blinzelte kurz, grinste mich an und wurde jedoch gleich wieder bewusstlos. Ich atmete trotzdem erleichtert auf und sah zu Darragh. Dieser ließ sich neben mich auf den Boden nieder und wischte sich das Blut von seinem Gesicht.

„Das war gerade sehr knapp. Vielen Dank für deine Hilfe. Ich wusste nicht, dass du ein Magier bist.“

„Eleanora hat es mir gezeigt. Zum Glück diese Nacht. Sie bringt es mir bei und verstärkt meine Magie. Ich bin froh, dass es geklappt hat.“ Ich sah Darragh an. „Du solltest die Wunde reinigen, sie sieht ziemlich schlimm aus.“ Darragh winkte ab.

„Es sieht schlimmer aus als es ist.“ Dann stand er auf. „Ich entzünde kurz ein kleines Feuer, dann gehe ich mich am See waschen und bringe frisches Wasser mit. Du solltest Holz nachlegen, damit das Feuer größer wird und Maik danebenlegen. Ich denke er wird eine Weile bewusstlos bleiben. Der Schlag klang ziemlich schlimm und die Beule ist recht groß.“ Damit stand er auf und häufte etwas Holz an der alten Feuerstelle auf. Ich beobachtete ihn beim Entzünden, dann ging er und ich zog Maik näher an das kleine Feuer. Ich packte seinen Lederbeutel unter seinen Kopf und hoffte, dass es so bequemer sei. Das Schwert steckte ich langsam in die Scheide zurück und legte es neben ihn. Dann legte ich Holz ins Feuer, es wurde größer und wärmer. Ich betrachtete den toten Bären und sah mich dann um. An der Stelle, wo ich aufgewacht bin, war ein kleiner Busch, dessen trockene Blätter von ihm abfielen. Auch das Mosse drum herum war ausgetrocknet und tot. Ich dachte mir zu dem Zeitpunkt nichts dabei und wärmte mich am Feuer. Als Darragh wiederkam, sah er bereits viel besser aus. Auf der Schnittwunde an seiner Schläfe klebte ein grüner Matsch und verdeckte diese damit. Er hockte sich neben Maik und behandelte dessen Wunden. Ich beobachtete ihn erstaunt, wie er ein Bündel grüngelber Blätter und ein paar gelbe Blumen in seinen Händen verrieb, bis ein grünlicher Matsch entstand. Diesen schmierte er auf die Wunde und die Beule.

„Diese Kräuter nennen wir Sonnengrün. Sie wachsen nur an Stellen, an denen die Sonne besonders viel scheint und viel Wasser vorhanden ist. Ich habe sie am See entdeckt. Sie lindern sie schmerzen, stoppen die Blutung und kühlen. Ich habe gleich mehr gesammelt und in meine Tasche gepackt. So sind wir auch zukünftig versorgt.“ Erklärte er mir. Ich nickte, hoffte jedoch nicht noch einmal von einem Bären angegriffen zu werden. Danach setzte er sich zu mir ans Feuer. Schlafen konnten wir nun wohl beide nicht mehr.

„Was machen wir mit dem Bären?“ fragte ich ihn.

„Nun, sein Fell und sein Fleisch würden uns auf dem Markt in Calles eine Menge Geld einbringen. Leider weiß ich nicht, wie wir ihn transportieren sollten. Lass uns morgen darüber nachdenken.“ Darragh seufzte und lehnte sich zurück. Er schien noch Schmerzen zu haben. Er schloss die Augen.

„Erzähl mir von deiner Welt.“ Bat er. Ich sah ihn an und überlegt, dann begann ich vorsichtig zu erzählen, woher ich kam und wie die Stadt aussah. Es war schwierig, da Darragh nichts von all dem Modernen kannte. So unterhielten wir uns noch die restliche Nacht. Hin und wieder wechselten wir die Kräuter auf den Wunden von Darragh und Maik. Irgendwann in den frühen Morgenstunden muss ich dann doch eingenickt sein, denn als ich erwachte schien die Sonne bereits hoch am Himmel. Doch träumte ich nicht von Eleanora. Ich sah zu Maik, doch er war bereits verschwunden. Dann sah ich mich um und entdeckte Darragh, wie er dem Bären das Fell abzog. Er hatte das Tier zu einen Baum geschleift, ihn mit einem Seil über einem Ast hochgezogen und davor eine kleine Grube ausgehoben, an der sich das Blut gesammelt hatte. Anscheinend hatte Darragh den Bären erst ausbluten lassen. Nun zog er langsam mit einem scharfen Messer das Fell samt Haut ab. Als er meine Blicke bemerkte grinste er.

„Na? Auch endlich wach? Maik ist am See, um sich zu waschen.“ Er arbeitete weiter. „Ich werde das Fell später auswachen, dann nehmen wir es mit nach Calles. Maik meinte, wenn jeder was nimmt, werden wir es schon mitnehmen können.“ Ich nickte.

„In Ordnung, aber ich folge ihm besser und wasch mich auch mal.“ Ich stand auf und lief zum See. Ich fühlte mich müde und ausgelaugt. Ich hoffte, dass das frische Wasser helfen könnte, schließlich hatten wir noch einen weiten Weg vor uns. Am See angekommen entdeckte ich Maik, wie er entspannt im See badete. Ich grinste.

„Na? Ist das Wasser angenehm.“ Maik drehte sich um und lächelt mir zu.

„Kla, los spring rein. Das ist das Beste, was man hier kriegen kann. Heiße Duschen kennen die hier nich.“ Ich lachte, zog mir meine Kleidung aus und ging ebenfalls ins Wasser. Wir wuschen uns, so gut es ging und genossen noch etwas das kühle Nass. Irgendwann wurde es uns aber dann zu kalt und kamen wieder raus.

„So, und wie trocknen wa uns nun?“ fragte Maik mich. Ich zuckte die Schultern.

„In die Sonne stellen? Schütteln?“ Er lachte. Die Beule am Kopf ist mittlerweile blau und er hat leichte Kopfschmerzen, wie er mir beim Waschen erzählte, und die Blutung am Arm war gestoppt. Die Wunde sah heftig aus mit drei langen tiefen Kratzern von den Krallen des Bären, aber die Erste Hilfe von Darragh ist wie ein Wunder. Maik ging zu seinen Sachen und zog ein Band aus langen dunkelgrünen Blättern hervor.

„Schau ma, hatte Darragh mir vorhin gebastelt. Damit soll ich mir den Arm verbinden, diese Blätter, aus denen er das gemacht hat, sind wohl sehr stabil und flexibel.“ Er gab es mir und hielt seinen verletzten Arm hin. Ich verband ihn so gut ich konnte. Zumindest sind die Blätter dabei nicht zerrissen. Sie fühlen sich beim Binden ein bisschen an, wie Stoffbahnen. Aber sie sind glatt mit der normalen Blattstruktur.

„Tut eigentlich noch sehr weh? Sah letzte Nacht ja richtig Böse aus.“ Maik schüttelte den Kopf.

„Im Wasser hats nen bissl gebrannt, nun geht’s aber. Hab kaum schmerzen.“ Ob dieses Sonnengrün eine betäubende Wirkung hat? Danach zogen wir uns an. Gerade als wir fertig waren, kam Darragh zu uns mit mehreren großen Stücken Fell und unseren Sachen.

„Der See wird sicherer sein, bald werden sicherlich die Aasfresser auf das Blut und Fleisch aufmerksam werden. Dann will ich nicht dabei sein.“ Er ließ sie neben den Fluss fallen. Wir halfen ihm beim Auswaschen und legten alles zum Trocknen in die Sonne. Dann setzten wir uns daneben, Darragh baute sich eine Art Angel aus einem Stock, weichte ein kleines Stückchen Brot aus seinen Vorräten auf und klebte den entstandenen Teig ans Ende einer Schnur, die er an den Stock geknotet hatte. Die Schnur war eine Bogensehne, die er ersatzweise mitgenommen hatte. Dann schmiss er das Ende mit dem Teig ins Wasser und wir warteten.

„Ich denke wir sollten später noch ein Stück laufen. Morgen werden wir wohl sowieso nicht ankommen, also erwarten uns noch zwei Nächte hier im Wald. Wir sollten unsere Vorräte besser erst mal nicht anfassen. Mit etwas Glück gibt es Fisch. Ansonsten muss ich uns weiter Hasen jagen.“ Meinte Darragh dabei. Ich nickte und stand auf.

„Ich sammle uns etwas Feuerholz.“ Maik wollte mir helfen, doch ich lehnte ab, schließlich sollte er sich besser noch etwas ausruhen. Beim Sammeln blieb ich besser nah am See. Lief eher am Ufer entlang und immer wieder nur kurz in den Wald, um Holz aufzusammeln. Hin und wieder betrachtete ich den See, aber er ähnelte dem der Elfe in keinster Weise. Er war auch viel zu klein und es gab auch keinen Baum in der Mitte. Das Wasser glitzerte. Es war so sauber und klar. Ich dachte an Eleanora. Sie hatte mich bei meinem Schlaf in den Tag nicht wieder besucht, aber der Schlaf war sehr erholsam gewesen. Ich hielt kurz inne und schloss die Augen. Dann atmete ich einmal kurz durch und konzentrierte mich. Da, tief in mir spürte ich meine Magie. Ich öffnete sie Augen, da ich langsam auf dem Rückweg war, konnte ich Maik und Darragh am Ufer sitzen sehen. Ich konzentrierte mich ganz genau. Starrte sie regelrecht dabei an. Erst geschah nichts, doch dann sah ich sie. Auch die beiden besaßen Energien oder war es ebenfalls Magie? Maik seine war schneeweiß, sie umrahmte ihn regelrecht, strahlte etwas Beruhigendes aus und ein Auswuchs am Rücken erinnerte mich an Flügel. Wie die Flügel eines Engels. Wenn seine Mutter ein Engel aus dieser Welt war, ist das wohl ihr Geschenk an ihn. Ihr Erbe. Darraghs hingegen war sehr klein, kaum zu erkennen und sehr schwach. Sie war in einem hellen zarten grün, wie bei den ersten Blättern im Frühling. Sie durchlief ihn wie ein Fluss. Ich wollte die beiden Energien weiter erkunden, als Darragh aufsprang und die Angel nach oben riss. Ich erschrak und verlor dabei meine Konzentration und sogar fast das Gleichgewicht. Die Energien wurden wieder unsichtbar. Darragh hielt stolz einen großen Fisch hoch und grinste uns an, als ich zu ihnen ging. Er legte den Fisch beiseite und wiederholte seinen Vorgang von vorhin. Diesmal drückte er die Angel Maik in die Hand, als das Schnurende im Wasser versank. Dieser schaute etwas ratlos und Darragh grinste.

„Ich muss das Feuer entzünden und mich um den ersten Fang kümmern. Wenn einer zieht, dann lass ihn ein wenig zappeln und hol ihn dann mit Schwung raus.“ Dann machte er sich daran, dass von mir mitgebrachte Holz mit meiner Hilfe zu stapeln und ein Feuer zu entzünden. Danach begann er den ersten Fisch auszunehmen. Maik hielt die Angel fest und starrte konzentriert auf das Wasser. Wir hatten beide bisher nie geangelt. Wir fanden es bisher eher langweilig. Aber nun geht es um unser Essen, daher versuchte Maik natürlich sein bestes. Wir sprachen nicht, um die Fische nicht zu verschrecken. In der Hoffnung, nicht zu lange warten zu müssen. Trotzdem dauerte es ein bisschen. Der erste Fisch lag bereits bereit. Dann begann etwas an der Angel zu ziehen, Maik schaute flehend zu Darragh. Dieser lachte und nahm ihm dann die Angel wieder ab. Am Ende steckten zwei große Fische auf Stöckern über dem Feuer. Mittlerweile war ich richtig ausgehungert und fragte mich, ob das für uns drei reicht. Wir teilten uns die fertigen Fische auf und holten dann doch jeder noch ein Stück Brot aus den Beuteln. Am späten Nachmittag machten wir uns wieder auf den Weg. Die Fellstücke wickelten wir zusammen, so konnten wir sie besser auf unsere Rücken binden und sie behinderten uns nicht. Mit Darraghs Technik erinnerten mich die gebundenen Stücke an eingerollte Schlafsäcke, die wir am Rücken an unsere Taschen befestigten. Ich war wirklich froh, dass er uns begleitete. Maik und ich wären ohne ihn vermutlich gleich zu Beginn verhungert oder von einem wilden Tier angefallen worden. Oder wir hätten uns Hoffnungslos in diesem Wald verlaufen. So im Nachhinein fand ich unsere Rettungsaktion ziemlich blauäugig. Wir kamen in diese Welt, ohne Vorbereitung und dachten nicht einmal über die Konsequenzen nach. Es schien pures Glück, dass wir Darragh und den Waldläufern direkt in die Arme liefen und sie uns so bereitwillig halfen.

Als es dunkel wurde, blieben wir stehen und Darragh überlegt fieberhaft, wie wir diese Nacht unbeschadet überstehen könnten. Er sah uns an und meinte dann.

„Wartet kurz hier, ich habe vielleicht eine Idee.“ Wir nickten und er kletterte elegant einen der Bäume hoch. Es dauerte eine Weile, bis er wieder nach unten kam. Wir dachten schon langsam er wolle verschwinden und unterhielten uns, wie wir ohne ihn aus dem Wald finden würden. Da sprang er wieder runter und grinste.

„Ein Stück in diese Richtung.“ Er zeigte in die Richtung, in die wir gegangen waren. „Gibt es ein verlassenes Nest der Phönixfalken in einem Baum. Dort sind wir sicher vor gefährlichen Wildtieren. Da ihr auch eine Nachtwache anscheinend nicht gewöhnt seid, wäre das unsere beste Option.“ Wir sahen ihn an und Maik meinte.

„Glaub kaum, das wa in nen Nest von nem Falken passen.“ Darragh lachte.

„Ihr habt noch nie einen gesehen, richtig? In ein solches Nest passen fünf Waldläufer. Phönixfalken sind riesige Greifvögel. Kommt, dann zeige ich es euch.“ Er ging los und wir folgten ihm. Eher stolpernd als laufend versuchten wir beide ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Hin und wieder blieb er stehen. Die Dunkelheit senkte sich recht schnell über den Wald. Zum glück war der Weg nicht weit.

„Meinst du wir reden hier von einem echten Phönix oder einer Art davon? Vielleicht sehen sie hier wie Falken aus.“ Flüsterte ich Maik zu.

„Vielleicht nen Falke, der aus der Asche entsteht?“ mutmaßte Maik. Wir blieben an einem der Bäume stehen und Darragh zeigte nach oben. Wir schauten hoch, doch ich konnte nicht wirklich etwas erkennen. Der Baum war groß, mit einem Stamm, den nicht einmal Maik und ich zusammen hätten umfassen können, vielleicht mit Darragh. Das Blätterdacht war dicht, mit großen runden grünen Blättern. Also gut, die Baumkrone schien oben weitaus dichter zu sein als anderswo. Zumindest konnte man nicht hindurchsehen, da es jedoch schon dunkel war und nur das Licht der Monde uns half den Weg halbwegs zu finden, war das nun nicht schwer. Aber sonst nichts. Darragh begann hochzuklettern. Wir folgten ihm. Natürlich weitaus langsamer. Es war sehr mühsam. Die Rinde war jedoch sehr rau und bot und Möglichkeiten zum Greifen und Abstützen. Sonst hätten wir es unmöglich schaffen können. Es war schwer, nicht darüber nachzudenken, hier abzustürzen. Ich hoffte inständig oben heil anzukommen.

„Is fast wie Free Climbing. Nur das es hier nen Baum und kein Fels is.“ Keuchte Maik. Ich sagte nichts und konzentrierte mich weiterhin darauf, nicht herunterzufallen. Oben, an der Stelle mit dem dichten Blätterwerk zog Darragh uns nacheinander hindurch und wir fanden uns in einem riesigen Nest wieder. Es hatte ungefähr einen Durchmesser von 4-5 Metern und war komplett aus Blättern, Ästen und großen roten Federn erbaut worden. Wir machten es uns gemütlich und wickelten uns in die Umhänge. Hier oben konnten wir kein wärmendes Feuer entfachen. Es wäre zu gefährlich geworden. Doch die Schicht weicher Federn ließ uns ein bisschen einsinken, dadurch waren wir zumindest ein bisschen geschützt. Die hohen Kanten des Nestes, ließen, trotz der Größe, kaum wind zu uns kommen. Durch die, nun freie Sicht, konnten wir ausgiebig den Himmel betrachten. Rechts von uns konnten wir die Mondzwillinge am Himmel erkennen und über uns erstrahlte ein Lichtermehr aus Sternen. Anders als in unserer Welt gab es hier keine Dauerbeleuchtung und auch keine Smogwolke einer Stadt, die die Sicht einschränkte. Es war wunderschön, anstatt unserer bekannten Milchstraße kreuzten sich hier zwei Fadenartige Stränge aus vielen kleinen Sternen. Die Positionen der Sterne allgemein war mir völlig unbekannt. Das erinnerte mich wieder genau daran, nicht mehr auf der Erde zu sein.

„Zumindest sind wa hier sicher, oder?“ Maik sah Darragh an. „Diese Phönixe kommen die Nacht doch nicht wieder, um uns zu fressen, oder?“ Darragh, der sich aus einigen Federn und Blättern ein Kopfkissen baute, sah Maik an.

„Nein, zu dieser Zeit sind sie in Castrum. Unser Land nutzen sie als Zwischenstation, bevor sie nach Varuun fliegen, wenn in Castrum der Winter einbricht. Varuun ist das Wetter eher umgekehrt. Dort wird des zu der Zeit dann warm.“

„Sind es richtige Phönixe?“ Ich hob eine Feder hoch bei meiner Frage. Sie war Feuerrot und am unteren Bereich ging sie in ein helles Orange über. Ich drehte die in meiner Hand und sie schimmerte leicht im fahlen Licht der Monde. „Steigen sie zur Wiedergeburt aus der Asche?“ Darragh lachte.

„Nein, wir nennen sie lediglich wegen der Farbe ihrer Federn so. Sie erinnern an einen Phönix. Echte Phönixe sind längst ausgestorben. Die Zwerge jagten sie vor Jahrhunderten, weil das Feuer, aus dem sie entstiegen angeblich kaum zu Löschen sei. Also perfekt für die riesigen Schmieden in Mòr Forgings. Wenn man ihnen jedoch bei der Wiedergeburt das Feuer entzieht, sterben sie. Und das taten die Zwerge in ihren Hochöfen. Sie sollen sehr komplexe Gebilde sein.“ Ich lauschte gespannt Darraghs Erzählungen, die zu fantastisch klangen. Phönixe, Zwerge, Elfen…Was es hier alles gibt. Wir scheinen direkt in einen Fantasyroman gefallen zu sein.

„Sag ma, wie groß is eure Welt? Elfen, Zwerge…leben die alle zusammen?“ Darragh schüttelte den Kopf auf Maiks Frage.

„Nein. Unsere Welt ist in zwei große Kontinente und mehreren kleinen Inseln aufgeteilt. Nordwestlich von hier liegt der Kontinent Vestur mit den beiden Reichen Mòr Forgings, das Reich der Zwerge und Castrum, das Reich der Menschen. Südöstlich von hier liegt der Kontinent Austur mit den beiden Reichen Varuun, das Reich der Elfen und Kretania, das Reich der Drachen. Auf den anderen Inseln sind vereinzelt die Rassen vertreten. Aber auch Dämonen, die, außer hier, kein eigenes Reich besitzen. Wie die Rassen entstanden und woher wäre jetzt zu ausschweifend. Außerdem kenne ich nicht alles Details. Jede Rasse hat hier ihre eigenen Legenden. Die einzige befahrbare Route, die die beiden Kontinente verbindet, führt an Viridis vorbei. Der Größten der Inseln. Den mir bekannten Legenden nach lebten vor Jahrtausenden oder länger alle friedlich zusammen. Doch die Menschen und die Elfen wollten mehr. Nach einem großen Krieg teilten sich die Reiche. Dämonen verloren ihre Heimat, Engel zogen sich auf die höchsten Gipfel zurück. Die Drachen beanspruchten das riesige Gebirge in Austur für sich, da die Pässe zu Fuß zu gefährlich sind und sie dadurch ihre Ruhe haben. Angeblich sollen diese unsterblichen Wesen Schutzzauber wirken, damit niemand diese Berge heil durchqueren können. Die Machtspiele der Elfen interessiert sie nicht, von daher bleiben die Grenzen dort ziemlich fest. Zwerge und Menschen sollen sich sehr oft bekriegen. Die Zwerge sind auf die Bodenschätze in Castrum aus, die Menschen hingegen wollen die Zwerge unterwerfen und deren Schmiedefähigkeiten nur für sich nutzen. Nur eine Gruppe alter Magier, die dem Krieg leid waren, gingen und haben all das magische Wissen mitgenommen. Außer das Kriegswissen. Sie sind auf Viridis gelandet und haben eine Schule für Magier gegründet. Sie sahen sich nicht mehr direkt als Menschen, ähnlich wie wir waren sie eher eine Abspaltung. Sie lehrten hier jeden, der es wünschte, die friedliche Magie. Hauptsächlich waren das jedoch Menschen. Jedes Land musste nun seine Magier von hier beziehen. Bis die Elfen hier her kamen und alles veränderten… Nun, das wisst ihr ja schon.“ Wir hörten gespannt zu. Es klang immer mehr wie ein Fantasy Roman, oder eine ganze Serie. Na ja, eigentlich scheinen wir selbst in einem zu stecken, wie ich vorhin schon dachte. Nun verfestigte sich der Gedanke nur noch mehr. Ich lächelte innerlich. Darragh gähnte nach seiner Erzählung ausgiebig und musst kurz husten. Er trank einen Schluck. 
„Wir sollten nun schlafen. Es wird morgen ein langer und anstrengender Marsch, wenn wir vor dem Abend noch in Calles ankommen wollen.“ Also legten wir uns hin und ich schlief auch sehr schnell ein.

 

Ich lief über die Blumenwiese und blieb an der Stelle stehen, an der wir uns das letzte Mal trafen und ich trainierte. Doch ich konnte Eleanora nirgends entdecken. Mein Herz klopfte wie wild. Wo war sie? Hatte Risk sie nun doch begonnen zu foltern oder schlimmeres getan? Ich sah mich um und ließ mich dann auf die Erde fallen. Ich zog meine Beine an und überlegte angestrengt, ob ich etwas unternehmen könnte. Doch es fiel mir nichts ein. Vielleicht hatte sie doch noch nicht mit mir gerechnet oder selbst die Zeit vergessen? Versuchte ich meine Gedanken zu beruhigen. Ich wartete und strich dabei über das Mal auf meinem Arm. Dabei fiel mir ein, was sie über das Mal sagte. Ich dachte an sie und versuchte sie zu mir zu rufen. Ich stellte sie mir vor und wie sie zur Wiese kam. Die geschmeidigen Bewegungen und das sanfte lächeln. Ihre rosigen warmen Lippen… plötzlich strich etwas sanft über meine Schulter. Als ich danach greifen wollte, war es weg. Ich drehte mich sofort um und sah Eleanora hinter mir stehen. Sie lächelte.

„Es tut mir leid, dass ich so spät bin. Risk war lange bei mir und ich konnte mich nicht in meine Träume flüchten. Ich glaube er ahnt etwas. Doch ich habe ihm nichts verraten. Er weiß nicht, dass ihr hier seid.“ Sie sah mich betrübt an, setzte sich zu mir uns lehnte sich an mich. Ich legte vorsichtig meinen Arm um sie.

„Glaubst du, er wird es herausfinden und dir diesen Weg versperren?“ Sie sah mich an, seufzte kurz und meinte.

„Ich weiß es nicht. Seine Magie ist in der Hinsicht nicht besonders stark. Er müsste einen seiner Magier damit beauftragen. Ich selbst habe diese Magie zufällig vor langem in alten Büchern unserer Bibliothek entdeckt. Ein Weg aus dem Schloss, ohne es direkt zu verlassen schien mir zu der Zeit eine wundervolle Idee.“ Ich nickte und hoffte dabei inständig, dass er es nicht tat. Dann fragte ich mich kurz, wie sie den letzten Satz meinte. Aber da löste sie sich schon von mir und stand auf. Sie lächelte und bat mich aufzustehen. Als ich stand nahm sie meine Hände.

„Wir müssen üben, damit du lernst die Magie intuitiv anzuwenden. Momentan musst du dich immer wieder aufs Neue konzentrieren, deine Magie und andere Energien suchen und verbinden.“ Ich nickte und sah sie an. So war es auch bei dem Bärenangriff. Ich dachte schon fast, es würde nicht funktionieren. Es war wohl das Adrenalin, dass mich letztlich zur nötigen Kraft und Konzentration zwang. Der Wunsch uns alle zu Retten. Ich spürte ihre Hände in meinen, warm und weich, und ihr Duft lag in meiner Nase.

„Schließ deine Augen. Suche deine Magie. Fühle sie. Lass sie durch deinen gesamten Körper strömen und halte sie dort fest.“  Ich schloss die Augen und konzentrierte mich. Die Magie in mir zu finden war leicht. Sie durch meinen Körper zu leiten schon schwieriger. Immer wenn ich sie in einem Bereich hatte, z.B. meiner Arme, verlor ich sie anderswo. So wechselte sie zwischen einzelnen Körperteilen, blieb jedoch nie dort bestehen.

„Tom, du nimmst sie immer im Ganzen. Du musst sie aufteilen. Kleinere Teile bilden und verteilen.“ Ich öffnete die Augen und sah sie verständnislos an. Sie lächelte und ließ mich los. „Komm mit, ich zeige es dir.“ Der Verlust ihrer Berührung traf mich plötzlich, wie eine kalte Dusche. Doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Wir gingen gemeinsam über die Wiese zum Weg, welcher zum See führte und dann auf dem Weg zum See. Ich genoss ihre Nähe und diese schöne Landschaft. Es war ruhig, nur ein leichter Luftzug, wie ein angenehmer Frühlingswind zog über uns und lies Gras, Blumen und Blätter rascheln. Unsere Schritte versanken lautlos in der weichen Wiese und gaben nur leise Geräusche von sich, als wir den Weg betraten.

„Wie ist es dort im Kerker. Ist es schlimm? Tut er dir etwas an?“ Fragte ich nun doch. Ich war einfach zu neugierig und besorgt um sie.

„Im Kerker ist es ruhig. Es gibt nur wenige weitere Gefangene, diese sind jedoch weiter weg. Meine Zelle ist klein, aber sauber. Ein kleines Fenster lässt mich nach draußen schauen.“ Sie lächelte traurig. „Ich vermisse meine Heimat. Es ist schwer auf dem harten Bett zu schlafen und das einfache Mal zu mir zu nehmen. Er holt mich täglich zu sich, um mit mir zu sprechen. Stundenlang sitzen wir in diesem Raum mit den Sesseln. Bisher bleibe ich hart. Ich vermute, dass er mein Reich will. Er spricht immer von seinem toten Land und den leidenden Dämonen.“ Sie lachte kurz auf. „Dämonen, die in einem Land voller Steinen, toten Wäldern und Düsternis leiden. Ich denke doch, Dämonen lieben so etwas. Den Legenden nach sind sie doch aus den Tiefen der Erde gekommen. Aus der Hitze des Kerns, um Unheil zu verbreiten.“ Am See blieben wir stehen und sie sah mich an. „Tom, er will mein Land. Er will es vernichten und sein Reich vergrößern. Es wird genauso Tot und Düster enden wie das seine. Bitte lass es nicht zu.“ Sie fiel in meine Arme und weinte. Ich strich ihr über den Kopf. Ihre Trauer und Ängste taten weh. Ich musste ihr helfen. Ich musste sie retten koste es, was es wolle. Und so auch ihr Reich. Doch wie. Ich wusste es noch nicht. Meine Magie würde mir helfen. Vielleicht finden wir weitere Gefährten. Krieger und Magier. Wir blieben eine Weile so stehen und ich versprach ihr beruhigend alle zu tun, was nötig ist. Sie versprach mir im Gegenzug meine Wünsche und alle von denen, die mir halfen, zu erfüllen. Alle sollten reich belohnt werden für die Rettung der Insel. Als es ihr allmählich besser ging, löste sie sich langsam von mir und sah mich an. Sie lächelte und ich strich ihr eine Träne von der Wange.

„Wir werden dich Retten. Bald kommen wir in Calles an. Dann versuchen wir ins Dämonenreich zu gelangen. Es wird sicher Leute geben, die uns helfen und auch welche, die den Übergang über die Berge kennen.“ Meine Stimme war kräftig und überzeugend. Damit wollte auch ich mich überzeugen, dass es so funktionierte. Auch wenn ich noch nicht wusste, wie. Sie nickte und löste sich langsam von mir.

„Dazu sollten wir nun deine Magie stärken. Die Nacht ist bald vorüber. Ich erkläre dir besser nun die Aufteilung, damit wir in der nächsten Nacht weitermachen können.“ Sie nahm meine Hand und wir gingen ein Stück am See entlang. An einer Stelle tauchte ein kleiner Sandstrand auf. Bei den letzten besuchen war er mir noch nicht aufgefallen. Er war nur ein paar Meter lang und breit. Der Sand war in einem hellen Beige, fast weiß und glitzerte leicht im Licht. Der Sand war so fein und ebenmäßig. Wir gingen darauf zu und sie ließ mich wieder los.  Ich zog meine Schuhe aus und versank kurz meine Füße in den warmen weichen Sand. Es war angenehm und erinnerte mich ein bisschen an Urlaub am Meer. Dann kniete sie sich in den Sand und begann formen in den Sand zu zeichnen. Sie skizzierte grob einen Menschen und zeigte mir die Position, an der meine Magie saß. Sie erklärte, dass die Magie wie Wasser durch mich floss. Überall hin, wo ich es wollte. Ich sollte sie nun wieder in mir greifen, dann wie Wasser zerfließen lassen und in meinen ganzen Körper leiten. Dann sollte ich einen kleinen Teil in meiner Hand formen. Als wäre hier der Ausgang.

„Nun lass einen kleinen Energieball in deiner rechten Hand entstehen.“ Begann sie und ich versuchte es. Es dauerte ein bisschen, doch ich konnte langsam einen kleinen Ball formen. Erst war er winzig, dann Golfball groß. Schließlich wuchs er noch ein Stück an.

„Sehr gut, nun versuche mit deiner linken Hand einen Teil davon wegzunehmen.“ Ich versuchte einen Teil des Balls mit der linken Hand zu greifen, griff aber durch ihn hindurch. Ich versuchte es mehrmals, mit denselben Ergebnissen. Ich seufzte und sah sie an. Sie lächelte.

„Konzentriere dich.“ Ich versuchte es weiterhin vergeblich. Dann sagte sie. „Du musst nun gehen, der Tag beginnt.“ Und ging langsam fort.

„Warte…“ Doch da verschwand die Landschaft bereits vor meinen Augen und die Elfe mit ihr.

 

Maik

Die Nacht verlief ruhig und durch unser sicheres Lager konnten wir alle endlich Mal wieder durchschlafen. Nach den beiden Märschen durch den Wald und der kurzen Nacht dazwischen war es auch dringend nötig. Mir tat alles Weh, besonders die Füße. Und mittlerweile brumme mir auch ordentlich der Schädel. Das große Nest bot erstaunlichen Schutz von dem Wind und die Federn und Blätter hielten einen richtig warm, wenn man sich damit bedeckte. Als die Sonne langsam über den Rand des Nestes schien kitzelte sie in meiner Nase. Ich wollte mich umdrehen und weiterschlafen, doch auch meine Blase machte sich ebenfalls bemerkbar. So war an schlafen nicht mehr zu denken und ich schlug die Augen auf. Kurz blendete mich die Sonne, bis ich mich an das helle Licht gewöhnt hatte. Seufzend setzte ich mich auf und sah mich um. Darragh und Tom schliefen noch tief und fest. Also stand ich auf und überlegte, wie ich mich nun erleichtern könnte. Mein erster Gedanke: An den Rand des Nestes stellen, Hose runter und ab gehts. Aber könnte doch peinlich werden, wenn die anderen das mitbekommen und wer weiß, welches Raubtier das da unten dann abbekommt. Lieber niemanden grundlos sauer machen. Also ging ich an den Rand und begann langsam mit dem Abstieg. Es war echt schwer und ich hatte Angst herunterzufallen. Irgendwie war mir der Aufstieg gestern leichter gefallen. Vielleicht, weil ich nichts Genaues sehen konnte und mehr instinktiv gehandelt hatte. Auch die Höhe war mir gestern nicht so schlimm vorgekommen, wie nun im hellen Licht. Irgendwie kam ich aber dann doch heil an und ging in die Büsche. Als ich wieder rauskam, fühlte ich mich erleichtert. Ich sah den Baum an und überlegte nun, wie ich da eigentlich wieder hochkommen sollte. War wohl doch keine so gute Idee. Ich umkreiste den Baum, um eine Möglichst gute Stelle zu finden. An einer Stelle am Baum entdeckte ich auf dem Boden einen Strauch Himbeeren. Die gibt es hier also. Sowas erkenne ich zum Grlück. Trotzdem pflückte ich vorsichtshalber eine und schnupperte dran. Dann kostete ich. Wenn schon einer tot umfällt, sollte ich das wenigstens sein. Sie waren süß und superlecker. Ich pflückte sofort alle und packte sie in die Tasche. Hoffentlich zerdrücke ich sie jetzt nicht beim Hochklettern. Dann begann ich langsam mit dem Aufstieg. Gefühlt dauerte es ewig. Immer wieder musste ich schauen, wo ich mich festhalten und hochziehen konnte. Vielleicht wäre zuhause ein Kletterkurs mal angebracht. Falls es je wieder zu so einem Abenteuer käme. Kurz unter dem Nest stoppte ich und überlegte. Letzte Nacht hatte Darragh uns hoch geholfen, aber irgendwie musste er es ja vorher schon allein geschafft haben. Ich atmete tief durch, fasste all meinen Mut zusammen und versuchte es allein. Ich griff nach dem Nest und erwischte einen losen Ast. Ich zog ihn raus und kippte dabei nach hinten. Vor Schreck schrie ich kurz auf, aber da griffen schon zwei Hände durch das Nest meinen Arm und zogen mich hoch. Im Nest angekommen kniete ich mich vor meinem Retter und atmete erst einmal tief durch. Mein Herz raste und mir stand der Schweiß auf der Stirn.

„Na? Das solltest du vielleicht nicht noch einmal versuchen.“ Lachte Darragh. „Es bedarf viel Übung die richtigen Stellen am Nest zu finden, um hochzuklettern. Nur wenige sind so fest verkeilt, um unser Gewicht zu halten.“ Ich sah zu Darragh auf, dann ließ ich mich auf den Rücken fallen und streckte meine Arme links und rechts aus.

„Danke. Ich dachte schon nu is es aus.“

„Maik! Blutest du?“ rief Tom etwas entfernt. Erschrocken setze ich mich auf und tastete mich ab. Ich merkte etwas Nasses und sah hinab.

„Verdammt, die Beeren. Nu sind se doch Matsch.“ Seufzte ich und holte die kläglichen Reste aus meiner Tasche. Die meisten sind zerquetscht worden.

„Maik, wo hast du die denn her?“ fragte Darragh. „Diese Beeren sind ganz selten.“ Er griff sich eine und steckte sich in den Mund. „Süßbeeren sind köstlich. Angeblich werden sie in Calles hoch gehandelt. Man verwendet sie zum Süßen von Kuchen und Gebäck. Aber auch für diese exotischen Tees aus Fragancia.“ Auch ich nahm noch eine und naschte. Tom kam zu uns rüber und tat es mir gleich. Sie erinnerten geschmacklich an Himbeeren, nur weitaus süßer und ohne Kerne. Wie mir nun auffiel.

„Sie wuchsen unten am Baumstamm. Hatte echt gehofft sie heil hochzubringen.“ Darragh nickte und packte zusammen.

„Lasst uns runter klettern. Vielleicht finden wir noch ein paar. Meist findet man noch weitere Büsche in der Nähe des einen. Wahrscheinlich haben die Phönixfalken die Samen hergebracht. Es wird vermutet, dass Vögel sie verteilen. Nur haben diese Früchte keine Kerne und keine Samen. Niemand weiß, woher die Tiere diese bekommen.“ Tom und ich nickten und packten ebenfalls zusammen. Darragh packte auch einige besonders schöne Federn aus dem Nest in unsere Taschen. Ein paar hängte er sogar sichtbar daran. Wohl als Deko oder so. Dann machten wir uns an den Abstieg. Während Tom und ich uns noch abmühten, lief Darragh bereits um den Baum herum und suchte die nähere Umgebung ab. Tatsächlich fand er in der Nähe noch weitere Beeren. Er pflückte sie vorsichtig und wickelte sie in große Blätter. Als wir es ebenfalls endlich geschafft haben, sammelten Tom und ich wieder Holz und Darragh verschwand im Wald, um zu jagen. Das Frühstück viel sehr gut aus. Er hatte einen recht großen Fuchs geschossen. Ich versuchte nicht daran zu denken, dass es ein lebendes Tier war, das er Töten musste. In unserer modernen Welt ist alles Fleisch immer schon fertig und eher abstrakt, doch hier musste es erst vorbereitet werden. Ich dankte gedanklich, wem auch immer, für das gute Mal. Nach dem Enthäuten und Ausnehmen, briet Darragh ihn mit vielen Kräutern aus der Umgebung. Alles, was er sammelte, war für mich einfach nur Gras. Aber als das Fleisch über dem Feuer briet duftete es köstlich und mir lief das Wasser im Mund zusammen. Trotz der großen Portion aßen wir alles, was essbar war, auf. Gut gesättigt machten wir uns wieder auf den Weg. Obwohl unser Gepäck mittlerweile recht groß und schwer war, kamen wir sehr gut und schnell voran. Anfangs taten mir auch wieder die Füße weh und ich spürte meine Muskeln. Mit der Zeit wurde es zum Glück weniger. Mittlerweile konnten wir immer mehr auf kleinen schmalen Pfaden laufen, die eben durch den Wald führten. So mussten wir nicht mehr über Wurzeln klettern oder blieben an andere Pflanzen hängen. Wirklich eine Erleichterung.

„Diese Pfade sind von den Elfenjägern. Die Einhörner der Elfen können nicht so gut auf unebenen Waldboden laufen, darum haben die Elfen Wege geschaffen.“

„Es gibt hier Einhörner?“ fiel mir darauf nur ein. Darragh sah mich an.

„Naja, ursprünglich nicht. Die Elfen haben sie damals mitgebracht. Ich glaube die Einhörner in Varuun sind auch weitaus größer und schlanker. Hier gibt es keine großen Wiesen und weiten Flächen, auf denen sie rennen können. Sie sind sehr schnelle Tiere und geschaffen für weite Strecken. Von daher sind sie hier eher klein und plump. Aber das Horn auf der Stirn haben sie behalten, obwohl sie wohl auch viel kleiner geworden sind.“ Tom lachte.

„Also ein Pony mit Horn. Stell ich mir witzig vor. Ein großer eleganter Elf auf einem Pony.“ Nun musste ich auch lachen. Darragh sah uns verständnislos an und Tom erklärte ihm, was Ponys sind. Danach nickte er und lachte ebenfalls.

„Ein guter Name. Ich werde ihn weitertragen. Einhorn-Ponys. Oder, da es sonst keine gibt, nur Ponys. Edle Elfenkrieger auf Ponys“ Wir mussten alle schallend lachen bei der Vorstellung.

Durch diese Pfade kamen wir weitaus schneller voran als gedacht. Sie waren sehr festgetreten und schienen oft benutzt. Wir einigten uns, ohne Pause durchzulaufen und zwischendurch beim Laufen unser Brot zu essen. An einer kleinen Wasserstelle am Rande des Pfades hielten wir kurz an und füllten unsere Wasserschläuche. Die Stelle schien von den Elfen genau für solche Zwecke angelegt. Das Plätschern eines nahen Flusses verrät die Herkunft. Eine Art Rohr lief durchs Dickicht des Waldes und mündete darin. Ein feines Rinnsal klaren Wassers lief daraus. Genug, damit das die Wasserstelle nicht austrocknete, aber nicht zu viel für ein Überlaufen. Ich betrachtete das Konstrukt und fragte mich unwillkürlich, ob es Zufall sei oder berechnet. Hatten die Elfen Mathematiker und Gelehrte unter sich? Wir gingen weiter, Darragh schien unendliche Fragen zu unserer Welt zu haben. Ich fragte mich allmählich, ob er uns am Ende in unsere Welt zurückbegleiten wird. Dann kreisten meine Gedanken um die Rückkehr und ich hier mich langsam aus dem Gespräch raus. Das nun langsam zu deren Welt und der Elfe schwang. Wenn se befreit is, kommen wir dann einfach zurück? Wieder durch den Baum? Oder zaubert die Elfe da was? Müssen wa am Ende für immer hier bleiben? Tom scheint echt verknallt. Vielleicht will er ja an ihrer Seite bleiben. Will sie das? Oder steckt hier noch was ganz anderes dahinter… Meine Geanken drehten sich am Ende immer mehr im Kreis und ich kam zu dem Schluss, dass es nichts brachte sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Ich seufzte kurz, wischte mein Gedankenkarussell erstmal beiseite und beteiligte mich wieder am Gespräch. Lenkte es wieder auf unsere Welt. Am Ende versuchten wir tatsächlich noch Strom und Internet zu erklären. Hier hörte aber Darraghs Wissbegier auf. Er erklärte ich allmählich alles mit indirekter Magie der Magier, die damals vor den Elfen flohen. Am Nachmittag lichtete sich der Wald und wir erkannten in einiger Entfernung eine Steinmauer. Tom und ich atmeten kurz auf und lenkten Darraghs Aufmerksamkeit auf die Mauer.

„Calles, wir haben es fast geschafft. Wir kamen am Ende schneller durch, als ich dachte.“ Meinte Darragh und schien sich regelrecht zu freuen. Ich konnte es ihm nachempfinden. Endlich waren wir aus dem Wald mit seinen Gefahren raus. Vielleicht etwas vernünftiges Essen und ein Bett für die Nacht finden. Obwohl…

„Sag ma Darragh, wie is das hier so mit bezahlen? Ich meine, Tom und ich haben keen Geld. Also nix, das hier vermutlich nen Wert hätte.“ Darragh lachte.

„Na darum habe ich doch die Felle und die Beeren mitgenommen. Außerdem haben mir die Ältesten ein paar Messer aus Beerenklauen mitgegeben. Einen kleinen Beutel voll Münzen besitze ich noch, aber das würde nicht reichen. Wir sollten uns beeilen und hoffen, dass der Markt noch geöffnet hat.“

„Also gibt es hier auch richtiges Geld, ja?“ fragte Tom ungläubig. Darragh sah ihn an.

„Natürlich. Die Zwerge haben Gold, Silber und Kupfer zu kleinen Münzen gepresst, so konnten wir unseren Handel vereinfachen.“

„Ah okay, ich verstehe.“ Tom lächelte. „Dann hoffe ich, dass die Unterkunft nicht zu teuer ist.“ Darragh nickte und wir gingen über eine Wiese zu einem großen, mit Kies befestigten Weg, der direkt zum Haupttor der Stadt führte. Der Weg, den wir die ganze Zeit folgten, machte hier einen Knick und führte anscheinend um die Stadt herum. Die Straße schien viel befahren zu sein. Tiefe Rillen zeugen von einem starken Verkehr schwerer Wagen. Eine Vielzahl von Hufabdrücken und Fußspuren schienen sich im Kies verewigt zu haben. Jedenfalls wirkt der unebene Weg bei genauerer Betrachtung so. Zu dieser Tageszeit sind nur wenige unterwegs. Wir sahen hauptsächlich Menschen und Elfen. Niemand beachtete uns, während wir dem Weg in die Stadt folgten. Tom und ich jedoch starrten so ziemlich jeden an. Naja, hauptsächlich jene, die ich für Elfen oder Zwerge hielt. Also, die langen spitzen Ohren wiesen die Elfen ja nun mal aus. Auch ihre feinen Konturen und schlanken Körper. Die Zwerge hingegen waren klein und stämmig. Aber nicht jeder hatte nen Bart, wie ich es aus den Geschichten immer angenommen hatte. Als wir die Stadt betraten sah ich mich um und war völlig überwältigt. Ich blieb kurz stehen, wurde aber von einem…naja Menschen…zur Seite geschubst. Also ging ich weiter und folgte Darragh. So hatte ich eine Stadt in dieser Welt nicht erwartet.

Kapitel 5: Calles - Die Handelsstadt

 Wir betraten die Stadt durch das große Haupttor und ich blieb direkt dahinterstehen. Ich war völlig überwältigt. So hatte ich eine Stadt in dieser Welt nicht erwartet. Ich wurde von hinten geschubst, da ich wieder stehen blieb und somit im Weg stand. Darragh zog Tom und mich zu Seite, damit wir den Anblick auf uns wirken lassen konnten. Auch Tom konnte den Anblick nicht fassen. Vom Rand der Straße aus sah ich mich um und verrenkte mit den Hals. Jedes Detail sog ich fasziniert in mich auf.

Vor uns erstreckte sich eine breite, mit hellgrauem Stein gepflasterte Straße. Bei uns wäre es, bei der Breite wohl eine große Hauptstraße mitten in Berlin. Sie schien lang zu sein und führte immer weiter gerade aus. Leider konnte ich nicht genau erkennen wohin. Es herrschte ein reger Verkehr der unterschiedlichsten Wesen. Elfen, Zwerge und Menschen schoben Wagen vor sich her oder trugen abgedeckte Körbe oder Krüge. Ein paar der Zwerge auch große Fässer auf dem Rücken. Einige hatten auch Zugtiere vor ihre Wagen gespannt. Nur waren es hier keine Pferde, wie man im Allgemeinen vermuten würde. Die Elfen nutzten meistens kleine, weiße Einhörner, sie erinnerten mich sehr stark an Ponys. Also war unsere Annahme im Wald richtig und vielleicht würden sie hier eines Tages von allen auch Ponys genannt. Da ließ mich innerlich grinsen. Auch wenn das weiße Fell und die weiß-blaue Mähne einiges mehr an Eleganz zeigte. Auch das Horn, kurz, trotzdem schmal und leicht gedreht, deutet auf ihre edle Abstammung hin. Dass sich Tiere in so kurzer Zeit so an ihre Umgebung anpassen konnten, war mir gar nicht bewusst. Oder hatten die Elfen es aus Platz- und Kostengründen darauf angelegt? Ich wusste es nicht. Zwerge nutzten, mir unbekannte Tiere. Sie hatten Ähnlichkeiten mit Steinböcken, nur war ihr Körperbau weitaus muskulöser und auch ein Stück größer, die Hufe waren breit und abgeflacht und das Geweih war nur ein kurzer Bogen mit einer leichten Welle. Das Fell war grau und struppig. Laut Darragh lebten Zwerge bevorzugt in den Bergen, also sind die Tiere wie gemacht, um an Steilen Bergpfaden halt zu finden. Wie auf den Bildern unserer Steinböcke, wie sie an Berghängen kletterten und Schrägen entlangliefen. Bei jedem Schritt der Tiere konnte man das Muskelspiel ihrer Beine gut mit verfolgen. Die Menschen hingegen nutzten einfache Ochsen. Wahrscheinlich um sie besser durch die Menge navigieren zu können. Meist hatten sie nur ein Tier vorgespannt. Die dunkelbraunen Tiere trabten träge vorwärts, die Hörner waren abgesägt und geschliffen worden. Am Rand der Straße standen hie und da kleinere Grüppchen, welche sich unterhielten oder Handel betrieben. Diese waren bunt durchgemischt. Bei einer Gruppe zum Beispiel handelte es sich um eine Elfin, die zwei Zwergenfrauen anscheinend zu erklären versuchte, wo sie dieses seidene grüne Tuch gekauft oder wie viel sie bezahlt hatte, welches sie nun um die Schultern trug. Die Zwerginnen ließen den Stoff immer wieder zwischen die Finger gleiten und diskutierten lebhaft. Die Worte konnte ich auf die Entfernung nicht verstehen, doch die Gestiken in eine bestimmte Richtung schienen mir eindeutig. An einer anderen Stelle unterhielten sich zwei Männer, Menschen besser gesagt, mit einem Zwerg über ihre Zugtiere. Der Zwerg hob den Fuß seines Tiers und zeigte auf die Hufe. Es war allgemein ein buntes Treiben und ein lautes Stimmengewirr. Umso mehr ich davon aufnahm, umso mehr überforderte mich dieser Ort.

Tom stieß mich irgendwann an und zeigte auf die Häuser am Rande der Straße. Als ich meinen Blick hob, staunte ich nicht schlecht.--

„Oh man…“ war das Einzige, was ich sagen konnte. Wir standen links vom Eingangstor. Auf unserer Seite erhoben sich elegante Häuser. In den verschiedensten Farben und gefühlt wild durcheinander gewürfelt. Einige mit kleinen Türmchen oder anliegenden, mit bunten Blumen übersäten Gärten. Andere wiederum eher schlicht gehalten mit Malereien und Schnitzereien an den Fassaden, Fenstern und Giebeln. Sie erinnerten mich an exotische Wälder, Blumen und Tiere. Dazwischen zwängten sich großteils schmale Wege und Gassen hindurch, teilweise auch größere Wege, auf denen auch Wagen Platz haben. Es muss sich hier um ein großes Wohngebiet handeln. Aber einige Dinge hatten sie jedoch trotzdem gleich, was dem Ganzen eine eigenartige Zusammengehörigkeit gab. Die Dächer erstrahlten in einem hellen Himmelblau, in deren Ziegel sich vereinzelt die Sonne spiegelte. Die Fenster waren hoch und schmal gehalten und die Rahmen in einem tiefen Braun gestrichen.

Dagegen waren auf der anderen Seite einfache, in braun oder grau verputzte Häuser. Wie die Bauernhäuser damals in den Dörfern. Die Dächer waren dunkelrot und in den wenigen Gärten schien eher Gemüse, als Blumen zu wachsen. Teilweise wirkten sie sehr alt und leicht verfallen. Doch man erkannte, dass sie bewohnt waren. Wäsche hing aus den Fenstern. Bei einem flatterte eine weiße Gardine im Wind. Es war dieser Kontrast, der mich am meisten irritierte. Ich sah Darragh fragend an, er zuckte nur mit den Schultern.

„Ich kann dir nicht viel dazu sagen. Nur das hier links das Stadtgebiet der Elfen ist und drüben das der Menschen. Nach dem die Elfen die Stadt einnahmen, haben die wohl alles in Bezirke eingeteilt. Soweit ich weiß, war es eine reine Menschen Stadt. Sie wurde in genauer gesagt in drei Bezirke geteilt. Die Elfen rissen die Menschenhäuser des Adelsbezirks nieder und errichteten ihre eigenen. Durch den Zuzug wurden es immer mehr. Am anderen Ende der Stadt gibt es noch einen großen Bezirk mit gemischten Bewohnern. Also auch Zwerge. Laut Gerüchten auch Engel und Dämonen. Es ist irgendwie…eine offene Stadt für alle…“ Er zuckte mit den Schultern. Ihm schien selbst nicht ganz klar, wie diese Stadt so entstand und so friedlich ist. Als wir uns langsam beruhigten, gingen wir die Straße weiter in Richtung Innenstadt. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die Straße ging mehrere Kilometer nur geradeaus, kamen wir endlich an einem riesigen Markt an. Wir schlossen uns dem Strom an und schlenderten umher. Trotz der späten Stunde gab es hier ein reges Treiben. Als wäre dieser Markt nonstop in Betrieb. Überall wurden die verschiedensten Waren angeboten. Von frischem Fisch bis hin zu Kleidung, Töpfen und sogar Teppichen. Wir machten uns einen Treffpunkt aus, da wir noch ein Gasthaus suchen mussten und teilten uns daraufhin auf. Darragh nahm uns die Felle ab und wollte sie, einige Kräuter, die Messer und ein paar der Beeren verkaufen. Da ich selbst noch kein Geld aus dieser Zeit hier besaß, schlenderte ich einfach nur quer durch die Gegend und betrachtete die ungewöhnlichen Stände. Vielleicht erschloss sich mir auch nebenbei der Wert der verschiedenen Münzen und die Art des Handels. Hin und wieder hielt ich kurz an und lauschte dem Handel, die Diskussion um den Preis. Manchmal wurde gefeilscht, was das Zeug hielt, an manchen Ständen wurde eher Geboten. Der Höchstbietende bekam das Produkt. Ich blieb an einem großen Holztisch stehen, auf dem die verschiedensten Messer, Scheren und kleine Äxte lagen. Hinter dem Tisch stand ein kleiner Mann mit Glatze und langem, roten, geflochtenen Bart. Unter seiner dunkelbraunen Lederschürze trug er ein braunes weites Hemd und schwarze Hosen. Neben ihm stand ein Schleifstein. Der Mann betrachtete gerade ausgiebig ein großes Fleischermesser. Und begann es dann zu Schleifen. In eleganten Bewegungen schwang er das Messer leicht hin und her, bevor er es drehte und seine Arbeit wiederholte. Schweiß glänzte auf seiner Stirn und die volle Konzentration lag in seinen Augen. Ich konnte nur staunend zuschauen.

„Ja, Darhig ist einer der Besten seines Fachs. Nur wenige Zwerge haben hier feste Stände. Die Standgebühren sind hoch wie lang nicht mehr.“ Ich drehte mich nach links. Dort stand ein großer breitschultriger Mann und sah mich grinsend an. Die fleckige graue Schürze spannte sich um einen auslandenden Bauch. Seine Beine steckten in grauen weiten Hosen, die sich kaum von der Schürze abhoben. Das grüne Hemd, das er trug, war an den Armen hochgekrempelt. Seine kurzen blonden Haare standen in allen Richtungen ab, der raue Dreitagebart schien die gleiche Farbe zu haben. Er war nur ein kleines Stück kleiner als ich. „Nur dank ihm kann ich die Knochen der Eisenböcke durchtrennen.“ Ich sah ihn fragend an. Da lachte der Mann los. „Du bist neu hier, oder? Ich habe schon gehört, dass seit kurzem wieder Schiffe im Hafen Lejanias anlegen. Castrum soll nur einfache Steinböck in den Bergen haben, wie ich hörte. Nun, unsere Eisenböcke haben Knochen aus Stahl, damit sie sich nicht so schnell etwas brechen. Bei den Lasten, die die Zwerge hier transportieren ist das wahrscheinlich auch das Beste. Aber das Fleisch dieser Tiere…köstlich. Kaum Fett, nur Muskeln. Mit der richtigen Zubereitung zergeht es einem auf der Zunge.“ Er reichte mir freundlich seine große fleischige Hand. Ich reichte ihm meine und kam mir ziemlich schmächtig vor. „Ich bin Macello, der beste Fleischer der Stadt. Und mit den besten Preisen.“ Ich vernahm ein kurzes Schnauben aus der Richtung von Darhig.

„Hi, ich bin Maik.“ Grinste ich ihn an. „Nur ein einfacher Verk…Händler. Hab aber leider gerade nix anzubieten.“ Macello sah mich kurz verwirrt an, als ihm wohl selbst eine Erklärung einfiel. „Ja, immer die Lage überprüfen. Nach so langer Zeit müsst ihr Händler aus Castrum euch an diese Vielfalt gewöhnen. Du hast dich sicherlich in Rosis Stübchen einquartiert. Koste heute Abend ihren Eintopf. Sie holt ihr Fleisch immer von mir und macht daraus den besten Eintopf der Welt.“ Bevor er weiter Sprechen konnte brummte Dahrig kurz. „Macht 12 Silberlinge.“ Macello sah zu ihm und zahlte. Dann nahm er sein Messer und prüfte die Schärfe an seinem haarigen Arm. Die feinen Härchen schienen wie von selbst abzufallen.

„Sehr gut. Also dann besuche mich mal Junge. Ich bin gespannt, welche Waren du hier anbieten wirst. Und erzähl deinen Leuten von mir.“ Er zwinkerte, drehte sich um und verschwand in der Menge. Ich strich mir kurz durch die Haare, na das war ja mal eine Begegnung.

„Macello redet zu viel.“ Brummte der Zwerg und widmete sich dann anderen Messern. Ich ging weiter und sah mich um. Ich muss heute Abend ma dringend mit Darragh quatschen. Eisenböcke…was das wohl für Tiere sind? Ich habe se für Steinböcke gehalten. Stimmt das, was Macello gesagt hatte? Dieser Macello….er scheint sehr von allem überzeugt, alles is das Beste. Ich grinste. Er hält mich für nen Händler aus Castrum. Was das wohl bedeutet, dass erst jetzt wieder Schiffe anlegen? Meine Überlegungen wurden plötzlich von einer lauten Diskussion unterbrochen. War das nicht Darragh? Mit wem streitet er da? Ich drängelte mich so schnell es ging durch die Menge immer in Richtung von Darraghs Stimme. Bis ich ihn endlich erreichte.

 

Tom 

Wir hatten uns aufgeteilt. Anscheinend wollte Darragh lieber allein Handeln. Wahrscheinlich wären wir ihm beim Feilschen im Weg gewesen. Ich ließ mich eine Weile mit der Menge mittreiben und betrachtete die vielen Stände. Ohne Geld konnte ich sowieso nichts kaufen. Nach einer Weile merkte ich, dass der Markt anscheinend nach Themen sortiert war. Auch wenn ich ihn, dank der Größe, niemals an einem Tag komplett ablaufen konnte. Ich schien in einem Bereich für verschiedene Möbel und Einrichtungsgegenstände gelandet zu sein. Links von mir pries ein Mann seine Kunstfertigkeiten im Reparieren von Dächern an und zeigte dabei viele verschiedene Materialien zum Dachdecken. Daneben reparierte ein anderer gerade einen großen Eichentisch. Bei ihm standen zwei muskelbepackte Kerle, die sich gerade ausruhten. Ich vermutete, dass sie den Transport der Möbel vornehmen. Denn sie beobachtet den Tischler ganz genau bei seiner Arbeit. Dieser versuchte angestrengt eine tiefe Kerbe mitten auf dem Tisch zu entfernen. Ich blieb kurz stehen, doch der bedrohliche Blick des einen Transporteurs ließ mich schnell weitergehen. Ich lief weiterhin umher. Der Bereich für dieses Handwerk schien zu enden und ich näherte mich wohl dem Lebensmittelbereich. Verschiedenste Gerüche umfingen mich, als ich ihn durchquerte.

Nach einer Weile näherte ich mich einem großen Auflauf verschiedenster Wesen, die sich um einen Stand herum drängten. Vom Stand her hörte ich eine recht helle Männerstimme. Ich ging um die Leute rum und entdeckte an der Seite eine kleine Lücke, durch die ich mich nach vorn drängte. Vor mir erstreckte sich ein breiter, mit bunten Tüchern bedeckter Tisch auf dem mehrere, verschieden große Teller standen. Auf jedem der Teller lagen getrocknete Pflanzen oder verschiedene Mischungen aus Pflanzen, Früchten und ähnlichem. Die Teller waren mit Glaskuppeln abgedeckt, die in der Sonne kristallin glänzten.

„…die neuesten Mischungen aus Fragancia, die große Stadt des Tees in Varuun. Nur dort werden seit Jahrhunderten Pflanzen und deren Wirkung studiert und Teesorten mit den verschiedensten Wirkungen produziert.“ Er nahm einen der Teller mit großen, getrockneten Blättern und dunkelroten kleinen getrockneten Blüten hoch, nahm die Glaskuppel ab und zeigte ihn rum. Durch die Bewegung verteilte sich ein aromatischer Duft nach Rosamarin, glaube ich, und Minze. „Ein Tee, gebrüht aus diesen wundersamen Kräutern löst Verkrampfungen im Magen. Nach einer großen, deftigen Mahlzeit getrunken, sind unangenehmes Völlegefühl schnell verschwunden.“ Er legte die Glaskuppel wieder drauf und nahm den nächsten Teller. Hier erklärte, das der Tee gegen Muskelschmerzen half, der Nächste half gegen Unruhe bei Nacht. So ging er jeden, der Teller durch. Verschiedenste Düfte vermischten sich dabei, sodass eine merkwürdige Mischung übrigblieb. Zu Letzt betonte er, dass es die erste Lieferung sei, seit das Handelsverbot aus den Kontinenten aufgehoben wurde und er nur wenige Säcke bei sich hätte. Sofort sprangen die Leute darauf an und überboten sich gegenseitig. Nun wurde es mir zu viel. Ich drängte mich mit aller Kraft zurück. Weg von dem Stand und ging weiter. Als der Lärm abebbte, hörte ich eine laute Diskussion und erkannte sofort Darraghs Stimme. Sofort lief ich in die Richtung, so schnell es die Menschenmenge zuließ.

Da entdeckte ich ihn an einem kleinen Holzstand, der fest zwischen den Anderen eingebaut zu sein scheint. Hinter ihm stand eine Frau, die erbost auf Darragh einredete und die Hände in die Hüfte stemmte. Als ich näher kam hielt Maik mich grinsend fest.

„Hi, na? Wie war dein Ausflug. Echt interessant hier, oder?“ Ich grinste ihn an und erzählte kurz von meiner Erkundung. Dann berichtete Maik von einem Fleischer und einem Stand. Er wollte gerade weiter ausholen als…

„Nein!“ Es war die Frau, die sich gerade über ihren kleinen Holztresen beugte, auf dem das Bärenfleisch und Kräuter lagen, und ihn wegzuschieben versuchte. „Darragh, vergiss es! Wenn die Wachen mich mit diesem Fleisch erwischen ist es aus.“ Dann fuchtelte sie wild mit den Händen. „Ich habe schon zu oft Waren von dir gekauft. Die Elfen werden Misstrauisch. Weiß dein Stamm eigentlich von deinen Ausflügen?“ Darragh grinste sie an und strich über das Fleisch.

„Nein, natürlich nicht. Die Ältesten würden nie zulassen, dass ich diesen gefährlichen Weg auf mich nehme. Und nun sei mal nicht so, Macello nimmt es dir sicher gern ab. Er prahlt doch gern mit den seltensten Fleischsorten aus allen Ländern.“ Wir lauschten dem Gespräch. Anscheinend kannten sich die beiden. Maik flüsterte mir kurz ins Ohr, dass er genau diesen Fleischer getroffen hatte. Die Frau atmete tief durch und schien sich geschlagen zu geben. Also gingen wir nun auch zu den beiden. Sie sah auf uns musterte uns kurz. Darragh erkannte uns und stellte uns dann vor.

„Iluvia, das sind die beiden Magier. Sie kamen aus dem Baum. Ihre Namen sind Tom und Maik.“ Er zeigte abwechselnd auf uns beiden, danach zeigte er zu der Frau. „Und das hier ist Iluvia, sie stammt vom Himmelsberg und lebt und handelt nun hier in Calles.“ Sie nickte kurz und wir betrachteten sie genau. Iluvias lange blonde Haare sind hinten zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammengebunden und liegen aktuell teilweise über ihre Schulter. Ihre strahlend blauen Augen blickten uns fröhlich entgegen und die Mundwinkel sind leicht nach oben gezogen. Sie ist recht klein, so ca. 1,60m würde ich vermuten. Das dunkelblaue Kleid steht im starken Gegensatz zu ihrer hellen Hautfarbe. Über den Ausschnitt hatte sie ein hellblaues Tuch gelegt, welches sich ebenfalls um ihre Schultern spannt.

„Ihr wollt also die Elfe retten…Pardon, die Elfenkönigin. Warum wollt ihr das tun? Ohne sie und ihre Herrschaft ginge es uns allen besser.“ Sie legte den Kopf leicht schräg und sah uns an.

„Psst…Iluvia nicht so laut.“ Darragh sah sich kurz erschrocken um, aber die Frauen an den Ständen links und rechts sind in Kundengespräche vertieft. Links pries eine kräftige ältere Frau gerade die besten Brote in ganz Viridis an. Es waren dunkle, große Kastenbrote. Rechts diskutierte eine kleine blonde Elfe gerade mit einer Zwergin, welches Fleisch wohl das Beste für eine gute Suppe sei. Darragh seufzte kurz. „Okay, wir erklären es dir. Aber nicht hier. Komm später einfach in Rosis Stübchen, ich werde uns jetzt dort einquartieren. Wir treffen uns im Schankraum. Bring am besten Azul mit.“ Iluvia seufzte, schmiss Darragh einen Beutel Münzen entgegen und nahm die Ware vom Tresen.

„In Ordnung, der Markt macht bald zu.“ Sie sah kurz zum Himmel. „Ich denke, wenn der Mond am Himmel steht werden wird zum Gasthaus kommen. So habt ihr genug Zeit euch einzuquartieren und Rosis leckere Suppen zu essen.“ Darragh nickte und wir gingen davon.

 

Rosies Stübchen sah von außen ziemlich unspektakulär aus. Ein graues großes Haus mit roten Ziegeln gedeckt. Die schiefen, grünen Fenster waren im Erdgeschoss ungefähr doppelt so groß, wie sie in den oberen beiden Stockwerken. Hinter den leicht verschmutzten und teilweise ziemlich blinden Scheiben hingen rote Vorhänge, die ordentlich an den Seiten zusammengebunden waren. An der Tür in der Mitte des Hauses blätterte langsam die Grüne Farbe an einigen Stellen ab, was wahrscheinlich durch die ständige Nutzung herrührt. Darragh ging vor und öffnete die Tür. Als wir das Gasthaus betraten, dauerte es einige Zeit, bis wir uns an das schummrige Licht gewöhnt hatten. Der Schankraum nahm fastdie gesamte untere Etage ein. Die linke Seite wurde komplett von einem breiten Tresen umschlossen, hinter dem ein großer kräftiger Mann mit grauem kurzem Haar und dichtem grauen Vollbart stand, Bier von einem Zapfhahn vor sich in Krüge füllte und sich mit einigen Männern, die am Tresen standen, unterhielt. Hinter ihm an der Wand waren unzählige Regale befestigt, auf denen Krüge, verschiedene Flaschen, Geschirr und unzählige Kerzen standen. An der hinteren Wand neben dem Tresen schwang gerade eine Tür auf und eine ältere Frau, vielleicht Anfang 50, trat hinaus. Mit einem kräftigen Schwung ihrer runden Hüften schmiss sie die Tür wieder zu. Sie trug mehrere Suppenschüsseln elegant wie eine Kellnerin zu den Tischen und verteilte sie an die hungrigen Männer. Ihr kastanienbraunes Haar hatte sie im Nacken locker zu einem Knoten gebunden, einige vorwitzige Strähnen hatten sich gelöst und umrahmten ihr Gesicht. Sie wischte kurz mit den Händen über ihre weiße Schürze, die sie über den braunen Rock gebunden hat. Die weiße Bluse wies bereits einige Flecken der Suppe auf, die sie hier anscheinend an jeden verteilte.

Hinter uns fiel die Tür ins Schloss und wir gingen zu einem Tisch im hinteren Teil des Raumes. Als wir uns setzten kam sie auf uns zu. Trotz ihrer korpulenten Figur bewegte sie sich elegant und schnell zwischen den einzelnen Tischen und blieb vor uns stehen.

„Guten Abend die Herren, was darf es denn für euch sein? Sicherlich ein Bier für jeden.“ Sie lachte kurz, ihre recht tiefe Stimme passte zu ihr. „Heute gibt es eine kräftige Suppe mit ordentlich Fleisch und Kartoffeln.“ Sie begutachtete uns genau. „Die wird euch guttun.“ Noch ehe wir etwas erwidern konnten, war sie schon wieder davon gerauscht und rief. „Johann! Drei Bier für die Neuankömmlinge.“ Der Wirt hinter dem Tresen grunzte kurz laut und begann die Krüge zu füllen. Wir mussten ziemlich verdutzt dreingeschaut haben, denn Darragh fing an zu lachen.

„Rosie war schon immer sehr schnell. Sie sieht, wenn jemand Hunger und Durst hat. Und keine Sorge, sie weiß auch sofort, wenn hier jemand übernachten möchte.“ Wir sahen zu ihm.

„Du warst schon öfter hier?“ Fragte ich ihn. Darragh nickte grinsend. Johann, der Wirt kam und stellte jedem einen großen Krug vor die Nase.

„Hier, frisch aus der Zwergengrotte geliefert.“ Johanns Stimme glich mehr einem lauten tiefen Grummeln. „Hast endlich nen paar Leute mitgebracht, Darragh? Dachte die Waldläufer sind sich zu fein für uns.“ Darragh schüttelte grinsend den Kopf und sah sich kurz um, dann meinte er leise.

„Das sind Magier, sie kamen aus dem alten Gingko. Aber psst.“ Er hielt sich kurz einen Finger an den Mund.  Der Wirt nickte kurz und legte 2 Schlüssel auf den Tisch.

„Habt Glück, zwei Zimmer ham wa noch. Treppe hoch, rechts. Seit Lejania wieder offen is, kommen immer mehr Händler her. Wollen die Insel wohl wieder als Knotenpunkt zwischen den Kontinenten aufbauen.“

„Ach, der Hafen ist offen?“ Darragh sah den Wirt verwundert an und dieser nickte. „Werden Rosie und du wieder nach Castrum zurückkehren?“ Johann schüttelte kurz den Kopf.

„Ne, die Rosie will nicht weg. Wir sind hier doch nun schon 30 Jahre hier. Wer soll sich denn um das Stübchen kümmern. Außerdem ist da doch ständig Krieg.“ Nun setzte sich der Wirt zu uns. „Hab von einem Zwerg gehört, dass der alte Zwergenkönig gierig auf Nigrum Montis ist. Dort soll es Onyx in Hülle und Fülle geben.“ Er schüttelte den Kopf. „Krieg wegen nen paar Steine.“ Während der Erzählung kam Rosie wieder und stellte jedem eine große Schüssel Suppe vor die Nase und einen Laib Brot in die Mitte. Sie legte kurz eine Hand auf Johanns Schulter und meinte.

„Wir flohen in diesem kleinen Ruderboot hierher um meinen Johann heiraten zu können, da gehe ich doch nicht zurück.“ Sie lachte fröhlich, als wir sie ansahen. „Ich bin die Schwester der Königin und mein Johann hier war nur ein armer Bauer.“ Sie schüttelte den Kopf und strich ihrem Mann kurz über den Rücken. Am Tresen riefen einige Männer nach Bier, also stand er auf und ging zu ihnen. Ich wusste zuerst nichts zu antworten, da sprach Maik mal wieder ohne nachzudenken.

„Ihr seid also heimlich nachts abgehauen und habt nen Boot geklaut? Sind sie euch nicht gefolgt?“ Rosie lachte laut auf und stemmte sie Hände in die Seiten.

„Mein lieber Johann war da viel...spontaner…. Der König wollte, dass ich mich von Johann verabschiede, ich sollte einen Adligen im Süden des Landes heiraten. Aber nicht mit Johann, er hat die beiden Leibwächter einfach mit seiner Schaufel erschlagen, mich über die Schulter geschmissen und ist zum Hafen gerannt. Hat einem Fischer einen Sack Silber gegeben und ist mit dem Boot des Fischers los gerudert.“ Sie lachte über unsere verdutzten Gesichter. Ich versuchte mir das Ganze vorzustellen und betrachtete Johann. Dann schüttelte ich den Kopf.

„Sind sie euch gefolgt? Musstet ihr euch hier verstecken?“ fragte Maik. Ihm schien die Geschichte wirklich zu gefallen und er grinste.

„Ehe der König davon erfuhr waren wir auf hoher See. Wir kamen direkt an der Küste vom Lichtwald an. Wir hatten Glück. Die Waldläufer zogen uns aus dem Wasser und versteckten uns eine Weile. Dann brachte Fea uns nach Calles.“ Sie zwinkerte Darragh zu. „Sie war damals noch genauso wild wie ihr Sohn.“ Darragh sah sie seufzend an.

„Das erzählst du mir ständig, trotzdem kann ich es mir nie vorstellen. Sie hasst die Menschen und Elfen und würde den Wald nie verlassen. Das erzählte sie mir damals zumindest immer, wenn man mich erwischt hatte.“ Rosie lachte. „Nun gut, ich werde euch nun mal in Ruhe die Suppe essen lassen, bevor sie kalt wird.“ Sie drehte sich um uns ging wieder zur Tür, durch die sie nach Hinten verschwand. Ich vermutete, dass dort die Küche und die privaten Räume sind. Ich nahm den Holzlöffel, der in der Schüssel lag und kostete Vorsichtig die Suppe. Sie schmeckte hervorragend. Der kräftige Geschmack nach würzigem Fleisch erinnerten mich an die Rindfleischsuppe zuhause bei meinen Eltern und die fast zerfallenen Kartoffeln gaben der Suppe etwas Festigkeit. Ich risse mir ein Stück von dem Brot ab. Es war frisches, noch warmes Schwarzbrot mit einer dunklen Kruste. Ich war mittlerweile so Hungrig, dass ich die riesige Portion trotzdem vollständig aufaß und mich danach gesättigt zurücklehnte. Maik und Darragh erging es ebenso. Wir stießen mit unseren Bierkrügen an und tranken einen kräftigen Schluck. Eine Weile saßen wir schweigend da und beobachteten die Leute. Sie kamen und gingen. Eine Gruppe Elfen kamen herein und begaben sich sofort zur Treppe und schienen diese nach oben zu schweben, so elegant sah es aus. Drei Zwerge unterhielten sich nun mit den Männern am Tresen. Sie schienen über etwas zu streiten. Der Ton wurde lauter und die Gesten unbändiger. Doch bevor auch nur einer mit den Fäusten ausholen konnte, knallte etwas Schweres auf den Tresen und der Wirt brüllte.

„Kloppen könnt ihr euch draußen. In diesem Gasthaus wird sich gefälligst benommen. Da versteht die Rosie keinen Spaß.“ Und es wurde wieder ruhiger.

Kurze Zeit später ging die Tür auf und Iluvia trat schwungvoll ein. Ein dunkelblauer Umhang umwehte sie dabei. Sie blieb mitten im Raum stehen und sah sich um. Als sie uns entdeckte kam sie zu uns. Durch ihre einnehmende Präsenz, das fröhliche lächeln, dem Rufen unserer Namen und den forschen Schritt, hätte ich ihr Begleitung fast übersehen. Ein, doch recht großer Mann in dunklem Umhang folgte ihr. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und mit lautlosem Schritt. Fast wie ein Schatten. Beide setzten sich zu uns an den Tisch und der Wirt kam bereits mit einem Krug Bier für den Mann und einem Becher Wein für Iluvia.

„Guten Abend Johann.“ Begrüßte sie ihn. Dieser nickte und verschwand wieder. Iluvia und der Fremde legten ihre Umhänge ab.

„Darf ich euch meinen Mann Azul vorstellen?“ sie deutete lächelnd auf den Mann. Er betrachtete uns grimmig, schwieg jedoch. Er fuhr mit der Hand durch sein schwarzes Haar und versuchte es zu bändigen. In seinen dunkelbraunen Augen schienen helle Punkte zu leuchten. Dazu noch das dunkelgraue Hemd, die schwarze Hose und Stiefel verliehen ihm das Aussehen eines gefährlichen Mannes, den man eher weit umgehen sollte. Doch als sie sich setzten legte er besitzergreifend eine Hand auf ihr Bein.

„Also erzählt, was macht ihr hier? Wollt ihr die Königin wirklich befreien“ Sie betrachtete er mich und dann Maik.

„Nun ja...“ Begann ich. „Eleanora hat mich gebeten ihr zu helfen. Dieser Dämon…Risk…er hält sie gefangen. Er will sie zwingen ihm ihr Reich zu geben. Anscheinend hasst er sein eigenes. Noch konnte sie sich wehren.“

„Risk wird sein Reich niemals verlassen.“ Ich zuckte zusammen. Diese tiefe Stimme kam von Azul. Er sah mich finster an. „Er wird seine Gründe haben, warum er diese verfluchte Elfe geholt hat.“ Wir schwiegen.

„Azul war Risks erster Berater…bevor…“ Versuchte Iluvia.

„Bevor ich mich entschied meinen eigenen Weg zu gehen.“ Beendete Azul ihren Satz und strich ihr liebevoll über die Schulter. Diese Geste war so sanft, dass sie im krassen Gegenteil zu diesem finsteren Mann stand. Iluvia seufzte und nahm seine Hand.

„Ihr haltet wohl nicht viel von ihr?“ fragte Maik. Iluvia schüttelte den Kopf.

„Sie bringt dem Land Probleme. Sie hört nur auf ihren Berater Damianos. Ich glaube sie ist sehr leichtgläubig.“

„Als die Elfen herkamen haben sie sich alles genommen und jeder sollte sich ihnen unterwerfen.“ Meinte Azul und schüttelte den Kopf. „Als ob Dämonen sich unterwerfen. Weil wir das nicht wollten, haben sie kurzerhand die Route zwischen den Bergen verschlossen und die Dämonen von allem abgeschottet. Ohne Iluvia und dem Himmelsberg wäre ich nicht hier.“ Ich sah beide an. Zu gern würde ich ihre Geschichte erfahren, doch das kann warten.

„Eleanora scheint vielleicht doch nicht so leichtgläubig. Sie versprach, wenn ich sie befreie, hilft sie uns und allen die mir helfen. Ich glaube daran. Sie will die Elfen aus dem Lichtwald holen und ihr den Waldläufern zurückgeben.“

„Klingt fast schon zu gut. Aber ich glaube nicht an die Worte dieser Hochnäsigen kein Wort.“ Azul verschränkte die Arme und sah grimmig und entschlossen aus. „Risk wird wissen, was er tut.“ Währenddessen schien Iluvia zu überlegen.

„Vielleicht hat Risk ihr nun doch die Augen geöffnet. Aber warum hält er sie fest?“ Sie sah auf und mir direkt in die Augen.

„Du weißt mit Sicherheit, dass sie die Wahrheit spricht? Ich kenne nur die Geschichten der Königin. Dementsprechend kenne ich sie nicht.“ Sie sah zu Azul. „Vielleicht merkt sie nun, da sie aus dem Schloss ist, was wirklich los ist? Ich glaube wir sollten zu ihr.“ Azul blickte finster drein. Sagte jedoch vorerst nicht. Wir schwiegen eine Weile und Darragh fing herzhaft an zu gähnen.

„Also ich denke, wir sollten eine Nacht darüber schlafen. Dann treffen wir uns morgen früh wieder hier. Was haltet ihr davon?“ Er sah uns alle fragend an und wir nickten. Darragh legte einige Münzen auf den Tisch und wir drei gingen nach oben. Iluvia und Azul wollten noch eine Weile sitzen bleiben.

Die obere Etage war ein dunkler, schwach mit Kerzen beleuchteter Flur. Links und rechts gingen dunkle Holztüren ab. An jeder Tür stand eine Nummer. Darragh betrachtete unsere Schlüssel und drückte mir dann einen davon in die Hand. Unsere Zimmer lagen genau am Ende des Flurs und einander gegenüber. Wir verabschiedeten uns für die Nacht und betraten die Zimmer. Darragh für sich allein und ich teilte meins mit Maik. Das Zimmer war eher spartanisch eingerichtet. Zwei einzelne Betten links und rechts. Dazwischen stand ein Tisch direkt vor dem Fenster mit einem Stuhl. Links neben der Tür stand ein alter Kleiderschrank aus dunklem Holz und rechts von der Tür ein alter Sessel. Die Betten waren mit weißen Laken bezogen. Alles war sehr sauber und auf dem Tisch stand ein frischer Blumenstrauß und eine Kerze, die ich mit den danebenliegenden Zündhölzern entzündete, bevor ich die Tür schloss. Maik schmiss sich währenddessen auf das rechte Bett, verschränkte die Arme hinter den Kopf und betrachtete die Decke. Seinen Beutel hatte er einfach neben dem Bett fallen lassen. Ich setzte mich auf mein Bett und legte den Beutel ebenfalls daneben. Es klopfte und Darragh trat ein.

„Es tut mir leid, dass ich nochmal störe.“ Er schloss die Tür und setzte ich neben mich. „So wie ich Iluvia kenne, werden beide uns begleiten wollen. Ich finde, wir sollten sie mitnehmen.“ Er grinste mich an. „Iluvia könnte uns vielleicht über den Himmelsberg bringen und Azul ist ein Krieger.“ Ich nickte. Die Idee war sehr gut.

„Azul hält nichts von der Elfe. Auch wenn er Iluvia nicht widersprochen hat. Und ich denke, seine Zweifel sind auch berechtigt.“ Warf Maik plötzlich ein. Ich sah ich verwirrt an.

„Wie meinst du das? Eleanora ist eine freundliche Elfe und sie versprach mir zu helfen.“

„Das mag sein. Versprechen kann sie viel. Aber wenn die Geschichten stimmen, nahmen die Elfen sich das Land und alle mussten sich ergeben.“

„Das war früher. Das war auch nicht sie. Sie ist nun einmal jetzt die Königin. Vielleicht wusste sie wirklich nichts von den Missständen.“ Maik setzte sich auf und sah mich prüfend an.

„Darragh, was meinst du? Stimmt es, was Tom sagt und die Elfe hilft uns?“ Darragh sah uns beiden nachdenkend an und stand dann auf.

„Ob sie uns hilft oder nicht werden wir sehen. Ich bin Müde und lege mich nun ins Bett.“ Schulterzuckend verabschiedete er sich und verschwand in sein Zimmer.

„Maik, du hast sie nicht gesehen. Du kennst sie nicht. Ich habe sie getroffen. Mehrfach. Sie ist liebevoll und wird von einem bösen Dämon festgehalten.“ Ich legte mich ins Bett. „Und diese Nacht werde ich sie wiedersehen. Sie wird ihre Versprechen halten.“ Maik seufzte und schüttelte den Kopf.

„Ich denke auch Risk wird seine Gründe haben. Ich wüsste nur gern welche.“ Ich sah Maik überrascht an.

„Na wahrscheinlich will er ihr Land. Vielleicht ist er neidisch auf die Größe und Schönheit ihres Reiches. Er ist ein Dämon!“ Maik stand auf.

„Ist das alles? ‚Er ist ein Dämon‘? Ist es für dich so einfach? Gut und Böse?“ Er tigerte kurz auf und ab und blieb an der Tür stehen.

„Zumindest ist die Elfe gut und liebevoll. Ich vertrau ihr.“ Maik schüttelte den Kopf und verließ das Zimmer. Ich betrachtete kurz verwundert die Tür. Was war nur los? Er wollte ihr doch auch helfen? Dann drehte ich mich um und hoffte schnell einschlafen zu können. Ich wollte sie wiedersehen.

 

Maik

Nach der Diskussion mit Tom verließ ich unser Zimmer. Ich konnte es kaum glauben. War er von der Elfe so stark verzaubert worden? Ich verstehe es nicht. Und Darragh hat sich vollkommen rausgehalten und aufs Ohr gehauen. Ich seufzte genervt und stieg die Stufen des Gasthauses nach unten. Im Schankraum angekommen sah ich Iluvia und Azul noch am Tisch sitzen. Gerade wollte ich mich zu ihnen begeben, als Azul aufstand. Sie schienen zu streiten. Da sie mich nicht bemerkten blieb ich stehen. Zum Glück war der Gastraum um diese Zeit schon leer, selbst der Wirt war bereits verschwunden.

„Iluvia, das lasse ich nicht zu.“ Kam es leise und bedrohlich von Azul. Schon beim ersten Treffen bekam ich eine Gänsehaut in seiner Nähe. Äußerlich wirkt er so menschlich, doch seine Aura schien sehr düster zu sein. Neben dem fröhlichen Engel wirkt er fast deplatziert, wenn ihn vorhin nicht das kleine Lächeln bemerkt hätte, als Iluvia seine Hand nahm. Iluvia schnaubte kurz.

„Pah, das lasse ich mir doch nicht verbieten. Wenn du zu Risk willst, werde ich dich begleiten und basta.“ Sie verschränkte die Arme und sah ihn wütend an. Azul strich sich mit einer Hand seine Haare und seufzte.

„Es ist viel zu Gefährlich. Der Weg nach Norden ist gesperrt. Ich muss über den Drachenfels. Alleine werde ich nicht auffallen, aber mit dir…deine Aura ist einfach zu stark. Sie würden dich sofort spüren.“

„Ach quatsch. Das wird schon irgendwie gehen.“ Iluvia versuchte weiterhin wütend zu sein, doch ich sah ihre Fassade bereits bröckeln. Natürlich hatte Azul Angst um seine Frau.

„Iluvia…Liebste. Es wäre besser du würdest die anderen über den Himmelsberg führen. Auch wenn du eine Gefallene bist, können sie dir dort den Weg nach Norden gewiss nicht verbieten.“ Da Iluvia ihre Arme lockerte, griff Azul sofort nach ihrer Hand, hockte sich neben sie und sah sie nun eher ängstlich an.

„Nein, das wird nicht funktionieren. Sie haben mich verbannt. Dazu müsste mich schon ein anderer Engel begleiten.“ Plötzlich rumpelte es kräftig hinter dem Tresen und der Kopf des Wirts war zu sehen.

„Wenn ihr ‘n Engel braucht, geht nach Duende. Irgendwo tief im Kerker soll einer sein. Ist wohl schon ewig da. Total vergessen. Einer der Soldaten hat das hier mal erzählt.“ Wir sahen ihn alle erschrocken an. Der Wirt grinste und verschwand mit einem Fass, das er wohl über eine Luke aus dem Keller geholt hatte, durch die Tür nach hinten.

„Das wäre eine Idee.“ Iluvia wirkte nachdenklich und sah Azul dann an. „Wir könnten den Engel befreien und ich bringe ihn als Retterin nach Hause.“ Nun lachte sie fröhlich. Azul stand währenddessen auf und wirkte eher skeptisch.

„Das ist sehr gefährlich. Nun ich denke Darragh könnte dir gut helfen, aber die beiden Menschen?“

„Azul, du willst alleine nach Norden und hältst meine Idee für gefährlich?“ Beim Geräusch des Wirtes war ich einen Schritt zurückgegangen. Nun wollte ich wieder auf sie zu gehen und stieß dabei gegen einen Stuhl. Beide drehten sich zu mir um.

„Ähm…ja…“ Ich lachte kurz verlegen. „Sorry, wollt nich lauschen. Hab gerade mit Tom gestritten.“

„Nun, dann weißt du ja, was wir vorhaben.“ Meinte Iluvia lächelnd. Ich ging nun zu ihnen und setze mich an den Tisch. Auch Azul setzte sich wieder, erleichtert über den Ausgang des Gesprächs.

„Worüber habt ihr gestritten?“ fragte er nun. Er schien mir etwas offener als vorhin. Ob es daran lag, dass wir nun allein waren? Wenn ich das gewusst hätte, hätten wir besser das gesamte Gespräch verschoben. Ich sah zu ihm und seufzte.

„Er is wie verzaubert von der Elfe. Für ihn is sie die Gute. Fertig.“

„Und du bist dir dabei nicht so sicher?“ Fragte Azul überrascht und schien nun echtes Interesse an meiner Antwort zu haben. Ich schüttelte den Kopf.

„Woher wissen wir, ob sie die Wahrheit spricht? Weil Tom sich mit ihr in seinen Träumen trifft und sie hübsch ist? Weil sie Tom alles verspricht?“ Ich seufzte und überlegte, ob ich ihnen on meinem Traum erzählen sollte. „Ich frage mich, ob dieser Risk nicht vielleicht einen Grund hat.“ Nun nickte Azul.

„Deshalb werde ich mich auf dem Weg zu ihm machen. Aber der Pfad ist gefährlich und die Gruppe wäre zu auffällig. Ich kenne diesen Pfad, kann jedoch nicht die ganze Zeit auf weitere Personen achten. Ich werde mit Risk sprechen und hoffe es vor eurer Ankunft zu klären.“ Ich nickte.

„Also sollen wir die Route, wie ich verstanden habe, über diesen Berg nehmen und du willst allein einen anderen Pfad folgen?“

„So hoffe ich, schneller dort zu sein.“

„Kann zumindest einer von uns sich anschließen? Ich will mitkommen.“ Azul sah mich an und schüttelte den Kopf.

„Zu gefährlich. Ich müsste ständig auf dich achten und dich beschützen Mensch.“ Ich stand auf und da ihn ernst an.

„Nen bissl kann ich kämpfen. Zumindest habe ich schon nen Schwert geschwungen. Wenn auch nich in nem echten Kampf. Ich achte genau auf dich und werde dir nicht zur Last fallen. Aber ich will es von ihm wissen. Was hat er vor. Ich weiß nicht, ob ich die Gelegenheit dazu bekomme, wenn ich mit den anderen ankomme. Doch wenn ich mit dir gehe, wird er mich anhören, oder?“ Ich war aufgeregt, hoffte auf seine Zustimmung. Ich atmete einmal tief durch und setzte mich wieder. Azul sah mich an und schien zu überlegen. Iluvia beobachtete uns beide und kaute kurz auf der Unterlippe. Dann schien sie eine Entscheidung getroffen zu haben.

„Liebster? Maik begleitet dich. So bist du zumindest nicht ganz allein und ich wenigstens ein wenig beruhigt. Zu zweit fallt ihr sicher auch nicht auf.“ Er sah zu ihr auf, es schien als wollte er widersprechen. Doch dann seufzte er kurz und gab sich wohl geschlagen. Er stand auf und Iluvia mit ihm.

„Gut. Pack deine Sachen. Wir treffen uns kurz vor Sonnenaufgang vor dem Gebäude.“ Ich nickte und wir verabschiedeten uns. Aufgeregt lief ich nach oben. Sollte ich es Tom erzählen oder lieber schweigen? Als ich unser Zimmer betrat schlief er schon tief und fest. Ich sortierte unsere Sachen und packte meine Tasche zusammen. Als ich im Bett lag dachte ich über den Tag nach. Schlafen konnte ich kaum. Es war zu viel geschehen und nun würden sich Toms und mein Weg vorerst trennen. Ich rieb mir kurz über das Gesicht und sah nach draußen. Irgendwann schien mich der Schlaf doch übermannt zu haben. Doch nur kurz. Als ich aufwachte färbte sich der Himmel bereits violett. Ich stand schnell und so leise wie möglich auf, schnappte mir meine Sachen und ging. Auf der Treppe überlegte ich umzukehren und Tom doch noch zu wecken. Doch in dem Moment betrat Azul die Schenke. Also sprang ich die letzten Stufen runter und ging schnell zu ihm. Ich warf mir meinen Reisemantel um und wir gingen nach draußen. Auf dem Weg durch die Stadt beobachtete ich, wie diese langsam erwachte. Die Stände auf dem Markt wurden aufgebaut. Frauen liefen mit großen Körben durch die Gegend oder Fegten vor ihren Türen. Männer schoben Wagen oder hatten Werkzeug dabei. Vielleicht waren sie auf dem Weg zur Arbeit. Ich war wirklich fasziniert. Wir verließen die Stadt durch ein anderes Tor als wir herkamen. Azul meinte, wir würden nun Richtung Nord-West gehen um dort über die Berge zu gelangen. Der Weg direkt nach Norden sei durch eine schwerbewachte Mauer versperrt. Langsam ging hinter uns die Sonne auf, als wir dem Weg ein Stück folgten. Links und rechts von uns sah ich große grüne Felder. Ich vermutete eine Art Korn, wie bei uns Weizen und dergleichen. Hin und wieder konnte ich Menschen auf den Feldern arbeiten sehen. Wie sie per Hand das Unkraut entfernten oder eine Art Wasserschlauch zogen. Auch hier war ich fasziniert von den Arbeiten. Ich wäre zu gern geblieben und hätte diese Leute ausgefragt, doch Azul ging zügig weiter. Er wollte bis zum Einbruch der Nacht den Weg zwischen die Berge gefunden haben.

„Wir müssen einen ziemlich großen Bogen nehmen. Leider ist der einzige Weg in die Berge zwischen der Zwergengrotte und dem Dachenfels. Von dort aus müssen wir wieder ein Stück zurück Richtung Drachenfels. Es gibt eine verlassene Drachenhöhle. Sie ist zu beiden Richtungen offen. Die Elfen trauen sich nicht in die Nähe der Drachen.“ Ich nickte. Hatte jedoch keine Karte im Kopf. Er schien es zu merken und holte eine aus seiner Tasche. Er reichte mir die Rolle beim Gehen. Sie hatte ungefähr die Größe eines A4 Blattes und zeigte nur einen Teil der Insel.

 

 

Ich verfolgte den Weg auf der Karte mit den Augen. Leider war die obere Beschriftung abgeschnitten worden. Ich vermutete das dort „Zwergengrotte“ stand. Azul lief nun neben mir und zeigte auf der Karte auf eine Kurve Richtung Berge, bevor der Weg einen Bogen um einen hervorstehenden Berg macht.

„Dort führt ein schmaler verwachsener Pfad in die Berge.“ Meinte Azul dazu. Wir hatten also noch ein ganzes Stück weg vor uns. Der Tag wird wohl sehr anstrengend. Ich war trotzdem sehr gespannt auf das, was noch kommt.

 

Tom

 

Wir trafen uns auch diese Nacht wieder auf der Blumenwiese und sie zeigte mir, wie ich mit der Magie umgehen muss. Ich versuchte wieder einen Teil des Energieballs in die andere Hand zu nehmen. Leider gelang es mir auch heute nicht. Nach einigen Übungen und eher bescheidenen Fortschritten setzten wir uns auf die Wiese. Sie sah mich an.

„Du bist unkonzentriert. Was ist los?“ kam es scharf und ungeduldig von ihr und ich sah sie erschrocken an. Doch sie besann sich und seufzte kurz. „Es tut mir leid. Die Zeit im Kerker und die Gespräche mit Risk machen mir zu schaffen.“

„Was will er von dir? Will er wirklich dein Land?“ Sie sah mich auf diese Frage hin merkwürdig an und dann lächelte sie sanft und strich mir kurz über die Brust.

„Ja, so sieht es aus. Er vergleicht unsere Länder. Erklärt mir die Unterschiede und dass es früher wohl mal anders war und etwas geschehen muss. Aber das kann ich nicht beurteilen. Ich kenne es nur so. Ich sage ihm, dass er von mir nichts bekommt. Unser Land gehört uns.“ Ich betrachtete sie. Sie sah mich so ehrlich an. Wie konnte Maik nur an sie zweifeln. Ich verwarf meine Zweifel. Am nächsten Tag würde ich mit ihm reden und ihn überzeugen. Wenn ich sie ihm doch nur zeigen könnte. Wir unterhielten uns weiter und sie erzählte mir von ihrem Reich. Ich fragte sie hierbei, ob sie von der Ankunft der Elfen in diesem Land wusste und wie es so sei als Königin.

„Ja, da weiß jeder in diesem Land. Mein Vater König Serdar kam hierher, als das Volk meinen Großvater den roten König verriet und stürzte.“ Sie seufzte traurig. „Mein Vater suchte hier Zuflucht. Er baute ein neues Reich für die geflüchteten Elfen auf. Den Zauberern gefiel die nicht und sie verschwanden in eure Welt. Die Dämonen hassen uns und trennten unsere Länder mit einer Mauer. Unser Volk lebt im Einklang mit den anderen Völkern hier. Da die Menschen, die hierblieben keine Magie beherrschen, sind sie einfache Arbeiter.“ Sie lächelte kurz. „So hat jeder hier seine Aufgaben.  Wir geben den einfachen Menschen Arbeit und sie kümmern sich darum, dass wir gut leben. Wir Elfen sind ein hochwohlgeborenes Volk. Adlige. Viele halten daher nicht viel von Menschen. Trotzdem leben wir miteinander und alle sind zufrieden. Ich herrsche über ein friedliches Land. Mit Hilfe meines Beraters Damianos versuche ich eine gute Königin zu sein. Mein Vater verstarb leider viel zu früh, so dass Damianos mir alles beibrachte und mich in das königliche Leben einwies. Von den Problemen mit den Waldläufern wusste er sicherlich auch nichts. Ich bin froh, dass du mir diese erzählst. So kann ich diese auch beheben.“ Sie schmiegte sich an mich.

„Wir wollen dich befreien, wissen jedoch nicht, wie wir dahin kommen. Wie du bereits sagtest, gibt es diese Mauer. Wie kommen wir rüber?“ fragte ich nachdenklich und sah zu ihr. Sie überlegte.

„Es gibt vielleicht eine Möglichkeit.“ Sie seufzte. „Ihr könntet über den Himmelsberg gehen. Aber die Engel würden euch nicht einfach durchgehen lassen. Sie sind sehr eitel und akzeptieren nur sich selbst.“

„Iluvia….sie ist ein Engel.“ Ich lächelte und sie sah mich fragend an.

„Wer?“

„Iluvia. Wir haben sie in Calles getroffen. Sie ist eine Freundin von Darragh und lebt mit ihrem Mann dort.“ Doch Eleanora schüttelte den Kopf.

„Wenn dieser Engel wirklich in Calles lebt wird es einen Grund geben. Sonst verlassen sie ihren Berg nie. Diese Wesen halten nicht von anderen.“ Sprach sie eher abfällig. Ich dachte kurz an Iluvia. Anscheinend haben die beiden Völker so ihre Differenzen.

„Doch es gibt eine Möglichkeit…“ begann sie. „Im Kerker von Duende ist einer von ihnen in Gefangenschaft. Damianos erzählte mir, dass sie meinen Vater umgebracht hätte.“ Sie seufzte traurig, und rang mit sich.

„Nun wen sie das tat ist es nur richtig.“ Sie nickte.

„Aber für meine Rettung würde ich sie freilassen und mit euch schicken. Mit ihr könntet ihr den Berg überwinden. Leider kann ich es nicht veranlassen. Duende ist gegen diese Art von Magie gesichert. Ich kann also nicht in Damianos Träume um ihm Bescheid zu geben. Ihr müsstet sie so befreien.“ Ich nickte.

„Das wird sicher schwierig und gefährlich.“ Sie nickte und meinte.

„Ja, man darf euch nicht sehen, nur Elfen dürfen das Schloss betreten. Aber ich kenne einen geheimen Gang. Ich habe mich früher oft dort versteckt.“ Sie lachte kurz auf und erklärte mir den schwierigen Weg. So saßen wir noch lang und redeten.

 

Ein Sonnenstrahl kitzelte auf meiner Nase und weckte mich dadurch. Ich blinzelte kurz und sah mich um. Ich war allein im Zimmer. Anscheinend war Maik bereits nach unten zum Frühstück gegangen. Also stand ich schnell auf, schmiss mir etwas kaltes Wasser aus einer Schüssel ins Gesicht, zog mich an und ging nach unten. Maiks fehlendes Gepäck fiel mir zu dem Zeitpunkt noch nicht auf. Ich sah Darragh, wie er sich über eine Schüssel Suppe beugte und aß, neben ihm saß Iluvia. Sie redete auf Darragh ein und dieser nickte nur hin und wieder. Maik und Azul konnte ich nirgends entdecken. Also ging ich zu ihnen.

„…sie befreien.“ Iluvia verstummt und sah mich an. Ich bekam nur noch das Ende des letzten Satzes mit

„Wo sind die anderen?“ Ich setzte mich zu ihnen und bestellte ebenfalls Suppe.

„Weg.“ Iluvia verschränkte die Arme. „Sie sind gegangen, um ihren eigenen Weg zu finden.“

„Wie meinst du das?“ Ich sah sie vollkommen verwirrt an.

„Sie sind auf den Weg nach Corundo und wollen mit Risk reden. Ich wollte sie aufhalten und bitten gemeinsam zu gehen, aber der Weg sei zu gefährlich.“ Sie seufzte und zuckte dann mit den Schultern. „Wir nehmen einen anderen Weg und treffen sie hoffentlich rechtzeitig an der roten Burg.“

„Die beiden sind völlig verrückt. Der Weg nach Norden ist geschlossen. Sie haben eine Mauer zwischen Drachenfels und Himmelsberg gebaut. Wie wollen sie da durch? Und wie kommen wir nach Corundo?“ Nun sah Darragh auf und Iluvia an. Er kaute noch auf seinem Brot. Mittlerweile kam meine Suppe, doch ich war viel zu gespannt auf Iluvias Antwort. Sie zögerte.

„Naja…Azul kennt einen geheimen Weg. Ich glaube in der Nähe von Drachenfels. Wir könnten über den Himmelsberg, doch ich wurde verbannt. Wir müssten vorher einen anderen Engel finden, der sich für mich bürgt.“ Sie sah uns beide verlegen an und ich fragte mich, was wohl passiert sei, dass man sie verbannte.

„Na kann man hier in Calles nicht einen anderen Engel fragen?“ Fragte Darragh und aß seine Suppe auf. Ich rührte in meiner und dachte an mein Gespräch mit Eleanora.

„Nein, hier gibt es keine, die nicht auch verbannt wurden.“ Iluvia seufzte.

„Es gibt einen in Duende…“ begann ich langsam und rührte in meiner Suppe. Beide sahen mich an. Dann fragte Iluvia.

„Der Wirt hatte so etwas auch angedeutet…doch woher weißt du es?“

„Du hast wieder von ihr geträumt, oder? Hat sie es dir erzählt.“ Auf Darraghs Frage hin nickte ich. Iluvia sah verwirrt zwischen uns hin und her.

„Eleanora, die Elfe besucht mich nachts in meinen Träumen.“ Begann ich erklärend zu Iluvia gewandt. „Sie erzählte mir letzte Nacht von einem Engel im Kerker des Schlosses in Duende und erklärte mir einen Weg hinein. Es ist schwierig und die Elfen halten nichts von Menschen. Sie meinte, dass Menschen hier im Lande nur einfache Arbeiter wären. Ich sei jedoch anders. Ein Magier.“ Ich zuckte mit den Schultern.

„Nun, wenn du Recht hast und sie wäre anders als die anderen Elfen. Nun, wir sollten es versuchen.“ Iluvia lächelte fröhlich und sprang auf. „Also wir treffen uns zur Mittagszeit hier und machen uns auf den Weg nach Duende. Ich muss vorher noch Sachen zusammenpacken.“ Darragh sah auf.

„Du willst uns begleiten? Ist das nicht zu gefährlich?“

„Ach papperlapapp, ich kann sehr gut auf mich aufpassen und kämpfen kann ich auch. Keine Wiederrede. Außerdem ist Azul ebenfalls auf dem Weg nach Corundo.“ Erklärte sie, als wäre es völlig klar. Wir sahen ihr hinterher, als sie den Schrankraum verließ und sahen uns dann an.

„Ob das gut geht?“ fragte ich. Darragh grinste nur.

„Es wird zumindest nicht langweilig."

 

Als die Sonne im Zenit stand standen wir vor der Schanktür und warteten auf Iluvia. Der Markt im Zentrum war voller Leben. Elfen, Menschen, Zwerge und viele mehr feilschten um die Waren, unterhielten sich oder versuchten einfach nur hindurchzukommen. Auch die Schänke schien ein beliebtes Ziel zu sein. Die Tür schwang oft auf und die Leute gingen ein und aus. Wir hatten uns rechts von der Tür positioniert und klebten fast an der Wand, um niemanden zu behindern. Als wir schon allein losgehen wollten, nur um von diesem vollen Ort wegzukommen hörten wir die Rufe einer bekannten Stimme. Wir drehten uns in Richtung Markt und sahen, wie Iluvia sich durch die Massen zwängte, andere wegschubste und sogar über einen besonders kleinen Zwerg rüber sprang. Sie schrie anscheinend aus vollen Lungen, denn viele drehten sich erschrocken um. Die weggeschubsten und auch der Zwerg schienen sie zu beschimpfen, sahen ziemlich wütend aus und hoben sogar die Faust. Hin und wieder rief Iluvia eine Entschuldigung. Wahrscheinlich versehentlich eben so laut, wie die Rufe zu uns. Bei uns angekommen, atmete sie kurz durch. Ihr blauer Umhang hing schief über ihre Schultern und nur ihre große braune Tasche schienen ihn noch halbwegs an Ort und Stelle zu halten. Ein Teil des Umhangs und ihres blauen Rockes hielt sie krampfhaft in den Händen. Ich vermute, sie hatte ihn angehoben um besser rennen oder besser, sich durchdrängeln zu können. Als sie langsam zur ruhe kam ließ sie den Stoff los und ordnete sich.

„Es tut mir so leid. Ich wollte schon früher aufbrechen, aber dann hielt mich unsere Nachbarin, Emma, auf. Sie dachte doch tatsächlich mir wäre der Mann davongelaufen und ich würde ihn zurückholen wollen.“ Sie lachte. „Emma hatte schon immer ein Auge auf Azul geworfen und hasst mich deshalb.“ Darragh und ich sahen uns kurz verwirrt an, dann meinte er.

„Wir sollten nun langsam los. Wenn wir auf dem Weg bleiben, uns beeilen und noch nach Sonnenuntergang weitergehen, könnten wir noch das Gasthaus erreichen und uns da wenigstens eine Weile ausruhen. Die Händler brauchen im allgemeinen eine Tagereise.“ Mit diesen Worten marschierte er los. Wir nahmen den gleichen Weg aus der Stadt hinaus, wie wir hineinkamen. Mit der Ausnahme, dass wir den Markt umrundeten, anstatt hindurch zu laufen. Trotzdem mussten wir oft Wagen ausweichen und uns durch die Menge drängeln. Ich war noch nie ein großer Fan von großen Menschenansammlungen. Auch wenn er sich hier nicht immer um Menschen handelte, war es nicht angenehmer. Als wir endlich die Straße erreichten, die aus Calles hinausführte, konnte ich zumindest ein bisschen durchatmeten. Dabei fiel mir auf, dass Iluvia und Darragh ebenfalls genervt von den Massen schienen.

„Ist es hier immer so voll?“ versuchte ich ein Gespräch zu beginnen. Erst bekam ich keine Antwort. Als ich Iluvia jedoch direkt ansah, schreckte sie auf und sah mich an.

„Äh…Naja. Eigentlich nicht ganz so voll. Aber durch das Wetter und die erste Ernte, kommen viele vom Land und den anderen Städten.“ Sie lächelte und schien sich ebenfalls zu entspannen.

„Mir wäre das hier nichts auf Dauer. Da ziehe ich den Wald und die freie Bewegung vor.“ Grummelte Darragh. Iluvia lachte kurz.

„Die Massen sieht man eigentlich nur hier auf der Südstraße und auf dem Markt. Da der Weg nach Nord-Osten Richtung Corundo gesperrt ist und der Weg nach Westen fast ausschließlich von Zwergen genutzt wird, ist es dort viel ruhiger. Und ich muss es wissen, denn ich wohne in diesem Bezirk.“ Ich sah sie an. Ich kannte hier ja nur die bunten prächtigen Häuser der Elfen und die einfachen Grauen der Menschen. Bis zur anderen Seite der Stadt kamen wir leider nicht.

„Wie viele Bezirke hat diese Stadt?“ fragte ich sie und wich dabei einen dieser Steinböcke aus, der von einem Zwerg geführt wurde, aus.

„Nun, ich würde sagen, man könnte die Stadt grob in vier Bezirke einteilen. Einer davon ist der Markt. Er steht im Zentrum der Stadt und ist relativ rund angelegt. Der Rest ist in drei, fast gleich große, Teile aufgeteilt.“ Iluvia zeigte rechts auf die eleganten bunten Häuser. „Callar, der Bezirk der Elfen. Nur Elfen direkt, die Bediensteten, meist Menschen und Wesen mit Genehmigung dürfen den Bezirk betreten. Azul hat eine solche Genehmigung, er bietet Unterricht in Schwertkunst an. Er eint, es sei ihm zu bunt dort, zu ordentlich. Alles sei akkurat gepflegt. Die Elfen seien wohl auch sehr eingebildet.“ Iluvia zuckte mit den Schultern, sie schien kein Interesse an den Bezirk zu haben. Mich erinnerte da ein wenig an Villenviertel mit den Reichen und Schönen bei uns. Vielleicht auch an Adlige aus vergangenen Zeiten.

„Die meisten Elfen halten sich für etwas Besseres. Sie glauben sogar, der Wald gehöre ihnen.“ Gab Darragh kurz dazu. „Ich hoffe, dass wir nach der Rettung dieser Elfe unseren Wald zurückbekommen.“ Ich nickte zuversichtlich.

„Die hat es mir versprochen. Ich glaube ihr.“ Dann fuhr Iluvia mit ihren Erklärungen fort.

„Links von uns befindet sich der Bezirk Wetera. Man könnte es auch als ein Armenviertel Bezeichnen. Er wird hauptsächlich von Menschen bewohnt. Laut der Geschichte der Stadt wurden die Menschen, die nicht flohen in den Bezirk verbannt und verloren alle Rechte und Besitz. Mittlerweile sind die Menschen hier Bedienstete oder einfache Händler und Handwerker. Viele flohen damals aufs Land und wurden Bauern. Der letzte Bezirk befindet sich zwischen den Straßen nach Nord-Osten und Westen, Junto. Dort wohnen zu viele verschiedene Rassen. Menschen, die sich ein Gewerbe aufbauen konnten, Zwerge, die hier handeln und ähnliches. Und natürlich Verbannte wie ich.“ Sie sagte es so unbeschwert. Ich fragte mich, was passiert sei, traute mich jedoch nicht. Wir verließen die Stadt. Direkt am Tor gabelte sich der Weg. Beim Betreten der Stadt habe ich das gar nicht so wahrgenommen. Wir hielten uns rechts und gingen, laut Darragh Richtung Süd-Osten. Nach einer Weile fiel mir auf, dass kaum jemand diesen Weg nutzte. Vereinzelt ein paar Elfen auf Einhörnern, aber auch die ließen bald nach. Die Straße war ebenfalls befestigt und wurde anscheinend gut gepflegt. Links und rechts davon standen vereinzelt Bäume, ansonsten weite Grasflächen mit Wildblumen. Die Sonne wärmte uns und es war keine Wolke am Himmel zu sehen. So begann unser Weg nach Duende.

Kapitel 6: Der Engel in Duende

Maik

 

Azul lief recht schnell und schweigend. Ich hatte ein paar Mal versucht ein Gespräch zu beginnen, bekam jedoch nur kurze Antworten. Mittlerweile stand die Sonne hoch am Himmel und mein Magen begann zu knurren. Azul schien es gemerkt zu haben und sah mich an.

„Wir machen hier eine Pause und Essen etwas.“ Erleichtert hielt ich an und sah mich um. Rechts von mir ragten Graue und grüne Berge in die Höhe. Etwas entfernt konnte ich sogar weiße Spitzen erkennen, da der Tag Sonnig und Wolkenlos war. Links von mir konnte ich die äußeren Ausläufer des Waldes hinter den Feldern sehen. Der Weg war mittlerweile sehr hügelig geworden und wir hatten gerade einen kleinen aufstieg hinter uns gebracht. Azul ließ sich rechts auf einen großen Felsen nieder und trank einen Schluck aus seiner Flasche. Ich setzte mich schnell zu ihm und holte etwas Brot und trockenes Fleisch hervor. Ich genoss mein Mittagessen und legte sie schmerzenden Füße hoch. Man, ich war solche Märsche echt nicht gewöhnt. Als ich die Reste meines Essens wieder wegpackte, versuchte ich es noch mal.

„Sag mal, wie kommt’s, dass du aussiehst wie n Mensch? Ist das hier so? Ich dachte immer Dämonen sehen gruselig aus.“ Lachte ich. Azul sah mich an.

„Die Erscheinung ist nur eine Illusion. Außerhalb unseres Reiches nutzen wir gern Menschenähnliche Gestalten, so erschrecken wir niemanden.“

„Also heißt das, wenn wa drüben sind sehen die alle gruselig aus?“ Azul grinste mich finster an und ich bekam Gänsehaut.

„Keine Sorge, wir sind im Allgemeinen friedliche Wesen.“ Ich schluckte und hoffte, dass er recht behielt. Nach einer kleinen Pause, machten wir uns wieder auf den Weg.

 

Tom

 

 

Impressum

Texte: Lillian Dion
Bildmaterialien: Lillian Dion
Tag der Veröffentlichung: 01.06.2016

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meinen Schatzi, den liebsten Drachen der Welt und meiner lieben Kollegin Chrissy, die mich immer wieder antreibt weiterzuschreiben. :-)

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