konrad bohara
atelier gryczan
LEUTE DES MEERES
versammelte lyrik
"... und das es tore zum meer gibt,
die mit worten
sich öffnen lassen."
RAFAEL ALBERTI
(DER ENGEL DER WEINKELLER)
DAS TRUNKENE MEER
"süß ists, zu irren
in heiliger wildnis..." F:HÖLDERLIN
"TINIAN"
und dieses schiff ist hier
zu erbaun noch, kaum ahnt es selbst
das es wird, und 's ist! tief
in die augen der gieren chimäre
von bergherz zu bergherz
gerissener wind, der
sich dreht. ich
werd' nicht eher ruhn, bis es steht, gewalkt
und in's lichtgehärtete wasser getrieben,
blutvolle stirne der nacht, die mich trägt:
rote wässer über dem weißglut-
blühenden ast roher seele. o, sie droht
und schäumt über - geburtenrührende
ohnmacht geborstener frucht
unter dem trunkenen ast
hoher wacht. was
sag ich, rimbaud, hier dieser stille,
gediegenes herz, und die städte -
orte für gras, das glüht dem himmel
seine wurzel wund, engel-
stürze bedeckend und wege
der sieben, sieben auf sieben,
gehörnt wie das licht -
schwarzer hirsch auf steinerner woge,
erdgericht haltend im gedräu
roher see, die walkend unsterne lischt
oder lippen schäumt im absud
scharlachfarbener milche der sonne.
abgründige zähne schlagen perl-
grüne wunden ins fleisch auch
drohender wunder am berghang
der acht. so
sag ich, rimbaud, und sag
schönheit der leuchtende ast
auf der lauer, aus dem
dieses boot hier
sich macht; und singen
soll er der fahrt ein "hinaus!"
durch das bergherz getriebener
atem des gotts, der die steine
beschwert und den städten menschen-
kerne aus den eisenhirnen klaubt,
sie hinaus in die wildnis
seiner gärten zu streuen,
denen die göttin ihr licht
in das fleisch tönender früchte
geschlagen - blitz-
gefüllte oder giere nester
goldner töne auch
der im gewitter sich wiegenden vögel.
ach, schlüg' es uns sich endlich ein!
glühende trommel, die in sich selbst
tänze reift, einen flutenmenschen
zu tanzen, oder das meer
in der trommel, von fischen durchglüht
wie von tönenden toten.
o gestampf der wiedergeburten.
o tritte treidelnder nacht.
o rimbaud -
trommelsand auf trommelsand, süß-
gedörn in die augen, streu es
heraus, fluchwilder wind!
fluche im rhythmus spukender steine,
die kein meer wäscht.
die hölle zu erlösen
rufe ich den priesterlichen ozean
auch deiner getösehallenden seele
vom berghang herab,
wo sie neuer steine adern tränkt,
oder vögel den leuten vom boot
durch die brüste zu stechen -
große fahrt großer sonne größern worts...
o harn-durchs-hirn treibender schnaps,
dein zorniger saft! sähst heute du
die weißen, die herrlich sonst,
die erleuchtung biegenden schwäne -
du sähest sie grau, und im abschaum
sich wendend lichtloser drift -,
und kein meer das sie riefe,
nur - eine die blätter der bäume
walkende hochflut des weiß' toter milch.
* * *
aachen, 23.mai ’993
REFUGIUM REBUS
*
soviel welt ist gewesen...
einmal wird das auge satt, nährt
die trommel lichts. so erwarte ich
eine zeit hoher lichter, denn -
diese grunde, zeitgezündet und
orangengefüllt, diese gräben
vor dem abhang der welt - wozu nur!
wozu nur der fuß blinder sonne
auf den treppen der louvres - blutfuß
der sonne, welche die städte bespringt,
ihnen wütend ein bergherz
in die brüste zu pressen!
und das meer hier,
hingehaltne wässer voll blau-
stroh, wozu nur ein meer noch!
- über die lippe des dichters gebogen,
fieberdünstende sude an die ufer
zu schlagen... die nägel der regen,
wozu nur...
die niederen lichter...
ganze völker von inseln -
wozu nur! - in bibliotheken zu pressen,
klugheit die das feuer lischt mit stroh...
oh dickicht der sonne! gottgenährte aschen -
der welt auf die stirn...
*
die lichter erlöschen; wo einst
horizonte gewesen stehn kartons
voller himmel, regenbogenverwesen...
noch aber habe ich brote,
zu essen; und philosophien
voll schierlings! die augen
geschlossen, jeder absicht
zuvor, meistere ich rätsel,
die zuflucht der wesen.
*
so abseitig war der dichter
noch nie. so im wider-
bruch stehend, so langsam,
daß er nun im verschweigen
noch feuer gebiert:
"ich widerrufe die welt."
*
ich stand auf steinen voll meers
sternwiegend trugen wellen
herbe ufer aus in den sand
da barst die ozeanische zitrone
so glücklich und grau oder grün
an den randen aus schaum
das die augen bilder brechen
aus lichtern wie wunder
***
november ’993
LIEDER,
IM RÜCKEN DER SONNE
ZU SINGEN
I
was sage ich dir angesichts
dieses meeres, welches wahrlich
zischt und grinst und greuel drischt
an die ufer, wenn sich wundersame lichtfiguren
in dein steingerippe höhlen? was sage ich...? - geh, seh' und
berühr mich mit den händen feuchten sands, wenn du willst auch
mit zähnen aus sterngischt, aber nimms wahr! es ist wahrlich das meer
und die helle die aufgärt, das in den wind sich wirbelnde licht
unter wellen die brennen... und - deine spuren erlöschen,
die dünung, sehr ernst, spricht das urteil aus
in die tiefe erneueter schmerzen:
du bist nicht mehr
das dunkle wesen!
leuchtender bist du,
ein wirklich störrischer tanz unterm salz
lichtgeworfelter sonne, die nicht des tages
gestirn ist sondern tierlicht... EYA!
die wonne, dich zu berühren ist
der sonne wahn unter der hebe
des meeres, das betrunken engel
aus den höhen schlägt, sich
aufzurühren, zu dehnen, zu singen, wovon sonst niemand mehr singt...
* * *
september ’995
BILDER VOM ALTEN MEER
1978-1982
1
prohner niederungen
den fluß auf den lippen -
ich spreche mit mir ... -
kraniche steigen; ich seh in ihrem flug
die karawane ziehn; in ihrem schrei
der einzige nil, höre ich hin... -
die furchtbarste wolke höre ich
zischen, nur wenige handbreit
von meiner seele entfernt,
dunkel, dunkel, tief,
den himmel zu schürfen, - höre ich
asien... die erde, gepflügt, wirft
die letzten sterne aus, möwen steigen
schrill und fallen in den eigenen schrei,
zerstören mein sternbild, zerreißen's
weißer schärfe der flügel, tragen
würmerleben zum himmel hinaus,
über die rande des tages: täuschung
und trug der sich träumt
ohne bild, eigensüchtige muskeln
zu zeugen...
kügelchen des meeres,
grün-opak wie träumeeier finde ich
auf meinem weg, der schier
nach nirgend führt, oder
ins meer.
2
hiddensee
farben die einander tragen
hat das meer, gelbrotgrünund-
blau trunkner garten, lichtes
wagen auch von schwarz-sehr-
weiß-sehr, das gold
zu ertragen
tief
unter dem meer ... ein wildes tier
auf den schultern gehe ich
schwimmen der see, mein haar
wie immer voll nüsse
und traumkraut: dunkelfarben, windaus-
gerissen, - dunkelwind, der
sich in mich schlägt,
sein raubherz zu wärmen... nur
den blaumist der träume
läßt er zurück - durch den
muß ich stapfen, wildwilde vögel
um neue wege zu fragen...
3
erhebung des meeres
(prora 1982)
so gebt ihm doch endlich
ein nest, den schrecklichen schaum,
tänzerinnen des irrsinns
und fliegen genug auch!
das es belle, das meer,
graue arme des grauens
um die schultern der sonne
zu schlingen... offne ader
ist himmel, trübe bühne
des zitterns die luft,
nackt' gewimmel trübsinniger engel...
fiebernd glüht das licht hinaus
in eine asche von klängen
aus der zimbel der sonne -:
wilde liturgie romantischer brände
in den sinkenden zimmern
überfluteter stadt...
totenscheinpapiere, unausgefüllt,
bedecken die see, unendlich viele
benutzte servietten vom gelage
undenklicher tiere und götter...
...so gebt ihm doch endlich ein nest,
diesem meer, welches schlimmer
denn je greint, fleht und zittert, dunkel
felsen kauend, gerüste, motoren...!
polizistenweiber breiten rote linnen
in den sand verkommener ufer,
hehre fahnen der vergeblichkeit...
nirgend schatten, nirgend nägel, nirgend
ein schwamm für den essig... irgend
eine kreuzigung -, brot, pistolen,
lilienköpfe... da! ein riß
durchs blatt querüber -
der sich irrende blitz...
eiserne hüften... füße des sterns...
atmende krücken... hahnenköpfe...
- das ganze meer in der pfanne...
***
(aufgearbeitet in den jahren ’995 - ’997)
WALE
EIN NEUES MEER! die wale
weinen das meer, sie weinen es
neu sich und
frei
von gesottenen eisen
im mondenen brei -, ich
höre es träumen,
leicht wie von schäumen
der sonne gewonnen, licht-
tönend worte - fernen märchen entbrochen und
menschfremd, wie
im gipfel der himmel
gewogen,
in der wildnis
glühender inseln, wohin nicht
dein traum hinan-
reicht, nicht
mein traum... - gott-
rufen ähnlich hör'
auf noch wildren notenlinien ich wale
neue schlüssel suchen für noten - gesangwässer-
breitende musik un-
denkbarer tiefen,
von geheiligten leibern
durchglüht wie
von dröhnend ungetümen kometen
aus dem innern der trommel galaktischer tiefe...
- so ist die welt sich selbst
fremd zuweil, wenn
aus des leviathans augen
neue ahnungen quer durch die herzen
von menschen landschaften glühn und es auf-
brennt durch stirnen wie
nägel der sonne
zum heil... furcht
muß sich breiten, menschen-
kerne zu weichen, fluten-
menschen zu weiten: hohe warte
der erlösten gesichte - wie,
da die sonne mir
aus dem meer steigt, seetang-
geschmückt, muränenruch breitend oder
paradiesfieberzoten schleudernd
zum himmel, daß wolken uns
blitzspaltend aufgehn
der zeit -, und es regnet, das erstemal gott-
licht ins meer, weinend erneuert
von un-tiern - dies'
älteste schulden der götter
in menschen nun
tilgende meer.
***
april 1994
"usflus"
wortewellen
für meister eckehart
SUD 1
der himmel
stob
auf,
O
!
wahnsinniges auge!
meer
an der breite der stille, die ein-
stürzt, sonnenmehlbadend! woher die worte kommen,
ist der atem leer, ein turm verlorener morgen -
richterliche sonne, greif endlich ein! und wer
beschränkt das wirkliche denn
dieser früh'?
hier!
hier ist das meer! und der schlag gärigen herzens
voll sande, geilen rüchen ausgesetzt, im berstenden wind!
als wenn die seele einem amboß gliche, schlägt er sich ein
- lippe auf lippe fallender stein oder fallender stern
im meeresgerippe: auf auf! auf in die herbe, ausgesogene welt!
hier!
hier bricht das meer dem morgen die kruppe! wirklich,
das meer! und es gleicht seiner ferne und seine ferne
ist stirn ihm und waffe ist dieser stirn jedwede welle.
und herrscht die sonne endlich auf, der habsucht
entglitten, dem tod - wo! wo liegt die grenze da
des meers, wenn mir nicht,
mir
in der mitte!
rausche auf!
priesterlicher ozean, rausch auf, mir
die seelenknochen zu brechen, rausche hin
durch meinen mund, der raum genug
dem möwenflug ist und
dem himmel
ein stein!
rausche auf hohes meer stiller stirn -
berühre den grashalm und erleuchte die flamme, die den widerstand nährt
der orakel; widerstand sei dein wort und dein rausch mir grad recht,
gerade genug, das gesicht zu entfachen paradiesischer fieber...
(sommerende ’992)
GRÜNDLICHE SONNE
(oder -
VON DER ERLÖSUNG
DER HÖLLE )
den himmel sah ich, verkehrtherum auf einer fläche wasser liegen - lichtsammelnd -:
das ugetüm der see, ein ungeheures sausen der sonne, ein kaltes glühen des winds, der
mich auflud mit worten; sand-berstend knochengerüsteter wind, schattenjäger
im untersten ring frühlichtglühender hölle... ach! zotiger frühling, jetzt,
in diesem nu -
erlöst wird die hölle, meinen worten zu grünen, ihnen kerne zu setzen,
des unbetretenen tags helle.
*
o gründliche sonne! treibe sie der tiefe auf, breche du ihre knochen der seele,
flutenmenschen zu zünden
***
(boggerstranda, august ’995)
LEUTE DES MEERES
__________________________
(nach dem hören einer musik
von allan petterson)
I
von anderen ufern versammelt
als jenen, die von licht gebeugt
zum innern des meeres
gewundenen sinns aufgehn
den ländern einer furchtbaren sonne,
stehen im mondlicht die leute
des meeres, lichtkupferhäutig
und aufrecht -, waffenkundige winde
stützen die front ihrer schilde, stirnen
im frost hoher acht an der licht-
gewölbten hebe der seele. noch
singt kein kind dem sturz hier
des lichtes entgegen, dem trommelschlag nach
dieser nacht schwarzer sande; aber
es stehen auf wacht noch un-
betretenen tages die erwählten
der seele. schau an sie -:
der sie macht hält auf
diese ufer, ein reines gewebe
der lehre seiner unhinterfragbaren
rast diesen orts hier zu lösen -
daß sie es auf-einmal auch
wissen, das trauen, die nahrung
der lichtsee, in ufern des schlafs
über den traum hin, den eignen:
sterne zu essen im tag - traumüber
der unendlichen insel, dies' ufer
unserer entscheidung...
II
ein herrlicher tag wird
uns zählen, ihnen zu
werden wir gereiht - wilder ufer
und stunden, die genährt sind
vom gute der götter; strahlen werden wir
weiser lehre geduld, worte, von händen
der kinder angerührte namen, die atmen
und träumen und unzählbares nennen -:
jenem, die leute des meeres spiegelnden
himmel entgegen, dem meer zu,
seinem widerborstigen singen...
III
und - wie ein meer
das gedicht: unwägbarer worte, ort
tiefer fracht, wo wie boote
hinfahrn die namen, tief
wie fische, wortewesen
die schwimmen über aufgerührten grunden
im licht feister blumen, unter schlingendem tang,
seelenhefegenährte wasserbäume entlang
tief zum abgrund oder der höhe hinauf
singender sonnen, wellen gebrochenen lichts,
- des albatros schrei zu empfangen,
der harpyien ruf, der seeadler pfiff,
den genauen, der die träume zurück-
ruft im sturz, der krallen schnellenden griff
in die fleische der beute zu kämmen,
die alle abgründe kennt.
(sept. ’994 bis ende ’996)
L E H R G E D I C H T
VOM MEERE
der aber das meer nicht besitzt,
wird vom meer nicht getragen,
fällt ab, wie der grundlose stein
in die leere unsinniger tiefen -,
dort ist er zwar dem meer noch
versprochen, jedoch dem netz wohl
gnadenlosen sternbilds auch -: ja,
dem gehört er nun ganz dann, immer
im grunde zu wühlen eigenen todes
geht er im licht auf sich selbst
fremden sterns, dem kein ufer mehr
noch rhythmen schlägt - meerelos
gehn über ihn hinweg dann die flüge,
stillren rufs als alle stillen still sind
überlegener zungen im himmel...
*
hoch, ja hoch schlägt das meer
seine rhythmen, hochhinaus einen tag
neu zu bilden wilderer musik,
weiserer töne, glück zu träumen
im glück -: diesen tag wohl
muß es geben, ich seh ihn ja in tönen
schweben der see, - der ich vom meere
lebe in mir -. unberührbaren orts
meiner seele. dort lebt fort das marechyn
paredeysgefiedert schön. nichts und niemand je
trieb fort mich dem garten - wie wohl
eine sage geht -: nicht mir so! nicht so
mein gesicht! - vom lebensbaume aß ich
dieser stelle des gedichts. ein kind noch schier
erlösten worts. ich hob mich auf des lichts
erlösenden orts - und: ich kenne nun die leute
vom meere, denen dies und reiflich mehr
gelingen wird, als alle bibeln versprochen...
*
dort bin ein kind ich, vage bebend
von licht noch, und ich sehe mit den tieren
in das erstgewonnene licht der gesichte
unendlicher insel im meer, das nur hier
noch priesterlich dröhnt, seiner tiefe aus
unendliche lieder, die der welt uns auch
verlorene sind, verboten, abgetan, ferner sonne
zugekehrt der versehrung... ich aber gehe
zu den leuten vom meere, die vergangen
zukünftig sind inmitt' dieser welt,
die sich selbst lischt - ahnt sie doch nicht,
wie fest dieser fels, der weiseste stein
mitten der singenden see und unhintergehbarer
ehre gesicht ist -, wie sehr am ziel
die vögel weinen, die engel, das licht -
und jede gottheit der tränen das meer
weint über jenen, die fehlen... die welt aber
ahnt nicht, wie sehr die bibeln ihrer sage
schweigen, des orts hier stürmisch bekehrt:
erste frühe ersten tages äußersten lichtes,
das nur sich selbst nährt...
*
nein, die offenbarungen nicht, nicht mehr
gelten hie die weisesten lehren
zerlöschender welt - welchen triumphes wahn
in ihnen gärt -: diesen ufers erhabener bann
hält sie auf, die wirrsinnshände ohne zahl;
der göttliche trug wird den trug der männer
aller städte entsetzen -: strandgut dann
wird schicksal sein des abendlands seele -
von den wellen aufs geripp zernagt wird sie
leer sein, ort der lehre unendlicher insel.
und es wird, aufs gerippe zernagt, unser meer
die knochen der seele neu richten, und die mär
der vertreibung, samt gefolge der chimären, wird
auf den wundsten rest noch zum grunde verbracht,
wurzeln der wunder zu nähren.
***
kennst du nicht die strenge ungewißheit
des meeres, so kennst du nicht das hohe
muß gestrenger himmel, welches auftönt
in dir, wie aufgeht das meer reifer klänge,
uralt, musik erster welt deiner seele -
hör hin dort, wie es dich aufrührt,tief
deiner haut die windrührung singend,
- der gott ist in dir.
_________________________________________
fasse die steine unfassbarer form an - wie
keine welle je die fassungslos kehrende
form freigibt des lichtes der himmel im auf-
oder absturz: schattenentblößend entblößt sie
das licht, sich in die folge der wogen zu kehren...
________________________________________
12.-23.juli ’997
(auf rügen geschrieben)
__________________
"daz oberste wipfelin"
stille messe am meer
(für meister eckehart)
-es zittern in ihrem verborgensten leben die welten. -KLOPSTOCK
am meer reift aus
das licht - gelbes ei: die ufer
gebogen der see... du mußt dir
die wässer wildrer denken
als einen flügelschlagenden hof
verrückter hühner - da
schmerzen die augen, wachsen
hinaus, verästelung breitend,
blatlos und still -.
er ruft das licht, fühlt
die haut insgesamt,
besonders aber, wie sie endet
in lippen, und ausgeht -
worteverhangenes licht
ist sein atem, gegen
die sonne gestellt
die sich dreht, wie
einer, dem fieberdröhnend
der kopf übergeht
und nicht diesen schaum mehr
zurückzuhalten vermag - den traum-
schaum am gipfel der nacht auch
am tage.du weißt, dies
mußt du, bevor es
dich mißt, einmal
erlebt haben: es geht einem da
wirklich ein bissiger gott durch die haut
in die weichen, und wälzt dich um
und um. und wie dies meer
wirbelt unstillbar ein untres dir
etwas wie ein zum stein
geronnenes licht hoch: du
schmeckst es - da aber
flattert über dich her schon
ein paar wildrer flügel
aus stein: so erklingen die
zwischen die steine
geratenen sterne, wie
in einem winde aus wein: sehr genaue
orgeltoccaten der ferne, und tiefere feuer, die
über die töneneden wellen gelagerte horizonten-
gewißhheit der augen.
er hörts in ihm selbst,
das dröhnende lichtfleisch
der trommel, von dem der gott ißt,
aufständische herzen zu nähren - denn:
ein aufstand muß begonnen werden.
weissagungen darüber gibt es genügend
und zorn, der aus der nackten maske
tönt erleuchteter lippe.
seinen händen längst
ist es geschehn, da sie
herzen in den früchten
gelbe rhythmen schlagen fühlten
des frühlichts, - blutgewaschen
in den wunden der wunder, wie
sie die sonne, die schwarze,
dem sand schlägt - immer
im aufgang der zeit, immer
im aufruhr, wie in mir, hier,
dieser anruf des lichts
den noch zu betretenden tag
gott-inne-hält, traum-
außerhalb meiner seele...
*
aprill ’994
VORAHNUNGEN
(die andere sintflut)
nach dem anhören einer musik von GIACINTO SCELSI: "vorahnungen"
so mich das meer eines nachts überfiele,
ein stilleres meer, weiß ich, wär' es, - ein meer,
ungleich dem meer, das ich kannt' als ein meer
singender wellen und winde, gesänge der sonne
spiegelnde see, dröhnend von himmel
und sternbild. - und es wäre wohl, denke ich,
wie ein gewitter dem tauben durch haut fährt
und bein; oder die bildflut dem blinden
durchs gesicht in die brust wie ein sturm;
wohl auch wie, der worte übervoll, dem stummen
das herz durch die stirne und hand brechen will,
unhörbar, der wortsturz... solch ein meer
wärs, über mich kommend im sturz
wüsten schweigens, wie ein verbitterter scherge
vom himmel, düstrer horizonte herr,
weißer stimme, ohne klang noch auch
einer ahnung von tönen, ein meer
verschwiegener träume, ohne sonnlicht,
tang, korall; ein meer harter münder,
kirschenfarben zwar, doch ohne gefühl,
ein meer ohne zeitlauf, doch bereit,
meine zeit zu verderben, ihr den garaus
zu machen, todlicht zu breiten...
und in seinem innern sähe ich
die scherben vergangener welt,
gottlichttrümmer, und zerrissen -
die ehmals klingenden flüge
cherubimischer schwimmer... ich sähe
mich selbst in dem meer, wie
in der glocke den klöppel -
doch wär ich ertrunken.
(heiligengrabe, 17.märz ’997)
DIE WIEGENLIEDER DER SEE
(bevölkerung der
freude)
I
EYA!
die zuochunft
wird keine kraft-
fahrzeuge mehr kennen,
wird einhergehn,
stiller wandel sein
unter zischenden sternen
über kreischenden steinen...
ZUOCHUNFT
wird
mit sternen werfen und über den zelten uns
herztomahawks neuer flüge erzwingen
apokalyptisches klöppeln neuer gewebe
am himmel, sternbild in sternbild gereiht
wirre engel...
...ein verbiestertes weibstück, wird
die zuochunft sich mit vulkanischen glocken
bewaffnen, mit steinflugtrommeln in lichtmist -
die dröhnen uns die seele leer! - bühne
dem tanz in der frische der luft, sie
über die ausgeklügelte erde zu jagen!
WILDWUCHS! WILDWUCHS!
darin hirnfrüchte
bersten -
unbekannten freuden entgegen,
sie zu bevölkern, die aufschlagend bebende
stirnflut der zuochunft...
_____________
sommer ’995
ALS GINGE ES UM MICH...
immer wenn ich komme belebt sich
das meer, als ginge es
um mich - ufer äsend
dringt es vor, mich
mit den wellen zu heben
in sich, seiner tiefe hinaus
mich zu reißen
in fetzen - die glühen
wie ein zerrißenes sternbild.
02.o8.’998
in kerhilio
DER SIEG
nun stehen wir beschämt über
der groß hier besiegten und sehen,
nirgendwo war gefahr, außer
in unserem sieg; die uns nun
gegen-über ist arglos
bis in das wildeste tier,
und bleibt uns gegen uns
ein menetekel,
das in uns allein
zu lesen wär, hätten wir wirklich
augen, ein herz wo, noch geist, tief,
wie zur zeit, da in aufgerichtet
wuchtigen steinen sich
lebendiges träumte
zu uns hin.
30.07.’998
in kerhilio
(nach ansicht einiger menhire)
TIEFER MOND
und so tief liegt der mond
auf dem meer, daß es schmerzt,
ihn so leidend beten zu sehen,
auf knien, die zu bluten
nicht vermögen, in dieser kühle
vorenthaltenen schnees -
und der worte harsche schnitte,
die aus dem wind mir
durch das gesicht gehn, ihm
neu die kontur einzuritzen,
sie fühle ich wahrlich
und tief und wie den schrei
windausgebrochener möwe.
- und zu beten ist not,
so der mond von dingen weiß,
die in herbe wetter uns hetzen,
unsern zelten hinaus, die zerfetzen
und voller sternsand geweht sind,
während wir schliefen in erdfremder nacht.
ES IST SO STILL
es ist so still im garten hier
am meer, daß ich mich wundre
zu leben unter all diesen dingen,
die tot sind, auch's meer ist weiß
und schweigt, auch die flüge tragen
nichts mehr, keine vögel oder sonst
einen stein mit eigener stimme -: die
den gott offenbart, der hier aus-zog,
sich andernorts zu verjüngen. -
ich kehre mich fort drum, dem weg
seiner fährte zu folgen und sehe,
daß nur meine spuren es sind,
die hier ein oder aus führn -.
ich weiß nicht, soll gehn ich,
oder sollte ich bleiben?
es ist ja beinah' einerlei -,
schon auch beginnt das meer
sich zu regen. früchte
fallen in die schale
am fuße des leuchtenden baums; vögel
zittern hinauf durch die luft frischer brise,
und das grün der ganzen welt
kehrt ein. - mein echo des staunenden ausrufs
bricht am fliegenden stein, den
vor einer zeit ich warf, da
war ich jünger als gott noch.
am 01.08.’998
bei carnac
CARNAC
mit welch geheimen trotz gegen die zeit
stehn hier die steine auf, wie bettel
des todes, ausgereift in die sonne,
steinwissend grau, oder blau, -
tiefre blauhärte übend in nächten,
die brennen distelglut sich ein
für den aufruhr, der im tod
begonnen werden muß:
in die zelte zu brechen
verwunschene krieger,
von bergen berufen
der inneren sonne.
so zeitlose sprache
sprechen hier noch
die ufer, daß verwundet
das meer herbe worte mir
um die sternfüße schlägt,
schwarzer woge der sonne,
welche tief geborgen
ihre nackten rhythmen glüht.
- das verlorene herz eines gottes,
dessen tage unbetreten gehn
durch die leere der sonne...
priesterlicher ozean! was
verbirgst du dir mitten -
welch geheime lehre
unhintergehbarer zeit ? - hier
stünd RIMBAUD wohl reiner auf,
o amergins würde! höherer weisheit betraut,
und belehrte die seele trunkener fahrt auch
hinter die meere - feuchte sonne,
grüne sonne, steingeburten der götter
unter fischschwärme setzend -:
die zuochunft belehrend - traumhinaus,
unendliche insel der seele.
august ’993
november ’995
DIE LIEDER STERBEN...
die lieder sterben mir aus dem gesicht
in die nacht, hinfort, in das sternbild
der gebrochenen phorminx, von der
kein ton mehr klagt trüber feier
fahriger götter, fahl und entlarvt -
voll der angst, unter menschen gehen
zu müßen, ihnen die knochen der seele
zu brechen, zu richten, zu glühen...
doch! - ihr müßt! müßt wie die geier
zischend im aas wühln, in fäulnis
der gier, der beklemmung, der feigheit
und eiteler zier; müßt durch die därme
euch würgen, irgend den herzkern dort
verloren zu fühlen, die letzten reste
vergangenen fests, da noch wir zu tisch
gebeten waren - und aßen vom brot
unhinterfragbarer göttinnengötter.
kerhilio
30.07.’999
DUNKLER AUFGANG
dunkler aufgang - müde steht die nacht
in mir erdfremder tiere, von welchen
ich träumte - mit flügeln,
die sanft wehn, vorüber an mir
unter schwitzendem zelt, dessen tuch,
wie mein herz, von winden schlägt,
wo in der welt dieser krieg geht,
den ich nicht verstehe, - erdfremd,
wie ich mit diesen tieren verkehre,
die um mein zelt sich versammeln,
geht mein geist dunkler wege
hin aus dem bogen des friedens,
den ein gott des lichtes über mich hob
dieser nacht, die so müd'
in mir steht, daß die kämpfe erlöschen
von sternbild zu sternbild. -
und ein junger wind zerlöst mir
die tücher, über meine skene zu wehen,
in dieses tiefer durch mich nun geh'nde herz.
01.08.’998
in kerhilio
NOCH STEHT DIE KÄLTE...
noch steht die kälte im zelt mir -
ein erdfremdes ding sausender haare
und mit den zähnen bissigen taus -,
will in das seelbein mir weichen,
neu zu errichten den bau
ferner jahre, da schon einst
mein herzzelt wuchs in ein blau,
von dem nur die göttin in dir weiß,
nicht du mehr, nicht
deine stille der haut,
die in mir nun weiter schweigt,
kalt, und blau von der kälte
29.07.’998
in kerhilio
ALTE NACHT
das meer steht hoch,
der himmel pflückt schatten
zwischen dünen die singen.
mein herz, das ficht
von sternbild zu sternbild,
ein neues gesicht
zu erringen. nichts aber rührt sich
in deiner hand, nicht ein keimen
für mich, dem zu singen allein bleibt
von noch nie berührten dingen
des noch nie betretnen tags -
unter nacht, der alten nacht meiner wacht.
28.07.’998
in kerhilio
DER HIMMEL STIRBT AB...
der himmel stirbt ab
wo die bunten füße wandern,
steinatem fühlend in sohlen,
die blühen, von zuckern erregt.
mein auge weitet sich
wie ein meer -:
sonnenvulva - offen,
feucht, für alle zeit erregt,
empfängt sie den glühenden penis
der wunder: seht!
die erde birst im vogelflug,
stiebt auf, dröhnt licht, löst
ihre bünde der knochen,
gibt sich hin. ihre hand ist
ein lächeln, ein hunger,
ein kind wie ein meer.
wurzelhand, die das sternbild
meiner qual zerdrückt...
wohin das auge schaut -
bittere berge, einen tropfen
von himmel jeweils auf dem gipfel
bewahrend im mondlicht,
das zischt und den wein gärt,
der mich im dunkelen meer
auflösen wird.
entw. ’998
in kerhilio
DIE MICH TRAGEN...
(eine studie)
*
die mich tragen, schwer,
gebeugter unter mir
als unter andern, goldene kräfte
der stille, tragen den atmenden stein
mit einer wunde im innern, die glüht
worte aus in die wunder - die
sind das schwerste, lichtgedichtete kinde
verborgener lande, stumme orte
honigaschener flüge; strände, noch
aus apfelfleisch, bienenstöcken gleiche himmel
und berge aus sternbein. die tiere -
wilder noch, als die wildesten hier,
treiben spiele mit der sonne
aus honig, mit der mondin
aus mohn; ihre spuren leuchten mir
querüber die seele; immer wieder, überall,
und es tönen die pfade - suchen sie
die hellren quellen doch,
trinken mich aus, leeren - aug'
im auge - die stirn mir: nun sehe ich
wunder - herzernährung der meere, der sande, der gräser...
*
meere ja sind in mir
noch immer ein festes,
kerne voll steinwein,
salzgehäutet - früchte,
bis zum bersten klanggefüllt:
erste reinheit der musik, die
auftönt, so der frühe wind
durch blätter geht, schatten
zu tönen, zu härten, ihnen
herzen einzuverleiben, rot
und schön und wie
ein meer pochend... ich sehe sie wechseln
von engel zu fisch... niemand mehr
weiß es, ich aber seh's.
-----------
hände seh' ich, die stürzen
zur tiefe der städte, die
zergehen unter der musik
trüber zeichen - leere
und apokalyptisches werben,
und die sonne in scherben,
morgenröte des schlachthofs...
- eisen zaubern sie herbei,
treibende eisen, ein schwarzes geäst
durch die verwesung wiegende luft
toter tage. die nächte leben
silikongezüchtete seuchen, zerreißen
das sternbild - und die sonne zischt
um mitternacht, wo jeder zweifel bestätigt...
*
zeichen aber sehe ich, wie
in wäldern gesättigte tiere -
sich bereiten zur flucht
vor den bränden, die
entstürzen dem himmel
für eisen, grad' wie wenn
des vogelzugs anatomie
in die leere gemessen -:
stirnentwachsner keile flug
vorzubereiten, todeszeiten
zu weiten, zu breiten, zu glüh'n -:
wirrlichtzeichen erneueter sonne
aus gras, morgensamen streuend,
honigfieber, flüssige blüten
erneueten lichts - grad
geborne meere mit der milch
goldener ströme zu nähren.
*
da geht eine frucht auf,
in herzhaut gekleidete
stirnfrucht, wirft menschenkern
um menschenkern in die nacht aus,
unendlich genaue flutenmenschen
zu zünden, herbe leute der meeres -
die mich tragen - wissende winde
und berge die wüten...
verviers im märz ’996
WARUM
(kurzode)
warum noch in den tag,
wenn die nacht mich
ausruft wie totes?
welle die ansteigt
um nicht mehr
zu fallen... ah!
meereseinerlei! glücklich
bin ich, fern,
und alltäglich.
23.12.’994
in vervier
KLAGE
(kurzode)
*
ACH,
die dichter der jagd
stellen fallen alltäglich -
sie sind so fremd, daß
das meer sie
nicht will,
nicht das märchen,
das glücklich
über den tag geht
die nacht, herznetze
zündend,
STERNWURZELFEST,
neue himmel
zu künden.
*
dez.1994
SCHMUTZIGE HIMMEL
oder
DIE ENTBLÖßUNG DER SCHATTEN
*
"oui, tout cela cera."
RIMBAUD
"immer, liebes! gehet
die erd und der himmel hält"
HÖLDERLIN
* * *
der glühende baum,
die masquerade der muscheln,
der kreisende stern in der haut
und die in der tiefe wachsende glocke
der schrecken im fleische - bittere lilitusüße,
verbotener honig ist der hornissenweisheit- gegorene seim,
in engeln ein gottfleisch farbensiebener traumzeit gehärtet
goldener tiere, schön in dem weltzelt den zeltkern zu glühen,
den weltstein, der dem turm der meere letzter grund wird -.
* * *
(entwurf für eine landschaft - nach der natur)
sommer ’995
FEUER FÜR
RONGO
(gebet)
*
gelber gott glüh'nder gewässer!
tret mir den fuß in die gräser,
trete herauf deiner reife der ufer,
öffne die welle: dein bauch birst ja
sonnen wie sande zu hauf - hilf dem rufer,
oder lache ihn aus... nicht aber so
lasse ihn deines sternbildes länger mehr
gefangener sein, geringerer grashalm noch
als der geringsten einer deiner halme
am abhang der wildesten welt.
(april ’995)
*
deine inseln bersten auf im innern,
steigen auf, lichtgetürme tiefster sonne
durch die himmel zu stechen - dunkle wesen,
glühend grün, steigen rauchauf, bilden ketten
wilder pracht im trommelgetöse,
fleische der frucht gebärender himmel.
so geht ja mir auch dies' ortes,
da kälteglühender asche ich
auf meinem herz stehe, dein himmel
auf, tiefer innen, wo der zorn
der wunder mir durchs seelgebein sticht:
schaust nicht du auch, deine kinder du
selb'gebärend lichtwurz'setzender gott, daß
ein feuer deinem volke durchs herz bricht,
giftig und steil wie ein schweiß über den städten
der weißen: geldgedunsen, fettig-geil und gierig -
ein die chimäre selbst auch gebärend aufgerichteter gott
automatisierten wahns - kirche und kaufhaus zugleich
ist sein tempel, wo die wasser des lebens
zur kloake gemischt sind, ein absud
voller seuche, voll tod... greulicher klotz dies!
ausgeburt elektrischen kots,
verwesung breitend genetischen kods,
untier zu untier in die landschaft gebärend,
darin doch sonst kometenherzen reifen
deiner seelblitze kraft, - schaust du nicht
mit mir die zischende faust
feister sonne - in london gezüchtet, paris
und berlin - wie sie über den pazifik glüht,
deinen traum auszulöschen, dein sternbild
zu brechen - priesterlicher ozean erneuernder stille! -
sie haben die macht, uns aus dem seelbuch
zu fetzen, nuklear, genetisch, hybrider hirne
elektronischen sogs, uns in die statistik
ihres irrlichtenen tages zu zählen!
erfinder allesamt mannstoller muskeln,
frauenäsender selb'sucht raketen,
kinderhirnquirlender apparatur
viereckigen hohls in die welt aus,
- nur zum gebrauche noch fähig, hin-
gerichtete kindheit unendlichen trübsinns...
*
komm herab, mythischer höhe berufener gott,
komm aus dem turme der meere,
führe mich zum stolz deiner kraft,
gelber gott glüh'nder wässer, trete herauf
deiner reife der ufer und öffne die welle:
berste heut noch deine sonne im sturm
diesem tag aus umnachteten traums...
* * *
WÜSTEN TANZEN, BERGE SPRECHEN, MEERE STEHEN AUF
in erhebung der meere, im aufruhr der erde tauschen kontinente
herzen aus gegen herzen! teuer die nacht deiner lippen –
der schwarze sang deines zorns in der rache des dichters,
der die götter befreit: ICH SING' IHN HINAUS! deinem träumen
gebundner ich, als jenem verwüsteten herz christi, dess blut nun,
reproduzierbar', - fänden in der erden tiefe golgothas jene hüter
der glorie verbotenen gotts den tropfen bluts, der die hölle erlöste,
füllten sie tausend reagenzgläser statt den heiligen gral...
neue götter im louvre! jedem gott den piedestal
aus den schädeln der mißglückten versuche!
*
hörst du mich, TE RONGO! hörst du dies herz
gras-zu schlagen den ton erneueter welt: schicke aus
deine gräsernen wellen! lösche den wundbrand mir
deiner wunder – oder erfüll mir den traum,
die erde ohne wege zu sehen; entsetze die menschen
hinaus ihrer städte, nimm endlich zurück uns
die feuer! (erlöse die feuer von uns!)
zeige uns, wie sehr wir das andere sind,
das dir einzig zugehört.
* * *
gelber gott glühn'der wässer,
tritt mir den fuß durch das herz,
den sternfuß! so mein gebet hie'
zu unflätig ist, oder einzig ich
einsamer warte nur und sonst
niemand mehr betet...
--------------------
29.05.’997
ATOLL
und das es gelingt, das es euch wahrlich
gelingt, das es nicht mitten
dort abbricht, wo alle überfluß
der schmerzen beginnt... ich wage es
dort nicht länger zu denken, weils
denkend nicht trägt; aber das herz
auch, es ödet im kern seinen witz,
und's gebricht ihm an tönen
in vertrauerten schlägen... ihr,
ihr, oh ihr! im getöse
wirbelnder städte vertane,
muskelnagende herden,
zerrissenen sternbilds fetzen
im maul, der nichtigkeit horden
in katarakten stürzenden mords
eurer straßen - ihr seid
der ödnis gedächtnis, - wo noch das meer
wurzeln schlägt erhabenen glückes
heiligen völkern der inseln, schlagt ihr
des sternbildes axt
eurer wonne, die in verwesungen glüht.
* * *
(verwesung ja ist euer beruf; was aber ihr,wissenschaft' nennt und ,politik' hat in panik seine kunst der leichenfledderei auszuüben, - das grauen ist in euren seelen tatbestand von geburt an; nun werft ihr es den von euch gebrochnen völkern durch brustbein und stirn, ihren göttern den garaus zu machen - für irgend eine nächste ,ewigkeit', ein hohl, das euch allein leert, ins nichtige stürzt, ins entsetzen... jene götter sind in der von euch entlösten kraft, die der welt ganze untröstlichkeit gegen euch sammelt. ja, ihr werdet untröstlichkeit jammern, euch selbst und aller welten verdruß sein.)
-anfang 1996-
LETZTES MEER
noch ein meer ist da, noch einmal
ein meer ist da zwischen uns -
einen stab aus licht bricht der himmel
über uns beiden entzwei;
eine muschel verbirgt die glühende perle
der ferne, die trennt uns mit dem himmlischen schritt -
ein geräusch nur von welle zu welle,
ein getön unsäglichen glücks,
von welchem zu träumen ich den mut
nicht mehr finde
und du nicht. - noch ein meer zwischen uns beiden,
noch eine nacht gefrorener sterne, ein möwenschrei
ohne glück. ein entsetzen, wie eine leiche,
starr, im leichentuch - dies gedicht.
heute noch also will ich,
es schließe endlich
eine gottheit des meeres
das meer;
---------------------------------
die schönste stirne die je sich hob
über verdunkeltem aug'
werde wind, will
der stein, der sich selbst zum gesetz macht,
letztem meer aus – und
in den wunden gewaschen
der wunder, von welchen nun niemand erfährt mehr...
unendlich gewendeter stein
mit dem sternwein im kern
letzten meeres.
* * *
winter ’997
QUER DURCH DIE SEELE...
ein wunderbares sich bäumen der stille gegen den sang
vornächtiger vögel in den gang der sonne
hinab in die grunde, sonne zu sein erneueter stille -
die wunderbar einlöst, was sich vormals
versprach aus der wunde zu quillen, die der sonne
absturz hinterläßt, grausamer fülle und goldenroth
quer durch die seele, die still ist in mir -
steigender frühling, da aus der wunde noch
nur verrat steigt der menschen an menschen -:
fallen eisen
dem einen aus glühenden
flügen,
macht
aus menschenfleisch
der andere waffen -
greise,
kinder,
frauen
schießen aus himmeln herab, die das millenium
verstellen, als wär dies für ewig...
(frühjahr '999)
ES RIEF DER TAG MICH...
eine ameise kam, mich zu wecken bereit
mit dem saft ihrer schrecken. ich erwachte also
barsch, als wenn der himmel mich riefe
unterirdischen rufs, - und so wars ja
wahrlich -meiner treu!- : es rief der tag mich
des lichts, das in der erde nährt,
was nicht den schatten gehört.
(04.mai '999)
SONN'ERINNERNDES SCHWEIGEN
und es grüßt mich der wald
mit dem mund seiner stille,
mit der fülle seiner grausamen tracht
an geziefer, die mich einweist
diesem tag tiefer erde -;
und es glühn die zellen mir
sonn'erinnerndes schweigen wie
die zornigen blätter des baums
über mir lichtinnres der winde
vom meere, das, ferneneinwiegend, traumsprüht im monde,
die schwarzen zellen der sonne, ihre schatten, zu nähren.
(16.mai '999)
HELLDEWYNS LIED
(I)
im kirschenschnee wieder, im fall wilder blüten,
bin ich - am rand' des frühligswalds - eben
der wilde gott dieses jahrs. meine stadt
auf dem herzen, auf den bergen des monds -
meine stadt unterm meer harscher sonne,
und auf den kruppen der pferde
der nackte traum meiner gattin,
königlich und schön -: das gesicht
der schönheit selbst! - jungfräulich eben,
und der sturz dunkler wolken,
die schöne kaskade des winds -
und der knochenrichter der schatten:
ich bins,
tiefere erde, dich zu freien
öffne ich den berg in der hand,
das meer der zitrone im kern,
die goldenen lippen des tods -
die wunde der wunder -
wo's blüten schneit am rand meines walds.
und ich habe die farbe der welt -
jedweder rasse, und die farbe auch
aller leute des meeres, die
meine stirn schmückt
wie göttlicher asbest,
tief,
aus der mitte der erde.
(03.mai '999)
PRIESTERLICHER OZEAN
die nessel brennt mich hier
auf der höhe des herzen;
die hornisse dröhnt mir hier
überm kopf fort, ihr gelege
zu suchen, im schritt jedoch
hat mich der ameise biß
aus dem schlummer geweckt
unter der fiebrigen sonne, die
in den mai sticht wie
in die überreife melone,
während sie im rücken
dunkle monde versammelt
mit den waffen der göttin -...
bedarf es mehr der beweise,
mein einssein zu zeigen
mit himmel und erde,
mein bündnis mit der sonne
und dem fern die fernen
ausladenden meer, den ozean
wahrer freude, die das weltall
spiegelt in mir auch
- priesterlicher ozean -
dein turm
in mir
steht reiner auf
unterm schatten der erde, hin
aus dem mai in die sonne verborgener wesen
zu steigen. - die singen aus mir und sangen doch lange schon
nicht mehr.
(23.mai '999)
GLÜCKLICHE SCHMERZEN
ich hab den ersten tag in mir beinah vertan, wie ein säufer den durst, - nun steh (wie der!) ich mit gebranntem mund, von den tieren verlassen, von den wesen erster stunden unverbesserlichen glücks...
ich ahne, wie sehr mir dein auge genügte, diese wurzeln zur reife zu führen, die immer ich noch in mir hab, wie die mir morgen erst gelingende kindheit - du weißt: keiner stunde herz wird uns fehlen, jeder stein eine münze, vom meere bezahlt dieser welt glücklicher schmerzen.
alle ufer schon erwarten uns mit dem sang, aus dem die wolke steigt in die breiten erdabwärts ziehender vögel, und die frühe auch, steigt auf in der kühle der meerunter schlagenden winde - eine insel zu finden, die kennt schon jetzt unsern streit, den täglich wir dann führen werden, zwischen töpfen, blinkenden waffen, unter einem dach von möwenfedern, von den kindern verlacht, die keinen unterschied mehr machen - zwischen ihnen und uns...
winter ’995
TÖDLICH GENAU
hervorbricht ein wind strebenden ufers, sandvögel weckend und sternwürfel zu werfen bereit über die sausende scheibe des meeres - ich hör' sie, die graue göttin der fernen: salzfibrome ihrer stimme wachsen auf zum himmel, goldene unrast im sternbild des bären - tausend'tausende töne qualvoller lage...
herzgewitter dröhnen im sturz durch die trommel, und die wale sammeln sich am rand dieser welt, gelbe quellen zu verlangen, gelbe wässer, aufs neue die meere zu füllen, die meere...
und in einer leere - ich! ein grundloses zeichen im weltstein der zeichen, ein überlisteter baum am ufer unstillbaren traums, der tödlich genau meine nächte durchmißt und - fern von dir – auch meine tode...
sommer ’994
WIE HOCH DAS MEER...
siehst du nicht, wie sehr ein kind auf einer stillen insel ich von dir umgeben bin? wie hoch das meer aus dir schlägt um diese felsen des schweigens? - du willst mich töten; käme ich über die ufer hinaus, in deine wässernen fernen, stürbe ich dieser weite hinweg in die flüge der möwen...
du willst mich töten; nächtlich soll mein herz sich zu dir legen und leuchten im sand... das ertrunkne sternbild soll ich werden, oder zitternd auf ewig, ein wal, ein delphin, namlos, ein fisch ohne ziel...
und - tötest du mich, sterbe ich gern deiner tiefe, feucht von dem sternlicht, somnambule ströme querend, dichte fleische um mich her deiner seelsee, wie die fleische vertriebener engel, draus wir irgendeiner stunde wiederauferstehen der insel - im aufruhr sich jüngender seelsee...
märz ’995
TOD IST...
TOD ist, was mich anrief
in der früh'
über den goldenen hängen
im lachen
der verbotenen stund'; da ich
das meer über sich selber
gebeugt sah -
und ich saß
über blättern, die schwarz sind,
glühend
blühende zeichen zu lesen.
und ich beugte mir
das ufer hinzu, bog es
zur wunde im zeichen
der wunder...
*
(fragment aus kerhilio’998)
SCHIFFBRÜCHIGER SEEFAHRER
ERST:
krähen sind in die kirschen gefallen -, sie
zerrissen den baum. tropfen bluts stürzten mit dem steinkern
zu boden, fleischig und süß von dem stern, der sie nährt.
groß wie im traum seh' ich die krähen: eisig
ihr schrei und eisige kreise ziehn sie in des tages einerlei...
nahe wo kolkt es, wo fern noch kühe,
von ungeheurer wolke entsetzt, aufbrülln - zu hörn fast
wie wal-sang, wenn die nacht ufer birst aus den felsen:
bin doch ich seefahrer zu lande hier gast nur
eine strecke der wirrnis...
DANN:
- der ganze nahe wald röhrt "hilfe!", so dünkts mich;
augustlichtgespleist stöhnen im wind junge birken; drei stümpfe
von ulmen bewachen den eintritt zum hag, tot wie die rüstung
von rittern ein jeder - ein ende von zeit, ahne ich, darum
ich auch hie' wohin verschlagen bin meiner reise, die mich höhlt
und aber auch ein-webt diesem kurs, der ungenau... JA!
stürzt euch in mich, stürzt euch tief, junge krähen, alte raben, und
- wohin ihr wollt - pfeifende falken! zerreißt mir den traum, daß
wie ein baum er auf mich ab- stürzt die kirschen mit mondkern
und dem leibfleisch der engel! bringt mir die botschaft schnell
der albatrosse und harpyen, der grausigen möwen und
von tiamats wut! öffnet mit wucht die geflügelten tore
trunkener see! auf daß sie gäre, der sonne flecken zu heilen -
oh! der sonne gericht, - der seele knochen und hüfte zu richten
ins rechte - so jamm're ich, da die sonne untergeht,
der mond aber aufgeht glühender kirschen...
SPÄTER NOCH:
scharf steht der mond schon,
sein grauses gewerk offenbarend, tief, zwischen wolken,
die grauen, da die letzten blute getöteten lichts
von ihm tropfen, uns die erde zu tränken mit giften -
die unendliche erde! ich sah es: der sonne blute
bedarf es, sie zu nähren, der stürzenden kirschen
purpurnen saft und den herzstein - nie ersteh'nden
sternbaums kirschwirklichkeit: einen menschen zu opfern?
(fragment)
heiligengrabe, 23.juli’996
LICHTVERBRECHEN
vom grund des meeres komme ich,
da wohnen andere engel; keiner ahnt
wie tief ich ging, diesen sommer
zu empfangen ozeanischer sonne
auf dem rücken stürmender pferde,
die sich immer um sich selber drehn
im galopp, in ihren fleischen
von honig verborgener blüte
der sonne, die in mir bevölkert
schlägt - angelische glocken für die waben,
dunkler wesen voll, dunkelrote weisheit
zu empfangen der hornissengöttin
in mir, die überm tod wohnt -
der tiefe ein brot oder wein oder kot -
einerlei, irgend' werde ich's wissen.
dieser sommer aber treibt mich auf -
zu den ufern hinauf - lebendigen atems
auf jene felsen zu steigen, welche auch
geschlagene sind untermeerischer sonne -
jedoch: schöner als ich seh'n,
was immer der sonne gehört, jeder zeit -
mit goldenen schiffen zu fahren - das volk
des lichts im untergang der täglich
sich wendenden sonne, die leute
des meeres, kupferhäutig und
hornissengesichtig; -
ein graus allein
der untiefen welt, deren sommer
über plastikschüsseln aufgehn-und ab;
deren städte rasierklingen züchten
und den schlick verratener märchen
den meeren aus spülen, unglücke glühend,
von antennen eingefangen, lichtverbrechen
der grausigsten art - weil
sie niemand berühren...
* * *
(kerhilio, 0408'998)
mystischer grashalm
14.07.’004
– golden unter dem grau tiefer himmel
leuchtet strandhafer gegenüber dem atlantic
überm grün zarter halme! diese reife des sternlichts
ist hier – wie immer – unbemerkt alltägliche werfe des glücks,
von der kein mensch mehr weiß oder träumt -, und wölbt einen bogen
golds überm sand hoher düne im seewind, so herrlich, daß der okean
zu träumen scheint, ich fühls – er möchte endlich nun gebirge sein,
der fliegende ATLAS an den brüsten africas, die den grünen mond
mit träumemilchen nährt okeanischer tiefen – oh, der seelasbest
für erneute paradiese in der glut großen traums, den
auch dieses meer träumen darf, von menschen
verraten und zu plastikeimern verdammt...
______________________________
kerhillio
müdigkeit
s’ ist der himmel, der mich ermüdet,
die fleischene bremse im mond –
lippengerösteter stern vor
dem fall in mein bett, wo
zwei schenkel sich dehnen, weit
in das blau tiefster nacht. es ist
der stein in der rose, die zunge
aus rost und dem wortbruch des tags,
der müdet mich auch, wenn das bett mich
umarmt, das betrunkene nest
reifer blitze, die im traum schön
verglühen, tiefer bauch
satter schatten die singen und
sehr zärtlich fleische wühlen
unter die axt, die mich zurechthakt, den ast
wilden sternbilds, das atmende glas rüder fleische
von engeln – im himmel erwachsen, ermüden sie
mich mit den schlägen von flügeln aus draht,
zimmt und asbest – ach! einsame flüge
über die äußerste landschaft aus
haarflaum, - lilaner staub
in den schatten der falten,
wurzeln für wunden
und schnee in den trommeln
erneueter tänze auf der haut
der kindermeere, die zu reifen ich
bestellt bin – jeder nacht -, diese rosigen meere!
und wunder geschehen, von welchen hier
nur meine müdigkeit zeugt …
____________________
feb.’000
hohe buchen
abend des 06 juni 003
hohe buchen bedenken sich nachthin, neue ufer zu suchen
dem kronblatt, das fortschwimmt traum-aus dann - dem reh
in die beuge der insel, von welcher es, im schlaf geläutert,
kommt - aus dem traumfleisch der göttin... jedwedes
blatt dann - ist bezeichnet, feucht in dem blau vom tropfen
des cosmischen taus aus der seele der buchen, auf der es
soweit hinausschwamm, wie der geistbaum erlaubt:
seinen namen zu suchen, das berufende wort, das herb
schmeckt im klang und ein geschlecht hat - sich eine wörtin
zu suchen, dem ameisensaft seines triebs dann - in den wunder-
samen kuchen vom sternfleisch zu stoßen - zwischen die schenkel
des wortlauts, der dröhnt noch im traum dieser buchen am waldrand,
die sich nachthin zu bedenken versammeln, meine seelsee zu suchen...
- und das reh, das eben noch mich in meiner durchsichtigkeit durchquert
mit dem weh eines blitzes - das weh`reh springt fort nun über die tafel
der goldenen see, aus dem sich die insel erhebt,
ein felsen, blau, wie das göttinnenfleisch blau ist
im wort und voll tau ... -nur die grünen rande
der erde taumeln traumaus im herztanz
der singenden trommel der sonne
in ihr, in den tönenden tiefen
dröhnenden lichts,
voll der zeichen für das traum-ein schwimmende kronblatt
sich bedenkender buchen, die... nun noch ihre sternbild
zu sternbild reichenden flüsse beim namen rufen,
die rätselhaften ströme tränichter wässer,
von engeln geweint, die gläsern
und hart sind in grausiger klarheit,
während die engelgeschwister,
zarterer anmut gelenke,
von blatt zu blatt
die wortebrücken queren, die herrlichen namen, die dem buchen-
traum in mir entwachsen - brücken der weisheit
des geistbaums und der göttin
von der insel der rehe, die noch wohl die trommel jagt,
von der sie geweckt und ausgelacht worden ist, und die,
wie meine seelsee, nacht-ein-tag-aus dröhnt, - der schönste hintern,
den je einer sah, zitternd und nackt und
aus goldnen schalen geschält:
dem gott die orange
die so herrlich
sich wölbt,
das...
sie ein mond wird
neues meer
(auf dem krankenlager notiert)
1
was ist das meer? die wäschetruhe der götter
oder lumpenort alter farben? ist`s ein spectakel
im tode oder gedächtnisschleim vergangner häfen?
ist`s wohl naß vom sternbildodel, der die sonne
nährt oder weil das engelbrütende volk der sonn`
in der erde schweiße treibt in die höhe, den himmel
denn auch noch zu nätzen...? und - wo denn
kämen tränen her, wenn nicht jener tiefen daimone
im engelgewerk ihre seelen entlüden! ich
sags euch: ich sah`s - das meer, in die wolke
gewrungen, tief hier zu lande zog es vorbei
in gierigen winden, warf seinen stein sternfuß-
ab mir vor die seele, - gelang alter zukunft
zu singen - ich hör es noch jetzt, das
zum kern im wein gewrungene meer hie`:
den flutenmenschen zu zünden - menschenkerne
der äußersten landschaft zu binden, - lichtwerk
des meeres in mir, der ich die erde verkünde
von goldstaub yliastener seele, regenbogen-
fleische verborgener sonne, die betrinkt sich in mir
tiefer seelsee, unendliche inseln neuer sänge
zu heben und kindgöttliche wesen en masse,
die bereit sind, die erde ohne wege zu betreten,
menschenfern, städtekernentsetzende musik -
menschenfremd - ich hör` sie und singe das kind-
meer turmauf hie`kunftzu - an das unsere wetter
zerschlagende meer wildrer zonen...
dieses meer ist in mir - die wildere see
ohne schatten! seelasbest - seine tiefen;
ein grauen den orten ineinander-
geschachtelter männer und frauen, die
dauerfliehende sind auf dem todesasbest
irrer strassen -: runder kautschuk
im schwarzen viereck der seele
ihrer sie kauenden habgier ist
der fluchten labyrinthische zier
ohne meere - süchtige häuser
auf rädern in unendlichen schlangen: der erde
albgetier sinnleerer geburten der städte, die vom meer
unterspült unendlich tote freigeben werden - wanderungen
von frauen und männern, herzlos und dumm wie kartoffeln -
ihrer geile zu frönen mit den gengedopten geräten aus plast...
was ist das meer?
lebentriefende glocke berauschender himmel? ein herzguß
der kosmischen hirschkuh? der milchstraßen odium
auf die irdische tiefe der seelsee
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frühjahr’003
das meer in mir
das meer in mir
hat wurzeln dunkel
unter die ufer gelegt -
goldene pracht
erster dinge. und schön
schlägts an, rote knochen
mit herzlichen tönen
zu nähren im abend -
wo die sonne, in ihm
untergehend, die glocken
ihrer reife schlägt -
das helle metall
untilgbarer frucht,
yliaster der seele:
unendlicher insel
unendliche frucht...
(februar 2001)
das hohe meer
wollen wir nicht endlich innehalten -
diesen irrsinnigen pflugzug der nichtung
der zeit! - wollen wir nicht endlich
stille bergen und was die sonne erstes
zählt in der welt, den tieferen garten?
- erheben wir des meeres herz, dessen dröhnen
in uns geht zum schweigen : wunderbare tiere
wollen aus der tiefe steigen, gewissere wesen!
tiefster reinheit gewissheit und güte, von der noch
alle bibeln schweigen der welt... schaut mit mir
der sonne verborgene seite, der worte innlicht,
das zwiefach glüht in höhe und weite - tiefe genug
ist ihm der herkunf nach gegeben -: ich sehe
mit worten die freuden der worte, das glück
innenzu hohen meeres, das zum turme aufsteigt
im aufruhr der dinge, in erhebung der meere
auf der erde ohne wege; still gedächtnis wagend
der worte, ihrer abkunft nach - lange vor eden,
sehe ich den tiefen garten und wurzeln der göttin,
der gottheit unbered`tes gesicht - erster trommel
seelenleben- und beben, da noch berge uns
verwandte sind, geschwisterlich nah baum
um baum noch, früchteträumend unsrer frucht,
wo das sternbild mit uns wandelt, atmend schön
und goldnen wuchses, an der quelle goldner wässer
zu trinken - der unsterblichkeit säfte... nun sind es
goldene tiere, die schaun wir, wenn mutig nur
unsern blick wir über die dröhnenden lande erheben,
den tieferen garten, erster sonne gesicht, das gedicht
erster freuden...
(september 1997)
wer sind wir?
da weht der wind seine weißen intrigen
mondhoch. letzter glockenschall hält an.
tiefer liegen wolkenbögen schon
als der schatten der nacht. große wiegen
grauer blitze - wo die tiere sich träumen
durch kälte und herz, als wären es
lügen, wo einzig sie wahr sind,
genau -: mutiger schlaf
ihres mutigeren lebens,
fern der feigheit ferner fenster,
die im sternenstrom sich spiegeln,
wohinter unterm neonstrahl wer -
und wie! - wurzeln schneidet, herzgedächtnis,
muttermal... wer sind wir? alte schuhe
wegwerfender tracht treuer lügen...
wer nur sind wir? und warum nur
sind jene wesen der treue allein?
mondgediegen goldner stahl: die ewige lüge?
wer aber schnitt uns ab vom weltall
der träume, das noch herzlicht webt
in bäume... wurzelatem... sternkorall...
den zaubernden strahl, der uns
götterlicht bedeutet, die sonne der sonnen;
wer schnitt ab uns vom herzjahr -
falsche sommer züchtend, winter
des betrugs, frühling zwingenden asbest,
laborsylvester für die jahre unseres wahns?
(1711'001)
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und das meer geht über meinen strand hinweg, zerlöst
die träumenden sande der nacht in die schäume
bangender seelsee, vermischt sich in mir
sternbildschwer mit dem atem anderer welt,
wo die augen freudeblühend glühen
und noch, steine zu zähmen, der mond sonnelacht
und die wetter herzstrahlende wolken gebären
über inseln, die singen. - dorten bin ich nichts mehr,
ein glückliches balg, lallend, wimmernd, von worten
so den mund gefüllt, daß der beerensaft mir vom kinn
auf die brust tropft, hinab auf den bauch läuft, mir
zwischen den beinen einen himmel zu schaffen, in dem
noch saftigere sterne aufgehn, versprechen von freuden
noch wilderer art, als die götter sie kennen.
und der goldene teppich meiner seele wird musik,
lichtstäubend töne und unerhörte, wunderbare klänge
jener art, von der die alten der völker nur
in mysterien berichten, die heute niemand mehr
glaubt oder kennt. - doch gibt es sie; hier
zeuge mein herz dunklen brandes von der wahrheit
der musik erster weisheit, erster schöne, der ersten
gewalt in der welt, die
sich selbst kennt
aus tönen.
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DER OZEAN STÖSST…
der ozean stößt seine dehnung wie
einen speer in den himmel. silbergrün
grausame schneide, deren schärfe lebt
in den zum strand reih’weis geworfenen
wogen. - die klinge des kosmos allein
schneidet so ins wirrfleisch der träume,
seziert unsre tage, die irrlichternd bangen -
es könnte das lichtwerk versiegen und
ausgeh’n, das uns die augen gärt und
siegelt mit glück …
dieser feinste mechanismus der seelsee
bringt auch die engel hervor. -
zittre nur, ja, zittre nur um jeden halm
unsres grases, das all’tags dasselbe in den wind
ausgebärt und wunderbar lacht
unter den brisen vom meer her - unend-
liche innigkeit, ja - vom ende des weltalls,
ist in dir. du spürst sie auch in dieser schärfe
des meeres am ufer, die dich meint - ein
schnitt durch die membrane des traumleibs
genügt und dein herz springt mit einem
grünen segel davon - in den atmenden kosmos …
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14.07.’004
@gryczan, luzian 2010
Tag der Veröffentlichung: 18.09.2010
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