Cover

Football is my life
Die Geschichte eines fußballverrückten Jungen

Hi! Mein Name ist Kevin Julian Leman und ich besuche die zehnte Klasse einer Realschule in Nordrhein-Westfalen. Ich bin offen und ehrlich. Ich liebe Fußball, für mich gibt es nichts Besseres auf der Welt als Fußball. Meine Eltern - besonders mein Vater - sind da anderer Meinung. Die denken bloß an meine Musikkarriere, denn was keiner weiß, ist, dass ich sehr gut Klavier und Gitarre spielen kann. Was ich persönlich bevorzuge ist aber der klassische Flügel. Ich mag es auf dem Flügel zu spielen, meine Eltern kriegen nicht genug davon.
Ich stamme aus einem reichen Elternhaus und komme ursprünglich aus Amerika, daher der englische Nachname Leman. Mein Vater ist Vermieter von Luxusvillen und Autohausbesitzer. In Amerika haben wir ein Haus in Hollywood, meine Mutter ist nämlich ´ne berühmte Schauspielerin, und eine Attraktive dazu wenn ich das sagen darf. Alle die mich sehen sagen, dass ich meinem Vater ähnlich sehe, nur, dass ich die Augen und das Lächeln von meiner Mutter habe. Und darüber bin ich auch sehr froh. Meine Mutter hat wunderschöne blaue Augen und ein sehr schönes Lächeln. Mein Vater ist eher etwas kantig, von ihm habe ich die Größe und die Gesichtszüge. Außerdem hab´ ich noch ´nen kleinen Bruder, Damian Blake. Er sieht fast genauso aus wie ich, nur, dass er die Augen von unserem Vater hat. Meine Mutter hab ich gern. Sie ist immer für mich da, wenn ich mal Schwierigkeiten hab´ oder Ähnliches.
Na ja, kommen wir zurück zu meiner großen Leidenschaft, Fußball. Mein Traum ist es, irgendwann in der deutschen Nationalmannschaft zu spielen. Die deutsche Staatsbürgerschaft hab´ ich bereits seit zwei Jahren. Meine Eltern sind nach Deutschland gekommen als ich gerade fünf Jahre alt war. Tja, wie dem auch sei, jetzt kennt ihr wenigstens meinen großen Traum. Und was das Coole daran ist, morgen kommt ein Talentscout zu unserem Abschlussspiel des Jahres 2008. Der Typ ist ein Scout für die Jugendnationalmannschaft, was für mich natürlich bedeutet, dass ich bei dem Spiel morgen alles geben muss.“

„Kevin, Damian, bewegt eure Hintern hier runter und esst jetzt was!“, rief Kevins Vater mit lauter und bebender Stimme. „Ab in den Gulack“, murmelte Kevin, machte den Bildschirm seines PCs aus und verließ sein Zimmer. Auf dem Weg zur Treppe kam er an dem Schlafzimmer seiner Eltern vorbei und sah, dass die Tür ein Spalt geöffnet war. Er spähte hindurch und sah seine Mutter an einem großen Tisch sitzen. Immer wieder hörte er ein kurzes Klicken, dann ein kleines Reißen und dann war es still. Und das ganze wiederholte sich. Klicken, Reißen, still.
„Kommst du auch etwas essen?“, fragte Kevin, als er die Tür ganz öffnete. „Oh, hallo Kev, schön dich zu sehen. Komm rein, ich will dir was zeigen“, sagte seine Mutter mit sanfter Stimme. Kev… Es war sein Spitzname, doch nur seine Mutter durfte ihn so nennen. „Lass das, du weißt doch, dass ich das nicht so mag“, sagte Kevin lächelnd, während er ins Zimmer kam. „Jawohl Sir, wird nie wieder vorkommen“, sagte seine Mutter lachend, als er sich auf das Bett saß. Auch er musste lachen. „Was willst du denn von mir?“, fragte er, als sie sich beruhigt hatten. „Ich möchte, dass du mal eben dein T-Shirt ausziehst und dann die Augen zumachst. Und du darfst sie erst dann öffnen wenn ich es dir sage“, antwortete seine Mutter. „Wenn das unbedingt sein muss“, sagte er und stand auf. Er zog sein T-Shirt aus und legte es auf das Bett. Dann schloss er die Augen und wartete ab. Plötzlich spürte er etwas Kaltes auf seinem Bauch und zuckte kurz zusammen. Seine Mutter murmelte etwas und dann wurde es wieder warm an der Stelle. „Was war das?“, fragte er, hielt seine Augen aber wie versprochen geschlossen. „Ein Maßband“, antwortete seine Mutter. Er spürte das Maßband erst an seinem rechten und dann an seinem linken Arm. „Was machst du da?“, fragte Kevin genervt. „das wirst du schon sehen“, sagte seine Mutter „dreh dich mal um“. Er tat wie ihm geheißen und drehte sich um. Seine Mutter legte den Anfang des Maßbandes an seinen Nacken und ging es den Rücken entlang hinunter bis zum Hosenbund. „Hundertfünf“, murmelte sie. Dasselbe tat sie auch an seinen Beinen. Vom Anfang der Hose bis zu seinen Füßen. „Dreiundneunzig, wenn ich richtig gezählt habe“, sagte sie und ließ das Maßband wieder zurückschnappen „du bist ziemlich groß geworden“. Jetzt hörte er wieder das Klicken, das Reißen.
„Fertig!“, sagte seine Mutter triumphierend „du kannst deine Augen nun wieder öffnen“. Kevin öffnete seine Augen und drehte sich zu seiner Mutter. Sie hielt etwas in den Händen. „Mein Trikot!“, rief er aus und nahm es in die Hände. Es war aus Seidenpoliyester und atmungsaktiv. „Zieh es an“, sagte seine Mutter. Er warf es sich über den Kopf und zog es über seinen Körper. Dann stellte er sich vor einen Spiegel und schaute in sein Spiegelbild. Es passte ihm wie angegossen, es war nicht zu lang und nicht zu kurz. Der rechte Ärmel des Trikots war voll mit Blut. Niedergeschlagen zog er es wieder aus und gab es seiner Mutter zurück. „Was ist, wenn ich das Spiel morgen wieder so vergeige wie beim letzten Mal?“, fragte er und ließ sich rücklings auf das Bett fallen. Seine Mutter tat es ihm gleich. „Das wird nicht passieren“, sagte sie und fuhr mit ihrer Hand über seine Brust. Es weckte ein angenehmes Gefühl in ihm. Er schloss die Augen und dachte daran, was vor einigen Tagen passiert war.

„Ich werd´ euch erzählen warum ich so niedergeschlagen bin. Wir hatten am Montag dem 20. Dezember ein ziemlich wichtiges Spiel. Für unsere Mannschaft sah es gut aus, solange bis die gegnerische Mannschaft einen Spieler einsetzte, der mindesten ´nen Kopf größer war als ich. Jedenfalls, spielten wir mit unserer Taktik, mit der wir die Jugendnationalmannschaft besiegt hatten. Tja einige rannten los zum Angriff. Der neue Spieler – sein Name ist Dean Alderly oder so - aber brauchte keine zwei Sekunden da hatte er schon den Ball. Er rannte los, spielte ein nach dem anderen aus, bis er bei mir war. Ich stellte mich ihm in den Weg. Er blieb zwei Meter vor mir stehen und lächelte mich an. Dann sagte er irgendetwas und schoss. Ich legte meinen rechten Arm schützend vor mein Gesicht. Der Ball traf mich so, das ich einmal herumwirbelte und mit dem Gesicht auf den Boden fiel, mitsamt meinen Arm. Dabei bin ich auf einen spitzen Stein gefallen, der sich in meinen Arm gebohrt hatte. Drei Stunden später wachte ich auf, auf der Intensivstation eines Krankenhauses irgendwo in der Nähe meines Wohnortes. Aber ich hatte Glück gehabt. Man sagte mir, dass ich, wenn der Stein zwei Zentimeter weiter in meinem Arm gewesen wäre, meinen Arm nie wieder hätte bewegen können. Das ist jetzt knapp zwei Wochen her, aber mein Arm schmerzt immer noch, wenn ich daran denke. Nun wisst ihr warum ich darauf so niedergeschlagen reagiert habe“.

Kevin öffnete seine Augen wieder. Seine Mutter lag neben ihm. Ihre Hand war noch immer auf seiner Brust. Die Stelle an der die Hand war, war bereits etwas heiß. Er wollte zuerst aufstehen, blieb aber dann doch liegen. Er mochte das Gefühl, das die Hand in seinem Körper weckte. „Es war nicht deine Schuld, und außerdem habt ihr doch gewonnen“, sagte seine Mutter und fuhr mit ihrer Hand auf und ab. „Ja schon, aber darum geht´s hier jetzt nicht. Es geht darum, dass ich nicht dem Ball ausgewichen bin, obwohl ich das gekonnt hätte“, jammerte Kevin und stand nun auf. Er nahm sein T-Shirt und zog es an. Seine Mutter stellte sich hinter ihn und schling ihre Arme um seinen Körper. „Selbst wenn ihr das Spiel morgen nicht gewinnt, es kann immer noch sein, dass du genommen wirst. Und noch etwas: ich kann mich gut an einen kleinen zehnjährigen Jungen erinnern der Mal zu mir gesagt hatte: Live your dream! Only then it will be come true! Und ich glaube dieser Junge sah so aus wie du und war damals nur kleiner als du“, sagte seine Mutter. Sie ließ von ihm ab und drehte ihn zu sich um. Verlegen schaute er sie an. „Wow, der große Kevin Julian kann mal nicht antworten. Das kommt nicht oft vor“, sagte sie lächelnd. „Danke“, sagte er und umarmte sie „das hab´ ich gebraucht“.
„KEVIN! Jetzt beweg deinen verdammten Hintern hier runter!“ schrie sein Vater.
„Wir sollten wohl mal besser gehen, sonst bekommt dein Vater gleich noch einen Kreislaufkollaps“, sagte seine Mutter und schob ihn vor sich aus dem Zimmer.
Sein Vater stand am unteren Treppenabsatz, die Arme in die Hüften gestemmt, mit knallrotem Kopf. „Ist ja nett, dass du auch mal kommst! Du brauchst anscheinend immer eine Extraeinladung oder?!“, sagte sein Vater als Kevin die Stufen hinunter ging. Er zog an ihm vorbei und ging in die Küche. „Mach dir keinen Kopf“, sagte Kevins Mutter „außerdem war es meine Schuld, dass der Junge zu spät dran ist“. „Aber trotzdem! Es kann nicht sein, dass er nichts tut was man ihm sagt!“, sagte der Vater und machte sich auf den Weg in die Küche.
„... mich mal!“. Kevin beendete seinen Satz gerade als sein Vater in die Küche kam. „Papa, Kevin hat gesagt, dass…“. „Halt die Klappe!“, zischte Kevin. „Mach deinen Bruder nicht so an, er hat dir nichts getan! Außerdem habe ich gehört was du gesagt hast!“, sagte sein Vater als er sich setzte. „Bekommt er jetzt Ärger?“, fragte Damian freudig. „Damian, was hältst du davon wenn ich dir etwas Geld gebe und du kaufst dir was Schönes auf dem Weihnachtsmarkt oder triffst dich mit deinen Freunden?“, sagte Kevins Mutter zu seinem Bruder. „Oh ja, das ist cool. Danke Mama“, sagte er und verschwand kurz darauf mit ´nem Fünfzigeuroschein. >>Jetzt ist das Theater vorprogrammiert<<, dachte Kevin und legte seine Gabel auf seinen Teller. „Hast du heute schon gespielt?“, fragte sein Vater gelassen. „Nein, hab ich nicht und das habe ich auch nicht vor“, antwortete Kevin kühl. „Und warum nicht?“, fragte sein Vater weiter ohne von seinem Teller aufzuschauen. „Weil ich zum Training muss. Wir haben morgen ein wichtiges Spiel, aber das ist dir ja mal wieder entfallen!“, sagte Kevin. Es nervte ihn, dass sein Vater nur an seine Musikkarriere dachte. Klar, Musik war kein schlechtes Geschäft und er spielte auch gerne, aber das war ihm nicht so wichtig. „Dann gehst du morgen auch nicht zu dem Spiel!“, sagte sein Vater und stand auf. „WAS?! Das kannst du nicht machen!“, schrie Kevin und stand so hastig auf, dass der Stuhl zu Boden fiel. „Du siehst, dass ich das machen kann! Ende der Diskussion! Solange du nicht spielst gehst du nicht zu dem Spiel!“, sagte sein Vater mit bebender Stimme. „Du kannst mich mal!“, schrie Kevin, schmiss seinen Teller vom Tisch und verließ wutentbrannt die Küche.
„Was hab ich bloß falsch gemacht bei dem Jungen? Guckt man sich mal seinen Bruder an, so lieb, so hilfsbereit. Und Kevin? Er macht Garnichts, das einzige was ich von ihm immer höre ist Fußball hier Fußball da!“, seufzte Kevins Vater und ließ sich auf seinen Stuhl sinken. „Warum gönnst du ihm nicht, dass er mal Erfolg haben kann?“, fragte Kevins Mutter „Schau dir mal deinen anderen Sohn an, Damian. Er ist sehr erfolgreich. Dieses Jahr ist er Vizeweltmeister der Junioren geworden mit seiner Mannschaft. Wieso gönnst du deinem Ältesten dann nicht mal wenigstens eine winzige Chance?“. „ich mach mir halt große Sorgen um ihn, auch wenn er es nicht wahr haben will. Was ist, wenn dasselbe passiert wie bei dem Spiel von vor zwei Wochen und er seinen Arm dann wirklich nie wieder benutzen kann? Da ist mir Musik lieber als Fußball“, antwortete der Vater und legte den Kopf in den Nacken. „Das mag sein, aber was ist ein Leben schon wert wenn man nicht mal ein Risiko eingehen kann? Klar er hätte sein Arm verlieren können, hat er aber nicht. Und das zeigt doch dass er großes Glück haben kann. Und Fußball ist nun mal ein Sport bei dem man Risiken eingehen muss und sollte. Würde er das nicht machen könnte er seine Sportkarriere gleich an den Nagel hängen“, sagte die Mutter lächelnd. „Wahrscheinlich hast du Recht. Ich glaub ich werd´ nochmal mit ihm reden“, sagte der Vater.
„Das kann nicht wahr sein!“, fluchte Kevin. Er war in seinem Zimmer und saß an seinem Flügel. Er legte sein Gesicht in die Hände und stützte sich mit den Ellenbogen auf den Klaviertasten ab. „Wieso kann er nicht akzeptieren, dass ich Fußballprofi werden will?“, fragte er niedergeschlagen und schaute auf. Plötzlich rief sich eine Melodie in seinem Gedächtnis in Erinnerung. Es war eine Melodie die er als kleiner Junge gern gehört hatte. Die Melodie war aus einer Serie, aus welcher wusste er nicht mehr. Er stand auf und ging zu seinem Schrank der neben dem Flügel stand. In dem Schrank standen Ordner in denen Notenblätter waren. Es waren die Noten von Liedern und Melodien die er schon auswendig und im Schlaf spielen konnte. „Irgendwo hier muss es doch… Ah da ist es ja!“, sagte er und setzte sich wieder. Er stellte das Notenblatt auf die Ablage, schaute es sich einmal an und fing an zu spielen. Beim Spielen schloss er die Augen und ließ seine Sinne davon gleiten. Die Melodie gab etwas Beruhigendes und Seelisches. In dieser Melodie erkannte er, dass er alles erreichen konnte, egal was er sich vornahm. Normal wurde diese Melodie noch von einer Flöte oder einer Geige begleitet, doch das war ihm egal. Er spielte einfach weiter, spielte sich den Frust von der Seele, den der Streit mit seinem Vater aufgewühlt hatte.
Langsam ging Kevins Vater die Treppen hinauf. Als er am Treppenabsatz ankam hörte er etwas und blieb stehen. Es war eine Melodie. „Wunderbar, findest du nicht?“. Er schrak zusammen und drehte sich um. Seine Frau stand lächelnd vor ihm. „Was ist das für eine Melodie?“, fragte er und lauschte. Die Melodie kam aus Kevins Zimmer. „Er spielt. Ich denke mal er spielt weil er nicht will, dass du böse auf ihn bist. Oder aber er spielt um dich zu vergessen“, sagte Kevins Mutter und ging an ihm vorbei. Leise öffnete sie Kevins Zimmertür, lehnte sich an den Türrahmen und hörte ihrem Sohn zu. >>Glaub mir mein Junge, ich weiß wie du dich fühlst. Bei mir war es damals genauso. Auch mein Vater wollte mich nicht spielen lassen<<, dachte Kevins Vater und setzte sich auf eine der Stufen.
>>…und Schluss<<. Kevin stoppte. „Das war sehr schön mein Junge“, hörte er hinter sich sagen und drehte sich um. Seine Mutter stand in der Tür, gelehnt gegen den Rahmen. „Danke“, sagte er und drehte sich wieder zum Flügel. „Was war das für eine Melodie?“, fragte sie und kam nun ganz ins Zimmer. „Ich weiß es nicht genau, aber ich spiele sie oft wenn ich alleine bin. Ich spiele sie immer dann wenn ich sauer bin oder aber wenn ich viel nachzudenken habe“, antwortete Kevin „normal wird es noch von einer Flöte oder einer Geige begleitet, aber das kann ich beides nicht“. „Warte mal einen Augenblick“, sagte seine Mutter und verließ sein Zimmer. Kurz darauf kam sie schon wieder zurück, mit einer Flöte in der Hand. „Du kannst Flöte spielen?“, fragte ihr Sohn ungläubig. „Ja, ob du´s glaubst oder nicht, ich hab´ das mal gelernt. Komm, zeig mir mal die Noten“, antwortete Kevins Mutter. Er gab ihr das Notenblatt. Sie studierte es kurz und gab es ihm dann wieder. „Los, fang an zu spielen“, sagte sie. Kevin legte seine Hände auf die Tasten und fing an zu spielen. Dabei schloss er die Augen, so konnte er sich besser konzentrieren. Nach ungefähr dreißig Sekunden stimme seine Mutter mit der Flöte ein. Gemeinsam spielten sie als ob es um ihr leben gehen würde. >>Sie spielt richtig gut<<, dachte Kevin als sie die Stelle erreicht hatten, wo normal eine Geige einstimmen würde. Gemeinsam beendeten sie die Melodie und schauten sich gegenseitig an. „Wie fühlst du dich?“, fragte sie ihn lächelnd. „Ein bisschen müde“, antwortete er ehrlich. Tatsächlich fühlte er sich schläfrig und auch sein Körper fühlte sich ausgepowert an. „Dann solltest du dich vielleicht einmal ausruhen. Ich werde mit deinem Vater reden, und glaube mir, du wirst zu dem Spiel morgen gehen ob er es will oder nicht. Nicht nur er hat hier etwas zu sagen, sondern auch ich“, sagte seine Mutter und verließ sein Zimmer. Kevin stand auf und schmiss sich auf sein Bett. Es war ein Wasserbett. Was sollte er jetzt tun? Schlafen und es seiner Mutter überlassen? Oder sollte er sie unterstützen? Er kam zu dem Entschluss, dass es besser wäre wenn er schlafen würde, drum legte er sich auf den Bauch und verschränkte die Arme unter seinem Kopf.
Während er schlief ließ sich sein ganzes Leben noch einmal Revue passieren.
„Als ich geboren wurde haben sich meine Eltern gestritten welchen Namen ich bekomme. Mein Vater wollte, dass ich Julian heiße, meine Mutter war für Kevin. Also kamen sie nach etlichen Streitereien und einigen kaputten Kissen zu dem Namen Kevin Julian. Ich wuchs die ersten fünf Jahre in Amerika auf, als Amerikaner mit deutschen Wurzeln. Ich lernte von meinem Vater Deutsch und von meiner Mutter Englisch obwohl es genau andersrum hätte sein müssen, da mein Vater der Amerikaner ist und meine Mutter die Deutsche. Na ja ist ja auch egal. Mit fünf fing ich mit dem Fußballspielen an. Schnell war ich so fasziniert von dem Spiel, dass meine Mutter mich in einem Sportverein anmelden musste. Dort wurden jedoch nur Wassersportarten wie Synchronschwimmen oder Turmspringen trainiert. Als wir dann nach Deutschland kamen musste ich mit dem Spielen für zwei Jahre aufhören, da ich eine schlimme Knieverletzung hatte, außerdem durften erst Kinder mit sieben Jahren in einem Verein spielen. Ich wartete zwei Jahre lang, hab das Spielen jedoch nie ganz aufgegeben. Ich hab´ immer ein wenig weitergespielt, auch wenn mir das Knie dann weh tat. Mit sieben bin ich dann in die Schule gekommen und hatte da dann auch meine ersten Freunde gefunden, die waren jedoch nicht so fasziniert von Fußball wie ich. Jeden Tag spielte ich so oft es ging Fußball. Egal ob in der Schule oder auf dem Weg nach Hause. Kurz nach meinem siebten Geburtstag hat mich meine Mutter dann endlich in einem Verein angemeldet. Ich hatte großen Spaß zu spielen, auch wenn es Anfangs nicht so gut lief. Mit der Zeit wurde ich jedoch so gut, dass ich sogar unseren Trainer in einem Spiel auf dem halben Feld schlagen konnte, und der war immerhin ein 33-jähriger erfahrener Fußballspieler. Er empfahl meinen Eltern mich in einem Verein für „hochbegabte“ Fußballspieler anzumelden. Doch ich wollte nicht. Ich bin in dem Verein geblieben und spiele auch heute noch dort. Mit elf kam ich dann auf die weiterführende Schule, wo ich auch viele Freunde fand, die genauso fußballverrückt waren wie ich. Einer war besonders gut in Fußball. Sein Name war auch Kevin. Er ist vor einem Jahr nach Skandinavien ausgewandert, doch ich steh noch in Kontakt mit ihm. <<
„Hey, Kevin, aufwachen! Na komm schon, steh auf!“. Er spürte eine kalte Hand auf seinem warmen nackten Rücken und schreckte ruckartig auf. seine Mutter stand vor seinem Bett, hinter ihr sein kleiner Bruder. „Was ist los?“, fragte er verschlafen und richtete sich auf. Ein leichter Windstoß kam durch das geöffnete Fenster und wehte um seinen Körper. Ihm war kalt, weswegen er die Decke bis zum Kinn hochzog. „Warum habe ich mein T-Shirt eigentlich nicht an?“, fragte er etwas verpeilt. „Ich denke mal du hast es ausgezogen“, antwortete seine Mutter „das ist aber jetzt auch egal. Steh jetzt auf und mach dich fertig, du kommst noch zu spät zur Schule“. Sie verließ sein Zimmer. An der Tür drehte sie sich nochmal um und sagte: „Und pack dein Trikot und all die anderen Sachen ein die für das Spiel brauchst“. Sie schloss die Tür. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Kevin sprang aus seinem Bett. Er freute sich, innerlich wie äußerlich. Er war in fünf Minuten fertig. Er sprang kurz unter die Dusche, putzte sich die Zähne, zog sich saubere Klamotten an und packte seine Schul- sowie seine Sporttasche. Mit beidem bewaffnet verließ er sein Zimmer, ging die Treppe – zwei Stufen auf einmal nehmend – hinunter und in die Küche.
Als Kevin in die Küche kam fiel sein Blick auf den Platz seines Vaters, doch er war leer. „Wo ist Papa?“, fragte er und setzte sich, während seine Mutter ihm eine Schüssel mit Cornflakes hinstellte. „Ich hab keine Ahnung. Er ist heut Morgen ganz früh weg“, antwortete sie und machte sich an das Pausenfrühstück für Damian. Schlingend aß Kevin seine Cornflakes auf und war schon mit einem Bein aus der Küche, als er mit seinem Vater zusammenstieß. „Aua, pass doch auf!“, sagten beide gleichzeitig. „Wo willst du hin?“, fragte sein Vater und rieb sich die Brust. „Zur Schule und dann zum Spiel“, antwortete Kevin, seinen Arm reibend. „Bevor du gehst will ich dir noch etwas geben“, sagte sein Vater, packte ihn am Arm und zog ihn mit sich. „Aua, zieh nicht so!“, fluchte Kevin „was willst du mir denn geben?!“.
„Das!“.
Sein Vater hielt eine goldene Kette in der Hand, an der ein Anhänger befestigt war. Zwei „K´s“ waren in den Anhänger eingraviert worden. „Danke, aber wofür ist die…?“, fragte Kevin etwas verlegen. „Sie soll dir zeigen, dass ich immer für dich da bin, egal was du machst“, sagte sein Vater, während er ihm die Kette um den Hals legte und sie zumachte.
„Danke“, sagte Kevin und umarmte seinen Vater.
„Schon okay“, sagte sein Vater, drückte ihn aber dennoch an sich. Er ließ von ihm ab und schaute ihm hinterher, während Kevin den langen Weg zu seinem Sportwagen rannte. Er setzte sich auf die Fahrerseite und hupte laut. Der Reihe nach kamen sein kleiner Bruder, sowie seine Mutter aus dem Haus, verabschiedeten sich von seinem Vater und rannten den Weg ebenfalls hinunter zu den Sportwagen. Sie stiegen ein und Kevin ließ den Motor aufheulen. Er schaltete auf Reverse und fuhr rückwärts durch das Tor auf die Straße, wo er dann auf Drive schaltete und los fuhr. Zu erst wurde Damian an seiner Schule raus gelassen. Dann ein wenig später stiegen er und seine Mutter aus. Sie gab ihm einen Kuss auf die Stirn und stieg dann auf der Fahrerseite ein. Sie fuhr weg, während Kevin den Weg zur Schule hinüber ging, in Gedanken schon bei seinem Fußballspiel. Die ganze Zeit über die er in den Klassenräumen verbrachte dachte er daran, wie er sich damals mit seinem besten Freund angefreundet hatte, mit ihm ein sehr spannendes Abenteuer erlebt hatte und anschließend einige Tage lang sehr traurig war, als sein bester Freund wegzog.
„Ich glaube damals war ich ein oder zwei Tage in der Schule, als mein bester Freund Kevin Leonhard bei mir in die Klasse kam, es war auf der weiterführenden Schule. Neben mir war ein Platz frei gewesen, weshalb unser Lehrer ihn neben mich platzierte. Zuerst hatte ich eine kleine Abneigung gegen ihn, aber als ich von ihm erfuhr, dass er auch verrückt nach Fußball war, freundeten wir uns sehr schnell an. Es dauerte auch nicht lang, bis seine Mutter ihn im selben Fußballclub anmeldete, indem ich auch schon war. Er war der einzige, der mich in einem Mann-gegen-Mann-Spiel schlagen konnte. Er war immer besser als ich, auch als wir einmal so zum Spaß ein Spiel gespielt haben. Er war auch besser, als wir ein Spiel gegeneinander machten, um einen Kuss von einem Mädchen zu bekommen, das wir beide mochten. Er gewann, musste dann jedoch weg, sodass ich den Kuss bekam. Bis heute denke ich, dass er das mit Absicht gemacht hat, doch ich rede ihn darauf nicht an. Jedenfalls ist er dann letztes Jahr weggezogen, nach Skandinavien, um dort in der Jugendnationalmannschaft zu spielen“.
Es klingelte, der Unterricht war beendet. Kevin war schon halb aus der Tür, als ihn einer seiner Klassenkameraden aufhielt. „Hey Kev, was ist nun bist du gleich bei dem Spiel dabei oder nicht?“.
„Nenn mich nicht so, ich mag das nicht! Und ja, ich werde gleich bei dem Spiel dabei sein“, sagte Kevin und ließ seinen Mitschüler stehen.
>>Man können die nerven! <<, dachte er und ging hinaus auf den Schulhof. Er schaute sich um. Überall liefen kleine und große Kinder herum, standen allein oder in Gruppen zusammen und lästerten über andere. Er machte sich auf den Weg, vorbei an Leuten die er nicht kannte oder nur flüchtig kennengelernt hatte. Kevin hatte sich nie sonderlich für seine Mitschüler interessiert, aber irgendwie musste er ja mit ihnen auskommen. Das änderte sich erst, als damals sein bester Freund Kevin in die Klasse kam. Von da an wurde er ein sehr hilfsbereiter und vor allem ein sehr teamfähiger Mensch.
Während Kevin sich durch die Stadt auf den Weg zur Bushaltestelle drängte, kam ihm immer wieder die Erinnerung hoch, wie er damals fast von einem Berg gefallen und gestorben wäre, wenn er nicht mit seinem besten Freund zusammen gewesen wär.
„Ich hatte damals ziemliches Glück! Es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre tot gewesen. Bis heute denke ich darüber nicht nach, denn es löst in mir immer eine Welle von Schuldgefühlen aus, die ich mir nicht erklären kann. Aber so genau kann ich mich an damals nicht erinnern. Ich weiß nur, dass ich mit ein paar gebrochenen Rippen und einem gebrochenen Arm sowie einer ausgekugelten Schulter ins Krankenhaus kam. Auch weiß ich nur von Kevin selber, dass er mir geholfen hatte und sich selber dabei den Arm angeknackst hatte. Bis heute bin ich ihm sehr dankbar dafür. Diese Situation hat uns beide auch noch enger zusammengeschweißt“.
Zischend ging die Tür von dem Bus auf. Kevin setzte sich auf einen leeren Platz und legte seine beiden Taschen neben sich. Viele Dinge flogen ihm durch den Kopf, Dinge der eigentlich vergessen wollte.
Als der Bus eine halbe Stunde später vor dem Gelände seines Fußballclubs hielt, sprang er freudig aus dem Bus und rannte zu einer kleinen Menschenmenge, seinen Teamkameraden. „Seid ihr bereit für das Spiel?“, fragte er und alle drehten sich zu ihm um.
„Ja!“, riefen sie wie aus einem Munde. Lächelnd ging Kevin voran. „Hey Kev, ich denke du stehst nicht so auf Teamwork und das alles!“, rief plötzlich jemand und Kevin schaute sich um. Ihm flog ein Ball entgegen, den er mit Leichtigkeit abwehrte und zurückschoss. >>Der Schuss war gut! <<, dachte Kevin und rief laut: „Natürlich mag ich Teamwork nicht! Aber ich liebe Fußball und es ist nun mal ein Gemeinschaftssport, außerdem ist mein Team das beste das es gibt, Leon!“. Er spürte eine Hand auf seiner Schulter und drehte sich um. Vor ihm stand sein bester Freund Kevin, doch er nannte ihn Leon, das war sein Spitzname für ihn.
„Seit wann bist du wieder in Deutschland?“, fragte er lächelnd.
„Seit zwei Tagen. Ich bin, direkt als ich hier ankam, hier her gefahren und hab den Trainer gefragt wann dein nächstes Spiel ist. Er sagte mir, dass es heute ist. Und ich will doch sehen ob du in dem Jahr besser geworden bist als ich“, antwortete Leon ebenfalls lächelnd.
„Heißt das, dass du mitspielen wirst?“.
„Ganz genau. Ich werde mitspielen, obwohl gegen dich spielen besser passt. Ich werde nämlich in der gegnerischen Mannschaft spielen. Und ich schlage dir einen Wettbewerb vor“.
„Einen Wettbewerb?“.
„Ja“.
„Und was für einer?“.
„Na ja, wer von uns beiden die meisten Tore schießt. Ich habe einen Talentscout zuzüglich des Scouts eingeladen, der heute sowieso dabei seien wird. Der den ich eingeladen hab, ist der Scout der zurzeit besten Mannschaft der Welt: Manchester United. Wer von uns beiden mehr Tore schieß bekommt ein Probetraining bei Manchester und zwar mit Christiano Ronaldo persönlich“, erklärte Leon. Sein Lächeln war verschwunden, seine Miene felsenfest.
„ich wusste, dass Leon keine Scherze machte. Mit so etwas spaßte er nicht. Dafür war ihm das viel zu ernst. Dennoch willigte ich ein. Wer von uns beiden die meisten Tore schießt, der geht nach ManU“.
Kevin packte sein Trikot aus. Es war frisch gewaschen. Der Blutfleck an seinem rechten Arm war weg. Er zog sein T-Shirt aus und zog sein Trikot über. Dann zog er seine Sporthose an, band seine Schuhe zu, legte die Halskette seines Vaters an, verstaute den Anhänger unter seinem Trikot und verließ die Umkleide.
Sein Team erwartete ihn bereits, als er auf den Rasen ging.
„Sie pfeifen jetzt das Spiel an!“, sagte einer seiner Mannschaftskameraden.
„Kapitäne! Gebt euch die Hand!“, sagte der Schiri laut. Kevin trat vor und gab dem Kapitän der anderen Mannschaft seine Hand. Es war Leon.
„Wie bist du so schnell Kapitän geworden?“, fragte Kevin, während sie sich aufstellten.
„Tja Kev, sagen wir einfach ich bin ein Naturtalent“, sagte Leon lächelnd und stellte sich auf. Seine Mannschaft hatte Ballbesitz.
Der Schiri schaute auf seine Armbanduhr.
Drei…
Im Stadion war es still…
Zwei…
Kevin atmete tief ein…
Eins…
Er schaute auf…
Der Pfiff ertönte, Leon trat den Ball so fest er konnte…
“Mr. Lehman is it right that you will change into a german football club?”
Kevin schaute auf seine Armbanduhr.
“Yes it is”, sagte er und stieg in sein Auto.
Zwanzig Jahre sind seit dem Match gegen seinen besten Freund Leon vergangen. Er hatte seitdem er in ManU ist nicht einmal mehr an das Match gedacht. Denn es war ziemlich brutal ausgegangen… Doch jetzt, wo der Tausch in einen deutschen Fußballverein kurz bevorstand, dachte er an das Spiel… welches mit einem Sieg seiner Mannschaft von 40:39 ausging… an das Spiel, in dem sein bester Freund starb… starb an einer tödlichen Herz-Lungenerkrankung…
Kevin fuhr einen einsamen Landweg entlang. Neben ihm war ein großer Fluss… Wenn er es tun würde, dann wär alles vorbei…
Langsam drehte er das Lenkrad seines Lamborghini nach links, in Richtung des Flusses…
„Nein, tu´s nicht! Lebe deinen Traum! LEBE IHN FÜR UNS BEIDE!“.
Schnell drehte Kevin das Lenkrad wieder nach rechts. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er freute sich, innerlich wie äußerlich…

Impressum

Texte: Copyright Adan475 all righst reserved
Tag der Veröffentlichung: 29.04.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme diese Kurzgeschichte jemand ganz besonderen.

Nächste Seite
Seite 1 /