Cover

Prolog

Manchmal konnte das Leben ziemlich schön sein. Man fühlte sich frei und zufrieden, geborgen und glücklich. Aber manchmal bescherte es auch einem Trauer und Wut, Verzweiflung und Angst. Die Kunst das Leben zu meistern, lag also darin, die Waage zwischen den guten und den schlechten Seiten des Lebens zu halten. Aber nicht jedem gelang dies. Manche gaben auf und manche machten ehrgeizig weiter. Doch dazu brauchte man Hilfe und die fand man im sozialen Umfeld. Bekannte, Kollegen, Freunde und Familie. Teil eines jeden Lebens. Aber was war mit den Menschen, die Probleme hatten diesen Teil des Lebens in ihrem eigenen zu verschmelzen? Was war mit den Menschen, die keine Hilfe hatten? Was war mit den Menschen, die einsam waren? Was taten diese Menschen, um die Waage zu halten?

 

 

Claire schloss seufzend ihr rotes Tagebuch und steckte es zurück in ihre hölzerne Schublade ihres Glastisches. Es war zehn Uhr morgens und das Geräusch der Espressomaschine in der Küche ertönte, was darauf hindeutete, dass ihre Eltern sich fertig für ihre Geschäftsreise machten. Das dritte Mal in diesem Jahr, wo Claire alleine zu Hause blieb, aber da sie bereits schon neunzehn Jahre alt war, würde das kein Problem sein.

Sie hatte bereits ihren Führerschein und dank ihren Eltern hatte sie auch ein eigenes Auto. Einen silbernen Audi r8, den sie bis jetzt nur für Einkäufe und kurze Spritztouren benutzt hatte. Sie ging nicht sehr oft raus und das hatte die Konsequenz, dass sie überhaupt keine Freunde hatte. Der einzige Freund, den sie hatte, war ihr kleiner Australian Shepherd Welpe Flecky. Sie hatte ihn an ihrem achtzehnten Geburtstag bekommen und seitdem verbrachte sie jeden Tag mit ihm draußen in ihrem großen Garten. Ihre Eltern verdienten mehr als gut und das kosteten sie voll aus, was dann die Villa, die vielen Autos und den großen Garten erklärte. Im Großen und Ganzen war es ihr egal, was ihre Eltern mit dem Geld machten, denn sie hatten so oder so nicht viel Zeit für sie. Das war auch der Grund, wieso sie ein Einzelkind war.

Die einzige, die sich um Claire gekümmert hatte, war ihre Tante Marianne gewesen, aber seitdem sie geheiratet hatte, ist Claire allein geblieben. Nur noch Flecky war geblieben und sie war sehr dankbar dafür. Das beste Geschenk, was sie je bekommen hatte.

Ein Bellen riss sie aus ihren tiefgründigen Gedanken und ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie Flecky durch die Schlafzimmertür auf sie zurennen sah. Sie breitete die Arme aus und kraulte dem Welpen hinter den Ohren, seiner Lieblingsstelle. Zufrieden gab er ein Bellen von sich und legte sich spielerisch auf den Boden und rollte sich daraufhin auf den Rücken, um von ihr am Bauch gekrault zu werden. Claire entfuhr ein kurzes Lachen und dann stand sie schnell auf, als sie ihre Mutter nach ihr rufen hörte. Sie schnellte die Treppen runter, lief den langen hellbeleuchteten Flur entlang, bog nach rechts ins Wohnzimmer ab und dann nach zwei Stufen erreichte sie die Küche. Diese war hellrot gestrichen und die Möbel waren die neuesten Kreationen, die man in Zeitschriften finden konnte. Fast jedes Jahr renovierten sie die Räume und jedes Mal bekam Claire neue Klamotten und ein neues Bett, das fast genauso aussah, wie ihr altes.

Ihr Leben bestand also hauptsächlich aus Veränderungen und Einsamkeit, die sie an manchen Tagen innerlich zerfraßen. Doch Claire hatte ihre Lebenssituation akzeptiert und sie versuchte das beste daraus zu machen. Was anderes blieb ihr nicht übrig und die Gedanken, die sie manchmal an trüben Tagen überkamen, schrieb sie in ihr kleines rotes Tagebuch, das ihre Tante ihr zu ihrem sechzehnten Geburtstag geschenkt hatte. Bis jetzt hatte sie aber nicht so viel geschrieben und das war auch gut so.

>Claire, Schatz, ich und Dad fahren jetzt gleich zum Flughafen. Du weißt, dass wenn etwas passiert, du uns immer erreichen kannst. In etwa anderthalb Monaten sind wir aus Rio zurück und dann werden wir wie verpsrochen zusammen dinieren, ok?<

>Ok, Mum, viel Spaß und hab euch ganz doll lieb!<

>Wir dich auch Schatz! Also dann, pass gut auf dich und Flecky auf!<

>Werde ich machen... Auf Wiedersehen!< Ihre Mutter gab ihr eine lange zärtliche Umarmung und dann gab sie ihr einen kurzen Kuss auf die Stirn, bevor sie dann ihren schwarzen Koffer hob und ihn die lange Einfahrt bis zum Geschäftsauto trug. Ihr Vater nahm sie dann zum Abschied in den Arm und streichelte ihr liebevoll über den Rücken, um sich dann auch noch von Flecky zu verabschieden und ins Auto zu steigen.

Ein letztes Winke Winke und dann verschwand das Auto von der Einfahrt. Claire senkte seufzend die Schultern und bereitete sich innerlich auf einen langen langweiligen Aufenthalt in ihrem eigenen Haus vor. Flecky schien jedoch ihre schlechte Stimmung nicht zu bemerken, denn er wedelte wild mit dem Schwanz umher und bellte sie freudig an. Sie deutete ihm mit einer Handbewegung, dass er ihr ins Haus folgen sollte und dann durchquerte sie das Wohnzimmer zur Verandatür, die sie mühelos öffnete und danach trat sie in die frische Luft ihres Gartens.

Der Garten war ziemlich groß und bot sehr viel Platz für einen Swimming Pool, der im nächsten Halbjahr eingebaut werden würde, da ihre Eltern ihr eine Freude machen wollten. Sie hatte nie das Bedürfnis nach einem Pool erwähnt, aber ihre Eltern wollten einfach nur das materiell Beste für sie, was sie auch dankbar respektierte. Doch ihre Eltern verstanden einfach nicht, dass sie einfach nur ihre Aufmerksamkeit brauchte und nicht alles, was man mit Geld kaufen konnte. Als Makler verdiente man halt viel und da ihre Mutter und ihr Vater erfoglreiche Makler mit hoher Provision waren, hatten sie auch ziemlich viel Geld. Davon profitieren tat Claire aber nicht so sehr.

Seufzend setzte sich Claire auf die braune Liege und legte das eine Bein über das andere, wobei sie Flecky neugierig beobachtete, wie er im Garten umhertrollte und das Gras beschnupperte. Sie liebte ihren kleinen süßen Hund und die Art, wie er sie zum Lachen brachte, erfüllte sie mit der Liebe, die sie brauchte. Claire war einfach ein einsamer Mensch und sie versuchte jahrelang herauszufinden, woran das lag. Natürlich war sie eine schüchterne Person, aber nur dann, wenn sie die Leute anschauten, als wäre sie eine eingebildete, rechthaberische Person. Viele Menschen verurteilten sie des Schlechteren, obwohl sie gar nicht so war. Bestimmt lag das daran, dass sie nur Markenklamotten trug und ein ziemlich hübsches Mädchen war, wenn sie den Gerüchten in ihrer alten High School glaubte. Sie hatte lange dunkelblonde Haare und eine bordeauxfarbene Strähne zierte ihre vorderen Haare, die zu ihren amethystfarbenen Augen passten. Ihre ganze Ausstrahlung ließ sie aber jünger wirken, als sie es eigentlich war, aber das war für sie nicht so schlimm. Sie war zufrieden mit ihrem Aussehen und die paar Stunden, die sie im Fitnessstudio in der Nähe ihres Hauses verbrachte, verleihten ihr eine schlanke, aber auch kurvenreiche Figur. Mit 1,70 gar keine so schlechte Leistung, aber mit der Narbe an ihrer Handfläche war sie nicht so im Reinen.

Diese hatte sie sich zugelegt, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war und Scherben eines Spiegels hatte aufheben wollen. Eine Scherbe hatte sich dabei tief in ihre Handfläche gebohrt und nach einem kleinen medizinischen Eingriff, war nur eine fünf Zentimeter lange Narbe geblieben. Trotzdem hatten sie den Spiegel aufbewahrt, weil Claire ihn komischerweise behalten wollte und nun hing er an ihrer Zimmerwand und hatte einen goldenen Rahmen bekommen.

Jeden Tag wachte sie auf und sah direkt in den Spiegel, der ihr einst eine fette Narbe verpasst hatte, aber sie fühlte sich zu diesem Spiegel hingezogen. Keine Ahnung wieso, doch diese Tatsache verdrängte sie einfach.

Schon wieder riss das Bellen von Flecky sie aus ihren Gedanken und sie streichelte den verspielten Hund am Hals, um sich dann wieder zurückzulehnen und das Stück Sonne, welche durch die paar Wolken hereinbrach, zu genießen. Claire war durch und durch ein Sonnenmensch, was vielleicht daran lag, dass sie Anfang Sommer geboren worden war. Zwar hatte es an ihrem Geburtstag geregnet, doch das warme Gefühl auf ihrer Haut, das sie durchfloss, wenn die Sonne schien, blieb einzigartig. Genau wie das herzerwärmende Gefühl, wenn sie Flecky sah.

Dieser leckte ihr liebevoll die Hand und ein fröhliches Lächeln huschte kurz über ihre Lippen. Sie liebte ihren kleinen Hund. Seine hellblauen Augen, sein bunt geflecktes Fell und vor allem seine süße kleine weiße Pfote, die er ihr immer gab, wenn sie ihm die Hand entgegenstreckte. Flecky war einfach immer da für sie. Erst Letztens hatte sie Probleme gehabt, als sie in der Nachbarschaft spazieren gegangen war. Ein Mann hatte sie ständig verfolgt und gar nicht von ihr abgelassen und Claire hatte instinktiv die Angst gepackt und sie war sofort schneller geworden. Der Kerl hätte sie fast erreicht, wäre Flecky nicht über den Zaun gesprungen und ihr zu Hilfe geeilt, indem er angefangen hatte, wie wild zu bellen. So etwas passierte ihr in letzter Zeit öfters und sie fragte sich wirklich, woran das liegen mochte. Sah sie wirklich so schwach aus?

Claire verdrehte seufzend die Augen und beschloss wieder ins Haus zu gehen, da sie die Langeweile gepackt hatte und sie etwas an ihrem Piano spielen wollte. Diesen hatte sie zu ihrem zwölften Lebensjahr bekommen und sie spielte fast jeden Tag an diesem Musikinstrument. Durch die melancholischen Töne, die jedes Mal ertönten, sobald sie eine Taste drückte, füllten ihren inneren Schmerz aus und leisteten ihr Beistand. Musik heilte sie und schützte sie. Sie war ihr Freund neben Flecky. Abgesehen davon war Claire eine Blumenliebhaberin. Auf ihrem ganzen Balkon standen kleine und große Vasen, die entweder Lilien, Orchideen, Tulpen oder Hyazinthen trugen, aber ihre persönlichen Favoriten waren immer noch rote Dahlien. Das waren wahre Wunderwerke der Natur.

Mit kleinen Schritten begab sich Claire vorerst in die Küche, um Flecky etwas Essen in den Futternapf zu füllen und ihm dann etwas Wasser zu reichen und dann ging sie mit großen Schritten die Treppen hoch zu ihrem sehr großen Zimmer, was helllila gestrichen war und ihr sehr viel Platz zum Tanzen bot. Erst seit Kurzem hatte sie begonnen zu tanzen, aber nicht Standard, sondern eher der HipHop Style, der ihrem Musikgeschmack nahe kam. Sie mochte diese elegante, langsame Melodie der Standardtänze nicht, sondern bevorzugte schnelle und leidenschaftliche Rhythmen. Ihre Eltern hatten sie anfangs überrascht angeschaut, da sie eher erwartet hatten, dass sie Standard wählte, aber dann hatten sie skeptisch dem zugestimmt und sie in eine Tanzschule im Zentrum der Stadt eingeschrieben. Bis jetzt war sie nur drei Mal dort gewesen, weil sie immer noch auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz war.

Sie wusste einfach nicht, was sie machen sollte und deswegen arbeitete sie mittlerweile als Aushilfe in einem Café am Marktplatz. Ihre Eltern waren zwar nicht so begeistert davon, aber das Gute an ihnen war, dass sie ihr ihren Freiraum zur Selbstfindung gaben.

Tja, ihr Leben bestand also aus negativen und positiven Aspekten. Mit gesenkten Schultern setzte sie sich an das teure schwarze Piano und begann zu improvisieren, bis die Melodie sie endgültig verschluckte und sie auf ihren wohlklingenden Tönen trug. Doch dann durchfuhr sie ein brennender Schmerz an ihrer Handinnenfläche und sie sah sich schmerzverzerrt ihre Narbe an. In den letzten Tagen tat sie ihr oft weh und sie kapierte nicht, woher das kommen könnte. Narben taten doch nicht nach vielen Jahren weh, oder? Kopfschüttelnd schlenderte sie in ihr eigenes Bad und hielt ihre brennende Hand unter dem kalten fließenden Wasser. Der Schmerz begann immer weniger zu werden und als das Brennen endgültig aussetzte, stieß Claire erleichtert Luft aus.

Na das war mal ein merkwürdiges Ereignis.

Claire streckte die Hand nach ihrem flauschigen Handtuch aus, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Sie drehte sich zur geöffneten Tür um und schleichte sich langsam aus dem Bad heraus, um sich prüfend in ihrem Zimmer umzusehen. Stille herrschte in ihrem Zimmer und für einen kurzen Moment glaubte sie, dass Flecky in ihr Zimmer hochgekommen war, als sie jedoch wieder eine Reflexion neben sich wahrnahm.

Mit schnell schlagendem Herzen drehte sie sich um die eigene Achse und sah dabei in ihrem großen Wandspiegel sich selbst. Doch etwas war anders an ihr, aber sie konnte nicht identifizieren, was es war. Mit vorsichtigen Schritten trat sie auf den Wandspiegel, der ihr einst die Narbe verpasst hatte, zu und legte ihre flache Hand an das kühle reflektierende Glas. Eine Gänsehaut durchfuhr sie und als dann ihr Spiegelbild ihr zulächelte, entwich ihr das ganze Blut aus dem Gesicht und sie stolperte erschrocken zurück.

Hatte sich grad ihr Spiegelbild bewegt und zwar ohne, dass sie sich selbst dabei bewegt hatte? Das konnte nicht sein... Bestimmt bildete sie sich das ein, aber als ihr anderes Ich einen Stuhl nahm und sich hinsetzte, setzte ihr Hirn aus und sie verfiel in eine tiefe Schwärze.

1. Kapitel

Eine Stimme benebelte ihren Kopf und mit schwindelerregendem Gefühl fasste sich Claire an den Schädel und stützte sich schwach mit der einen Hand vom Boden ab, um sich dann am Bettrand hinzusetzen und ihr grinsendes Spiegelbild erschrocken anzusehen. Es war doch keine Einbildung gewesen.

>Natürlich war es keine Clairchen... Ich bin immer noch du!<

>Aber, aber du... Du bist mein Spiegelbild... Du darfst nicht reden, sowas ist unmöglich, das kann... Ich...<

>Ok, beruhigen wir uns mal. Tief durchatmen... Ja, ich bin dein Spiegelbild und ich kann reden, das musst du einfach akzeptieren und nicht hinterfragen. Das darfst du nicht wissen! Nicht jetzt, wäre der richtige Ausdruck...<

>Warum kannst du reden? Ich glaub ich spinne, ich muss bestimmt zum Psychologen, oh Gott, ich werde paranoid...<

>Jetzt halt die Klappe, du bist nicht paranoid. Du musst mich sprechen hören. Das versuche ich schon seit einem halben Jahr!<

>Einem halben Jahr?<

>Genau, seit dem Zeitpunkt, wo deine Narbe begonnen hatte, weh zu tun!<

>Aber warum, warum ich? Was, ich versteh gar nichts mehr!<

>Jetzt beruhig dich doch mal, um Himmels Willen und du sollst mein anderes Ich sein. Das ist ja wohl nicht zu fassen. Setz dich verdammt noch mal hin und atme ein und aus, ein und aus. Ok?<

>Ok, ich versuche es... Was willst du von mir?<

>Dich an den Gedanken gewöhnen, dass dein Spiegelbild mit dir reden kann!<

>Das klappt bis jetzt nicht so sehr!<

>Das braucht ja auch seine Zeit, Heulsuse! Reiß dich zusammen und hör mir jetzt gut zu. Was in den Horrorfilmen über eine Spiegelwelt gezeigt wird, ist nicht ganz so falsch, wie es rüberkommt. Es existiert eine andere Welt neben eure und es stimmt, dass es manche gefangene Seelen in unserer Welt gibt. Doch das Wichtigste, was nicht erwähnt wird, ist dass wir das Gegenstück zu eurer Welt sind. Alles Gute bei euch ist alles Böse bei uns und so ist es auch umgekehrt. Das heißt jetzt nicht, dass wir rückwärts Autofahren oder so, aber so vom Gleichgewicht ist das schon korrekt. Nun ist es so, dass es nur sehr wenige Menschen gibt, die unsere Welt sehen können und du bist eine davon. Frag nicht wieso, denn es ist einfach so. Deine Narbe ist das Zeichen, das dich zu einer Speculectoris macht. Eine Spiegelleserin. Deine Aufgabe ist es, die entflohenen Seelen aus meiner Welt in deiner Welt ausfindig zu machen. Sie zurückbringen kannst du nicht, aber dazu gibt es noch andere, die dir dabei helfen werden. Doch zunächst musst du sie finden. Es gibt noch einen Spiegelfänger, eine Spiegelversieglerin und einen Spiegelspringer. Also insgesamt vier, wie du siehst. Du findest sie, dann werden sie gefangen, in unserer Welt endgültig versiegelt und falls nötig, könnt ihr auch unsere Welt als Ortswechsel nutzen. Dazu dient der Spiegelspringer, in unserer Sprache Specualtis genannt! Ich weiß, dass klingt jetzt etwas ungläubig, aber glaub mir, das ist kein Scherz. Sollten unsere Entflohenen in eurer Welt lange verbleiben, dann kannst du dich darauf vorbereiten, dass das Gleichgewicht in beiden Welten zusammenbrechen wird. Du musst uns helfen, wir brauchen uns gegenseitig und nein, nein, nein... Werd mir jetzt bloß nicht wieder ohnmächtig, Claire Walters, ich...<

Doch weiter bekam Claire nichts mit, da sie wieder das Bewusstsein verlor. Sie gleitete in die dunkle Schwärze hinein und landete dann hart auf einem dunklen Boden, der nur durch ein paar sonnnereflektierende Glassscherben erhellt wurde. Sie richtete sich kopfschüttelnd auf und sah sich neugierig um. Um sie herum waren lauter Spiegel aufgestellt und nur sie selbst stand in der Mitte und bewegte sich kaum ein Stück. Konnte sie auch nicht, weil sie ihren Körper nicht kontrollieren konnte, ihren Geist aber glücklicherweise schon. Bedrückende Stille umarmte sie in dieser trostlosen Umgebung, aber ein Gefühl verriet ihr, dass sie nicht allein war und als dann plötzlich ein Spiegel zersprang, bestätigte sich ihre Vorahnung.

Ein Mann, der ziemlich verschwommen aussah, faltete die Hände zusammen und neigte den Kopf zum anderen Spiegel. Wie aufs Wort zersprang auch der nächste Spiegel und eine etwas unsichtbare Frau erschien, die das Gleiche tat wie der Mann zuvor. Der dritte Spiegel zersprang und schon wieder tauchte ein Mann auf, der jedoch etwas erkennbarer war, als die anderen. Er hatte kurzes weizenblondes Haar und seine Augen waren waldgrün, die direkt in ihre eigenen eintauchten. Etwas unbehaglich fühlte sie sich dabei schon, aber dann verschwanden diese Personen wieder und nur sie allein blieb zurück. Verunsichert blickte sie sich um, soweit sie ihren Kopf bewegen konnte und in der weiten Ferne erkannte sie dunkle schwebende Gestalten, die genau auf sie zuflogen. Und je mehr sie sich ihr näherten, desto mehr erfüllte sie die nackte Angst. Eine Schattengestalt huschte kurz über ihren Kopf und als sie verängstigt wieder die Augen öffnete, sah sie direkt in das Gesicht eines verbranntes Gesichtes. Ein lauter Schrei kam in ihr hoch, doch alles was sie rausbekam, war ein Krächzen. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie dem widerlichen Gesicht in die blutunterlaufenen Augen und dann holte die Gestalt mit einem Mal aus und Claire schloss panisch die Augen.

Um Atem ringend wachte Claire in ihrem kuschlig warmen Bett auf und Flecky saß genau neben ihr und warf ihr einen besorgten Blick zu, sollten Hunde sowas wirklich können. Ihr Kopf pochte vor Schmerz und sie fragte sich ernsthaft, ob sie eine schlimme Grippe erwischt hatte. Mit einem Blick aus dem Fenster stellte sie fest, dass es bereits schon Abend war, dehalb beschloss sie die Türen zu verriegeln und sich dann eine heiße Tasse Kakao zu machen. Flecky folgte ihr ohne Aufforderung und dann schloss sie dreimal die Haustür ab, um danach auch die Fenster und die Verandatür zu schließen. Mit einem tiefen Seufzer steuerte sie dann Richtung Küche zu und öffnete anschließend den Schrank, in dem das Kakaopulver aufbewahrt wurde.

Claire liebte Kakao seit sie zur Welt gekommen war. Sie verband viele Erinnerungen damit, die teils gut, aber teils schlecht waren. Ein Kratzen lenkte sie dennoch ab und als sie dann Flecky aufgeregt auf dem Fußboden kratzen sah, hob sie fragend eine Augenbraue. Was war denn mit dem Kleinen los? Dieser hob ruckartig den Kopf und begann wie wild zu schnuppern, worauf er dann bellend im Wohnzimmer verschwand. Verwirrt folgte sie ihrem durchgedrehten Hund und blieb erstarrt stehen, als sie den Spiegel im Flur sah, den Flecky ununterbrochen anbellte.

Mit langsamen Schritten ging sie auf ihren Hund zu und packte ihn dann am Halsband, um ihn dann liebevoll in den Arm zu nehmen. Claire betrachtete misstrauisch den Spiegel und Unsicherheit breitete sich in ihr aus. Konnte es sein, dass das was sie vorher erlebt hatte, Realität war?

Ihr Spiegelbild bewegte sich aber nicht und daraus zog Claire die Schlussfolgerung, dass sie alles nur geträumt hatte. Erleichtert über diese Erkenntnis machte sie sich wieder auf den Weg zurück in die Küche, damit sie endlich ihren Kakao anfertigen konnte, um sich dann entspannt auf den Hocker am Tresen zu setzen und unverwandt ins Leere zu starren. Morgen früh würde sie zur Arbeit gehen und dann wieder nach so langer Zeit tanzen gehen. Sie hatte es irgendwie vermisst neue Choreos zu lernen und sie dann in ihrem Zimmer näher einzustudieren. Aber zuvor musste sie einkaufen gehen und sich schon mal einen Vorrat für die kommende Woche kaufen. Genau so würde sie morgen vorgehen, Arbeit, Einkaufen und dann Tanzen.

Zufrieden nahm sie die leere Tasse in die Hand und stellte sie dann in die Spülmaschine, um sich dann noch einen kleinen Snack aus dem Kühlschrank zu holen. Ein Blick genügte und sie nahm sich einen leckeren Vanillejoghurt heraus. Mit einem Hüftschwung schlug sie die schwere Kühlschranktür zu und ließ überrascht den Becher fallen, weil ihr anderes Ich schon wieder aufgetaucht war.

>Verdammt nochmal, das ist kein Traum oder so. Ich hab dir die Wahrheit gesagt und jetzt geh sofort in dein Zimmer und sprich dort mit mir weiter, weil diese Tür nicht so gut spiegeln kann und das eine Menge Kraft braucht, um mit dir zu sprechen. Sofort und nimm den Joghurt mit!<

Claire sah ihr verschwommenes Spiegelbild verstört an, aber sie hob den Becher auf und holte sich noch einen kleinen Löffel aus der Schublade, um dann wie in Trance in ihr Zimmer zu gehen, dicht gefolgt von ihrer Welpe. Vor ihrer Tür schluckte sie hart und dann fasste sie den Mut und betrat ihr Zimmer, welches nur schwach durch ihre Stehlampe beleuchtet wurde. Flecky war der erste, der auf den Wandspiegel zusteuerte und ihn dann anbellte, bis er plötzlich begann zu winseln und sich unterm Bett zu verstecken. Claire stellte sich vor den Spiegel hin und sah ihrem anderen Ich direkt in die Augen.

>Ok, was willst du? Und was hast du mit meinem süßen Hund gemacht?<

>Dein Hund braucht mal Manieren und das andere Ich deines Hundes hat ihm anscheinend die Meinung gesagt. Und zu dir, ich will, dass du endlich verstehst, dass du eine wichtige Aufgabe hast, die du auch erfüllen musst. Dazu musst du die anderen finden! Das ist deine erste Aufgabe... Ich reise auch schon wie eine Verrückte rum und versuch das andere Ich der anderen zu finden, doch bis jetzt habe ich keinen entdeckt. Deswegen beweg deinen Arsch und hilf mir. Das musst du!<

>Ich kann es einfach nicht jetzt tun, Mensch. Ihr oder wer auch immer muss sich getäuscht haben. Ich bin keine Person, die spontan und mutig in fremde Territorien rumschnüffelt! Ich bin ein reiches, unbeliebtes und einsames Mädchen. Das wars!<

>Heilige Jungfrau Maria. Warum muss ich nur dieses Mädchen, als bessere Hälfte haben? Die wird sich bestimmt schon in die Hose machen, wenn sie einen Schmetterling auf sich zufliegen sieht. Mädchen, mag sein, dass du einsam bist und kaum richtige Elternliebe erfährst, aber du musst verdammt aufstehen und allen zeigen, dass du ein starkes Mädchen bist. Du kannst das, du bist nicht umsonst eine Spiegelleserin! Jetzt geh schlafen und ruh dich erstmal aus. Morgen früh werde ich genau hier auf dich warten, ok?<

>Ok...< Claire drehte sich wie versteinert um und öffnete ihren riesigen begehbaren Kleiderschrank, um sich dann ihr violettes Nachtkleid überzuziehen und sich im Bad bettfertig zu machen. Nach etwa fünf Minuten war sie fertig und dann legte sie sich in ihr rundes Bett rein und kuschelte sich in ihre flauschige weiße Decke ein. Flecky sprang anschließend aufs Bett und rollte sich am unteren Bettende zusammen, um ein kurzes 'Gute Nacht' zu bellen. Claire murmelte auch ein 'Gute Nacht' und dann richtete sie das Kissen so, bis sie tief und fest einschlief.

And I find it kind of funny I find it kind of sad The dreams in which I’m dying are the best I’ve ever had...

Mit einem müden Seufzer stellte Claire ihren Radiowecker aus und richtete sich dann gähnend auf ihrem Bett auf und streckte alle Gliedmaßen von sich, um sich dann wieder nach hinten fallen zu lassen. Ein Blick auf den Wecker verriet ihr, dass es bereits neun Uhr morgens war, also Zeit um sich vorzubereiten und dann zur Arbeit zu gehen. Flecky war schon längst wach und wartete schon ganz aufgeregt auf sein Frühstück, dem Claires knurrender Magen zustimmte. Doch bevor sie überhaupt dazu kam, hörte sie ein Räuspern, das ganz eindeutig von ihrem anderen Ich kam.

>Und hast du gut geschlafen? Glaubst du mir jetzt, dass das alles Realität ist? Oder bist du immer noch der Meinung, dass das alles an deiner Paranoia liegt?< Claire hörte schon gar nicht mehr zu, denn sie hatte sich bereits entschieden, dem allen auszuweichen und zu versuchen ganz normal weiterzuleben. Das war das Gesündeste, was sie im Moment tun konnte, nur dass es ihrem bösen Ich nicht so recht passte.

>Hallo? Redest du jetzt nicht mehr mit mir oder was? Sag mal, ich glaub du willst mich verarschen? Gehts dir noch gut? Hallo? Ich weiß, dass du mich hören kannst, selbst dein Köter bemerkt mich!<

>Er ist kein Köter! Er heißt Flecky und im Gegensatz zu dir, ist er real. Du bist nur eine Ausgeburt meiner Fantasie! Und jetzt gehe ich normal runter und beginne meinen Morgen, wie ein stinknormaler Mensch, der keine Stimmen aus dem Spiegel hört!<

>WAS? Ich glaub mich beißt der Höllenhund! Du kannst und wirst mich nicht ignorieren. Früher oder später wirst du angekrochen kommen und mich um Hilfe bitten und dann werden wir ja sehen, wie normal dein Leben ist und... Hey, wag es nicht mir den Rücken zuzudrehen, das ist doch wohl... HEY!< Aber Claire schloss entschlossen die Tür hinter sich zu und rannte schnell runter in die Küche, damit sie endlich ihrem Hund das lang ersehnte Futter geben konnte. Flecky stürzte sich dann wie ein Verrückter auf das Essen und als er dann seine Mahlzeit beendet hatte, legte er den Kopf schräg und musterte sie mit seinen hellblauen Augen an. Claire warf ihm ein aufmunterndes Lächeln zu und dann biss sie genussvoll in ihren warmen Toast rein, der ihren Magen etwas besänftigte. Anschließend ein Schluck Orangensaft und der Tag konnte beginnen.

Voller Energie sprang sie vom Hocker runter und lief in den Flur, wo sie sich eine braune Lederjacke von Esprit schnappte und den Autoschlüssel ihres Audi vom Haken nahm und Flecky aufforderte zum Auto zu gehen. Dieser bellte ganz aufgeregt und spurtete schnell über den Rasen, hin zu ihrem silbernen Auto, den sie mit einem Knopfdruck öffnete. Zuerst öffnete sie die Beifahrertür, damit Flecky auf den Sitz raufspringen konnte, um dann von seinem Herrchen angeschnallt zu werden. Anschließend ging sie um das Auto herum und setzte sich neben ihren Hund hin und schaltete den Motor ein. Bevor sie aber losfuhr, ließ sie die Fensterscheiben runter, weil Flecky den Wind in seinem Gesicht über alles liebte und dann legte sie den Gang ein und fuhr los.

Das Café, in dem sie arbeitete, war nur zwanzig Minuten entfernt, weil das Stadtzentrum nicht so weit entfernt vom Vorort war, wo sie wohnte. Links und rechts erstreckten sich kleine und große Häuser mit großen Gärten und vielen Garagen. Das Grün der Bäume erfrischte das Ambiente und auch das schöne Wetter heute, erfreute Claires Frühlingsstimmung. Der kalte Winter war endlich vorbei und die Menschen konnten endlich die gefüllten Mäntel zu Hause lassen und den Tag im Garten genießen. Nach ihren Erledigungen würde sie sich dann ein Buch schnappen und es dann lesen. Zufrieden überquerte sie die Kreuzung der Mall Street und dann bog sie rechts ab, um ihr Auto auf dem freien Parkplatz zu parken. Von dort aus würde sie nur fünf Minuten brauchen, um zu ihrer Arbeit zu gelangen und nachdem sie Flecky an die Leine genommen hatte, begab sie sich auch schon zur Stadtmitte. Die Stadt war voller Menschen, was bei dem sonnigen Wetter nicht überraschend war und alle Läden liefen nach ihrem Wissen bestens. Vor allem der Süßigkeitenladen, der zwei Ecken weiter lag, als das Café. Dort kaufte sie sehr oft ein, denn dort fabrizierte man die besten Cupcakes, die sie jemals gegessen hatte. Aber auch die anderen Köstlichkeiten, die dort gebacken wurden, waren göttlich vom Geschmack her.

Irgendwann würde sich Claire mit der hohen Kochkunst auseinandersetzen und dann genauso gut backen können. Reiten, Pianospielen, Gitarrespielen und Ballett hatte sie seit sie klein war schon gemeistert und nun würde sie sich ans Tanzen halten und vielleicht später auch ans Kochen. Aber das hatte ja seine Zeit. >Ah Claire, da bist du ja. Komm schon, komm schon, die Tische füllen sich ununterbrochen. Hopp, an die Arbeit und Flecky weiß ja, was er machen soll!<

Mrs Cleeve, die Cafébesitzerin, winkte ihr lächelnd zu und dirigierte sie hektisch hinter die Tresen, wo Claire sich gleich an die ersten Kunden wandte. Ihre Chefin war eine ganz nette alte Frau, aber manchmal konnte sie ziemlich streng werden, was von der Anzahl der Kunden abhing. Und wenn Claire sich kurz umsah, dann würde es hier ziemlich hektisch ablaufen.

Mit einem aufgesetzten netten Lächeln bediente sie jeden einzelnen Kunden, auch wenn sie die lesternden Blicke von so Teenagern ertragen musste. Die konnten es einfach nicht lassen, aber so war das nunmal. Flecky lag entspannt in einer Ecke und genoss paar Streicheleinheiten von vorbeilaufenden Kleinkindern. Tja, er liebte kleine Kinder, was viele Sympathiepunkte in diesem Laden einbrachte, weil viele Kinder ihre Eltern dazu drängten hierher zu kommen. Zum Glück war Mrs Cleeve eine Hundeliebhaberin und hatte gegen den täglichen Besuch von Flecky kein Problem, solange er auch ganz brav blieb.

Einmal hatte er ein ganzes Drama veranstaltet, als er den Hund einer Stammkundin verfolgt hatte, um mit ihm zu spielen. Die Kundin war so der festen Überzeugung gewesen, dass Flecky ihrem Hund wehtun wollte, dass sie ihr eiskalt ins Gesicht gesagt hatte, dass er einen Mundkorb brauchte. Diese Frau war seit dem Tag nie wieder gekommen, aber Mrs Cleeve hatte ihr daraufhin verziehen, weil sie sich an die Gesellschaft von Flecky zu sehr gewöhnt hatte, um sauer auf ihn zu sein. Ja, er war irgendwie ein kleiner Charmeur.

>Einmal Himbeer und einmal Vanille in Waffel, bitte!< Claire erschrak bei der Stimme, weil sie zu vertieft in ihren Gedanken gewesen war, um den Mann vor ihr zu bemerken. Als sie ihm jedoch in die Augen blickte, stockte ihr der Atem. Dieser Mann war der reinste Nektar ihrer Sinne. Dieses weizenblonde Haar, diese wunderschönen tiefen grünen Augen und dieses schiefe charmante Lächeln, das er ihr erwartungsvoll zuwarf. Irgendwie kam er ihr bekannt vor, aber durch die ganze Attraktivität dieses Mannes konnte sie kaum einen klaren Gedanken fassen. >Ähm, Miss... Ist alles in Ordnung? Krieg ich jetzt noch mein Eis?<

>Oh, ähm ja... Tut mir leid, ich war grad ganz wo anders! Klar bekommen Sie ihr Eis... Einen Moment!< Mit geröteten Wangen machte sie sich an die Bestellung und dann gab sie ihm schüchtern das Eis und das Rückgeld, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Er warf ihr schon wieder dieses schiefe Lächeln zu und dann winkte er ihr kurz zum Abschied.

Die Röte stieg ihr wieder in die Wangen und dann schüttelte sie verwirrt den Kopf. Woher kannte sie nur diesen Mann? An so einen Adonis würde sie sich doch wohl erinnern! Aber trotzdem schien ihr Gedächtnis wie gelähmt zu sein. Diese Augen, dieses Lächeln, das ganze Aussehen, einfach alles hatte sie aus der Bahn geworfen und nun stand sie unbeholfen hinter den Tresen und versuchte wenn schon einen klaren Gedanken zu fassen. Vergebens! Was war nur los mit ihr?

Plötzlich spürte sie etwas Kühles an ihrem Bein und als sie dann runtersah, entdeckte sie Flecky, der ihre freiliegende Haut ableckte. Lachend kniete sie sich vor ihn hin und kraulte ihn liebevoll hinter die Ohren. Dieser Hund wusste einfach, wann sie seine Aufmerksamkeit brauchte und sie war sehr dankbar dafür. Mrs Cleeve rief ihr von draußen zu, sie solle drei Capuccino machen und Claire machte sich eifrig an die Arbeit, während Flecky enttäuscht zu seinem Lieblingsplatz lief und sich gähnend hinlegte und das Geschehen draußen beobachtete.

Nach drei in Rekordzeit angefertigten Capuccino stellte sie Claire auf ein Silbertablett und brachte sie nach draußen, direkt auf einen Ecktisch zu, wo dieser Kerl von vorhin saß. Aber nicht alleine, sondern mit zwei Frauen und einem weiteren Mann. Die eine Frau warf ihr ein freundliches Lächeln zu und die andere schien, als ob sie Claire am liebsten den Kopf abhacken wollte, weswegen sie ein mulmiges Gefühl im Bauch bekam. Freundlich stellte sie die Tassen auf den Tisch hin und wünschte ihnen einen schönen Aufenthalt, als sie der Typ neben dem Adonis zurückrief. Mit fragender Miene ging sie zurück zum Tisch und sah unsicher in die Runde. >Ja, was möchten Sie noch, Sir?<

>Bist du Single?<

>Noah, jetzt sei doch nicht so aufdringlich! Siehst du nicht, dass du das Mädchen einschüchterst mit deiner Draufgängerart! Süße, geh einfach... Sein männliches unstillbares Libido meldet sich wieder!< Claire wurde etwas verlegen, warf aber dem freundlichen Mädchen einen dankenden Blick zu, aber dieser Noah verzog den Mund beleidigt zu einem Schmollmund. Das nette Mädchen verdrehte daraufhin die Augen und schlug ihm leicht auf den Hinterkopf, worauf er ein beleidigtes 'Hey' ausstieß.

Sie schienen sehr gut befreundet zu sein, das merkte man an der lockeren Art, wie sie miteinander umgingen. Ein gewisser Herzschmerz breitete sich erneut in ihr aus, bis sie ein Bellen hinter sich wahrnahm. Flecky kam auf sie zugerannt und knurrte diesen Noah an. Dieser lachte aber nur laut auf und streckte vertrauensvoll die Hand nach ihm aus, als Flecky zum Biss ausholte. Noah zog aber schnell die Hand zurück und warf dem Hund einen bösen Blick zu. >Dieser Hund ist ja gemeingefährlich. Welcher blöde Besitzer lässt diesen frechen Bengel leinenlos laufen?<

>Ähm, dieser gemeingefährliche Hund heißt Flecky und ist mein Hund. Anscheinend kann er sie nicht leiden, denn er ist normalerweise ein sehr braver Junge... Und dumm bin ich auch nicht!< Noah wurde etwas rot um die Wangen und sein Freund, dieser gutaussehende Mann, begann herzhaft zu lachen. Gott, wie sie dieser Mann anzog. Dieses Lachen klang wie die Schönheit ihrer Blumen. Seine göttlichen grünen Augen strahlten beim Lachen und seine vorderen Strähnen wippten im Takt mit.

Als sie jedoch die forschenden Blicke der Mädchen erkannte, sah sie schnell verlegen auf den Boden und pfiff Flecky zu sich, der diesen Noah immer noch nicht aus den Augen ließ. Flecky knurrte ihn daraufhin zum Abschied an und dann trottete er auf sie zu und stellte sich ganz nah neben sie, sodass es bestimmt aussehen müsste, als wäre er ihr ultimativer Beschützer. Claire verabschiedete sich unsicher mit einer kurzen Handbewegung und verschwand mit schnellen Schritten ins Café. Dort widmete sie ihre ganze Aufmerksamkeit dem Putzen der Tresen und Bedienen der Kunden im Café zu. Rausgehen traute sie sich nicht mehr, denn bei dieser Gruppe fühlte sie sich so fehl am Platz wie nie zuvor und dieser Adonis raubte ihr einfach zu sehr den Atem, um überhaupt klar denken zu können. Dieser Noah war zwar auch ein richtiger Frauenschwarm, aber das kurze lockige dunkle Haar und die goldbraunen Augen waren nichts im Vergleich zu den gold schimmernden Haaren des anderen. Wie er wohl hieß? Das würde sie liebend gerne wissen. Der musste auf jeden Fall einen sehr tollen Namen haben. Gutaussehende Männer brauchten einfach Hammernamen.

>Claire, gehst du bitte zum Ecktisch und nimmst das Geld, die wollen dort zahlen!< Claire bejahte und machte sich nervös auf den Weg zu den vier Freunden, die sie mit ihren forschenden Blicken durchstachen und bis in ihr schüchternes Inneres blickten. Mit gestreckten Schultern ging sie lächelnd auf sie zu und holte ihr Portemonnaie heraus, um das Geld von dem netten Mädchen dankend entgegenzunehmen. Claire mochte irgendwie dieses Mädchen, denn sie sah so sympathisch und freundlich aus, dass jedes Herz bei ihr erweichen würde. Vor allem ihre kurzen dunkelbraunen Haare umrahmten perfekt ihr rundliches Gesicht und die Sommersprossen versüßten ihr Aussehen. Aber auch ihre blaugrünen Augen waren wunderschön, nicht so komisch wie ihre eigenen, die so manch Aufmerksamkeit auf sich zogen.

Adonis sah sie amüsiert an und dann fragte er sie nach ihrem Namen, worauf sie peinlich errötet ihren Namen stotterte. Er nickte lächelnd und entpuppte sich als Curtis und dann stellte er kurz seine anderen Freunde vor. Das nette Mädchen hieß Helena und war seine Schwester, die andere daneben war die Schwester von Noah und hieß Viktoria und Noah selbst war der beste Freund von ihm.

Claire lächelte jeden freundlich an und dann hörte sie plötzlich wieder die hektische Stimme ihrer Chefin, die sie aufforderte keine Päuschen zu machen, sondern harte Arbeit zu verrichten. Augenverdrehend winkte sie der netten Gruppe zum Abschied zu und dann ging sie wieder an die Arbeit.

Nach vier Stunden Hin und Her und einer angemessenen Menge an Trinkgeld verabschiedete sich Claire von Mrs Cleeve und pfiff den faulen Flecky zu sich, der vorher von tausenden Kindern gestreichelt worden war. Er trottete müde auf sie zu und mit einem sanften Lächeln auf dem Gesicht, hob sie ihren Hund hoch und lief den Weg zurück zu ihrem Auto. Dort verfrachtete sie Flecky auf den Beifahrersitz und nach dem Anschnallen ging es sofort zum Supermarkt, wo sich Claire einen Vorrat an Lebensmitteln kaufen wollte.

Flecky musste sie leider zurücklassen, aber er machte es sich so weit wie möglich auf dem Sitz gemütlich und schloss zufrieden die Augen. Claire ließ ihre Jacke liegen, da die Sonne genug Wärme produzierte, um sie zum Schwitzen zu bringen und mit schnellen Schritten betrat sie das klimatisierte Gebäude und steuerte direkt auf den Obststand zu.

Sie ernährte sich sehr gesund, obwohl sie manchmal ziemlich depressiv drauf war, aber sie war einfach kein Typ, der sich mit Schokolade vollstopfte und dann noch Tonnen Chips hinterherschluckte. Dazu wurde sie zu gut erzogen, aber natürlich gönnte sie sich auch mal eine Sünde. Vor allem bei ihrem Lieblingsladen mit den besten Cupcakes.

Claire schnappte sich einen Tragekorb und füllte ihn mit diversen Früchten, Gemüse und dann noch Brot und Nudeln. Was zu trinken besorgte sie sich natürlich auch und dann als der Korb etwas zu schwer wurde, entschied sie an die Kasse zu gehen, wurde aber durch ein komisches Gefühl gehindert, da ihr Instinkt sie vor etwas warnen wollte. Misstrauisch sah sie sich um und entdeckte nur noch sehr wenige Menschen im Supermarkt, aber was ihr ein wenig Angst einjagte, waren diese Spiegel am Ende jeden Regals, weil diese eigenartige Reflexionen spiegelten.

Eine Art Schatten, die dort eigentlich nichts zu suchen hatten.

Plötzlich begann das Licht zu flackern und da riss ihr der Geduldsfaden und mit schnellen Schritten begab sie sich zur Kasse, wo sie jedoch niemand erwartete. Eigenartige Stille hatte die ganze Halle verschluckt und das gefiel Claire ganz und gar nicht. Sie war überhaupt kein Fan von Horrorfilmen und diese beängstigende Stille war schon schlimm genug. Mit schnellen Schritten steuerte sie auf den Ausgang zu, blieb aber abrupt stehen, als sie eine Spiegelung in den Glastüren erkannte, die ihr schlichtweg den Atem raubten. Ängstlich drehte sie sich um und blickte einem stillen starren Mann direkt in die leeren Augen. Als er dann sprach, schauderte sie bei seiner tiefen besetzten Stimme.

>Du bist die Speculectoris. Ich hab dich lange gesucht und endlich habe ich dich gefunden... Und hier endet auch dein Weg, Kleines, denn du bist uns eine ziemliche Last, solltest du deine Fähigkeiten entdecken.<

Claire konnte sich vor lähmender Angst nicht bewegen, denn dieser Mann hatte so eine bedrohliche Ausstrahlung, dass sie sich fast in die Hose machte. In diesem Moment verfluchte sie sich dafür, dass sie nicht zu einem Selbstverteidigungskurs gegangen war. Sie hatte die Möglichkeit gehabt und hatte sie einfach aus Desinteresse fallen lassen. Der Mann kam langsam auf sie zu und holte einen blitzenden Dolch aus seinem Hosenbund, weswegen sich Claire noch weniger bewegen konnte, hätte sie eine bekannte Stimme nicht hinter sich gehört.

Das war ihr anderes Ich, das sich nun in den leichten Spiegelungen der Ausgangstür materialisiert hatte. Dankbarkeit durchströmte sie für einen kurzen Moment, was dann sofort durch den furchteinflößenden Mann zerstört wurde. Ihr anderes Ich flüsterte ihr zu, dass sie so schnell wie möglich das Weite suchen sollte und als hätte man in ihr einen Schalter umgelegt, rannte sie schon blitzschnell los. Der Kerl brüllte ihr wütend zu, sie solle bloß stehen bleiben, doch daran dachte sie nicht mal eine Zehntelsekunde lang. Sie sprintete weiter zum Eingang, um von dort aus nach draußen zu gelangen, aber irgendwie funktionierte die Automatik nicht und Verzweiflung packte sie.

Der Kerl kam immer näher und je kleiner ihre Distanz wurde, desto schwitziger wurden ihre Hände und kurz bevor sie dem Blackout erlag, sah sie durch die Scheiben Flecky auf sie zurennen. Durch seine Bewegung öffnete sich die Tür und Claires Herz begann wieder Adrenalin in ihren Körper zu pumpen. Dieser Hund war einfach ein Held und er würde nach der Flucht eine Menge Leckerlis bekommen. Das hatte er wahrlich verdient!

Blitzschnell zog sie ihren Schlüssel aus der Hosentasche, öffnete ihr Auto, ließ Flecky hechelnd einsteigen, setzte sich dann auf den Fahrersitz und ohne sich anzuschnallen, trat sie heftig aufs Gas und fuhr auch schon los. Doch dann tauchte der Mann vor ihr auf und eine Vollbremsung folgte, die sich als falsch herausstellte, weil er dann killerlike auf sie zukam.

Hektisch stellte sie den Rückwärtsgang ein und als sie dann genug Distanz zwischen beide gebracht hatte, entdeckte sie ihr anderes Ich im Rückspiegel, die sie aufforderte den Kerl sofort eiskalt umzunieten. Claire wehrte sich aus Moral gegen diese Handlung, aber ein Blick reichte in die blutdurstigen Augen des Mannes zu sehen und sie trat aufs Vollgas und fuhr ihn einfach um. Geschockt über ihre Tat, blieb sie erstmals reglos sitzen, aber dann entschied sie sich einfach weiterzufahren und nie wieder zurückzuschauen. Flecky saß auf dem Rücksitz und bewachte die Lage, die hinter ihr geschah und als er sich dann zufrieden hinlegte, fiel ihr erleichtert ein Stein vom Herzen.

Das eben konnte nicht normal gewesen sein und das brauchte unbedingt Aufklärung und die würde sie sich von ihrem anderen Ich holen. Mit purer Entschlossenheit raste sie zurück zu ihr nach Hause und dann schnellte sie hoch in ihr Zimmer und stellte sich direkt vor den Spiegel hin und wartete. Flecky kam bellend hinterher und legte sich anschließend aufs Bett und nahm alles neugierig auf, bis er auch die andere Claire sich bewegen sah. >Hast du also doch kapiert, dass ich nicht deine Ausgeburt deiner Fantasie bin, weil du dich ach so einsam fühlst?<

>Hey, das ist nicht nett... Ja, ich glaub dir jetzt, aber wieso ich? Ich bin wie schon gesagt keine Kämpfernatur. Ich gehe zwar oft ins Fitnessstudio, achte auf eine ausgewogene Ernährung, aber ich kann das nicht. Du hast mich bestimmt gesehen, als mich diese vier Leute da im Café angesprochen haben. Gott, ich konnte mich vor Schüchternheit nicht bewegen!<

>Jetzt halt mal die Klappe mit deinem ekelhaften Selbstmitleid, das kotzt mich langsam an. Jesus, was habe ich dir angetan, damit ich so eine Frau verdiene?<

>Uha, tu doch nicht so, als wäre ich so schlimm! Du bist voll gemein!<

>Oh, jetzt meldet sich aber mein nicht existierendes Gewissen... Ich bin deine negative Seite, ich bin böse! Und du sollst die Streberin gewesen sein, wenn du nicht mal das kapierst? Herr Gott nochmal, besinn dich jetzt auf die wichtigen Dinge. DU BIST eine SPECULECTORIS! Du siehst Spiegelgestalten in anderen Menschenkörpern. Diese haben eben Besitz von Menschen ergriffen und kontrollieren sie von innen heraus, um eure Welt zuihrer eigenen zu machen. Ganz einfach! Deine Aufgabe ist es sie zu finden und mithilfe von den anderen in unserer Welt einzusperren.<

>Und wo sind die anderen?<

>Sag mal willst du mich verarschen? Ich hab es dir doch schon gesagt... SUCH NACH IHNEN! Ich krieg gleich einen Anfall mit dir!<

>Tschuldigung, war halt zu beschäftigt mein neues Leben zu akzeptieren!<

>Aha und in einem Spiegel zu wohnen, findest du angenehmer oder was?<

>Ok, was zickst du mich jetzt so an?<

>Ich hab schlechte Laune ganz einfach. Lass es einfach über dich ergehen und halt den Mund! Du hast eh jetzt Tanzstunde... Geh dahin und tu was gegen deine schwache Kondition!<

>Na gut... Wie soll ich dich eigentlich nennen? Auch Claire?<

>Nein, ich heiße Hazy. Das heißt dunstig, also das Gegenteil zu dir die Helle!<

>Hey cool, sogar gegensätzliche Namen gibts bei euch!<

>Boohooo, wie toll und jetzt geh!<

2. Kapitel

Claire kniff genervt die Lippen zusammen und bereitete schon mal ihren Trainingsrucksack fürs Tanzen vor. Diese Hazy war echt ein Energiebündel und sie nahm obendrauf kein Blatt vor den Mund, was manchmal sehr nötig war, beispielsweise vorhin. Sie war so gemein zu ihr und nahm überhaupt keine Rücksicht auf ihre Gefühle, weswegen sie langsam glaubte, dass sie wirklich keine Gefühle oder ein Gewissen besaß. Hazy machte mit ihr, was sie wollte und ließ sie kaum zu Wort kommen, sondern fluchte ununterbrochen. Das war total respektlos und frech.

Mit zusammengekniffenen Augen stopfte sie ihre Tanzklamotten in ihren blauen Rucksack und warf sich ihn über die Schulter, um dann kurz in die Küche zu gehen und sich was zu trinken zu holen. Flecky blieb oben in ihrem Zimmer und hielt Wache, denn die Tanzschule war eh nicht weit entfernt und so gefährlich würde es bestimmt nicht werden, da ihre Nachbarn alle noch wach waren. Mit hastigen Schritten lief sie die Nachbarschaft enlang und genoss die frischen Lüftchen, die ihr durch die Haare fuhren und ihr Gesicht erfrischten.

Sie holte entspannt Luft und dann entdeckte sie schon von Weitem das blinkende Schild ihrer Tanzschule Dance4fun. Das Gebäude war ziemlich neu, aber von innen sah es einfach nur super aus. Die große Halle mit den vielen Spiegeln, die Bar am Eingang mit vielen Sitzgelegenheiten und der Dj Pult neben der Tanzfläche, wo fast nur die neuesten Lieder liefen.

Außerdem war auch der Tanzlehrer sehr nett, denn er war erst frische 26 und sah umwerfend aus. Er hatte schwarzes kurzes Haar und süße braune Rehaugen, in die sich so manch eine verknallt hatte. Claire selbst war es nicht, aber so eine Zicke aus High School Zeiten, die sie abgrundtief gehasst hatte. Diese ging schon seit einem Jahr in diese Tanzschule und an Claires erstem Kurs hatte sie nichts Besseres zu tun, als sie hinter ihrem Rücken für ihre Tollpatschigkeit fertigzumachen. Das war auch ein entscheidender Grund gewesen, wieso sie dann so selten dahin gegangen war und nun würde sie wieder die Höhle des Löwen betreten, sonst würde sie eine andere Zicke zu Hause anschnauzen. Und Hazy war ihr unangenehmer als diese Tanzzicke.

Seufzend betrat sie das bunt beleuchtete Gebäude und das erste, was ihr auffiel, war ihr Tanzlehrer, der anscheinend mal wieder von der Zicke belästigt wurde. Diese Natasha konnte einfach nicht die Finger von ihm lassen, aber zu allem Überdruss gefiel es ihm auch noch so beliebt zu sein. Auch ein Grund, wieso sie so selten kam, denn es gab nichts Schlimmeres, als einen eingebildeten Lehrer zu haben, der eh keine Rücksicht auf so ein Mauerblümchen wie sie nehmen würde.

Unauffällig machte sie sich direkt auf den Weg zu der Umkleide, um sich dort schnellstens umzuziehen. Ein weißes Schwabbeltop, eine knielange schwarze Adidashose und weiße Nikeschuhe umhüllten ihren schlanken Körper und dann begab sie sich auch auf die Tanzfläche, wo sie sich sofort an die Seite stellte und das Geschehen um sich beobachtete. Es waren nicht so viele da, aber genug um sich etwas unwohl zu fühlen, denn die meisten kannte sie nicht und die, die sie kannte, waren eingebildet oder gehörten zu Natasha. Mit hängenden Schultern schaute sie runter auf ihre neuen Schuhe und mit der einen Hand fummelte sie an ihrer Bordauxsträhne rum. Das würde aber ein hartes Training werden, da war sie sich sicher.

>Ah, wen haben wir denn da? Hat sich unsere reiche Claire doch entschieden unter uns normalen Menschen zu bleiben und zum Tanzen zu kommen! Süße, du weißt doch, dass dir das Tanzen nicht liegt, warum bist du dann noch hier?< Natasha sah sie mit ihren roten Lippen und ihren dunkel geschminkten Augen herausfordernd an, doch Claire fiel einfach nichts ein. Ihr fiel in solchen Situationen nie was ein. Sie war und würde ein schwaches Mädchen bleiben, sollte sie sich gegen so eine eingebildete Person nicht verteidigen können.

Sie war immer allein gewesen und hatte nie Unterstützung von jemand anderem bekommen, weil sie alle geglaubt hatten, sie wäre arrogant oder so. Und diese Unterstützung bekam sie nach so vielen Jahren von einer Person. Hazy selbst.

Sie hörte ihre Stimme hinter sich, da dort ja die Spiegel waren und sie alles mitbekommen hatte. Nun kochte sie vor Wut und forderte Claire auf, ihr alles nachzusagen und dabei ganz ernst zu gucken und nicht aufzuhören, sollten sich vielleicht ein paar bissige Bemerkungen einmischen. Claire nickte innerlich und hörte den Worten ihres anderen Ichs zu und dann sprudelten ihr die Worte aus dem Mund wie ein unaufhörlicher Wasserfall.

>Ja ich hab mich entschieden herzukommen, um zu tanzen und nichts Anderes. Und zu der Sache mit dem 'ich kann nicht tanzen Teil'. Das sagt grad die Richtige hier, die so einen fetten Arsch hat, dass sie kaum vom Boden aufstehen kann, wenn sie muss und deine Hässlichkeit in dieser Tanzschule ist so groß, dass ich die Befürchtung habe, dass die Spiegel gleich zerspringen. Also komm mir bloß nicht mit deiner eingebildeten und zickigen Art, sonst müsste ich dir extra in dein Taschengeld investieren, damit du endlich deine zu vielen Kilos loswirst. Hab nämlich gehört, dass du dir ne OP nicht leisten kannst. Armes Mädchen... Aber mit ein bisschen mehr Sport und weniger Schleimerei kriegst du das in höchstens drei Jahren hin, wenn du nicht schon bis dahin ins Koma gefallen bist. Und wenn du mich entschuldigen würdest, dann würde ich gerne meterweit von dir Abstand halten, weil ich Angst habe zertrampelt zu werden! Bitte Dankesehr!<

Voller Stolz und Genugtuung marschierte sie ans andere Ende der Tanzfläche und positionierte sich direkt neben einem anderen Mädchen, das sie nicht kannte.

Mit einem Seitenblick erkannte sie Natasha, die verzweifelt versuchte die Situation zu verdauen, es aber doch nicht schaffte, weil sie wütend ihre Mädels zusammentrommelte und sie aufforderte nach Hause zu gehen. Claire fühlte sich einfach nur befreit und toll. Es hatte sich super angefühlt dieser hochnäsigen Zicke eins auszuwischen und dafür war sie Hazy sehr dankbar, die ihr verschwörerisch zuzwinkerte.

Vielleicht war Hazy doch nicht schlecht, wie sie dachte. Immerhin war sie die erste, die sie aus so einer unangenehmen Situation gerettet hatte. Mit neu erlangter Kraft konzentrierte sich Claire dann auf den Tanzunterricht und Mr. Monroe wärmte sie alle mit dem Lied Domino von Jessie J auf. Zufrieden stellte Claire fest, dass sie ziemlich fit war und kaum ins Schwitzen kam, aber als er dann mit der richtigen Choreo begann, spürte sie wie ihr der Schweiß den Rücken runterran. Sie wollte so viel wie möglich Spannung in jede Bewegung setzen und das brachte sie sehr ins Schwitzen, aber letztendlich war sie mit dem Ergebnis ihrer Anstrengungen zufrieden.

Auch Hazy lächelte sie aufbauend an und das gab ihr zusätzlich Kraft.

Plötzlich öffnete sich die Tür und Claire stockte der Atem. Na was für ein Zufall das doch war. Noah, Helena, Viktoria und der gutaussehende Curtis betraten die Halle lachend und gesellten sich der Tanzgruppe, die sie freundlich empfing. Mussten bestimmt schon eine Weile hier sein, wenn die alle sie so herzlich begrüßten oder sie waren alle Fans von dene, weil sie anscheinend gut tanzen konnten. Doch Claire erfasste schon wieder diese Schüchternheit wie zuvor, sodass sie sich innerlich so klein machte wie nur möglich. Trotzdem schien dies nicht zu helfen, denn Helena erkannte sie sofort.

>Hey, du bist doch die vom Café! Hi, wie gehts dir denn?<

>Ähm, hi, mir gehts gut, danke, dir?<

>Super! Und seit wann tanzt du hier? Ich hab dich nämlich noch nie zuvor hier gesehen!<

>Ich tanze eigentlich seit einem halben Jahr hier, war aber nur dreimal hier...<

>Warum denn das? Gefällt es dir nicht mehr oder hast du keine Zeit?<

>Ich kam irgendwie nicht dazu... Keine Ahnung, aber ich versuche jetzt öfters zu kommen...<

>Du bist schüchtern, nicht wahr?<

>Ich, ich... Ja, kann sein... So bin ich eben, vielleicht habt ihr mich ja deswegen nicht gesehen...<

>Ach was, du bist ein wunderschönes Mädchen und weil du schüchtern bist, macht es dich auch noch süß... Ich bin eine sehr extrovertierte Person... Sag ruhig, wenn ich dir zu nahe trete!<

>Oh, nein, ich mag dich, du bist voll nett...<

>Hach ja, ich weiß... Nur, dass manche Menschen es einfach nicht wertschätzen!< Bei diesem Satz drehte sich Noah um und funkelte sie amüsiert an, bis auch er Claire entdeckte und grinsend auf sie zukam. Curtis und Viktoria folgten ihm daraufhin und dann standen alle auf einmal um sie herum und begannen mit ihr über dies und jenes zu reden. Etwas unwohl fühlte sie sich in dieser plötzlichen Gesellschaft schon, aber mit der Zeit gefiel es ihr mit ihnen zu reden. >Ok Leute, Pause zu Ende... Es geht weiter mit Tanzen!<

Mr. Monroe forderte alle mit einer Handbewegung auf sich in Position zu begeben und ihm die ganze Aufmerksamkeit zu schenken. Die Gespräche verstummten und dann stellte sich Claire direkt neben Helena, die sie freundlich angrinste. Claire spürte eine schöne Wärme in ihrem Herzen und als sie dann Curtis Lachen hörte, verstärkte sich das flammende Gefühl. Vielleicht hatte sie sich wirklich in ihn verliebt, aber wie konnte das nur so schnell gesehen? Sie kannte ihn doch kaum...

Aber dieses sympathische Lächeln verpasste ihr immer wieder eine üble Gänsehaut. Nach einer weiteren Stunde fleißigem Tanzen und tropfendem Schweiß beendete Mr. Monroe die Tanzstunde und bedankte sich bei allen fürs Mitmachen. Alle klatschten dann für ihre Leistung und dann machten sich auch schon die ersten auf den Nachhauseweg, darunter auch Claire. Aber dann spürte sie eine kleine Hand auf ihrer Schulter und als sie sich neugierig umdrehte, entdeckte sie Helena, die sie anlächelte. >Hey hättest du Lust mit uns noch einen Trinken zu gehen. Ist doch schade, wenn du jetzt schon nach Hause gehst!<

>Ähm, ja, das wäre echt super, danke! Wenn ihr wollt, könnt ihr mit zu mir... Ich hab ein großes Haus und ja... Also nur wenn ihr wollt!<

>Klar, das wäre echt super!< Claires Herz machte einen kleinen Freudensprung und dann ging sie sofort zu ihrem Trainingsrucksack, um sich schnellstmöglich umzuziehen. Nachdem sie fertig war, verabschiedete sie sich kurz vom Tanzlehrer und dann verließ sie zufrieden das Gebäude und traf die Gruppe ein paar Meter weiter, die sie dann freudig erwartete.

Noah war der erste, der das Wort ergriff. >Hey, da ist ja Clairchen, los lass uns zu dir gehen... Ich hoffe du hast wirklich ein tolles großes Haus, denn ich hab sehr hohe Ansprüche!<

>Bei deiner chaotischen Wohnung ist es ja auch kein Wunder!< Helena konterte Noahs Aussage mit einem frechen Grinsen, sodass dieser beleidigt die Zunge rausstreckte und die Arme vor die Brust verschränkte. Seine Schwester Viktoria verkniff sich ein Lachen und Curtis klopfte seinem Freund aufmunternd auf die Schulter. >Gibs auf Noah, meine Schwester war schon immer redegewandter als du... Sie wird dich immer fertigmachen!<

Claire musste sich ziemlich bei Noahs enttäuscht beleidigtem Gesicht zusammenreißen, weil ihr das Lachen bereits auf der Zunge lag. Sie fand diese Beziehung zwischen Freunden und Geschwistern einfach amüsierend, aber das machte sie auch automatisch traurig, weil sie das nie gehabt hatte. Trotzdem war sie heilfroh, dass Helena sie gefragt hatte mit der Gruppe Zeit zu verbringen, weil alleine mit Hazy über gruslige Spiegelgestalten zu reden, klang nicht besonders reizend.

Mit einem Kopfnicken forderte sie die anderen auf ihr zu folgen und dann begaben sie sich auf den Weg zu ihr nach Hause. Sie war ganz aufgeregt, denn sie wusste nicht, wie die anderen reagieren würden, wenn sie sehen würden, dass sie reich war. Die meisten staunten kurz und dann distanzierten sie sich komischerweise. Es war als ob Geld eine Kluft zwischen Menschen schlug. Das hatte sie schon zu oft erlebt, um es zu bestreiten, aber wenn ihr jemand das Gegenteil beweisen würde, dann würde sie sofort dem zustimmen. Die Mädchen staunten über die vielen großen Villen und die Jungs konnten kaum die Augen von den teuren Autos lassen. Vor allem nicht, als sie ihren Audi r8 entdeckten, der in der Einfahrt stand und durch die Straßenlaternen stark beleuchtet wurde. Noah ging mit offenem Mund auf ihr Auto zu und ließ seine Finger über das kühle Metall gleiten, als er dann einen herzhaften Seufzer ausstieß. Wahrscheinlich liebte er dieses Modell.

Curtis gesellte sich ihm zu und inspizierte genauestens den Innenraum, während er immer wieder anerkennende Pfiffe ausstieß. Den Mädchen aber imponierte mehr das Haus an sich, was sie dann direkt zur Tür führte, hinter der sie ein fröhlich bellender Flecky erwartete. Claire kniete sich sofort vor ihn hin und streichelte ihn lächelnd am Kopf. Helena und Viktoria stürzten sich dann auch auf den süßen Kleinen und dann lag Flecky hechelnd am Boden mit drei Frauen, die ihn am Bauch kraulten. Noah und Curtis, die sich währenddessen vom Auto losreißen konnten, kamen lachend auf sie zu und rissen verblüfft die Augen auf. Claire ließ von Flecky ab und bat sie alle ihr zu folgen, um sie ein bisschen herumzuführen. Helena konnte nicht aufhören alles zu bestaunen und die Jungs stießen wiederholt anerkennende Pfiffe aus, aber Viktoria schien genauso zu reagieren, wie Claire es erwartet hatte.

Sie blieb still und sah sich neugierig um, aber so recht verblüfft sah sie nicht aus. Claire seufzte traurig, aber sie führte sie weiterhin durch das ganze Haus und zeigte ihnen die riesige Küche, das schlicht eingerichtete Wohnzimmer, das High-Tech-Bad und den großen grünen Garten, wo Flecky bellend herumtollte und versuchte Schmetterlinge zu fangen. Dann gingen sie alle anschließend in die Küche, wo sich jeder auf einen Hocker niederließ und auf die Drinks wartete. Claire holte für die Jungs einen ColaWeizen, für Viktoria einen Martini und für Helena eine Cola. Für sich selbst holte sie sich eine Sprite aus dem Kühlschrank und dann gesellte sie sich zu der stillen Gruppe, die immer noch die teure Einrichtung bestaunte. Nun lag es an ihr das Gespräch zu beginnen, denn sie war die Gastgeberin und musste ihre Gäste unterhalten. Das war eine wichtige Sache, die ihr Vater ihr mehr als geung eingetrichtert hatte, sobald sie geschäftlichen Besuch bekommen hatten.

Nur, wie sollte sie das Eis brechen?

Sie schaffte nicht mal regelmäßig zu atmen, weil sie sich so unwohl fühlte. Helena bemerkte als erstes ihr Unbehagen, aber da hatte Claire schon eine Idee. >Hey, hättet ihr Lust einen Film anszuschauen? Wir können ihn dann im Wohnzimmer anschauen, wie wärs? Es sei denn ihr wollt, was anderes machen!< Die Freunde sahen sich beratend an und dann nickten sie zustimmend.

>Klar, können wir machen... Und was für einen Film sollen wir anschauen?< Claire sah Noah ratlos an. Daran hatte sie nun wirklich nicht gedacht. Sie bekam auch gar nichts auf die Reihe.

Mit gerunzelter Stirn überlegte sie sich, was sie anschauen konnten, aber ihr fiel um Himmels Willen nichts ein. Sie wusste nicht mal was für einen Filmgeschmack sie hatten. Gott, dieses Treffen ging eindeutig den Bach runter. Bestimmt machte sich Hazy lustig über sie, was sie ihr in diesem Fall nicht verübeln würde. Sie sah sicher sehr lächerlich in ihrem Unwohlsein aus. Curtis schnipste kurz vor ihrem Gesicht und sie zuckte erschrocken zusammen. >Hey, was träumst du? Schaust du schon deinen Film ohne uns an?<

>Was? Oh nein... Ich hab nur grad überlegt, aber mir fällt nichts ein! Ich weiß nicht mal, was ihr gerne für Filme anschaut... Tschuldigung!<

>Ach was, nein, dafür brauchst du dich doch nicht zu entschuldigen! Etwas Actionreiches würde reichen!<

>Ok, Action... Ich hätte Ghostrider, den zweiten Teil!<

>Du hast den zweiten Teil auf DVD? OH MEIN GOTT, wie geil ist das denn!< Noah schien vollkommen aus dem Häuschen zu sein und Curtis nickte zufrieden, genau wie die Mädchen. Claire war froh, dass sie einig waren und so lief sie hoch in ihr Zimmer und holte die DVD aus ihrem Regal heraus. Doch bevor sie wieder runterging, hielt sie Hazy auf. Diese hatte die Arme verschränkt und ihre Miene sah nicht so erfreulich aus. >Hazy? Alles ok? Du siehst grad nicht so zufrieden aus!<

>Und das bin ich auch nicht. Du wurdest heute fast getötet und du sitzt mit deinen neuen Bekannten unten und schaust normal einen Film an, gehts noch? Du solltest lieber die anderen finden und dich wehren lernen. Ohne Flecky, der übrigens ein Hund ist, hättest du es nicht überlebt! Und du schaust mir jetzt einen Film an! Was ist falsch mit dir!<

>Ich weiß, dass mein Leben heute auf dem Spiel gestanden hatte... Aber nach so langer Zeit habe ich jemanden gefunden, den ich mag. Und diese Leute da unten scheinen mich so zu nehmen, wie ich bin... So was hatte ich noch nie, verstehst du was ich meine? Die Sache mit diesen Spiegeln werde ich natürlich nachholen, bitte Hazy. Als mein anderes Ich musst du des doch verstehen...<

>Och Gott, ich glaube ich werde das bereuen... Na gut, begnüge dich mit deinen Freunden, aber wehe du vernachlässigst deine andere Arbeit! Ich werde auf jeden Fall weitersuchen...<

>Vielen Dank Hazy, ich weiß das echt zu schätzen! Du bist die beste!<

>Jetzt schleim nicht so und geh!< Mit diesen Worten löste Hazy sich auf und zurück blieb Claires starres Spiegelbild, das sie nachdenklich ansah. Seufzend schaute sie die DVD in ihren Händen an und dann rannte sie die Treppen runter ins Wohnzimmer, wo die vier anderen auf dem schwarzen Ledersofa tratschend warteten.

Als Helena sie entdeckte, verstummte das Gespräch und alle Köpfe drehten sich erwartungsvoll zu ihr. Etwas komisch kam ihr diese Situation vor, aber sie steuerte direkt auf den DVD-Player zu und legte den Film ein. Anschließend packte sie sich die Fernbedienung und setzte sich zwischen Helena und Noah, die von ihrem Plasmafernseher schwärmten. Claire fragte sie höflich, ob sie noch etwas knabbern wollte und als sie zustimmten, schnappte sie sich ein paar Chipstüten und Schokokekse, die sie dann in Schüsseln brachte. Dankend nahm jeder die Snacks entgegen und dann schaltete sie die Lichter aus und setzte sich wieder hin. Noah durchbrach die Stille mit einem zweideutigen Witz, wobei er eher Schläge von den Mädchen kassierte als Lacher. Curtis blieb eher still und sagte nichts, was Claire etwas verunsicherte. Fühlte er sich nicht genug unterhalten oder war er vom Charakter her still? Helena hörte nicht auf sie nach ihrem vermögendem Leben auszufragen, aber anstatt sich eingeengt zu fühlen, mochte sie es ihr etwas über ihr Leben zu verraten, auch wenn es nicht so aufregend war. Doch Helena war total fasziniert, was Claire sehr freute.

Flecky kam irgendwann durch die Tür und legte sich auf den Teppich vor dem Fernseher, um dann den Kopf auf die Pfoten zu legen und vor sich hinzudösen. Der Film begann und dann senkte sich ruhige Stille über sie, die so lange andauerte, bis Noahs Blase sich meldete. Claire brachte ihn daraufhin zum großen Bad und zeigte ihm alles Überlebenswichtige und dann ging sie den Weg zurück, als sie ein Geräusch aus ihrem Zimmer wahrnahm. Sie besaß ein sehr gutes Gehör, was vielleicht an der Größe dieses Hauses lag, doch manchmal nervte es wenn ihre Eltern laut Fernseher schauten.

Mit großen Schritten ging sie die Treppen hoch in das Zimmer und öffnete die Tür ganz langsam, bis diese ganz offen war. In ihrem Zimmer war jedoch nichts, was ein Geräusch hätte verursachen können, aber sie hätte schwören können, dass etwas hier geklimpert hatte. Claire ging mit langsamen vorsichtigen Schritten weiter in das Zimmer rein und schaltete dann ihre Stehlampe ein, die den Raum etwas erhellte. Nichts war zu sehen, aber Claire fand es zu kalt in ihrem Zimmer, weil die Bodenheizung normalerweise genug Wärme ausströmte, damit angenehme Temperaturen im Zimmer herrschten. Es war nahezu eiskalt, was all ihre Härchen zum Stehen brachte. Sie rief im Stillen nach Hazy, doch das Spiegelbild ahmte all ihre Bewegungen nach und das deutete darauf hin, dass Hazy nicht da war. Komisch, was hätte dann das Geräusch verursachen können?

Unsicherheit breitete sich in ihr aus und als dann das Licht kurz flackerte, blieb ihr Herz für Sekunden stehen. Verängstigt sah sie sich um und als sie dann eine schwarze dunkle Gestalt in Menschenform an ihrer Balkontür entdeckte, entfuhr ihr ein kurzer Schrei. Die Gestalt verschwand wieder und ein Poltern aus dem Flur war zu hören, als schon Helena mit den anderen auftauchte und fragte, was passiert sei. Claire saß auf ihren Knien und konnte sich kaum bewegen, aber als sie Helena sanft am Arm berührte, brach sie in Tränen aus.

Sie wusste im Moment nicht, warum sie angefangen hatte zu weinen, aber es erleichterte sie etwas. Wahrscheinlich der ganze Stress, der sich zu sehr aufgestaut hatte. Helena versuchte sie zu beruhigen und herauszufinden, warum sie heulte, aber Claire weinte weiterhin unaufhaltsam, was zu Verunsicherung in der Gruppe führte. Noah kaute sich tatenlos auf der Unterlippe rum und Curtis saß neben ihr und streichelte ihr beruhigend den Rücken, was ihr immer wieder wohlige Schauer durch den Rücken jagte. Viktoria hatte die Arme verschränkt und sah genauso hilflos aus, wie Noah.

Lag wohl an der Familie, dass die beiden in solchen Situationen sich nicht zu helfen wussten. Aber dass sie da waren, reichte ihr aus.

Langsam verging das Heulen und Claire schniefte kurz, als sie dann kurz aufstand und zu ihrer Kommode ging, um sich ein Taschentuch zu holen. Die anderen sahen sie währenddessen fragend an und Claire hatte keine Ahnung, wie sie das alles erklären sollte. >Sorry, dass ich euch erschreckt habe... Ich bin sehr schreckhaft und ich dachte, dass jemand an meiner Balkontür gewesen war und ja... Ich bin eine Heulsuse, tschuldigung!<

Curtis schüttelte lächelnd den Kopf und kam langsam auf sie zu und legte die Hände auf ihre Schultern. >Du musst dich doch nicht dafür entschuldigen wie du bist, sonst wären wir ja nicht hier! Ist doch nicht schlimm, wenn du schreckhaft bist und heulst. Viktoria, die so stark und eingebildet aussieht, flennt wie ein Baby, wenn sie eine Spinne sieht und Helena wird zur Amazone, wenn man ihre Lieblingsmuffins isst. Jeder hat seine Macke, also reiß dich zusammen und gehen wir wieder runter. Der Film ist zu gut, um zu warten. Ok?< Claire nickte dankbar und ließ sich nach unten führen, wo sich alle neben sie setzten und sie mit Witzen und lustigen Erlebnissen vollquatschten.

Sie kam kaum aus dem Lachen wieder raus und sie genoss es mit diesen wunderbaren Leuten Zeit zu verbringen. Hoffentlich würden sie Freunde werden, denn Claire mochte sie schon jetzt zu sehr, um nicht mit ihnen befreundet zu sein. Noah war der witzigste von allen, Helena das netteste Mädchen, das ihr je unter die Augen getreten ist, Viktoria war zwar etwas distanziert, aber schien ganz nett zu sein und Curtis war der Traumtyp in Person. Alles in allem Freunde, die sie brauchte.

Natürlich blieb Flecky auf Platz 1.

Nachdem der Film zu Ende war und alle im Nachhinnein davon schwärmten, beschloss Claire sie noch für einen Drink im Garten einzuladen. Alle stimmten sofort zu und begaben sich schon mal in den Garten, damit Claire mit einem Silbertablett die Getränke bringen konnte. Sie setzten sich alle auf die Liegestühle hin und genossen die kühlen Lüftchen, die den Abend erfrischten und Flecky, der sie alle gespannt ansah und darauf wartete, dass etwas Besonderes passierte. Anscheinend war ihm langweilig und das musste unbedingt geändert werden. Claire rannte kurz zurück ins Wohnzimmer und holte sich einen Spielball aus der Ecke. Anschließend spurtete sie wieder in den Garten und warf den Ball so weit sie konnte. Flecky hatte diese Aktion schon erwartet, also rannte er bellend dem Ball hinterher und schnappte sich ihn direkt in der Luft. Die Jungs klatschten Beifall und die Mädchen stießen ein herzhaftes 'Oooo'.

Claire setzte sich dann wieder auf ihre Liege und pfiff Flecky wieder zu sich. >Will jemand werfen?< Noah hob die Hand, nahm den Ball an sich und warf ihn sehr weit weg. So weit, dass es im Nachbarsgarten landete. Curtis begann zu lachen und Helena schüttelte grinsend den Kopf. Viktoria ging zu ihrem Bruder und klopfte ihm lachend auf die Schulter. >Anscheinend hast du uns zu viel beweisen wollen. Jetzt musst du den Ball holen, Bruderherz!<

Noah senkte geschlagen die Schultern und machte sich auf den Weg zum anderen Garten, als Claire ihn aufhielt. Er kannte sich nicht gut aus und weil es dunkel war, wollte sie nicht, dass ihm etwas zustieß. Sie bat die anderen zu warten und ging selbst auf die andere Seite, um den Ball zu holen, aber natürlich in Begleitung mit Flecky. Dieser schien nicht sehr erfreut zu sein, dass sein Ball weg war, aber er folgte Claire bis zum Zaun. Claire spähte kurz über den Zaun und vergewisserte sich, dass ihre Nachbarn schliefen und als sich dies bestätigte, holte sie kurz Schwung und sprang mühelos über den Zaun.

Zum Glück hatten ihre Nachbarn keine Alarmanlage, denn sonst wäre sie in ein großes Fettnäpfchen getreten. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte sie in der Dunkelheit zu sehen, aber das brauchte sie nicht lange, da kam Flecky auch schon mit dem Ball angerannt. Sie streichelte ihn lobend am Kopf und nahm den Ball an sich, als Flecky in Deckung ging und knurrte.

Claire drehte sich in seine Richtung um und erstarrte.

3. Kapitel

Diese Gestalt von vorhin stand wahrhaft vor ihr und grinste sie hinterhältig an. Es war ein Mann, der aber kein Gesicht besaß und das sah ziemlich erschreckend aus, weshalb Claire sofort die Flucht ergriff. Sie wollte gerade über den Zaun springen, als sie etwas wieder nach hinten zerrte und sie einen erstickten Schrei ausstieß. Flecky begann wie wild zu bellen, weswegen ihre Freunde aufmerksam wurden. Claire versuchte sich in das Gras reinzukrallen, denn der Kerl zog an ihr wie Hulk.

Curtis war der erste, der über den Zaun sprang und als er den Gesichtslosen entdeckte, stieß er einen Fluch aus und rief Noah zu sich. Dieser sprang mit einer eleganten Lässigkeit über den Zaun und fluchte auch als er Claire verzweifelt am Boden entdeckte. Flecky versuchte den Kerl zu beißen, aber sein Gebiss traf nur Luft. Curtis rief dem Kerl zu, er solle die Finger von Claire lassen, doch dieser lachte nur böse auf und zog sie weiter weg. Noah sah Curtis fest entschlossen an und so teilten sich die zwei auf und umzingelten den Typ. Dieser lachte weiterhin sein dunkles Lachen und Claire versuchte immer noch seinem festen Griff zu entkommen.

Flecky lief umher und bellte den Kerl an, als dieser plötzlich die Hand hob und ihn gegen den Zaun schleuderte. Ein Winseln entrann Flecky und Claire schrie seinen Namen. Curtis faltete die Hände zusammen und murmelte etwas Unverständliches. Ein leichter Wind bildete sich um sie und kleine Lichter, die sich zu kreisförmigen Linien formten, entsprangen der Erde und schimmerten leicht bläulich. Aus Claires Sicht sah das fast wie ein Hexenzirkel aus, doch es war auch irgendwie anders.

So mysteriös und normal zugleich.

Das Licht füllte sie mit Sicherheit und Geborgenheit und gab ihr Kraft. Dann breitete Curtis die Arme aus und der Kreis wurde größer, sodass der schwebende Kerl laut fluchte und Claire abrupt losließ. Sie krabbelte aus dem Kreis heraus und stellte sich zitternd hinter Curtis, dessen waldgrüne Augen einen silbernen Schimmer bekommen hatten. Er murmelte weiterhin etwas in einer anderen Sprache und der Kerl begann sich vor Schmerz zu winden. Noahs Mundwinkel zuckte zu einem hinterhältigen Grinsen und er ballte die Hände zu Fäusten. Als er sie wieder öffnete, kreiste ein rötlich schimmerndes Licht um seine Finger, die ihm eine gefährliche Ausstrahlung gab. Dann verstärkte sich das Licht um ihn und er schleuderte es zu dem Kerl, der sich an den Kopf fasste und den Kreis versuchte zu übertreten, als ihn dieses rote Licht traf.

Sein Körper begann sich zu lösen und dann zerfiel dieser in schimmernder Luft. Noah klopfte sich den Staub von der Hose und Curtis senkte die Hände und der Kreis brach in sich zusammen. Claire hatte bis dahin keinen Mucks von sich gegeben, aber das was sie gesehen hatte, konnte nicht mit Schweigen besiegelt werden. Die Jungs versicherten ihr, dass sie ihr das erklären würden und mit klopfendem Herzen rannte Claire zu ihrem Welpen und kniete sich vor ihn hin.

Flecky winselte immer noch und konnte sich kaum bewegen, was Claire die Tränen in die Augen trieb. Sie streichelte sein weiches Fell und betete zu Gott, dass dieser Flecky gesund machte und dann tauchte Curtis auf, der Flecky vorsichtig hochhob und sie bat schon mal vorzugehen. Mit Tränen in den Augen folgte sie seiner Bitte und mit einem Sprung landete sie auf ihrer Seite des Zauns. Helena und Viktoria erwarteten sie schon beunruhigt und als sie dann ihre Freunde gesund und munter vorfanden, stießen sie einen erleichterten Seufzer aus. Doch als Helena Flecky winselnd in den Armen ihres Bruders entdeckte, schlug sie mitleidig die Hände vor den Mund und stürzte sich auf den kleinen Hund. Noah öffnete die Verandatür und alle betraten das warme Wohnzimmer. Claire stürzte zum Telefon und wollte den Tierarzt anrufen, als sie Viktoria darauf hinwies, dass es bereits Mitternacht war.

Mit gesenkten Schultern legte sie das Telefon wieder an den Hörer und dann lief sie auf Flecky zu, der nun auf dem Sofa lag und sich ständig das Bein leckte. Helena stellte fest, dass er sich das Bein gebrochen hatte, weswegen er auch sehr starke Schmerzen verspürte, was wiederrum zu Schmerzen in Claires Herz führte.

Pure Verzweiflung stand in ihren Augen geschrieben, weil sie sich in diesem Moment so hilflos fühlte. Noah brachte dem Hund etwas Wasser in einer Schüssel und Viktoria und Helena streichelten sanft seinen zitternden Körper. Curtis schien angestrengt zu überlegen, aber er fand keine Möglichkeit Flecky zu helfen. Er fragte Claire, wo sich ein großer Spiegel in ihrem Haus befand und sie geleitete ihn zu ihrem Zimmer mit ihrem riesigen Wandspiegel. Dort stellte sich Curtis vor den Spiegel und sprach leise einen Namen aus, der wie Cian klang. Kurz darauf bewegte sich sein Spiegelbild und eine Bad Boy Version von Curtis tauchte auf.

Er hatte aschblondes Haar, eine hellere Version von Curtis Augen und einen kleinen Diamantohrring am rechten Ohrläppchen. Außerdem hatte er etwas mehr männliche Züge als Curtis und sein Style war weitaus extravaganter als seiner. Trotzdem fand Claire, dass Curtis ein viel besserer Mann war, obwohl sie diesen Cian erst jetzt gesehen hatte. Dieser schnalzte gelangweilt mit der Zunge und sah sein Gegenüber mit hochgezogener Augenbraue an. Dabei konnte Claire seine eisgrünen Augen besser erkennen und ein Bild von einer zugefrorenen Wiese im Sommer kam ihr ins Gedächtnis. Sofort verdrängte sie das komische Bild und konzentrierte sich auf das Gespräch der beiden. >Sieh mal einer ein... Curtis, du Süßer, wo warst du in den letzten Tagen? Hast du unbeantwortete Fragen, die ich dir jetzt beantworten muss? Armer kleiner Junge!<

>Halt den Mund Cian und konzentrier dich aufs Wesentliche... Ich weiß, dass ich deine Gesellschaft gemieden habe, aber ich brauch ein paar wichtige Infos! Wer ist dieses Mädchen?< Claire sah Curtis verwirrt an und als sie dann noch Cian mit seinem Blick durchbohrte, fühlte sie sich nur noch nackt und unsicher. Cian konnte den Blick kaum abwenden und dann begann er auf einmal zu lachen, was dazu führte, dass sie sich wirklich fragte, was an ihr so lustig war. Doch dann verstummte sein Lachen und er drehte sich einmal um die eigene Achse. >Hazy, Häschen! Ich dachte, ich sehe dich nach unserem heißen One-Night-Stand nie wieder, aber hier sind wir wieder. Ich wusste gar nicht, dass dein süßes anderes Ich eine von den vier ist! So etwas hält man doch nicht geheim!<

>Ach und das sagt gerade der Richtige, Cian, du Ochse! Ich hätte mir auch lieber gewünscht, dich nie wieder zu sehen, aber das muss ich nun wohl etragen!< Hazy stand ihm mit verschränkten Armen gegenüber und funkelte ihn herausfordernd an. Was die wohl miteinander hatten?

Nur ein One-Night-Stand konnte es ja nicht sein.

Auf jeden Fall sah Hazy nicht sehr erfreut aus, da Cian hier war, aber als sie Curtis entdeckte, verwandelte sich ihr Blick zu einem verführerischen Augenfunkeln. >Cian, du hast mir gar nicht erzählt, dass DEIN anderes Ich so ein heißer Kerl ist. Hätte ich ihn gekannt, wäre ich garantiert nicht mit dir ins Bett gestiegen. Der sieht ja heißer aus, als du es jemals sein könntest!<

Curtis räusperte sich bei ihrem schmeichelnden Kommentar, aber ein Grinsen konnte er sich nicht verkneifen. Anscheinend fand er es schön, wenn Cian genervt schnaubte und das tat dieser auch. Er machte eine wegwerfende Handbewegung und widmete sich ihr selbst, was sie etwas unbehaglich machte. Sein Blick glitt von oben bis unten und dann breitete sich ein verschmitztes Lächeln auf seinem Gesicht aus. >Tja Hazy, das Gleiche kann ich auch zu dir sagen. Du bist ein Krümel im Gegensatz zu diesem leckeren frischgebackenen Kuchen. Eine Schande für das Mädchen so ein hässliches Spiegelbild zu haben!<

Hazy sog empört Luft ein und holte zu einer Ohrfeige aus, als Cian lachend ihre Hand auffing und sie langsam wieder runterließ. Dieser Kerl war ja durch und durch ein böser Junge. Das erinnerte Claire stark an die Gegensätze, die sie und Hazy hatten. Soweit sie Curtis genug kennengelernt hatte, war Cian eine übertrieben gemeine Version von ihm.

Noch ein Grund wieso sie mehr auf Curtis stand und sie sein Spiegelbild nicht in Versuchung bringen konnte auf die andere Seite zu wechseln. Hazy presste wütend die Lippen aufeinander und drehte sich von ihm weg und sah dabei nur ihr in die Augen, als Claire endlich verstand, was hier vor sich ging.

>Warte mal, Curtis, du bist einer von den Vieren? Und Cian ist dein anderes Ich, so wie Hazy und mich? Das heißt, dass ich einen gefunden habe, aber warte... Noah hatte auch eine Gabe... Ist er der Dritte?<

Curtis nickte ernst und Hazy klatschte glücklich in die Hände, weil sie die Tatsache, dass endlich drei von vier gefunden wurden, unendlich freute. Sie hatte viel Zeit investiert die anderen drei zu finden und nun blieb nur eine übrig. Auch Claire freute diese Tatsache, aber aus einem ganz anderen Grund, denn nun konnte sie mit ihren neuen Freunden mehr Zeit verbringen und sie war bei dieser Jagd nach dem Bösen nicht alleine. Aber dann erinnerte sie sich an ihren verletzten armen Welpen und Trauer erfüllte sie kurz darauf, was Hazy sofort merkte.

>Hey Heulsuse, bring Flecky hoch, ich werde ihm helfen. Sein Spiegelbild um genauer zu sein!< Claire überhörte das Wort Heulsuse und sprintete zum Wohnzimmer, wo sie alle bereits ungeduldig erwarteten. Sie bat Noah Flecky nach oben zu bringen und er hob den Hund vorsichtig hoch und trug ihn in ihr Zimmer. Dort warfen sich die Jungs vielversprechende Blicke zu und Cian bergrüßte das ganze Komitee mit einem 'Hi'.

Hazy holte währenddessen ihren Hund, der Blacky hieß und dann flüsterte sie ihm etwas ins Ohr. Blacky bellte kurz und Flecky hob leicht den Kopf, als Claire ihre Hand unter seinen Kopf schob, um ihn etwas zu stützen. Helena streichelte ihn weiterhin und Viktoria stand neben ihrem Bruder und blickte sich neugierig um. Hazy forderte dann Claire auf Flecky so nah wie möglich an den Spiegel zu holen und nach ein paar Handgriffen lag dieser dann vor dem Spiegel und winselte vor Schmerz. Blacky kam immer näher und legte sich dann auch hin, um dann den Kopf nach vorne zu recken und die Scheibe mit der Nase anzustupsen. Flecky tat es ihm nach und dann strömte ein leichtes warmes Licht von Blacky auf Flecky über. Es dauerte nur eine Sekunde, als Flecky kurz die Augen schloss und sie dann wieder öffnete, um sich anschließend gestärkt und geheilt aufzurappeln. Claire schloss ihn überglücklich in ihre Arme und dieser bellte wieder aus voller Kraft, was zu Beschwerden aus der anderen Welt führte.

Cian schüttelte grinsend den Kopf und Hazy verdrehte genervt die Augen, als Curtis die freudige Situation unterbrach. >Ok, kann mir einer mal erklären, was hier passiert ist! Und was ist jetzt nun mit der Spiegelsache?<

>Mein Hund Blacky ist das andere Ich von Flecky, das heißt, dass sie beide die gleiche Lebensenergie teilen. Sollte einer verletzt sein, kann der andere, die nötige Energie auf den anderen übertragen, um das innere Gleichgewicht wiederherzustellen. Diese Spiegelwelt ist wie schon gesagt das Gegenstück eurer Welt. Alles gleicht sich aus! Und zu der Sache mit den legendären Vier. Also Claire ist die Speculectoris, sie erkennt die Gestalten aus großen Distanzen und kann sie locker aufspüren. Wie mir Cian grad eben gesagt hat, bist du ein Specucaperis. Du fängst diese bösen Geister. Und da es unter den Vier nur zwei Männer und zwei Frauen gibt, muss Noah also der Specualtis sein. Er kann zwischen den Welten springen und die Gestalten auch in unsere Welt wieder teleportieren. Das Problem allerdings ist, dass ihr die Vierte braucht, denn sie versiegelt unsere Leute für immer in der Spiegelwelt. Dann gibts keine Flucht mehr, ein direkter Weg in die Hölle also! Bis hierher verstanden, Süßer?< Hazy blickte Curtis mit funkelnden Augen an und Cian stupste sie an der Schulter, um ihr zu sagen, dass sie die Finger von seinem Schützling lassen sollte. Diese aber schnaubte ihm ins Gesicht und sah wieder direkt in Curtis Augen, die nachdenklich wirkten.

Alle im Raum waren still geworden und fragten sich, was sie als Nächstes tun sollten, als Helena eine super Idee hatte. Sie schlug vor, dass alle fürs erste hier übernachteten und morgen dann sich näher mit der Sache befassten, denn nun war es etwas zu spät, um sich den Kopf über so eine heikle Angelegenheit zu zerbrechen. Viktoria stimmte sofort zu und auch die anderen Freunde nickten zustimmend.

Cian zuckte nur lässig mit den Schultern und machte dann einen schnellen Abgang, dem Hazy dann auch winkend folgte. Flecky legte sich dann am Bettrand hin und zurück blieben nur sie fünf. Die Jungs fragten nach einem Zimmer und Claire zeigte ihnen daraufhin das große Schlafzimmer ihrer Eltern und sie versicherte ihnen, dass ihre Eltern für eine lange Zeit wegbleiben würden. Curtis nickte verständnisvoll und Noah streckte freudig die Arme aus und sprang mit Gebrüll auf das riesige Ehebett, als er wieder auf den Boden landete, weil die Sprungfedern vom Bett es in sich hatten. Claire konnte nicht anders als lachen, als sie das verdutzte Gesicht von Noah entdeckte, aber kurz darauf begann auch er über seine Tollpatschigkeit zu lachen und Curtis stimmte mit.

Die anderen Mädchen waren dem lauten Gelächter gefolgt und als sie Noah lachend auf dem Boden entdeckten, zählten sie eins und eins zusammen und fingen an leise zu kichern. Claire hatte sich noch nie so wohl gefühlt und sie genoss jeden Augenblick mit diesen liebevollen Menschen. Vielleicht bestand doch ein Fünckchen Hoffnung auf eine Freundschaft, die lange andauern würde. Das war der größte Wunsch, den sie je so innig verinnerlicht hatte. Freunde zu haben! Lächelnd ging Claire zum Schrank ihrer Eltern und holte ein paar Schlafanzüge für die Jungs raus und dann gab sie den Mädchen zwei kurze Nachthemden und verschwand selbst im Bad, um sich umzuziehen. Dann kämmte sie ihr langes dunkelblondes Haar zurück und band es zusammen und danach wusch sie ihr Gesicht und leihte den anderen eine unbenutzte Zahnbürste. Die Mädchen bestaunten die Einrichtung ihres eigenen Badezimmers und Claire fühlte sich wirklich geschmeichelt, da sie die Meinung ihrer neu gewonnenen Freunde sehr interessierte.

Sie zeigte ihnen, wo die Handtücher und das Klopapier waren und dann auch noch die Seifen und andere Sachen, die wichtig für die Mädchen sein könnten. Mit Freude hatte Claire erkannt, dass sich Viktoria etwas mehr ihr gegenüber öffnete und nicht mehr so distanziert und kalt war wie davor. Sie erzählte Dinge von sich und lächelte sie auch freundlich an, was sie immer wieder sehr freute.

Trotzdem machte ihr die Sache mit den Spiegeln große Sorgen, weil sie immer noch nicht damit umgehen konnte. Zum Glück war aber Flecky wieder gesund und winselte nicht andauernd. >Hey, wo sollen wir eigentlich schlafen? Denn auf dein Bett passen wir drei Mädels nicht!<

Viktoria sah sie mit ihren fragenden dunkelbraunen Rehaugen an und Claire zeigte ihr daraufhin das Wunderwerk ihres Schrankes, das ausklappbare Bett. Oben an der Schranktürkante war nämlich ein Haken angebracht und wenn man daran zog, klappte ein ziemlich großes Bett runter, das schon frisch bezogen. Helena, die beide begleitet hatte, riss verblüfft die Augen auf und nickte erstaunt.

So etwas hatten beide wohl nie gesehen.

Claire holte anschließend zwei flauschige Kissen aus dem Schrank heraus und legte sie ordentlich aufs Bett und dann streckte sie grinsend die Hand aus und lud sie ein das Bett auszuprobieren. Die Mädchen zwinkerten sich verschwörerich zu und sprangen mit aller Kraft auf das federnde Bett drauf und begannen herzhaft zu lachen. Claire stimmte mit und sprang mit beiden auf und ab, bis die Jungs verdutzt den Kopf ins Zimmer steckten. Die Mädchen hörten sofort auf zu springen und warfen den Jungs unschuldige Blicke zu, die dann den mahnenden Finger hoben und ihnen befahlen bloß leise zu sein. Helena bejahte desinteressiert und forderte Noah und Curtis auf das Zimmer zu verlassen und nichts kaputt zu machen.

Die Jungs nickten augenverdrehend und schlossen leise die Tür, als sich die Mädchen wieder erhoben und beschlossen eine kleine Mode-Show zu veranstalten. Diese Idee kam von Viktoria, die heimlich in Claires Kleiderschrank gespäht hatte, was Claire ihr nicht übel nahm. Im Gegenteil, sie fand es irgendwie amüsierend. Also setzten sich Helena und Viktoria auf das Bett hin und warteten darauf, dass Claire schnellstmöglich ihre Outfits wechselte, damit sie ihr dann Punkte geben konnten. Claire war schon ganz gespannt, was sie zu ihrem beigen Cocktailkleid mit goldenen Sandaletten sagen würden und als Viktoria das Kleid entdeckte, fing sie an wie eine Verrückte davon zu schwärmen.

Das Kleid hatte ziemlich teuer gekostet, weil es von Prada war, aber Claire entschied sich es ihr zu schenken, als Symbol für ihre aufkeimende Freundschaft. Viktoria konnte es kaum glauben und dankte ihr zehntausendmal hintereinander, bis sie sich schließlich endgültig beruhigte.

Die Mode-Show ging weiter und nach ungefähr zehn verschiedenen tollen Outfits schenkte Claire auch Helena etwas. Es war ein wiesengrünes Partykleid von Chanel mit Schleife um die Taille und wunderschönen Pailetten um das Dekolleté. Helenas Augen funkelten verzaubert bei dem Anblick und Claire machte es umso glücklicher, dass es ihnen eine Freude bereitete. Die zwei Mädchen umarmten sie dankbar und versprachen ihr, ihr auch was Tolles zu schenken, was Claire vollends schmeichelte.

Am liebsten könnte sie heulen vor Glück. Erst vor Kurzem hatte sie eine Depressionsphase ihrer vernarbten Einsamkeit gehabt und nun saß sie mit zwei wundervollen und hübschen Mädchen in ihrem Zimmer und übernachteten. Klar, die Sache mit ihrer weitaus wichtigeren Aufgabe vergaß sie nicht, aber das hatte jetzt keinerlei Bedeutung für sie im Moment.

Nun war es wichtig die Zeit zu genießen und ihren Freundinnen noch mehr Markenklamotten zu zeigen, weil sie nur solche besaß. Dabei stießen sie auf eine Kuscheltiersammlung, die Claire als Kind vom ganzen Herzen verehrt hatte und zusammen schauten sie sich die kleinen und großen Teddys an und stießen herzhafte Seufzer aus. Auch Flecky machte beim Ausbuddeln von alten Erinnerungen mit, bis er einen Gummiknochen vorfand, den Claire schon für verloren gehalten hatte.

Sie nahm den Knochen in die Hand und warf ihn durch das ganze Zimmer, sodass Flecky dem Ball flink folgte.

Die Mädchen kicherten über den süßen Welpen und als es dann etwa drei Uhr morgens wurde, beschlossen sie halbschlafend ins Bett zu gehen. Claire schlenderte gähnend in ihr Bett und kuschelte sich in ihre warme dunkelblaue Decke ein, während Viktoria und Helena es sich auch gemütlich machten und sich gegenseitig gute Nacht wünschten. Mit einem warmen Gefühl im Herzen wurden die Lider von Claire schwerer und schwerer, bis sie letztendlich in einen angenehmen Traum fiel.

4. Kapitel

Der nächste Morgen verlief anders als sonst und das alles begann mit Viktoria. Diese war kurz nach Claire aufgewacht und hatte ihr beim Frühstück geholfen, was Claire sehr erfreut hatte. Viktoria war gar nicht mal so schlecht, wie Claire gedacht hatte, aber sie würde gerne mehr über sie erfahren, vor allem wie sie mit der Situation ihres Bruders klarkam. Es war ja nicht üblich, dass der Bruder übernatürliche Kräfte besaß und mit Spiegelbildern reden konnte. Viktoria muss bestimmt sehr geschockt gewesen sein, als sie das erfahren hatte oder? >Hey, ich wollte dich mal fragen... Was hast du gedacht, als Noah sich als Specualtis geoutet hat?<

>Ähm, ich... Also ich fang mal so an... Es war an seinem einundzwanzigsten Geburtstag. Wir hatten alle bei uns zu Hause gefeiert, also ich, Helena, Curtis und natürlich mein Bruder. Geschenke wurden ausgepackt, Kuchen wurde gegessen und dann ging es in die Stadt, weil wir noch etwas trinken wollten. Tja und als wir an den verschiedenen Läden vorbeigingen, hatte Noah plötzlich Kopfschmerzen bekommen und dann sind wir kurz stehen geblieben. Curtis begann auch langsam Kopfschmerzen zu bekommen und ich und Helena waren ziemlich überfordert gewesen. Dann hörten wir plötzlich Stimmen und Curtis war der erste gewesen, der sein anderes Ich entdeckt hatte. Ziemlich heißer Kerl übrigens, dieser Cian! Ja, auf jeden Fall haben sie angefangen zu reden und mit der Zeit hatte mein Hirn einfach nur abgeschaltet. Das war zu viel für mich gewesen, weil ich nicht glauben konnte, dass mein Bruder so eine Art Superheld war. Das glaub ich bis heute nicht, aber ich komm damit jetzt klar. Zwar habe ich sehr große Angst um meinen Bruder, weil er der einzige ist, der übrig ist. Unseren Vater hatten wir nie kennengelernt und unsere Mutter ist vor etwa zwei Jahren an Krebs gestorben. Seit dem haben wir viel alleine durchmachen müssen und die Vorstellung, dass ihm was passieren könnte, ist unerträglich! Sei froh, dass du dich nicht um jemanden in dieser Situation sorgen musst, denn schlafen wirst du nie wieder richtig! Ich könnte dir noch viel mehr erzählen, aber das reicht fürs erste. Wir sollten die anderen Schlafmützen aufwecken und endlich frühstücken, damit du zu deiner Arbeit gehen kannst!<

>Klar können wir machen... Und danke, dass du so offen zu mir warst. Es ist schön mit jemandem zu reden, weil so jemanden hatte ich nicht immer. Mag sein, dass ein großes Haus und viel Geld einen bisschen glücklich machen kann, aber ich vermisse die Tage, an denen ich mich geliebt gefühlt habe. Ich bin eine ziemliche Heulsuse und Schwache muss ich dir sagen. Deswegen bin ich auch sehr verschlossen, aber bei euch habe ich das Gefühl, dass ich euch vertrauen kann! Danke Viktoria!<

>Kein Problem... Wir alle haben unsere düstere Vergangenheit und unsere Macken. Aber jetzt wo du ein Teil dieses Survival Teams geworden bist, werden wir dich nicht im Stich lassen. Du bist nett und hilfts gerne und vor allem hast du ein großes Herz. Das sieht man! Aber genug Schwärmerei, wecken wir die Buben auf!< Lachend gingen die Mädchen in das Schlafzimmer der Eltern, wo Curtis und Noah bereits wach lagen und sich über Männersachen unterhielten.

Viktoria riss die Decke von ihnen weg und die Jungs protestierten vehement gegen diese unangebrachte Situation, aber schließlich bewegten sie ihren Hintern ins Bad und erfrischten sich. Währenddessen hatte sich Claire in ihr Zimmer begeben, um Flecky und Helena nach unten zu bitten, als sie Helena veränstigt in einer Ecke sitzen sah. Flecky stand genau vor ihr und bellte ins Nichts, was Claire erstmals nicht verstand, doch als sie kurz die Augen rieb und wieder öffnete, blieb ihr wortwörtlich die Luft im Hals stecken.

Da war wieder eins dieser komischen schwarzen Gestalten, die sie bösartig anlächelte und anfauchte. Aber zum Glück war Flecky da und beschützte sie vor diesem bösen Geist, da Helena diese Wesen nicht sehen konnte, also sich auch nicht gegen sie wehren konnte. Claire machte einen Schritt nach vorne und gewann damit die Aufemerksamkeit der Gestalt, die sie dann interessiert musterte.

Es sagte etwas, aber sie konnte es durch das beiläufige Zischen nicht verstehen. Helena hatte die Knie angezogen und bat Claire um Hilfe, aber alleine wusste sie nicht, was sie tun sollte. Sie rief Curtis und Noah, doch da griff sie diese Gestalt schon an. Mit einem spitzen Schrei rannte sie in den Flur und wäre fast über Noah gestolptert, hätte er sie nicht aufgefangen.

Ein kurzes Danke entfuhr ihr, aber sie zeigte ängstlich in den Flur, wo sie das Wesen hinterhältig angrinste. Dieses hatte also ein Gesicht. Ziemlich vielfältig diese Dinger. Noah nickte ihr aufmunternd zu und kurz darauf kam Curtis angezogen zu ihnen und legte beruhigend eine Hand auf ihre Schulter. Er teilte ihnen mit, dass Viktoria sich in Schutz begeben hatte und dass sie nun volle Freiheit hatten diese Hässlichkeit zu vernichten. Noah und Claire hoben den Daumen und sahen wieder zur Gestalt, die sich anscheinend doch entschieden hatte sich wieder Helena zu schnappen. Doch Curtis sprang wütend auf und klatschte in die Hände, damit wieder dieser Kreis entstand, aber es wollte nicht auf Anhieb klappen, denn das Wesen lachte kurz auf und verwandelte sich in Luft.

Curtis und Noah sahen sich aufmerksam um, doch sie konnten die Gestalt nirgendwo entdecken, als Claire plötzlich ein Schimmern in der Luft am Ende des Flurs wahrnahm. Sie fokussierte ihre ganze Aufmerksamkeit auf diese verschwommene Gestalt, als sie plötzlich ein Kribbeln in ihren Händen spürte. Mit fragendem Blick sah sie auf ihre Hände hinab und schluckte überrascht. Ein weißes Licht breitete sich an ihrer Handinnenfläche aus und erhellte jede einzelne Handfalte.

Es fühlte sich warm und gut an, aber was sollte sie damit anfangen?

Sie kapierte immer noch nicht, was tatsächlich ihre eigentliche Aufgabe war. Eine allzu bekannte Stimme flüsterte ihr zu, sie solle das Licht auf diese verschwommene Gestalt werfen und ohne lange nachzudenken, streckte sie ihre Hände aus und das Licht verließ ruckartig ihre Hände, bis es auf etwas mitten im Flur aufprallte. Die zuerst verschwommene Gestalt bekam mehr an Form und Ärger stand in dessen Gesicht geschrieben, was sie stolz machte. Sie hatte das ohne jegliche Hilfe geschafft, aber nun mussten Curtis und Noah die Sache beenden.

Curtis nickte Claire anerkennend zu und dann begann die gleiche Prozedur wie in der gestrigen Nacht. Als dieses böses Wesen endlich weg war, stieß Claire einen erleichterten Seufzer aus und rannte sofort in ihr Zimmer, um nach Helena zu schauen, die sich langsam erhob und ihren schnellen Pulsschlag senkte.

Als sie dann Claire entdeckte, stürzte sie erlöst in ihre Umarmung und dankte ihr, dass sie für sie da gewesen war. Curtis kam dann auch rein und erkundete sich besorgt um ihr Wohlbefinden, aber Helena hatte sich wieder beruhigt und Flecky bellte nicht mehr. Viktoria und Noah betraten auch den Raum und dann waren alle wieder versammelt und verdauten das bereits Geschehene. Und als ob das nicht gereicht hätte, tauchte auch schon Hazy und Cian auf, die die fünf triumphierend anlächelten.

Hazy hatte ein rotes enganliegendes Kleid an und strahlte Eleganz und Macht aus, was Claire stutzig machte. Ihr anderes Ich schien nicht so der Typ von hohen Kreisen zu sein, angefangen von ihrer Ausdrucksweise, die gewöhnungsbedürftig war. Cian hingegen trug wie letztens seinen knielangen schwarzen Mantel, seine dunkelbraunen Boots, seine verwaschene dunkelblaue Jeans und sein weißes Ed Hardy Oberteil. Als er dann auch Hazy entdeckte, zog er sprachlos eine Augenbraue hoch und pfiff anerkennend. >Wow, also wenn du mich so sehr vermisst hast, um mich mit diesem Kleid zu verführen, dann muss ich dir sagen, dass ich gegen einen Abstecher nichts dagegen hätte!<

>Ach halt die Klappe Rockergirl! Für dich würde ich mich nie so in Schale schmeißen... Ich war auf der Suche nach dem anderen Ich von der vierten unter uns und ich musste zur großen Hauptversammlung unserer Stadt. Ich bin nämlich nicht so ein fauler geiler Sack wie du...<

>Warte warte... Rockergirl? Faul? Sack? Ok, geil schon, aber autsch! Was hat dich denn gebissen? Dein Höllenhund?<

>Blacky ist ein braver Hund verstanden?<

>Klar natürlich, nachdem er aber dem Postboten fast den Arm abgebissen hat und die Kinder deiner Nachbarin zu Tode erschreckt hat. Braver Hund!<

>Hey, der perverse Spanner von Postbote hatte es verdient und das mit den Kindern war nur sein gereiztes Temperament gewesen. Er hatte seine Streicheleinheiten nicht bekommen!<

>Könntet ihr bitte wo anders über eure privaten Dinge reden? Wir müssen nämlich Wichtigeres klären!< Cian und Hazy drehten den Kopf zu Curtis und nickten ertappt. Wahrscheinlich hielten es die beiden nur schwer aus nebeneinander zu stehen, ohne sich zu streiten. Könnte es sein, dass sie nur mehr gehabt hatten, als nur ein One-Night-Stand? Sie sahen zusammen irgendwie süß aus.

Er, der düstere verfürerische Mann und sie, die freche launische Frau. Vielleicht war es doch besser, dass sie nicht zusammen waren, weil die beiden waren zu ich-bezogen, um eine gescheite Beziehung zu führen. Claire schüttelte verwirrt den Kopf und ohrfeigte sich innerlich für ihre dahinschweifenden Gedanken, die überhaupt keinen Sinn ergaben.

Hazy blies sich die Strähnen aus dem Gesicht weg und Cian schnalzte gelangweilt mit der Zunge, bevor er dann in die Runde blickte und den Zeigefinger bedeutend hochhob. >Ok gut, klären wir die Probleme unserer Schützlinge, denn wie ich sehe, seid ihr alle ziemlich verwirrt!<

>Na klar sind wir verwirrt! So eine Hässlichkeit hat versucht Helena zu terrorisieren und dann kommt Claire mit ihrer super Fähigkeit, die das unsichtbare Ding sichtbar gemacht hat! Das war krass, wie das weiße Licht nichts getroffen hatte und dann hat der Typ voll geschockt geguckt! Hätte ich an seiner Stelle auch, wenn ich ehrlich bin!< Cian nickte verständnisvoll, als er Noahs Erläuterung der Situation zuhörte und dann verschränkte er nachdenklich die Arme vor die muskulöse Brust, während Hazy ihr einen stolzen Blick zuwarf. Sie erklärte der Gruppe, dass Claire mehr drauf hatte, als man glaubte, denn sie besaß die Fähigkeit solche Gestalten zu sehen und sie auch sichtbar zu machen. Außerdem konnte sie Menschen erkennen, die besessen von solchen Geistern waren. Das Schlechte daran war aber, dass die anderen nichts davon tun konnten, außer sie in ihrer wahren Gestalt zu sehen.

Cian nickte zustimmend und warf jedem einen durchdringenden Blick zu, wobei er bei Claire einen besonders intensiven Blick einsetzte. Verunsichert sah sie schnell weg und konzentrierte sich auf Hazys weiteren Erklärungen, als sie etwas ganz Interessantes mitbekam. Hazy hatte eine Spur gefunden, die zur Vierten führen könnte, aber sie musste noch ein bisschen nachforschen, denn sie war sich nicht ganz sicher. Zur Unterstützung meldete sich Cian, weil er zugegebenermaßen der einzige war, der ihr in diesem Fall weiterhelfen konnte.

Hazy murmelte ein leises Danke und Cian stupste sie grinsend an, weswegen sie ihm einen giftigen Blick zuwarf. Sie konnte ihn ja wirklich nicht leiden! Plötzlich vibrierte Claires Handy in ihrer Tasche und sie griff sofort danach, als sie mit Entsetzen feststellte, dass es ihre Chefin Mrs Cleeve war. Vorahnend, was nun kommen würde, nahm sie ab und ihre Vorhersehung wurde bestätigt. Sie war zu spät dran und Mrs Cleeve war deswegen sehr verärgert, sodass sich Claire nun sehr beeilen musste, um wenigstens zehn Uhr dort zu sein. Hazy hatte augenblicklich begriffen worum es ging, also forderte sie Cian auf mit ihr zu verschwinden. Dieser wackelte zweideutig mit den Augenbrauen, was ihn dann einen Hieb in die Magengegend kostete. Claire schüttelte lächelnd den Kopf und teilte den anderen eilig mit, dass sie zu spät dran war, was die anderen schnell in Kenntnis nahmen. Sie wünschten ihr viel Spaß bei der Arbeit und versicherten ihr, dass sie nichts Verbotenes im Haus anstellen würden. Claire lachte kurz und sprintete zu ihrem Auto, doch zuvor verabschiedete sie sich liebevoll von Flecky und gab ihm einen kleinen Knuddler.

Nach etwa zehn geschlagenen Minuten kam sie dann endlich an und entschuldigte sich oftmals bei Mrs Cleeve für ihre Verspätung, die diese dann mit einer wegwerfenden Handbewegung akzeptierte. Claire dankte ihr mit einem Nicken und machte sich sofort an die Arbeit. Wie jeden Tag gab es viele Kunden, die ein Eis oder einen Kaffee wollten, nur dass sich die Kinder enttäuscht zurückzogen, weil Flecky diesmal nicht da war. Sie wollte ihn lieber in Sicherheit wissen und bei Helena und den anderen machte sie sich keine Sorgen um ihn. Die Stunden vergingen glücklicherweise schnell, aber Mrs Cleeve forderte sie zusätzlich noch auf alles zu putzen und erst dann zu gehen. Seufzend holte Claire den Besen und den Eimer Wasser und dann war Putzarbeit angesagt, als sie ein mulmiges Gefühl im Bauch erfasste.

Irritiert sah sie sich um, entdeckte jedoch nichts. Claire stand mit dem Putzeimer auf und ging aufmerksam hinter den Tresen, als sie dann aus dem Fenster eine Person stehen sah. Sie kniff fest die Augen zusammen, um die Person besser erkennen zu können, als sie erschrocken nach Luft schnappte. Was war denn mit dem Kerl los? Claire hatte ihn oft mittwochs im Café getroffen und er war auch ein sehr netter Mann, doch was war das für ein schwarzer Schatten in ihm?

Es sah komisch aus, denn unter dem feinen Anzug dieses Anwalts steckte etwas Schwarzes. Als er sich dann auch noch in ihre Richtung drehte und ihr dabei tief in die Augen sah, erkannte sie diese Besessenheit dieses Mannes. Konnte es sein, dass er von diesen Spiegelgestalten besessen war und dass sie wirklich die einzige, die das sehen konnte? Wenn ja, was sollte sie tun? Sie hatte keine einzige Handynummer ihrer Freunde, aber warte. Mrs Cleeve besaß ein Telefon in ihrem Büro, welches sie kurz für einen Anruf daheim benutzen konnte. Zum Glück war ihre Chefin im Lager und bekam nichts mit und nach dem dritten Piepen nahm endlich jemand ab. Es war Helena. >Hallialo? Wer ist denn da?<

>Hey Helena, ich bins Claire! Könnt ihr bitte schnell kommen, weil ich einen Mann entdeckt habe, der von einer Spiegelgestalt besessen ist. Kommt bitte, ich weiß echt nicht was ich tun soll... Ansprechen will ich ihn ganz sicherlich nicht!<

>Ok ok, ich sag den Jungs bescheid und wir düsen sofort zu dir. Mach bloß keine Dummheit und pass gut auf dich auf!<

>Danke Helena, das werde ich... Bis gleich!< Mit klopfendem Herzen legte Claire auf und schleichte sich zurück zum Tresen, um von dort aus den Mann beobachten zu können.

Er stand immer noch am gleichen Fleck und starrte ins Leere, als er wieder den Kopf drehte und sie dabei wiedererkannte. Instinktiv schaute sie weg und konzentrierte sich auf etwas anderes, was ihr aber unter dieser strengen Beobachtung nicht gelang. Immer wieder glitt ihr Blick zu dem Typ, aber sobald sie seinen schwarzen kalten Augen begegnete, wandte sie sich wieder ab. Hoffentlich würden die anderen so schnell wie möglich kommen, denn diese Anspannung machte sie noch fertig.

Ein Geräusch hinter ihr erschreckte sie so plötzlich, dass sie kurz aufschrie, doch es war nur Mrs Cleeve, die einen Karton auf den Tresen gelegt hatte. Doch bei Claires Aufschrei fasste sich die alte Dame ans Herz und holte tief Luft. >Mein lieber Mann... Das hätte in einem Herzinfarkt enden können. Erschreck dich doch nicht so, Kleines!<

>Entschuldigung, ich war mit meinen Gedanken wo anders!<

>Bist du verliebt oder wie soll ich das verstehen?<

>Ich, ich, nein... Ich bin nicht verliebt. In wen denn auch?!<

>Das weiß ich doch nicht, könnte aber sein. Aber jetzt an die Arbeit und putz die Tische draußen!< Bei dem Satz gefror Claire das Blut in den Adern. Sie sollte draußen die Tische putzen? Bei dem grusligen Kerl dort drüben? Niemals, aber dem auffordernden Blick von Mrs Cleeve musste sie sich unterwerfen. Mit angespannter Körperhaltung nahm sie den Putzeimer und den nassen Schwamm in die Hand und ging raus an die frische Luft, wo sie fünfzehn Tische erwarteten. Mit einem tiefen Seufzer begann sie den ersten Tisch zu putzen, behielt aber den Mann im Auge.

Dieser beobachtete sie wachsam und das beunruhigte sie zunehmend. Warum starrte er sie die ganze Zeit an? Der letzte, der sie so angesehen hatte, war der Typ im Supermarkt gewesen, an den sie sich nur ungern erinnerte. Dieser hatte versucht sie umzubringen, also warum verhielt sich dann diese Ausgeburt des Bösen anders? Plötzlich erhob sich der Mann vom Stuhl und bahnte sich einen direkten Weg zu ihr, was sie fluchen ließ. Warum musste sie sich auch fragen, warum er sie nicht umbrachte?

Nun hatte sie die Antwort.

Doch in der ganzen Öffentlichkeit würde er bestimmt nichts Böses tun, oder doch? Waren diese Spiegelgestalten so skrupellos? All diese Fragen erdrückten ihren Schädel und sie wünschte sich augenblicklich ihren Hund her. Natürlich auch ihre Freunde, aber bei Flecky fühlte sie sich immer noch am sichersten. Mit einem panischen Gefühl im Bauch verfolgte sie den Mann mit ihren Blicken, als sie eine allzu bekannte Stimme ihren Namen rufen hörte. Helena rannte winkend auf sie zu und Flecky begleitete sie bellend und spurtete direkt auf sie zu.

Ein riesiger Stein fiel Claire vom Herzen und mit purer Genugtuung schloss sie ihren Welpen in eine schutzsuchende Umarmung. Helena kam kurz daraufhin auf sie zu und bückte sich mit einem verschwörerischen Lächeln zu ihr runter, ohne den Blick von dem Mann, der angehalten hatte, abzuwenden. Mit leiser Stimme fragte sie Claire, ob dieser ihr etwas angetan hatte, aber sie schüttelte dankbar den Kopf und stieß erleichtert Luft aus, als sie zusätzlich Curtis, Noah und Viktoria entdeckte. Noah zog fragend eine Augenbraue in die Höhe, aber als er diesen abwesend blickenden Mann vorfand, breitete sich ein wissendes Lächeln auf seinem Gesicht aus. Curtis schüttelte genervt den Kopf, wobei seine blonden Haare hin und herwippten und seine Augen gefährlich blitzten. Er sah demnach nicht sehr erfreut aus wieder so einem Kerl zu begegnen und Claire musste dem zustimmen. Sie hatte sich so sehr auf einen angenehmen Tag gefreut und dann kam dieser Mann und zerstörte ihre Vorstellungen. Dieser schien kurz wie weggetreten zu sein, aber dann zuckte kurz sein ganzer Körper und er bewegte sich mit langsamen Schritten auf die Gruppe zu.

Die Jungs verspannten sich augenblicklich und die Mädchen stellten sich etwas hinter ihnen, um den Mann besser beobachten zu können. Als er schließlich bei ihnen angekommen war, öffnete er kurz den Mund, doch anstatt Worte zu hören, entkam ihm ein tiefes Röcheln, das Claire eine üble Gänsehaut verpasste. Der Mann räusperte sich kurz und schaute kurz betreten zur Seite, als er verwirrt den Kopf schüttelte und den Jungs durchdringende Blicke zuwarf. >Ich weiß wer ihr seid und ich weiß, wen ihr sucht. Ihr sucht Aria, die vierte unter euch! Sie lebt alleine in New York und besitzt einen schönen Friseursalon in der Nähe vom Central Park. Es heißt Broken Glasses. Mehr darf ich euch nicht verraten!<

Der Mann hob die Hand und bevor Curtis fragen konnte, wer er eigentlich war, fiel der Kerl zu Boden und blieb dort bewusstlos liegen. Claire sah noch wie der Spiegelgeist seinen Körper verließ und blitzschnell verschwand. Das einzige was sie hatte erkennen können, war der dunkelblaue Mantel und kurzes schwarzes Haar, aber sie hatte noch ein goldenes Armband erkennen können, dessen Inschrift sie nicht hatte lesen können.

Mit einem Seitenblick zu den anderen bemerkte sie die verwirrte Stimmung, die auch in ihr herrschte, aber niemand konnte sich das vorhin erklären. Claire erzählte ihnen von dem Aussehen des Geistes und dann klatschte sich Noah mit der flachen Hand gegen die Stirn. >Ach du meine Güte, das war mein anderes Ich! Ich wusste, ich kenne diese nervige Stimme. Das war Nate! Boah, den habe ich aber lange nicht mehr gesehen, seit unserem letzten großen Streit!<

Claire sah verwirrt in die Runde, weil sie nicht verstand, worum es in dem Streit gegangen war, aber in den Blicken von den anderen erkannte sie Verständnis und daraus ließ sich schlussfolgern, dass sie in dieser Hinsicht ratlos bleiben würde. Fürs erste! Curtis legte seine Hand auf Noahs Schulter und Viktoria schaute gedankenverloren auf den Boden. Dieser Streit musste echt schlimm gewesen sein, wenn so eine Stille einkehrte. Helena bemerkte als einzige, dass Claire im Moment etwas fehl am Platz war, aber sie hob den Zeigefinger und gab ihr damit zu verstehen, dass Erklärungen später kommen würden.

Zufrieden wandte sich Claire den Jungs zu, die im leisen Tonfall miteinander diskutierten, bis ihr der bewusstlose Mann auf dem Boden wieder einfiel. Sie kniete sich vor ihn hin und rüttelte ihn leicht an der Schulter, als sie ein Brummen wahrnahm. Viktoria half ihr dabei den Mann aufzuwecken und nach ein paar Lebenszeichen stand der Mann wieder auf zwei Beinen und fasste sich schmerzverzerrt an die Stirn. Claire bat ihn sich hinzusetzen und mit etwas wackeligen Beinen folgte er ihrer Bitte und ließ sich auf einen Stuhl nieder. Viktoria brachte ihm ein Glas Wasser aus dem Café und Helena versuchte mit ihm zu reden, aber er schien immer noch in einer Art Trance zu sein.

Erst nachdem er ein paar Schlücke zu sich genommen hatte, begann sein Hirn zu arbeiten, aber er wusste prompt nicht wo er sich befand und warum er überhaupt hier war. Die Mädchen sahen sich verzweifelt an, wussten aber nicht wie sie mit dieser Situation umgehen sollten. Sie fragten ihn nach seiner Adresse, um ihn dorthin zu fahren, doch er winkte ab und teilte ihnen nüchtern mit, dass er alleine gehen würde. Zwar gaben sie sich nicht damit zufrieden, dennoch war es seine Entscheidung und nicht ihre. Er dankte ihnen nochmals für ihre Hilfe und dann ging er langsamen Schrittes fort. Noah und Curtis hatten währenddessen ihr geheimes Gespräch beendet und dem Mann misstrauisch hinterhergeguckt. Helena schlug allen vor erstmal nach Hause zu gehen und sich dort darüber den Kopf zu zerschlagen, wie sie die Vierte fanden.

Der Vorschlag fand Zustimmung in der Runde und mit gesenkten Schultern pfiff Claire Flecky zu sich, der sich zuvor mit einer Taube befreundet hatte. Er kam hechelnd hinterher und tapste brav neben ihr und nahm alles in seiner Umgebung genauestens wahr. Sie strich ihm kurz über den Kopf und folgte den anderen zu ihrem Auto, das heil und sicher auf seinem Platz stand.

Das Problem aber war, dass nur für zwei Personen Platz war.

Claire versprach der Gruppe so schnell wie möglich nach Hause zu fahren, um sich dann den Porsche Cayenne zu schnappen und sie abzuholen. Die Jungs rissen überrascht die Augen auf und fragten sie, wie viele Autos sie denn besaßen, als sie mit einem Augenzwinkern 'vier' antwortete. Noah sabberte schon fast, als er nur kurz überlegte jedes Auto mal fahren zu dürfen und Curtis nickte verträumt.

Viktoria und Helena verdrehten nur lachend die Augen und forderten Claire auf loszufahren, bevor die Jungs ihr sabbernd hinterherrannten. Sie nickte lächelnd und stieg mit Flecky ins Auto ein, als sie auch schon aufs Gaspedal drückte und davonflitzte. Dieser Tag war bisher nur der reinste Stress gewesen. Hoffentlich würde der Abend etwas angenehmer verlaufen, aber als ihr dann einfiel, dass sie über diese Aria reden mussten, seufzte sie enttäuscht. Das einzig Gute an der Sache war, dass sie mit ihren tollen Freunden zusammen sein konnte. Endlich daheim stürzte Claire in das Haus, um den Wagenschlüssel vom Porsche zu holen, als das Haustelefon klingelte. In großer Eile nahm sie den Hörer ab und fragte ungeduldig nach der Person, die am anderen Ende der Leitung war. >Schatz? Claire, bist du es? Ich bin es, deine Mutter!<

>Oh, Mum, schön dich zu hören, warum rufst du an?<

>Ich wollte nur wissen, wie es meiner Tochter geht. Hast du schon eingekauft und für einen Ausbildungsplatz Ausschau gehalten?<

>Ja, eingekauft hab ich schon und das mit dem Ausbildungsplatz kann noch warten! Wie gehts euch?<

>Ach, hier in Rio ist es fabelhaft. Das Wetter ist wunderbar und unsere Kunden sind sehr nette Menschen. Ich und dein Vater werden wieder viel Gewinn machen, dann kannst du dir kaufen was du willst mein Schatz!<

>Danke Mum, echt lieb... Ich muss jetzt dann auflegen, Flecky will Gassi gehen!<

>Natürlich Schatz, ich gehe dann auch mal wieder an die Arbeit, schönen Tag noch! Liebe dich!<

>Ich dich auch, ciao!< Mit deprimierter Miene legte Claire auf und nahm den Autoschlüssel vom Haken, um anschließend zum Auto zu rennen und zu der wartenden Gruppe zu fahren.

Helena schien ziemlich genervt zu sein und Claire hoffte inständig, dass es nicht an ihr lag, aber als diese dann Noah die Zunge rausstreckte, wusste sie, dass Noah das Problem war. Puh, für einen Moment hatte sie ernsthaft gedacht, dass ihre Freunde sauer waren. Das wäre für sie echt schlimm gewesen, weil sie es aus schlechter Erfahrung nicht gepackt hätte. Curtis stieg neben sie ein und Noah quetschte sich in die Mitte, was Helena überhaupt nicht passte. Was war denn in der Zwischenzeit passiert?

Viktoria warf ihr einen lächelnden Blick im Rückspiegel zu und dann wandte sie sich grinsend zu Helena. >Helena, Süße, erzähl mal Claire, wieso du so sauer bist auf Noah!<

>Dieser Mistkerl hat es ehrlich geschafft mich seelisch fertig zu machen. Er hat mir eiskalt gesagt, dass ich eine Tussi bin, weil ich so aufbrausend bin und mich knapp bekleide. Findest du wirklich, dass ein Rock, der mir bis knapp über die Knie geht und ein weißes Top tussihaft ist? Der Kerl hat mit seiner Ungeduld nichts Besseres zu tun, als mich fertig zu machen... Und dann hat er auf meine Frage, wieso ihn das interessieren sollte, schon wieder eiskalt geantwortet, dass er sich schämen würde mit einer Tussi wie mir rauszugehen. Ts, das ist ja wohl das allerletzte! Mal bin ich ein Mannsweib und jetzt bin ich die Tussi hier. Ich bin stocksauer!< Helena kniff die Lippen wütend zusammen und verschränkte beleidigt die Arme vor die Brust, als Noah ihr einen verspielten Blick zuwarf, den sie dann mit einem Teufelsblick erwiderte.

Er zuckte lächelnd mit den Schultern und sah anschließend verträumt aus dem Fenster. Claire bekam den Verdacht, dass Noah Helena mehr mochte als nur eine Freundin, aber sicher war sie sich nicht. Durch ihre Einsamkeit hatte sie oft Personen und ihr typisches Verhalten beobachtet und ihre Schlüsse daraus gezogen. Es war ihr Hobby geworden die Bewegungen und Mimiken der Menschen zu analysieren und sie dann in ihrem Gedächtins abzuspeichern.

Eine Art Hobbypsychologin.

Was Besseres hatte sie eh nicht zu tun. Doch Noah schien wirklich Helena sehr zu mögen, denn die Blicke, die er ihr meistens warf, waren neckend und glücklich. So als ob es ihn jedes Mal freuen würde sie zu sehen und sie auf die Palme zu bringen. Nur dass es etwas komisch für Viktoria und Curtis werden würde, sollten sich die beiden wirklich mögen. Aber weil sie dick befreundet waren, würde das kein Problem geben, oder? Für Claire jedenfalls nicht.

Curtis saß währenddessen still neben ihr und schien angestrengt nachzudenken. Sie hakte bei ihm nach, was ihn so sehr bedrückte, aber seine dunklen grünen Augen verrieten ihr, dass er nicht darüber sprechen wollte. Sie lehnte sich gelassen in den Sitz zurück und bog in die lange Einfahrt ein, um dann das Auto in eine der Garagen zu parken. Helena ging immer noch beleidigt zur Tür und Noah und Viktoria folgten ihr lachend, wobei Claire etwas Trauer in Noahs Augen entdeckte. Vielleicht war er doch verliebt in Helena. Curtis legte seine Hand auf Claires Rücken, weil sie ganz vergessen hatte zu laufen, um sie nach vorne zu drücken, aber das einzige, was Claire wahrnahm, war ein warmes Kribbeln an der Stelle wo er seine Hand angelegt hatte.

Dennoch ging sie die paar Schritte zur Haustür und öffnete sie, ohne das schöne Kribbeln zu ignorieren, als ihr auch schon ein aufgeregter verspielter Flecky entgegensprang. Claire fiel fast nach hinten, hätte Curtis sie nicht aufgefangen und mit einem gemurmelten Danke begab sie sich in die Küche, um dem Welpen etwas Essen in den Futternapf zu tun, weil er bestimmt großen Hunger hatte. Das erklärte dann auch, warum er hin und herflitzte, denn das tat er nur dann, wenn er Hunger hatte.

Das war seine Sprache für Hunger!

Nachdem sie den Napf gefüllt hatte, raste Flecky wie ein gehetztes Tier darauf zu und schleckte alles weg, was ihn an der Nase berührte, die sehr tief in das Essen vergraben war. Claire kicherte bei seinen schlechten Manieren und als dann auch Helena den Kleinen bei seiner Mahlzeit entdeckte, brach sie in schallendes Gelächter aus. Viktoria stürzte daraufhin in die Küche, um zu sehen, ob alles in Ordnung war und als die drei Mädchen Flecky auslachten, hob er fragend den Kopf und legte ihn schief.

Dann bellte er kurz und machte bei seiner Fressorgie weiter. Anscheinend passte es ihm nicht, dass sie ihn beobachteten, also gingen die drei ins Wohnzimmer und setzten sich auf das Sofa hin. Viktoria erzählte ihnen, dass die Jungs mit ihren Spiegelbildern über diese Aria diskutierten und nach einem Plan sie zu finden suchten. Claire war froh nicht bei dieser Diskussion dabei zu sein, weil sie endlich mal etwas Normalität wollte, selbst für einen kleinen Augenblick, der jedoch sofort unterbrochen wurde, als Curtis sie rief.

Genervt erhob sie sich vom Sofa und ging schwer die Treppen nach oben in ihr Zimmer, wo sie die drei Jungs und die verärgerte Hazy erwarteten. Na toll, was hatte sie denn schon wieder?

5. Kapitel

>Claire, wo warst du schon wieder? Während die Jungs hier vorbildhaft auftauchen, sitzt du unten und denkst, dass du dich ausruhen kannst. Oh mann, bist du peinlich!<

>Wow, du bist aber nett zu deinem anderen Ich, kein Wunder, dass sie dich nicht sehen will!< Hazy funkelte Cian zornig an und streckte ihm mit verschränkten Armen die Zunge raus. Dieser lachte nur frech und zwinkerte Claire freundlich zu. Seit wann war der so nett zu ihr? Der war ja komisch.

Curtis und Noah seufzten genervt und erinnerten die beiden Spiegelbilder, dass sie Aria finden mussten. Hazys schlechte Laune verflog so schnell wie sie gekommen war und sie richtete den Blick direkt auf Curtis, der ihnen das Ereignis vor dem Café ausführlich schilderte. Cian tippte sich nachdenklich an die Stirn und Hazy zog die Stirn in Falten, um sich einen Plan auszudenken, wie sie Aria herbekamen, denn es war dumm extra wegen ihr den Ort, in dem sie lebten, zu verlassen.

Außerdem musste Claire dableiben, weil ihre Eltern in einem Monat zurückkommen würden und sich fragen würden wo sie war. Aber vielleicht konnte Claire von ihrem Konto ein Appartment in Ney York mieten, in das sie alle für eine Weile bleiben konnten. Das würde bestimmt toll werden! Dort würde sie dann auch mit den Mädels shoppen gehen und abends zusammen einen trinken gehen und etwas Party machen. Es war zwei Jahre her seitdem sie das letzte Mal auf eine Party gewesen war und diesmal hatte sie auch tolle Freunde mit denen sie gerne feiern würde, um sich etwas abzulenken.

Aria musste doch nicht schnellstmöglich aufgesucht werden, denn von einem Zeitlimit war nie die Rede gewesen.

Noah räusperte sich um die Stille zu durchbrechen und sah dabei jedem tief in die Augen, um zu schauen, ob jemand eine Idee hatte. Curtis zuckte nur ratlos mit den Schultern und Cian und Hazy wechselten erwartungsvolle Blicke. Womöglich hatte keiner eine angemessene Idee, was Claires Idee noch attraktiver machte, um sie zu erzählen. >Wie wär's wenn ich uns eine Wohnung in New York besorge und wir für eine Weile dort bleiben und uns auf die Suche nach dieser Aria machen. Wenn wir sie treffen, dann können wir sehen, was wir dann machen, oder?<

>Zum ersten Mal bin ich richtig stolz auf dich... Du bist doch nicht so nutzlos, wie ich dachte!< Claire zog verblüfft eine Augenbraue in die Höhe und schüttelte lächelnd den Kopf. Dieses Mädchen konnte launischer sein, als das Wetter im April. Zuerst meckerte sie sie an und nun war sie stolz. Hazy kostete ihr aber auch alle Nerven, die in letzter Zeit ziemlich in der Minderzahl waren.

Cian war von der Idee total begeistert, weil er lange nicht in New York gewesen war und Noahs Augen fielen fast aus seinem Kopf heraus, da ihm diese Idee sehr gefiel. Curtis schien auch mit der Idee zufrieden zu sein, aber als Helena mit Viktoria das Zimmer betrat und wild protestierte, dass sie das Geld von Claire nicht aus dem Fenster schmeißen wollte, verfiel jeder ins Schweigen. Nur Claire versicherte ihr, dass es ihr nichts ausmachte, aber Helena hob abwehrend eine Hand und erklärte ihr, dass sie zu den Kosten selbst etwas beitragen würde. >Jetzt Helena, Mensch, du bist nicht nur eine Tussi, du bist obendrauf noch kompliziert und nervig. Wenn sie uns schon eine Wohnung anbietet, dann nehmen wir sie. Sie hat das Geld dazu, wir nicht. Das tut sie freiwillig, also misch dich nicht ein und akzeptier das!<

>Noah du bist so ein Idiot. Immer wieder kotzt du mich an mit deinen Anschuldigungen und deiner Naivität! Sie hat das Geld, ja... Aber schon mal daran gedacht, dass sie das tut, weil wir Freunde sind? Wenn wir wirklich ihre Freunde sind, dann steuern wir verdammt noch mal auch was dazu bei! Sei nicht so unverfroren und nimm nicht alles, was man dir vor die Nase stellt. Das ist ein dämliches und kindisches Verhalten!<

>Wenn jemandem die Kotze bis zum Kopf steht, dann bin ich das. Immer wieder machst DU mich fertig. Ich komm nie zu Wort, weil du immer deinen Senf dazugeben musst und das nervt mich schon seit einer ganzen Weile. Du fühlst dich so toll, wenn du mich fertigmachst, nicht wahr? Und weißt du was? Wenn du unbedingt zahlen willst, dann tu es doch, ich werde das nicht tun, weil ich schon genug mit Curtis arbeite, um dir ein Dach über den Kopf zu bieten, während du dein Geld fürs Shoppen ausgibst! Ich bin fertig mit dir, verdammt nochmal!< Mit wütender Miene stürzte Noah aus dem Zimmer und Claire sah ratlos zu Helena, die versuchte einen klaren Gedanken zu fassen und die Worte von Noah zu verdauen.

Zwar wusste sie nicht, wie das alles grad passieren konnte, aber sie fand es ziemlich schlimm, dass sie sich gestritten hatten. Sie mochte es vielmehr, wenn sie sich neckten, anstatt wie gerade eben sich zu streiten. Curtis seufzte nur und lief Noah hinterher, wobei er Helena zuerst versicherte, dass Noah das nicht alles ernst gemeint hatte. Diese aber blickte nicht so vetraut drein, sondern fasste sich verzweifelt an den Kopf und steuerte auf das Bett zu, um sich hinzusetzen. Viktoria ließ sich neben ihr nieder und legte aufmunternd die Hände auf ihre Schultern und Claire sah betreten auf den Boden, als sie sich entschied Helena zu trösten. Hazy und Cian verstanden sofort, dass sie fehl am Platz waren, weswegen sie dann still verschwanden.

Immerhin bestanden sie nicht darauf Aria sofort zu finden.

Mitfühlend kniete sich Claire vor Helena hin und entdeckte ein paar kleine Tränchen in den Augenwinkeln, die sich Helena sofort wegwischte. Wahrscheinlich nahm sie dieser Streit mehr mit, als Claire gedacht hatte, aber Viktoria redete beruhigend auf sie ein, dass Noah das nur gesagt hatte, weil er unter Stress war. Außerdem hatte er sein anderes Ich wieder gesehen und das hatte bestimmt für Unruhe in ihm gesorgt. Was war nur zwischen den beiden geschehen? Das würde sie gerne wissen.

Doch zunächst stand sie ihrer Freundin bei und streichelte ihr lächelnd das Knie, was eine positive Wirkung auf Helena hatte. Sie wischte sich die paar Tränen vom Gesicht und schneuzte kurz in ein Taschentuch, das Claire ihr zuvor gereicht hatte. Viktoria streichelte ihren Rücken und Claire wartete gespannt, ob Helena etwas sagen wollte oder nicht, aber sie schüttelte sich nur kurz und holte tief Luft, um dann schnell im Bad zu verschwinden.

Die Mädchen warfen sich fragende Blicke zu und Claire erklärte sich bereit nach den Jungs zu schauen, während Viktoria auf Helena aufpasste. Also ging sie schnurstracks die Treppen runter in die Küche, weil ihr Instinkt es ihr riet und mit Genugtuung entdeckte sie Noah am Tresen, der sich mit den Ellbogen abstützte und seinen Kopf hielt. Curtis stand neben ihm und sah ihn durchdringend an, als Noah die unangenehme Stille durchbrach und ihm tief in die Augen schaute. >Ja, verdammt... Ich habe mich in deine Schwester verliebt und das bereitet mir schon seit langem voll die Kopfschmerzen. Einerseits wusste ich nicht, wie ich es dir sagen soll und auf der anderen Seite hatte ich Angst vor deiner Reaktion. Jetzt habe ich sie verletzt, obwohl ich ihr nur die Wahrheit gesagt habe und anstatt mich toll zu fühlen, weil ich sie einmal fertiggemacht habe, fühl ich mich beschissen! Das nennt man doch Liebe oder? Ich bin ein Mann, sowas spüre ich nicht so gut wie Frauen...!<

Noah sah seinem Freund fest in die Augen, doch dieser senkte nur seufzend den Kopf und schüttelte ihn leicht hin und her. Claire wollte am liebsten reinstürmen und Noah ihre Meinung mitteilen, aber Curtis schwang sich mit Eleganz auf den Tresen und klopfte seinem Kumpel leicht auf die Schulter.

>Du bist mein bester Freund und Helena ist mein Ein und Alles. Wenn es sich herausstellt, dass sie dich auch mag, dann habe ich kein Problem. Ich vertraue dir und ich vertraue ihr! Solltest du sie aber verletzen, brech ich dir alle Knochen und lass dich einsam im Krankenhaus sterben. Ok? Aber zuerst musst du erfahren, ob sie dich auch mag. Ich rede mit meiner Schwester kaum über Gefühle, das ist zu kompliziert für uns, glaub mir! Dafür haben Frauen einen ganzen Kodex, der größer ist als die Bibel.< Die Jungs begannen herzhaft zu lachen und Noah dankte Curtis für sein Verständnis und seine Ehrlichkeit, doch als sie dann Claire am Türrahmen entdeckten, verstummten sie abrupt.

Claire sah etwas betreten zu Boden und spielte schüchtern mit ihrer Strähne rum, aber als Curtis sie nett zu sich bat, nickte sie lächelnd und nahm neben ihm Platz. Die Jungs warfen ihr erwartungsvolle Blicke zu, die sie so deutete, als wollten sie wissen, ob sie gelauscht hatte. Etwas rot wurde sie schon an den Wangen, weil sie dabei ertappt wurde, aber sie entschloss sich für die Wahrheit, die ihrer Meinung nach sehr positiv war. >Also, ich wollte nicht lauschen... Dafür bin ich nicht der Typ, aber es war interessant zu sehen, wie ihr die ganze Situation so handhabt! Ich habe schon länger bemerkt, dass du, Noah, auf Helena stehst, aber ich war mir nicht sicher. Doch da es grad bestätigt wurde, bin ich mir auch sicher, dass Helena dich auch sehr mag. Oben war sie den Tränen nahe, was heißt, dass sie diese kurze Auseinandersetzung mitgenommen hat! Ein Zeichen dafür, dass du ihr wichtig ist. Bei dir ist es auf jeden Fall Liebe... Du strahlst wie ein Honigkuchenpferd, wenn du sie siehst, voll süß. Du solltest das mit Sicherheit mit ihr klären und keine Sorge das wird schon klappen. Mag sein, dass ich in Sachen Liebe und langjährige Freundschaft kaum Erfahrung habe, aber ich beobachte Menschen sehr gerne und bei dir ist es hundertprozentig Liebe! Das sollte dich freuen...<

Curtis und Noah bekamen vor Staunen nicht den Mund zu und als sie die Mimik der Jungs mit hochgezogener Augenbraue versuchte zu deuten, legte Curtis eine Hand auf ihren Kopf und lächelte. >Du bist das erste Mädchen, das wir Männer in Sachen Gefühle verstehen! Respekt! Du solltest auf jeden Fall Dolmetscherin zwischen Mann und Frau werden, damit kannst du dann Karriere machen und wenn möglich auch ein Buch schreiben!<

>Ihr wollt mich doch beide auf den Arm nehmen, oder? Karriere? Buch? Ehrlich?<

>Ja ok, ein bisschen Spaß war drin!< Curtis zwinkerte ihr mit einem charmanten Lächeln zu, was sie sofort dahinschmelzen ließ. Zum Glück saß sie auf dem Tresen, denn hätte sie gestanden, wäre sie augenblicklich zusammengeklappt. Er war so attraktiv, dass ihre Augen fast aus den Augenhöhlen traten, um noch mehr an seinem perfekten Gesicht zu entdecken. Ganz abgesehen von seinem durchtrainierten Körper, was bei so einem leidenschaftlichen Tänzer nur der Fall sein konnte. Sie hatte ihn natürlich beim Tanzen vor zwei Tagen genauestens unter die Lupe genommen und musste zugeben, dass er manchmal sogar besser getanzt hatte, als der Tanzlehrer selbst. Dieser Mann war die Verführung in Person und das Tolle an ihm war, dass er nicht damit angab, sondern einfach er selbst war. So einen wunderbaren Kerl hatte sie noch in ihrem Leben gesehen und sie war froh ihn in ihrem Freundeskreis zu haben, vor allem, weil er so nett zu ihr war.

Noah räusperte sich, als Helena die Küche betrat und ihn bat sich mit ihr im Wohnzimmer auszusprechen. Er schien sich nicht wohl in seiner Haut zu fühlen, doch widerwillig richtete er sich auf und folgte ihr wie ein Schßhündchen ins Wohnzimmer, um sich dann neben ihr niederzulassen. Seine Schwester, Curtis und Claire blieben alleine zurück in der Küche und lauschten durch die verschlossene Tür, doch die Entfernung war zu groß, um etwas zu verstehen.

Also pfiff Claire Flecky zu sich und befiel ihm ein Telefon ins Maul zu nehmen und es geheim neben dem Sofa zu legen. Flecky war zwar noch jung, aber Claire hatte so viel Zeit mit ihm verbracht, um ihm solche Sachen kurz und knapp beizubringen. Er bellte kurz sein 'OK', nahm das Telefon entgegen und schleichte sich ins Wohnzimmer, wo er in geduckter Haltung das mobile Telefon ganz nah an das Sofa legte.

Schließlich schaffte er es unbemerkt zur Küche zurückzulaufen und sich sein verdientes Leckerli zu ergattern. Viktoria und Curtis waren erstaunt darüber, was dieser Hund schon konnte und purer Stolz breitete sich in Claires Brust aus. Sie hatte Jahre geopfert, um Flecky zu trainieren und sie war wie immer dankbar dafür ihn zu haben, denn ohne ihn, hätte sie die Einsamkeit nie alleine bewältigen können. Viktoria stupste sie an der Schulter und fragte sie nach dem anderen Haustelefon, als auch schon Curtis damit ankam und es auf Lauschmodus stellte.

Alle drei fühlten sich wie in einem Krimi, in dem sie die Bösen belauschten, aber in diesem Fall war es nur die Neugier, die sie fast umbrachten. Sie quetschten sich so fest aneinander, sodass Claire den warmen elektrisierenden Atem von Curtis an ihrem Nacken spüren konnte. Er atmete flach und langsam, um bloß kein Detail vom Gespräch zu verpassen, als auf der anderen Seite der Leitung peinliche Stille entstand. Was besprachen die da nur? Sprachen sie per Gedanken miteinander oder war ihre Aussprache die Stille selbst? Claire zog angestrengt die Augenbrauen zusammen und stellte den Lautsprecher etwas lauter, als plötzlich Helenas Stimme erklang.

Sie erzählte etwas von alten Zeiten und lustigen Momenten, da sie teil lachte und teils verstummte, jedoch bei dem richtigen Problem blieb. Noah schien ihr die ganze Zeit zuzuhören, weil er keinen Mucks von sich gab, doch dann erwiderte er auf ihre unverständliche Frage ein leises 'Hm' und verfiel wieder ins Schweigen. Dieser Mann war bestimmt nervös oder wusste wirklich nicht, wie er sich verhalten sollte, weil die einzige Person, die das Gespräch am Leben erhielt, war Helena, die aber auch etwas schüchtern und verunsichert klang. Claire wäre am liebsten reingestürmt und hätte Streitschlichter gespielt, aber es waren ja erwachsene Menschen, die ihre Probleme alleine regeln konnten. Doch auf einmal kehrte wieder Ruhe ein und die drei Lauschenden pressten ihre Ohren fest an den Hörer, um was zu hören, was ihnen leider nicht gelang.

Unangenehme Stille herrschte am anderen Ende und sie fragten sich ernsthaft, ob Helena ihn nicht erwürgt hatte, weil sie sich an ihm für seine Frechheit rächen wollte. Claire meldete sich freiwillig nach den beiden zu schauen und als Curtis und Viktoria zustimmend nickten, schlich sie sich auf Zehenspitzen aus der Küche und stellte sich so nah wie möglich an die Flurecke, um zum Sofa rüberzuspähen. Aber das Bild, das sie erwartet hatte, machte ihr einerseits Angst, andererseits aber auch fröhlich. Was machte man in einem Moment, in dem deine Freunde auf deinem Wohnzimmersofa knutschten und aus dem Fernseher eine komische Gestalt krabbelte?

Nun, diese Frage stellten sich auch Curtis und Viktoria, die hinter ihr standen und hin und hergerissen waren den schönen Moment zu stören. Helena und Noah sahen so perfekt zusammen aus, aber trotzdem war der schöne Anblick etwas gewöhnungsbedürftig. Doch was am meisten das Bild störte, war diese hässliche Gestalt, die langsam aber sicher auf die andere Seite des Fernsehers gelang. Claire beschloss einzuschreiten, weil sie das Leben ihrer Freunde nicht riskieren wollte.

Deswegen räusperte sie sich und Helena und Noah sprangen erschrocken auseinander, weil sie zu sehr in den Kuss vertieft gewesen waren. Doch als Noah das Wesen aus dem Fernseher entdeckte, riss er beschützerisch Helena hinter sich und stellte sich in Angriffsposition, bis sich auch Curtis und Claire zu ihnen gesellten. Viktoria blieb lieber außen vor, da sie eh nichts unternehmen konnte. Die Gestalt aus dem Fernseher rutschte in das Wohnzimmer und stand in gebückter Haltung mit dem Rücken zu der Gruppe.

Es war zwei Meter groß und hatte einen ziemlich breiten Rücken und ekligerweise Hörner auf dem Kopf und lange scharfe Krallen an den Händen. So etwas hatte Claire nur in Horrorfilmen gesehen und die Tatsache, dass so ein Krüppel in ihrem Wohnzimmer stand, trieb ihr die Angst in den ganzen Körper. Curtis schluckte neben ihr und daraus schloss sie, dass auch er noch nie so etwas gesehen hatte. Nur Noah machte den Eindruck als würde es ihn nicht besonders beeindrucken, dass dieses Monster sich zu ihnen umdrehte und sie mit der hässlichsten Fratze des Universums anfauchte. Es machte nur einen Schritt vorwärts und der Glastisch klimperte.

Claire machte sich fast in die Hosen, aber sie war froh, dass Curtis sich ein wenig vor sie stellte und den Arm vor sie ausbreitete. Das gab ihr ein wenig Sicherheit und das Gefühl ohnmächtig zu werden, wurde geringer. Doch das änderte nichts an der Situation, die mit jedem Schritt des Wesens immer bedrohlicher wurde. Curtis hob die Hände und klatschte in sie, als wieder ein bläulicher Lichtkreis um die riesige Gestalt entstand. Diese jedoch ließ sich davon unbeeindruckt und lief weiter auf sie zu, als Noah wieder die Hände zu Fäusten ballte und rotes Licht auf das Wesen warf, doch dieses Mal prallte es locker an ihm ab und Angst stand in allen Gesichtern geschrieben. Claire wusste nicht mehr, was als nächstes geschah, aber sie schrie nur 'Weg hier' und begann zu rennen.

Um genauer zu sein rannte sie die Treppen hoch in ihr Zimmer, um Hazy schnellstens zu benachrichtigen, die glücklicherweise schon auf sie wartete. Helena und die anderen waren ihr auch hinterhergerannt und nun standen sie alle vor dem Spiegel und zuckten bei jedem bebenden Schritt des Ungeheuers zusammen. Cian war auch anwesend und er sah auch besorgt aus, schien aber nicht beunruhigt zu sein oder gar verängstigt zu sein. Wahrscheinlich hatte er in seinem Leben schon öfters solche Wesen gesehen.

So blickte er auch drein. 

>Ok Leute, ich weiß, dass ihr euch grad voll in die Hosen macht, aber ihr dürft keine Angst haben. Das fackelt nur die Jagdsucht dieses Ungeheuers an... Diese Wesen schaffen es nicht oft auf die andere Seite, aber in letzter Zeit passiert das sehr oft. Ein Riss muss zwischen unseren Welten entstanden sein und das muss unbedingt geschlossen werden, sonst gerät alles außer Kontrolle! Um das Wesen zu zerstören, braucht ihr mehr als nur den kleinen Hokuspokus, den ihr draufhabt. Claire, du hast eine größere Gabe, als du glaubst, ich hab über deine Aufgabe recherchiert und habe herausgefunden, dass du die Kraft der anderen um ein Vielfaches verstärken kannst. Ich weiß zwar nicht wie, aber du musst dieses komische Licht auf sie richten...<

Claire war echt überfordert.

Zuerst kam dieses Monster in ihr Haus durch den Fernseher und nun erzählte ihr Cian, dass sie noch eine Gabe hatte. Wie viele besaß sie denn nun? Curtis und Noah warfen ihr fragende Blicke zu, doch als sie spürten, dass das Ungeheuer bereits bei der Treppe war, legte sich Nervosität über alle. Claires gehetzter Blick glitt zu Hazy, die ihr auffordernd zunickte. Also schloss Claire tief luftholend die Augen und konzentrierte sich auf ein Licht, das ihre Sinne benebelte.

Sie öffnete ihre Hände und wartete ab und als sie langsam und erwartungvoll die Augen öffnete, wurde sie Zeugin weißer kleiner funkelnder Lichter, die ihre Hände umgaben. Die anderen öffneten überrascht den Mund und starrten das Licht in ihren Händen ungläubig an, als Claire wie von der Tarantel gestochen vom Licht abließ und es auf die Jungs abfeuerte. Diese zuckten erschrocken zusammen und schlossen unsicher die Augen, doch es geschah nichts.

Nur dass das Ungeheuer bereits vor der Tür stand und diese mit Gewalt aufschlug.

Helena und Viktoria schrien panisch auf und rannten ans andere Ende des Zimmers, um sich dort eng umschlungen auf den Boden zu setzen. Noah und Curtis nickten sich ermutigend zu und übten ihre Kräfte noch einmal aus, als sie zufrieden feststellten, dass diese wirklich zugenommen hatten. Curtis schloss das Wesen in seinem Lichtkreis ein und Noah feuerte sein rotes Licht, das noch stärker geworden war, auf das Ungeheuer ab. Dieses jaulte schmerzerfüllt auf und versuchte sich mit aller Gewalt aus dem Kreis zu befreien, vergebens. Das rote Licht fraß ihn auf und löste ihn sekundenschnell auf.

Zurück blieben fassungslose Gesichter, die den Fleck, an dem das Monster verschwunden war, entgeistert anstarrten. Claire erwachte als erstes aus ihrer Trance und sie jubelte laut auf, als sie die lächelnden Blicke der anderen kreuzte. Sie hatten es geschafft, sie hatten es wirklich gemeinsam geschafft.

Das war echtes Teamwork!

Hazy lächelte stolz und warf Cian einen triumphierenden Blick zu, den er mit Augenverdrehen erwiderte. Helena ging erleichtert auf Noah zu und zupfte leicht an seinem Ärmel, als er sich abrupt zu ihr umdrehte und ihre Wange streichelte. Die anderen sahen verlegen auf den Boden und fühlten sich etwas fehl am Platz bei diesem funkensprühenden Liebespaar und Claire fummelte wieder an ihrer Bordeauxsträhne rum, was sie sehr oft tat, wenn sie aufgeregt oder schüchtern war. Vor allem in unangenehmen Situationen, wie diese. Viktoria war die erste, die diese peinliche Stille unterbrach, indem sie das Thema mit Aria wieder aufrollte.

Als hätte jemand einen Schalter umgelegt, verfiel jeder in seine eigenen Gedanken, bis Helena einen lauten Seufzer ausstieß und dabei Claire niedergeschlagen ansah. >Macht es dir was aus, wenn du zahlst? Ich bin moralisch zwar dagegen, aber wir haben leider keine andere Möglichkeit... Tut mir leid, nicht dass du denkst, dass wir dich ausnutzen wollen...<

>Um Himmels Willen, nein, so etwas würde ich nie und nimmer von euch denken! Ihr seid meine ersten richtigen Freunde auf zwei Beinen und das Geld spielt für mich keine Rolle, solange ich bei euch sein kann. Ich will nicht wieder alleine bleiben...<

>Oh, wie süß du bist. Ich muss das jetzt sagen, ich hab dich lieb!< Helena löste sich aus der liebevollen Umarmung von Noah und ging mit ausgebreiteten Armen auf Claire zu, um sie ganz fest zu drücken, bis sie fast keine Luft bekam. Die anderen zuckten kurz mit den Schultern und machten kurz Gruppenkuscheln, bevor sie wieder dann auseinandergingen und sich fröhlich anlachten.

Cian und Hazy sahen sich währenddessen angewidert an, begruben aber fürs erste das Kriegsbeil und gaben sich grinsend die Hand, um dann wieder in entgegengesetzte Richtungen zu schauen. Claire lächelte bei dem Anblick und widmete dann ihre ganze Aufmerksamkeit auf Helena und Noah, die sich wieder in den Armen lagen. Dieses Bild war äußerst ungewohnt, das musste sie sich in nächster Zeit gut einprägen.

Selbst für das frische Liebespärchen schien es komisch zu sein, aber sie kannten sich lange genug, um zu wissen, was sie taten. Curtis hatte anscheinend kein Problem damit, denn er nickte seiner Schwester lächelnd zu und zwinkerte anschließend Noah zu, der ihm mit einem Nicken für sein Einverständnis dankte. Viktoria schien, als ob sie das auch hätte kommen sehen, deswegen stand sie mit verschränkten Armen neben Claire und musterte die beiden mit einem amüsierten Lächeln. Die Ruhe wurde jedoch durch das Bellen von Flecky unterbrochen, der ins Zimmer reingerannt kam und auf Claire sprang. Wahrscheinlich hatte er zu wenig Aufmerksamkeit bekommen und nun griff er sie spielerisch an, um endlich sein ADHS zu sättigen, was sie dann auch tat.

Die Liebe, die sie für diesen Hund empfand, war größer als es jemals sein könnte und die anderen spürten das auch. Sie spielten und knuddelten auch mit ihm und nach einer geschlagenen Stunde mit Verstecken und Jagen, saßen alle erschöpft um den Küchentisch und sahen auf ihre bestellte Pizza hinab.

Flecky lag in einer Ecke und hechelte und sein Blick verriet die Zufriedenheit, die sein Inneres ausstrahlte. Genau wie die Pizza, die ihre verführerischen Düfte ausstieß und den leeren Magen von allen anregte. Noah und Curtis nahmen sich als erstes ein Stück und dann schnappten sich die Mädchen eines und bissen hungrig rein. Der Tag war schon wieder ziemlich anstrengend gewesen und Claire fragte sich ernsthaft, ob es je einen ruhigen Tag geben würde, ohne bei jeder Spiegelung vor Angst zurückschrecken zu müssen. Doch zumindest waren ihre Freunde da, die sich näher gekommen waren denn je, vor allem Noah und Helena, die sich endlich ihre Liebe gestanden hatten.

Hoffnung breitete sich in Claires Brust aus und sie fragte sich inständig, ob sie jemals was mit Curtis anfangen könnte, der sie mit funkelnden Augen ansah und sich wieder Noah und seinen lauten Schmatzern zuwandte. Dieser Mann konnte einfach nicht essen ohne sich bemerkbar zu machen, aber das machte ihn einzigartig und sie war auf eine zufriedenstellende Weise glücklich, dass er so war.

Helena würde für immer die aufgedrehte und fröhliche Freundin sein, Viktoria die etwas Zurückhaltende und Curtis der Ritter in weißer Rüstung. Claire verstand einfach nicht, warum sie so vernarrt in ihn war, aber sie war sich sicher, dass er ein sehr guter Mensch war. Das hatte er allzu oft bewiesen.

Plötzlich fiel ihr ein, dass sie ein paar Anrufe hinsichtlich des Appartments in New York machen musste, weswegen sie sich das letzte Pizzastück ganz in den Mund schob und den anderen Bescheid gab, dass sie nach einer Wohnung fragen würde. Die anderen nickten mit vollgestopften Mund, sodass Claire schnell ihren Teller in der Spülmaschine verschwinden ließ und zum Haustelefon schlenderte, der immer noch hinter dem Sofa lag. Claire bückte sich langsam, hob das Telefon auf und spurtete hoch in ihr Zimmer, wo nur Cian im Spiegel anwesend war. Etwas verwirrt über seine Anwesenheit setzte sie zu einer Frage an, doch er hob lächelnd die Hand. >Hazy hat mich beauftragt auf dich aufzupassen, weil sie arbeiten muss. Falls sie es dir nicht gesagt hat, sie ist Anwältin. Bei ihrem Temperament auch kein Wunder, was aber top für ihren Job ist. Sie gewinnt jeden Prozess... Liegt wohl daran, weil sie so eine Furie ist.<

>Aha und du sollst jetzt mein Babysitter sein? Ich kann schon alleine auf mich aufpassen, ich muss nur ein paar Anrufe betätigen! Wird schon nicht ewig dauern... Und warum kannst du Hazy nicht leiden?<

>Ich pass auf dich auf und basta, so ein süßes Mädchen muss man rund um die Uhr beschützen, denn du bist sehr wichtig für uns. Und Hazy mag ich, nur wir kommunizieren besser mit unseren Sticheleien, anders wäre das zu kitschig und zu normal. In eurer Welt lügt man oft, in unserer Welt ist man ehrlich zueinander... Wir sagen, was uns grad auf der Zunge liegt und ihr wägt es erst ab. Tja, in unserer Welt würdest du Prinzesschen nicht lange überleben...<

>Hey, wieso Prinzesschen und warum süß, das klingt als wäre ich einem Disneybuch entsprungen... Gott, wie das mich nervt, dass alle denken, dass ich schwach bin...<

>Bist du das etwa nicht, denn ich kenne dich bisher nur so?!< Also das ließ sie sich jetzt nicht gefallen. Was bildete sich dieser aufgeblasene und arrogante Kerl eigentlich ein, sie so zu behandeln, als wäre sie aus teurem Porzellan. Sie war zwar schüchtern und hatte ihre schwachen Momente, aber innerlich hatte sie eine Mauer aus Eis. Beleidigt drehte sie den Kopf weg und ignorierte absichtlich seine Versuche mit ihr zu reden, doch sie schloss ihn einfach aus ihrem Umfeld aus und schaltete seufzend ihren Laptop ein, um nach ein paar zu vermietenden Wohnungen zu schauen. Oder sollte sie ihre Eltern fragen, da sie eh Makler waren? Doch dann würden sie nach dem Grund fragen und sie wollte nicht, dass sie da mit reingezogen wurden. Fest entschlossen tippte sie ihr Kennwort ein und stellte zufrieden fest, dass sie vollen Internetempfang hatten, der in letzter Zeit etwas schlecht geworden war. >Lass mich raten... Dein Passwort lautet Flecky?!<

>Könntest du bitte verschwinden, deine Präsenz nervt mich irgendwie. Du bist mir zu unsympathisch! Kein Wunder, dass Hazy sich mit dir streitet!< Wow, hatte sie das grade gesagt oder hatte es Hazy irgendwie geschafft Besitz von ihr zu nehmen und sie dazu zu verleiten ihre ehrliche Meinung zu sagen.

Noch nie hatte sie einer Person ihre Meinung direkt ins Gesicht gesagt. Ein bisschen stolz machte sie das schon, denn das stärkte ihr Selbstbewusstsein um ein Vielfaches. Mit gerunzelter Stirn recherchierte sie nach ein paar vielversprechenden Wohnungen in New York und schon nach zwei Suchdurchläufen wurde sie fündig.

Das eine Appartement befand sich in der Nähe vom Central Park und kostete 2000 Dollar im Monat und die andere Wohnung lag in der Nähe von Fifth Avenue und die Kosten betrugen etwa 3000 Dollar monatlich. Claire klickte das Appartement, das am Central Park lag, an und staunte über die schöne und schlichte Einrichtung der Wohnung. Das Wohnzimmer war mit Blick auf den Park, es gab zwei Schlafzimmer, zwei große Bäder und ein kleines Gästebad, eine sehr große Küche, die auch einen Blick auf den Central Park bot und es gab außerdem noch einen Extraraum, der auf dem Foto als Arbeitszimmer benutzt wurde.

Alles in allem schien das Appartement zufriedenstellend zu sein und auch die Kosten waren für ihr Budget angemessen, da sie eh nicht vorhatten für immer dort zu bleiben. Den Monat würde sie im Vorraus einfach zahlen und dann könnten sie dort eine Weile bleiben, denn in einer SMS hatte ihr ihre Mutter versichert, dass sie länger in Rio bleiben würden, weil sie dort viele kauffreudige Kunden gefunden hatten. Nicht das erste Mal, dass ihre Eltern sie sitzen gelassen hatten, aber Claire interessierte das schon längst nicht mehr.

Sie hatte Flecky, ihre neuen Freunde und ihre Ruhe. Na ja, ihre Ruhe hatte sie nicht ganz, denn Cian versuchte sie immer wieder in ein Gespräch zu verwickeln, was sie jedoch von der Suche ablenkte.

Mit hochgezogener Augenbraue wandte sie sich an Cian, der sie frech anlächelte. Dieser Mann war der Bad Boy pur. Er hatte wie immer diese blonde Sturmfrisur und diese eisgrünen Augen funkelten sie mit der gleichen Amüsiertheit an, wie zuvor. Was dachte dieser Mann denn die ganze Zeit, wenn er sie ansah. Er war die einzige Person in ihrer Umgebung, die sie nicht richtig deuten konnte. An was das liegen konnte, wusste sie jedoch nicht. >Jetzt guck doch nicht so, als würde ich dich gleich anspringen. Mir ist langweilig und du redest nicht... So anstrengend ist eine Wohnungssuche doch nicht oder kannst du kein Multitasking, Clairelein?!<

>Clairelein? Kein Multitasking? Du bist eindeutig die schlechte Seite von Curtis!<

>Autsch... Sei doch nicht so gemein! Du klingst ja fast wie Hazy!< Claire sog empört Luft ein und verzog schmollend ihren Mund bei dieser bissigen Bemerkung. Allerdings fragte sie sich auch, warum sie bei ihm so zickig war. Sie mochte ihn irgendwie nicht, aber den Grund für ihr Verhalten wusste sie selbst nicht.

Schulterzuckend sah sie sich die Bilder der Wohnung genauer an und schrieb dem Vermieter eine Mail, in der sie darauf bestand die Wohnung für einen Monat oder höchstens zwei zu mieten. Dann druckte sie ein paar Bilder aus, um ihren Freunden ihren Fund zu zeigen und nach ihrer Meinung zu fragen. Cian hatte bisweilen die Klappe gehalten und brummte ein beleidigtes 'Ciao' als Claire das Zimmer verließ und ins Wohnzimmer ging, um den anderen das Appartement zu zeigen.

Viktoria war die erste, die laut aufschrie als sie die Bilder in den Händen hielt und als sich dann auch die anderen zu ihr hinzugesellten, stießen sie anerkennende Pfiffe aus. Vor allem Noah schien ganz aus dem Häuschen zu sein und auch Helena war total begeistert von der riesigen Wohnung, die einen wunderbaren Blick auf den Park bot. Curtis fand die Bilder auch sehr überzeugend und er fand, dass Claire sehr gute Arbeit geleistet hatte, was sie mit Stolz, aber auch mit einem warmen Gefühl im Bauch füllte.

Gott, bei ihm fühlte sie sich wie ein kleines schüchternes Kind, das zum ersten Mal in die Schule ging und sich vollkommen fremd fühlte. So etwas hatte sie nie zuvor gespürt und sie fragte sich, ob das der Weg zum Verliebtsein war, den so ein Gefühl hatte sie bis jetzt noch nie verspürt. Bei Curtis schien es aber so, als hätte sie schon immer etwas für ihn empfunden. Fühlte sich Liebe so an, wenn man jemanden kennenlernte, den man mehr als nur mochte?

Claire konnte das nicht sagen, aber eins war für sie sicher und das war, dass sie dieses Gefühl mochte. Es war warm und spendete ihr angenehme Geborgenheit. Helena klatschte aufgeregt in die Hände und konnte es kaum erwarten New York zu sehen, doch zunächst müsste der Vermieter zurückschreiben und ihnen den Aufenthalt gewähren, was Claire jedoch keine Sorgen bereitete. Ihr machte es mehr Sorgen, wie sie diese Aria fanden und wie sie sie dazu bewegen würden, hierher zu kommen und ihren Friseursalon zurückzulassen. Vor allem Letzteres würde schwer werden. Sie hatte sich eine Existenz gebaut und nun müsste sie sie einfach so aufgeben und Wesen aus der anderen Welt versiegeln, damit diese nie wieder ihre schöne Erde betraten. Das sollte ihr aber jemand klar und deutlich beibringen können, denn bis jetzt fand es Claire immer noch absurd mit Spiegelbildern zu sprechen, was sie aber mit der Zeit zu ihrem Alltag dazuzählte.

Mit einem Seufzen erkundete sie sich bei den anderen, was sie heute noch tun sollten, aber statt eine Antwort zu bekommen, ergatterte sie ratlose Blicke, die ihr selber nicht weiterhalfen. Selbst Flecky sah sein Herrchen erwartungsvoll an, hatte aber keine Idee, was zu tun war.

Plötzlich fiel ihr etwas ein, was gar nicht so abwegig klang. Dabei warf sie Noah einen interessierten Blick zu, den dieser verwirrt erwiderte. >Was schaust du mich so durchdringend an? Du willst mich doch nicht foltern oder so?!<

>Du kannst doch in die andere Welt springen, oder?<

>Ähm, ja? Warum?... Warte, du willst doch nicht, dass ich euch alle da rüber teleportiere, oder?<

>Wäre das schlimm?<

>Nein mann, das ist die obercoolste Idee des Tages!< Noahs Augen funkelten schon ganz aufgeregt und Claire stimmte das fröhlich, vor allem weil die anderen auch interessiert zustimmten und die Idee überhaupt nicht abwegig fanden. Nur hatte Noah die Kraft, sie alle fünf auf die andere Seite zu teleportieren? Dieser schien so voller Tatendrang, dass es ihm egal war, ob er es schaffte oder nicht, weswegen er sofort lossprintete und in Claires Zimmer lief, wo sie Hazy und Claire mit verschränkten Armen erwarteten.

Hazy sah nicht sehr erfreut aus und auch Cian schaute genervt drein. Was war nur passiert? Curtis bemerkte auch dessen niedergeschlagene Stimmung und Cian erzählte ihm, dass ein weiteres Loch zwischen ihrer Welt und der Welt von Claire entstanden sei und zwar nicht weit entfernt von der Villa. Claire befürchtete das Schlimmste und sie verfluchte diese machtgierigen Monster, die versuchten ihre Welt auseinanderzureißen und das Grauen zu verbreiten.

Die anderen teilten ihre Gedanken und runzelten nachdenklich die Stirn, um zu überlegen, wie sie sich auf einen Überraschungsangriff vorbereiten sollten. Helena hatte die Idee einfach so zu tun, als wäre alles normal und dann selber einen Überraschungsangriff zu starten.

Angriff war die beste Verteidigung und diese Idee fand bei Cian und Hazy sofort Zustimmung. Kein Wunder auch, so impulsiv und spontan wie die beiden waren.

Doch das war wirklich eine gute Idee, die auch leicht umzusetzen war. Das könnte klappen! Hazy warnte sie jedoch, dass sie es diesmal mit mehreren gleichzeitig aufnehmen mussten, was für sie das erste Mal sein würde. Claire blickte unsicher in die Runde und ergatterte ebenso verunsicherte Blicke, als Cian ihnen versicherte, dass alles gut werden würde, solange sie einen kühlen Kopf bewahrten und mit Köpfchen an die Sache gingen. Hazy stimmte ihm gedankenverloren zu und sah dabei Claire direkt an.

Sie nickte ihr aufmunternd zu und ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen, was Claire Freude bereitete. Diese Hazy mochte sie besonders, obwohl sie die meiste Zeit damit beschäftigt war, sie zu mobben und sie fertig machen. Aber langsam hatte sie den Verdacht, dass sie das alles tat, um Claire abzuhärten, weswegen sie sehr dankbar war. Dank ihr gewann sie immer mehr an Selbstbewusstsein und an Mut, was ihr in der nächsten Zeit sehr oft gebrauchen würde.

Durch das ganze Pläneschmieden vergaßen die fünf Freunde aber, was sie ursprünglich vorhatten und als Claire Hazy daraufhin fragte, ob sie in ihre Welt jumpen konnten, schüttelte sie wild den Kopf und hob verneinend die Hände. Sie erklärte ihr, dass das das Gleichgewicht ihrer Welten aufs Spiel setzen würde und dass es schwere Konsequenzen mit sich bringen würde. Die Gruppe sah sich enttäuscht an, zuckte aber lässig mit den Schultern und verdrängte das Bedürfnis zur anderen Seite rüberzugehen. Noahs Enttäuschung stand am deutlichsten im Gesicht geschrieben, aber als Helena ihm liebevoll die Hand an seinen Nacken legte und ihn etwas massierte, entspannten sich seine Züge und er genoss diese kleine Liebkosung.

Etwas zog sich in Claires Brust zusammen und sie verdrängte automatisch dieses schmerzende Gefühl, als Flecky bellend ins Zimmer hereinstürmte und sie alle verspielt anhechelte. Claire packte sich ihren Tennisball von der Kommode und warf ihn in die Luft, als Flecky durch das ganze Zimmer rannte, um den Ball in der Luft zu schnappen. Alle klatschten lachend in die Hände und verpassten dem Welpen lange Schmuseeinheiten, die er mit purer Genugtuung genoss.

Dieser Hund war die schönste Ablenkung, die sie sich vorstellen konnte. Wenn sie mal alle in Gedanken vertieft waren und nicht mehr aus dem Grübeln kamen, war Flecky da und holte sie in die positive Realität zurück, die für ihn aus Spaß, Essen und Schlafen bestand. Die anderen stimmten auch dieser Tatsache zu und knuddelten Flecky dafür, dass er immer für sie da war und für Optimismus sorgte.

Optmismus war Optimal für den Körper, wobei Pessimismus eher wie die Pest war.

Deswegen war Claire dankbar für dieses wunderbare Geschenk namens Flecky. Dieser wedelte zufrieden mit dem Schwanz und wartete auf irgendeine besondere Aktion, als Claire nur die Balkontür öffnete und die anderen bat schon mal nach unten zu gehen und den Fernseher einzuschalten. Die Mädchen warfen ihr ratlose Blicke zu, doch Claire machte nur eine wegwerfende Handbewegung und ging raus auf ihren Balkon. Sie brauchte kurz Zeit für sich, um das Geschehene zu verdauen und einen klaren Kopf zu bekommen und wo hatte sie den perfekten Ort für Ruhe?

Auf ihrem Balkon, wo ihre gepflegten Pflanzen standen und gedeihten. Ihre wunderschönen Dahlien wuchsen Tag für Tag und die verschiedenen Farben verleihten ihr innere Ruhe und Klarheit über die Gegebenheiten in ihrer Umgebung. Mit großer Vorsicht strich sie leicht mit dem Daumen und dem Zeigefinger über die feinen Blüten der Blumen und bestaunte das samtene Gefühl auf ihrer Haut. Während sie vertieft in die Schönheit der Blumen war, bemerkte sie nicht, dass Curtis sie bis dahin eindringlich beobachtet hatte und nun langsam auf sie zukam, als er plötzlich eine Hand auf ihre Schulter legte und sie sich erschrocken umdrehte.

Beim Anblick seiner weichen Gesichtszüge durchfuhr sie dieses betörende warme Gefühl im Herzen, das sie zum Lächeln brachte. Er kniete sich neben sie hin und fragte sie, an was sie dachte, als sie ihm daraufhin erzählte, dass sie bei ihren Blumen am besten nachdenken konnte, weil sie genauso zu ihren Freunden zählten, wie Noah, Helena und die anderen. Sie fühlte sich dabei, als würde sie ihm sagen, dass sie krank war, aber er schüttelte den Kopf und versicherte ihr, dass er nie auf die Idee kommen würde, sie als krank zu bezeichnen. Er respektierte sie als einen Menschen und als Freundin und fand, dass sie eine sehr liebenswürdige Frau war, wenn man bedachte, dass sie ziemlich einsam aufgewachsen war.

Bei diesen Worten regte sich etwas in ihrer Brust und sie fasste sich errötet ans Herz, als er sie mit einem charmanten Lächeln anlächelte und ihre Beine zu Pudding wurden. Dieser Mann trieb sie noch in den Wahnsinn mit diesen klaren waldgrünen Augen und diesem warmen Lächeln. Sie erwiderte sein Lächeln mit einem schüchternen Blick und bevor sie etwas Peinliches sagte, widmete sie sich wieder den Blumen und tauchte in die Welt der Sorgenlosigkeit, die aber nicht lange andauerte. Viktoria kam um Atem ringend ins Zimmer rein und fasste sich erschöpft am Bauch, um vollkommen aufgelöst von Zombies in der Nachbarschaft zu berichten, die umherirrten und nach etwas zu suchen schienen.

Curtis sprang entschlossen auf und befahl Viktoria eine kurze Absprache unten in der Küche zu verrichten, um sich auf die nächsten Angriffe bereit zu machen. Sie nickte fassungslos und Claire bekam es langsam mit der Angst zu tun, weil sie die Tatsache, dass lauter Besessener in ihrer Nachbarschaft umhergingen, einschüchterte. Sie hoffte nur, dass alles gutgehen würde, was die anderen auch wollten. Curtis drehte sich abrupt zu Claire um und packte sie an den Schultern, um ihr tief in die Augen zu schauen und nur eine Kopflänge von ihrem Gesicht stehen zu bleiben.

Ihr Atem ging dabei schneller und auch ihr Herz schien schnell und fest in ihrer Brust zu schlagen, weswegen sie sich fragte, ob Curtis das hören konnte. >Claire, versprich mir, dass du auf dich aufpassen wirst, egal was passiert, ok? Wir werden jetzt da runter gehen und uns zusammensetzen, um uns einen plausiblen Plan auszudenken. Dann werden wir diesen Wesen richtig in den Hintern treten und dann beruhigt ins Bett gehen und uns auf New York freuen, verstanden? Ich, Helena, Noah und Viktoria werden dich niemals alleine lassen, wir sind ein Team und ich will, dass du dich als Teil unserer Gruppe fühlst. Außerdem liegst du mir sehr am Herzen und ich will nicht, dass dir etwas passiert! Verstanden?< Claire konnte bei seinem hypnotisierenden Blick kaum einen klaren Gedanken fassen, aber ihr Verstand hatte alles, was er gesagt hatte, aufgenommen und verarbeitet.

Sie dankte Curtis für seine aufbauenden Worte und gab ihm daraufhin einen Kuss auf die Wange, als er sich reflexartig an die Stelle griff und sie mit offenem Mund ansah. Ihr Gesicht brannte kurz auf, doch sie packte ihn am Arm und zog ihn hinter sich her, um in die Küche zu gehen, wo der Rest bereits aufgeregt wartete, Flecky eingeschlossen. Sie setzten sich anschließend um den Tresen und stellten zwei Spiegel in die Mitte des Tisches, damit Hazy und Cian auch an der Diskussion teilnehmen konnten. Hazy war ganz aufgedreht und würde am liebsten in ihre Welt kommen und mitkämpfen, Cian aber war ziemlich nachdenklich und verschlossen, was ganz untypisch für ihn war. Normalerweise sorgte er für ein bisschen witzigen Sarkasmus.

Vielleicht machte er sich ja Sorgen um die Clique, was sie ihm nicht verübeln würde. Doch das Kribbeln, das sie von dem Kuss mit Curtis hatte, übertrumpfte ihre Sorge und verpasste ihr kurz anhaltende Höhenflüge. Ihre Vernunft wehrte sich gegen diese aufkeimenden Gefühle und riet ihr, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, was sie dann auch tat. Noah und Viktoria berichteten von ihrem kleinen Spaziergang außerhalb der Villa, als sie alle Lichter in der Nachbarschaft aufflackern sahen. Doch das war nicht alles.

Ein Paar rannte erschrocken aus dem Haus und zeigte verzweifelt nach innen, als noch mehr Leute auf die Straßen rannten und das Weite suchten. Manche Menschen jedoch liefen auf den Straßen rum und ließen sich von den verschreckten Leuten unbeeindruckt, was Noah verwirrt hatte. Dann waren sie auf das Loch gekommen, das enstanden war und hatten den Schluss gezogen, dass manche von ihnen besessen waren, was nachvollziehbar klang.

Claire fasste sich überfordert an die Schläfen und Helena tat es ihr gleich, weil sie dem Kollaps nahe war. Selbst für sie war das ganze Spiegelzeug zu viel für ihren Realitätssinn, was Claire hundertprozentig nachempfinden konnte. Hazy sprudelte so vor Tatendrang und versuchte sich einen genialen Plan auszudenken, um alle Wesen zu besiegen, ohne zu viel Kraft zu verschwenden.

Leichter gesagt als getan.

Für kurze Zeit verfielen alle in tiefes Schweigen, als Cian sich zu Wort meldete. >Ich weiß nicht, ob das klappen könnte, aber wenn ihr alle Wesen auf eine bestimmte Fläche versammelt, dann könnte Curtis einen großen Kreis um sie ziehen und sie alle auf einmal auf die andere Seite befördern. Dazu brauchen wir aber jeden von euch, der einen Teil herlockt, am besten in den Garten von Claire und dann macht Noah seinen Teil und weg sind sie. Das Problem liegt aber darin, dass ihr die Menschen von den Wesen befreien müsst! Claire, du musst dann genug Energie sammeln, um sie alle aus ihrem Körper zu befreien, schaffst du es?<

>Ich werde es versuchen, wissen tu ich es aber nicht...!<

>Ach was, meine Claire schafft alles! Wenn deine heiße Schnitte schon einen Riesenkreis errichten kann, dann kann Claire eine Horde Gruftis befreien!< Hazy grinste stolz und Claire dankte ihr innerlich für ihren Glauben, der sie immens stärkte.

Sie würde alles für ihre Freunde tun, deswegen würde sie sich auch nicht von solchen grusligen Figuren fertigmachen lassen und kämpfen. Sie hatte die Gabe dazu und würde diese auch nutzen. Zusammen mit Flecky machte sich Claire auf den Weg nach draußen. Noah und Helena hatten ein Team gebildet und Curtis und Viktoria waren zusammen auf Patrouille gegangen. Eigentlich wäre Claire gerne mit Curtis geblieben, aber Flecky war eine genauso angenehme Begleitung, außer diesen Schmettelingen im Bauch, die sie versuchte zu unterdrücken.

Mit unsicheren Schritten lief sie die Straße entlang und sah sich prüfend um. Bis jetzt nahm sie keine verdächtigen Bewegungen wahr, aber ihr Instinkt sagte ihr was anderes. Flecky schien auch sehr angespannt zu sein, denn er hatte nicht mehr diesen hüpfenden lockeren Gang, sondern eher das raubkatzenhafte Schleichen. Mit erhobenem Kopf und gestrafften Schultern führte sie ihren Weg fort und ließ nichts unbemerkt an ihr vorbeiziehen, bis sie ein Pärchen auf sie zukommen sah.

Von weitem konnte sie schon die Wesen, die Besitz von den Menschen genommen hatten, sehen und ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals, den sie vergeblich versuchte runterzuschlucken. Das würde sie nun einiges an Mut kosten, aber die wärmende Nähe ihres Hundes unterstützte sie bei ihrem unsicheren Gang. Die zwei Menschen beschleunigten ihren Schritt und die Entschlossenheit in ihren Gesichtern stand klar und deutlich geschrieben.

Angst breitete sich in ihrer wild pochenden Brust aus, doch sie unterdrückte das Verlangen wegzurennen und konzentrierte sich auf den Plan, der darin bestand so viele Besessene wie möglich zusammenzubringen. Uns zwar in ihrem riesigen Garten, der genug Platz bot. Doch als die Distanz zwischen ihr und den anderen kleiner wurde, begann sie einfach zu rennen, dicht gefolgt von dem Pärchen, dass sich an ihre Fersen heftete. Na das würde ein Sprint werden!

Zum Glück ging sie oft mit Flecky joggen und besaß genug Kondition und Ausdauer, um nicht nach hundert Meter zusammenzubrechen. Ihr Adrenalin, das ihr Herz schneller schlagen ließ, verhalf ihr zu Höchstleistungen und mit Geschick sprang sie über einen Zaun direkt in ihren Garten. Curtis und Viktoria warteten bereits auf die ersten Opfer und mit einem Nicken entfachte Curtis den hellblau leuchtenden Kreis in ihrem Garten, der so groß wie der zu bebauende Pool war. Claire drehte sich neugierig um und wartete darauf, dass das Pärchen auftauchte und erleichtert sah sie es über den Zaun direkt in den gezogenen Kreis springen. Ein triumphierendes Lächeln schlich sich auf ihrem Gesicht und sie gab Curtis das Ok, dass sie sich weiter auf die Suche machen würde. Vor dem Gehen bat er sie jedoch sehr vorsichtig zu sein und mit einem zustimmenden Nicken, sprang sie wieder über den Zaun und hechtete zu den nächsten besessenen Nachbarn, die gar nicht so weit entfernt von der Villa waren.

Claire hatte endlich der Mut gepackt und mit der wundervollen seelischen Unterstützung ihres Hundes stürzte sie sich ins nächste Gefecht. Kurz bevor sie mit den Menschen zusammenstieß, blieb sie abrupt stehen und drehte sich um, weil sie ein mulmiges Gefühl im Bauch erfasst hatte.

Es war, als hätte sie jemand verfolgt und nachdem sie sich umgedreht hatte und einen Mann auf sie zukommen sah, zog sich ihr Magen zusammen.

Dieser Mann schien jegliche mentale Barriere fallen gelassen haben, denn das Wesen schien die komplette Kontrolle übernommen zu haben. Angst lähmte sie für einen kurzen Moment, aber Flecky riss sie mit seinem Bellen aus der Trance heraus und sie sprintete einfach los. Sie dachte nicht nach, aber schließlich fand sie sich in eins der Nachbarshäuser wieder, dessen Tür breit offen gestanden hatte. Flecky war ihr hechelnd gefolgt und rannte in das Wohnzimmer, wo er aus dem großen Fenster schaute und nach dem Feind Ausschau hielt. Claire konnte in solchen Momenten kaum einen klaren Gedanken fassen, doch sie zwang sich zu innerer Ruhe und stellte sich schleichend neben ihrem Welpen hin, während ihr Herz Formel 1 schlug.

Sie atmete tief ein und aus und konzentrierte sich auf den Feind, der verdächtig näher kam und auf das Haus, in dem sie sich versteckt hielt, zusteuerte. Auf Zehenspitzen machte sie sich auf den Weg in die Küche, um sich für den Notfall eine Waffe zu besorgen. Dort angekommen zog sie eines der schwarzen Schubladen raus und schnappte sich ein sauberes langes Fleischmesser, das ziemlich scharf aussah. Dann schlich sie sich hinter den Tresen und ging in die Hocke, während sie den Geräuschen im Haus lauschte. Es waren eindeutig Schritte zu hören, aber sie wusste nicht woher sie genau kamen, da sie sich in dem nicht Haus auskannte. Wäre sie doch in ihre Villa gerannt, denn dann hätte sie einen entscheidenden Heimvorteil gehabt.

Fluchend spähte sie an einer Ecke des Tresens in den Flur und hielt vorsichtshalber die Luft an, weil sie Angst hatte, dass ihr Atem zu laut war. Flecky begann jedoch drohend zu knurren und mit einer schlimmen Vorahnung drehte sie den Kopf nach hinten und erkannte den Mann, der nun einen großen Baseballschläger in den Händen hielt und mit voller Wucht ausholte. Zum Glück schaffte sie es sich auf die Seite zu rollen und schnell aufzustehen, als sie das harte Holz auf den Tresen aufschlagen hörte.

Puh, das war mal reines Glück gewesen, obwohl Flecky sie eher gewarnt hatte, der nun neben ihr herlief und kein Detail seiner Umgebung unbeachtet ließ. Sie dankte ihm kurz mit einem Kopfstreichler und rannte hektisch die Treppen hoch in den Dachboden, dessen Tür sie mit einem riesigen Holzschrank verbarrikadierte. Dann holte sie erstmal tief Luft und versuchte ihren rasenden Puls zu beruhigen, der ihr ein bisschen Schwindel verursachte, den sie aber erfolgreich verdrängte. Flecky lief auch unruhig hin und her und versuchte sich einen Ausweg zu erschnüffeln, als Claire erleichtert ein Fenster entdeckte, das offen stand. Sie lief darauf zu und drückte es mit ein bisschen Kraftaufwand auf, als sie erschrocken zusammenzuckte, weil ihre Verfolger bereits die Dachbodentür erreicht hatten und versuchten mit Körpereinsatz diese einzubrechen.

Mit unterdrückter Panik packte sie Flecky und hob ihn auf das Dach und dann schlüpfte sie auch durch den Fensterschlitz hinaus in die frische Luft, die ihr ein wenig Hoffnung gab, der Gefahr zu entfliehen. Aber zu früh gefreut.

Der Schrank fiel um und ganze fünf Besessene bahnten sich einen Weg direkt auf das Fenster zu, das sie eilig von außen schloss und nach einer Fluchtmöglichkeit Ausschau hielt. Ihr Puls hatte sich wieder beschleunigt und die lähmende Angst durchfuhr sie kurz wie ein Blitz. Hätte ihr Adrenalin nicht eingesetzt, wäre sie wie angewurzelt stehengeblieben und den anderen zum Opfer gefallen, doch sie rannte ans andere Ende des Daches und sah vorsichtig nach unten, als sie zufrieden feststellte, dass das Garagendach gar nicht so tief lag.

Sie pfiff Flecky zu sich, der ein bisschen Höhenangst hatte und mit eingezogenem Schwanz umherirrte und dann flüsterte sie ihm beruhigende Worte ins Ohr, die ihn so lange ablenkten, bis sie hart auf dem Garagendach aufkam. Sie unterdrückte den Schmerz in ihrem Knie und ließ Flecky wieder auf den Boden, der sich erleichtert am Kopf kratzte und sie mit seinen glänzenden Hundeaugen ansah. Claire nickte ihm aufmunternd zu und richtete den Blick auf ihren Absprungsplatz, als sie den Mann von vorhin entdeckte. Die waren aber sehr hartnäckig, aber Claire fangen, würden sie in keiner Welt, das stand für sie fest. Sie ignorierte die Worte des Mannes und warf einen Blick auf das Gras, das etwa zweieinhalb Meter unter ihr lag. Seufzend hob sie den armen Flecky wieder hoch und sprang mit Elan nach unten, als sie wieder schmerzverzerrt ihre beiden Knie rieb und die Höhe der Garage dafür verfluchte.

Flecky erholte sich schnell vom Sprungtrauma und leckte sie sanft an ihren Knien, die immer noch höllisch wehtaten. Aber sie dachte nicht daran liegen zu bleiben, weswegen sie abrupt aufsprang und das Weite suchte, hoffend dass ihre Verfolger ihr hinterherrannten.

Plan war Plan.

Und als hätte man ihre Gedanken erhört, liefen die fünf Besessenen aus dem Haus raus, die sich anscheinend dafür entschieden hatten, die Treppen anstatt die gefährlichen Höhen zu nehmen. Schon wieder dankte sie ihrer guten Kondition und ihrer ausgezeichneten Fitness und mit einem triumphierenden Grinsen machte sie auf dem Absatz kehrt und rannte zum Zaun. Auf dem Weg dorthin hörte sie dann überraschenderweise ihren Namen und als sie einen Seitenblick wagte, entdeckte sie Noah, der momentan von drei weiteren Wesen verfolgt wurde.

Zusammen sprinteten sie dann zum Gartenzaun und Flecky nahm eine Abkürzung durch die Hundeklappe, als sie erschöpft auf der anderen Seite landeten. Curtis Kreis war immer noch da und die Menschen darin auch, was Claire etwas erleichterte. Als auch dann die anderen über den Zaun huschten, rissen Viktoria und Helena verblüfft die Augen auf und Curtis grinste breit, als die Verfolger auch direkt in den Kreis sprangen.

Nun waren sie alle komplett, weil Claire zuvor all ihre Nachbarn im Kopf abgezählt hatte und es nun fünfzehn waren. Deren Gesichter waren entweder wütend oder verzweifelt verzogen, aber im Großen und Ganzen gaben sie es auf aus dem Kreis auszubrechen, was dann nicht so belastende für Curtis war, der ihr auffordernd zunickte. Sie erinnerte sich wieder an den Plan und atmete tief ein und aus, als sie das warme Licht in ihren Händen kribbeln spürte.

Das Gefühl wurde größer, je mehr sie sich darauf konzentrierte und nachdem sie ihr Maximum erreicht hatte, ließ sie das weiße Licht los und schleuderte es auf die Menschen im Kreis. Bevor aber Claire fröhlich in die Hände klatschen konnte, nahm sie fassungslos zur Kenntnis, dass nur die Hälfte davon befreit war und mit einem irritierten Blick zu Curtis, erkannte sie auch seine schwindende Energie.

Das war ein Zwiespalt, in den sie nicht stürzen wollte, aber sie ahnte, dass ihre zweite Energiewelle nicht reichen würde. Trotzdem ballte sie wieder ihre Energie zusammen und warf sie auf die Menschen, die ein letztes Mal versuchten zu fliehen und stellte panisch fest, dass noch einige besessen waren. Curtis zuckte kurz zusammen und der Kreis schien an Leuchtkraft zu verlieren, was darauf hindeutete, dass er bald zusammenbrechen würde, was widerrum bedeutete, dass sie die Besessenen freiließen.

Helena hatte sich zu ihrem Bruder hinzugesellt und redete auf ihn ein, dass er es schaffen würde und Viktoria ging ratlos zu ihrem Bruder und warf Claire einen hoffnungsvollen Blick zu.

Eine schwere Last legte sich auf ihre Schultern und ihre Luftzufuhr war wie zugeschnürt. Wenn ihr bald nichts einfiel, dann würde sie sich das nie verzeihen, so viel Schwäche bewiesen zu haben. Mensch, wie konnte man meterweit runterspringen ohne sich ernsthaft zu verletzen, aber dabei es nicht hinbekommen viel Energie zu sammeln, um fünfzehn Menschen von Spiegelwesen zu befreien? Das war doch wohl zum Totlachen!

Verzweifelt sah sie sich um und hoffte auf eine geistreiche Eingebung und tatsächlich hörte sie eine Stimme im Hinterkopf, die ihr befiel in den Teich hinter ihr zu schauen. Irritiert wandte sie sich dem spiegelnden Teich und entdeckte Hazy, die sie hastig aufforderte ihre Hand in das Wasser zu tauchen. Widerstandlos ging sie ihrem Befehl nach und tauchte schnell die Hand ins Wasser, als sie eine starke Energie durch sie hindurchfließen spürte.

Dankend richtete sie sich dann auf und sammelte all die gewonnene Energie in ihre Hände und feuerte sie auf die restlichen Besessenen und auf Curtis, um ihm Kraft zu spenden. Dieser atmete erleichtert auf und der Kreis leuchtete wieder kraftvoll auf. Zum Glück waren auch alle Menschen von den Wesen befreit, damit Noah seine geballte Kraft vereint in rotes Licht auf die wild umherfliegenden Gestalten schießen konnte. Diese machten markerschütternde Geräusche und puff, waren sie verschwunden. Curtis ließ beruhigt den Kreis fallen, Viktoria jubelte los, Flecky lief bellend umher und Helena gab dem stolzen Noah einen Wangenkuss. Nur Claire stolperte leicht nach hinten und fasste sich schwindelerregt an die Stirn. Das Letzte was sie mitbekam, war das Bellen von Flecky und dann fiel sie in eine unangenehme Schwärze.

6. Kapitel

Manchmal schaffte es das Leben einem Steine oder wunderbar duftende Blumen in den Weg zu legen. Doch beides war für die Zukunft entscheidend, denn beides musste man aufheben. Die Steine, um eine Mauer zu bauen und die Blumen, um die Mauer zu schmücken. Selbst einsame Menschen konnten eine Mauer bauen, die jedoch größer war, als sonst bei jemandem, da die Einsamkeit ein großer Fels auf dem Weg zur Glückseligkeit war. Doch sobald Freunde seinen Weg kreuzten, verkleinerte sich die Mauer immer mehr und mehr, bis sie offen für diese Personen war. Ja, der Weg des Lebens war hart und rau und leicht und sanft, aber wer die richtigen Sohlen trug, litt nicht darunter. Das war die zweite Kunst das Leben zu meistern.

Claire schloss seufzend ihr rotes Tagebüchlein und hielt sich mit einer Hand am Kopf fest. Die ganze Energie, die sie am gestrigen Tag aufgebraucht hatte, hatte sie ziemlich geschwächt und sie war selbst nach elf Stunden Schlaf nicht fit genug, um wieder so etwas hinter sich zu bringen. Echt schlimm diese ganze Spiegelsache.

Sie streckte Arme und Beine von sich und ein lautes Knacksen ertönte aus ihrer Wirbelsäule, was sie kurz zusammenzucken ließ. Claire rieb sich schmerzverzerrt den Rücken und richtete sich erschöpft auf, als sie Hazy im Spiegel entdeckte, die sie mit verschränkten Armen ansah. >Na, gut geschlafen? Du siehst nämlich immer noch sehr fertig aus!<

>Hm, ich hab zwar geschlafen, aber das gestern, war die reinste Folter gewesen! Trotzdem danke für deine Unterstützung, ohne deine Kraft hätte ich es nämlich nicht geschafft...!<

>Ach was, nicht der Rede wert... Außerdem war das Leben aller in Gefahr, da musste ich handeln! Für mich war es auch nicht einfach, aber es hat geklappt und ich bin stolz auf uns. Stolz ist nämlich sehr wichtig, was du dir noch angewöhnen musst! Du bist noch zu selbstlos...<

>Mag sein, aber nachdem ich zwei Meter gesprungen bin, mit Flecky im Arm und noch gesprintet bin, wie eine Olympiasiegerin... Also, das hat mich schon aufgebaut, aber eben dieses Lichtzeug hatte es mir schwer gemacht.<

>Körperliche Fitness ist nicht gleich psychische Fitness... Das Licht, das du erweckst, kommt aus deinem Inneren, nicht aus deiner Muskelkraft.<

>Da wird mir dann einiges klar! Ich hoffe, dass das bald klappen wird...<

>Solange du fest an dich glaubst und positiv in die Zukunft blickst, wirst du es schaffen!<

>Aha, nur eine Frage. Wer bist du und was hast du mit meiner launischen Hazy gemacht?<

>Ich bin nicht launisch! Ich bin nur emotional flexibel und heute ist halt ein schöner Tag und ja... Jetzt geh nach unten, Curtis hat Essen gemacht!< Hazy zwinkerte ihr grinsend zu und verschwand und Claire runzelte nachdenklich die Stirn. Was war nur mit Hazy los?

Normalerweise war sie nie so nett oder so weise, was sie vorhin bewiesen hatte. Vielleicht hatte sie ja wirklich einen schönen Start in den Tag oder aber sie verheimlichte etwas, was sie ihr nicht sagen wollte. Vielleicht etwas über die Wesen oder das Loch, das entstanden war und noch nicht zu war und ihr große Sorgen bereitete. Sie mussten unbedingt die vierte in der Gruppe finden, damit diese diese Risse zwischen beide Welten flickte. Denn je länger die Risse offen waren, desto mehr Wesen bekamen davon Wind und wechselten mit bösen Hintergedanken in ihre Welt über.

Ein erschreckender Gedanke, den sie schnell wegschüttelte.

Claire zog ihre Pyjama aus und kleidete sich mit einer lockeren Jeans, einem kurzärmligen weißen Pullover und schwarzen Sneakers. Dann checkte sie ihre Frisur im Spiegel und trat zufrieden in den Flur, wo ihr Flecky entgegenkam. Er wusste aber auch immer, wann sie wach war. Sie streichelte ihn am Hals und lächelte, als er sie leicht an der Hand schleckte und sie mit einem lauten Bellen aufforderte ihm zu folgen. Grinsend ging sie seiner Aufforderung nach und nach den paar Treppen kam sie in der Küche an, wo sie zugleich die Düfte des Essens und die Präsenz von Curtis benebelten.

Dieser Mann konnte anscheinend hervorragend kochen, was sie innerlich aufseufzen ließ. Sie wollte auch gut kochen können und den Unterricht würde sie sich von Curtis nehmen, der im Moment den Fisch aus der Pfanne auf die Teller verteilte und die Sauce in der anderen Pfanne probierte und den Geschmack testete. Sein Nicken deutete darauf hin, dass die Sauce gut war, was sie auch nur mit ihrer Nase hätte bestätigen können, weil die Düfte sich ihren Weg von Nase zu knurrendem Magen bahnten. Sie trat hinter ihm und tippte ihm leicht auf die Schulter, als dieser sich kurz erschrocken umdrehte und sie dann lächelnd ansah. >Hey, schön dich wieder lebendig zu sehen! Wir haben schon gedacht, du würdest ins Koma fallen, aber wie es aussieht gehts dir gut, oder?<

>Jaja, mir gehts ganz gut... Hatte zu viel Energie gestern verbraucht, aber jetzt bin ich halbwegs fit!<

>Gut, das freut mich!< Als er ihr daraufhin ein warmes Lächeln schenkte, breitete sich wieder diese angenehme Wärme in ihrer Brust aus, die zum Höherschlagen ihres Herzens führte. Nur, dass diesmal das Gefühl auch mit weichen Knien verbunden war, weshalb sie sich vorsichtshalber am Tresen festhielt.

Curtis sah sie besorgt an und fragte, wie es ihr gehe, als sie leicht die Hand hob und ihm versicherte, dass es ihr gut ging. Er gab sich zwar mit dieser Antwort nicht zufrieden, nickte aber und widmete sich wieder dem Essen, das fabelhaft roch und die anderen anlockte. Helena und Noah waren die nöchsten, die verliebt die Küche betraten und sich hungrig an den Tresen setzten, als sie überrascht Claire erblickten. Helena sprang abrupt auf und rannte fröhlich auf sie zu und nahm sie in eine lange feste Umarmung, die Claire viel Kraft spendete. Selbst Noah umarmte sie kurz und schlug ihr leicht auf die Schulter, um sie etwas abzuhärten. So, seine Erklärung! Nun fehlte Viktoria, die gähnend in die Küche kam und sich müde die Augen rieb. Beim Anblick von Claire blieb sie zunächst sprachlos, schüttelte kurz den Kopf und dann breitete sich ein kleines Lächeln auf ihren Lippen aus. Sie drückte sie kurz und teilte ihr ihre Freude mit, dass es Claire zum Glück gut ging, was Claire das Herz erweichen ließ.

Die waren alle so süß zu ihr, so etwas würde sie für Nichts in der Welt umtauschen. Da war sie sich sicher!

Nun aber stand das Essen an wichtigster Stelle, das von Curtis an jeden verteilt wurde. Alles sah so lecker aus, sodass sich alle wie Verhungerte draufstürzten und genussvoll stöhnten, wenn das Essen auf ihrer Zunge wie Wasser zerging. Curtis wurde mit Komplimenten überhäuft und ein leichter rosiger Schimmer bildete sich auf seinen Wangen, was Claire richtig süß fand.

Ihr Herz begann dabei noch schneller zu schlagen und fast hätte sie sich sogar am Essen verschluckt. Curtis alias Adonis verdrehte ihr komplett den Kopf und sie wünschte sich etwas innere Stärke um dem Verlangen ihn anzufallen zu widerstehen. Ihr Wunsch wurde erhört und ihr Herz verlangsamte etwas sein Tempo. Wäre es so weitergegangen, hätte sie bestimmt einen Herzanfall bekommen. Mit einem Seufzen schob sie sich das letzte Stück Fisch in den Mund und sah dann neugierig in die Runde. Noah und Helena schienen das ideale Paar auszustrahlen und Viktoria sah auch irgendwie glücklich aus, was bestimmt nicht an ihren wasserstoffblonden Haaren liegen konnte. Möglicherweise war sie froh darüber, dass ihr Bruder endlich glücklich war, denn ihren Erzählungen zufolge, hatten beide nicht so ein prickelndes Leben außer dieser Spiegelsache.

Wahrscheinlich trug jeder der fünf eine Narbe in sich, die bei Claire auch äußerlich zu sehen war. Die Narbe an ihrer Hand tat überraschenderweise nicht mehr weh und sie fragte sich wirklich, ob das nur an Hazy gelegen hatte. Denn gestern als sie kurz davor war loszuheulen, weil sie nicht genug Energie gehabt hatte, da hatte sie Hazy in ihrem Kopf gehört und die Narbe hatte nicht wehgetan. Etwas anderes musste noch dahinterstecken, aber sie verdrängte die Grübelei und konzentrierte sich auf ihre Freunde, die über den Aufenthalt in New York schwärmten. Helena war total begeistert in Manhattan zu wohnen, weswegen sie ununterbrochen von ihren Plänen sprach. >Also auf jeden Fall gehen wir zur Times Square, Fifth Avenue und zum Empire State Building und zum Central Park ,wo wir sicherlich picknicken werden. Dann essen wir in einer Frittenbude und stopfen uns die Mägen voll und wir müssen außerdem zum Hudson River und die ganze Stadt von außen sehen. Oh und nicht zu vergessen die Freiheitsstatue und die Mall!! Da müssen wir Mädels unbedingt hin. Ich hab so richtig Lust shoppen zu gehen, findet ihr nicht?<

>Beim Shoppen wäre sogar ich dabei. Wir reden grad von New York, der ultimativen Stadt der Welt! Da muss man alles gesehen haben!< Claire sah Noah an und schmunzelte bei dem Gedanken, dass Noah lauter Shoppingtaschen in den Händen hielt und Helena hinterherdackelte. Das wäre wirklich amüsierend.

Aber sie stimmte Helena vollkommen zu, was New York betraf. In dieser Stadt musste man alles besichtigen, weil es für immer im Gedächtnis bleiben würde. Claire war schon oft mit ihrer Mutter in New York shoppen gegangen und sie wusste, was man dort alles sehen musste, um noch nächtelang davon träumen zu können. Ihre Freunde würden bestimmt staunen. Gedankenverloren bemerkte Claire jedoch nicht, dass sich auch Cian und Hazy der Gruppe hinzugesellt hatten, die sich nun den Platz an der spiegelnden Kühlschranktür teilten und es teilweise zu kleinen Zankereien kam.

Bei dem Anblick musste Claire kichern und auch die anderen brachen in schallendes Gelächter aus, als sie die beiden streiten sahen. Hazy zog eine schmollende Grimasse und Cian verschränkte genervt die Arme vor die Brust und warf Claire einen funkelnden Blick zu. Diese zuckte kurz bei dem Blick zusammen und ihre Nackenhaare stellten sich elektrisiert auf. Selbst vor einer Gänsehaut war sie nicht geschützt und sie rieb sich fröstelnd die Arme, um das unangenehme Gefühl loszuwerden. Was war denn das für ein Blick gewesen, das sie so stark darauf reagierte? Cian wandte den Blick von ihr ab und sah die Gruppe neugierig an. >Und? Hat es mit eurer Suite geklappt? Hat der Vermieter zugestimmt? Denn hier rumgammeln und nichts tun, könnt ihr nicht! Ihr habt es ja gestern gesehen!<

>Jetzt Cian, hör auf so grob zu sein... Wir sind auch nur Menschen, genau wie du, vergiss das nicht!< Curtis warf seinem anderen Ich einen wissenden Blick zu und bevor Cian zurückgiften konnte, hob er die Hand und brachte ihn dazu zum Schweigen. Wow, so etwas wollte Claire auch mit Hazy machen können und als hätte sie ihre Gedanken erraten, schüttelte sie mit einem tödlichen Lächeln den Kopf, was Claire Grund genug gab, es wirklich nicht zu versuchen.

Diese Hazy war einfach zu gefährlich für sie.

Und das lag nicht nur an ihrer selbstbewussten Ausstrahlung. Doch mit Wohlgefallen sah sie der Diskussion zwischen Cian und Curtis zu und grinste, als Noah ein lustiges Kommentar dazwischenschob und alle zum Lachen brachte. Selbst Cian musste lachen, was aber nur eine Zehntelsekunde andauerte, bevor er wieder das Thema New York aufrollte.

Der war ja bissig wie ein Pitbull. Er wollte das Thema einfach beendet kriegen, weshalb Claire schnell in ihr Zimmer stürmte, um ihre E-Mails zu checken und dann zufrieden feststellte, dass der Vermieter ihr zugesagt hatte. Sie senkte erleichtert die Schultern und schrieb ihm, wann sie kommen würden und dann schaltete sie ihren Laptop aus und wäre beim Gehen fast über Flecky gestolpert, der sie mit seinen Glubschaugen musterte. Lächelnd kniete sie sich vor ihn hin und kraulte ihm hinter die Ohren, worauf dieser sich auf den Boden legte und verspielt hechelte. Gott, sie liebte diesen Hund über alles und konnte nicht genug sagen, wie froh sie war so einen treuen und hilfsbereiten Gefährten zu haben. Doch zuerst musste sie den anderen die frohe Mitteilung überbringen und langsam aber sicher die Koffer packen, weil sie schon morgen fahren würden. Sie konnte es kaum erwarten die frohen Gesichter ihrer Freunde zu sehen, denn das Gefühl, was sie jedes Mal bei ihrem Lachen verspürte, war tiefe Zuneigung.

Vor sich hinpfeifend ging Claire die Treppen runter in die Küche, wo sie alle mit einem fragenden Blick erwarteten. Sie lächelte kurz, sah sich mit hochgezogener Braue um und dann ließ sie die Bombe platzen. Noah war der erste, der einen Jubelruf ausstieß und Helena fest umarmte, um sie dann in der Luft zu drehen. Curtis klatschte zufrieden in die Hände, Viktoria machte einen kleinen wilden Freudentanz und Cian und Hazy grinsten sich bestätigend an.

Die Nachricht schien den gewünschten Effekt erreicht zu haben und das machte Claire sehr glücklich. Sie forderte alle auf, schnell die Koffer zu packen und die Gruppe nickte aufgeregt. In der nächsten Stunde sah dann die Villa ziemlich chaotisch aus, was Claire aber weiterhin nicht störte. Die Koffer hatte sie aus dem Keller gebracht und die Jungs und Mädels spurteten hin und her und packten alles Wichtige in den Koffer. Claire hatte ihren bereits gepackt und nun half sie den anderen wichtige Sachen zu finden und in die sich füllenden Koffer zu verstauen. Und nach etwa drei geschlagenen Stunden waren die Koffer gepackt und in den Autos verfrachtet worden, was mit einem leckeren Karamell- Eis und Schokoladenkuchen gefeiert wurde.

Die Gruppe saß erschöpft und aufgeregt zugleich um den Küchentisch und genoss die leckeren Köstlichkeiten, die Viktoria zuvor beim Lieblingsladen von Claire besorgt hatte. Diese Leckereien waren einfach herzzereißend lecker und das laute Schmatzen von Noah war Beweis genug. Es war schön endlich mal einen ruhigen Abend verbringen zu können, aber Claire wusste, dass das nicht lange dauern würde, bis das nächste Problem auftauchen würde. Doch sie genoss diesen Moment der Ruhe und Geborgenheit und hörte den lustigen Erzählungen von Noah zu. Dieser Mann war durch und durch ein Kasper. Er sorgte immer für gute Stimmung und er passte einfach perfekt zu Helena. Curtis aber blieb ihr Adonis und ihr Herz schlug bei jedem seiner Blicke schneller und schneller.

Sie stieß einen leisen Seufzer aus und fasste sich ans Herz, um es etwas zu beruhigen. Warum klopfte es nur so sehr, wenn sie ihn sah? Dieses Gefühl raubte ihr ihren Atem und füllte ihre Träume. Sie war anscheinend wirklich verliebt. Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen und sie fasste sich reflexartig an die Mundwinkel und schloss kurz die Augen.

Als sie diese wieder öffnete, sah sie Cian an der Kühlschranktür und zuckte wieder unter seinem kalten Blick zusammen. Gänsehaut breitete sich wieder auf ihrer Haut aus und sie fröstelte leicht. Was war denn das für ein unangenehmes Gefühl in ihrer Brust? Das war ja erschreckend. Curtis bemerkte ihren irritierten Blick und er berührte fragend ihre Hand, als wieder eine schöne Wärme durch sie hindurchfloss. Sie lächelte ihn zaghaft an und versicherte ihm, dass es ihr gut ging und er ließ nachdenklich von ihr ab und verschränkte die Arme vor die Brust. Aber dann schenkte er ihr ein aufmunterndes Lächeln und sie erwiderte leicht sein Lächeln.

7. Kapitel

>Koffer?<

>Gecheckt!<

>Essen und Trinken?<

>Gecheckt!<

>Flecky?<

>Leckt die Autofenster ab, gecheckt!<

>Geld?<

>Gecheckt?<

>Decken?<

>Gecheckt?<

>Polizeisirene?<

>So was hast du?<

>Man weiß ja nie!< Claire grinste Helena an und lachte laut, als sie ihr verdutztes Gesicht beim Anblick der Lampe unter dem Fahrersitz sah. Sie hatte ihr wahrscheinlich bis dahin nicht geglaubt, was sie ihr nicht übelnahm, aber das mit der Polizeisirene war ein Geschenk eines Polizisten gewesen. Damals war ihr Vater mit einem befreundet gewesen, bis dieser unglücklich verschied und ihm diese Lampe hinterlassen hatte. Ein Andenken also. Dieses würde Claire natürlich nur in brenzligen Situtaionen benutzen, aber man wusste ja nie, was passieren konnte, weswegen sie die Lampe unter dem Sitz verstaut hatte.

Flecky leckte immer noch gern am Fenster, was er nur dann tat, wenn er ganz aufgeregt war, aber es störte sie nicht, weil es nicht schädlich war. Zwar hinterließ es den ein und den anderen Fleck, aber das ließ sich gut entfernen. Dazu hatte sie ihre Feuchtigkeitstücher in ihrer Handtasche. Curtis setzte sich auf den Beifahrersitz und der Rest nahm hinten Platz, wobei Noah dicht neben Helena saß, die sich verliebt an ihn rankuschelte. Viktoria hatte Flecky auf dem Schoß und streichelte ihm liebevoll den Kopf, was ihn nach einer Weile ins Land der Träume beförderte.

Einen schönen Ort, den sie schon lange nicht mehr besucht hatte. Schade eigentlich, aber das passte schon.

Sie machte sich mehr Sorgen um ihre Blumen auf ihrem Balkon, aber Hazy hatte ihr ernst versichert, dass sie auf sie aufpassen würde, da die Blumen sich im Eimer, der daneben stand, spiegelten. So könnte sie theoretisch die Spiegelbilder gießen und die realen Blumen am Leben erhalten. Claire hoffte, dass sie recht behielt, doch nun musste sie sich auf die Fahrt nach New York konzentrieren, die noch anderthalb Tage vor ihr lag. Claire hatte die Route perfekt vorgeplant und sich die Zwischenstopps auf einen Zettel aufgeschrieben, den Curtis in seiner Jackentasche hatte. Die Nacht würden sie höchstwahrscheinlich in einem Motel verbringen, aber das Geld hatte Claire ja, was Helena Gewissensbisse bereitete. Sie war einfach zuckersüß, wie sie ihr immer versicherte, dass sie das Geld so bald wie möglich zurückbekommen würde. Einfach süß!

Seufzend bog Claire in die Hauptstraße Richtung Philadelphia ab und genoss den frischen Wind, der ihr die dunkelblonden Haare zerzauste. Es herrschte wunderschönes Wetter, die Sonne brannte auf ihrer caramellfarbenen Haut, die paar Wolken spendeten ab und zu kleine Schatten und der Wind erfrischte die Sinne. Curtis schien auch das Wetter zu genießen, was sie an seiner lässigen Haltung und dem aufgestützten Arm am Fenster erkannte.

Seine kurzen blonden Haare raschelten wie die Blätter am Baum und seine grünen Augen glänzten bei jedem Sonnenstrahl, der ihn direkt traf. Ein Bild, das sich auf ewig in sie reinfressen würde. Er sah zum Niederknien aus, was aber beim Autofahren ziemlich unpassend wäre. Doch die Vorstellung trieb ihr ein kleines Lächeln im Gesicht, das Curtis sofort bemerkte. Er wandte seine ganze Aufmerksamkeit auf sie und betrachtete sie analysierend, was sie etwas nervös machte, sie jedoch die Fassung behielt, um sich auf das Fahren zu konzentrieren, denn wenn es ums Fahren ging, dann war sie eine sehr sorgfältige und ordentliche Fahrerin. Die meisten Unfälle passierten ja auf der Straße und sie hatte keine Lust jemanden zu verletzen oder gar sich selbst in Gefahr zu bringen.

New York war das Ziel und basta.

>Du siehst beim Fahren echt atrraktiv aus, ich weiß aber nicht woher das kommt!< Claire hätte sich bei der Bemerkung fast an ihrer eigenen Sabber verschluckt, aber sie drehte sich überrascht zu Curtis um und hob fragend eine Augenbraue. >Wie kommst du denn auf diese Tatsache?<

>Ich weiß nicht... Deine flatternden Haare, die coole Sonnenbrille und deine elegante Haltung verleihen dir so ein sexy und ernstes Flair zugleich. Echt interessant zu sehen, wie wandelbar du sein kannst!<

>Ähm, ok... Danke! Ich weiß zwar nicht, was ich darauf erwidern soll, aber du siehst auch super gut aus.< Verlegen sah sie ihm direkt in die Augen und ein Grinsen breitete sich auf Curtis Gesicht aus. Es schien ihm wirklich zu schmeicheln das von ihr zu hören, was sie wiederrum als Kompliment nahm. Dieser Mann war einfach unbeschreiblich, dass sie kaum wusste, wie oft sie diesen Gedanken schon gehabt hatte. Ihr Bauch flatterte wie ihr Haar im Wind, ihr Puls raste wie ein Ferrari, ihre Beine zitterten wie die eines Chihuahuas und ihre Gedanken kreisten ständig um ihn, als wäre ihre Festplatte stecken geblieben. Als nächstes würde sie fliegen können. Was für ein Gedanke! >Hey Leute, ich muss so dringend pissen. Ich mach mir gleich in die Hosen!<

>Ach Noah, bist du nicht kurz vor unserer Abfahrt aufs Klo gegangen?<

>Doch, aber irgendwie muss ich nochmal!< Claire lachte bei Helenas Augenverdrehen und sie versicherte Noah so bald wie möglich einen Stopp zu machen, weil sie schon großen Hunger hatte. Curtis sah auf den Zettel mit den Stopps und zeigte auf die Straße, um ihr zu erklären, wo sie als Nächstes abbiegen müsse, um zu einem kleinen Lokal zu fahren. Sie entdeckten das Schild des Lokals und bogen zum Wohlgefallen Noahs ab und parkten neben einem kleinen Van, der dem Auto etwas Schatten spendete.

Dann stiegen die Freunde aus und streckten ihre eingerosteten Glieder aus, um dann tief ein und auszuatmen. Claire pfiff Flecky zu sich, der sich gleich an die verschiedenen Gerüche an einem Laternenmast stürzen wollte, es aber auf Befehl des Herrchens nicht tat. Dafür bekam er ja auch ein Leckerli, den dieser ganz hibbelig entgegennahm. Dieser Hund strotzte so vor Neugier, weswegen sie ihm etwas Freheit gewährte, das neue Gelände zu erkunden. Danach steuerten die Freunde auf das kleine Burgerlokal zu und atmeten den leckeren Duft von frischgemachtem Essen ein und bestellten sich sogleich was zum Essen und Trinken, obwohl sie im Kofferraum Vesper gepackt hatten. Doch die Düfte waren einfach zu verlockend, um ihnen zu widerstehen, was auch die anderen dachten.

Sie setzten sich tratschend an einem Tisch nah am Fenster und spähten nach draußen, wo Flecky umherging und alles beschnüffelte. Claire machte sich keine Sorgen um ihn, da er nie von ihrer Seite wich und er ziemlich schlau war, sollte etwas Schreckliches passieren. Manchmal kam es ihr so vor, als stecke ein Mensch in ihm, statt ein Tier, aber waren nicht alle Hunde so? Immerhin waren sie treue und loyale Verbündete der Menschen, obwohl sie oft gequält wurden, weswegen Claire monatlich in Tierheime investierte und sie auch unterstützte. Das war das Mindeste, was sie tun konnte.

Das Essen wurde von einer netten etwas molligen Frau auf den Tisch gelegt und alle fünf stürzten sich darauf, als würde ihr Leben davon abhängen. Das Schmatzen von Noah war Standardsache, was sie immer wieder zum Lächeln brachte und ein Kopfschütteln aus Helenas Seite einbrachte. Ja, sie liebten sich alle mit ihren Macken und Stärken und Claire wurde wieder bewusst, wie dankbar sie für diese Menschen war. Erst vor Kurzem hatte sie ihre Einsamkeitsphase gehabt und nun saß sie mit den tollsten Freunden der Welt zusammen und aß einen saftigen leckeren Burger, der auf ihrer Zunge zerging.

Zwar war sie eine ausgewogene gesunde Ernährung gewöhnt, aber diese Sünde gönnte sie sich. Nach allem was sie bisher erlebt hatte, brauchte sie eine leckere Sünde, wobei Curtis ihre größte war. Einfach reizvoll und unwiderstehlich. Ein Wunder, dass er bis jetzt kein Verdacht schöpfte, dass sie etwas für ihn empfand, denn würde sie jemand so anglotzen, wie sie es tat, dann würde sie sich schon fragen, was los sei. Zum Glück aber merkte er es nicht, denn das wäre sehr peinlich für sie. >Leute, ich liebe Hamburger, ich könnte tausende davon verdrücken!<

>Dann kauf dir den Super- Pfannenwender von Spongebob, der kann dir genügend machen, Brüderchen!< Viktoria warf ihren grinsenden Bruder einen verschmitzten Blick zu und kassierte lautes Gelächter ihrer Freunde. Zwar redete Viktoria nicht viel, aber wenn sie mal was sagte, dann etwas Sinnvolles oder Lustiges. Lag wohl an der Familie.

Claire überlegte, was sie eigentlich so von ihren Eltern geerbt hatte, aber außer dem Aussehen und der Disziplin hatte sie nichts Vergleichbares. Sie stieß einen leisen Seufzer aus und hoffte, dass ihre Eltern nicht frühzeitig zurückkommen würden, weil Claire keine Lust hatte alles zu erklären, gar ihre Eltern in diese ganze Geschichte mit hineinzuziehen. Aber ihre Mutter hatte ihr kurz vor ihrer Abreise berichtet, dass es länger dauern würde und das glaubte ihr Claire aufs Wort. Ihre Mutter hielt, was sie sagte und das beruhigte sie ein wenig. Plötzlich klopfte es an der Scheibe und die Freunde wandten den Kopf zur Scheibe, wo sie Flecky entdeckten, der mit der Schnauze gegen die Scheibe stieß. Anscheinend wollte er wieder Streicheleinheiten, weil er sich ungeliebt fühlte, weshalb Claire ihren Burger hinunterschlang, um zu ihrem Welpen zu gehen, der sich über alles freute sie zu sehen.

Er sprang auf ihren Schoß und hechelte verspielt, als er auf einmal die Ohren schief legte und begann leicht zu knurren. Claire fragte ihren Hund, was los sei, doch dieser schnüffelte nur und reckte den Kopf nach oben. Ihre Freunde hatten ihre angespannte Haltung entdeckt und stürzten auch nach draußen, als Flecky augenblicklich losrannte und auf ihr Auto stürzte.

Claire heftete sich hinter seine Fersen und riss erschrocken die Augen auf, als sie sah wie ein Mann versuchte die Bremsleitung durchzuschneiden. Noah schob sich an sie vorbei, packte den Kerl vom Kragen und drückte ihn mit voller Wucht gegen das Auto, als er innehielt. Der Mann hatte einen panischen Gesichtsausdruck, aber die böse funkelnden Augen versprachen da was anderes. Claire trat neben Noah und ihre Vermutung bestätigte sich. Dieser Mann war von einem Spiegelwesen besessen, den sie nun heimlich und schnell mit ihrer Föhigkeit befreite.

Die Gestalt, die hervortrat, fiel dann Curtis Kreis zum Opfer und Noah schickte ihn anschließend in die andere Welt. Die Freunde sahen sich ratlos an und eine Frage schwebte klar und deutlich in der Luft. Woher hatte der Mann gewusst, wo sie waren? Verfolgten diese Wesen sie auch noch? Curtis seufzte genervt und die anderen stimmten mit, da diese neue Tatsache sie alle aus der Ruhe brachte. Jetzt konnten sie nicht mal die Fahrt nach New York genießen, ohne darauf zu achten, dass irgendwelche assoziale Wesen hinter ihnen waren. Claire erklärte diesen Moment der Ratlosigkeit für beendet und deutete ihren Freunden in das Auto zu steigen und weiter zu fahren, da sie sonst länger brauchen würden, als geplant. Helena packte zustimmend Noahs Arm und stieg mit ihm ein und Viktoria drängte sich nachdenklich an die beiden und nahm Flecky, der aufgeregt hechelte, in den Arm. Claire stieg wieder in die Fahrerseite ein und Curtis nahm wie zuvor neben ihr Platz und bedachte sie mit einem aufmunternden Nicken. Sie dankte ihm für seine nette Geste und startete auch schon den Motor, als sie erleichtert feststellte, dass der Typ es nicht geschafft hatte etwas an ihrem Auto kaputt zu machen.

Das wäre sonst ein sehr teurer Schaden gewesen.

Die Fahrt ging weiter und nachdem sie gute zwei Stunden Fahrt hinter sich gebracht hatten, beruhigte sich die angespannte Stimmung im Auto. Bei jedem Fahrzeug, das an sie vorbeifuhr, war Claire zusammengezuckt, weil sie berfürchtet hatte, dass da ein besessener Mensch fuhr und ihnen was antun wollte, doch bisher nichts dergleichen. Zum Glück! Sie sah Curtis mit einem fragenden Blick an und erkundete sich nach der nächsten Haltemöglichkeit, um sich die Beine etwas zu vertreten. >Ähm, die Übernächste links und dort befindet sich ein kleiner Parkplatz mit Toiletten und Tischen zum Essen. Das steht hier!<

>Ok danke, wer hat denn von euch Hunger und wer will aufs Klo?<

>Ich will beides! Meine Blase platzt fast und mein Magen hat sich vor Hunger fast selbst gefressen. Ich glaub der macht sich gleich an meine Blase ran!<

>Alter, wie es deinen Innereien geht, geht uns nichts an. Wir halten ja gleich an und dann kannst du alles mit der Ruhe machen!< Claire musste sich bei Curtis angeekelter Miene ein Lachen verkneifen. Noah war einfach nur zum Totlachen. Er musste immer seinen Senf dazu geben und manchmal fiel er echt eklig aus. Doch so war er nun mal.

Kopfschüttelnd bog sie in den kleinen Parkplatz ab und entdeckte zwei Autos nebeneinander, die zu zwei Familien gehörten. Wahrscheinlich Familienausflug. Etwas, was Claire nicht so gut kannte. Sie öffnete die Tür und atmete erneut die frische Luft ein, während sie Noah und Helena beobachtete, wie sie händchenhaltend zu den Toiletten liefen. Curtis und Viktoria machten sich am Kofferraum zu schaffen und packten die Box mit dem Essen raus, um es dann zu einem der Holztische zu bringen und sich Brötchen zu schmieren. Messer, Gabeln, Tupperwaren in Massen und Servietten waren da und das Essen stieg schleichend in ihre Nase und verführte Claire zu einer Obstsalatrunde. Sie öffnete die abgedeckte Schüssel und leckte sich vorfreudig über die Lippen, als sie dann mit der Gabel reinhaute und die frischgeschnittenen Apfelstücke in ihrem Mund zerkaute. Flecky kam bellend auf sie zu und sah sie erwartungsvoll an, bis Viktoria mit dem Napf vom Auto kam und ihm Essen reinschüttete.

Der Junge haute rein wie eine Bestie und die Freunde konnten nicht anders, als darüber zu lachen. Daraufhin kamen Noah und Helena angerannt und gesellten sich zu ihnen, als Noah Curtis fragend ansah. >Hey, hast du meine Salami genommen?<

>Nö, wieso? Ich esse hier grad ein Nutellabrot und du kommst mir mit Salami... Erklär mir mal die Logik!<

>Ja, aber ich will meine Salami, die ist hier nicht und ich bin mir sehr sicher, dass ich sie eingepackt habe!<

>Wirklich?<

>Jaaa! Mensch, ich hab richtig Lust drauf!<

>Jetzt tu doch nicht wie eine Schwangere, nimm dir was anderes! Hier kannst abbeißen oder schmier dir selbst eins!< >Ich will aber meine Salami!<

>Ich glaube Flecky hat deine Salami, die er gerade genüsslich isst!< Noah sah kurz zu Claire, die ihm mit dem Finger auf Flecky hindeutete, der verstohlen die Salami runterschlang. Er streckte fassungslos die Arme in den Himmel und seufzte. >Ich wusste, dass dieser Hund mich nicht mag. Schon vom ersten Moment an, als ich diesem Lebewesen entgegentrat, wusste ich, dass es mich nicht leiden kann. Sieh nur, der frisst meine Salami eiskalt vor mir und genießt es auch noch, dass er mich damit nervt! Jaaa Flecky, es kotzt mich an, du isst Meine Salami!!!<

Flecky hatte sich bis dato nichts anmerken lassen und Noah ignoriert, aber nun hob er den Kopf, legte ihn schief und lief auf Noah zu, um ihm dann die Hand zu schlecken. Claire prustete los, als Noah kurz rot wurde und Viktoria hielt sich vor Lachen am Tisch fest, während Curtis ins Sandwich reinlachte und Helena grinsend den Kopf schüttelte. Flecky war einfach göttlich, denn er wusste immer, was zu tun war, um die Herzen höher schlagen zu lassen. Noah blieb sprachlos, aber dann schnupperte er kurz an seiner Hand und zog angewidert die Nase kraus. Es stank nach Salami!

Claire kraulte Flecky daraufhin den Kopf und beichtete ihm, wie lieb sie ihn hatte und dass er sich sehr nett entschuldigt hatte. Dieser setzte sich dann neben sie hin und hielt weiterhin die Ohren steif. Es war, als würde er jedes einzelne Wort verstehen, weswegen sie sich wohler fühlte. Sie sprachen über die bevorstehende Ankunft und der Nacht in einem Motel, als Curtis eine Braue hob und hinter sie sah. Claire drehte sich fragend um und entdeckte eine Frau, die zu einer der Familien gehörte, wie sie aus dem Toilettenhäuschen trat und sich schreckhaft umsah. Als sie dann die Freunde entdeckte, schrie sie ihnen zu, dass sie so schnell wie möglich fliehen sollten, was aber auf Ratlosigkeit in der Gruppe traf. Nur Flecky richtete sich angespannt auf und witterte Gefahr in der Luft, die sich im nächsten Moment bestätigte. Die Toilettentür flog etwa zehn Meter und traf gegen einen Drahtzaun und ein Koloss quetschte sich aus einer der Kabinen heraus, was sofort die Familien in Panik versetzte. Claire rief ihnen zu, sie sollen so schnell wie möglich verschwinden, was diese sich nicht zweimal sagen ließen.

Die Kinder saßen im Auto, die Eltern auch und schon waren sie weg außer den sechs Freunden. Curtis rief seiner Schwester zu, dass sie und Viktoria das Essen packen und damit im Auto verschwinden sollten, was die beiden auch ruckzuck taten. Währenddessen spurtete Noah zu dem buckligen Monster und feuerte mit seinen roten Lichtbällen auf das Ding. >Du eklige Hackfresse, ich mach dich sowas von kalt! Was fällt dir ein mich beim Essen zu stören, du Hässlichkeit? Ich hab nicht mal einen Bissen zu mir genommen und ich sterbe vor Hunger! Also mach, dass du verschwindest oder ich stopf dich ins Klo du verschimmeltes Stück Dreck!< Claire, die sich in Angriffsposition aufgestellt hatte, musste über diesen Ausbruch lachen, weil es sie an Hazys Temperament erinnerte.

Curtis konnte sich auch kein Lächeln verkneifen, aber er fokussierte blitzschnell seinen Gegner und begann den Kreis um ihn zu ziehen. Aber das Monster blieb nicht an einer Stelle, sondern spurtete los, direkt auf sie zu. Adrenalin packte sie und sie begann auch zu rennen, doch nicht weg von dem Monster, sondern direkt darauf zu. Curtis brüllte ihr zu, was sie Dummes vorhatte, aber das Adrenalin rauschte so in ihren Ohren, sodass sie nichts außer ihrem Atem und ihrem Herzschlag mitbekam. Sie hatte es satt ständig von solchen Dingern gestört zu werden und sie würde diesem Monster nie verzeihen, Kindern solch eine Angst bereitet zu haben.

Mit lautem Gebrüll ballte sie ihre Energie in ihre Hände und schleuderte es auf das Monster, das verblüfft stehen blieb und sie fragend ansah. Wie erwartet hatte ihre Gabe hierbei keine Wirkung, aber es blieb Curtis genug Zeit, um einen Kreis um das Monster zu errichten. Dieses merkte erst sehr spät, was es mit seiner Ratlosigkeit angestellt hatte, aber da war es auch einfach zu spät. Noah lachte triumphierend und schleuderte den entscheidenden Lichtball auf das Wesen zu, als dieses laut aufbrüllte und verschwand. Puff, genau wie die anderen zuvor. Claire stemmte die Hände in die Hüfte und atmete mit wild pochendem Herzen aus. Das war mal riskant gewesen! Dafür würde Hazy sie selbst umbringen, das wusste Claire. Auch Curtis kam auf sie zu und klapste ihr leicht auf den Hinterkopf. >Bist du lebensmüde? Du hättest dich bei diesem Wesen verletzen können, mach das nie wieder. Ich war dem Herzinfarkt nahe, Claire... Verstanden?<

>Ja,sorry! Ich war einfach wütend und habe es dem Zufall überlassen. Diese Impulsivität von Hazy springt ein bisschen auf mich über!<

>Na, ich hoffe, dass es nicht schlimmer wird. Es ist sehr gefährlich! Soll ich jetzt fahren, damit du dich ausruhen kannst?<

>Ja, das wäre echt lieb von dir! Danke!< Curtis machte einen abwerfende Bewegung und begleitete sie zum Auto, wo sie sich auch eine Standpauke von Helena und Viktoria anhören musste. Die waren alle wirklich besorgt um sie gewesen.

Diese Tatsachte wärmte Claire innerlich und sie entschuldigte sich dafür, dass sie unüberlegt gehandelt hatte. Ihre Freunde nickten verzeihend und somit ging die etwas unangenehme Fahrt weiter. Es war bereits abends und sie wurden langsam alle etwas müder, was nach so einer anstrengenden Fahrt auch nicht überraschend war. Claire sah auf ihren Zettel und berichtete den anderen, dass sie noch drei Meilen bis zum Motel fahren mussten. Noah und Helena stießen einen müden Seufzer aus und Flecky gähnte auf Viktorias Schoß. Es schien als ob die beiden sich näher gekommen waren, denn sowohl Viktoria als auch Flecky schienen sich gegenseitig zu mögen. Claire freute diese Tatsache, denn sie wollte, dass sich ihr Welpe so gut wie möglich in dieser Gruppe fühlte. Ein bisschen kam es ihr so vor, als wären sie in der Serie Scooby Doo, aber Flecky konnte leider nicht reden.

Wäre ja auch zu komisch. Er würde sich dann liebend gerne mit Noah unterhalten, da war sie sich sicher.

Curtis hatte seit dem Zwischenfall auf dem Parkplatz nichts gesagt und Claire fragte sich allmählich, ob er immer noch sauer auf sie war. Immerhin war es das letzte, was er von sich gegeben hatte. Dieser bemerkte ihre forschenden Blicke und warf ihr daraufhin ein leichtes Lächeln, um ihr zu zeigen, dass er nicht auf sie sauer war. Er teilte ihr mit, dass er über diese Zwischenfälle nachdachte und sich mögliche Pläne ausdachte, um das nächste Mal besser vorbereitet zu sein, aber er konnte sich einfach nicht ausmalen, wann sie auftauchen würden. Claire nickte in Gedanken versunken und stützte ihren Arm auf die Fensterlehne, um den Kopf etwas nach außen zu strecken und den frischen Wind auf dem Gesicht zu spüren.

Diese ganze Sache bereitete ihr zunehmend Sorgen, aber im Moment zählte nur ein Bett und Ruhe und Schlaf. Kaum als sie diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, bog Curtis auch schon gähnend in die Einfahrt zum Motel Sleep Tight. Noah gähnte laut und weckte Helena, die schon längst eingeschlafen war und nahm sie in die Arme, um sie ins Motel zu tragen. Claire holte währenddessen einen Koffer mit den Klamotten und Viktoria half ihr dabei. Curtis war mit den anderen schon mal vorgegangen, um ein Motelzimmer zu mieten und dann als sie dazustießen, wurden sie zu zwei Zimmer, die nebeneinander lagen, geführt. Die Mädchen nahmen sich ein Zimmer und die Jungs das andere. Sie nisteten sich mit den paar Habseligkeiten ein und machten einen Zeitpunkt aus, um die Fahrt fortzuführen.

Dann trennten sie sich und gingen in ihre Zimmer, um sich hinzulegen und ein Nickerchen zu machen. Claire konnte es kaum erwarten sich in das Bett zu kuscheln und endlich ins Traumland zu flüchten. Aber anstatt direkt in das kleine Bett zu springen, setzten sich die Mädchen zusammen hin und sprachen über ihre aktuelle Sitution, vor allem über die Spiegelwesen, die sich wie die Parasiten an ihre Fersen geheftet hatten. Viktoria war es ein Rätsel, wie diese Gestalten sie immer wieder fanden und glaubte einen Chip in sich zu haben, weil es die einzige logische Erklärung war. Doch Claire schüttelte energisch den Kopf und schien sich ziemlich sicher zu sein, dass das nicht der Fall war.

Zwar gab sich Viktoria damit nicht zufrieden, ließ es aber dabei und seufzte. Was Helena Claire jedoch fragte, ließ sie aus allen Wolken fallen. >Ob ich auf deinen Bruder stehe? Wie kommst du denn darauf?<

>Glaubst du, du bist die Einzige, die gut beobachten kann? Ich bemerke schon deine verliebten Blicke, die du ihm im Geheimen zuwirfst! Glaub nicht, dass ich das nicht schon längst zur Kenntnis genommen hab... Ich sehe alles! Du magst ihn, gibs einfach zu...<

>Bleibt mir bei deinem allwissenden Blick sonst was übrig? Ich könnte schon etwas für deinen Bruder empfinden...<

>Könnte? Du tust es! Ich sehe es doch... Nicht wahr? Komm, wir sind doch Freundinnen und es ist mein Bruder!<

>Ja, ok... Ich bin verliebt in ihn, so jetzt ist es raus!<

>Ha, wusste ichs doch! Bin ich gut oder bin ich verdammt gut?< Claire verdrehte grinsend die Augen und schlug Helena leicht auf die Schulter. Diese lächelte sie freundlich an und Viktoria begann augenblicklich zu lachen, weil sie die ganze Unterhaltung einfach nur komisch fand. Was sie im Endeffekt auch war, bis Helena ernst wurde und sie mit durchdringendem Blick ansah. >Claire, ich muss dir was erzählen, bevor du doch an meinen Bruder ranschmeißt... Er hatte vor einem Jahr eine feste Freundin gehabt, mit der er circa elf Monate zusammen gewesen war. Sie hieß Natalia und war ein ziemlich nettes und kluges Mädchen und er hatte sie sehr geliebt. Wirklich geliebt. Mein Bruder ist ein großer Romantiker, falls es dir noch nicht aufgefallen ist, deswegen ist er auch ein leidenschaftlicher Koch. Auf jeden Fall legte er Natalia seine ganze Welt vor die Füße und sie nahm sich jedes Stück davon, dass sie haben konnte. Er war glücklich und hatte jeden Tag das schönste Lächeln auf, aber dann erwischte er sie in flagranti mit ihrem Fitnesstrainer und eine ganze Welt brach über ihn zusammen. Einen Monat lang und länger sogar hatte er nicht gelacht, nicht gekocht und nicht geredet, ich spürte die Enttäuschung und die Wut in ihm, aber ich konnte nicht zu ihm hindurchdringen... Noah hatte es dann mit seinem Humor irgendwie geschafft und ja, dann kam die Sache mit den Spiegeln, die ihn etwas abgelenkt hat. Das war die einzig positive Seite daran. Und jetzt scheint er die Vergangenheit etwas ruhen zu lassen, aber ich will dir damit sagen, dass er noch sehr verletzlich ist. Aber ich habe gemerkt, dass er dich auch gern hat und ich will nichts Anderes, außer das Beste für meinen Bruder!<

>Du bist eine verdammt gute Schwester... Ich wäre sehr froh, so eine wie dich zu haben!< Helena wurde etwas leicht rot um die Wangen und dankte ihr. Sie erzählte ihr, wie sehr sie ihren großen Bruder liebte und dass sie froh war, dass Claire so ein nettes Mädchen war, sodass sie sich nicht um Curtis Herz sorgen musste.

Claire schmeichelte diese netten Worte und grinste über beide Ohren, weil sie erleichtert war, dass Helena die ganze Verliebtseinsache so locker nahm. Viktoria schien das auch nicht zu stören, weil sie Claire versicherte, dass Curtis ein netter Mann war und so eine wie Claire verdiente. Hatte Claire schon mal erwähnt, wie toll diese Menschen um sie waren? Ja, na dann wars gut!

Viktoria begann plötzlich wieder an zu lachen und Helena hob fragend eine Braue und prustete kurz daraufhin auch los. Claire beugte sich etwas nach vorne, um über dem Bettrand zu spicken und entdeckte Flecky mit ihrer Unterhose auf dem Kopf. Dieser kleine Spanner hatte sich mal wieder an die Koffer rangemacht und rumgeschnüffelt, was typisch für den Welpen war, da seine Neugier absolut keine Grenzen kannte. Sie kraulte ihm kurz den Hals und schnappte sich zwinkernd ihr Höschen von seinem Wuschelkopf und verstaute es wieder in den Koffer, wo es hingehörte. Helena sprang dann hastig auf, um sich als erste bettfertig zu machen und Viktoria zog sich ihre Pyjama an. Claire tat es ihr nach und nachdem Helena mit Zähneputzen und Waschen fertig war, stürzte sie ins Bad, ließ aber die Tür offen, damit die arme Viktoria auch die Möglichkeit hatte, sich zu waschen ohne lange zu warten. Als sie dann alle fertig waren, schlüpften sie gähnend unter die Decken, sagten sich Gute Nacht, Flecky bellte kurz und legte sich am unteren Ende des Bettes hin, dann erloschen die Lichter und die Nacht brach dann endlich ein.

Etwas Schleimiges und Feuchtes überdeckte Claires Gesicht und sie schreckte kurz hoch, als sie erleichtert ins Kissen zurückfiel, weil es Flecky gewesen war, der sie abgeschleckt hatte. Sie warf ihm einen ermahnenden Blick zu, den dieser leise bellend als Entschuldigung erwiderte. Ihre Miene wurde weicher und mit der rechten Hand klopfte sie neben sich auf dem Bett, um ihn aufzufordern, dass er sich neben sie legen sollte. Gezeigt, getan.

Flecky ließ sich liebevoll von seinem Herrchen streicheln, während Claire sich im Zimmer umsah. Ein paar Sonnenstrahlen erhellten das Zimmer durch die halb geöffneten Gardinen und der graue Bodenteppich erschien etwas heller, als am Tag zuvor. Ein paar alte Bilder hingen an den Wänden und die verstaubten Tischlampen verliehen dem ganzen eine unangenehme und beengende Atmosphäre. Zwar hatte Claire gegen kleine Zimmer nichts einzuwenden, doch die Farben und die Einrichtung waren durchaus deprimierend.

Seufzend richtete sie sich auf und tapste noch halb im Schlaf ins Bad, wo sie sich das Gesicht wusch und die Zähne putzte. Kurz darauf hörte sie auch das laute Gähnen ihrer Freundinnen und dann das laute 'Gute Morgen' von Helena, was überdeutlich zu hören war. Viktoria war die erste, die sie sah und die sich zuerst aufs Klo setzte, bevor sie realisierte, dass Claire zähneputzend danebenstand. Ihre Augen weiteten sich erschrocken, aber dann machte sie eine wegwerfende Handbewegung und führte ihr Geschäft fort. Claire fand die Situation zum Totlachen, weswegen sie schnell den Schaum auspuckte und das Bad verließ, um dann Helena halb nackt mitten im Zimmer aufzufinden.

Erst jetzt bemerkte Claire was für einen schönen weiblichen Körper Helena hatte. Sie besaß die Kurven am rechten Fleck und das schulterlange hellbraune Haar betonte ihr feines Gesicht und vor allem ihre wunderschönen grünen Augen. Claire wünschte sich, sie hätte solch eine normale Augenfarbe, weil sie ihre Amethystaugen einfach komisch fand. Es gab keinen anderen normalen Menschen, der diese Farbe hatte, was sie manchmal frustrierte.

Aber zugegeben, sie war kein normaler Mensch. Sie bekämpfte Spiegelwesen, sah sie, machte sie sichtbar und sie stärkte ihre Freunde durch ihr weißes Licht.

Vielleicht war dann ihre Augenfarbe doch nicht so schlimm, im Gegenteil, es stempelte sie als einen Freak ab. Über diesen Gedanken musste Claire wirklich schmunzeln, denn so Wörter wie Freak hatte sie noch nie in den Mund genommen. Immerhin wurde sie perfekt und mit Manieren erzogen worden, was sich manchmal als ziemlich praktisch herausstellte. Helena hatte Claire erst nachdem sie sich schon umgezogen hatte, bemerkt und nun musterte sie ihre Freundin amüsiert. >Was ist? Warum lachst du?<

>Ach nix, ich denke mal wieder zu viel dumme Sachen, wie immer halt!<

>Ach so! Diese Momente hab ich schon oft bei dir gesehen, aber egal. Hast du schon die Jungs gesehen, weil du ja als erstes wach warst!?<

>Ne, noch nicht. Genau nachdem ich aufgewacht bin, seid ihr auch aufgewacht! Ich schau einfach mal nach, ok? Wartet hier!<

>Ok, mach das!< Claire nickte Helena zu und ging aus dem Zimmer raus und klopfte an der nächsten Tür. Ein kurzes Poltern, ein leises Aufstöhnen und dann öffnete Noah verschlafen die Tür. Sein lockiges dunkles Haar war wirr und strubbelig und seinen müden Augen zu urteilen, war er grade eben aufgewacht. Dass er sich schmerzverzerrt das Knie rieb, ließ darauf hindeuten, dass ihn das Klopfen aus dem Schlaf gerissen hatte, was sie wirklich witzig fand. Dieser machte nur eine lässige einladende Handbewegung und Claire betrat neugierig das Zimmer. Als sie dann Curtis ohne Oberteil und nur mit einem Handtuch um die Hüfte bekleidet entdeckte, schlug sie erschrocken die Hände vor die Augen und entschluldigte sich, warum auch immer. Dann hörte sie ein kurzes Rascheln und das Lachen von Noah, als Curtis sie bat die Augen wieder zu öffnen, was sie erleichtert tat. Curtis fuhr sich grinsend durch die Haare und warf dem lachenden Noah einen ermahnenden Blick zu, was diesen noch mehr zu lachen brachte.

>Er hat mal wieder vergessen seine Beruhigungspillen zu nehmen. Der Junge braucht drei hochkonzentrierte davon!< Noah verstummte und verzog den Mund zu einem Schmollen, als er ein Kissen vom Bett nahm und es mit voller Wucht auf Curtis warf. Dieser fing es ohne mit der Wimper zu zucken auf und schüttelte lächelnd den Kopf, während er Claire zuzwinkerte, was in ihr ein Gefühlschchaos hervorrief.

Sie wandte schnell den Kopf ab, um ihre aufsteigende Röte zu vertuschen und teilte den Jungs mit, dass sie schnell aufbrechen mussten. Curtis nickte zustimmend und Noah rannte schnurstracks ins Bad, um schnell eine Dusche zu nehmen, weil er fand, dass er zu sehr nach Schweiß stank. Claire hob kurz die Hand zum Abschied und verschwand so schnell wie möglich das Zimmer, weil ihre Hände schon ganz schweißgebadet waren.

Gott, ihre körperlichen Regungen bei ihm wurden immer schlimmer! Immerhin konnte sie sich nun mit den Mädels etwas ablenken, die ihre Koffer richteten und Flecky hin und herlief und alles beschnüffelte. Als sie Claire am Türrahmen entdeckten, fragten sie nach den Jungs und sie erzählte ihnen, dass sie bald bereit für den Aufbruch wären, was die Mädchen glücklich stimmte.

Die Vorfreude New York endlich zu sehen, war gigantisch und fast greifbar. Claire war auch ganz schön hibbelig und aufgeregt, obwohl sie schon etliche Male in dieser Metropole gewesen war, aber mit Freunden hinzugehen, war anders als mit ihrer Mutter, die eh nur Arbeit im Sinn gehabt hatte. Seufzend schnappte sie sich ihren schwarzen Koffer unter dem Bett und begann ihn schon mal zum Auto zu tragen, dicht gefolgt von Flecky, der seine Umgebung genauestens inspizierte. Diesem Hund entging auch gar nichts, was im Endeffekt sich als brauchbar entpuppte.

Ein Piepen ertönte und der Kofferraum des Porsche ging auf, in das sie gleich den Koffer verstaute. Sie erschreckte sich kurz, als plötzlich zwei Arme mit einem Koffer sich an sie vorbeizwängten, aber der Anblick von Curtis verwandelte ihre Unruhe in lauter bunter Schmetterlinge, die sich in ihrem ganzen Körper verbreiteten. Dieser warf ihr sein charmantes Lächeln zu, was ihre Knie sofort erweichen ließ.

Dank Flecky, der ihre Hand zu schlecken begann, konnte sie sich aus ihrer Gefühlskrise retten und sich dem Kofferverstauen widmen, da auch Viktoria, Helena und Noah auftauchten. Nachdem alles gerichtet war, setzten sich alle ins Auto und die Fahrt begann aufs Neue.

8. Kapitel

Während der ganzen Fahrt beobachtete Claire wie immer ihre Freunde und verfiel ins Träumen, sobald sie Noah und Helena beim Küssen entdeckte. Dabei verspürte sie jedes Mal einen Stich im Herzen, der sie zum Nachdenken regte. Wie es wohl wäre Curtis zu küssen?

Seine Lippen schienen sehr weich und sanft zu sein und die schmale Linie, die sie bildeten, war einfach verführerisch. Wie gern würde sie diesen Mann mal küssen und ihren ersten Kuss an ihn verlieren. Da fiel ihr auf, dass sie immer noch totale Jungfrau war, was Jungs betraf, das war ja peinlich. Was wenn sie sich mal küssen würden und sie, so ahnungslos wie sie war, etwas Peinliches tat. Oh Gott, das wäre ja die totale Blamage. Vielleicht war es doch nicht so gut ans Küssen zu denken, solange sie nicht mal wusste, was sie tun sollte. Sollte sie Helena darauf im Privatgespräch anprechen? Sie wusste anscheinend wie man küsste, da könnte man sich bestimmt Rat holen... Verwirrt schüttelte sie diese kindischen Gedanken ab und konzentrierte sich weiterhin auf die Straße, als sie unsicher die Augen zusammenkniff und sich nach vorne beugte, um besser sehen zu können.

Auch Curtis hatte etwas Komisches auf ihrer Spur entdeckt und Claire fragte sich augenblicklich, ob sie die Spur gewechselt hatte, da ein Auto direkt auf sie zufuhr. Bei genauerem Betrachten aber wurde ihr klar, dass das Auto falsch war und direkt auf sie zuraste. Noch bevor sie realisieren konnte, was geschah, riss sie das Lenkrad um und versuchte das schlenkernde Auto wieder unter Kontrolle zu bringen. Die Mädchen kreischten hinter ihr und Noah stieß wiederholt Flüche aus, während Curtis sich panisch am Armaturenbrett festhielt und 'Achtung' schrie.

Claire trat reflexartig auf die Bremse und knallte fast gegen das Lenkrad, wäre der Airbag nicht rechtzeitig aufgegangen. Ihr Herz war auf hunderachtzig und ihre Gedanken versuchten sich zu klären, da alles in ihr ein großes Wirrwarr war. Mit einem Blick zu Curtis stellte sie fest, dass er sich den Airbag vom Leib schaffte und sich immer wieder schluckend durch die Haare fuhr. Viktoria hatte die Augen weit aufgerissen und begriff erst ganz langsam, dass sie noch am Leben war und Flecky, der verängstigt auf ihrem Schoß saß, beruhigte sich langsam, da sein Winseln ein Ende nahm. Helena hatte sich an Noah festgeklammert und die Augen geschlossen, bis ihr Noah seine Hand an die Wange legte und sie unsicher die Augen aufriss, um erleichtert festzustellen, dass sie lebte. Alle sahen sich wie in Trance an und keiner traute sich etwas zu sagen, bis Noah das Wort ergriff. >Was zum Teufel war denn das? Zur Hölle, ich hab mir fast in die Hosen gemacht!<

>Ich weiß nicht warum, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass es ein Wesen aus der anderen Welt war!<

Alle Blicke richteten sich auf Claire und sie zuckte resigniert mit den Schultern. Es war die einzige logische Erklärung, denn seitdem die Wesen wussten wo sie waren, war es nicht unmöglich, dass sie alles taten, um sie aus dem Weg zu räumen. Zu dieser Kenntnis kamen die anderen auch und bedrückende Stille folgte. Claire fummelte an ihrer Bordeauxsträhne rum und seufzte.

Ihr Herz pumpte immer noch eine Menge an Adrenalin in ihren Körper, sodass sie am liebsten Bäume ausreißen könnte, aber sie zwang sich zur Ruhe und entschied sich einfach weiterzufahren. Die anderen sagten für eine Weile nichts mehr, bis Noah Curtis bat, das Radio einzuschalten, um die Stimmung zu lockern. Dieser folgte seiner Bitte und lehnte sich entspannt zurück, als die Stimme von Chris Brown ertönte. Sein Lied 'Turn it up' füllte den Innenraum des Autos und beim Refrain streckte Noah grölend die Arme aus und sang lautstark mit.

Helena und Viktoria stimmten dann auch mit, bis alle lauthals mitsangen und die schreckliche Situation fürs Erste verdrängten. Selbst Flecky bellte teilweise mit und wedelte aufgeregt mit dem Schwanz, was Claire inneren Frieden brachte. Dann bemerkte sie Curtis durchdringenden Blick von der Seite und sie sah ihn daraufhin fragend an. >Danke, dass du uns gerettet hast. Du bist eine hervorragende Fahrerin, sonst wären wir bestimmt alle schwer verletzt oder sogar tot!<

>Ach was, das war nur pures Glück. Ich war selbst ganz panisch, aber das ganze Adrenalin und dieses hochgesicherte Auto hat uns das Leben gerettet... Trotzdem danke!< Curtis erwiderte ihren dankenden Blick mit einem kurzen Lächeln, bevor er seine ganze Aufmerksamkeit wieder der Straße widmete. Kein Wunder nachdem so etwas Schreckliches passiert war, weswegen sie auch ständig den Blick nach vorne gerichtet hielt.

Langsam wurden die Konturen der hohen Gebäude New Yorks sichtbar und Helena war die erste, die ihr Gesicht an die Scheibe klatschte, um besser sehen zu können. Viktoria klatschte aufgeregt in die Hände und Noah drückte seiner vorfreudigen Freundin einen herzhaften Kuss auf die Stirn. Claire ließ den Blick über die ganze Stadtlandschaft wandern und musste gestehen, dass diese Metropole es immer wieder schaffte sie aus den Socken zu hauen. Die glänzenden Wolkenkratzer im hellen Licht der Sonne, die vielen Autos, die an ihr vorbeifuhren und die Flüsse, die das Herz von New York umgaben. Es war alles sichtbar dank des schönen Wetters und wenn sie nach rechts blickte, erkannte sie die Freiheitsstatue in ihrer vollen Größe und Macht.

Curtis stieß einen anerkennenden Pfiff aus und war genauso gefesselt wie sie bei dem ganzen Anblick, der sich ihnen bot. Aufregung und Ungeduld mischten sich in ihrem Bauch und sie hätte am liebsten das Gaspedal durchgedrückt, um so schnell wie möglich die Stadt von innen zu sehen. Doch der ganze stockende Verkehr bot ihr keinen Freiraum, um loszudüsen, was sie genervt dreinblicken ließ. Warum musste es grad nur so voll sein?

Mit einem Seufzer fuhr sie weiter Richtung Innenstadt, bewunderte die Schönheit und den Luxus der City und lachte jedes Mal, wenn die Mädels aufgeregt durcheinander gackerten und sich hier und da gegen die Fensterscheiben pressten, um eine bessere Aussicht genießen zu können. Noah schwärmte von den tollen teuren Autos, die manchmal an ihnen vorbeifuhren und Curtis bewunderte die herausragende Architektur der Gebäude. Claire war froh, dass New York ihren Freunden gefiel, denn sie war ein genauso großer Fan von solchen Metropolen, wie die Mädchen auch. Außerdem stimmte es sie glücklich, dass sie allen einen Wunsch erfüllt hatte, diese Stadt mal live zu sehen. Die Menschen hier liefen in ihrer extravaganten Kleidung umher, telefonierten, lachten, unterhielten sich, halfen Touristen bei der Suche nach einer Sehenswürdigkeit weiter, stiegen in diese gelben typischen Taxis ein oder genossen das gute Wetter. Aber vor allem gingen sie von einem Laden zum anderen und shoppten bis zum Erschöpftsein, was Claire unbedingt mit den Mädchen vorhatte, die genau das Gleiche zu denken schienen.

Alle im Auto ließen verträumt die Schultern sinken und stellten sich schon mal eine to-do-Liste bildlich vor, um ja nichts zu vergessen, was getan werden sollte. Und der erste Punkt, der bei allen in den Listen stand, war die Wohnung zu finden und sich einzurichten. Leichter gesagt als getan, denn Manhattan hatte so lange Straßen und war so voll von Menschen, sodass sich Claire wie auf einem Bazar vorkam.

Überall Menschen, die die Straßen in Massen überquerten, vier Spuren nebeneinander gefüllt von gelben Taxis und die vielen Lichter und Läden, die so manch Aufmerksamkeit auf sich zogen. Doch zum Glück hatte Claire ein bisschen Erfahrung in New York gesammelt, um zu wissen, wo es zum Central Park ging, den sie nach einer halben Stunde erleichtert erreichte. Die anderen platzten fast vor Aufregung und rissen bei der Größe des Parks erstaunt die Augen auf, weil sie es sich nie im Leben erträumt hatten, dass dieser so groß sein würde.

Diese Tatsache ließ Claire schmunzeln und ihr Blick wanderte zu den vielen Läden, weil sie hoffte den Friseursalon dieser Aria zu entdecken, was dann aber fehlschlug. Na ja, nicht so schlimm! Immerhin war der Park riesig und sie hatten genug Zeit, um sie zu finden und sie zur Rede zu stellen. Wie sie wohl reagieren würde? Vielleicht wusste sie ja auch schon von ihrer Gabe, aber wäre sie nicht dann losgezogen, um nach den anderen zu suchen, so wie sie es nun taten. Kopfschüttelnd verdrängte sie diese Gedanken vorerst und bog vorsichtig, um ja keinen Menschen umzufahren, in eine Tiefgarage hinter einem großen Wolkenkratzergebäude ab. Die Mädchen im Rücksitz fassten sich voller Vorfreude endlich die Wohnung zu sehen an den Händen und schrieen sich gegenseitig ins Gesicht, was Claire und die Jungs zum Lachen brachte. Der Anblick war einfach nur göttlich, wie die beiden sich wie kleine Kinder an Weihnachten festhielten und rumrätselten, wie ihre Geschenke wohl aussehen mochten. Dann kam die Stunde der Wahrheit, als sie zum Aufzug gingen und den Knopf 34 betätigten, der sie direkt zu ihrer Wohnung führen würde.

Viktoria klammerte sich an Claires Oberteil fest, um nicht zu hyperventillieren und der arme Flecky, der nicht verstand warum alle so hibbelig waren, sah sie mit schräggelegtem Kopf an. Claire zwinkerte ihm aufmunternd zu und warf der Anzeige, die den jeweiligen Stock anzeigte, sehnsüchtige Blicke. Dann das ersehnte 'Bing' und die Fahrstuhlstüren gingen auf. Die Jungs stellten sich dann etwas auf die Seite, um die hektischen Mädels vorbeizulassen und folgten ihnen kurz daraufhin zu einer silbernen Tür mit einer weißen Türklingel, die zu ihrer Wohnung führte. Claire drückte auf den kleinen Klingelknopf und wartete mit dem Herzen im Hals auf den Vermieter, der kurz darauf lächelnd die Tür öffnete. >Ah, ich hab Sie bereits erwartet. Hatten Sie eine gute Reise?<

>Ja, wir hatten keinerlei Komplikationen, danke Ihnen! Können wir schon reinkommen?<

>Natürlich treten Sie ein und fühlen Sie sich wie zu Hause, was ja auch für einen Monat Ihnen gehören wird. Ich führe Sie ein bisschen rum, damit Sie sich bloß nicht verlaufen und dann überlassen ich Ihnen die Wohnung!<

>Vielen Dank, Mr. Cloudster!< Claire warf dem netten alten Mann, der Mitte fünfzig zu sein schien, einen höflichen Blick zu und folgte ihm mit den anderen in die Wohnung. Es sah genauso wie auf den Bildern aus und die konnte es kaum erwarten sich hier einzurichten und dann shoppen zu gehen, um die leeren Schränke zu füllen. Vielleicht sollte sie doch diese Wohnung kaufen.

Endlich raus aus ihrem Elternhaus, wo sie eh nichts zu suchen hatte, da ihre Eltern ständig arbeiteten. Wäre ja gar keine so schlechte Idee und der Vermieter schien auch ein ganz netter und sympatischer Mann zu sein.

Dieser führte sie den langen Parkettflur entlang zu dem großen lichten Wohnzimmer, dessen Schlichtheit und Moderne sie betörte. Die Deckenlampe war ein prächtiger schwarzer Kronleuchter mit weißen Diamantketten und das strahlende Weiß der Wände und der Plasmafernseher an der gegenüberliegenden Wand verleihten dem Ganzen einen angenehmen Luxus, von dem ihre Freunde total erstaunt waren. Noah probierte dann auch gleich das schwarze Ledersofa und stieß einen herzhaften Seufzer aus, als er mit der Hand über das Material strich. Er war hin und weg von dem Zimmer, aber das war ja noch nicht alles. Die Küche war caramellgelb gestrichen und die Schränke und Tresen waren in einem passenden rot, was einen schönen Kontrast in ihren Augen bildete. Vor allem der Doppeltürkühlschrank schien den Jungs zu gefallen, was bei ihrem täglichen Hunger auch nicht verwunderlich war. Sie fraßen genauso viel wie Flecky, der nun umherschnüffelte und jede kleinste Ritze mit seiner feinen Nase untersuchte.

Den Vermieter schien er auch zu mögen, da er meistens ziemlich wählerisch bei neuen Bekanntschaften war, bei diesem jedoch ganz still und brav blieb. Braver Hund, dachte sich Claire, so würde er einen guten Eindruck hinterlassen und Pluspunkte für sein Benehmen bekommen.

Die Führung ging weiter in die einzelnen Schlafzimmer, bei denen es nicht an Komfort und Luxus fehlte und auch die Bäder überzeugten mit den großen Badewannen, den High-Tech- Duschen und den den Designerwaschbecken. Die Mädchen schafften es einfach nicht mehr ihren Mund zu schließen und die Jungs konnten einfach nicht aufhören alles anzufassen und auszutesten. Claire blieb eher zurückhaltend und hörte dem Vermieter vorbildlich zu, weil sie es so von ihren Eltern gelernt hatte.

Zuerst die Knete, dann die Fete.

Das bedeutete so viel wie, zuerst dem Vermieter zuhören und nicken und das Geld überreichen und dann konnte man tun und lassen, was man wollte. Zufrieden über den Zustand der Wohnung unterschrieb sie die mitgebrachten Formulare des Vermieters und verabschiedete sich höflich von ihm und bgeleitete ihn noch bis zur Tür. Ihre Freunde wünschten ihm noch einen schönen Tag und Claire schloss seufzend die Tür. Dann hob sie den Kopf und sah in vier strahlende Gesichter, die sich zu einer glücklichen Grimasse verzogen und laut aufschrieen. Helena packte Viktoria an den Händen und sprang lachend im Kreis herum und die Jungs stürzten in ihre Zimmer, um sich auf die Betten fallen zu lassen.

Claire grinste über beide Ohren und pfiff Flecky zu sich, um ihn für sein Benehmen mit einer Kraulminute zu belohnen und dann lief sie Richtung Schlafzimmer, wo sie die Mädels aufforderte mit zum Auto zu gehen, um die Koffer hochzutragen. Diese stimmten sofort zu, packten sich noch die Jungs und rannten zum Aufzug, der nach 34 Stockwerken endlich anhielt. Die Koffer wurden geholt, nach oben in das eigene Zimmer gebracht und dann begann das große Auspacken, was Stunden dauerte. Klamotten wurden in die Schränke verstaut, Cremen und Duschgels kamen auf das Regal über die Waschbecken, Essen und Trinken kam direkt in den riesigen Kühlschrank und der Rest bekam auch seinen rechtmäßigen Platz in der Wohnung.

Als dann alle fertig waren und gemeinsam auf dem Sofa im Wohnzimmer rumlungerten, seufzten alle erschöpft und ließen den Blick umherschweifen. Claire fühlte sich einfach nur befreit und zufrieden. Die Wohnung war toll, den anderen gefiel es auch und bis jetzt war nichts Schlimmes passiert, was sie am meisten erfreute. Endlich ruhige Minuten, ohne sich in die Hosen zu machen. >Hey Leute, also ich schau mich in dieser Stadt um und wenn ich darf Claire, dann würde ich auch Flecky mitnehmen!< Claire sah Viktoria nickend an und richtete sich auf, um Viktoria die Leine zu bringen, da so eine große Stadt zu einschüchternd für Flecky wäre. Flecky wusste noch nicht, was auf ihn zukam, aber er wartete brav auf Claire und bellte aufgeregt, als er die lange rote Leine entdeckte. Das bedeutete immer ein langer Spaziergang und das freute ihn immer riesig.

Viktoria kam in einer kurzen braunen Lederjacke und einem weißen Top mit dunklen Jeans und hatte ihre wasserstoffblonden Haaren zu einem Pferdezopf gebunden, sodass ihr wunderschönes Gesicht zur Geltun kam. Sie lächelte, als sie den nervösen Flecky an der Leine entdeckte und wollte gerade mit ihm losgehen, als Helena vom Sofa aufsprang und sich entschied mitzugehen. Sie fragte Claire, ob sie auch gerne mitkommen wollte, diese aber verneinte, weil sie im Internet nach der Adresse vom Friseursalon schauen wollte. Die Jungs schüttelten auch den Kopf und Noah gab Helena einen kurzen mit viel Liebe gefüllten Abschiedskuss und Curtis verschwand schnell im Bad. Claire hob die Hand zum Abschied und steuerte auf ihr Zimmer hin, um sich dann ihren Laptop zu schnappen und ihn anzuschalten.

Sie gab schnell das Passwort ein, zapfte sich von irgendwo Internet ab und gab Broken Glasses in der Suchmaschine ein, bis sie schon nach einem Klick fündig wurde. Der Friseursalon schien nicht weit entfernt zu sein. Das war den ganzen Central Park runter und dann rechts. Zu Fuß wären das Stunden, aber mit dem Auto würde das blitzschnell klappen, doch die Lust dazu brachte Claire im Moment nicht auf. Sie notierte sich aber die Adresse, um sie bloß nicht zu vergessen und erschrak als sie eine weibliche Stimme hinter sich wahrnahm. Im Spiegel erschien Hazy, die ziemlich überanstrengt aussah. Ihr Haar war zerzaust, ihre Augenringe strotzten so vor Müdigkeit und ihre Haltung war alles andere als motiviert. >Hazy? Was ist denn mit dir passiert?<

>Diese verdammten Wesen lassen mich nicht in Ruhe. Es reicht nicht, dass sie euch verfolgen, die rauben mir auch noch den Schlaf. Nun muss ich auch mit diesen behinderten Gesichtern kämpfen, es wird immer schlimmer. Selbst Cian ist grad bei sich zu Hause und schlägerts sich mit den Dingern.<

>Und warum bist du dann hier und hilfst ihm nicht?<

>Ach, der ist ein Mann und kann auf sich selbst aufpassen... Meine Sachen habe ich auch ohne ihn geschafft, da wird er wohl sicherlich damit fertig werden! Keine Sorge, ich kenn ich lange genug! Wie gehts euch denn so hier in der neuen Wohnung, sieht echt hammer aus...<

>Ja, wir sind alle glücklich und froh unsere Ruhe zu haben, nachdem unser Auto fast manipuliert worden ist, wir von einem Monster angegriffen worden sind und uns fast ein Auto vom Gegenverkehr das Leben gekostet hätte. Eine echt angenehme Reise muss ich sagen...<

>Hui und ich dachte bei mir war es schlimm, dabei habt ihr die Schlimmsten kassiert! Na ja und wie läufts mit der Suche nach der Specusigilis oder auch Aria, wie du willst?<

>Ich habe ihre Adresse im Internet gefunden...<

>Ja und? Geht hin, die Zeit drängt, hop hop!<

>Nee, wir machen das morgen, jetzt ist es zu spät und ich bin kaputt vom Autofahren und ich will einfach nur meine Ruhe haben, ok?<

>Jetzt hör mal zu Claire Walters, die Lage...<

>Hey, ich hab Essen gemacht, willst du, ach hi Hazy, willst du gleich essen Claire?< Den Blick, den Hazy Curtis zuwarf, entging Claire nicht. Etwas war in ihrem Blick, den Claire zu deuten versuchte, es aber nicht schaffte. Trotzdem spürte sie ein Stechen in ihrem Herzen, sodass sie sich reflexartig an die Brust griff. Beim misstrauischen Blick von Curtis, sagte sie dem Essen schnell zu und winkte Hazy daraufhin zum Abschied, die sich dann auch schnell vom Acker machte.

Etwas hatte vorhin nicht mit ihr gestimmt, aber was? Und warum hatte Claire auf einmal so ein Stechen in der Brust verspürt? Konnte es sein... Nein, bestimmt nicht, Hazy niemals!

Nachdenklich setzte sie sich an den Tresen und grübelte noch eine Weile, bis ein frischgeduschter Noah mit nassen Haaren und viel Hunger im Magen die Küche betrat. Curtis packte ein paar Toasts, die er aus ihrem übriggeblienen Proviant gemacht hatte, auf fünf Teller und stellte sie sorgfältig auf den Tisch. Er war ein hervorragender Koch! Selbst die Toasts schmeckten, als hätte sie ein Gourmetkoch zubereitet. Sie musste unbedingt seine Kochkünste erlernen, denn sie wollte auch so gut kochen und lecker essen, wann immer sie wollte. >Hey Leute, wir sind wieder da und wir müssen euch sagen... Die Stadt ist der Hammer!< Helena kam freudestrahlend in die Küche rein, dicht gefolgt von Viktoria, die Flecky von der Leine befreite und umarmte Noah herzlich.

Dieser küsste sie mit vollem Mund und schluckte schnell, als sie ihm einen ermahnenden Blick zuwarf. Dann setzten sich alle gemeinsam an den Tisch, nahmen sich einen Toast und bissen hungrig rein. Jeder seufzte bei dem leckeren Geschmack und sie lobten Curtis für seine ausgezeichnete Fantasie. Dieser lächelte geschmeichelt und zwinkerte Claire verschwörerisch zu, die schüchtern wegsah und sich dem Toast, den sie schon halb verschlungen hatte, widmete. Viktoria war die erste, die die Frage aufwarf, was sie noch tun sollten. Alle zuckten unsicher mit den Schultern, bis Helena eine Idee kam. >Wir könnten doch zum Empire State Building gehen oder aber auch im Central Park spazieren gehen, dort ist es wunderschön!<

>Gar keine so schlechte Idee, das Wetter ist schön und...<

>Halloooooo?! Ihr könntet in der Zeit, wo ihr euch ausruhen geht, auch sinnvoll nutzen. Wisst ihr wie? Indem ihr Aria findet!< Claire zuckte erschrocken, als sie Cian am Kühlschrank entdeckte und er war nicht alleine. Hazy erschien auch neben ihm und nickte mit dem Kopf.

Sie hatte es gewusst, Hazy würde es nie aushalten Aufgaben unerledigt zu lassen und deswegen hatte sie sich Cians Hilfe geholt. Dieser schien ziemlich genervt zu sein, da seine Augenbrauen zusammengezogen waren und sein Mund nur noch eine schmale Linie bildete. Hazy hatte ihr ja schon erzählt, dass er sich mit Wesen hatte herumschlagen müssen, aber dass das solche Auswirkungen auf seine Laune hatte, hätte sie nicht erahnt. Curtis begegnete seiner schlechten Laune mit einem genervten Stöhnen und versicherte seinem anderen Ich, dass sie das morgen erledigen würden. >Morgen, morgen, morgen... Bei euch heißt es immer morgen! Wir haben ja gesehen, was mit euch passiert, wenn ihr alles auf MORGEN schiebt! Gehts euch eigentlich noch gut? Eure Welt ist in Gefahr und unsere ist auch grad in einer Krise und was macht ihr? Ihr wollt spazieren gehen! Wenn jeder so eine Einstellung hätte wie ihr, dann würden Wetterstationen ihren Wert verlieren, Regierungen den Bach runtergehen, Kinder nicht zur Schule gehen und so weiter. Also hebt euren fetten wohlgenährten Arsch auf und bewegt euch zu Aria, verdammt! Es reicht mir schon morgens aufzuwachen und irgendwelche hässlichen Fressen in meinem Wohnzimmer mit meiner PS3 spielen zu sehen, dann muss ich mich auch noch mit euch herumschlagen... Ich hab kein Bock mehr! So, puh... Das war mal anstrengend!<

Alle um den Küchentisch waren verstummt und trauten sich kein Wort zu sagen, weil Cian eine solch schwarze Aura verströmte, dass sie nicht riskieren wollte, dass er noch wütender wurde. Selbst Curtis wusste wo seine Grenzen waren und hielt vorerst die Klappe, aber er konnte es sich einfach nicht verkneifen, ihm zu sagen, dass sie einfach eine Pause wollten. Doch wie vorhergesehn, setzte Cian zu einer neuen Standpauke an, als Claire aufstand und sich räusperte. >Ich weiß, dass es euch dort drüben nicht gut geht, aber wir haben in letzter Zeit so viel Schlechtes erlebt, dass wir einfach nur ein bisschen Spaß zur Abwechslung haben wollen. Bitte versteh das Cian, ich verstehe deine Gereiztheit, aber versteh auch bitte uns, ok? Ich nehme die Verantwortung morgen Aria zu finden auf mich, aber bitte hör auf deine Laune an uns rauszulassen, das wäre sehr nett!<

Hazy riss erstaunt die Augen auf, weil sie nicht glauben konnte, dass Claire den Mund aufgerissen hatte, um sich und die anderen zu verteidigen. Vielleicht hatten sie doch mehr gemeinsam, als sie am Anfang gedacht hatten. Vielleicht würde Claire auch eine gute Anwältin abgeben, denn nachdem sie diese Worte Cian auf den Kopf geworfen hatte, schien er sich etwas beruhigt zu haben.

Trotzdem sah man ihm noch den Ärger im Gesicht an, aber er nickte seufzend und machte eine wegwerfende Handbewegung, um ihnen zu demonstrieren, dass sie tun und lassen konnten, was sie wollten. Noah streckte jubelnd die Arme aus und die Mädchen umarmten Claire dankend. Ein Blick zu Cian reichte, um wieder eine kalte Gänsehaut zu bekommen, denn sein Blick war kalt, aber dennoch mysteriös und interessant. Warum fühlte sie sich bei ihm nur so hilflos und schwach und bei Curtis stark und sicher?

Lag es daran, dass sie zwei völlig unterschiedliche Charaktere waren?

Curtis verursachte in ihr ein Tornado an friedvollen Emotionen und bei Cian bekam sie meistens Angst und das Gefühl ein unsicheres kleines Kind zu sein. Und was war mit Hazy?

In letzter Zeit war sie komischerweise zu launisch als sonst und auch die Blicke, die sie manchmal Curtis zuwarf, waren undefinierbar und dennoch verständlich. War sie aufgeregt, weil sie kurz davor waren Aria zu finden? Machte sie sich Sorgen um alle? Oder könnte es sein, dass sie Curtis genau wie sie mochte? Sie waren ja immer noch ein und diesselbe Person, aber Hazy und Gefühle für jemanden hegen? Nein, das konnte nicht sein, denn sie hatte ihr gesagt, dass sie das Gegenstück zu Claire war. Also könnte sie doch gar nicht in der Lage sein Gefühle zu entwickeln oder doch? Das ganze Denken verursachte bei Claire heftige Kopfschmerzen, welche sie mit einem kühlen Glas Wasser besänftigen wollte, was im Nachhinein ein wenig half.

Die anderen hatten ihre Grübelei nicht bemerkt, sondern machten sich für den bevorstehenden Spaziergang bereit, auf den sich Claire ganz besonders freute. Endlich wieder frische Luft und nur mit ihren Freunden unter sich sein. Doch bevor es los ging, spurtete sie in ihr Zimmer und suchte sich etwas zum Anziehen und entschied sich für eine helle Jeans mit einem lockeren Oberteil von Guess. Dazu zog sie sich eine schwarze Brille von Dolce&Gabbana an und schwarze Stiefeletten von Nike.

In dieser Stadt New York liefen viele Millionäre rum, die maßgeschneiderte Klamotten trugen und da würde sie bestimmt nicht mit ihren Markenklamotten auffallen. Das waren ja die einzigen, die sie besaß.

Ein Klopfen ließ ihren Kopf zur Tür schnellen, als auch schon Helena in einem wunderschönen weißen Kleid hereinkam und sie fragte, ob sie schon fertig war. Beim Anblick von Claire jedoch blieb ihr die Spucke im Hals stecken und ihre Kinnlade fiel nach unten. >OH, MEIN, GOTT! Du siehst mega heiß aus, Claire... Wäre ich ein Junge würde ich mich sofort auf dich stürzen. Diese Klamotten stehen dir perfekt, da werde ich glatt neidisch!<

>Ach was, du siehst genauso bezaubernd aus. Wirklich! Das sind die üblichen Klamotten, die ich trage, also nichts Besonderes. Die sehen nur so gut aus, weil es von Marken sind!<

>Nein, nicht Kleider machen Leute, sondern Leute machen Kleider und du machst eindeutig Kleider!< Claire musste bei ihrer ironischen Weisheit lächeln und dankend hakte sie sich bei ihr unter und zusammen gingen sie zur Tür, wo sie der Rest erwartete. Noah strahlte übers ganze Gesicht, als er seine kleine Helena entdeckte und Curtis stieß scharf Luft aus, als er Claire hinter ihr sah.

Beschämt ließ sie den Blick nach unten gleiten, aber er hob ihr sanft das Kinn und sah ihr tief in die Augen, als er klarstellte, dass sie wunderschön aussah. Die Schmetterlinge in ihrem Bauch flatterten wie verrückt und ihre Beine wurden wieder weich. Hoffentlich würde sie auf den Absätzen nicht abknicken, denn das würde schmerzhaft enden.

Sie dankte ihm mit hochrotem Kopf und ging schon mal voraus, damit sie tief Luft holen konnte, weil ihr so heiß geworden war. Länger als fünf Minuten alleine mit ihm, würde sie nie im Leben sicher überstehen. Zum Glück nahm er es nicht schlecht auf, dass sie zwischen sich eine Distanz gebracht hatte, denn er schien auch etwas nervös zu wirken, was sie stutzig machte. Fühlte er sich auch so unsicher, wenn er sie sah? Claire schüttelte verneinend den Kopf und konzentrierte sich auf ihre Füße, um ihnen den richtigen Rhythmus zu geben, der bei Curtis vollkommen aus dem Gleichgewicht geraten war.

Endlich draußen an der frischen Luft, von den ganzen Autoabgasen abgesehen, holte Claire tief Luft und sah nach rechts und links, ob Autos kamen, um dann mit ihren Freunden lachend über die Straße zu laufen. Noah hatte wieder mal einen lustigen Kommentar abgegeben, worauf dann alle begonnen hatten zu lachen. Auf der anderen Straßenseiten standen sie erstmal ratlos nebeneinander und fragten sich in welche Richtung sie gehen sollten, als Viktoria auf einen Eisstand weit hinten in der Nähe des Sees zeigte.

Die anderen stimmten dem Vorschlag zu und liefen in ihren Gesprächen vertieft Richtung Eiswagen. Sie teilten ihre Sorgen und Ängste mit, aber auch ihre Wünsche und Träume, die sie später mal erreichen wollten. Noah wollte später Physiotherapeut werden, aber warum es sein Wunsch war, wusste er nicht. Seine Ängste hingegen waren, dass seinen Freunden oder seiner Schwester und vor allem Helena etwas passierte. Diese küsste ihn leidenschaftlich und strich ihm sanft über den Arm, während sie ihm verliebte Blicke zuwarf. Claire lächelte bei dem Anblick und hörte nun Helenas Ängsten zu, die aus Spinnen, Geldpleite, schlechten Noten und der Verlust einer geliebten Person bestanden. Typisch Mädchen eben, denn in allen Kriterien stimmte Claire hundertprozentig zu, aber was ihre Wünsche betraf, da war sie sich noch nicht sicher.

Helena wollte eine eigene Wohnung in New York, mit Noah zusammenbleiben, ihre Freunde und Familie gesund sehen und die ganze Spiegelsache beenden. Beim letzten Punkt stöhnten alle auf und nickten zustimmend. Viktorias Ängste waren denen von Helena ähnlich, nur dass sie auch Angst vor Schlangen hatte und sie unter Höhenangst litt. Ihre Wünsche bestanden darin, ihre Höhenangst zu besiegen, was sehr bewundernswert war, Medizin zu studieren, um den Leuten zu zeigen, dass Blondinen auch was drauf hatten und zu heiraten, was selbstverständlich war.

Nun war Curtis an der Reihe, dessen Ängste Claire überraschte. Er fürchtete sich vor Clowns, weil er als Kind schlechte Erfahrungen mit denen gemacht hatte und er hasste Bienen, weil er allergisch gegen Pollensammler war. Sein größter Wunsch war ein großer Koch zu werden und sein eigenes Restaurant zu führen, was Claire sich schon richtig vorstellen konnte, da er das nötige Kochtalent besaß. Die anderen stimmten ihr lächelnd zu und warfen ihr dann neugierige Blicke zu, weil sie nun an der Reihe war.

Etwas unangenehm war es ihr schon, aber sie fasste den Mut und erzählte ihnen von ihren Ängsten. Diese waren die Dunkelheit selbst und die Einsamkeit, was die anderen nachvollziehen konnten, da sie ihnen schon von ihrer Kindheit erzählt hatte. Ihr Wunsch war einfach nur Lebensfreude für jeden auf der Welt, weil sie für nichts und niemanden etwas Schlechtes wollte. Ihre Freunde klatschten ihr leicht auf die Schulter und umarmten sie, als Curtis etwas sagte, was sie nie vergessen würde. >Du verdienst es nicht eine Speculectoris zu sein... Dein Herz ist zu rein, um solch eine Last auf den Schultern zu tragen und ich würde alles tun, um dir dieses Schicksal zu ersparen!< Helena stimmte ihrem Bruder ernst dreinblickend zu und auch die anderen teilten seine Meinung.

Das berührte sie so sehr, dass sie fast angefangen hätte zu heulen, aber sie riss sich zusammen und wechselte schnell das Thema und zwar das Peinlichste, was ihren Freunden jemals passiert war. Noah begann schon zu lachen, bevor er überhaupt zu erzählen begann, aber dann verstummte er und berichtete von seinem peinlichen Erlebnis. >Also, das war vor zwei Jahren. Es war verdammt heiß und alle waren weg, ich wusste nicht, was ich tun sollte, also ging ich auf den Balkon, um mich zu sonnen. Die Langeweile war so groß, dass ich das Radio einschaltete und einen kleinen Striptease hinlegte. Tja und da war sie... Die Oma, die gegenüber wohnte. Und ich? In Boxershorts mit dem heißen Dance und der hitzigen Sonne. Tja, das war peinlich!<

Claire lag schon fast am Boden vor Lachen, aber sie wusste, dass wahrscheinlich noch mehr Lustiges aufgedeckt werden würde, deswegen holte sie tief Luft und hörte der Geschichte von Viktoria zu, die sich als sehr peinlich erwies. Sie hatte nämlich beim Zahnarzt den Mund aufgemacht und ihn direkt angerülpst, als er sie aufgefordert hatte den Mund zu öffnen. Die Arme musste wirklich beschämt gewesen sein. Nun war Curtis an der Reihe, der Liebes-SMSen an eine alte Frau gesendet hatte, weil er gedacht hatte, dass es seine Freundin war. Diese hatte aber die Nummer gewechselt und vergessen es ihm zu sagen. Die alte Frau hatte er dann im Café sitzen sehen, als er vorhatte sich zu verabreden.

Armer Curtis, das war bestimmt ein Schock gewesen, aber der größte Hammer war immer noch Helenas Geschichte.

 >Also, ich war in einer Disco mit ein paar Klassenkameraden gewesen und es war ein toller Abend. Ich habe getanzt wie verrückt, bis ich dann so einen Schnuckel entdeckt hatte. Ich ging auf ihn zu, sprach ihn an, wir tanzten, knutschten und ja dann schnappte ich mir seine Nummer und ging heim. Eine Woche später stellte es sich heraus, dass er mein neuer Geschichtsreferendar war und oh Gott, das war so peinlich gewesen, als er reinkam und mich angestiert hat, als wäre ich ein Alien. Boah, das war das Schlimmste, was mir je passiert war! Übel... Und was ist mit dir Claire, versuch mal meine Story zu toppen!<

>Also... Ich, ähm, mir ist eigentlich noch nie etwas Peinliches passiert. Ich wurde so erzogen, dass ich keine Fehler mache und das hat bis heute gehalten. Eure Geschichten sind einfach zum Totlachen, aber tut mir leid. Ich hab nichts vorzuweisen!< Traurig senkte sie den Kopf, weil sie sich so sehr wünschte auch mal was Peinliches zu erleben, aber anscheinend hatten ihre Eltern gute Arbeit geleistet.

Helena umarmte sie mitfühlend, aber sie versicherte ihr, dass sie auf jeden Fall mit ihren Freunden etwas Lustiges erleben würde, was sie nie im Leben vergessen würde. Claire lächelte sie leicht an und versuchte die aufkeimende Traurigkeit in ihr zu ersticken, was ihr dann teils gelang. Am Eiswagen angelangt, bestellten die Mädchen zwei Kugeln Eis, was die Jungs dann bezahlten und dann besorgten sich Noah und Curtis einen Hot Dog, der nicht weit entfernt vom Eiswagen war. Noah zwinkerte Flecky, der bis dato ziemlich still gewesen war, zu und riss einen Witz über das Essen in seiner Hand und Flecky selbst. >Hey Flecky, du bist auch so ein Hot Dog, aber glaub mir... So lecker, wie das hier schmeckt, bist du nicht. Vor allem meine Salami, die du gefressen hast, die ist nichts im Gegenzug zu diesem richtigen heißen Hund. Die klaut mir nämlich meine Salami nicht. Ätschbätsch!<

Noah streckte ihm kindisch die Zunge raus und kassierte einen leichten Biss in die Wade, was aber gereicht hatte, um Noah meterweit zu verscheuchen.

Claire lachte bei seiner erschrockenen Miene auf und versicherte ihm, dass Flecky nie jemanden beißen würde, außer sie befahl es ihm. Zwar beruhigte ihn das nicht ganz, aber er näherte sich langsam wieder der Gruppe und ergatterte abermals lautes Gelächter, in das er dann auch eintauchte. Die Leute, die in dem Moment an ihnen vorbeigingen, warfen ihnen misstrauische und fragende Blicke zu und so manch einer schüttelte arrogant den Kopf und lief schnell weiter. Claire interessierte das aber herzlich wenig, denn sie hatte noch nie so lebhaft gelacht, wie in diesem Moment. Es fühlte sich einfach toll bei ihren Freunden und Flecky an, die immer noch laut lachten und sich gegenseitig stützten, um ja nicht umzukippen.

Als sich dann alle endlich beruhigt hatten, führten sie ihren langen Spaziergang fort und landeten irgendwann mitten in den Straßen von Manhattan. Es war wie in den typischen Hollywoodfilmen, wo die Hauptdarsteller durch die lauten und beleuchteten Straßen New Yorks liefen und fremden Menschen begegneten und die Läden mit großen Augen bestaunten. Auch die hohen Gebäude, die das Licht der Sonne abfingen, streckten sich dem Himmel empor und zeugten von Macht und Stärke. Helena und Viktorias Blicke wanderten im Sekundenabstand hin und her und ihr Staunen stand direkt in ihrem Gesicht geschrieben, was Claire total süß fand. Noah und Curtis hingegen waren ziemlich zurückhaltend und beobachteten alles in Ruhe und Claire fragte sich an was die beiden zu denken schienen. Dabei bemerkte sie auch ihren hibbeligen Welpen, der ganz nah neben ihr herlief und unsicher zu sein schien, da diese vielen Menschen ihm Angst einjagten.

Liebevoll nahm sie ihn daraufhin in den Arm und folgte ihren Freunden, die nach einer Weile beschlossen die ganze Tour zu beenden und vielleicht etwas anderes zu starten, da ihnen noch genügend Zeit zur Verfügung stand. Claire nickte zustimmend und auch Flecky bellte kurz auf, um auch seine Zustimmung zu verkünden.

Somit kehrten sie der Times Square den Rücken und steuerten Richtung neues zu Hause, das eine Stunde weit entfernt lag. Dort angekommen legten sich Noah und Curtis auf die Couch und stießen erschöpft einen langen gedehnten Seufzer aus, der von den Mädels begleitet wurde. >Und was sollen wir jetzt machen? Ich bin zwar müde von dem ganzen Walk, aber wenn ihr eine Hammeridee habt, dann bin ich dabei!<

9. Kapitel

Noah sah seine Freunde erwartungsvoll an, aber selbst er schien keine Ahnung zu haben, was sie als nächstes tun sollten. Flecky tapste desinteressiert ins Schlafzimmer und legte sich aufs Bett, da sein Limit erreicht worden ist und Viktoria lief gähnend in die Küche, um den anderen was zu trinken zu bringen, als auch schon Claire eine Idee hatte. >Wie wäre es, wenn wir in eine Diskothek hier in der Nähe gehen? Als ich das letzte Mal mit meiner Mutter hier gewesen bin, da hab ich die bei einem langen Spaziergang entdeckt. Dort schien es ziemlich interessant zu sein!<

>Sind da auch heiße Weiber? Ich bin ja nicht umsonst hergekommen!<

>Aha, sagt der, der mich als Freundin hat! Junger Mann, das wird aber riesigen Stress geben, komm her du Betrüger!< Helena stürzte sich mit Gebrüll auf Noah, der lachend nach hinten aufs Sofa kippte und sie in eine feste Umarmung schloss, der sie nicht entrinnen konnte. Sie hämmerte leicht auf seiner Brust und Noah entschied sich, dass Küssen die wirkungsvollere Methode war seine Freundin zu beruhigen. Curtis schüttelte dabei lächelnd den Kopf und schlug seinem Kumpel leicht auf den Kopf, der ein kurzes Brummen von sich gab, da seine Lippen immer noch beschäftigt waren. Claire fand dieses Bild zwar süß, aber sie wollte lieber wissen, ob sie ihrer Idee zustimmten oder nicht.

Curtis und Viktoria überlegten kurz und stimmten zu und als sich dann auch noch das Liebespärchen voneinander abließ, klatschten sie bereit die ganze Nacht zu tanzen in die Hände. Kopfschüttelnd wandte sich Claire dem Gehen und suchte sich in ihrem Schrank ein passendes Outfit für die Disco aus und nachdem sie hier und dort ein paar Klamotten durcheinander gebracht hatte, entdeckte sie ein dunkles lilanes Kleid, das zu ihren schwarzen Stiefeletten passen würde. Zufrieden zog sie sich das Kleid über und schrak kurz hoch, als es augenblicklich an der Tür klopfte und Helenas Kopf im Türspalt erschien.

Ein Blick reichte und sie wackelte verführerisch mit den Augenbrauen, um ihr zu zeigen, wie heiß sie in dem Kleid aussah und als Claire sie in dem Kleid, das sie ihr geschenkt hatte, sah, konnte sie nichts Anderes tun, als sie zu bewundern. Helena drehte sich langsam um die eigene Achse und vergewisserte sich, ob sie in dem Kleid gut aussah und dann als noch Viktoria in einem kurzen roten Kleid antanzte, war das heiße Trio komplett. Schon lustig irgendwie, Claire fühlte sich wie im Film 'Drei Engel für Charlie', nur wo war Charlie?

Die Jungs, die eine Weile nach den verlorengegangenen Mädchen gesucht hatten, betraten fragend das Zimmer und stießen bei dem Anblick anerkennende Pfiffe aus, die die Mädchen grinsend als Kompliment auffassten. Aber auch die Jungs sahen zum Anbeißen aus. Noah trug ein kariertes helles Hemd und eine beigefarbene Hose, die mit dem braunen Gürtel zu seinen goldbraunen Augen passte. Und auch Curtis war Adonis in Person mit seinem weißen Hemd und der schwarzen Weste, die er darüber trug. Die dunkelblaue Jeans war mit den vielen Reißverschlüssen das Highlight des Ganzen, aber seine strahlenden waldgrünen Augen und sein durchgewuscheltes Haar übertrafen jegliche Vorstellungen eines Engels.

Claire seufzte innerlich bei seinem Anblick, aber sie straffte mutfassend die Schultern und forderte ihre Freunde auf schnell aufzubrechen, um nicht lange in der Warteschlange anzustehen. Ihre Freunde nickten brav und brachen sofort auf, um noch ihre Geldbeutel und ihre Ausweise zu holen und sich dann allesamt von Flecky zu verabschieden, um den sich Claire keine Sorgen machte, da der Welpe eh die ganze Zeit schlafen würde.

Dann sahen sie sich noch mal um, um ja nichts zu vergessen und verließen tratschend die Wohnung. Der Club 21 befand sich wirklich nicht weit enfernt, da sie nur ein Viertel des Central Parks überqueren mussten, als sie auch schon die Lichter des Clubs entdeckten. Davor hatte sich eine lange Schlange gebildet, aber es würde trotzdem nicht so lange dauern, wie vorhergesehen.

Die fünf Freunde stellten sich geduldig hinter der wartenden Menge an und nach zwanzig geschlagenen Minuten ragten zwei muskulöse Bodyguards vor der Gruppe, die nach ihren Ausweisen fragten. Sie überreichten dem strengen Blick der Security bewusst die Ausweise und dann betraten sie den Club mit purer Neugier. Rechts und links erstreckten sich weiße Neonlampen, die der ganzen lockeren und lauten Atmosphäre einen gewissen Charme verliehen. Dann folgte ein roter Torbogen und eine große menschengefüllte Halle, die durch die Musik aus den Bässen an Leben gewann. Hier und da tanzten Frauen in kurzen Minikleidern, während Männer sich von hinten an sie ranmachten, aber es gab auch Gruppen oder Cliquen, die unter sich blieben und sich an der Bar an Alkohol bedienten. Claire gefiel es nicht, wie sie manche Männer mit ihren dreckigen Gelüsten ansahen, doch die Präsenz ihrer Freunde half ihr diese Blicke zu verdrängen und sich auf den bevorstehenden Spaß zu konzentrieren.

Nach ein paar Quetschübungen ergatterten sie dann endlich ein kleines Plätzchen, wo sie im Rhythmus des dröhnenden Basses zu tanzen begannen und ein paar coole Tanzmoves zur Schau stellten. Immerhin gingen sie offiziell in eine tolle Tanzschule mit einem tollen Tanzlehrer. Helena und Noah kuschelten sich aneinander und genossen die Musik, die Besitz von ihren tanzenden Körpern ergriff, während Claire, Viktoria und Curtis sich anlächelten und sich battelten.

Der Sieger war natürlich Curtis, der nach seinen coolen Tanzeinlagen die Aufmerksamkeit von vielen Frauen um sich auf sich lenkte, was Claire innerlich einen Stich versetzte. Wahrscheinlich war es dieses giftige Gefühl namens Eifersucht, was sich seinen Weg durch ihren ganzen Körper bahnte, als eine zu stark geschminkte Blondine auf ihn zutanzte und sich ihn schnappte.

Dieser war zuerst über diese forsche Anmache überrascht, aber er winkte glücklicherweise ab und wandte sich wieder seinen Freunden. Mann, Curtis war einfach der Gentleman in Person, der seine Freunde nie im Stich ließ. Einfach ein Traum!

Viktoria entschuldigte sich kurz daraufhin und Curtis warnte sie vor so notgeilen Kerlen, die vor nichts zurückschreckten, doch sie machte eine wegwerfende Handbewegung und verschwand in der Menge. In Claire machte sich ein unsicheres Gefühl breit, was Curtis sofort bemerkte, aber er versicherte ihr, dass Viktoria mehr konnte, als sie aussah. Sie hatte nämlich fünf Jahre Taekwondo gelernt und konnte sich bestens verteidigen, was Claire wirklich überraschte, da sie das nicht gewusst hatte.

Durch diese neue Information verflüchtigte sich dann auch die Sorge um sie und Claire konnte sich wieder aufs Tanzen konzentrieren, während sie Curtis schüchtern anblickte. Dieser fesselte sie mit seinen schönen Augen und brachte ihr Herz zum Höherschlagen, weswegen sie mehr ins Schwitzen kam, bis sie entschied sich etwas zu trinken zu holen. Curtis bot ihr an mitzukommen, doch sie verneinte vehement, weil sie es länger mit ihm nicht aushalten würde. Dieser Mann brachte sie komplett durcheinander und sie brauchte unbedingt ihre Privatsphäre. Curtis schien nicht begeistert von der Idee zu sein sie alleine gehen zu lassen, aber er wollte auch nicht drauf beharren, sodass er sie einfach gehen ließ. Claire versuchte sich höflich durch die Menge zu drängeln, aber es gab gewisse Leute, die sich für zu wichtig hielten, um Platz zu machen, weswegen Claire ihre Ellenbogen zum Einsatz brachte.

Pah, die konnten mal was erleben!

Außer Puste gelangte sie triumphierend an der Bar und bestellte sich eine kleine Cola, die ihre trockene Kehle herunterglitt und sie erfrischte. Gott, das hatte sie die ganze Zeit schon gebraucht und vor allem ihre Füße, die ein bisschen von den Absätzen wehtaten, brauchten nun eine kleine Pause.

Außerdem war eine kurze Verschnaufpause vor Curtis nötig, weil ihre Puls- und Herzfrequenz im unnormalen Bereich zu sein schien, was bei ihm langsam Routine wurde. Kein Wunder bei dem tollen Mann!

Während sie sich ihre Umgebung näher ansah und die tanzenden Leute beobachtete, stupste sie jemand an der Schulter an und sie drehte sich neugierig um. Der Barkeeper lächelte sie freundlich an und fragte sie, ob sie alleine im Club war, was sie schnell verneinte. Der sollte bloß nicht auf doofe Gedanken kommen, denn er schien sich zu sehr für sie zu interessieren, was sie an seinem musternden Blick erkennen konnte. Zwar strahlte er Sympathie aus, aber sie traute keinem einzigen Fremden, vor allem nicht einem in einem Club. Dieser lächelte sie immer nch erwartungsvoll, was sie etwas verunsicherte, da sie nicht einschätzen konnte, was er von ihr wollte. Doch plötzlich riss er erschrocken die Augen auf und verabschiedete sich schnell, um sich anderen Kunden zu widmen, was sie stutzig machte.

Was hatte denn der Kerl gesehen, dass er sich so erschrocken hatte? Claire spähte kurz über die Bartheke und entdeckte eine spiegelnde Fläche, was ihr aber nicht weiterhalf. Hatte er etwa ein Wesen gesehen und sich erschreckt? Wenn das stimmen sollte, dann musste sie ihre Freunde darüber informieren. Sicher war sicher!

Entschlossen drängelte sie sich wieder zwischen der tanzenden Menge und kassierte erneut genervte Blicke von den anderen. Vor allem ein Mädchen zickte sie regelrecht an, nur weil Claire sie kurz weggedrückt hatte, was diese zu einem Riesendrama machte. Das Mädel hatte aber auch nichts anderes zu tun, als die Hüften in einem sehr knappen Outfit zu schwingen und andere Leute anzumeckern. Deswegen giftete Claire zurück, weil sie sich das nicht gefallen lassen wollte, dass so ein arrogantes Mädchen sie bemeckerte. Zu lange hatte sie sich von Natasha terrorisieren lassen, dieses Mal würde sie sich bei dieser Zicke wehren und wie aus heiterem Himmel sprudelten ihr die Beleidigungen heraus, als hätte man einen Damm gebrochen.

Das Mädchen sah sie daraufhin verdattert an und machte schmollend Platz, weswegen Claire triumphierend ihre Reise fortführte und schon nach wenigen Metern Curtis blonde Haare entdeckte. Sie hob die Hand und winkte ihm zu, doch dieser schien sie nicht zu bemerken, da plötzlich alle die Hände in die Lüfte streckten und zur Musik sangen. Solche Nachmacher!

Genervt schob sie sich immer tiefer ins Gedrängel, wo sie der ein und der andere Mann angrabschte, aber sie ließ sich nicht beirren und ging weiter, bis sich ein breiter muskulöser Typ im Muscleshirt vor ihr aufbaute. Er grinste sie hinterhältig an und kam mit diesen doofen Sprüchen, wie ' Oh du heiße Schnitte, Lust auf einen heißen Tanz?' oder 'Nanu, so alleine, wie wäre es wenn ich dir etwas Wärme und Geborgenheit schenke, Baby!'.

Diese Hinterweltler würden wohl nie ein Hirn besitzen.

Schon allein diese Sprüche veranlassten sie den Kopf verneinend zu schütteln, was aber den Jägerinstinkt ihres Gegenübers noch mehr anfachte. Auch das noch!

Der Typ bedrängte sie immer mehr und drückte sie mit seinem festen Griff an sich, sodass sich ihre Härchen angeekelt aufstellten. Das war ja erbärmlich wie der sich an sie ranschmiss, als wäre sie so eine vom Strich. Claire versuchte sich mit aller Kraft von ihm zu lösen und langsam breitete sich Panik in ihr aus, doch dieser Kerl lächelte sie weiterhin widerwärtig an und rieb sich an ihr weiter. Bald würde sie sich übergeben, das würde sicher geschehen, sollte er seine dreckigen Finger nicht von ihr lassen, aber sie schaffte es einfach nicht ihn loszuwerden. Dann beugte er sich langsam zu ihr runter und die Vorahnung, dass er sie küssen wollte, schoss ihr durch den Kopf wie ein Blitz. Das würde sie garantiert nicht mitmachen und kurz bevor dieser den Mund auf ihren legen konnte, wurde er plötzlich nach hinten gezerrt und Claire holte erleichtert Luft, weil sie bis dato aus Panik aufgehört hatte zu atmen.

Der Kerl stieß einen lauten Protest aus und dann erblickte Claire Curtis, der den Kerl mit geballten Fäusten Todesblicke bombardierte. Dieser, so toll wie er sich fühlte, schubste ihn von sich und begann ihn zu provozieren, doch Curtis blieb ruhig und forderte Claire auf zu ihm zu kommen. Erleichtert, dass ihr Retter gekommen war, ging sie auf ihn zu, als sie wieder dieser Typ packte und sie an sich drückte.

Doch dieses Mal würde anders ablaufen, denn Claire holte mit dem Knie Schwung aus und trat ihm genau in die Mitte, sodass dieser schmerzverzerrt in die Knie ging. Mit einem stolzen Lächeln stellte sie sich neben dem grinsenden Curtis hin und genoss es wieder in Schutz zu sein. Bei ihrem Adonis!

Curtis legte beschützerisch einen Arm um sie, um den anderen zu zeigen, dass sie Ärger bekommen würden, sollten sie sich an sie ranmachen. Dadurch fühlte sich Claire noch viel geborgener als sonst und dann als sie sich in eine Ecke stellten und nach den anderen Ausschau hielten, warf ihr Curtis undefinierbare Blicke zu, die sie immer mehr verunsicherten. Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit, als dieser sich dann zu ihr beugte und seine sanften Lippen auf ihren legte.

Ein Tornado von Gefühlen toste durch ihren ganzen Körper und ihr Herz hämmerte ihr wild in der Brust, sodass sie sich an ihn festklammern musste, um nicht zusammenzubrechen. Der Kuss war einfach atemberaubend und die Schmetterlinge flatterten in ihrer Magengegend wild herum und bahnten sich ihren Weg aus ihrem Körper durch ein Seufzen. Curtis legte eine Hand an ihre Wange und die Stelle brannte wie Feuer auf ihrer Haut, doch dann löste er sich langsam von ihr und Enttäuschung machte sich in ihr breit. Warum musste er auch jetzt aufhören, gerade da wo der Kuss so schön geworden war? Curtis Augen funkelten im flackernden Licht der Discolichter, aber er sagte nichts, was sie ein bisschen verunsicherte. Hatte sie schlecht geküsst oder hatte er es bereut?

Als hätte er ihre Gedanken erahnt, schüttelte er den Kopf und versicherte ihr, dass das nichts mit ihr zu tun hatte. >Sorry, dass ich dich einfach so geküsst habe, ich weiß nicht, was mich dazu gebracht hat... Es tut mir leid, das hatte ich nicht gewollt! Bitte verzeih mir...<

>Oh, nein, nein... Ist nicht schlimm, ist ja nichts Schlimmes dabei passiert. Sagen wir einfach, dass es ein Dankeskuss war, weil du mich vorhin gerettet hast...< Curtis nickte sie unsicher an, doch dann breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus, als sich Claire fragend umdrehte und Viktoria in der tanzenden Masse entdeckte.

Diese wurde im Moment auch angebaggert und belästigt, nur dass sie sich wehren konnte. Sie packte den Kerl am Arm, drehte ihn schnell auf den Rücken und verpasste ihm einen saftigen Arschtritt, der ihn sofort auf den Boden beförderte. Viktoria lächelte triumphierend und stieg über ihn hinweg und lief direkt auf ihre Freunde zu, die sie grinsend ansahen. Anscheinend war sie sehr stolz diesem Macho von vorhin eine Lektion erteilt zu haben.

Claire wünschte sich, sie wäre so stark wie sie, aber dazu müsste sie erstmals Kämpfen lernen. Doch dann fiel ihr wieder der Kuss ein und sie fiel in tiefe Depression, aus der sie dann den ganzen Abend nicht auftauchen konnte. Sie hatte sich eingebildet, dass er etwas für sie empfand und dann kam er mit seiner lausigen Entschuldigung, dass er nicht gewusst hätte, was er getan hatte. Wow, was für eine Erklärung.

Das machte sie auch nicht glücklicher, aber warum hatte er sie dann geküsst, das war doch völlig unverständlich. Vielleicht hatte Viktoria doch recht gehabt, als sie gesagt hatte, dass Männer doof waren. Ihr Adonis war vielleicht dann auch nur ein gewöhnlicher Mann, der auch eben seine Macken hatte. Oder aber, er hatte sich zurückgezogen, weil er sich noch nicht seiner Gefühle ihr gegenüber sicher war. Das würde mehr Sinn ergeben und sie auch beruhigen, weil sie ihn trotz dem fehlhaften ersten Kuss ihres Lebens liebte.

Hoffentlich stimmte Letzteres und sie konnte auf eine gemeinsame Zukunft hoffen, doch etwas tief in ihr drin, sagte ihr, dass das nicht der Fall sein würde. Toll, beschwerte man sich einmal, dass man sein Leben lang Single war, dann kam dieses Gefühlschaos und man wünschte sich, man wäre nie verliebt gewesen.

Mit hängenden Schultern ließ sich Claire den Rest des Abends über sich ergehen, bis sie alle beschlossen müde und ein bisschen angetrunken nach Hause zu laufen. Gesagt, getan und zwar ohne irgendwelche Zwischenfälle, was Claire immens erleichterte. Sie hatte keine Lust um zwei Uhr morgens mit Spiegelwesen die Nacht zu verbringen, da fände sie es lieber sich mit einem wildfremden Menschen zu unterhalten. Seufzend betrat sie die leere Wohnung und ein süßer kleiner Hund raste auf die Freunde zu und Claire lachte auf, als er sich mit seiner Zunge an ihrem Gesicht zu schaffen machte. Wahrscheinlich hatte er die Einsamkeit nicht mehr ausgehalten, weswegen er sich nun von allen kraulen ließ. Selbst von Noah, der erstaunt war, wie weich Fleckys Fell war, obwohl sie ihn nicht mal gekämmt oder geduscht hatte. >Flecky braucht nur einmal die Woche Fellpflege und er ist außerdem ein frischer Hund, der in seinen jungen Jahren noch nicht so viele Fellprodukte nötig hat. Eine Fünfjährige braucht auch keine Haarfärbemittel, weil sie schon graues Haar bekommt. Später werde ich Flecky aber rannehmen müssen, denn er hasst Duschen so sehr, wie keine Aufmerksamkeit zu bekommen!<

>Ja, das hat man jetzt gemerkt... Er hat sich sogar von mir streicheln lassen, obwohl er etwas gegen mich hat!<

>Ach was, hat er nicht... Im Gegenteil, er mag dich am allermeisten, deswegen neckt er dich auch auf seine Weise. Sei lieber stolz drauf, denn dieser Hund ist der wundervollste der Welt!< Claire blickte Flecky verträumt an und alle schönen Erinnerungen tauchten vor ihrem inneren Auge auf und liefen wie in einem Film blitschnell ab. Sie hatte wirklich nur schöne Momente mit ihm gehabt und ein Blick von Noah reichte, um zu erkennen, dass er auch Flecky sehr mochte.

Lächelnd teilte sie den anderen anschließend mit, dass sie zu müde war, um überhaupt auf den Beinen zu stehen, sodass sie schon nach zehn Minuten bettfertig an ihrem Schreibstisch saß und in ihr kleines rotes Tagebuch schrieb.

Zwei Künste gab es bis jetzt im Leben. Die Waage, die man brauchte, um das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse zu halten und die Schuhsohlen, mit denen man tagtäglich den Weg des Lebens ging. Was könnte die dritte Kunst sein? Der Kompass. Der Kompass, der in jedem Geiste eines Lebewesens steckte. Was war das Ziel im Leben, wohin gingen wir eigentlich und warum wählten wir bestimmte Wege? Gefühle, Gedanken, Träume und Ziele, all das waren ungreifbare Gegebenheiten im Leben, die man erst finden musste, bevor man sie richtig wahrnahm. Gefühle hatte man immer, genauso wie die Gedanken. Träume hatte auch jeder und Ziele auch, doch trotzdem waren sie so unterschiedlich, dass jeder eigentlich seinen eigenen Kompass haben müsste. Einen Kompass, dessen Nadel dahin zeigte, was wir fühlten, dachten oder träumten oder was was für Ziele man setzte. Doch was passierte, wenn die Nadel kaputtging oder der Kompass nicht mehr funktionierte? Was tat man dann? Vielleicht baute man sich einen neuen Kompass oder man machte mit dem kaputten Kompass weiter und machte das beste draus. Das war die dritte Kunst des Lebens!

Gähnend legte Claire den Stift beiseite und schloss ihr Büchlein, um es dann in der Schublade unterm Tisch zu verstauen. Diese weltumfassenden Gedanken schrieb sie sich deshalb auf, weil sie es irgendwie als wichtig empfand. Es waren Gedanken, die sie nicht immer hatte und einmalige Erlebnisse sollte man einfach aufschreiben, um sie nicht zu vergessen. Diese drei Künste des Lebens, nun ja, wie waren die wohl enstanden? Sie sind ihr einfach in den Sinn gekommen, aber warum wusste Claire nicht. Vielleicht hatte sie eine poetische und weise Ader, die sie noch gar nicht entdeckt hatte, aber in ihr Büchlein zu schreiben, verlieh ihr Kraft und Raum für ihren Kopf.

Seufzend richtete sich Claire auf, schaltete das Licht im Zimmer aus und legte sich direkt in ihr neues und kuschliges Bett hin, an dessen Ende Flecky bereits im Land der Hundeknochen wanderte. Bei diesem Gedanken kicherte sie kurz, doch es dauerte nicht lange, bis sie auch in einen tiefen festen Schlaf fiel, der nach so langer Zeit wunderbar entspannend war.

Am nächsten Morgen wurde sie von einer nervigen lauten Stimme geweckt, die eindeutig Hazy zuzuordnen war. Diese Frau konnte sie nicht einmal in Ruhe lassen, egal welcher Tag heute war. Aber dann fiel Claire auf, dass es der Tag war, an dem sie sich auf die Suche nach Aria machen mussten und sie riss ruckartig die Augen auf und starrte direkt in ihr Spiegelbild. Hazy hatte die Arme vor der Brust verschränkt und ihr Fuß tippte unregelmäßig auf dem Boden, was darauf hindeutete, dass sie schlecht gelaunt war. >Wach auf, du Schlafmütze! Es ist bereits Mittag und du pennst immer noch... Du weißt, dass du heute zu Aria gehen musst, doch zuerst musst du ihren doofen Friseursalon finden. Aber wie, wenn du immer noch hier rumstehst und mich anstarrst, als wäre ich geisteskrank!? Gott, Cian hatte recht, auf euch kann man echt nicht zählen!<

>Wow, wow, wow... Also, was ist denn heute passiert, dass du deinen ganzen Groll wieder an mir rauslässt? Der Tag ist noch jung, wir werden heute Aria ganz bestimmt finden, keine große Sache, ich hab die Adresse bereits, also beruhig dich!<

>Beruhigen? BERUHIGEN? So dämliche Wesen sind in mein Haus eingedrungen, haben meine ganze Einrichtung kaputt gemacht und all meine Klamotten zerfetzt. Jetzt muss ich den ganzen Schaden selber bezahlen und die Dinger sind schon längst über alle Berge, ich könnte PLATZEN VOR WUT!<

>Das tust du bereits und es tut mir ja leid wegen deinem Zuhause, aber da kann ich doch wohl nichts dafür! Beruhig dich jetzt erstmal und alles wird wieder gut, ok?<

>Ok gut... Puh, tief durchatmen, ein und aus, ein und aus... Egal, Themawechsel, wie wars gestern im Club? Ich hab mitgekriegt, dass ihr ein bisschen angetrunken nach Hause gekommen seid, vor allem Noah!<

>Jaja, der Abend war ganz in Ordnung. Dieses typische Anmachen von Jungs, Viktoria hat einem einen Tritt in den Hintern verpasst, der Barkeeper hat sich auf einmal erschreckt, weil er wahrscheinlich ein Wesen entdeckt hat und ich und Curtis haben uns geküsst!< Letzteres flüsterte Claire in leisem Tonfall, doch Hazy hatte allem neugierig zugehört, bis sie erschrocken die Augen aufriss. >Du hast WAS? Ihr habt euch geküsst? Warum? Wie wars? Ich,..<

>Ach, so ein Typ hat mich angemacht, Curtis war da und dann waren wir dort und dann hat er mich geküsst und es war super, aber dann hat er gesagt, dass es ein Fehler war und nun ja... Jetzt hab ich meinen ersten Kuss, der ein totaler Fehltritt war!<

>Er hat dich einfach so geküsst und er wusste dann nicht warum? Ist ja komisch, denn Curtis scheint ja nicht so der Typ zu sein, der zuerst handelt anstatt nachzudenken!<

>Hab ich mir auch schon gedacht, aber wahrscheinlich hatte er einen Blackout gehabt oder so... Keine Ahnung, ist ja nicht so schlimm, ich sterbe ja nicht an diesem Kuss!<

>Doch tust du, das sehe ich doch. Du bist mein anderes Ich, du kannst mich nicht anlügen, ich weiß ganz genau, wie du dich fühlst! Du bist in ihn verknallt, nicht wahr?<

>Verfluchte Gegenwelt, da kann man ja auch gar nichts für sich behalten! Ja, ich denke schon, dass ich verliebt bin, das ist doch dieses Flattern in der Magengrube und das Höherschlagen vom Herzen, oder?<

>Also, ich bin zwar keine Expertin in Sachen Liebe, aber das klingt schon logisch, sollte das Liebe sein... Ich muss dir aber auch etwas gestehen, was dich aber wahrscheinlich nicht so erfreuen wird, nehme ich mal an...<

>Was ist passiert? Geht es meinen Blumen noch gut?<

>Wie kommst du denn auf deine Blumen, denen geht es gut! Sie gedeihen und blühen, wie immer... Nein, ich wollte dir sagen, dass ich,... Dass ich in Curtis verliebt bin, so jetzt ist es raus!<

Claire schaffte es einfach nicht ihre Kinnlade wieder zuzuklappen. Das, was Hazy gesagt hatte, traf sie wie ein Donnerschlag. Es war, als hätte man sie an einen Bahngleis gekettet und sie zweimal überfahren. Zuerst hatte es sie überrascht, aber nun war sie einfach nur geschockt und zutiefst traurig. Warum musste es nur so weit kommen, dass ihr ganzes Ich sich in einen Menschen verliebte? Sowohl sie als auch Hazy! Wie sollte es jetzt weitergehen? Sollten beide einfach ihre Gefühle verdrängen und weiterleben und jemand anderen suchen oder sollten sie um ihn kämpfen? Das konnten sie aber auch nicht tun, da sie ein und diesselbe Person waren und sie nicht wollte, dass Hazy sich von ihr trennte. Immerhin war sie ein Teil von ihr und das wollte sie nicht kaputtmachen. Doch was sollte sie sonst tun? Ihr den Vortritt lassen, konnte sie das?

Ein komisches Gefühl, wenn Hazy Curtis angeschaut hatte, hatte sie schon gehabt, aber das es nun Liebe war, hätte sie nie im Leben erraten. Sie hatte ja nicht mal gewusst, dass Hazy überhaupt zu solchen Gefühlen fähig war. Tja, jetzt hatte sie endlich die Wahrheit vor Augen und wusste nicht, was sie nun damit anfangen sollte. Hazy bat sie darum etwas zu erwidern, doch Claire war wie gelähmt. Sie wog Argumente gegeneinander ab, was falsch und was richtig sein könnte.

Dabei durchlief sie jegliche negativen und positiven Emotionen, die ihr aber auch nicht weiterhalfen. Ihr Traum war es ihren Adonis für sich zu haben, aber diese Situation war einfach verzwickter. Das war eine Entscheidung zwischen anderes Ich und Liebe, auch wenn ihre Liebe nicht grad so begeistert vom Kuss gewesen war. Und da machte es Klick in ihr.

Wenn Curtis sie nur als eine sehr gute Freundin sah, dann würde sie seine Reaktion auf den Kuss sogar nachvollziehen können und wenn Hazy ihn wirklich liebte, dann würde Claire es einfach drauf ankommen lassen. Diese drei Künste des Lebens hatten also doch einen tiefsinnigen Grund, warum sie sie aufgeschrieben hatte.

Die Waage, die Schuhe und der Kompass hatten ihr bei dieser Entscheidung wirklich geholfen, doch nun lag es daran die richtigen Schuhe anzuziehen und in die richtige Richtung zu laufen. Als Hazy sie wiederholt nach einer Antwort fragte, hob Claire entschlossen den Kopf und sah ihr anderes Ich lächelnd an, was Hazy etwas verunsicherte.

Für einen kurzen Moment huschte ihr sogar Angst übers Gesicht, aber sie fasste sich wieder und sah sie erwartungsvoll an. Puh, das war aber mal die erste Gefühlskrise, die sie jemals gehabt hatte. Hoffentlich würde sie nicht bald die zweite haben!

10. Kapitel

>Ok, Hazy, also... Wow, ich hätte nie gedacht, dass du überhaupt dich verlieben würdest, aber das war echt überraschend. Vielleicht liegt es daran, dass wir eigentlich ein und diesselbe Person sind, doch das hat jetzt nichts mit meiner Entscheidung zu tun. Wenn du ihn wirklich liebst, dann lass ich es dabei. Ich mach nichts, ich flirte nicht mit ihm, ich mach auch keine Andeutungen und ich verbiete mir auch, oft an ihn zu denken. Sollte er aber aus freier Hand selbst zu mir oder zu dir kommen, dann akzeptiert die andere das und lebt damit. Das wäre das Gerechteste in meinen Augen, was denkst du?<

>Also, ich denke, dass du eine genauso Hammeranwältin wärst, wie ich! Du hast das Zeug dazu, wie schon gesagt... Wir sind eins! Und deine Entscheidung hätte nicht besser sein können, weil ich das Gleiche gedacht habe. Zwar gebe ich es nicht gern zu, aber... Du, du,... Warte ich habs gleich! Du bist mir sehr wichtig, so das zweite Geständnis des Tages! Das wird langsam echt zum Verhör...< Claire schmunzelte bei den letzten Worten Hazys, weil sie auf eine ehrliche Weise süß fand, wie sie sich verändert hatte.

Beide hatten sich verändert ehrlich gesagt. Claire war viel selbstbewusster geworden und traute sich mehr zu und Hazy ließ endlich Gefühle zu, was sie endlich sympathischer statt bissiger erscheinen ließ. Aber die Zeitperiode, die sie gebraucht hatte, um sich überhaupt zu verändern, das war das Erstaunlichste, denn so lange war es nicht her, als sie Hazy zum ersten Mal kennengelernt hatte. Wie das Umfeld einen ändern konnte, das hatte Claire nie gewusst, doch es freute sie, dass sie in die Hände von richtig guten Freunden gefallen war.

Hazy und Claire ließen das Thema Curtis zunächst fallen und widmeten sich dem anderen Thema, nämlich die Begegnung mit Aria, zu. Claire musste sich einerseits darauf einstellen, dass Aria bereits von der anderen Welt wusste oder andrerseits ihr alles erklären und sie überzeugen musste, dass es kein Scherz war. Sie hoffte, dass Aria bereits mit der anderen Welt vertraut war, denn große Lust jemanden über eine existierende Spiegelwelt aufzuklären hatte sie nicht.

Mit ein paar kurz getroffenen Vorkehrungen, wie sich Claire verhalten sollte, machte sie sich ohne ihre Freunde, die immer noch schliefen, auf den Weg zu 'Broken Glasses'.

Das Wetter schien auf ihrer Seite zu sein, da die Sonne im wolkenlosen Himmel thronte und ihre warmen Sonnenstrahlen auf Claire richtete, die sie sowohl innerlich als auch äußerlich erwärmten. Sie liebte es einfach in der angenehmen Wärme durch gefüllte Straßen und den Düften von Essen, wie den Hot Dogs, zu spazieren und jedes einzelne Detail in sich aufzunehmen und zu genießen. Hier und dort liefen die New Yorker hektisch oder völlig entspannt umher, die gelben Taxis bildeten ganze Schlangen im Verkehr und die Ampeln blinkten mal rot, mal grün und das im Sekundenrhythmus. Alles hatte seine bestimmte begrenzte Zeit. Aber der Central Park bildete den Kontrast zu diesem aufgeweckten Stadtleben. Es war ruhig, die Menschen lachten, lasen Bücher oder joggten, was Claire echt mal wieder tun musste.

Sie musste fit bleiben, um gegen die Wesen überhaupt eine Chance zu haben. Aber darum würde sie sich erst nach der Begegnung mit Aria kümmern, deren Friseursalon langsam in der Ferne zu erkennen war. Die Schrift 'Broken Glasses' bestand aus einzeln zusammengesetzten Spiegeln, was in Claire den Verdacht hob, dass sie vielleicht schon über die andere Welt Bescheid wusste.

Vor dem Laden blieb Claire erstmals unentschlossen stehen und inspizierte das Äußere des Ladens, was ziemlich einladend war. Schwarz mit ein paar weißen Highlights um die großen klaren Fenster, durch die man in das moderne Innere reinschauen konnte. Viele Leute waren schon drin, aber das hielt sie nicht davon ab, die große Glastür zu öffnen und in einen großen klimatisierten Raum voller Haarspraydüfte hereinzugehen.

Eine kleine schwarhaarige Frau kam sofort auf sie zu und fragte, was sie gerne hätte und Claire antwortete direkt mit der Frage nach Aria. Die Frau schien zunächst etwas verwirrt über diese prompte Antwort zu sein, doch dann setzte sie dieses typische Geschäftslächeln auf und bat sie ihr zu folgen. Rechts und links befanden sich rote Sitze, in denen die Kunden saßen und neugierig in die gegenüberliegenden Spiegel blickten und schon ungeduldig auf das Ergebnis der Friseusen warteten. Da fiel Claire auf, dass es wirklich nur Frauen waren, die frisierten, aber warum das so war, fragte sie lieber nicht, weil sie nicht unhöflich erscheinen wollte. Sie kamen an einen caramellfarbenen Vorhang an, den die nette kleine Frau zur Seite schob und den Blick auf ein Hinterzimmer, das wie ein Büro aussah, freimachte. Hinter dem Glastisch saß eine rothaarige Frau auf einem roten Lederstuhl, der farblich zu ihren Haaren passte.

Diese hob den Kopf von irgendwelchen Formularen und blickte ihre Friseuse genervt an, als sie Claire hinter ihr entdeckte. Dann wechselte ihr Blick von Unsicherheit zu kalter Diplomatie und sie bat den Gast, also Claire, sich hinzusetzen. Die kleine Frau, die sich als Amanda entpuppt hatte, nickte kurz und verschwand hinter dem zugezogenen Vorhang.

Nun saß Claire dieser großen ernst dreinblickenden Frau gegenüber und fühlte sich, als ob sie am liebsten abhauen würde. Aria hatte eine gefährliche Ausstrahlung, sodass sich ihr alle Nackenhärchen aufstellten und sie zur Flucht zwangen, aber sie blieb trotzig sitzen und würde erst gehen, wenn das hier vorbei war. >Nun, was kann ich für Sie tun, Ms..<

>Ms. Walters! Ich bin gekommen, weil ich mit Ihnen eine heikle Angelegenheit besprechen möchte, ich...<

>Sie sind aber keine von diesen Steuerheinis, denn dann können Sie gleich Ihren Arsch nach draußen bewegen!<

>Oh nein, ich bin ein ganz normales Mädchen, das keinen Job hat und nun hier sitzt, um Ihnen zu sagen, dass...<

>Dass Sie einen Job bei mir möchten. Also tut mir leid, ich bin ausgebucht, ich kann Ihnen leider keinen Platz anbieten, sorry!<

>NEIN, verdammt nochmal, ich bin hier, um zu sagen, dass ich weiß, wer Sie sind. Sie sind eine Specusigilis!< Bei dem letzten Wort riss Aria erschrocken die Augen auf und sie sprang wie von einer Tarantel gestochen auf und spurtete zum Vorhang, um zu sehen, dass niemand da war.

Dann atmete sie paar mal ein und aus, bevor sie sich wieder hinsetzte und Claire mit einem durchdringlichen Blick bedachte, als sie sie auch schon fragte, woher sie das wusste. Ein Riesenstein fiel Claire vom Herzen, da sie nun nichts anderes tun musste, als ihr zu erzählen, dass sie eine von den Vier war, ohne das ganze drum und dran. Aria verstand sofort und sie fuhr sich seufzend durch die Haare. >Und warum seid ihr hier? Müssen wir jetzt also auf die Jagd gehen oder wie soll ich das bitteschön verstehen? Ich hab hier einen Laden, der nur so von Steuertypen bombardiert wird, obwohl ich immer jeden Monat meine Steuern ganz zahle!<

>Also, ich und die anderen hatten eigentlich daran gedacht zu mir zu fahren und dort das Problem mit dem Riss zwischen unserer und der anderen Welt zu beheben, bevor wir was anderes in Angriff nehmen würden. Denn aus diesem Riss können die Wesen locker rauskommen und alles terrorisieren, was ihnen in den Weg kommt, aber nur durch deine Hilfe können wir das Ding schließen!<

>Um ehrlich zu sein, ich hab keine Ahnung, wie ich das anrichten soll, denn es ist lange her, als ich diese Fähigkeit genutzt hatte. Damals habe ich noch in Tennessee gelebt, bis eines Tages eins dieser Dinger durch meinen Spiegel im Bad ins Zimmer gekommen war und ich zuerst unfähig gewesen war, mich überhaupt zu bewegen! Irgendwie kam dann dieses grüne Licht und das Ding war weg. Ich weiß nicht wohin, aber es war weg. Und diese Vorfälle häuften sich, bis es sogar zum Tod meiner Eltern kamen. Diese Wesen hatten Besitz von ihnen ergriffen und als ich dann das Licht auf sie geworfen hatte, in der Hoffnung, dass meine Eltern von dieser Pest befreit werden würden, starben sie. Und warum? Ich weiß es nicht, mir hatte damals niemand etwas darüber gesagt und heute weiß ich immer noch nichts Konkretes...<

>Du willst mir also sagen, dass du kein anderes Ich hast?<

>Ein anderes Ich? Nein, so etwas kenne ich nicht und besitze ich nicht, was ist das?<

>Das ist eben dein anderes Ich, aber das in der anderen Welt lebt. Die anderen haben auch einen, außer Noah, weil er mit seinem zerstritten ist!<

>Nein, tut mir leid, ich hab kein anderes Ich, hätte ich aber eins, würde ich ihm die Fresse polieren, weil ich durch den ganzen Scheiß meine Eltern verloren habe. Deswegen bin ich auch hierher gezogen, um neu anzufangen. Ich will nichts damit zu tun haben, bitte versteh das!<

>Ich weiß, das mit deinen Eltern ist schlimm, aber stell dir vor, wie viele andere Familien davon betroffen sein könnten, sollten wir die Wesen nicht vernichten. Bitte überleg es dir nochmal und ruf mich dann an! Hier ist meine Nummer...< Claire wühlte in ihrer Jackentasche herum, bis sie einen kleinen Zettel zu fassen bekam und ihn ihr gab.

Aria war immer noch nicht begeistert von der Idee diesen Wesen wieder gegenüber zu treten, doch sie dankte ihr und nahm den Zettel lächelnd entgegen. Mit einer kurzen Handbewegung verabschiedete sich Claire von ihr und verließ schnell den Salon, weil sie heftigen Hunger bekommen hatte und weil sie den anderen unbedingt von Aria erzählen wollte.

Hoffentlich waren die Schlafmützen schon wach, denn ihr Magen protestierte mit jedem Schritt, den sie machte, bis sie sich schweren Herzens für einen Hot Dog entschied. Das wars wohl mit einem gesunden Früstück, aber der Hot Dog schmeckte einfach nur göttlich und besänftigte ihren knurrenden Magen. Ein Gefühl von Erlösung durchfloss sie und sie stieß einen zufriedenen herzhaften Seufzer aus. Zu Hause angekommen erschnüffelte sie ein leckeres Mittagessen in der Küche, das natürlich Curtis gekocht hatte und der sich nun in ihre Richtung drehte und sie freundlich anlächelte.

Wow, für den war der Kuss ja wirklich ein Ausrutscher gewesen, sonst würde er nicht so grinsen. Toll, jetzt war ihre super Laune wieder mal im Keller, aber sie setzte sich mit einem künstlich aufgesetzten Lächeln am Tisch und sah Curtis beim Verteilen des Essens auf die Teller zu. Ein Seufzen konnte sie dabei nicht unterdrücken, doch das hörte Curtis nicht, weil plötzlich Helena durch die Tür hereinstürmte und sie in eine stürmische feste Umarmung zog, weil sie schon geglaubt hatte, dass ihr etwas zugestoßen sei.

Claire lachte bei ihrer besorgten Miene auf und erklärte ihr, dass sie bei Aria gewesen war und als sie diesen Namen aussprach, drehte sich auch Curtis neugierig um. >Du warst allein bei Aria? Warum hast du uns nicht Bescheid gesagt, dass du da hin gehst?<

>Jaa, ihr habt geschlafen und ich wollte euch nicht aufwecken, außerdem war es nicht so schlimm gewesen, aber...<

>Aber?<

>Na ja, Aria ist nicht so begeistert von der Idee wieder diesen Wesen gegenüberzutreten und das wird vielleicht ein Problem darstellen. Sie hat ihre Eltern verloren und will nichts mit den Dingern zu tun haben, aber vom Charakter her ist sie sehr nett! Sie hat lange lockige Haare, ein dünne Figur und sieht sehr erwachsen aus. Oh und sie hat hellbraune Augen, ziemlich schön, aber ok, genug vom Aussehen. Sie ist sehr aufbrausend und direkt und sie scheut nicht davor zurück ihren eigenen Kopf durchzusetzen... Glaubt mir, das reicht für die erste Begegnung! Ich hab ihr meine Nummer gegeben und ja, hoffen wir, dass sie drüber nachdenkt und sich für uns entscheidet.<

>Wenn die sich nicht für uns entscheidet, dann lass ich meinen Charme spielen und die wird ankommen wie eine rollige Katze!< Claire verdrehte theatralisch die Augen und kicherte, als Helena Noah einen bösen Blick zuwarf und ihn fest in die Seite boxte, sodass er schmerzverzerrt zusammenzuckte und sich über die Stelle strich. Mit entschuldigendem Blick kuschelte er sich in ihren Nacken und Helena grinste siegreich vor sich hin und streichelte liebevoll seinen schwarzen Wuschelkopf. Da fiel Claire augenblicklich auf, dass Viktoria und Flecky nicht anwesend waren, was sie ein bisschen beunruhigte, aber als Curtis ihr sagte, dass die beiden einen Spaziergang machten, verflog ihre Sorge.

Sie entschied sich vor dem Essen noch kurz zu duschen, weil sie den ganzen Schweiß vom Tanzabend weghaben wollte und verschwand leise im Bad und entledigte sich ihrer Klamotten. Dann stieg Claire vorsichtig in die Dusche ein, weil der Boden ziemlich rutschig war und danach ließ sie das Wasser an und genoss die Wärme, die das Wasser auf ihrer Haut verteilte. Sie schloss genussvoll die Augen und ließ alle ihre Erinnerungen seit der Begegnung mit Hazy Revue passieren. Zuerst ihr anderes Ich, dann ihre neu gewonnenen Freunde, dann diese verschiedenen Angriffe dieser Wesen, der Umzug nach New York und nun die Frage, ob Aria bereit war mitzumachen.

Hoffentlich würde sie dem Ganzen zustimmen, denn sollte der Riss und vielleicht noch entstehende Risse nicht geschlossen werden, dann würde das ein erhebliches Problem werden. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, grausam ihre Welt werden würde, sollten diese Wesen tagtäglich in ihre Welt eindringen und sie vernichten, weil sie ultimative Macht erlangen wollten. Solche machtigierigen Wesen waren echt zum Kotzen, warum musste es überhaupt das Böse geben?

Claire seufzte genervt und stellte das Wasser ab, um sich mit einem flauschigen Handtuch abzutrocknen und aus der Dusche zu treten. Sie cremte sich dann mit einer Lotion gegen ihre trockene Haut ein und summte leise ein altes Kinderlied vor sich hin, als sie den Wasserdampf am Spiegel mit der flachen Hand abwischte und vor Schreck einen erstickten Schrei ausstieß. Cian grinste sie frech an und sie verzog ihren Mund zu einer bissigen Linie, die er mit einem belustigten Blick erwiderte. >Cian, was machst du hier und warum bist du ausgerechnet hier aufgetaucht?<

>Sorry, ich wollte die Süße nicht erschrecken, aber ich wollte wissen, ob du schon Neuigkeiten von Aria hast!<

>Und deswegen bist du hier? Um mich so etwas zu fragen, genau da, wo ich halbnackt bin?<

>Ach was, du bist in deinem Handtuch eingewickelt, das gilt nicht als halbnackt! Gibts jetzt was Neues oder nicht?<

>Nein, nichts Neues, sonst hätte ich euch allen gleich Bescheid gesagt. Und jetzt verschwinde, ich will mich umziehen!<

>Och, lass mich doch einfach Zuschauer sein, so eine schlechte Figur hast du nicht...<

>Cian, mein kleiner Süßer... Was machst du denn bei meinem anderen Ich? Stalkst du sie, oder was?< Hazy war auf der anderen Spiegelseite des Schrankes aufgetaucht und hatte fragend die Arme vor der Brust verschränkt, während sie Cian mit durchdringendem Blick ansah und auf eine Antwort wartete.

Dieser zuckte nur mit den Schultern und ein freches schiefes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, das ihm Hazy, ihrem Blick zu urteilen, am liebsten poliert hätte. Claire stöhnte augenverdrehend auf und schnappte sich ihren Kamm auf dem kleinen Holzstuhl neben der Tür, um sich still und leise die Haare zu kämmen. Währenddessen stritten sich Hazy und Cian über sie, was Claire nicht ganz so verstand. Cian war einfach nur ein Macho und Hazy war in letzter Zeit sehr beschützerisch ihr gegenüber geworden, was sie einerseits freute, andrerseits etwas einschüchterte, da sie Hazy ganz anders kannte. Vielleicht lag es ja daran, dass sie auch verknallt war. >Jetzt Clairchen, gibs doch zu, dass ich total dein Typ bin und bring dein aufbrausendes Ich zum Stillschweigen. Wenn sie redet, spuckt sie dich eher an. Ich glaub hier bricht gleich der nächste Tsunami aus, HILFE!<

Hazy hatte sich wütend auf ihn gestürzt und nun schlugen sie sich gegenseitig die Köpfe ein, während Claire schon mal das Weite suchte. Die beiden waren zwar wirklich süß beisammen, wenn sie sich zankten wie kleine Geschwister, aber sie brauchte jetzt ihre Privatsphäre, die sie sich in ihrem Zimmer holte.

Sie nahm die Stimme von Curtis aus dem Bad wahr, als er Hazy und Cian aufforderte, ihre Kämpfe wo anders weiterzuführen. Ein enttäuschtes Stöhnen ertönte nach dieser Ansage und dann brach wieder Stille ein, die sie umhüllte und ihr den nötigen Freiraum für ihre Gedanken gab. Sie zog sich schnell um und sah sich noch einmal prüfend im Spiegel um, als sie sich dann auf dem Weg in die köstlich duftende Küche machte, in der sie ihre Freunde bereits erwarteten.

Außer den Spazierleuten, doch das machte nichts, weil der Hunger schon zu groß war, um ihn zu verdrängen, selbst wenn schon ein Hot Dog bereits im Magen lag. Curtis hatte Hühnersuppe gemacht und die schmeckte genauso toll, wie alles andere, was er auf den Tisch gebracht hatte. An sein Essen könnte sie sich jeden Tag gewöhnen, aber sollte er auch noch anfangen Desserts perfekt zuzubereiten, dann würde sie bestimmt fett werden. Na hoffentlich war er nicht so gut bei den Desserts. Claire schweifte wieder in ihre Gedanken ab und nahm vom Gespräch ihrer Freunde kaum etwas wahr, außer die Sorge um Noahs Schwester, die zu spät zu kommen schien.

Da klingelte und hämmerte es auf einmal an der Tür, als wäre ein Gewitter ausgebrochen und Helena war die erste, die zur Tür stürmte und diese ruckartig öffnete, als eine um Atem ringende Viktoria hereinstürzte, dicht gefolgt von Flecky, der ununterbrochen bellte. Curtis und Noah kamen auch aus der Küche angerannt und hakten nach, was passiert sei, bis Viktoria aufgelöst von einem Mädchen im Central Park erzählte, das ihr Unwesen trieb.

Zuerst verstand keiner, was sie damit sagen wollte, bis Claire erschrocken die Augen aufriss und ganz genau wusste, was ihre Freundin gemeint hatte. Ein Wesen wanderte im Park umher und schadete den Menschen um es herum, was auch der Grund war, wieso Flecky nicht aufhören wollte zu bellen. Das tat er nur, wenn etwas Böses im Busch war, weshalb sie den anderen sofort mitteilte, dass sie schnell handeln musste, bevor noch etwas Schlimmeres geschah. Das ließ sich niemand zweimal sagen und schon nach ein paar Minuten befanden sie sich auf der anderen Straßenseite gegenüber dem Park, der einen Frieden ausstrahlte, dem aber Claire unter keinen Umständen traute. Sie rannten wie gehetzte Tiere über die Straße, kassierten dabei Standpauken von vorbeifahrenden Taxifahrern, doch das hielt sie nicht zurück, da sie ihr Ziel bereits von Weitem erkannten.

Ein Mädchen in einem weißen Kleid lief unbeirrt den Joggingweg entlang und sah jedem, der an ihr vorbeiging, tief in die Augen, sodass diese dann plötzlich innehielten und einfach aufhörten zu laufen oder sich überhaupt zu bewegen. Claire beschloss, dass sie schnell handeln mussten, weil sie nicht erahnen konnten, was passieren würde, sollte das Mädchen so weiter machen. Curtis und Noah hatten einen kleinen Vorsprung geschafft und waren fast bei dem grusligen Mädchen angelangt, als es auch schon den Kopf zur Seite neigte und die Hand hob.

Zu spät bemerkten die Jungs die Gefahr der Situation und flogen meterweit nach hinten, begleitet von Claires verzweifelten Rufen. Sie warf dem emotionslosen Kind einen wütenden Blick zu und ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken, als sie die rabenschwarzen Augen des Mädchens erkannte. Sie sahen beängstigend aus, was in ihr ein starkes mulmiges Gefühl im Bauch hervorrief, aber sie rannte zu ihren Freunden und half ihnen beim Aufstehen.

Helena war auch sofort zu Hilfe gekommen und Claire war sehr glücklich über die Tatsache, dass Flecky und Viktoria sicher in der Wohnung waren, da schon Helenas Präsenz in ihr tiefe Angst erweckte. Auch Noah schien mit sich zu hadern, ob er seine Freundin wegschicken sollte, aber sie alle wussten, dass sie eh ein Dickkopf war und bleiben würde, als warum streiten?

Das Mädchen sah sie immer noch unverwandt an und bewegte sich nicht, was an Noahs Temperament kratzte, da ihm diese Respektlosigkeit auf die Nerven ging. Er richtete sich auf, ballte die Hände zu Fäusten und rotes Licht umgab seine bebenden Hände, das immer stärker wurde. War er stärker geworden oder bildete sie sich das nur ein? Noah holte mit aller Kraft aus und schleuderte die roten Lichtbälle auf das Mädchen, doch es hob nur die Hände und die Bälle prallten gegen eine durchsichtige Wand. Fragezeichen standen in allen Gesichtern geschrieben und dann erschien die erste Gefühlsregung auf dem Gesicht von dem Gruselmädchen. Schadenfreude gemischt mit Triumph. Claire zog sich angeekelt der Magen zusammen und sie legte beruhigend eine Hand auf Noahs Schulter, der immer noch um Fassung rang, da sein Stolz ziemlich angekratzt war. Curtis schien streng nachzudenken, aber selbst Claire wusste nicht, was sie tun sollten, als sie fassungslos in eine Richtung starrte, aus der zombieähnliche Menschen auf sie langsam, aber bestimmt zukamen.

Ihre Freunde richteten auch den Blick in ihre Richtung und erstarrten. Das war gar nicht gut. Das war überhaupt nicht gut. Claire fasste den Entschluss alles zu geben und sie schloss bestimmt die Augen und sammelte all ihre Energie, die sie im Moment durchfloss in ihre Hände, während ihre Freunde besorgt auf sie einredeten und nachfragten, was sie vorhabe. Doch Claire war zu vertieft, um antworten zu können und dann riss sie kraftvoll die Augen auf und weißes Lichte ballte sich um sie, wie Knetmasse und wurde größer und größer.

Die Jungs starrten sie entrüstet an und Helena verstand als erstes, was sie vorhatte, was sie aber nicht so sehr freute, da der Plan nicht sicher für sie sein würde. Claire pumpte mehr und mehr Kraft in ihre Hände, bis sie ein gewisses Maximum erreichte und diese aufgebaute Kraftwand vor sich teilte. Den einen Teil schoss sie direkt auf Curtis und den anderen auf Noah, der die Energie grinsend empfing.

Dieser Mann stand einfach auf Action und Abenteuer und brachte sie kurz zum Lächeln, als sie sich wieder zu dem Mädchen umdrehte, dessen Augen verräterisch funkelten, auch wenn sie dunkler waren, als die Dunkelheit selbst.

Dieses Mal würden sie alle gewaltige Energie brauchen, das dachten ihre Freunde auch, als das Mädchen den Kopf nach links wandte und noch eine Horde Zombies auf sie zukam. Helena stellte sich hinter Claire, Rücken an Rücken, damit sie für alles bereit sein konnten und die Jungs sammelten all ihre neu errungene Kraft und versuchten dem Mädchen zu schaden. Und tatsächlich trafen sie Noahs rotleuchtenden Lichtbälle, die heller strahlten als zuvor. Ein bisschen Stolz füllte sie schon, denn sie war immerhin der Auslöser für ihre Stärke und diese würde das Mädchen am eigenen Leib erfahren. Aber weiter zuschauen, wie die Männer gegen die Macht des Mädchens kämpften, konnten Claire und Helena nicht, da schon die ersten Zombies sie erreicht hatten und sie angriffen. Claire verpasste einem jungen Mann einen Tritt in die Mitte und Helena schlug einer Tussi mitten ins Gesicht, die überrascht nach hinten torkelte und sie beleidigt mit Tritten zurück angriff. Da fiel Claire auf, dass diese Menschen besessen waren und sie nichts anderes zu tun hatte, als sie zu befreien.

Verdammt, nun hatte sie zu viel Kraft beim Stärken der Jungs verbraucht und hatte nicht genug für diese Portion Abschaum. Trotzdem versuchte Claire alles und schaffte es glücklicherweise ein Paar Menschen zu befreien, die Helena zur Seite schleifte, damit sie nicht wieder dem Mädchen zum Opfer fallen konnten.

Währenddessen haute Claire alles raus, was sie an Energie in sich trug und sie spürte langsam die schwindende Kraft in ihrem Körper, die ihre Beine immer wieder erzittern ließ. Helena bemerkte ihren geschwächten Zustand und bat sie vorerst aufzuhören, aber Claire machte ehrgeizig weiter, weil sie nicht wollte, dass diese Menschen von so grässlichen Wesen besessen waren. Dabei erinnerte sie sich an Arias Geschichte von ihren verstorbenen Eltern und ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Diese arme Frau hatte zusehen müssen, wie ihre Eltern von solchen Wesen ergriffen und getötet worden waren, ein Gedanke, den Claire schnell verdrängte.

Mit einem Seitenblick sah sie sich nach den Jungs um, die sich tapfer schlugen und dem Mädchen langsam zur Last fielen, da es endlich mal Gefühle zeigte. Anstrengung. Doch dann schlug es kreischend in die Hände und alle fassten sich schmerzerfüllt an die Ohren, um diesen hohen gellenden Schrei nicht ertragen zu müssen. Anschließend wurden alle Zeuge einer Macht, die Claire noch nie zuvor erfahren hatte. Etwas begann leicht in der Luft zu schimmern und je größer dieses Glitzern wurde, desto größer wurden Claires Augen bei dem Anblick, der sich ihr bot.

Das war ein Riss, denn wenn man genau hinsah, konnte man die Parallelwelt des Parks erkennen, die jedoch dunkel statt hell war. Also das komplette Gegenstück zu ihrer Welt.

Claire und ihre Freunde konnten den Mund kaum zu machen, denn nun wussten sie wirklich nicht, was sie tun sollten, geschweige denn, was sie denken sollten. Das Mädchen erkannte die Verzweiflung in ihren Augen und begann ein helles hässliches Lachen zu lachen. Claire schluckte unsicher und dann erkannte sie weit entfernt einen hüpfenden Rotschopf, der auf sie zurannte.

Aria!

Diese winkte ihnen um Atem ringend zu und stellte sie außer Atem neben Claire hin, um sich mit einer Hand an ihr abzustützen. >Puh, du hattest Recht... Ich will nicht, dass andere Menschen das Gleiche, puh, erleiden, wie ich... Ich werde euch helfen! Wir treten dieser kleinen Göre gewaltig in den Hintern, dass sie sich wünschen wird, nie hier gewesen zu sein. Niemand ruiniert den Tag einer New Yorkerin!<

Claire musste bei ihren letzten Worten etwas lächeln, aber als Noah und Curtis erneut durch die Luft flogen und sich fast beim Aufprall das Genick brachen, erlosch das Lächeln aus ihrem Gesicht und sie warf dem kleinen Mädchen einen erbosten Blick zu. Dieses aber lachte wieder so hässlich und entfachte in ihr so eine gewaltsame Wut, dass es sogar Aria spüren konnte. Aria schien zunächst sehr ruhig zu sein, aber dann umhüllte sie ein strahlendes grünes Licht, das heller war als das der Wiese und schleuderte es auf das Mädchen, das ein bisschen zusammenzuckte, obwohl es eine Schutzmauer errichtet hatte. Es hob verärgert die Hand und richtete den Zeigefinger auf sie, als diese Menschenzombies auf sie zuliefen, um sie zu vernichten. Claire übernahm die Rückendeckung und rief den sich wieder aufrappelnden Jungs zu, sie sollten schnell Aria unterstützen, da sie es mit ihrer Kraft schaffen würden.

Das ließen sich die Jungs nicht zweimal sagen, da ihr Stolz schon genug angekratzt war, um dem Mädchen eins auszuwischen und somit feuerten sie alle ihre Kraft auf das Wesen und warteten gespannt auf das Ergebnis, da sie nichts außer den gemischten Farben ihrer Lichter erspähen konnten. Claire kümmerte sich währenddessen eifrig um die Zombies und schaffte es so viele wie möglich von den Spiegelwesen zu befreien, als auf einmal alle in sich zusammenbrachen und auf dem Boden starr liegen blieben.

Ein Blick auf das Mädchen reichte und Claires Mundwinkel wanderten siegreich nach oben.

Es fasste sich schmerzverzerrt an den Bauch und versuchte sich wiederholt aufzurichten, doch ihre Kraft hatte versagt und nun konnte Curtis in Ruhe einen Kreis errichten und Noah es in die andere Welt befördern, wo das Mädchen hingehörte. Aria sammelte ihr grünes Licht in ihren Händen und dann warf sie es auf den entstandenen Riss, der sich anschließend wie in einem Schmelzvorgang zusammenschweißte. Claire fiel dann erschöpft in die Knie und atmete erstmals ein und aus, als sich eine warme Hand auf sie legte und sie in die hellbraunen Augen von Aria blickte. Diese lächelte sie aufmunternd an und murmelte ein leises Danke, weil ihr erst durch Claire klargeworden war, dass sie eine Aufgabe im Leben hatte, die sie für das Wohl aller ausführen musste.

Claire war froh das zu hören und es machte sie umso glücklicher noch eine Freundin mehr gewonnen zu haben.

Noah und Curtis gesellten sich dann auch zu ihnen und stellten sich Aria vor, die sehr erfreut war sie kennenzulernen. Sie begannen sich dann über Erfahrungen auszutauschen, um vielleicht Schwächen oder Stärken beim anderen zu finden und sie dann zu beheben oder vielleicht sogar mit anderen Schwächen zu stärken. Sie alle wussten nämlich, dass sie nun stärkere Gegner erwarten würden, die sie dann zusammen bekämpfen mussten und zwar mit viel Kraft. Deshalb war es das beste, wenn sie über ihre Schwächen und Stärken sprachen, um Strategien zu entwickeln und das Team besser zusammenzuschweißen.

Als sie dann entspannt und beruhigt von dem Kampf an der Wohnung ankamen, erlebten sie aber die nächste Überraschung, die niemand von ihnen hätte erwarten können. Die ganze Wohnung bestand aus einem Riesenchaos. Tische, Stühle, Lampen und Gemälde waren überall verstreut und irgendwo lief noch ein Wasserhahn, der zum Glück aller aber keine Überschwemmung verursacht hatte. Helena war die erste, die in das Wohnzimmer stürzte und nach Viktoria rief, doch als keine Antwort kam, schnürte es Claire die Kehle zu.

Eine böse Vorahnung nahm ihr schier die Luft weg und sie musste sich richtig zusammenzureißen, um nicht in Panik zu geraten. Noah raste wie ein Verrückter durch die Wohnung und brüllte nach seiner kleinen Schwester, doch je länger er rief und keine Antwort kam, desto schlimmer wurde Claires Gefühl. Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus und sie brach in sich zusammen und begann ungehemmt zu weinen. Sie wusste, dass Viktoria von Wesen geschnappt worden war und sie wusste, dass das Gleiche mit Flecky passiert war.

Die Beweise lagen einfach zu klar und deutlich in der Wohnung. Vor allem die Spiegel waren zerkratzt und teils auch völlig kaputt, was darauf hindeutete, dass Viktoria versucht hatte, so wenig Wesen wie möglich in die Wohnung reinzulassen. Doch warum hatte sie es nicht geschafft aus der Wohnung zu rennen?

Es mussten doch so einige Wesen in ihre Welt gekommen sein, um es ihr so schwer zu machen. Aber Flecky, ihr armer kleiner unschuldiger Flecky. Erneut stiegen Claire Tränen in die Augen, die Aria mit einen Taschentuch abtupfte und sie ermutigend in eine Umarmung schloss. Noah hatte auch ein paar Tränen verloren, doch nun lief er wie ein Killer umher und beäugte alles mit scharfem Blick, um einen hilfreichen Anhaltspunkt zu finden, den er jedoch nirgends fand, was ihn dann noch wütender machte. Curtis versuchte seinen Freund zu beruhigen und ihm zu versichern, dass sie seine Schwester finden würden, aber Noah hörte gar nicht zu, sondern hob frustriert einen Stuhl und warf ihn quer durch das Wohnzimmer. Helena schrie ihn an, dass er aufhören solle und als er sich umdrehte, um eine bissige Bemerkung loszuwerden, hielt er inne und starrte in ihre feuchten Augen.

Er umarmte sie beschützerisch und streichelte ihr traurig über den Kopf, als beide begannen leise zu weinen und sich Vorwürfe zu machen, dass sie nicht da gewesen waren, um Viktoria zu schützen. Und genau da fiel es Claire wie Schuppen vor den Augen.

Diese ganze Sache mit dem Mädchen im Central Park war bestimmt nur eine Ablenkungssache gewesen, um wenigstens an einen von ihnen ranzukommen. Während sie im Park gekämpft hatten, waren Wesen in die Wohnung eingedrungen und hatten Viktoria und Flecky entführt.

Claire war sich komischerweise sehr sicher, dass sie noch lebten und als sie in Arias nachdenkliche Miene sah, erkannte sie, dass diese auch die gleiche Schlussfolgerung gezogen hatte. Curtis kam besorgt auf Claire zu und kniete sich auch vor sie hin und legte aufmunternd eine Hand auf ihre Schulter, die bei ihren Schluchzern zusammenzuckte und sich wieder entspannte.

Ihre Sorge um Flecky war einfach so groß, dass sie nie im Leben gedacht hatte, dass sie so abhängig von ihm war, doch es war nun so und es schmerzte sie. Seufzend wischte sie sich die letzten Tränen weg und schlenderte ins Bad um endlich diesen verdammten Wasserhahn zu schließen.

Als sie dann den Blick hob, entdeckte sie den Spiegel mit den im Wasserdampf geschriebenen Worten: Helft uns, im Spiegel! Claires Herz setzte bei diesen Worten aus und rutschte ihr tief in die Hose, als sie neue Hoffnung schöpfte und die anderen zu sich rief, die sekundenschnell bei ihr waren. Noah stieß ein lautes 'Ja' aus und Helenas Augen füllten sich wieder mit Tränen, nur diesmal aus Freude.

Curtis stellte sich nachdenklich neben Claire hin und las die Worte immer und immer wieder durch, bis er erschrocken nach Luft schnappte. >Sie sind in der Spiegelwelt gefangen und können nicht raus und wir nicht rein, es sei denn Noah bringt uns rüber. Aber ich bin mir absolut sicher, dass das wieder eine Falle sein wird, um uns ein für alle Mal auszuschalten! Wir müssen uns schnell einen Plan ausdenken und überlegt handeln, sonst passiert den beiden noch was Schlimmes!<

>Ich werde Hazy holen und sie um Rat fragen... Geht schon mal in die Küche und ich komm sofort nach!<

Curtis und die anderen nickten zustimmend und verschwanden pläneschmiedend in der Küche, während Claire sich ihre Umgebung näher anschaute, jedoch keinen weiteren Hinweis fand. Es war eine sehr schlaue Idee gewesen, den Wasserhahn heiß aufzudrehen und im Wasserdampf am Spiegel eine Nachricht zu hinterlassen. Viktoria war ein sehr schlaues Mädchen und Claire war froh, dass Flecky in solchen Händen war, vor allem weil Flecky Viktoria am meisten von den anderen mochte.

Etwas beruhigt über diese Gedanken wischte sie den letzten Wasserdampf weg und rief nach Hazy, die kurzerhand verschlafen auftauchte. >Ach Claire, warum musstest du mich jetzt gerade rufen, wo ich doch so schön eingeschlafen war, vor allem, weil... Ach du heilige Jungfrau Maria, was ist denn hier passiert? Habt ihr gefeiert und mir eiskalt nichts gesagt?<

>Nein, Viktoria und Flecky sind verschwunden und wir sind uns sehr sicher, dass die Wesen sie entführt haben, um sie als Geisel zu benutzen. Jetzt haben wir vor in die andere Welt rüberzuspringen und uns auf die Suche zu machen, aber du hast mir gesagt, dass das nur geht, wenn ihr hierher wechselt. Um des Gleichgewichts wegen!<

>Ok, ok, jetzt mal langsam... Viktoria und Flecky sind wusch einfach weg und ihr wollt hier rüber, um den Wesen direkt in die Falle zu tappen oder was? Das ist doch völlig idiotisch und dumm und total unüberlegt. Das mit dem Gleichgewicht stimmt schon, aber, ach gehen wir zu den anderen und wir denken uns gemeinsam etwas aus!< Hazy verschwand nach dieser Ansage und Claire spurtete in die Küche, wo sie ihre ganzen Freunde grübelnd erwarteten und hoffnungsvoll aufschauten, jedoch wieder niedergeschlagen den Kopf senkten, um weiter zu grübeln.

Claire machte es zutiefst traurig, dass ihre Freunde so kaputt waren, aber sie mussten da jetzt alle durch und sich gefälligst einen Plan ausdenken. Kaum als sie diesen Gedanken fertig gedacht hatte, tauchten auch schon Hazy und Cian auf, die miteinander zu diskutieren schienen, bis sie gleichzeitig den Mund hielten und in die stille Runde blickten. >Mann, ihr verhält euch schon so, als wäre jegliche Hoffnung gestorben und als würdet ihr euch schon mal eine Beerdigungsrede ausdenken. Seid ihr noch von allen guten Geistern besessen oder was? Reißt euch mal zusammen und heult nicht innerlich rum, wie kleine Kindchen, die ihr Eis nicht bekommen haben!<

>Du unsensibles Arschloch, meine Schwester wurde entführt von Monstern, die uns tot sehen wollen und du vergleichst uns mit Kindern, die kein Eis haben. Also Curtis, du tust mit aber leid, dass dein anderes Ich dieses Stück Dreck ist!< Noah funkelte Cian tötend an und kassierte ebenfalls giftige Blicke von Cian, aber bevor die Sache eskalierte, hob Claire beschwichtigend die Hand und bat beide sich sofort zusammenzureißen, da rumstreiten auch nicht helfen würde.

Aria stimmte ihr zu und schlug als erste einen Plan vor, der jedoch auf Ablehnung traf, da ein direkter Angriff zu riskant wäre. Hazy verschränkte nachdenklich die Arme vor die Brust und Cian starrte Löcher in die Leere, während Helena immer noch trauerte und Trost bei Noah suchte, der auch im Moment ziemlich unfähig war, sich etwas auszudenken.

Trotzdem beharrte Aria darauf sich einen Plan auszudenken und Hazy begann sich Möglichkeiten zu überlegen, die zu Viktoria führen könnten. >Also, ich und Claire waren uns einig, dass ihr nicht alle hier rüberkommt, weil wir sonst das Gleichgewicht durcheinanderbringen. Nun ist aber die Frage, wer hierher kommt und wie wir dann weiter vorgehen!<

>Ich gehe auf jeden Fall rüber, weil es meine Schwester ist und mit mir kommt dann Curtis. Wir Männer gehen da rüber und ihr Frauen bleibt hier, das ist sicherer.< Noah sah sich entschlossen um und Aria prustete vor Lachen los. Nanu, was war denn nun mit ihr los?

>Du glaubst wirklich, dass wir Frauen brav die Hände falten, während ihr Männer euch in die Schlacht stürzt. Wenn du es nicht gemerkt hast... Wir sind im 21. Jahrhundert und nicht im Mittelalter. Wenn jemand da hin geht, dann drei von uns und darunter eine Frau.<

>Das war ja keine Beleidigung, sondern eher mein Beschützerinstinkt. Es ist doch gefährlich! Und ich will nicht, dass euch etwas passiert...<

>Sagt der, der von einer Frau gerettet wurde, weil er nicht mit einem Mädchen klargekommen ist!< Uuuh, zwei zu eins für Aria.

Sie war sehr direkt und selbstbewusst, das merkte Claire sofort, aber sie erkannte auch, dass sie ziemlich unsicher war. Kein Wunder, sie war ein Frischling unter ihnen und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte, um keinen schlechten Eindruck zu hinterlassen. Doch Claire mochte sie jetzt schon, weil Aria ehrlich und auf eine Weise cool war. Helena schien sie auch leiden zu können, obwohl sie Noah einen saftigen Konter verpasst hatte. Etwas was Helena vor ihrer Beziehung oft getan hatte, aber da sie nun mit ihm zusammen war, war sie viel sanfter und liebevoller zu ihm. Curtis fand sie seinem Lächeln zu urteilen auch ganz nett, was in ihr ein bisschen die Eifersucht entfachte, sie sie aber schluckte, weil sie dies nicht fühlen wollte. >Ok Leute, ich hab die Idee...<

>Ach, du hast eine Idee? Seit wann denn das Cian? Hast du Intelligenzpillen geschluckt, oder was?<

>Na, was hast du denn für ein Problem jetzt, Zicke! Müsste hier nicht die Anwältin eher eine Idee haben, anstatt ich? Also jetzt halt die Klappe und lass den Meister ausreden!< Hazy biss sich genervt auf die Lippe und verschränkte beleidigt die Arme vor die Brust.

Das mit der Anwältin hatte anscheinend gesessen, aber trotzdem fragte sich Claire, warum die beiden sich so anschnauzten. Etwas musste sich zwischen den beiden ereignet haben, damit die sich so die Köpfe einschlugen, aber zugegeben, das war nichts Neues. Trotzdem spürte Claire, dass da etwas passiert war. Falls sie einen gescheiten Plan fanden, dann würde sie Hazy fragen, weil sie keine Lust hatte sich um ihre schlechte Laune zu kümmern.

Wie immer, halt.

>Also, da Noah eh sein anderes Ich vergrault hat, fällt er aus. Warte, du Tier... Ich weiß, dass du deine Schwester finden willst, aber so ist es am besten. Denn wenn du hier rüberkommst, dann spüren die anderen Wesen dein Ungleichgewicht und sie werden euch sofort finden. Also, das heißt Noah bleibt hier. Helena bleibt lieber auch hier, da sie keine Fähigkeiten hat und hier rüber kommen Claire und Aria. Aria hat kein anderes Ich, also stellt sie keine Gefahr dar und Claire ist hier viel nützlicher als Hazy. Außerdem wolltest du, Hazy, schon mal in die andere Welt gehen. Ich bleib hier, so als Männerverstärkung und ja das wäre schon mal komplett. Was wir dann machen, bleibt euch überlassen... Ich hab die Verteilung übernommen, ihr denkt euch jetzt was aus! Und was sagt ihr?< Claire war eigentlich mit dem Plan vollkommen zufrieden, aber Noah musste trotz allem meckern, weil er nicht tatenlos in ihrer Welt sitzen wollte.

Verständlich, aber Cian hatte in gewisser Hinsicht recht.

Hazy war auch mit Cians Verteilung einverstanden, was Claire stutzig machte. Sollte Hazy in ihre Welt kommen, dann wäre sie ja bei Curtis und soweit sie ihren Gesichtsausdruck deuten konnte, dann war sie ein bisschen froh, dass sie die Möglichkeit dazu hatte. Claire wusste nicht, ob sie das gut oder schlecht finden sollte, aber etwas in ihr sagte, dass es so gut war, wie es war und darauf würde sie vertrauen. >Ok, nehmen wir mal an, wir machen das genauso wie Cian gesagt hat... Was machen wir dann, wenn wir dort sind? Wo werden wir uns verstecken? Wie finden wir überhaupt Viktoria und den Welpen?<

Alle starrten Aria ratlos an und wussten sich bei diesen vielen Fragen nicht zu helfen. Cian schlug zwar vor, dass die Mädchen bei ihm schlafen konnten, da er genug Platz hatte, aber wie und was sie dann machten, wusste keiner von allen. Sie hatten nicht mal einen kleinen Hinweis für den Aufenthalt von Viktoria und Flecky und erneut brach unangenehme Stille im Raum aus, die jeden zu erdrücken schien. Claire kam mit dem Gedanken einfach nicht klar, dass Flecky womöglich litt oder Angst hatte und das Gleiche galt natürlich auch Viktoria, die hoffentlich noch am Leben war.

Hazy räusperte sich, als die Stille zu lange anhielt und sie schlug nüchtern vor, dass es besser wäre, wenn sie die Jumpersache hinter sich bringen würden, um dann vielleicht später wieder Kontakt aufzunehmen und sich einen Plan auszudenken.

Wichtig war, den Mädchen die andere Welt etwas vertrauter zu machen, damit sie nicht so verloren waren und falls nötig sich zu helfen wussten, sollte etwas Schlimmes passieren.

Cian war mit dem Vorschlag einverstanden, weshalb er einen genervten Blick von Hazy ergatterte und die anderen stimmten nach langem Überlegen auch zu. Trotzdem schlich sich ein unsicheres und bedrückendes Gefühl in Claires Brust, aber sie ließ es sich nicht anmerken und stand mit Aria auf, um sich seelisch darauf vorzubereiten ihre schöne Welt zu verlassen und in eine andere, weniger sichere, rüber zu wechseln.

11. Kapitel

>Also stell dich einfach ganz nah an den Spiegel und leg die Hand da hin, wo ich sie hinlege. Dann wirft Noah sein rotes Licht auf uns, konzentriert sich auf den Jump und dann wechseln wir sozusagen die Rollen. Es tut nicht weh und ist auch nicht schlimm, soweit ich weiß, ok?< Claire nickte fest entschlossen und legte ihre Hand auf das kühle Glas des Spiegels, als sie jedoch eine Wärme durchfloss, sobald Hazy ihre eigene Hand an die gleiche Stelle legte.

Aria tat es ihr nach, nur ohne ein anderes Ich und ihre Freunde verabschiedeten sich noch einmal herzhaft mit kurzen Umarmungen und Küsschen, bis Noah die Augen schloss und sie erst dann öffnete, als sich genug Licht gebildet hatte, um es auf die zwei Mädchen zu werfen. Claire schloss aus Angstreflex die Augen und erwartete Schmerz oder ein komisches Gefühl, doch das einzige, was sie spürte, war ein leichtes Ziehen in ihrem Kopf, ein kleiner Schwindelanfall und ein Gefühl von Schwerelosigkeit.

Als sie dann langsam und neugierig die Augen öffnete, sog sie erstaunt Luft ein. Sie starrte auf die überraschten Gesichter ihrer Freunde, aber nicht durch einen Spiegel, wie sie es taten, sondern aus einer Art gummiartiger Flüssigkeit, die silbern schimmerte. Doch das reichte, um einen perfekten Blick in die andere Welt zu erhaschen und Hazy, die sich gerade am ganzen Körper betastete, um zu kontrollieren, ob alles noch dran war.

Beide Mädchen hoben gleichzeitig den Kopf und sahen sich direkt in die Augen, als Hazy zu grinsen begann und einen Siegestanz vollführte. Noah fand ihre Reaktion so lustig, dass er ihr auf die Schulter klopfte und sie in eine Willkommensumarmung zog, die diese verblüfft erwiderte. Helena und Curtis umarmten sie auch lächelnd und Claire bemerkte sofort den verliebten Blick, den Hazy trug, wenn sie Curtis in die Augen sah. Immerhin sah er sie nicht mit dem gleichen Blick an, sonst wäre Claire womöglich an Eifersucht geplatzt.

Sie drehte sich einmal um die eigene Achse, damit sie sich ihre Umgebung näher einprägen konnte und erstickte fast, als sie Cian entdeckte, der sie von oben bis unten musterte. Claire hatte gar nicht gewusst, dass er so unverschämt gut aussah und kaum als sie diesen Gedanken gedacht hatte, ohrfeigte sie sich innerlich dafür, da sie ganz genau wusste, dass sie auf Curtis und nicht auf Cian stand.

Und warum rechtfertigte sie sich in diesem Moment, wenn doch die Rettung von Viktoria und Flecky an erster Stelle stand?

Der Transport in die andere Welt hatte sie wohl härter erwischt, als angenommen. Hazy stellte sich dann ernst vor den Spiegel hin und sah sie und die anderen durchdringend an, um ihnen etwas auf den Weg mitzugeben. >Also Claire und Aria, meine Welt ist ganz anders als eure und ich hoffe, dass mein lieber Cian Hirn genug besitzen wird, um euch bestens zu integrieren. Wenn ihr etwas Merkwürdiges erlebt, was in eurer Welt unnormal ist, dann lasst es so wie es ist. Nicht vergessen, es sind zwei gegensätzliche Welten und es drohen bei uns mehr Gefahren als hier bei euch. Puh, endlich hab ich dann etwas Ruhe von den anderen Wesen. Also ich wünsche euch viel Spaß und wir werden auf jeden Fall noch reden, wegen dem Pläneschmieden und so. Ich möchte jetzt erstmals New York mit eigenen Augen sehen!<

Zack und die Verbindung war gebrochen. Nicht mal ein Auf Wiedersehen von den anderen, sondern einfach ein schwarzes Bild vor ihr.

Cian kicherte kurz und schüttelte ungläubig den Kopf, weil er es einfach lustig fand, dass er sich nun um zwei Frauen kümmern musste. Etwas in ihr sagte, dass es ihm sogar gefiel. So ein Macho!

Aria, die sich vor Neugierde kaum halten konnte, gesellte sich zu ihr und lief eng neben sie her, weil sie beide zugegebenermaßen etwas verunsichert waren. Kein Wunder, immerhin liefen sie gerade durch unsicheres Terrain und so wie die Leute hier aussahen, machte es ihrer aufkeimenden Angst auch nicht besser. Cian aber lief selbstbewusst und von sich selbst überzeugt quer über die Straßen und das, was Hazy ihr vorhin gesagt hatte, das stimmte sogar.

Rote Ampel bedeutete nun Grüne Ampel in dieser Welt.

An so etwas mussten sie sich also gewöhnen, doch das war nicht alles. Die meisten Autos waren so gebaut, dass der Motor hinten war und sowohl die Straßenschilder, als auch die Ladennamen waren auf dem Kopf gestellt. Die Vögel flogen sogar rückwärts, was richtig komisch aussah und beide Mädchen zum Lachen brachte. Cian verstand ihre Verblüffung und betrat ein großes Gebäude mit ganz vielen Fenstern und Aufzügen. Er steuerte direkt auf eines der Aufzüge zu, drückte einen rotblinkenden Knopf und steckte geduldig die Hände in die Hosentasche, was ihn ziemlich attraktiv aussehen ließ. Seine schwarze Lederjacke, das weiße Hemd, das seine darunter versteckten Muskeln abzeichnete, die dunkle Jeans und die schwarzen Adidasboots verleihten ihm dieses verführerische Bad-Boy-Image, das Claire innerlich irgendwie bewegte.

Vor allem sein wirres blondes Haar und sein Löwenkopftattoo am Nacken verursachte ihr tiefe Gänsehaut, sodass sie sich zitternd über die Arme streichen musste. Aria, die sie währenddessen gemustert hatte, wackelte verführerisch mit den Augenbrauen und lachte auf, als Claire ertappt rot wurde. Cian, der sich fragend umdrehte, weil sein Blick auf die Anzeige über dem Aufzug fixiert gewesen war und nichts von den Signalen der Mädchen mitbekommen hatte, stieß auf zwei grinsende Mädchen, die ihn unschuldig anstarrten.

Man könnte meinen, da würden Engelscheine über ihnen schweben.

Schulterzuckend wandte sich Cian wieder dem Aufzug zu und Claire stieß erleichtert Luft aus und boxte Aria leicht warnend in die Seite, die den Stoß augenzwinkernd erwiderte. Oh Gott, hoffentlich bildete sie sich nicht zu viel ein, denn nur weil Claire Cian anziehend fand, hieß das nicht, dass sie ihn noch obendrauf liebte. Er war arrogant, eingebildet, hochnäsig, zu selbstbewusst und selbstverliebt. Alles Eigenschaften, die nichts anderes als Abneigung in ihr hervorriefen.

Mit hoch erhobenem Kopf betraten sie dann alle den kleinen Aufzug und als sich dann die Türen schlossen, überkam Claire ein ungutes Gefühl. Sie mochte Aufzüge nicht so sehr und vor allem nicht solche, die zu schnell und nach unten fuhren. Warte mal, sie fuhren nach unten?

Aber da würden sie doch nur tiefer in die Erde fahren, oder?

Claire warf Cian einen ratlosen Blick zu, doch dieser zwinkerte nur lächelnd und nickte in Richtung Fahrstuhltür. Plötzlich hielt der Aufzug abrupt an, sodass sich Claire an der Wand abstützen musste, um nicht hinzufallen und die Türen gingen auf. Was dann kam, versetzte Aria und Claire in eine Art Trance. Der Flur war hell beleuchtet und führte an verschiedenen Türen vorbei, die aber nicht geschlossen waren, sondern offen. Und eben durch diese Türen konnten beide einen Blick in das Innere von Wohnungen werfen, die gigantisch waren. Cian bat die beiden Staunenden mit ihm zu kommen und das ließen sie sich nicht doppelt sagen. Er führte sie an diverse Wohnungen vorbei, bis zu einer Glastür, die natürlich offen stand und in ein Appartment führte, das die Größe eines Fussballfeldes hatte. Und anstatt aus dem Fenster in die Dunkelheit zu schauen, sahen sie die Stadt, die auf dem Kopf stand.

Es war unfassbar. Die Stadt war auf den Kopf gestellt und sie schauten sozusagen direkt nach oben auf die Straßen und Läden und Häuser. Ein Blick nach unten genügte, um den dunklen Himmel zu erkennen, da es hier Nacht war, weil in ihrer Welt es Tag war. Faszinierend!

Cian führte sie dann in die verschiedenen Zimmer und Claire stockte der Atem, als sie ihr Zimmer zu sehen bekam. Es war gigantisch und wunderschön eingerichtet, sodass sie sich wie zu Hause fühlte. Zwar wusste sie nicht warum sie sich so wohl fühlte, aber die cremefarbenen Wände, die großen Fenster mit den hellroten samtenen Vorhängen, das große weiße Himmelbett, der hellbraune große Kleiderschrank, der sogar begehbar war und schließlich die strahlend weißen Marmorfliesen verursachten in ihr eine Art Heimgefühl, das sie je kaum verspürt hatte. Aria war auch hin und weg von Claires Zimmer, aber selsbt ihr eigenes war gar nicht mal so schlecht eingerichtet.

Es hatte die Atmosphäre, die Aria verströmte.

Das Zimmer war nämlich modern eingerichtet, mit weißen Designerstühlen, einem großen Glastisch am Rand, ein rundes flauschiges Wasserbett, hellrot gestrichenen Wänden und schwarzen beheizten Fliesen. Warte mal, die waren beheizt? Aria, die vollkommen fassungslos war, weil ihr Zimmer einfach das beste war, was sie je gesehen hatte, zog sofort die Schuhe aus und begann barfuß durch das ganze Zimmer zu rennen, bis sie fröhlich lachend aufs Bett sprang und dann seufzend liegen blieb. Claire lachte bei dem friedvollen Anblick und dann fasste sie Cian am Arm, um sie aufzufordern mit ihm weiterzugehen.

Diese Berührung hatte sie viele Nervenzellen gekostet, da sie bei dieser heißen Berührung abgebrannt waren und sie sich richtig zusammenzureißen musste, um sich nicht an ihn ranzuschmeißen. Was war denn nur mit ihr los? Warum verhielt sie sich jetzt bei ihm so komisch?

Sie hatte gedacht, dass sie Curtis liebte, aber so wie ihr Körper auf Cian reagierte, konnte das dann doch nicht der Fall sein, oder? Cian war ein Macho und ein arroganter, hochnäsiger Mensch, aber zugegeben er sah verdammt heiß aus. Diese eisgrünen Augen waren wie ein eisiges Gefängnis, das einen erst freiließ, wenn er dies wollte. Seine aschblonden Haare waren auch zum Niederknien und der silberne Diamantohrring an seinem rechten Ohrläppchen verlieh ihm so eine verführerische Ausstrahlung, der sie sich gerne unterwerfen würde.

Wow, ok, das war nun zu viel für sie. Claire schüttelte heftig den Kopf, um diese dreckigen Gedanken aus dem Kopf zu bekommen, doch beim Anblick von Cians durchtrainierten Rücken, zerstörte es ihre aufgebaute Mauer. Dieser drehte sich fragend um, weil er ihr Unbehagen bemerkt hatte und fragte sie, ob es ihr gut ging, doch sie verneinte schnell und drängte ihn zum Weitergehen.

Verwirrt über ihr komisches Verhalten schüttelte er schulterzuckend den Kopf und zeigte im Folgenden das riesige Bad, dessen Badewanne das Highlight des Ganzen war. Diese Badewanne hatte die Form einer Banane und die war gigantisch, sodass bestimmt drei Personen locker Platz hätten. Warum Cian wohl so eine große Wanne brauchte? Doch seinem frechen Grinsen zu urteilen, wollte sie es dann doch nicht wissen, weil sie schon eine Vorahnung hatte.

Aria sah sich gleich intensiver um und streichte leicht mit den Fingern über die großen runden Waschbecken, den großen Holzregalen mit den Handtüchern und Duschgels und der Marmorsäule mitten im Raum, die das Ganze zu stützen schien. Kein Wunder, dieser Raum war genauso groß, wie alle anderen Räume. Schlussendlich endete die lange Führung in der Küche, wo sich die Menschen am Kühlschrank zu schaffen machten, da sie enormen Hunger bekommen hatten und nun viel Energie brauchten, um dann Cians Erklärungen und Geschichten über diese Welt zuzuhören.

Dieser setzte sich lässig auf einen rotlackierten Barhocker nah am Tresen hin und wartete geduldig auf die Mädchen, die ihr selbstgemachtes Sandwich wie wildgewordene Tiere verschlangen. Cian musste bei dem Anblick etwas schmunzeln, aber als sie fertig gegessen hatten, wechselte er von amüsiert zu ernst. Claire und Aria falteten brav die Hädne zusammen und hörten ihm aufmerksam zu, während er mit Gesten und Mimiken seine Welt zu erklären versuchte.

>Also, ihr wisst, meine Welt ist das komplette Gegenteil zu eurer Welt, deswegen ist es hier grad Nacht und nicht Tag. Der Himmel ist daher auch unten anstatt oben, aber sobald ihr in den Aufzug steigt und aussteigt, ist die Welt für euch wie in eurer. Der Aufzug ist sozusagen unser Verbindungspunkt zum Himmel und ja, das dazu. Unsere Autos fahren normal, nur dass der Motor anders angelegt ist und wie ihr ja gesehen habt, ist alles Geschriebene auf dem Kopf. Würdet ihr jetzt einen Spiegel unter einer Anzeige halten, dann würdet ihr sie lesen können, wie bei euch. Doch das war nicht alles! Da bei euch die meisten Menschen nicht kriminell sind, ist bei uns die Hölle los. Einmal war es so, dass ein Nachbar von mir falsch geparkt hatte und dann kam ein Polizist und erschoss ihn, während man bei euch mit einem Strafzettel gerechnet hätte! Deswegen bitte ich euch nichts zu tun, ohne mich vorher zu fragen, ok? Das einzig Gute an unserer Welt ist, dass man kein Geld braucht, um etwas zu kaufen, vor allem Lebensmittel oder Klamotten! Ihr könnt euch also frei bedienen, nur übertreibt es nicht, sonst droht Strafe, ok?<

Claire und Aria trauten ihren Ohren nicht. Sie konnten umsonst shoppen? Ein Traum ging für beide in Erfüllung und füllte sie mit purer Euphorie. Sie konnten es kaum erwarten in die Stadt zu gehen und dies auszuprobieren, als Aria eine Frage einfiel. >Und was hat es mit eurer Schwerkraft auf sich? Die Stadt steht auf dem Kopf, warum fällt ihr nicht in den Himmel!<

>Ha, das ist eine gute Frage! Ja, unsere Stadt mag zwar auf dem Kopf sein, aber wir sind an sie gebunden, wie ihr an eure Erde. Bei uns ist es aber noch so, dass falls du das Fenster aufmachst und rausfällst, hast du die Arschkarte gezogen. Dann fällt man nämlich direkt in die Unendlichkeit des Himmels rein und kehrt nie wieder zurück. Also, wenn ihr mal was gegen jemanden habt, dann schmeißt ihn aus dem Fenster, dafür kommt ihr nicht mal ins Gefängnis, auch eine ganz praktische Sache!<

>Willst du uns damit sagen, dass man hier ungehindert töten kann?<

>Jup, genau das will ich sagen... Klingt zwar voll brutal, aber es werden weniger hier getötet, als bei euch, glaubt mir! Uns ist es egal, ob jemand stirbt oder nicht und deswegen töten viele auch nicht, eben weil es egal ist...< Das war doch unfassbar. Diese Welt war ja das reinste Chaos, da musste man ja Jahre verbringen, um sie annähernd zu verstehen, aber da sie Cian bei sich hatten, würde das wohl keine Probleme darstellen.

Sie redeten noch eine Weile über andere Auffälligkeiten in der Stadt, bis Claire erschöpft beschloss in ihr Zimmer zu gehen und sich auszuruhen, deren Vorschlag auch Aria gähnend zustimmte. Cian begleitete die Mädchen, wie ein Gastgeber es so tat, zu ihren Zimmern und wünschte ihnen einen gesunden Schlaf und Ruhe, bevor er dann anschließend leise die Tür hinter sich zuzog und Claire sich in ihrem großen Zimmer alleine vorfand. Zwar wollte sie direkt in ihr wunderschönes Himmelbett eintauchen, aber sie schnappte sich zunächst einen Stift, der auf dem Schreibtisch lag, zog das rote Büchlein aus ihrer Hosentasche heraus und setzte sich seufzend auf den weißen Lederstuhl hin, um mit dem Schreiben anzufangen.

Sie hatte mal wieder ein ihrer weisen Momente und diese durfte sie bloß nicht ignorieren, da sie besonders waren. Besonders für sie selbst!

Drei Künste des Lebens gab es bereits, doch was sprach gegen eine vierte Kunst? Nichts. Aber welche könnte die vierte sein? Es musste etwas sein, was man auf dem langen Weg des Lebens brauchte, um an das gewünschte Ziel zu kommen. Einen Kompass für die Richtung, Schuhe für den Weg und die Waage für Enstcheidungen waren bereits im Gepäck, doch was brauchte man denn noch? Mut. Ohne Mut könnte man nicht riskante Entscheidungen treffen und weitermachen. Wenn der Kompass kaputtging, dann war der Mut da, um das Problem zu regeln. Mut war aber nicht zu vergleichen mit Risiko eingehen, sondern es war ein Vorgang, den man brauchte, um die Reise fortzusetzen, egal ob das Wetter gut war oder nicht. Selbst in neuen Situationen half kein Kompass, keine Schuhe und keine Waage, da half nur der Mut einer jeden Person. Das war also die vierte Kunst im Leben!

Claire stieß von ihrer Weisheit befreit einen tiefen Seufzer aus und legte den Stift beiseite, als es plötzlich an der Tür klopfte und Cian in einem weißen Muscleshirt und einer schwarzen Adidas-Sporthose das Zimmer leise betrat. >Oh, wie ich sehe, schläfst du noch nicht, das freut mich!<

>Warum denn das?<

>Weil ich mit dir reden wollte!< Claire warf ihm einen misstrauischen Blick zu und ihr gingen tausend Gedanken durch den Kopf, was er hätte alles mit ihr besprechen können, aber als er sich ihr gegenüber auf einem bequemen Sessel niederließ, schaltete ihr Hirn vollkommen ab. Sein selbstbewusstes verführerisches Aussehen verursachte ein merkwürdiges Holpern in ihrem Herzen, aber die Gänsehaut meldete sich immer wieder, je länger er sie anstarrte. Warum war er überhaupt hier? >Ich wollte dich ein bisschen näher kennenlernen und dachte mir, wir könnten über dies und das reden...<

>Warum willst du mich näher kennenlernen?<

>Ich finde, dass du eine sehr interessante Persönlichkeit bist und ich bin ein Mensch, der seinen Interessen nachgeht!< Bei den letzten Worten hatte seine Stimme einen rauen verlangenden Unterton bekommen, der ihre Beine erzittern ließ. Es reagierten auch andere Regionen bei ihr, die sie jedoch schnell aus ihrem Gedankenfeld verbannte, damit sie bloß nicht die Fassung verlor.

Warum war Cian nun so nett zu ihr? Das war sie bei ihm nicht gewohnt, da er sie meistens mobbte, anstatt nett zu fragen, was ihre Hobbys waren. >Hallo, Claire, alles in Ordnung?< Cian wirkte sichtlich verwirrt über ihre stille Reaktion vor ihrem Gesicht hin und her, bis sie kurz zusammenzuckte und ihn dann fragend ansah. >Was? Wie bitte, was hast du gefragt?<

>Ich hab gefragt, was deine Hobbys sind oder ist das eine so schwere Frage, dass das gut erzogene Mädel nicht drauf antworten kann?< Und da war er wieder. Der Cian, den sie von Anfang an kennengelernt hatte. Immer bissige Kommentare auf der Zunge, die er nie schluckte, sondern einfach frei aussprach.

Etwas beruhigt, dass er nicht mehr so komisch drauf war, erzählte sie ihm von ihren Vorlieben, wie sich um ihre Blumen zu kümmern, Piano zu spielen, mit Flecky zu spielen, zu tanzen und natürlich zu shoppen. Das mit dem Tagebuch erzählte sie ihm natürlich nicht, aber als er einen fragenden Blick auf das aufgeschlagene Büchlein warf, war ihre Tarnung aufgeflogen. Doch zu ihrem Glück fragte er nicht nach, sondern stellte ihr auch Fragen über ihr Leben, Freunde und sogar Liebe, wobei sie sich bei dem letzten Thema etwas schüchtern anstellte, da sie keinerlei Erfahrung damit gemacht hatte, worüber Cian sichtlich überrascht war. >Du bist so ein wunderschönes Mädchen und dann hast du noch nie einen Freund gehabt? Das ist doch wohl unfassbar! Es wird mal Zeit dich in Sachen Liebe zu entjungfern, so kann das nämlich nicht weitergehen. Du vergeudest sonst deine Zeit!<

Diese Worte hallten eine Weile in ihrem Kopf und peinliche Röte stieg in ihrem Gesicht hoch, als sie verstand, was er mit dem 'entjungfern' meinte. Dieser lachte einfach nur bei ihrem ertappten Blick auf und versicherte ihr, dass er sie nie zu etwas zwingen würde.

Gott, Cian machte sie so unsicher, dass sie sich wie ein verlorenes Kind im Park fühlte. Allein, schutzlos und ganz hibbelig. Immerhin bemerkte er ihr Unbehagen und begann etwas aus seinem Leben zu erzählen, um sie auf angenehmere Gedanken zu bringen. >Also, ich bin Designer, was auch der Grund für meinen ausgezeichneten Modegeschmack ist und meine Hobbys sind... mit meinem Auto durch die Stadt zu fahren, einkaufen zu gehen, mit Freunden etwas zu unternehmen, designen natürlich und die Pointe. Frauen! Ich liebe Frauen, denn sie sind es, die mich inspirieren und meine Fantasie anregen...<

>Also noch machohafter kannst du das nicht rüberbringen, Inspiration und Fantasie, Gratulation!<

>Hey, das stimmt aber. Designer lieben nunmal Frauen. Wenn ich angeben würde, dann mit meinem Cadillac ja?! Es ist eine Einzelanfertigung und ich hab das Modell entworfen, pah, was sagst du jetzt, Clairchen?<

>Dass Designer meistens schwul sind!<

>Ok, das hat echt gesessen, autsch! Aber keine Sorge, ich bin nicht schwul. Das heißt, dass du eine Chance bei mir hast!< Oh mein Gott, dieser Mann strotzte so vor Selbstgefälligkeit, aber trotzdem fand sie es einfach zum Lachen, wie er sich so präsentierte. Doch ihr entging nicht sein undefinierbarer Blick, der sich durch sie hindurchzubohren schien und sie von innen zerfraß.

Diese Unsicherheit packte sie wieder am ganzen Körper und ihr Blick glitt automatisch an seinem Körper herunter, der einfach zum Anbeißen aussah. Diese Bauchmuskeln waren zum Greifen nah und das Drachentattoo, dass seinen linken Oberarm zierte, schrie förmlich nach ihr. Was war nur mit ihr los? Man könnte meinen, sie zittere wie ein Chihuahua.

Deswegen musste sie sich unbedingt ablenken und ließ das Thema Hazy auf den Tisch fallen. Cian, der sie währenddessen ruhig beobachtet hatte, legte den Kopf kurz schief und holte tief Luft, bevor er zu berichten begann. >Hm, also das mit mir und Hazy... Das ist eine ganz lustige Geschichte irgendwie! Wir haben uns beim jährlichen Stadtfest getroffen und da wir beide ziemliche Draufgänger sind, haben wir um die Wette getrunken und sind schließlich im Bett gelandet. Also, das ist halt die Kurzversion... Ja, also, am nächsten Tag standen wir also vor der Wahl, Partnerschaft oder nicht und irgendwie waren wir beide nicht zu einem Ergebnis gekommen, also blieben wir nur Freunde, die halt ab und zu, na du weißt schon! Tja, ich ging natürlich mit anderen Frauen aus und sie mit anderen Männern, da brachen wir das ganze ab und ja, jetzt sind wir nur Freunde, die sich gerne die Köpfe einschlagen. Ich verstehe zwar auch nicht, wie es so weit kommen konnte, aber so ist der Lauf der Dinge. Und, ok... Zugegeben, sie ist mir wirklich ans Herz gewachsen, aber eher wie eine Schwester, als meine Geliebte, verstehst du?<

Claire nickte langsam und musste erstmal das Erfahrene verdauen, bevor sie anfing zu lachen, weil sie deren Geschichte nur urkomisch fand. Die zwei waren beide genau gleich und hatten außer Geschlechtsverkehr und Freundschaft nichts auf die Reihe gebracht, sodass sie sich nun wie Geschwister verhielten. Komischer Verlauf der Dinge, aber die beiden schienen immerhin damit klar zu kommen, was sie irgendwie freute. Wäre ja schlimm, wenn sie sich wirklich hassen würden, denn Freundschaft war das einzige, was sie alle in dieser Gruppe zusammenhielt.

Cian schien genau das Gleiche zu denken, weil kurz ein Lächeln über sein Gesicht huschte, bis er abrupt den Blick auf sie richtete und sie durchdringend ansah. Heute hatte er aber mal viele Stimmungsschwankungen. Mal war er der Macho wie immer, dann war er nur nett und manchmal war er einfach verschlossen oder riss Witze.

Wahrscheinlich war die Luft in dieser Welt nicht so rein, wie in ihrer Welt und wenn sie recht überlegte, dann müsste der Anteil an Stickstoff hier größer sein, weil es ja die Gegenwelt war. Dieser Gedanke war aber so lächerlich, dass sie kurz verhalten kichern musste und dabei verwirrte Blicke von Cian ergatterte. Auf einmal schien die Welt für einen kurzen Moment stehen zu bleiben, sodass ihr Herzschlag fast wie der Bass einer Bassgitarre in einem Echoraum klang. Sie hoffte inständig, dass Cian nicht Wind davon bekam, doch dieser kam so schnell auf sie zu, dass sie zweimal blinzeln musste, um zu realisieren, dass seine Lippen auf ihren lagen.

Nanu, was war denn das?

Claires Gedanken kreisten in wilden Bahnen umher und versuchten sich zu ordnen und der Rest ihres Körpers fühlte sich an, als hätte man ihr eine große Dosis Morphium verpasst. Cian umfasste mit seinen warmen Händen ihr Gesicht und sah sie während dem langen Kuss intensiv in die Augen, sodass sie sich wie gefangen in seinen hellen grünen Augen verlor. Sie waren sogar viel heller als sonst und sie funkelten an manchen Stellen, was sie aber nicht richtig definieren konnte. Nicht mehr lange und sie musste seufzend an seinem Mund die Augen schließen und den Kuss genießen. Claire wusste nicht, wie lange der Kuss dauerte, aber es fühlte sich wie eine Ewigkeit an.

Eine schöne Ewigkeit, wenn sie ehrlich war.

Cian vertiefte etwas den Kuss und wurde ein bisschen fordernder, doch sie ließ sich nicht aus dem Konzept bringen und genoss jeden Schauer, der er ihr über den Rücken jagte. Aber dann löste er sich schwer atmend von ihr und das Funkeln in seinen Augen erlosch. Ohne ein Wort stand er dann auf und verließ schnellstens das Zimmer und ließ die arme Claire allein zurück. Diese war einfach nur überrumpelt und konnte zunächst keinen klaren Gedanken fassen, bis sie aufstöhnend den Kopf in die Hände legte und ihn heftig schüttelte. Sie wollte diese erdrückenden Gedanken aus dem Kopf haben, weil sie sie wie Geister plagten.

Curtis und Cian. Cian und Curtis. Wer war jetzt wer für sie?

Der Kuss mit Curtis war so schön und sanft gewesen, ganz im Gegensatz zum etwas leidenschaftlicheren Kuss von Cian. Doch beides hatte eins gemeinsam. Beide waren einfach gegangen oder hatten ihr eine Abfuhr erteilt und diese Erkenntnis brannte sich in ihr Herz rein, sodass es für eine Weile schmerzte.

Hatte sie was Falsches gemacht oder konnte sie wirklich so schlecht küssen? Vielleicht war sie den beiden ja auch langweilig geworden? Claire wusste es einfach nicht und das machte sie seelisch fertig. Warum musste das Leben nur so schwer sein? Und warum mussten ausgerechnet zwei wunderbare Männer sie küssen und sie einfach abblitzen lassen?

Da das aber alles rhetorische Fragen waren, seufzte sie ein paar Mal, bis sie entschloss das Thema Liebe fallen zu lassen. Sie hatte Wichtigeres zu tun, als sich in Selbstmitleid zu sudeln, weswegen sie ihre vierte Waffe im Leben einsetzte. Ihren Mut! Komme was wolle, sie würde ihr Leben weiterleben.

Erneut klopfte es dreimal an der Tür, als auch schon die verschlafene Aria hereintrat und sie besorgt fragte, ob etwas passiert war, weil Claire so traurig aussah. Claire schüttelte den Kopf und setzte ihr gespieltes Lächeln auf, das sie seit ihrer Kindheit perfektioniert hatte, damit niemand, aber auch niemand merkte, dass sie innerlich zerbrach wie tausend Glassscherben.

Natürlich kaufte ihr Aria das Lächeln ab und setzte sich ihr gegenüber hin, um ihr zu erzählen, wie tief und fest sie geschlafen hatte und dass sie nun unbedingt shoppen gehen wollte. Bei dem Vorschlag klärten sich die Wolken in Claires Hirn und sie nickte zustimmend, um sich dann gleich daraufhin ein Stadtoutfit aus dem Schrank, das so einiges an Markenklamotten zu bieten hatte, zusammenzustellen und dann ins Wohnzimmer zu gehen, wo sie Aria grinsend erwartete. Sie hakte sich dann lächelnd bei ihr ein und zusammen begaben sie sich auf eine schöne Shoppintour durch die prall gefüllte Stadt. Zwar waren sie von den Menschenmassen nicht so begeistert, da sie so ignorant waren, aber die Tatsache, dass sie tatsächlich alles umsonst bekamen, machte alles wett.

Hier und da besuchten sie ein paar Klamottenläden, bedienten sich an deren Kleidern, posten, lachten, besorgten sich am Eingang Tüten und nahmen die besten Stücke mit. Dieser Vorgang hätte einfach die ganze Nacht andauern können, aber Claire erinnerte sich an Cians Worte und bestand darauf, dass sie sich in einem Café niederlassen sollten. Aria stimmte grinsend zu und kicherte glücklich über ihre neuen Klamotten, die in den vielen Einkaufstaschen ruhten. Sie entdeckten dann am Rande eines kleinen Parks ein kleines Café, das ganz gemütlich aussah und ein paar Couchstühle außerhalb des Ladens anbot, worauf sich die Mädchen seufzend hinsetzten und der netten Kellnerin ihre Bestellung gaben.

Aria hatte Lust auf ein Glas Bacardi bekommen, aber Claire bevorzugte immer noch die Süße der Cola. Nicht lange und die Gläser standen schon auf dem Tisch, ohne jegliche Rechnung. Diese Welt war einfach ein Traum, ok, nicht ganz, aber für Frauen gar nicht mal so schlecht. Claire trank einen Schluck Cola und dann begann sie einfach drauf loszureden, weil ihr der Kuss nicht aus dem Kopf gehen wollte. Aria hörte währenddessen geduldig und still zu, bis sie dann in schallendes Gelächter ausbrach und ihr lachend auf die Schulter klopfte. >Ach, du wirst doch wohl wissen, wie Männer ticken. Sie sind Jäger, die im Dschungel jagen gehen... Wenn sie ihre Beute gefunden haben, dann tasten sie sich ein wenig an, um zu schauen, ob sie leicht zu haben ist und ist sie das nicht, dann beißen sie zu. Ist die Beute ein hartes Stück Arbeit hauen die meisten dann ab. Du bist, so weit ich dich kennengelernt hab, eine stolze und starke Frau. Also eine schwere Beute und das ist gut so! Lass dich von hormongesteuerten Männern, wie Cian, nicht die Laune verderben, nur weil sie ihre Triebe nicht unter Kontrolle haben. Sollte er wirklich Interesse an dir haben, dann wird er wiederkommen, glaub mir! Eine New Yorkerin weiß alles!<

Beim letzten Satz musste selbst Aria schmunzeln, aber alles, was sie gesagt hatte, schien für Claire einleuchtend zu sein. Sie hatte verdammt recht. Sie würde nicht rumsitzen und rumheulen, weil sie zwei Männer abserviert hatten, sondern einfach ihr Leben weiterleben und mit erhobenem Haupt durch die Straßen gehen. Gut, dass sie das endlich ausgesprochen hatte, denn Aria machte einen sehr erfahrenen Ausdruck, die ihr wirklich geholfen hatte.

Man musste nur Mut haben, das war die Kunst der Situation.

Aria bestellte dann noch einen Eisbecher und gab Claire auch einen Löffel, damit sie auch in den Farbenschmaus eintauchen konnte, bis Claire fassunglos den Löffel fallen ließ. Da kam dieser Unbekannte, den sie schon ein Mal gesehen hatte, auf sie zu und setzte sich ohne Wort neben sie hin.

Nate.

Aria, die zuerst nicht realisiert hatte, dass sich jemand neben sie gesetzt hatte, fuhr herum und sah direkt in das Gesicht des anderen Ichs von Noah. Claire hatte ihn an den kurzen schwarzen Haaren und dem goldenen Armband erkannt, dessen Inschrift sie versuchte zu lesen, es aber nicht schaffte, da die Schrift zu klein war. Aria schien in einer Art Schockstarre zu stecken und selbst nachdem Nate ihnen erzählte, dass Flecky und Viktoria im Hause des Bürgermeisters am Rande der Stadt waren, sagte sie nichts. Claire war total außer sich, weil sie überglücklich war, dass sie endlich wusste, wo ihr geliebter Welpe war, aber selbst bei ein paar Hintergrundfragen, blieb Nate still, stand auf, gab Aria einen Handkuss und ging.

Was war denn das für ein Auftritt gewesen? Nate war anscheinend nicht so der redselige Typ, aber was hatte Aria mit ihm zu tun, weil der Handkuss bestimmt mehr als nur eine Abschiedsgeste gewesen war. Aria, die ihren misstrauischen Blick bemerkt hatte, sah sie mit einem traurigen Blick an und begann zu erzählen.

>Also, du musst wissen, dass ich nachdem meine Eltern gestorben sind, ziemlich am Boden zerstört war. Ich hatte ein bisschen mit dem Trinken angefangen und eines Abends, als ich halb betrunken nach Hause getorkelt bin, kamen so Vollidioten auf mich zu und wollten mich begrabschen. Ich war nicht ganz bei Kräften und wäre fast vergewaltigt worden, wäre Nate nicht aufgetaucht. Er brachte mich, nachdem er die Typen zusammengeschlagen hatte, zu mir nach Hause und kümmerte sich um mich. Ein wildfremder Typ, der sich von Tag zu Tag in mein Herz eingeschlichen hatte, weil er jeden Tag bei mir gewesen war. Natürlich verliebte ich mich in ihn und er gestand mir kurz daraufhin seine Liebe und dass er aus der anderen Welt war. Ich hatte eh schon den gewissen Hass gegenüber solchen Wesen, aber ich liebte ihn zu sehr, um ihn, für das was er war, zu hassen! Wir waren dann für etwa zwei glückliche Monate ein Paar, bis er mir eine Wohnung in New York kaufte, weil er wollte, dass ich einen Neustart wagte und ich tat es. Ich verließ meine Heimat und fing neu an, doch eines Abends kehrte er völlig fertig zurück, schenkte mir dieses goldene Armband und ging für immer weg. Er hat mir nie gesagt warum und jetzt treffe ich ihn hier wieder. Gott, ich, kanns nicht fassen, dass er...<

Sie legte den Kopf in die Hände und begann leise zu weinen, sodass sich Claire sofort zu ihr beugte und sie liebevoll in den Arm nahm. Dabei entdeckte sie Nate an der Straßenecke, der sie annickte und endgültig ging und wenn sie ihre Augen nicht getäuscht hatten, dann hatte er beim Kehrtmachen eine Träne vergossen. Warum war er bloß gegangen, obwohl er sie liebte?

Aber nun wusste Claire, was auf seinem Armband stand. Aria! Das ließ sich ganz einfach von Arias Armband ableiten, da darauf Nate stand und die Haut, die durch das Armband abgedeckt war, hatte schon einen weißen Abdruck hinterlassen. Aria musste ihn immer noch lieben, denn wer trug schon das Armband des Verschollenen, der immer noch lebte, aber sich nie gemeldet hatte?

Ein bisschen wütend war Claire schon auf Nate, aber er musste seine Gründe haben, denn Noah hatte nicht so viel Gutes über ihn erzählt und die Tatsache, dass das Gleichgewicht wegen ihm geschwankt haben könnte, könnte ein Grund für sein Verschwinden gewesen sein. Aria weinte immer noch an ihrer Brust und Claire streichelte ihr beruhigend den Kopf, bis sich Aria schniefend die Tränen wegwischte und sie traurig anlächelte. Sie dankte ihr für ihre nette Geste und bat sie zu Cian in die Wohnung zurückzukehren. Claire nickte ihr aufmunternd zu und nach ein paar Minuten standen sie im Aufzug und Stille schwang in der Luft. Als dann jedoch die Türen aufgingen, stieß Aria einen tiefen Seufzer aus und hakte sich wieder bei Claire ein, die sie freundlich anlächelte.

Cians Wohnung stand natürlich wieder offen und im Wohnzimmer erwartete sie bereits die nächste Überraschung. Diese silberne Flüssigkeit schwebte wieder in der Luft und mittendrin waren ihre anderen Freunde zu sehen, die sich gerade angeregt über etwas unterhielten. Cian kam dann auch gleich um die Ecke und sein attraktiver Anblick versetzte ihr einen tiefen Stich ins Herz. Durch diesen Kuss hatte sich einiges geändert und der Moment, in dem sie gedacht hatte, dass der Aufenthalt schön werden würde, rückte immer mehr in die Dunkelheit.

Doch sie würde sich einfach nichts anmerken lassen und die Unsicherheit mit dem Mut besiegen. Cian stellte sich direkt neben sie hin und dabei streichte er sie kurz am Arm, was sie vollkommen aus dem Konzept brachte. Das zum Thema Mut! Ihre Beine waren wieder Wackelpudding! Aber sie ließ sich nichts anmerken, sondern straffte die Schultern und trat neben Cian, um die anderen besser im Blick zu haben.

Hazy war total aufgeregt, da sie von einem erneuten Vorfall berichtete, der sich mitten im Broadway abgespielt hatte. Zwar hatten sie es geschafft das Schlimmste abzuwenden, aber sie waren sich sicher, dass es erneut einen Angriff geben würde. Noah ballte wiederholt die Hände zu Fäusten, da er immer noch genervt und besorgt war, weil seine Schwester immer noch in Gefahr schwebte. Da beschloss Claire die Bombe platzen zu lassen. >Leute, ich und Aria haben Nate getroffen und er hat uns gesagt, dass Viktoria und Flecky beim Bürgermeister der Stadt sind. Genau bei sich zu Hause.<

Plötzliche Stille brach ein und Claire glaubte für einen Moment, sie seien alle zu Stein erstarrt, als Noah einfach so nach hinten kippte. Helena riss erschrocken die Augen auf und versuchte ihn mit leichten Klapsern auf der Wange wieder ins Leben zurück zu holen, als seine Augen aufflatterten und wild umherschauten. Hazy und Cian sahen sich ungläubig an, weil sie es nie erwartet hatten, dass ihr eigener Bürgermeister hinter solch einer skrupellosen Tat stecken könnte, obwohl dieser schon so viel für die Stadt getan hatte.

Tja, das waren eben die Politiker von heute, egal in welcher Welt, sie waren alle gleich und man durfte ihnen auf keinen Fall vertrauen.

Claire hatte sogar gelesen, dass man zu hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit einen Psychopathen in Politikerkreisen traf. Nun hatten sie ihren Psychopathen. >Du willst mir sagen, dass mein anderes Ich, Nate, sicher weiß, wo sie sind? Woher sollen wir wissen, dass das keine Falle ist oder ob er überhaupt die Wahrheit sagt!?< Noah hatte sich von seinem Ohnmachtsanfall erholt und stand nun breitbeinig und misstrauisch vor ihr und hob fragend eine Augenbraue.

Gott, konnte er nicht einmal logisch denken? Claire verdrehte schnaufend die Augen und verteidigte ihre Position mit der Begründung, dass Nate schon mal ihnen geholfen hatte und zwar bei der Suche nach Aria. Dabei schnellte Arias Kopf zu ihr und Traurigkeit erfüllte ihren Blick, den Claire nur zu gut verstand. Immerhin hatte sie ihn lange nicht mehr gesehen. Noah aber verzog den Mund zu einem Schmollen, weil er es einfach nicht wahrhaben wollte, dass sein anderes Ich vielleicht es doch gut gemeint hatte. >Leute, es ist ganz einfach... Uns bleibt nichts anderes übrig, als jetzt zu handeln! Wir denken uns einen Plan aus und retten die anderen, bleibt uns was anderes übrig, nein! Was meint ihr?<

Curtis sah sich fragend in der Runde um und ergatterte zustimmende Blicke, als Claire Hazys verträumte Blicke bemerkte. Sie war wirklich hin und weg von ihm, aber Claire wusste trotzdem nicht, was sie in dieser Hinsicht tun sollten. Einerseits gönnte sie es ihr, doch andrerseits mochte sie Curtis selbst, oder nicht? Was war mit Cian?

Mit einem Seitenblick erkannte sie seine athletische Haltung und seinen nachdenklichen Blick und als er sich dann zu ihr wandte, schaltete ihr Herz kurz aus. Ok, vielleicht mochte sie ihn auch sehr, aber ach, was sollte sie nur tun?

Kopfschüttelnd verdrängte sie diese Fragen und fokussierte ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Plan, den sie nun schmieden wollten. Hazy meldete sich als erstes zu Wort, da sie eine Idee hatte, wie sie in das Haus vom Bürgermeister ungehindert eindringen konnten. >Es findet jährlich eine Feier im Hause des Bürgermeisters statt, in der sich die Staatsbeamten und Wohlstandsleute treffen und die Gründung der Stadt feiern. Da kann auch Cian mit, da er sehr gur verdient. Und du kannst auch dahingehen Claire, weil ich Anwältin im Rathaus bin und du genau gleich aussiehst. Dort geht ihr dann hin und schaut euch etwas um, um herauszufinden, wo die anderen sind. Habt ihr sie gefunden, öffnet ihr ein Portal zu dieser Welt und wir werden euch helfen kommen, um sie zu befreien... Das ist die einzige Möglichkeit!<

Cian war mit dem Plan sofort einverstanden, da er genug Kontakte hatte, um auch Aria reinzuschmuggeln und die anderen waren auch mit dem Plan zufrieden, da er keinerlei Komplexität hatte. Gefahr würde natürlich auf sie lauern, aber sie mussten es einfach riskieren. Immerhin stand das Leben ihrer Freunde auf dem Spiel!

Sie sprachen noch eine Weile über ihren Plan und spezifizierten ihn, bis er nahezu sicher und perfekt war. Das Portal zwischen den beiden Welten wurde dann geschlossen und dann blieben Cian und die Mädchen alleine zurück und entschieden sich einen Film anzugucken, um sich etwas abzulenken. Dafür ging Cian kurz in sein Zimmer, um eine Komödie zu holen, die er vor Kurzen gekauft hatte und Claire verschwand in ihrem Zimmer, um sich ihr Nachthemd überzuziehen. Als sie sich dann im Spiegel betrachtete, tauchte plötzlich Hazy vor ihr auf und funkelte sie interessiert an. >Na Claire, hast du mir vielleicht etwas zu sagen?<

>Was, wie... Hey, ich hab mich gerade umgezogen, was willst du hier? Und was soll ich dir denn sagen?<

>Hey, also erstens, wir haben den gleichen Körper, also seh ich nichts Neues und zweitens, na ja... Etwas, was mit Cian zu tun hat?<

>Woher weißt du das mit Cian?<

>Ich wollte mit dir reden, einfach plaudern und dann habe ich euch gesehen... Ich dachte, dass du Curtis liebst, aber was war denn das? Du hast den Kuss ja richtig genossen!<

>Habe ich nicht, ich war einfach überrascht und der ist eh ein guter Küsser, so viel Übung wie der hat und ich...<

>Hey, ich kenne dich. Ich spüre jeden Gedanken, der dir durch den Kopf geht und ich weiß, dass du es selbst nicht weißt, was du fühlst. Aber eins kann ich dir sagen, solltest du wikrlich anfangen, etwas für Cian zu empfinden, dann sei vorsichtig. Er ist ein Windhund und er mag seine Freiheit! Klar, er ist ein sehr guter Freund und loyal, aber in Sachen Beziehung ist er eine fünf von zehn. Bitte, rede mit mir, bevor du deine Entscheidung fällst. Ich will nämlich nicht, dass du verletzt wirst!<

>Ok, gut... Danke Hazy, ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun würde. Und wenn ich ehrlich bin, bin ich froh dich kennengelernt zu haben!< Bei diesen Worten umspielte Hazy ein liebevolles Lächeln um die Lippen und sie gab ihr diese Erkenntnis willkührlich zurück. Sie sahen sich eine Weile lang betreten in die Augen, bis Hazy sich verabschiedete und ihr versprach, das Gespräch ein anderes Mal intensiver auszuführen. Claire nickte bei dem Vorschlag und winkte ihr lächeln zum Abschied, als es dann auch fragend an der Tür klopfte.

Cian betrat leise das Zimmer und erkundete sich nach ihrem Wohlbefinden, worauf Claire mit einem Lächeln erwiderte, dass es ihr gut ging. Doch je länger sie ihm in die Augen starrte, desto unwohler fühlte sie sich, weil sie nicht zu handeln wusste. Cian machte es ihr auch nicht leicht, indem er ihr immer näher kam, wie ein Raubtier seiner Beute und doch zog er sie an, wie der Südpol den Nordpol.

Er umfasste ganz sanft ihr Gesicht und küsste sie zum zweiten Mal, nur dass diesmal mehr Zärtlichkeit im Spiel war, was ihr total den Kopf verdrehte. Warum musste er nur so gut küssen und warum musste er sie überhaupt küssen? Er war doch nach ihrem ersten Kuss abgehauen und nun küsste er sie wieder? Was war nur mit diesem Mann los?

All diese Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf und ließen den Kuss nicht so sinnlich ausfallen, wie vorgehabt, doch als Cian, ihr in die Haare griff und sie fordernd küsste, ließ sie diese Fragen widerstandslos fallen und erwiderte den Kuss so gut sie konnte. Ein Seufzen entfuhr ihr dabei und Cian ließ eine Hand weiter an ihr herunter gleiten, bis sie an ihrem Rücken liegen blieb und sie fester an sich drückte. Was für eine Gänsehaut! Doch wie beim ersten Mal löste er sich atemlos von ihr, ging aber nicht weg, sondern strich ihr leicht durch die Haare.

Verlegen sah sie zu Boden, weil sie nicht wusste, wie sie sich verhalten sollte, aber Cian hob mit einem Finger ihr Kinn hoch und schaute ihr tief in die Augen. >Dieser Kuss sollte dir bei deiner Entscheidung helfen, hoffe ich!<

>Du hast mich belauscht? Und was fällt dir eigentlich ein mich zu küssen und dann einfach zu gehen, wieder zu kommen und mich erneut grundlos zu küssen? Ich bin kein Jojo!<

>Na ja, ich hatte nicht vor, dich zu verletzen oder so, ich wollte eigentlich, ich...<

>Leute, kommt ihr jetzt? Was wird aus dem Film?< Aria kam mit einer Schale Popcorn in das Zimmer rein und starrte die beiden gespannt an, bis sich Cian räusperte und sich kurz durch die Haare fuhr. Claire wickelte nervös ihre Strähne um den Finger und folgte den anderen ins Wohnzimmer, wo sie sich zunächst stillschweigend nebeneinander setzten und auf den bunten Bildschirm des Fernsehers schauten. Aria lockerte zum Glück die Lage mit einem kurzen Witz und dann konzentrierten sie sich wieder auf den Film, der ziemlich witzig war.

Eine Weile verging, bis Claires Augen immer wieder zufielen und sie sich für Sekundenbruchteile ins Traumland schlich, doch sie wollte nicht den Film verpassen und strengte sich an wach zu bleiben. Dabei fiel ihr Kopf wiederholt auf Cians Schulter, der sich jedoch nichts anmerken ließ. Wahrscheinlich war es ihm immer noch unangenehm ihr in die Augen zu schauen, weil er keine Erklärung zu seinem Verhalten hatte.

War ihr aber auch im Moment egal, da sie lieber den Film anschaute anstatt sich wieder den Kopf darüber zu zerbrechen, ob Cian es ernst mit ihr meinte. Außerdem musste sie das noch mit Curtis klären, ob sie ihn nun doch liebte oder nicht.

Aria war schon seit einer halben Stunde mit einer leeren Popcornschüssel eingeschlafen und Claire konnte ein kleines zaghaftes Schnarchen hören, was irgendwie süß klang. Cian hatte es auch schon bemerkt, aber auch dazu äußerte er sich nicht. Irgendwann wurde es ihr dann zu viel mit seinem Schweigen und sie stand seufzend auf, um schnell im Bad zu verschwinden und sich bettfertig zu machen. Dazu wusch sie sich das reine Gesicht, putzte ihre gepflegten weißen Zähne, cremte sich an den Beinen und im Gesicht ein und dann kämmte sie ihre langen welligen dunkelblonden Haare und band diese zu einem Zopf.

Anschließend entledigte sie sich ihrer Klamotten, zog sich ihr weißes Nachthemd an und verließ das Bad, um sofort in ihrem Bett zu verschwinden, das mit seinen weich gepolsterten Kissen und der Decke sie mit offenen Armen aufnahm.

12. Kapitel

Am nächsten Morgen wachte Claire auf eine höchst unangenehme Weise auf, da sie eher ein Frühstück im Bett oder das Schlecken von Flecky erwartet hatte, doch stattdessen stürzte sich etwas auf sie und ließ sie aufschrecken. Cian lag tief luftholend auf ihr, rappelte sich wieder auf und haute einem Wesen, das sich brüllend auf sie stürzte, ins Gesicht.

Claire riss erschrocken die Augen auf und richtete sich auf, als wieder ein Wesen ins Zimmer stürmte und auf sie zurannte und Cian erneut zuschlug. Er drehte sich kurz zu ihr um, befahl ihr, hinter ihm zu bleiben und nichts zu tun, da er alles unter Kontrolle hatte. Doch dann schmiss ihn ein Wesen zu Boden und sie prügelten sich eine Weile hin und herrollend, als Claire widerspenstig beschloss, ihm zu helfen. Dazu zog sie an einer Gardine, um den Halter von der Wand zu lösen, nahm den Stab in die Hand und schlug dem Wesen wütend auf dem Kopf.

Nichts hasste sie mehr, als unschön aufgeweckt zu werden, da sie einen gesunden Schlaf pflegte.

Das Wesen rollte sich brüllend vor Schmerz von Cian runter, der diese Situation ausnutzte und das Wesen an den Haaren packte und nach draußen zerrte, um anschließend das Fenster zu öffnen und es rauszuschmeißen. Die Gestalt schrie verzweifelt, bis die Dunkelheit seine Stimme verschluckte und wieder Ruhe einkehrte, bis Aria mit einem anderen Wesen antanzte, welches sie mit ihrem grünen Licht Richtung Fenster präparierte. Cian half ihr etwas nach, indem er dem Wesen ein Bein stellte und dieses dann in die Unendlichkeit des Himmels fiel.

Claire war daraufhin sprachlos. Was war denn das gewesen?

Aria, die sich tief luftholend auf die Couch setzte, rieb sich über die verschwitzte Stirn und stieß ein lautes 'Puh' aus. Cian ließ sich auch neben sie nieder und klopfte leicht lächelnd neben sich, um Claire zu signalisieren, dass sie sich hinsetzen sollte, doch daran dachte sie nicht im geringsten. Wesen waren in seine Wohnung eingedrungen und hatten sich wie die wilden Tiere auf sie gestürzt und nun sollte sie sich brav hinsetzen und runterkommen? Nichts da!

Sie lief mit verschränkten Armen wild umher und bombardierte sie mit Fragen, wie das alles hätte passieren können. Cian zuckte nur lässig mit den Schultern und antwortete, dass es üblich sei, solchen Überfällen ausgeliefert zu sein, da diese Wesen ganz anders, als die restlichen Bewohnern der Stadt waren und sozusagen die Missgeburten ihrer Welt waren. Claire verstand trotzdem nicht, warum sie Leute überfielen, doch darauf wusste selbst Cian keine Antwort. Er stand nur desinteressiert auf und vergewisserte sich bei ihr, ob es ihr gut ging und bedankte sich auch für ihre Rettungsaktion, auch wenn sie unnötig gewesen war. Claire nickte und bedankte sich auch bei ihm für seinen vollen Körpereinsatz in ihrem Bett, was ein freches Grinsen in seinem Gesicht hervorbrachte und sie auch zum Lächeln zwang.

Aria stieß währenddessen tiefe Seufzer aus und auf die Frage Claires, was sie wolle, antwortete sie, dass sie großen Hunger habe. Cian lachte bei der Aussage auf und ging kopfschüttelnd in die Küche, um schnell ein Frühstück zuzubereiten, da auch er Hunger bekommen hatte und Claire setzte sich dann doch auf die Couch und ließ den Kopf nach hinten auf die Sofalehne fallen.

Das Ganze würde ihr noch den letzten Nerv rauben. Immer mussten diese hässlichen Wesen auftauchen, ihr das Leben schwer machen und ihr die Laune verderben.

Selbst das lecker zubereitete Frühstück von Cian konnte ihre Laune nicht auflockern, was Cian und Aria sofort merkten. Aria strich ihr aufmunternd das Knie und versicherte ihr, dass der Tag noch schön werden würde, da es bis zur Feier noch eine Weile dauern würde. Trotzdem war Claire genervt und schlang jeden Bissen runter, als würde es nicht schmecken, was es aber tat.

Nach dem Essen beschloss sie dann in die Stadt zu gehen und etwas frische Luft zu schnappen, als sie Cian am Arm zurückhielt und sie bat, ihn mitkommen zu lassen, da er auf sie aufpassen musste. Augenblicklich wollte sie sich ihm instinktiv widersetzen, als er sie auch schon Richtung Haustür führte und sich mit einer kurzen Handbewegung von der verwirrten Aria verabschiedete. Claire protestierte gegen seine Grobheit, doch er überhörte ihre Anschuldigungen und drängte sie augenverdrehend in den Aufzug, der glücklicherweise leer war, sonst hätte Claire ihre Gereiztheit auch an die anderen Passagiere. Doch die ganze Fahrt lang lag Stille in der Luft, die Claire erneut verunsicherte, weil Cian nichts sagte, sondern starr auf die Anzeige sah und leise ein und ausatmete.

Zwar beruhigte seine Anwesenheit ihr Inneres, aber sie war auch sehr genervt von seiner autoritären Haltung. Sein Egozentrismus war dem Sonnensystem gleich. Schmollend verschränkte sie wieder die Arme vor die Brust und ergatterte amüsierte Blicke von Cian, die sie noch mehr aufregten. Warum war das alles für ihn nur ein Spiel? Konnte er nicht einmal seriös sein? War das zu viel verlangt? Vielleicht sollte sie doch in Erwägung ziehen, ihre Körperreaktionen bezogen auf ihn auszuschaltem, das wäre ansonsten pure Zeitverschwendung mit ihm.

Da war sogar der Liebeskummer wegen Curtis besser.

Die Türen gingen auf und Cian stellte sich höflich zur Seite, um sie vorbeizulassen und dann neben ihr herzulaufen. Sie sprach kein Wort mit ihm, würdigte ihn keines Blickes und ignorierte ihn obendrauf, was dann in einem Klamottenladen eskalierte. Claire war gerade in ihrer Umkleide, wo sie ein bordeuxrotes Kleid für die Feier anprobierte, als Cian den Vorhang zur Seite riss und einfach reinkam.

Zum Glück zog er den Vorhang wieder zurück, damit niemand reinschauen konnte, aber halbnackt vor ihm zu stehen, war auch nicht viel besser. Er sah sie durchdringend an und seine eisgrünen Augen stachen sich in ihre rein, sodass sie verängstigt nach ihrer Jacke griff und vor ihrem BH hielt. Er jedoch kam langsam auf sie zu und drängte sie näher und näher gegen die Wand, bis ihr Rücken die Kühle der Wand spüren konnte. Cian stützte seine Arme rechts und links von ihrem Gesicht an der Wand ab und kam so nah, dass sie seinen Atem auf ihren warmen Wangen spüren konnte.

Sie schluckte hart und versuchte ihr Herz und ihren Adrenalinspiegel unter Kontrolle zu bringen, doch als er mit seiner rauen Stimme zu sprechen begann, schaffte sie es nicht mal gerade zu stehen. >Was ist dein Problem, Claire? Warum bist du jetzt so abweisend? Ist das wegen dem Kuss oder wie soll ich das verstehen, ich mag es überhaupt nicht, wenn mich jemand ignoriert!<

>Ach und warum? Tut es so weh, doch nicht die Sonne im Leben der anderen zu sein? Brauchst du wieder Aufmerksamkeit, um dein Ego aufzubauen, also bei mir bist du komplett falsch!<

>Das ist also dein Bild von mir? Ein egozentrischer, arroganter und selbstsüchtiger Mann? Was habe ich dir denn angetan, nenn mir doch einen Grund!<

>Du hast mich geküsst und mich einfach stehen gelassen und das nachdem du erfahren hast, dass ich noch nie Erfahrung in so etwas gemacht habe. Wie soll man sich da nur fühlen? Ganz bestimmt nicht toll... Außerdem höre ich von Hazy auch nicht besonders Gutes über dich, was Frauen betrifft und nun soll ich dein nächstes Bettkaninchen sein, oder wie soll ich das verstehen?<

>Nein, das war nie meine Absicht gewesen... Ich bin nicht so ein Windhund, wie ihr alle glaubt und bei dir würde ich niemals diese Masche abziehen! Das mit dem Kuss... Ich wollte dich nicht verletzen, aber ich weiß auch nicht, was ich fühlen oder denken soll. Du bringst mich vollkommen aus dem Konzept, sodass ich nicht anders handeln kann, als impulsiv und es tut mir leid, falls ich dich verletzt habe!<

>Dann sag mir endlich, was du willst!<

>Ich weiß es nicht verdammt, ich weiß es einfach nicht!<

>Dann hast du keinen Grund hier zu bleiben, geh raus! Keine Widerrede, geh einfach, ich will mich umziehen!< Cian wollte etwas erwidern, doch Claires mahnender Blick zwang ihn in die Knie und so beschloss er die Umkleide zu verlassen.

So ganz zufrieden hatte er dabei nicht ausgesehen, doch auch in Claire war ein großes Gefühlschaos entstanden, was ihr fast die Tränen in die Augen trieb. Sie wischte sich eine aus dem Augenwinkel weg und zog sich langsam das Kleid an, welches atemberaubend an ihr aussah. Schade, dass Aria nicht da war, um ihr ihre Meinung zu sagen, doch Claire war sehr zufrieden mit ihrer Auswahl und nahm es dann zur Kasse mit, um mit dem Geld von Cian zu bezahlen. Cian war still neben ihr hergelaufen und hatte ihr nicht einmal in die Augen geschaut und diese Stille zog sich bis zur Wohnung hin, in der sie Aria mit einem Freudentanz erwartete.

Sie schloss sie in eine feste Umarmung und riss ihr die Einkaufstasche aus der Hand, um dann in ihr Zimmer zu sprinten und das Kleid im Spiegel zu betrachten. Ein kleiner Kreischer entfuhr Aria und dann umarmte sie Claire erneut, da sie das Kleid einfach umwerfend fand. Claire dankte ihr mit geröteten Wangen und erwiderte herzlich ihre Umarmung. Danach begaben sich die Mädchen wieder ins Wohnzimmer und ließen sich auf die Couch nieder und Cian kam dann mit ein paar Erfrischungsgetränken zu ihnen und überreichte jeder ein Glas. Vor allem bei Claire dauerte die Übergabe etwas länger, doch beide ließen sich nichts anmerken. Claires Kopf pochte vor Schmerzen, weil es in ihr emotional wie in einem Mixer aussah. Alles durcheinander, miteinander gemischt und schmeckte bei komischer Zusammensetzung nur bitter.

Hoffentlich würden diese Gefühle in ihr endlich aufhören sich irgendwelche Hoffnungen zu machen, da Cian klar und deutlich gesagt hatte, dass er nicht wusste, wie er sich fühlte und das reichte ihr als eine Abfuhr. Mehr nicht!

Sie wollte sich einfach auf die Rettungsaktion vorbereiten und dazu musste sie zu Hazys Wohnung, um sich als Anwältin vorzubereiten. Das hatte ihr auch Hazy geraten.

Die Adresse stand in ihrem kleinen roten Tagebüchlein geschrieben und mit Aria an der Seite, verabschiedete sie sich kühl von Cian und verließ die Wohnung in Rekordzeit. Zusammen machten sie sich auf den Weg in die Innenstadt, da Hazy auch in einem Wolkenkratzer lebte und zwar im fünfzigsten Stock, der wie bei Cian auch auf dem Kopf stand.

Diese Welt war ja wirklich faszinierend.

Sie liefen einen hellbeleuchteten Flur entlang, bis zu einer rotlackierten Tür mit der Aufschrift Walters, die aber natürlich spiegelverkehrt war und die Wohnungstür stand wieder mal offen, was einen kurzen Einblick in die schlicht eingerichtete Wohnung bot. Die Wände waren in einem hellen lila gestrichen und die Möbel waren entweder weiß oder hellbraun. Vor allem das Wohnzimmer sah wunderschön aus, da die weiße Couch, der kleine Glastisch und der Plasmafernseher eine Gemütlichkeit ausstrahlten, sodass sich Claire wirklich überlegte, ob sie doch hier schlafen konnte. Immerhin hatte sie keine brennende Lust mehr Cian unter die Augen zu treten, sollte das auch unterwürfig klingen. Aria war auch hin und weg von der einfachen und dennoch gemütlichen Wohnung, da sie eher eine spießige Version erwartet hatte, weil Hazy Anwältin war. Aber all das hier sah wie ein Prinzessinnenheim aus und darüber mussten beide Mädchen herzhaft lachen.

Hazy und ein kleines Prinzesschen, na wenn das mal nicht urkomisch war.

Plötzlich nahmen sie ein leises Kratzen an der Schlafzimmertür wahr und Claire schlich sich vorsichtig heran und flüsterte Aria zu, sie solle auf alles gefasst sein, doch das war im Endeffekt doch nicht nötig gewesen, da auf einmal ein schwarzer Hund vor ihnen saß und hechelte. Claire fiel dem Hund um den Hals, da dieser ihn stark an Flecky erinnerte und dieser bellte kurz auf und ließ sich von ihr knuddeln, bis er auf dem Rücken lag und fröhlich mit dem Schwanz wedelte. Aria erinnerte sich an die andere Version von Flecky und auch an den Namen.

Blacky, ja so hieß er.

Vorahnend, dass er womöglich großen Hunger hatte, rannte Claire in die Küche und durchsuchte jeden Schrank, bis sie eine volle Tüte mit Hundefutter fand und das Innere in einen silbernen Napf neben der Tür abfüllte. Blacky kam sofort angerannt und stürzte sich auf das Essen, als würde sein Leben davon abhängen. Eine kleine Träne stahl sich in Claires Augenwinkel, da sie Flecky sehr vermisste und stark hoffte, dass es ihrem Welpen gut ging. Sollten diese skrupellosen Wesen ihren Hund foltern, dann würde sie ihnen gewaltig in den Arsch treten, das schwor sie sich bei Gottes Gnaden. Nicht, dass sie religiös war, aber sicher war sicher.

Aria fragte sie nach den Anwaltssachen und zusammen schlenderten sie in das Arbeitszimmer, das genau neben dem Schlafzimmer lag und dort durchstöberten sie ihre Sachen, bis sie ein paar aktuelle Akten vorfanden, über die sich Claire informieren musste. Ansonsten würde man ihr den Anwaltskram nicht abkaufen und deswegen musste sie sich jeden aktuellen Fall durchlesen und womöglich auch ein paar Gesetze, da sie sonst ziemlich ärmlich aussehen würde.

Ohne Wissen über die Gesetze der Gesellschaft.

Aria schnappte sich eine rote Mappe und begann zu lesen und Claire holte einen blauen Ordner aus dem Aktenschrank und las sich jede Seite durch und das stundenlang. Wenn sie etwas Nützliches fanden, informierten sie sich gegenseitig darüber oder schlugen Unverständliches im Gesetzbuch nach, um sich gleichzeitig juristischen Kram zu merken. Komischerweise blickte Claire alles sofort durch und hatte keine Schwierigkeiten sich irgendeinen Paragraphen zu merken, was wohl an Hazy lag, da sie ein Teil von ihr war. Cian konnte ja auch klasse kochen, genau wie Curtis.

Ach, wie sie seine Ruhe und seine ausstrahlende Geborgenheit vermisste, doch den Gedanken schüttelte sie vorerst weg. Nun war Jura-Time!

Die Mädchen sahen erst von ihren Sachen auf, als es bereits schon Mitternacht war und Cian durch die Tür kam und sie anschnauzte, dass sie sich nicht gemeldet hatten, obwohl er dies gesagt hatte. Aria zuckte entschuldigend mit den Schultern und beruhigte ihn mit der Tatsache, dass sie ja noch am Leben waren, was ihn aber trotzdem nicht zum Schweigen brachte, weil es ihm ums Prinzip ging. Claire verstand einfach sein Problem nicht und warum er sich wie eine überfürsorgliche Mutter verhielt. >Cian, jetzt beruhig dich doch, wir sind hier und leben und außerdem haben wir Kräfte, die uns im Notfall zur Seite stehen, also Ruhe... Wir haben uns nur den juristischen Kram angeschaut, damit meine Rolle als Hazy realistischer wirkt und basta. Es ist ja nicht so, dass wir in die Höhle des Löwen eingedrungen sind! Ok?<

>Trotzdem hättet ihr kurz anrufen können, denn in dieser Welt ist nichts sicher. Hallo? Schon mal daran gedacht, dass die Türen offenstehen? Da kann jeder reinkommen und ihr sitzt hier total ungeschützt und unvorbereitet, gehts noch?<

>Ja, das wussten wir auch, aber es ist ja nichts passiert, also beruhig dich Mensch, was soll deine Standpauke denn bewirken. Hast du etwas zu dir genommen?<

>Also das mit Hazy klappt schon ganz gut, realer kannst du es nicht hinbekommen!< Cian spuckte diese Worte förmlich aus und verschwand so schnell er gekommen war. Was war denn das nun gewesen? Wie konnte er sie nur dermaßen fertigmachen? Erst kam er ihr so unsicher und liebevoll vor und dann biss er zu wie eine giftige Schlange.

Aria, die der ganzen Auseinandersetzung still zugehört hatte, räusperte sich und sah Claire neugierig an. >Ist etwas passiert, was ich noch wissen muss. Klang so, als ginge es um etwas anderes, als nur das Telefonat, das wir machen mussten...<

>Ach, der Kerl ist einfach doof, der weiß einfach nicht, was er im Leben will und lässt aus diesem Grund seine Frustration an uns raus! Du brauchst gar nicht auf ihn einzugehen, da bewegst du dich auf unsicherem Terrain...<

>Ihr habt euch wieder geküsst und er hat mal wieder falsch reagiert, nicht wahr?<

>Woher weißt du das? Manchmal glaube ich wirklich, dass du mir nachspionierst!<

>Hey, wir sind beide Frauen und ich verstehe deine Lage sehr gut, so einfach in der Liebe hatte ich es auch nicht, wie du weißt!<

>Oh, stimmt. Es tut mir leid, das war sehr taktlos von mir...<

>Ach nicht schlimm, man muss damit leben können... Und das mit Cian, also ich finde, dass du der Sache einfach die richtige Zeit geben musst. Sei nicht so reizbar, wenn er anwesend ist. Sei so wie immer und sollte er dich wieder küssen wollen, dann schubs ihn weg und geh erhobenen Hauptes weg. So etwas wird ihm zeigen, dass du die Macht in der Hand hast und nicht er... Ich weiß, dass er ein Macho ist und ich weiß auch, dass es genau diese Männer sind, die vor klugen und starken Frauen einen großen Bogen machen. Wenn du Glück hast, steht er sogar drauf, wenn du verstehst?!< Claire musste bei ihrer zweideutigen Anmerkung lachen, auch wenn sie innerlich schmolz, wenn sie nur annähernd daran dachte, dass er auf ihr lag.

Das war eine ganz falsche Einstellung, sie musste stark sein, Mut haben. Das würde schon klappen, denn sie vertraute auf den Rat von Aria.

Diese musterte sie amüsiert, da sie schon eine Ahnung hatte, was in ihr momentan abging, aber sie sagte nichts, sondern schlug vor, dass sie sich langsam auf den Weg zurück zu Cian machen sollten. Zwar war Claire nicht so begeistert, doch sie nickte nur gähnend und pfiff Blacky zu sich, weil sie ihn nicht allein zurücklassen konnte. Dieser aber blieb stur sitzen und wollte nicht weg, was vielleicht daran lag, dass er der Wachhund der Wohnung war. Hazy musste ihn gut erzogen haben, genau wie Claire ihren Flecky. Mit einem Seufzer strich Claire dem Hund liebevoll über den Kopf und versprach ihm, ihn tagtäglich zu besuchen, um ihm Gesellschaft zu leisten und mit einem kurzen Bellen verabschiedete sich dieser, als die Mädchen die Wohnung verließen.

Bei Cian angekommen erwartete sie niemand, sondern die Stille selbst. Er war anscheinend wirklich wütend auf die beiden, aber vor allem auf Claire, da sie sich ihm gegenüber gemein verhalten hatte. Vielleicht sollte sie sich bei ihm entschuldigen, denn sie war ja ein wohl erzogenens Mädchen, das sich für ein unangebrachtes Verhalten entschuldigte.

Mit hängenden Schultern klopfte sie an sein Zimmer, aber wie erwartet, bekam sie keine Antwort. Sie öffnete mutfassend die Tür und fand Cian auf dem Bett vor, der laut Musik zu hören schien, da er die Augen geschlossen hatte und mit den Füßen auf und ab wippte. Claire wusste nicht, wie sie ihn dazu bringen konnte mit ihr zu reden, doch fürs Erste genoss sie den Anblick, den er ihr bot. Muskulös und entspannt, wie ein König.

Sie schritt langsam voran, bis sie am Bettrand neben ihm stand und streckte die Hand nach ihm aus, als er plötzlich die Augen aufschlug, sie am Handgelenk packte und aufs Bett warf, um sich auf sie zu legen und die Faust zu heben. Ihr Herz setzte kurz aus und sie befürchtete das Schlimmste, doch glücklicherweise realisierte Cian, wer unter ihm lag und Entsetzen stand in seinen grünen Augen geschrieben.

Er zuckte bei ihrem Anblick zusammen und rollte von ihr runter, um sich anschließend tausendmal zu entschuldigen. Claire machte eine wegwerfende Handbewegung und schüttelte lächelnd den Kopf. >Nein, ist schon gut, das hast du ja nicht mit Absicht getan... Ich hätte mich wahrscheinlich auch erschreckt, wäre jemand so langsam und ruhig zu mir gekommen, entschuldige!<

>Ich versteh dich einfach nicht... Zuerst bist du so grob zu mir und jetzt entschuldigst du dich für so etwas Unsinniges?! Aber egal jetzt, warum bist du gekommen?<

>Ich, also... Ähm, ich wollte mich für vorhin entschuldigen... Das war nicht angebracht dich so anzuschnauzen und ja, tut mir leid. Ist jetzt alles wieder gut?<

>Wow, man merkt dir wirklich an, dass du aus gutem Hause kommst, aber ok... Ich war auch nicht so nett zu dir, also müssten wir quitt sein. Alles gut so!< Claire nickte zufrieden und verschränkte die Hände vor der Brust, weil sie nun nicht wusste, was sie tun sollte, aber Cian setzte sich seufzend aufs Bett und bat sie, neben ihm Platz zu nehmen. Schüchtern ging sie auf ihn zu und fragte sich, was er wohl vorhatte und als er dann sanft ihre Hand in seine nahm, war es um sie geschehen.

 Diese eisgrünen Augen ketteten ihre an seine und die Wärme seiner Hand erwärmte sie wie Lava. Nicht mehr lange und sie würde schwitzen wie ein Wasserfall. Hoffentlich sah man ihr nicht an, dass sie kurz davor war in Ohnmacht zu fallen, denn das wäre ziemlich peinlich. Aber Cian bemerkte ihre Nervosität, was ein wunderbares Grinsen auf seinem perfekten Gesicht zauberte und sie total betörte. Was hatte er nur vor? >Du hast mich doch gefragt, was ich für dich fühle, nicht wahr?<

>Ähm ja, warum, was ist los?<

>Na ja, ich habe die Antwort darauf...<

>Und die wäre?<

Ein Funkeln in Cians Augen ließ sie schon erahnen, was er sagen würde, doch in dem Moment wollte sie es einfach nicht wahrhaben. Er beugte sich langsam zu ihr runter und als sich ihre Lippen trafen, explodierte ein Riesenfeuerwerk in ihr, das ihren ganzen Körper erfasste. Ihr Bauch kribbelte wie verrückt, ihre Hände begannen leicht zu zittern und ihr Kopf setzte komplett aus. Cian küsste sie so zärtlich, dass sie am liebsten im Erdboden versunken wäre.

Ihr gingen so viele Gedanken durch den Kopf, dass sie sich wirklich fragte, wie sie jemals alles in eine Reihe bringen konnte und die Tatsache, dass dieser Kuss die Bestätigung seiner Gefühle für sie war, brachte sie komplett aus dem Konzept. Sie legte ihre Arme um seinen Nacken, um den schönen Kuss zu erwidern und als sie ein leises Seufzen an seinen Lippen ausstieß, begann er etwas forscher zu werden und oh gott, sie hatte noch nie so einen heißen Zungenkuss wie diesen gehabt. Cian war ein verdammt guter Küsser, aber wie weit er wohl gehen würde, war ihr momentan ziemlich egal. Er drückte sie leicht nach hinten auf sein Bett und legte sich vorsichtig auf ihr, ohne den Kuss zu unterbrechen, denn dann schob er ihre Beine beiseite, um bessere Angriffsfläche zu haben. Aber als seine rauen forschenden Hände unter ihr Oberteil gingen, schalteten sich alle Alarmglocken bei ihr ein, weil sich in ihr eine unheimliche Unsicherheit verbreitete. Sie war auf so eine Sache, die er anscheinend vorhatte, nicht vorbereitet und sie würde auch garantiert nicht einfach so mitmachen.

Gefühle hin oder her, was bildete sich der Kerl überhaupt ein? Zu sein, wie jede andere, die er angebaggert hatte? Plötzlich ergriff sie eine Wut, die sich nicht mit Worten beschreiben ließ und sie schubste ihn protestierend von sich, um sich dann aufzurichten und ihn mit Blicken zu töten. Dieser war so verwirrt über ihre plötzliche Umwandlung, dass er sich fragend durch die blonden Haare fuhr und beruhigend die Hand nach ihr ausstreckte.

Claire schlug seine Hand weg und umarmte sich selbst, weil ihr augenblicklich kalt geworden war, weswegen Cian seine Decke nahm und um sie legte. >Hey, Süße, was ist denn los? Erst ging es dir so gut und nun? Was ist los?<

>Was fühlst du für mich, sag es mir...<

>Häh, warum, wie, war das nicht genug Beweis für dich?< Claire klappte die Kinnlade nach unten, weil sie nicht fassen konnte, wie eiskalt dieser Kerl sein konnte. Glaubte er wirklich, dass eine sexuelle Andeutung ihr sagen würde, dass er sie mochte? Das war doch wohl das Höchste. Cian aber schien die ganze Sache nicht zu verstehen, weshalb sie sich ernsthaft die Frage stellte, ob er überhaupt wusste, was er für sie empfand.

>Nein, Cian, mich ins Bett zu bringen, ist nicht genug Beweis für mich! Ich glaube da verwechselst du mich mit deinen anderen Ex- Betthäschen, aber ich bin garantiert nicht eine von denen, die einfach so die Beine spreizen. Hazy, hatte recht! Du hast keine Ahnung, wie man sich gegenüber einem Mädchen verhält, das man mag, geschweige denn, wie man eine Beziehung führt... Tut mir leid, aber ich finde, dass du noch nicht weißt, was es heißt jemanden sehr zu mögen, deswegen würde ich sagen, finde heraus, was du wirklich willst und sag es mir dann. Gute Nacht!<

Mit diesen Worten legte Claire ruhig die Decke beiseite und stand wortlos auf, da alles ausgesprochen war. Sie hatte nichts mehr zu sagen und der Blick, den Cian im Moment hatte, sagte ihr mehr, als er hätte in Worte formulieren können. Er sah fassungslos aus, aber tief in seinen Augen lag auch diese Erkenntnis verborgen, zu der auch sie gekommen war. Traurig, dass die Sache so geendet hatte, machte sie sich auf dem Weg zu ihrem Zimmer, als sie plötzlich Cians Hand an ihrem Arm spürte.

Er drehte sie um und sah sie so durchdringend an, dass sie sich fast nackt fühlte. Sie schluckte schwer, weil sie nicht abwägen konnte, was er nun erwidern würde, doch dann legte er eine Hand an ihre Wange und streichelte sie leicht mit dem Daumen. >Bitte verzeih mir, was du alles durchmachen musstest wegen mir, aber ich bitte dich... Vergiss nicht die schönen Momente, die du, wenn schon für kurze Zeit, genossen hast. Ich würde mich sehr freuen, wenn du auf mich warten würdest, denn du liegst mir sehr am Herzen. Ich werde mir Mühe geben herauszufinden, was ich wirklich will, aber bitte lass mich nicht fallen, ich möchte das nicht! Ich würde das vielleicht nicht ertragen können, ich weiß nicht, aber bitte, bitte, warte auf mich... Bitte!<

Claires Herz war am Auseinanderreißen, da sie hin und hergerissen zwischen Ja und Nein war. Sollte sie sich ernsthaft die Mühe machen und auf ihn warten oder wäre es besser, wenn sie ihrem Herzen Gutes tat und die Sache vergaß? Was sollte sie Cian sagen, der sie mit solch verzweifelten und traurigen Augen ansah und auf die erhoffte Antwort wartete.

Doch nach kurzem Überlegen fällte sie eine Entscheidung.

>Na gut, ich gebe dir die Zeit, die du brauchst, aber nicht die Ewigkeit. Solltest du mich aber wieder verletzen, dann wirst du mich nie wieder sehen...< So hart, wie es auch klingen mochte, Cian akzeptierte ihre Entscheidung und gab ihr, bevor sie ging, einen Handkuss, um ihr seine Dankbarkeit zu zeigen.

Sie lächelte schwach, verließ mit gebrochenem Herzen das Zimmer und flüchtete in ihr Bett, um sich heimlich in den Schlaf zu weinen. Sie brauchte es einfach. Die warmen und kalten Tränen, die ihr über die Wangen flossen und sie in den Schlaf wiegten. Etwas, was sie in ihrer Kindheit sehr oft getan hatte, nun aber nicht daran denken wollte.

Stattdessen versuchte sie an etwas Schönes zu denken, als ihr sekundenschnell Flecky einfiel. Ihren kleinen süßen und loyalen Freund, der ihr immer zur Seite stand und je länger sie an ihn dachte, desto mehr fühlte sie seine kuschlige Nähe und seine beruhigende Atmung, wenn er neben ihr lag. Sie vermisste ihn, doch sie war sich noch nie so sicher wie in dem Moment gewesen, dass sie ihn wieder in den Armen haben würde und diesen Gedanken behielt sie ganz fest im Kopf. Sie würde Flecky retten!

13. Kapitel

Kraft war so eine Sache, die jedermann im Leben brauchte, um überhaupt einen Schritt vor den anderen zu gehen. Es war die Energie, die nötig war Entscheidungen zu treffen, einen langen Weg zu gehen und Mut zu fassen. Ohne Kraft würde man diese Dinge nicht schaffen, so wie ein Hungernder keinen Marathon. Doch woher bekam man diese Kraft? Aus Nahrung, aus Wasser oder vielleicht sogar aus sich selbst? Irgendwie gehörten alle drei Faktoren zum Ursprung der Kraft, die je nach Intensität unterschiedliche Kraft ausübten. Alles funktionierte mit Kraft und mit Anstrengung, anders wäre ein Leben gar nicht möglich und genau das war die fünfte Kunst im Leben. Das musste sie sein, denn sie war, wie jede andere Kunst in jedem Lebewesen, vorhanden und nötig. Kraft!

Das dunkelviolette Kleid mit der weißen Schleife um die Taille schmiegte sich sanft an ihren Körper und ließ sie herzhaft aufseufzen. Es war einfach perfekt und es fühlte sich auch perfekt an. Selbst ihre weißen High Heels mit der violetten Schleife an der Seite passten genau zu ihrem Outfit. Ihre Haare hatte sie zu einer aufwendigen lockigen Frisur gesteckt und ihr Gesicht war wunderschön dezent geschminkt. Nun fehlte nur noch die Bestätigung Arias, um sicher zu sein, dass alles passte und da betrat diese schon grinsend das Zimmer.

Claire drehte sich einmal um die eigene Achse und Aria pfiff ihr anerkennend zu. >Wow, was soll man dazu noch sagen? Die Jungs auf der Feier werden sich um dich reißen und Cian umso mehr!< Bei dem Namen zwinkerte ihr Aria verschwörerisch zu, obwohl Claire sich da nicht so sicher war, dass Cian sie überhaupt zum Tanzen auffordern würde. Doch sie erwiderte das Kompliment mit einem dankenden Lächeln und bestaunte Arias dunkelrotes Kleid, das zwar etwas kurz war, aber ihre langen Beine wunderbar zur Geltung brachte. Insgesamt gaben sie ein heißes Duo ab, aber wie weit sie in der jährlichen Feier im Hause des Bürgermeisters damit kommen würden, würden sie noch sehen.

Der Plan war zwar bis aufs kleinste Detail ausgearbeitet, aber Gefahren konnte es immer geben. Plötzlich klopfte es an der Tür und ein engelsgleicher Cian mit schwarzem Anzug und Fliege kam in das Zimmer herein und blieb erst sprachlos stehen, als er die Mädchen entdeckte. >Heilige Jungfrau Maria, na was sind denn das für Schönheiten, ihr seid mir anscheinend aus einem Modemagazin entsprungen. Ihr seht fabelhaft aus, ich könnte euch knutschen!<

>Ach Cian, deine Anmachsprüche werden langsam lahm!< Aria grinste ihn frech an und dieser zwickte ihr leicht in den Arm und gab ihr daraufhin einen Handkuss. Was für ein Gentleman er doch war. Claire schüttelte lächelnd den Kopf und teilte Arias Meinung, dass auch er umwerfend aussah und nachdem sie sich gegenseitig mit Komplimenten vollgeschleimt hatten, beschlossen sie endlich zu der Feier beziehungsweise zur Rettungsaktion zu gehen.

Die Mädchen hakten sich bei Cian ein und gingen im Gleichschritt zum Aufzug und dann nach draußen, wo sie eine schwarze Limousine erwartete. Aria war total aus dem Häuschen, weil sie noch nie in solch einem großen Auto unterwegs gewesen war, aber für Claire und Cian schien das nicht der Sonderfall zu sein. Immerhin waren beide wohlhabende Menschen. Sie stiegen in die luxuriös eingerichtete Limousine ein und lehnten sich gelassen in die beigen Ledersitze zurück, um sich dann an einer Champagnerflasche zu entspannen.

Jeder einzelne nahm sich ein kleines Glas und stieß lächelnd einen Prost aus, während Aria immer wieder ihre Glücksgefühle und ihre Aufregung preisgab. Sie war wirklich süß, wenn sie so viel redete, aber Noah würde sie nie toppen, denn der war wie ein Wasserfall. Schhhhhhhh und es nahm keine Ende. Grinsend über diesen schönen Gedanken wandte sich Claire der Außenwelt zu und betrachtete die ganze Stadt mit wachsamen Augen.

Es war bereits acht Uhr abends und die Menschen liefen wild hin und her, um ihre Einkäufe schnell zu erledigen, da jeder noch zu der Feier wollte. Diese Feier war ein riesiges Spektakel in dieser Stadt, auf die jeder erscheinen wollte, es aber nicht alle schafften, da man entweder Geld haben musste oder gute Kontakte haben musste. In diesem Fall Aria dank Cians überaus hilfreichen Freunden, die dort als Kellner arbeiteten. Diesem Mann fehlte es aber auch an gar nichts, denn er bekam immer das, was er wollte. Außer eine Frau, doch diese Überlegung schüttelte Claire sofort weg und konzentrierte sich auf die aktuelle Situation. Nicht weit entfernt konnte Claire schon die ersten Lichter und die anderen gefüllten Limousinen erkennen, die in die große Einfahrt der Villa einbogen und die gutaussehenden Leute vor dem Eingang abließen und sofort wegfuhren.

Claire nahm ihre kleine Handtasche in die Hand, nickte ihren Freunden bereit zu und stieg als erste aus dem Wagen heraus. Kühle Luft traf und erfrischte ihr Gesicht, aber der Anblick der Villa ließ sie hart schlucken. So eine Schönheit hatte sie noch nie in ihrem Leben gesehen. Dieses Haus war ein Schloss und eine moderne Villa zugleich und die Marmorsäulen am Eingang verliehen dem Ganzen einen Hauch von Antike. Claire war ein Riesenfan von der antiken Kunst und diese Villa hatte ihr viel davon zu bieten. Eine Hand berührte sie leicht am Arm und als sie sich fragend umdrehte, blickte sie in das freundlich lächelnde Gesicht von Cian, dessen Augen atemberaubend strahlten. Aria hatte sich auch zu den beiden gesellt und nun betraten sie das große Gebäude und wurden höflich von zwei Butlern begrüßt, die sie dann in einen großen geschmückten Saal führten. Claire kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Die ganzen fein gekleideten Menschen, die schönen Kleider der Frauen, die stilvoll eingerichtete Umgebung und die 80/90er Musik rissen sie einfach mit und für einen kurzen Moment vergaß sie sogar, warum sie hier war. Aber bei Cians Anblick kam wieder die Rettungsaktion in ihren Sinn und sie ließ seufzend die Schultern sinken. Hoffentlich würde alles reibungslos verlaufen. Cian, der ihre Niedergeschlagenheit bemerkt hatte, legte aufmunternd eine Hand an ihren Rücken, was sie zwar nicht aufbaute, aber ihr einen gewaltigen Schauer verpasste.

Egal wie sehr sie es auch versuchte, die Anziehung, die er ausstrahlte, würde sie nie umgehen können. Aber wenn sie ehrlich war, das wollte sie auch nicht. Sie hatte lange drüber nachgedacht und festgestellt, dass sie sich in ihn verliebt hatte und dass sie auf ihn warten würde, aber ihm gegenüber hatte sie nichts von dieser Feststellung gesagt. Wäre etwas unpassend mit der ganzen Rettungsplanerei gewesen.

Gerade als sie Cian fragen wollte, ob er Lust zum Tanzen hätte, hörte sie Hazys Namen rufen und dann drei auf sie zukommende Frauen, die die Arme lachend ausbreiteten und sie ganz fest drückten. Das mussten die drei Hühner, von denen Hazy erzählt hatte, sein. Die eine hatte kurze blonde Haare, ein kurzes rückenfreies Kleid und hieß Amanda, die andere war schwarzhaarig mit einer gepiercten Lippe und einem Pferdemaul, deren Name Julia war und die dritte von ihnen hieß Mandy, deren Markenzeichen ihre dunkelroten Lippen, ihre großen zur Schau gestellten Brüste und ihre wirren lockigen erdbeerblonden Haare waren. Im Großen und Ganzen hatte Hazy nicht zu viel erzählt und die Beschreibung auf den Punkt getroffen.

Es waren wirklich Hühner, die einfach so dahergackerten und von irgendwelchen Männern hinterherschwärmten, die schon vergeben waren.

Wow und mit solchen Menschen hatte Hazy zu tun? Die Arme!

Aber das lockere Gespräch hielt nicht lange an, denn dann begannen die Mädchen sie über einen aktuellen Fall, über den sich Claire zum Glück in Hazys Akten informiert hatte, auszufragen, weil die drei der Presse angehörten und über alles aufgeklärt werden mussten . Hazy hielt sie zwar für Tratschtanten, aber den Einfluss, den die drei in der Stadt hatten, war groß, vor allem wenn es darum ging einen Fall publik zu machen. Claire verhielt sich dennoch ganz souverän, weil sie solche Fragereien gewohnt war und erzählte den Mädchen, die sie interessiert anstarrten, alles was sie momentan wusste.

Amanda, die die Anführerin der Clique war, schien über den Informationsfluss zufrieden zu sein, aber dann stellte Mandy eine Frage, auf die Claire gehofft hatte, dass sie sie nicht gestellt hätte. Es war die Frage nach den sich anhäufenden Überfällen der Wesen in der Stadt, auf die aber Claire keine Antwort geben durfte, weil sie der Schweigepflicht unterworfen war. Doch die Hühner ließen einfach nicht locker und bombardierten sie mit Fragen und Julia machte eine Bemerkung, die Claire innerlich schmunzeln ließ. Die drei waren tatsächlich Tratschtanten, weil sie wussten, dass es in Hazys und in Cians Wohnung mehrfach zu Einbrüchen gekommen war, aber auch darauf gab Claire keine Antwort. Amanda schien es nicht zu gefallen die Ahnungslose zu sein, aber bevor die Sache eskalierte, nahm sie die raue männliche Stimme von Cian hinter ihr wahr. >Na, meine Ladies... Genießt ihr den Aufenthalt hier im Hause des Bürgermeisters?<

>Ach Cian, du Charmeur, jetzt wo du da bist, ist es sogar schöner! Wir haben dich schon vermisst...< Julia zwinkerte verführerisch mit den Augen und auch die anderen Mädchen machten ihm schöne Augen, was Claire innerlich brodeln ließ. Langsam hatte sie es satt eifersüchtig zu sein, wenn Cian ihr nicht mal gehörte. Doch durch sein geschicktes Ablenkungsmanöver und die Komplimente, die er den Frauen machte, verschwand Claire aus deren Blickfeld und suchte sich ein ruhiges Plätzchen, wo sie sich ein wenig umhören konnte.

Dazu setzte sie sich auf einen roten Samtsessel und nahm ein Glas Champagner vom Tablett eines Kellners, der sie höflich anlächelte und sich schon den nächsten Gästen zuwandte. Erleichtert darüber, dass sie von diesen Hühnern endlich weg war, nippte sie am Glas und ließ kein Detail ihrer Umgebung aus. Aria tanzte in der Mitte des Saales mit einem heißen Kerl in weißem Anzug, bis plötzlich Nate auftauchte und sich Aria schnappte, die ziemlich überrascht aussah. Trotzdem entging es Claire nicht, dass Aria überglücklich war Nate zu sehen und auch er sah sie liebevoll an und führte sie elegant über die gesamte Tanzfläche. Claires Herz schmolz bei dem Anblick dahin und sie wünschte den beiden Glück und Gesundheit, dass sie endlich mal wieder zusammen sein konnten.

Die beiden hattes es verdient.

Eine warme Hand legte sich auf ihre nackte Schulter und erschrocken fuhr sie zusammen, als sie erleichtert in Cians lächelndes Gesicht blickte. Er stellte sich vor ihr hin, verbeugte sich höflich und bat sie mit ihm zu tanzen. Wer würde bei ihm schon nein sagen, wenn man all die sabbernden Gesichter der Singlefrauen sah? Claire nickte geschmeichelt und legte ihre Hand in seine, als sie ein warmes Gefühl erfasste, dass ihre Knie zu weicher Butter verwandelte. Er führte sie bis in die Mitte der Tanzfläche, umfasste mit einer Hand ihre Taille und mit der anderen nahm er ihre Hand und zusammen flogen sie übers Parkett, so hervorragend wie sie tanzten.

Claires Herz schwoll bei seinem Anblick an und ihr Puls raste sekundenschnell, was sein ehrliches Lächeln auch nicht beruhigte. Seine Augen funkelten amüsiert, weil er wusste, wie sie sich fühlte, aber er blieb ein Gentleman und hauchte ihr verführerische Worte ins Ohr. Claire verzog die Lippen zu einem Schmollmund und haute ihm leicht auf die Schulter für sein unverschämtes Verhalten, das er lachend erwiderte. Dem schien es überaus zu gefallen sie so aus der Reserve zu locken. Zu dumm, dass sie nichts dagegen tun konnte. Er war einfach umwerfend. Wie er tanzte, wie er lachte, wie er strahlte, wie er sie ansah und wie er aussah. Claire schüttelte peinlich errötet über diese schwärmerischen Gedanken den Kopf und ergatterte ein freches Grinsen von Cian. Dem entging aber auch gar nichts.

Das berühmte Lied von Whitney Houston 'I will always love you' erfüllte den Raum und Cian drückte sie daraufhin enger an sich und sie tanzten eng umschlungen ohne ein Wort zu sagen. Claire fühlte sich wirklich wie im siebten Himmel und sie wollte auch gar nicht mehr da raus. Sie wollte so nah an ihm sein, wie an keinem anderen Mann. Sein Aftershave betäubte all ihre Sinne und die Wärme seines Körpers beruhigte sie bis ins Innerste ihres Geistes.

Fühlte sich Liebe so an? Wenn es so war, dann war Liebe schön und Claire wünschte sich nichts mehr, als das er endlich seine Entscheidung traf. Ein Seufzen an ihrem Ohr riss sie aus ihren verträumten Gedanken heraus und sie lehnte ein bisschen den Kopf nach hinten, um Cian direkt ins Gesicht zu sehen. >Was ist los? Hast du was Cian?<

>Weißt du eigentlich wie wunderschön du aussiehst?<

>Den Blicken der Männer zu urteilen, ja wieso?< Wenn sich Claire nicht irrte, dann hatte für einen kurzen Moment in Cians Augen etwas Besitzergreifendes aufgeleuchtet, was sie schmeichelte. Er mochte sie also doch und wusste anscheinend nicht, wie er damit umgehen sollte, da er wahrscheinlich so etwas noch nie so intensiv erlebt hatte. Trotzdem spielte er die lässige Machosache perfekt. >Ich wollte es dir einfach aus meiner Sicht sagen... Diese Typen sind alle nur hinter dem Einen her, glaub mir...<

>Ach und du sollst das schüchterne Lamm unter diesen Kerlen sein? Cian, bitte, wir wissen beide, was für eine Sorte Mann du bist!<

>Ach und die wäre?<

>Du bist ein schnulziger Macho, der zuerst Frauen mit Komplimenten überhäuft, dann zu sich einlädt, seine Designerkarte ausspielt und sie schließlich ins Bett bringt...< So eine treffende Beschreibung hatte Cian anscheinend noch nie gehört, da er beleidigt die Augenbraue hochzog und kurz wegsah, damit sie dachte, dass es ihn schwer getroffen hätte.

Er war wirklich süß, aber sie wusste auch, dass er nur spielte. Wie immer. >Das hat dir bestimmt Hazy gesagt, nicht wahr? Auf so eine Beschreibung könnte nur sie kommen...<

>Nein, den schnulzigen Macho hat sie erfunden, aber den Rest habe ich mir zusammengereimt... Tja, dann ist deine Masche doch nicht so effektiv, wenn sogar ich dahinter komme, oder Cian?<

>Weißt du, wie heiß du mich grad machst?< Ok, auf so eine Aussage war Claire nun wirklich nicht vorbereitet. Er überraschte sie immer wieder aufs Neue und als er dann frech grinste, kribbelte es wie verrückt in ihrem Bauch. Er beugte sich zu ihr runter, küsste sie aber nicht auf die Lippen, sondern auf die Schulter. Claire hatte irgendwo gelesen, dass dieser Kuss Begierde bedeutete, was sie sofort erröten ließ. Bestimmt wusste er darüber Bescheid, aber das interessierte sie im Moment gar nicht, da sie das schöne Gefühl seiner weichen Lippen an ihrem Nacken genießen wollte.

Cian hatte nicht zu viel versprochen, als er ihr mal gesagt hatte, dass er wisse, wie man eine Frau leicht verführte. Jetzt war sie das Opfer seiner Verführungskünste und bei der Erkenntnis riss sie entschlossen die Augen auf und stieß ihn leicht von sich. Bei seinem verwirrten Blick hätte sie auflachen können, aber sie legte nur eine Hand an seine Wange und warf ihm einen triumphierenden Blick zu.

>Lieber Cian, du musst dir schon mehr einfallen lassen, als nur ein paar kleine Küsschen... Ich bin nicht wie die anderen Frauen, bei mir muss man sich mehr Mühe geben, junger Mann!<

>Als ob du nicht dahingeschmolzen bist, du hast geseufzt! Das war Bestätigung genug...<

>Wer sagt, dass diese Seufzer ehrlich gemeint waren? Nicht nur du kannst spielen!< Mit diesen Worten drehte sich Claire stolz um und machte sich mit gestrafften Schultern auf den Weg zum Bürgermeister, der am Rande der Tanzfläche saß und mit seinen Kollegen Poker spielte. Ein Blick auf Cian genügte, um zu erkennen, dass er etwas verwirrt war, aber als er sah was sie vorhatte, nickte er zustimmend und verschwand in der Menge. Claire sammelte all ihren Mut und schritt anmutig auf den Bürgermeister zu, der sie kurz bevor sie ankam, entdeckte.

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht und dann bot er ihr einen Platz neben ihm an und sie setzte sich dankend darauf. Die Kollegen musterten sie interessiert, doch sie ignorierte ihre Blicke und konzentrierte sich auf den Chef, der sie fragend ansah. >Nun, Hazy, wie geht es dir denn so?<

>Alles klar, diese behinderten Wesen kotzen mich zwar an, aber sonst läuft der aktuelle Fall reibungslos...<

>Das freut mich zu hören und was ist mit den Papieren in Hinsicht dieser Störefriede?<

>Die Papiere sind fast fertig und dann wird endlich die Polizei eingeschaltet, um diese Hässlichkeiten aus meinem Leben zu entfernen. Doch ich brauch noch etwas Zeit, um die Anklage fertig zu schreiben. Vielleicht so eine Woche...<

Mann, es war richtig anstrengend so frech zu reden wie Hazy, aber sie hatte strengsten Unterricht ihrerseits bekommen und war bis aufs kleinste Detail vorbereitet. Diese ganzen Ausdrücke machten ihr auch ein wenig Spaß, doch etwas in ihr streubte sich gegen diese Äußerungen, da sie höflichere Umgänge erlernt hatte. Vor allem gegenüber solchen Persönlichkeiten, wie dem Bürgermeister selbst, doch er schien an Hazys Umgangsformen gewöhnt zu sein und nickte nur nachdenklich. >Das klingt gut und ich danke dir für deinen Fleiß Hazy, deinen Gehalt bekommst du wie immer angemessen deiner Arbeit!<

Claire nickte und ein leichtes Kribbeln durchfuhr sie, weil Hazy ihr schon erzählt hatte, wie viel sie an einem Fall verdiente. Mehr als zehntausend Dollar waren Mindestlohn bei ihr. Eine Summe von der Claire nur träumen konnte. Bevor der Bügermeister sie noch etwas fragen wollte, tauchte auf einmal Nate auf, der ihm etwas ins Ohr flüsterte, was den Bürgermeister etwas verärgerte, jedoch seine Ruhe bewahrte. Er flüsterte dann Nate etwas ins Ohr und als dieser nickt und sich dem Gehen wandte, fiel Claire ein kleiner Zettel in die Hand, was zum Glück keiner gemerkt hatte.

Sie entschuldigte sich beim Chef und stand unbemerkt auf, als sie auch schon quer durch die Tanzfläche ging und den Zettel entfaltete. Als sie dann las, was darin stand, stockte ihr wortwörtlich der Atem. Viktoria und Flecky befanden sich im Nebenhaus der Villa und wurden im Keller von etwa elf Leuten bewacht. Claire musste schnell handeln und sie machte sich gleich darauf auf die Suche nach Cian, bis sie ihn weit hinten am Buffet entdeckte. Und schon wieder stockte ihr der Atem, da sich die nächste Überraschung einstellte.

Dieser Idiot, dieses Arschloch, dieser, Claire schüttelte wütend den Kopf und ging bestimmt zu Cian, der mit einer anderen Frau rummachte und erschrocken zusammenzuckte, als ihn jemand in den Arm zwickte. Er starrte ungläubig in Claires verachtenden Augen und wollte etwas erwidern, doch sie übergab ihm den Zettel und suchte weiter nach Aria, die ganz allein auf einem Barhocker saß und sich gelangweilt umsah. Claire steuerte mit gebrochenem Herzen auf sie zu und war kurz davor in Tränen auszubrechen, doch sie sammelte all ihre Kraft und stupste Aria in die Seite.

Diese drehte sich lächelnd zu ihr um und musterte Claire eindringlich, weil sie ihre Trauer bemerkt hatte. Claire aber schüttelte nur beschwichtigend den Kopf und erzählte ihr vom Aufenthaltsort der anderen, was sofort Aufregung in Aria auslöste. Sie packte Claire an der Hand, riss sie einfach mit sich und wäre fast gegen Cian gelaufen, hätte er nicht die Hände ausgestreckt und sie an den Schultern gepackt. Er sah zu Claire, um zu schauen, wie es ihr ging, doch sie würdigte ihm keines Blickes und drängte die beiden schnell zum anderen Haus zu gehen. Die Sache mit Cian würde Claire schon klären, darauf konnte er sich gefasst machen.

14. Kapitel

Das Haus, in dem sich Viktoria und Flecky befanden war halb so groß wie die Villa. Hoffentlich würden sie sich dort nicht verlaufen, das wäre ziemlich unpassend, aber zunächst mussten sie die drei schwarzgekleideten Typen am Eingang niederschlagen, um dann die anderen aus ihrer Welt mithilfe eines Portals rüberzubringen. Dazu benutzte Aria ihre Kraft und verpasste allen drei einen saftigen Energieschock, der sie kurz in die Knie zwang und Cian genug Zeit gab, um diese dann mit ein paar Handgriffen und Tritten zu präparieren.

Wäre der Kuss nie passiert, hätte Claire nun innerlich von ihm geschwärmt, doch die einzige Emotion, die aufbringen konnte, war Ekel. Ekel vor ihm und Ekel vor sich selbst, weil sie geglaubt hatte, dass er anders als die anderen Machos war. Wie erbärmlich das doch war. Aria hatte ihren abwertenden Blick richtig gedeutet, weswegen sie Cian mit voller Wucht auf den Nacken klatschte.

Er stieß ein lautes 'Aua' aus und fasste sich schmerzverzerrt an den Nacken, während er Aria mit vernichtenden Blicken durchlöcherte. Diese aber zischte ihm etwas ins Ohr, was ihn dann total aus der Bahn warf. Zwar hatte Claire nicht mitbekommen was, aber es genügte, dass er nun wie ein begossener Pudel dastand.

Sie zwängte sich an den beiden vorbei und folgte einem schwach beleuchteten Flur entlang zu einer Treppe, die sicherlich in den Keller führte. Langsam und mit leisen Schritten ging Claire dicht gefolgt von den anderen die Treppen runter und als sie ein paar Stimmen hörten, verharrten sie in ihrer Position und lauschten gebannt. Aria machte mit ein paar Handzeichen klar, dass es Zeit war die anderen zu holen und als Claire und Cian das Ok gaben, öffnete Cian ein Portal und Hazy, Curtis, Noah und Helena standen bereit zum jumpen in die andere Welt.

Sekunden später waren sie endlich vereint und besprachen noch ein Mal ihre Taktiken und ihren Plan und dann begann die ganze Rettungsaktion. Sie stürzten sich einfach in den Flur, der durch zwei Muskelprotze bewacht wurde, schlugen sie nieder und rissen die Kellertür auf, die einen erschreckenden Anblick bot. Neben den Typen, die dem Bürgermeister angehörten, reihten sich noch weitere Wesen auf, die sie zähnefletschend anstarrten und ohne mit der Wimper zu zucken zum Angriff übergingen. Noah stürzte sich sofort in den Kampf und alle anderen folgten ihm in einen Kampf, der schlimmer ausgehen würde, als angenommen.

Claire versetzte einem verkrüppelten Wesen einen Tritt ins sabbernde Maul und schleuderte ihr Licht auf ein Wesen, das sich unsichtbar gemacht hatte, um Curtis anzugreifen. Dieser entdeckte das geisterhafte Wesen sofort, schloss es ein und nickte ihr dankend zu, als Noah den Todesball auf die Gestalt warf. Aria kämpfte währenddessen mit all ihrer Kraft gegen zwei Typen, die versuchten sie mit Tritten und Fäusten in die Ecke zu drängen, doch Aria wäre nicht Aria, würde sie nicht ihre spitzen Absätze in deren Brust rammen. Und bevor sie einer von hinten überwältigen konnte, warf Noah sein rotes Licht auf sie und jumpte sie auf eine sichere Seite des Geschehens.

Das Training hatte sich also vollkommen gelohnt, da sie sich alle darauf spezialisiert hatten, ihre Kräfte in der Gruppe vorteilhaft zu nutzen und den Feinden damit zu schaden.

Noah jumpte seine Freunde, wenn Gefahr drohte, wo anders hin und tötete die Wesen mit seinem roten Licht. Curtis hielt Wesen gefangen und errichtete Kreise um seine Freunde, da sie wie Schutzschilde fungierten und den Wesen keinen Zutritt bot und Helena verpasste jedem Typen gemeine Tritte in die Mitte und traute sich sogar ihre Fäuste zu benutzen. Dieses Mädchen strotzte so vor Kraft, was verständlich war, da ihre beste Freundin in Gefahr war.

Da fiel Claire ein, dass sie unbedingt die Gefangenen finden musste, weswegen sie sich sofort auf die Suche machte. Dazu schleichte sie sich am ganzen Kampf vorbei und entdeckte noch eine Tür, die allerdings verschlossen war. Verdammt, wie sollte sie nun da reinkommen? Claire überlegte fieberhaft nach einer Lösung, als plötzlich Cian auftauchte und einen Schlüssel aus seiner Jackentasche hervorholte. >Woher hast du denn den Schlüssel?<

>Hör zu, ich hab die Frau nicht geküsst, weil ich dir wehtun wollte... Nate hat mir gesagt, dass sie den Schlüssel bei sich trägt und dass ich ihn holen soll. Die war ziemlich skeptisch mir gegenüber, deswegen musste ich zu anderen Mitteln greifen. Komischerweise funktioniert das bei jeder Frau!<

>Bei mir jedenfalls wirst du es nicht versuchen, glaub mir!<

>Verdammt, jetzt tu nicht so abweisend! Ich hab das für Vik und Flecky getan und für niemand anderen. Glaubst du es hat mir gefallen diese Tussi zu küssen, wenn ich eigentlich dich liebe!< Hui, der hatte gesessen.

Damit hatte Claire nun gar nicht gerechnet und als Cian bemerkte, was er von sich gegeben hatte, stieg eine leichte Röte in seine Wangen. Er murmelte etwas vor sich hin und steckte nervös den Schlüssel ins Schloss, als die Tür mit einem Klacken aufging. Claire rannte sofort rein und schrie auf, als sie einen stechenden Schmerz an ihrem Arm spürte. Ein Blick darauf reichte, um einem wolfsartigen Monster in die bernsteinfarbenen Augen zu sehen und sich über das fließende Blut an ihrem Arm zu erschrecken. Dieses Wesen hatte ihr tief ins Fleisch gebissen und versuchte sie herumzureißen, aber Cian kam ihr wutentbrannt zur Hilfe und stürzte sich auf das Ding und riss es mit sich.

Es hagelten Fäuste und Tritte auf das Wesen, was darunter litt und vor Schmerz aufheulte, sich aber mit Bissen wehrte und Cian kurz am Bein traf. Claire wollte ihm helfen, doch er rief ihr zu, sie solle sich um Viktoria und Flecky kümmern, die in einer Art Käfig gefangen gehalten wurden.

Innerlich zerissen, was sie letztendlich tun sollte, rannte sie auf den Käfig zu, öffnete diesen mit einem festen Tritt und fiel den beiden Gefangenen um den Hals. Flecky bellte aufgeregt und leckte sie übers ganze Gesicht und Viktoria begann vor Erleichterung zu weinen und schloss sie in eine feste Umarmung. Dann nahm Claire Viktoria an der Hand und befahl Flecky bei ihr zu bleiben, damit sie gemeinsam flüchten konnten. Doch die Sache schien etwas zu eskalieren, da immer mehr Wesen den Raum füllten und es nur so von Typen des Bürgermeisters wimmelte. Cian hatte diesem wolfsartigen Wesen schon längst das Lichtlein gelöscht, was nun leblos am Boden lag. Claire schaute ihren Retter mit Ehrfurcht an und fragte sich spontan, wie er das Wesen so locker besiegt haben könnte, doch seiner Mimik zufolge, würde er nicht damit prahlen.

Er deutete den dreien mit einem Nicken zu, dass sie sich so schnell wie möglich aus dem Staub machen müssten, als plötzlich ein Schrei den Raum erzittern ließ. Der Kampf hörte für kurze Zeit auf und alle starrten Aria an, die einen blutenden Nate in den Armen hielt. Tränen flossen ihr über die Wangen und sie fasste Nate immer wieder an der Wunde und versuchte ihn auf jede erdenkliche Weise am Leben zu erhalten. Nate hatte es sehr schlimm erwischt und die offene Wunde an seinem Bauch verschlimmerte sich zunehmend. Claire rannte sofort auf sie zu und ignorierte Cians mahnende Worte, als sie sich neben Nate hinkniete und ihr weißes Licht in seinen Körper einströmen ließ.

Dieser zischte vor Schmerzen und ballte die Hände zu Fäusten. Er würde das nicht überleben, das wusste Claire, doch sie wollte Aria genug Zeit geben sich von ihm zu verabschieden, welche sie mit einem dankenden Blick bedachte. Sie nahm Nates Gesicht in beide Hände und unter Tränen erzählte sie ihm, wie sehr sie ihn vermisst hatte und wie sehr sie sich wünschte, dass sie für immer zusammen gewesen wären. >Ich weiß zwar nicht warum du gegangen bist, aber ich bin mir sicher, dass du deine Gründe gehabt hast. An deine Liebe zu mir habe ich in den letzten Jahren nie gezweifelt, auch wenn du dich nie gezeigt hast. Ich liebe dich Nate und ich wünschte du würdest nun nicht von mir gehen, nicht schon wieder... Du hast mein Leben gerettet und ich schätze damit sind wir quitt, trotzdem, ich... Ich, kann nicht ohne dich, ich brauch dich und ich werde mich für dich rächen... Koste es, was es wolle! Ich werde...<

Aria schluchzte wieder, sodass sie ihre Rede unterbrach, doch ein Blick reichte, um zu erkennen, dass Nate so weit war Abschied zu nehmen. Claires Herz füllte sich mit Mitgefühl und Trauer, doch sie tat ihr Bestes, um ihm noch ein bisschen Zeit zu verschaffen, die er sinnvoll nutzte, indem seine letzten Worte 'Es tut mir leid' und 'Ich liebe dich für immer' lauteten.

Dann drückte er noch mal mit letzter Kraft Arias Hand und schloss friedvoll die Augen, da er nun das gesagt hatte, was er schon die ganze Zeit hatte sagen wollen. Aria schluchzte ununterbrochen, schrie seinen Namen und küsste ihn ein letztes Mal auf den Mund, als jemand begann lachend zu klatschen.

Claire drehte sich in die Richtung, aus der dieses gehässige Lachen gekommen war, um und entdeckte den Bürgermeister, der zwischen zwei breit gebauten Kerlen stand und dem ganzen Spektakel zugesehen hatte. Dieses Schwein hatte sich bei dem ganzen herzzerreißenden Moment prächtig amüsiert und sein Grinsen veranlasste Claire dazu ihn innerlich immer und immer wieder zu ermorden und das auf jede erdenkliche Weise. Wie konnte man nur so herzlos und grausam sein und so einem traurigen Moment zuschauen und lachen.

All ihre Freunde durchbohrten ihn mit Blicken, doch er zuckte nur lässig mit den Schultern und verschränkte die Hände hinter dem Rücken, so als ob er unschuldig wäre. Wut und Trauer mischten sich in Claire zu einer explosiven Aggression, die sie am liebsten im selben Moment rauslassen könnte, sich jedoch zurückhielt, da er etwas sagen wollte. Die letzten Worte, bevor sie ihm gewaltig in den Hintern trat, dachte sich Claire augenblicklich und ein hinterhältiges Lächeln huschte kurz über ihr Gesicht.

Wow, sie war böser und gemeiner, als sie je gedacht hatte. Anscheinend hatte diese Welt einen nicht allzu positiven Effekt auf ihr inneres Gleichgewicht, doch sie schaffte es das richtige Gleichgewicht zwischen Gut und Böse zu halten, denn diese Kunst beherrschte sie locker.

Das Monster, in dem Fall der Bürgermeister, trat einen Schritt nach vorne und zeigte auf Nates Leiche mit einem angeekelten Blick und Missachtung in den Augen. >Seht Ihr, so enden Verräter! Ich wusste, dass Nate nur mir diente, damit er euch Parasiten helfen konnte und nun steckt ihr im Keller meines Hauses, umzingelt von gut ausgebildeten Wesen und Menschen und seid in der Unterzahl und obendrauf geschwächt... Hm, klingt nach einem fein ausgedachten Plan, von dem Nate anscheinend keine Ahnung hatte, da er euch sonst Bescheid gegeben hatte. So ein armseliger, emotional geschwächter Mensch! Na ja, immerhin hat er jetzt sein passendes Gehalt bekommen... Nun ja, zu euch lästigen Menschen, die sich für Superhelden halten. An eurer Stelle würde ich einfach aufgeben, da ihr mir eindeutig unterlegen seid, sonst endet euer erbitterter Kampf genau hier. Und ich hasse es aufzuräumen...<

>Was wollen Sie, verdammt? Warum arbeiten Sie mit diesen Monstern?<

>Du bist Claire richtig? Ich wusste, dass du nicht Hazy warst, aber du hast ihre Rolle sehr überzeugend gespielt außer die Flirtereien mit Cian, die haben euch verraten!< Claire schoss bei der Bemerkung die Röte ins Gesicht und auch bei Cian erkannte man sein Unbehagen, welches ihm diese Situation bereitet hatte. Hazy schien das nicht zu überraschen, da Claire sie schon über ihre Gefühle ihm gegenüber aufgeklärt hatte, doch ihre anderen Freunde kamen aus dem Staunen nicht heraus. Na, da müsste einiges geklärt werden.

>Aber, aber... Seh ich da Überraschung in den Gesichtern? Nicht mal ehrlich zu den Freunden sein, also wirklich... Na ja, zurück zu meinem genialen Plan, von dem ich nur zu gerne rede, da er so sicher ist. Diese Wesen haben in letzter Zeit ziemlich viel Schaden angerichtet, da sie sich in ihren Rechten verletzt fühlen, weil wir sie einfach ausstoßen. Da dachte ich mir, warum sich nicht mit ihnen verbünden? Ich bin dann zu ihrem Anführer gegangen, der heute ein unserer Stammgäste ist und habe mit ihm verhandelt. Er hilft mir Macht zu erlangen und er bekommt die Freiheit, die er für seine Diener braucht... Aber dann fiel mir ein, warum diese Welt regieren, wenn ich doch eine andere haben kann? Eure so ach geschätzte Erde! Tja und mein Plan ist kein anderer, als euch Menschen zu meinen Sklaven zu machen und zwei Welten Seite an Seite mit den Wesen zu regieren. Nur schade, dass ihr auserkoren wurdet eure Welt zu rettet und wer auch immer euch dazu befähigt hat, solche Kräfte zu haben, der verdient den Tod. Doch ich bin mir sicher, dass ihr es selbst nicht wisst, also brauchen wir uns darüber keine Sorgen zu machen. Wer noch Fragen hat, bitte jetzt stellen, ich muss nämlich wieder zurück zu meiner Party!<

Stille erhob sich und niemand wagte es etwas zu sagen, da die einen zu wütend waren und die anderen diesem Monster gehorchten, wie streunende Hunde. Der Bürgermeister fasste diese Ruhe als Nein auf und nickte seinen Dienern wissend zu, um sich dann aus dem Staub zu machen. Was für ein Feigling. Er war nicht mal Manns genug, um sich seinen Feinden zu stellen und für seine perverse Macht zu kämpfen.

Aria, die bis dato nichts weiter als nur ein Schluchzen von sich gegeben hatte, schrie nun zornig auf und stürzte sich auf den nächstbesten Feind, um ihn in Grund und Boden zu schlagen. Die anderen taten es ihr nach und obwohl immer mehr Feinde den Raum füllten, gaben sie nicht auf, sondern kämpften und kämpften für Nates Tod und für ihre und diese Welt. Claire unterstützte ihre Freunde mit Energie und machte hinterhältige Geisterwesen sichtbar, Aria zerschmetterte jedem die Fresse und Hazy präparierte alle mit Fäusten und treffende Kicks.

Das Glück schien auf ihrer Seite zu stehen, da die die Zahl der Wesen geringer wurde, bis Noah plötzlich zusammenbrach und liegen blieb. Helena riss erschrocken die Augen auf und rannte zu ihrem Liebsten, um sich neben ihm niederzuknien und ihn verzweifelt an den Schultern zu schütteln. Curtis errichtete einen Kreis um die beiden, damit keiner der Feinde ihnen näher kommen konnte und Claire betrat auch den Kreis, damit Helena nicht allein sein musste.

Der Rest kämpfte verbissen weiter und schaffte es eine beträchtliche Menge an Monster zu vernichten, doch die größte Sorge lag immer noch bei Noah, der immer noch bewusstlos war. Claire versuchte alles, um ihn wieder ins Leben zurückzuholen, als sie seine Stimme in ihren Gedanken wahrnahm. >Claire, Claire?<

>Ja ich bin hier, Noah, was ist los, was passiert gerade hier?<

>Ich hab beschissene Angst, mann... Ich weiß nur, dass seit Nate tot ist mir total übel ist und dass ich immer schwächer werde...<

>Ach du meine Güte, kann es sein, dass deine Lebensenergie sich dem Ende neigt, weil Nate deine andere Hälfte war? Das würde einiges klären, aber sicher bin ich...<

>Doch das muss es sein. Nate hatte mir mal davon erzählt und verflucht, ich wünschte, ich hätte mich mit ihm aussprechen können. Er schien Aria wirklich zu lieben, also musste er ein guter Mann gewesen sein. Und ich war so kindisch und habe mich mit ihm wegen Geld gestritten und der Sache mit dem Gleichgewicht... Jetzt weiß ich, warum er diese verdammte Wohnung in New York gekauft hat und warum er so oft in unserer Welt gewesen war. Alles wegen Aria. Verdammte Scheiße, jetzt bereue ich es zutiefst, aber ich kann ihn jetzt immerhin bald sehen und ihm gewaltig in die Eier treten! Sag Helena, dass ich sie für immer lieben werde und das schnulzige Zeug auch noch...<

>Noah, jetzt reiß dich zusammen! Wir werden einen Weg finden ok? Ich werde alles tun, damit nicht schon wieder eine geliebte Person aus meinem Umfeld stirbt... Sei nicht so ein Egoist und kämpfe! Mit Nate kannst du ein andern Mal reden, verdammt... Jetzt fluche ich schon wegen dir!<

>Na gut, ich gebe mein Bestes... Tritt diesen Missgeburten gewaltig in den Hintern!<

>Na klar, was hast du denn gedacht?<

Noahs Stimme verschwand aus ihrem Kopf und sie legte Helena, die total aufgelöst war, eine Hand auf die Schulter und beruhigte sie, da er immer noch am Leben war und kämpfte. Sie wischte sich eine Träne weg und nickte dankend, als sie sich wieder Noah zuwandte und ihm alte Geschichten erzählte. Claire stand entschlossen auf und erkannte die missliche Lage ihrer Freunde, da sie schwächer wurden und kaum Energie aufbringen konnten einem Wesen ins Gesicht zu spucken.

Sie mussten schnell einen Ausweg finden, sonst würde Noah nicht alleine gehen, doch das war leichter gedacht, als getan. Mit einem Seitenblick zu Aria vergewisserte sie sich, dass sie immer noch so stark war, wie zuvor, da sie ihre Energie direkt aus sich selbst und ihrer Wut und Trauer bezog.

Die fünfte Kunst, also. Kraft, das war es, was sie nun brauchten, doch Claires Energie reichte nicht für alle und sie spürte die schwindende Energie am eigenen Leib. Gerade als es brenzlig wurde, weil drei wolfsartige Wesen in den Raum gestürmt kamen, errichtete Curtis einen großen Kreis um sie alle, was aber einen immensen Kraftverbrauch kostete, den Claire versuchte auszugleichen.

Er würde diesen Kreis nicht lange halten, doch in dieser Zeit überlegten alle fieberhaft, wie sie aus der Situation freikamen, da ihr Jumper Noah im Sterben lag. Sie saßen also fest!

15. Kapitel

Der Kampf schien kein Ende zu nehmen und das schickte die Mentalität Claires in den Keller. Sie wusste nicht, ob sie noch lebte oder tot war, denn das einzige, was sie mitbekam, waren die ganzen Wesen, die sich um den Kreis scharrten und darauf warteten, dass Curtis zusammenbrach und sie freies Wild waren. Hazy und Cian standen ganz vorne und diskutierten miteinander, wie sie es doch noch schaffen konnten und Helena saß mit Viktoria bei Noah, der um sein Leben kämpfte.

Flecky saß ruhig neben ihr und sah sie erwartungsvoll an, aber sie wusste einfach nicht wo oben oder unten war, da die Kraft, die direkt in Curtis floss, ihren Verstand durcheinanderwirbelte. Aria war die einzige, die mit geballten Fäusten den Wesen tödliche Blicke zuwarf und all ihre Kraft zusammenkratzte, um im richtigen Moment anzugreifen. Und dann kam der Moment, der alles entscheiden sollte, da Curtis in sich zusammenbrach und mit ihm der schützende Kreis.

Die Wesen stürzten sich auf sie und was dann geschah, würde Claire für immer eine Lehre bleiben. Aria stellte sich vor ihren Freunden hin und ließ all die aufgestaute grüne Energie frei, die die Wesen wie ein riesiger Peitschenhieb traf. Dieses Licht sammelte sich um die Freunde und schützte sie vor weiteren Angriffen, da die bloße Berührung den Tod kostete.

Es war wie grünes Gift und doch leuchtete es in dem Grün der Hoffnung, die Claire noch nie so intensiv am eigenen Leib erfahren hatte. Aria stand inmitten dieses Lichtes und sie sah fest entschlossen aus alles zu geben und jeden mitzunehmen, der sich ihr näherte. Das war also diese tödliche Kraft, die Aria neben der Versieglungsfunktion besaß. Und dann geriet alles außer Kontrolle, da sich dieses Licht immer mehr und mehr ausbreitete, Wände zum Einstürzen brachte, Wesen zerfetzte und alles in sich sog, was in dessen Weg lag. Claire schrie Aria zu, dass sie zu weit ging, doch Aria wandte ihr nur den Kopf zu und lächelte unter Tränen.

Ihr Herz zog sich bei dem Anblick schmerzhaft zusammen, weil sie ganz genau wusste, was diese starke und ehrenvolle Frau tun wollte. Die Energie schloss sich um sie, sodass sie wie in einer Art Kapsel gefangen waren und als dann auch noch der Bürgermeister angerannt kam, da die Zerstörung seines Hauses nicht unbemerkt geblieben war, folgte eine Explosion, die einer Atombombe gleichzusetzen war. Und genau in diesem Moment fielen alle in eine Schwärze, die sie tiefer und tiefer in sich aufnahm.

Claires Augen flatterten auf, als sie ein starkes Licht blendete und sie in das lächelnde Gesicht von Aria blickte. Diese half ihr beim Aufstehen auf und als sich Claire neugierig umsah, stockte ihr der Atem. War sie tot oder warum war alles weiß um sie? Das musste doch der Weg zum Himmel sein oder?

Als hätte Aria ihre Gedanken gelesen, schüttelte diese den Kopf und bat sie ihr zu folgen, was Claire widerstandslos tat. Was blieb ihr auch übrig? Immerhin wanderte sie im Nichts herum, von Abhauen konnte nicht die Rede sein und vor Aria hatte sie eh keine Angst. Doch was sie sich am meisten fragte war, warum sie hier war. Aria steuerte auf eine Bank, die plötzlich aufgetaucht war, zu und setzte sich mit einem Seufzer hin. >Nun Claire, ich muss dir da einiges erklären. Also diese Explosion... Das war das Zusammentreffen meiner Kraft und meiner Emotion, denn wenn ich kämpfe, muss ich die beiden trennen, da sonst das passiert, was da gerade passiert ist. Jetzt bin ich in deinem Kopf, weil ich dir noch etwas geben muss... Da ich zu viel Energie verbraucht habe, bin ich gestorben und nun möchte ich dir meine Energie geben, die du Noah geben musst und meine andere Kraft, da ich kein anderes Ich besitze, gebe ich dir! Ich bin froh endlich wieder bei Nate zu sein, weil das ja mein größter Wunsch war und glaub mir, ich drück euch anderen die Daumen! Ihr werdet es schon schaffen, aber meine Zeit ist jetzt vorbei. Claire, ich danke dir, dass du mich wieder ins Leben zurückgebracht hast. Ich konnte dank dir über meinen Schatten springen und nun habe ich alles, was ich wollte... Danke und vergiss nicht die Kraft!<

Damit fiel Claire wieder in eine tiefe Schwärze und als sie wieder aufwachte, befand sie sich in dem Wohnzimmer ihres zu Hauses in ihrer Welt. Was hatte sie denn alles verpasst?

Mit Kopfschmerzen richtete sie sich auf und ein Blick auf die leblosen Körper ihrer Freunde reichte, um ihr das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. Doch zuerst krabbelte sie zu Noah rüber, der verdächtig bleich im Gesicht war und das grüne Licht aus Arias Reserve floss in seinen Körper. Es war eine gewaltige Kraft, die dabei ausgesetzt wurde und da fiel Claire ihre fünfte Kunst ein. War Leben nicht nur durch Kraft möglich?

Nun wurde sie Zeugin dieses Wunders, denn Noah wachte kurzerhand auf und sah sie dankend an. Die anderen standen unter Stöhnen auf und sahen sich verwirrt um und als Helena Noah lebend entdeckte, stürzte sie sich freudetrunken auf ihn und küsste ihn übers ganze Gesicht. Selbst Hazy und Cian waren anwesend, weswegen sich Claire abertausende Fragen stellte. Cian kam auf sie zu und umarmte sie erleichtert und dann setzten sich alle zusammen, weil sie über die jetzige Situation sprechen wollten. Doch das einzige, was Claire durch den Kopf ging, war pure Erleichterung, dass alle lebten. >Also Leute, was hab ich verpasst? Wo ist Aria?<

Noah sah seine Freunde fragend an, doch keiner schien darauf antworten zu können oder zu wollen. Sein Blick wanderte weiter zu Claire, die an ihrer Strähne fummelte und sich auf die Frage aller Fragen vorbereitete. >Wie hast du mich eigentlich gerettet?<

>Also... Hm, das ist so, Aria ist tot, weil sie zu viel Energie in das Ganze investiert hat und ja... Diese Explosion war das Größte, was in ihrer Macht gestanden hat, was auch der Grund ist, warum wir hier sind... Ja, und als sie gestorben ist, hat sie mir einen Teil der Energie für dich gegeben und den anderen Teil für mich. Das liegt daran, dass sie kein anderes Ich hat und ja die doppelte Lebenkraft hat... Ja, jetzt ist sie mit Nate glücklich!< Alle waren baff. Niemand konnte so recht glauben, dass Aria einfach so tot war, da sie erst frisch in die Gruppe gekommen war.

In Helena bildeten sich Tränen der Trauer und Noah schmerzte es innerlich, da es Arias Energie war, die ihn letztendlich am Leben hielt. Wie der arme sich wohl fühlen musste? Cian und Curtis waren einfach nur sprachlos und besonders Cian tat der Verlust am meisten weh, da sie in der Zeit, in der sie bei ihm zu Hause gelebt hatten, viel Unsinn zusammen gemacht hatten. DVD-Abende, Kochwettbewerbe, Putzen mit Musik und Shopping. Das alles hatten sie gemeinsam mit Aria gemacht, die stets gut drauf und fröhlich gewesen war.

Nun war sie einfach fort und würde nie wieder durch die Tür kommen und sie mit ihrer lauten Stimme aus dem Bett holen oder Claire einen Rat geben oder nur Unsinn mit Cian machen. Diese Zeit auf der anderen Seite hatte sie fest zusammengeschweißt und dass sie nun tot war, fühlte sich schlicht schrecklich an. Claires Herz tat höllisch weh und brennende Tränen liefen ihr die Wange runter. Jeder saß zusammengekauert auf dem Sofa, dachte an die schönen Momente mit Aria und wünschte ihr noch alles erdenklich Gute auf dem Weg ins Jenseits, wo sie nun mit ihrem Geliebten sein konnte.

Nach dieser Schweigeminute stand Claire seufzend auf und teilte den anderen erschöpft mit, dass sie nun in ihr Bett gehen würde und die anderen hielten es auch für gar keine so schlechte Idee eine Nacht über das bereits Geschehene verfliegen zu lassen. Aber dann meldeten sich Hazy und Cian, die gerne zurück in ihre Welt gehen würden, da sonst das Gleichgewicht gestört werden würde. >Aber wird nicht der Bürgermeister nach euch suchen oder der Rest, der diese Explosion überlebt hat?<

>Keine Sorge, so etwas passiert nicht zum ersten Mal... Sie dürfen uns nichts antun, ohne einen Grund zu haben, der nicht nachzuweisen ist. Und so weit ich weiß, sind alle Zeugen in der Hölle!< Claire gab sich zwar mit der Antwort von Hazy nicht zufrieden, doch sie nickte nur und sah Noah an, der sich schon für den Jump in die andere Welt vorbereitete. Das rote Licht an seinen Händen hatte einen grünlichen Schimmer bekommen, doch es verstärkte die Kraft, die Noah bereits hatte. Fast wie ein Bonus, der aber leider das Leben einer Freundin gekostet hatte.

Mit einer Druckwelle schleuderte Noah das Licht auf Cian und Hazy und dann waren sie einfach verschwunden. Stille kehrte wieder ins Wohnzimmer ein, die durch Fleckys Bellen durchbrochen wurde. Dieser kam auf Claire angerannt und für einen kurzen Moment vergaß sie sogar, was passiert war, da ihr kleiner Welpe zuckersüß war und sie aufgeregt übers ganze Gesicht leckte. Die anderen konnten sich auch kein Grinsen bei dem Anblick verkneifen, doch als sie plötzlich zwei Urnen über dem Kamin entdeckten, drückte es ihnen die Luft aus den Lungen heraus. Wer hatte bitte schön Aria und Nate zu Asche verwandelt?

Das konnte Arias Kraft bestimmt nicht bewirkt haben, doch da standen wahrhaftig zwei Urnen, die bei näherer Betrachtung mit Asche gefüllt waren. Dass es Aria und Nate waren konnten sie sich denken, da Claire noch nie zwei Urnen auf ihrem Kamin gesehen hatte und sie wohnte ja bereits eine Weile hier. Helena berührte sachte die beiden Urnen und begann widerstandlos zu weinen. Sie war sehr nah am Wasser gebaut, auch wenn sie anfangs so stark und selbstbewusst aufgetreten war und Curtis, der ja ihr Bruder war, kam langsam auf sie zu und nahm sie fest in seine Arme. Noah stand starr vor diesen zwei kleinen Vasen und schien wie hypnotisiert auf die beiden zu schauen.

Ihn traf dieser Verlust bestimm sehr stark, doch so wie er keine Träne vergoss, musste er sich innerlich sehr zusammenreißen, aber Claire, die bereits müde geworden war, warf einen letzten Blick auf die Urnen und verschwand mit ihrem Hund in ihrem Zimmer, das unverändert geblieben war. Sie streifte sich ein Nachthemd über, wusch sich den Schmerz weg und kuschelte sich nach Geborgenheit suchend in ihre warme Decke ein.

Ihr letzter Gedanke war der Wunsch, dass ab jetzt niemand sterben musste und dass wieder Frieden auf der Welt einkehrte und damit schlief Claire schlussendlich ein.

Ein brennender höllischer Schmerz durchfuhr Claire am nächsten Tag, sodass sie sich mit einem erstickten Schrei aufrichtete und ihre Hand begutachtete. Die Narbe an ihrem Gelenk tat so weh, dass sie ins Bad rennen musste, um es abzukühlen und während sie dieses Feuer in ihrer Hand löschte, fiel ihr auf, dass alles so angefangen hatte. Nun fehlte nur noch Hazy, die ihr von einer anderen Welt erzählte und sie von einer Ohnmacht in die andere fiel. Claire musste bei dem Deja vu kurz lächeln, aber der Schmerz ihrer Narbe verkürzte den Spaß ihrer Gedanken.

Nach einer langen Ewigkeit ließ der Schmerz nach und Claire atmete zunächst tief ein und aus, bevor sie sich vor ihren Spiegel hinstellte und nach Hazy rief, die kurz darauf auftauchte. Sie sah ziemlich müde aus, da es bei ihr bereits zwei Uhr morgens war, doch als sie Claires rote Hand entdeckte, riss sie erschrocken die Augen auf. >Claire, was ist denn passiert? Warum ist deine Hand rot wie eine Tomate, hast du dich geschlägert?< 

>Nein, ich weiß nicht... Ich hab geschlafen und dann fing meine Narbe an höllisch zu schmerzen und dann musste ich meine Hand eine ganze halbe Stunde unter Wasser halten, damit dieses Brennen aufhörte!<

>Du hast bis jetzt geschlafen? Mann, die Schlafmütze bist du immer noch unter uns beiden... Nun aber zu dem Schmerz... Hast du irgendwas gemacht, dass diesen Schmerz hervorgerufen haben könnte? Hast du vielleicht deine Kraft eingesetzt oder dich geschnitten?<

>Nein, nichts dergleichen... Es war einfach da, genau wie damals, als ich dich kennengelernt habe!<

>Hui, na das waren Zeiten gewesen... Da warst du noch so schüchtern und süß gewesen. Jetzt bist du nur arrogant und unlustig... Das war Spaß! Aber du hast dich trotzdem ins Positive verändert! Cian hat bestimmt nachgeholfen nicht wahr?<

>Jetzt lass diese Sache doch erstmals ruhen, ich will wissen, warum meine Narbe brennt...<

>Keine Ahnung, tut mir leid, frag die anderen. Vielleicht hatte der eine oder die andere eine Eingebung in ihren Träumen gehabt!< Damit verschwand Hazy auch schon wieder und zurück blieb Claire, die genervt Luft ausstieß und beschloss sich wo anders Rat zu holen. Bei Curtis natürlich. Wie es wohl sein würde ihn leibhaft wiederzusehen? Würde sie sich wieder in ihn verlieben?

Eher nicht, denn ihre Gefühle zu Cian waren irgendwie größer. Das Leben hatte aber echt komische Wege.

Seufzend schlenderte Claire in die Küche, wo sie Curtis bereits erwartet hatte und als er sie schläfrig am Türrahmen erkannte, stieß er ein lächelndes 'Guten Morgen' aus und bat sie sich hinzusetzen. Das ließ sie sich nich zweimal sagen und setzte sich auf den Barhocker am Tresen, um sich dann auf das lecker duftende Frühstück zu stürzen. Boah, wie sie seine Kochkünste vermisst hatte, das ließ sich gar nicht beschreiben. Selbst ihr Magen meldete sich zufrieden mit einem Grummeln, was Curtis als ein Kompliment nahm. War es ja auch in gewisser Hinsicht, aber sie musste ihm unbedingt von ihren Schmeren an der Narbe erzählen, weil sie bald verrückt werden würde, sollte sie nicht erfahren, warum das so ist.

Doch zuerst beendete sie höflich das Essen und begann ihm von dem Fall an ihrer Hand zu erzählen. Curtis, der sich interessiert neben ihr niederließ, nickte nachdenklich und versuchte sich etwas Plausibles zu überlegen, doch auch ihm fiel nach geraumer Zeit nichts mehr ein. Claire war am Verzweifeln, der Schmerz war immer noch da und keiner wusste warum. Selbst nachdem die anderen hinzugekommen waren und darüber aufgeklärt worden sind, nichts. Niemand hatte eine Antwort darauf.

Frustriert wollte Claire wieder nach oben in ihr Zimmer gehen, als Curtis sie plötzlich am Arm festhielt und sie unter vier Augen sprechen wollte. Nanu, was wollte er denn so dringend mit ihr unter vier Augen besprechen? Hoffentlich keine Liebeserklärung, das wäre ja die totale Niederlage für ihn, da ihr Herz bereits Cian gehörte.

Zusammen gingen sie ins Wohnzimmer, wo sie außer Flecky, der am Boden lag und TV schaute, ungestört waren und setzten sich hin. Claire malte sich schon aus, was sie erwidern würde und wie traurig Curtis sein würde, sollte er ihr wirklich seine Liebe gestehen. Sollte sie jemals Angst vor diesen Wesen verspürt haben, dann war das die schlimmste Angst von allen. Vor Nervosität begann sie sogar an ihrer Lippe zu kauen, was sie noch nie zuvor getan hatte und auch ihre Hände begannen zu schwitzen.

Das wurde langsam aber sicher echt unangenehm. Curtis schien auch innerlich mit sich zu ringen, ob er das Gespräch anfangen sollte oder nicht und er fuhr sich ständig durch die Haare und holte tief Luft. Bald würde Claire platzen, ihre innere Bombe tickte schon gefährlich, aber dieser Mann sagte nichts. Gerade, als sie ihn fragen wollte, was er sagen wollte, begann er zu reden. >Claire, ich muss dir was Wichtiges sagen... Ich, ich, also... Ähm, ich liebe...< Oh nein, Claires Herz sank in ihre Hose und blieb dort regungslos liegen, die Luft aus ihren Lungen befreite sich aus ihrem offenen Mund und ihr Hirn setzte vollkommen aus.

Er hatte also doch vor es ihr zu sagen, der arme Kerl würde nun eine Abfuhr bekommen und daran war nur sie selbst schuld. Was würde dann aus ihrer Freundschaft werden? Sie wollte so einen besonderen Mann nicht verlieren, nur weil sie sein Liebe nicht erwiderte. Doch wahrscheinlich würde es so kommen, wenn diese Filme im Fernsehen wirklich der Realität entsprachen. >Ich liebe Hazy!<

Claires Kinnlade fiel nach unten und wäre ihr Hirn nicht wieder online, wäre sie nun hirntot gewesen. Hatte er grad wirklich gesagt, dass er Hazy, diese eine Hazy, liebte? Diese Frau, die keine Manieren hatte, rumschrie wann es ihr passte, zu launisch manchmal war und überhaupt kein Feingefühl besaß, die Frau liebte dieser Mann?

Dieser nette, hilfsbereite, gutaussehende, freundliche und hervorragende Koch?

Das konnte doch nicht wahr sein.

Erst vorhin war sie dem Kollaps nahe gewesen, weil sie gedacht hatte, dass er sie und nicht Hazy liebte und nun saß er nervös vor ihr da und wartete auf eine Antwort, die sie ihm aber in dem Moment nicht geben konnte. Wie hatte es Hazy geschafft ihm in weniger als anderthalb Wochen den Kopf zu verdrehen? Sie hatte doch nichts Verbotenes getan, denn obwohl sie gewusst hatte, dass Claire sich in Cian verliebt hatte, hätte sie nicht gegen ihre Abmachung handeln dürfen. Das wäre ja Betrug und darüber würden die beiden schon noch reden. Doch zunächst musste sie dem armen Curtis, der nicht so recht wusste, wie er sich verhalten sollte, eine Antwort geben, bevor auch er einen Herzanfall bekam. >Aha, du liebst also Hazy?<

>Ja, und ich weiß nicht, was ich tun soll... Sie lebt in der anderen Welt und ich in dieser und ich weiß nicht mal, ob sie das Gleiche fühlt. Es ist lange her, seitdem ich mich so sehr in eine Person verliebt habe!<

>Oh ja, davon weiß ich...<

>Was weißt du?<

>Ach nichts, aber zu Hazy... Sie liebt dich auch, auch schon seit Längerem. Ich hätte es auch nie für möglich gehalten, dass mein anderes Ich überhaupt zu solchen Gefühlen fähig ist, aber siehe da. Es geht doch! An deiner Stelle würde ich es ihr einfach sagen und wie ihr zusammenkommt, ist eine andere Frage, die vielleicht später mal geklärt werden kann.<

>Sie liebt mich wirklich?<

>Ja, klar, habe ich dich jemals angelogen?<

>Nein, nein... Oh Gott, das sind ja tolle Nachrichten, danke Claire, danke! Was würde ich ohne dich tun?<

>Hier sitzen und Däumchen drehen! Geh jetzt Romeo, ruf nach Julia und sie wird am Spiegel erscheinen...< Seit wann war sie denn so ironisch geworden? Die andere Welt hatte größeren Einfluss auf sie gehabt, als sie angenommen hatte, aber Curtis hatte durch seine ganze Verliebtheit nichts gemerkt und spurtete hoch ins Bad, um nach Hazy zu rufen.

Der war ja wirklich hin und weg von ihr. Immerhin würden sie nun glücklich sein, heiraten, Kinder kriegen und alles andere, was dazu gehörte. Wieder durchfuhr sie dieser Schmerz in der Hand und mit zusammengebissenen Zähnen machte sie sich auf dem Weg zu ihr ins Zimmer, um sich mit ihren Blumen abzulenken. Diese standen unversehrt am Balkon und blühten in ihrer vollen wunderschönen Pracht, weshalb sie sich nun viel besser fühlte. Sie berührte die Blüten ihrer Dahlien ganz sanft und streichelte die feinen Fasern des empfindlichen Blütenblattes, als sie auf einmal eine Stimme in ihrem Hinterkopf wahrnahm.

Sie drehte sich ruckartig um und sah sich in ihrem Zimmer fragend um, doch niemand war zu erkennen. Schon wieder ertönte diese weibliche Stimme, doch Claire konnte einfach nichts damit anfangen, bis sie das plötzliche Bedürfnis hatte nach den Urnen zu sehen. Mit tranceartigen Schritten ging sie die Treppe herunter ins Wohnzimmer und entdeckte Flecky vor dem Kamin, der die Urnen mit seinem Hundeblick durchbohrte. Sie stellte sich direkt neben ihm hin und streckte vorsichtig die Hand nach einer Urne aus, als sie ein Licht, greller als das eines Leuchtturms, erfasste und sie verschluckte. Als sie dann langsam die Augen öffnete, blieb ihr Herz kurz stehen.

Aria und Nate standen Hand in Hand mit einem grünen Licht umgeben vor ihr und grinsten sie glücklich an. Nate hob begrüßend eine Hand und Aria nickte ihr wohl wissend, dass Claire nun dachte, sie sei verrückt geworden, zu. Claire wollte gerade die Frage stellen, warum um Himmels willen sie vor Toten stand, als Nate zu erklären begann. >Also, ich muss dir da was erklären. Die Tatsache, dass du uns jetzt siehst, liegt daran, dass du unterbewusst mit Aria verbunden bist, da sie dir ja ihre Kraft übergeben hat! Das zu dem Thema... Das mit deiner Narbe ist ein viel verstrickteres Thema, das ich dir jetzt ganz langsam erklären werde, damit du bloß nichts falsch verstehst! Ok?<

Claire nickte brav und fühlte sich in dem Moment wie ein Kindergartenkind, das zum ersten Mal Legosteine sah und nicht mit ihnen umzugehen wusste. Aber da es ihre Freunde waren, vertraute sie darauf, dass nichts Schlimmes passieren würde, außer dass der brennende Schmerz der Narbe zunahm. Glücklicherweise spürte sie momentan nichts, was vielleicht daran lag, dass sie in einer Art Zwischenwelt oder in einem metaphysischen Zustand war. Beides war möglich, so viel Surreales, wie sie schon erlebt hatte. >Also, Aria hat auch so eine Narbe wie du, nur eben am Knie. Das ist der Grund, warum du das noch nie bei ihr gesehen hast... Diese Narbe ist ein Zeichen dafür, dass du mit meiner Welt durch Blut verbunden bist, da du dich an einen Spiegel geschnitten hast. Es ist eine sehr mächtige Blutsverbindung und ist Symbol für eine Specusigilis. Ich weiß, eigentlich ist Aria eine und das ist sie auch, aber du auch. Es ist sehr selten, dass die Vier Gemeinsamkeiten untereinander aufweisen, aber es ist möglich und in diesem Fall bist du die Mächtigste unter ihnen. Denn du bist zwei Kämpfer in einer Person! Das ist viel Kraft und dennoch sehr gefährlich für dein Leben, denn du musst wie Aria Gefühle und Kraft trennen können... Dazu musst du eine innere Barriere aufbauen, um das zu schaffen. Diese Barriere lässt sich durch langzeitiges Meditieren errichten, was du bestimmt schaffen wirst, sonst wärst du nicht auserwählt worden. Und da Aria nun tot ist und ihre Kraft auf deine übertragen hat, ist deine Narbe und somit deine zweite Funktion aktiviert worden. Das wird eine Weile weh tun, da deine inneren Kräfte eine Balance finden müssen, aber das wird auch wieder schnell vergehen, keine Sorge. Ich hoffe, dass du das meiste verstanden hast, oder hast du noch Fragen?<

Warum konnte Claire jetzt nicht ohnmächtig werden, denn das waren einfach zu viele Infos auf einmal, um die erstmals zu verdauen. Das konnte doch alles nicht wahr sein? Warum musste sie immer das Opfer in ihrem Freundeskreis sein? Warum musste sie immer die Verantwortung tragen? Vor der ganzen Sache war sie ein normales, reiches, schüchternes und verwöhntes Mädchen gewesen und nun lag das Wohl zweier Welten auf ihr. Wow, da halfen bestimmt ihre fünf Künste nicht, so viel wie sie tun musste.

Eine Barriere aufbauen, das klang einfach, aber wer versicherte ihr, dass das auch hundertprozentig klappen würde. Sie hatte ganz bestimmt nicht vor irgendeinen Fehler zu begehen, indem sie dann auch noch mit dem Leben zahlte. Doch eine Frage brannte ihr auf der Zunge. >Warum? Warum ich und wer hat uns dazu auserwählt? Mit dieser Person würde ich gerne mal ein Wörtchen reden!< Nate warf ihr einen entschuldigenden Blick zu und schüttelte verneinend den Kopf.

>Tut mir leid, das darf ich nicht sagen, aber ich kann dir eins versichern. Diese Person liebt dich wie eine Tochter. Es ist aber nicht dein Vater... Nun, ich und Aria müssen jetzt gehen und bitte schütte unsere Asche im Atlantik aus, das ist unser beider Wunsch, danke für alles Claire!<

>Aber...< Claire wachte um Atem ringend auf dem Wohnzimmerboden auf und wechselte irritierte Blicke mit Flecky, der sie neugierig musterte. Er bellte kurz und schleckte sie an der Hand, die nicht mehr so höllisch brannte, wie zuvor. Anscheinend fanden ihre inneren Kräfte endlich Frieden. Doch wer war diese Person, die sie wie eine Tochter liebte und trotzdem nicht ihr Vater war?

Diese Frage verursachte ihr übelst Schmerzen, aber sie stand ächzend auf und sah sich fragend um, weil es so still in ihrem Haus war. Wo waren denn die anderen? Claire suchte in der Küche, niemand da. Im Garten, auch niemand. Im ganzen Erdgeschoss schien alles menschenleer zu sein un kaum hatte sie die Panik erfasst, dass alle in Gefahr waren, entdeckte sie Noah und Helena Arm in Arm im Ehebett und Viktoria schlafend in Claires Bett. Nun fehlte aber Curtis, der nicht im Bad zu sein schien, wo er doch eigentlich mit Hazy reden müsste. Komisch! Sie suchte noch in den anderen Zimmern der Villa, aber sie fand keine Spur von Curtis, was sie zunehmend besorgte. Hoffentlich war er nicht, wie Viktoria entführt worden. Das wäre ja die totale Katastrophe!

16. Kapitel

Claire spurtete wieder runter ins Wohnzimmer, als sie ihren Namen rufen hörte und zwar aus dem Flur, der zur Haustür führte. Etwas unbehaglich war die Situation schon, aber etwas sagte ihr, dass sie der Stimme vertrauen konnte und das konnte sie tatsächlich. Cian lächelte ihr aus dem Flurspiegel zu und neigte den Kopf zur Seite, um nach ihrem Befinden zu fragen. Sie erzählte ihm von Curtis, der anscheinend verschwunden war, aber Cian machte lachend eine wegwerfende Handbewegung und versicherte ihr, dass es ihm gut gehe.

Er sei nach dem Gespräch mit Hazy ins Auto gesprungen und irgendwo hingefahren, aber es ging ihm gut. Claires Puls beruhigte sich sofort und dann gewann er wieder an Geschwindigkeit, weil sie erst jetzt realisierte, dass sie mit Cian allein war. Er sah übrigens wie immer total heiß aus mit seinen verstrubbelten blonden Haaren und den eisgrünen Augen, die sie wieder amüsiert anfunkelten.

Um aber die aufsteigende Röte in ihrem Gesicht zu vertuschen, sprach sie das Thema Curtis und Hazy und an und Cian begann wieder herzhaft zu lachen. Wie sehr sie sein engelsgleiches Lachen doch vermisst hatte. >Ach, Hazy und verliebt. Als sie mir das erzählt hat, bin ich aus allen Wolken gefallen! Die Hazy, die ich kennengelernt hatte, ist sie schon lange nicht mehr. Sie kann lieben und das aus reinem Herzen. Mir ist das egal eigentlich... Solange Curtis gut auf sie aufpasst, was bestimmt der Fall sein wird, ist alles in Butter! Sie geben schon ein süßes Paar ab, aber die Vorstellung, dass sie sanft und zärtlich ist, ist einfach...<

>Absurd? Unvorstellbar? Ja, da stimme ich dir vollkommen zu... Ich war auch überrascht darüber, wie sie einem Mann wie Curtis den Kopf verdrehen konnte! Vielleicht hat sie ihn ja verführt...<

>Nein, nein... So hinterhältig ist sie nicht und außerdem würde Curtis nie auf so eine Masche reinfallen, denn das war die Masche, die ihm das Herz gebrochen hat! Aber zu deiner Überraschung... Du hast wirklich geglaubt, dass er dich liebt, nicht wahr?< Claire wurde bei der Frage sofort rot und sie nickte ertappt mit dem Kopf, was Cian mit einem Lachen erwiderte.

Ihm gefiel es sogar sehr, sie aus der Reserve zu locken. >Ts, na und? Zum Glück war ja das Gegenteil der Fall!<

>Aha und warum? Ich dachte, du wärst in Curtis verliebt?<

>Woher weißt du das?<

>Ich und Hazy sind beste Freunde und beste Freunde erzählen sich halt sowas!<

>Mensch, ich erzähl nie wieder etwas! Aber ja, das war ich... Jetzt nicht mehr!<

>Wem gehört denn nun dein Herz, wenn ich fragen darf?<

>Darfst du aber nicht!< Schmollend verschränkte Claire die Arme vor die Brust und funkelte ihn herausfordernd an. Wäre er nun hier gewesen, hätte er ihr mit einem Kuss alles aus der Nase ziehen können, doch die Möglichkeit hatte er nicht, also konnte sie machen, was sie wollte. Er schien genau das Gleiche gedacht zu haben, weswegen er leicht lächelte und sie dann mit so einem zärtlichen Blick ansah, dass ihre Beine fast zusammenklappten. Sie hatte vollkommen vergessen, was für wunderbare Augen er hatte und wie locker er sie mit seinen Blicken betören konnte.

Verflucht, sie war ihm schutzlos ausgeliefert!

Schon wieder lächelte er, doch diesmal war es dieses freche Grinsen, was er immer dann hatte, wenn er etwas bekommen hatte, was er wollte. Claire ließ geschlagen die Schultern sinken und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. >Na an wen? An dich, du Doofian! Und jetzt lass mich mit diesen betörenden Blicken, die machen mich wahnsinnig! Außerdem bist du ja auch verliebt, wenn ich dich richtig verstanden habe, Cian!<

So, jetzt hatte Claire eindeutig einen Punkt verdient, denn in Cians Wangen schleichte sich eine Röte, die ihn verriet. Er nickte geschlagen und kratzte sich seiner Liebe entblößt am Kopf. Oh, er sah so süß aus! Aber sie wollte nicht weiterhin darauf rumreiten, da auch ihr die Sache etwas zu peinliche wurde.

Stattdessen lästerten sie noch eine Weile über Curtis und Hazy als potentiellens Paar und rissen Witze über sie, wie sie wohl in ein paar Jahren miteinander umgehen würden und wie wohl die Kinder aussehen würden. Natürlich ging das mit den Kindern etwas zu weit, aber es war lustig.

Irgendwann verstummte Cian und sah Claire wieder mit diesem zärtlichen Blick an, der sie zum Dahinschmelzen brachte. Auch ihr Puls raste schneller als ein Jetflugzeug und diese verdammte Gänsehaut jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Langsam fragte sie sich, ob das normal war, doch es schien der Fall zu sein. Ob Cian auch solche Körperregungen hatte? >Ich vermisse dich Claire! Ich möchte dich wieder in den Armen halten und dich küssen, wann können wir wieder zusammen sein?<

Also diese Worte hauten sie aus den Socken. So etwas Süßes hatte sie noch nie in ihrem Leben gehört und das kam ausgerechnet von Cian, der der Womanizer schlechthin war. Waren diese Worte also eine Art Entscheidung? Hatte er sich dafür entschieden mit ihr zusammen zu sein und sein Dasein als Frauenjäger aufzugeben? Wenn ja, dann würde Claire Freudensprünge machen und ihn abertausendmal küssen. >Soll das heißen, dass du mich wirklich liebst und dass du wirklich mit mir zusammen sein willst? Also, ohne dieses ganze Hinterhergegaffe bei Frauen und so? Ein treuer Mann, der alles für seine Freundin tun würde? Bist du dir da sicher?<

>Claire, als wir in diesen Keller gegangen sind und du verletzt worden bist, habe ich nur rot gesehen. Ich habe alles abgeschlachtet, was für dich eine Bedrohung hätte sein können! Und als du mich bei dem Kuss erwischt hast, war eine ganze Welt für mich zusammengebrochen, weil ich dich einerseits verletzt hatte, andrerseits aber auch Angst gehabt habe dich für ewig zu verlieren. Außerdem, als ich Aria und Nate so gesehen habe, da ist mir klar geworden, dass ich ohne dich nicht leben kann und das ist hiermit das Schnulzigste, was ich jemals von mir gegeben hab! Da muss es ja wohl ehrlich gemeint sein... Glaubst du mir?<

Claire konnte es einfach nicht fassen, denn dieser Mann war einfach atemberaubend süß. Diese Worte hallten wiederholt in ihrem Herzen wider und erwärmten sie innerlich, sodass sie sich fühlte als wäre sie ein Vulkan, bereit zum Ausbruch. Cian war ein bisschen rot geworden und hoffte auf eine befriedigende Antwort, als Claire mit dem schönsten Lächeln, das Cian je gesehen hatte, eine Hand an den Spiegel legte und ihn liebevoll ansah. Er, vollkommen in den Bann gezogen, legte auch seine Hand an die Stelle, an der ihre lag und für einen kurzen Moment fühlte es sich wahrlich so an, als wäre keine Welt zwischen ihnen. Claire seufzte und sah auf die Hände, als sie ihm wieder tief in die Augen blickte.

>Ich liebe dich auch Cian. Du bist der erste Mann, bei dem ich mich so anders fühle, so besonders. Die Gefühle, die ich bei Curtis hatte, waren nie so intensiv gewesen, wie bei dir. Bei dir hatte ich immer diese Gänsehaut und bei Curtis ein warmes Gefühl, das sich fast wie Bruderliebe angefühlt hatte. Ich weiß nicht wie, aber ich glaube, dass mein Herz schon von Anfang an dir gehört hat, nur dass ich es nicht wahrhaben wollte, da du ja ein Womanizer bist... Ich wollte nicht verletzt werden, deswegen bin ich manchmal ausgeflippt und es tut mir leid. Und als du mich gebeten hast, auf dich zu warten, hätte ich so oder so auf dich gewartet, weil ich nichts anderes hätte machen können. Du bist mir zu wichtig geworden, um dich dann einfach gehen zu lassen und da beim Kuss... Wenn ich ehrlich bin, hätte ich dir sogar verziehen, wäre es nicht mal geplant gewesen. Weh getan hat es natürlich, aber einfach zu gehen... Ohne dich, nein! Ich will auch mir dir zusammen sein, ich vertraue dir und ich glaube dir!<

So, endlich war es draußen.

Dieses ganze Gefühlschaos hatte endlich sein Ende gefunden und nun stand sie einfach mitten im Flur und starrte auf den Spiegel. Genauer gesagt auf ihren Liebsten, der sie gerührt ansah und sich langsam nach vorne beugte. Claire schloss auch die Augen und dann berührte sie den Spiegel mit den Lippen und sie hätte schwören können, dass sie seine auf ihren spüren konnte. Es fühlte sich einfach befreiend und schön an und als sie ein wenig die Augen öffnete, sah sie in die geschmolzenen grünen Augen von Cian und erwiderte seine Liebe mit dem liebevollsten Blick. Wie lange sie sich da so angesehen hatten, wusste Claire nicht, bis plötzlich der Spiegel anfing zu vibrieren.

Cian betrachtete dieses Spektakel mit Misstrauen und warf Claire einen fragenden Blick zu, als sich diese nachdenklich am Kopf kratzte und ihm von ihrer neu erworbenen Kraft erzählte. Dieser kam nach dieser Offenbarung kaum aus dem Staunen heraus und starrte sie eine Weile fassungslos an.

>Wow, na das überrascht mich im Endeffekt nicht, weil ich gewusst habe, dass ich es mit einer ganz besonderen Frau zu tun habe!< Claire verdrehte bei seinem Charme die Augen und erschrak, als Hazy neben Cian auftauchte. >Wer ist die besondere Frau, von der Cian spricht? Doch nicht ich, oder? Ach Cian, ich hab dich auch lieb!<

>Na sieh mal einer an, Hazylein ist auch in da House. Na wie war das Gespräch mit meinem anderen Ich, Curtis?<

>Och es war ganz WUNDERBAR, OH MEIN GOTT! Er hat mir seine Liebe gestanden und ich auch und jetzt sind wir ein Paar, nur dass wir uns nicht richtig sehen können... Aber trotzdem, ich bin soooo happy, wow!< Cian und Claire warfen sich vielversprechende Blicke zu und Hazy sah verträumt zur Seite und schüttelte den Kopf, um wieder im Klaren zu sein. Sie sah die beiden fragend an und wackelte verführerisch mit den Augenbrauen, weil sie an den Blicken von beiden erkannt hatte, was zwischen den beiden lief. Cian kniff Hazy leicht in die Schulter und verabschiedete sich kurz daraufhin, weil er zur Arbeit musste und Hazy nickte Claire wissend zu und verschwand auch, weil sie einen Fall zu erledigen hatte. Claire stand nun ganz alleine im Flur und überlegte, was sie tun sollte, als plötzlich das Telefon klingelte. Sie nahm fragend ab und erschrak, als sie die Stimme ihrer Mutter erkannte.

>Claire, Schatz, wie geht es dir? Tut mir leid, dass wir dich lange nicht mehr angerufen haben, aber hier ist verdammt viel los! Aber ich und dein Dad werden übermorgen da sein ok? Ich liebe dich mein Schatz...<

>Oh, ähm Mom, das klingt ja super. Ich freu mich schon total! Soll ich irgendwas vorbereiten?<

>Nein, nein Schatz, du brauchst nichts zu machen. Bis übermorgen!< Und damit legte Claires Mutter auf und Claire blieb sprachlos mit dem Hörer am Ohr mitten im Flur stehen. Ihre Eltern wollten schon übermorgen kommen? Aber wie mit den ganzen Wesen, die immer noch in ihre Welt kommen konnten und von Menschen Besitz ergriffen, als wären es leere Behälter?

Das wäre zu gefährlich für ihre Eltern und die Tatsache, dass sie besondere Kräfte besaß, würde ihre Eltern bis aufs Innerste erschüttern. Was sollte sie nur machen? Sie musste die anderen informieren und diese ganze Spiegelsache ein für alle Mal beenden. Dazu lief sie zurück ins Wohnzimmer und rief ihre Freunde, die bereits aufgewacht waren, zu sich, um Kriegsberatung zu halten. Noah kam zusammen mit Helena nach unten und fragte schläfrig, was so dringend war und Viktoria raste nach unten, weil sie mit Flecky Fangen gespielt hatte und sowieso nach unten gekommen wäre. Sie gingen alle gemeinsam in die Küche und warteten geduldig auf Curtis, der freudestrahlend den Raum betrat und fragende Blicke in die Runde warf. Claire erzählte ihnen von der bevorstehenden Ankunft ihrer Eltern und Noah fiel die Kinnlade nach unten. >WAS? Und das genau da, wo wir Probleme mit den Wesen haben? Was machen wir jetzt?<

>Genau das wollte ich mit euch besprechen! Ich finde, dass wir endlich diesen Riss in dieser Vorstadt ausfindig machen müssen, bevor meine Eltern kommen. Sollten wir den schließen und alle Wesen besiegen, dann wird bestimmt wieder Frieden einkehren! Was meint ihr?<

>Ja, dem würde ich auch zustimmen, nur wie finden wir den Riss? Ist ja nicht so, als würden überall Straßenschilder stehen und uns den Weg weisen!< Noah hatte in dem Punkt recht, aber sie mussten es einfach versuchen, denn sie durften es nicht riskieren, mehr Leute da mit reinzuziehen. Doch die Frage war immer noch, wie sie den Riss finden würden. Claire stützte nachdenklich ihren Kopf in die Hände und dachte fieberhaft nach, doch ihr fiel einfach keine Lösung ein, als Flecky auf einmal mit einem Prospekt im Maul die Küche hereinkam. Sie nahm ihm den Prospekt aus dem Maul und begutachtete die Titelseite, da darauf ihre Tanzschule zu sehen war und Curtis nahm es auch in die Hand, als er sich mit einem 'Ah' an die Stirn klatschte.

>Leute, ich glaube Flecky ist ein Genie! Wo kann man besser einen Riss öffnen, als in einer Tanzschule mit vielen Spiegeln?<

Also das hätte Claire nun wirklich nicht gedacht. Ihr Hund hatte die Lösung zu ihrem Problem gefunden und das obwohl Flecky nicht mal ihre Sprache verstand. Stolz, dass ihr Welpe so hilfreich war, streichelte sie ihm den Kopf und küsste ihn leicht auf die feuchte Schnauze. Was würde sie nur ohne dieses wunderbare Tier nur machen?

Claire sah entschlossen in die Runde und jeder wusste, was zu tun war. Morgen würden sie in die Tanzschule gehen und kurzen Prozess machen, noch bevor Claires Eltern kommen würde. Doch Claire musste zuerst mal meditieren gehen, da der Kampf am nächsten Tag bestimmt kein Spaziergang werden würde und sie vorbereitet sein musste. Die anderen stimmten der Sache zu und machten sich auch auf dem Weg in ihre Zimmer, um ein bisschen zu trainieren.

Diejenigen, die keine magischen Kräfte besaßen, gingen in Claires Zimmer und übten ein wenig Kämpfen, also Helena und Viktoria. Claire blieb im Wohnzimmer, zwinkerte Curtis, der immer noch im siebten Himmel schwebte, verschwörerisch zu und ergatterte ein fettes Grinsen. Dann blieb sie alleine zurück, nur dass Flecky aus der Küche hechelnd kam und den Kopf schief legte, um sie bei ihrer Meditation zu beobachten. Durch den Zuschauer fühlte sie sich überhaupt nicht bedrängt, sondern es bestärkte sie in ihrer inneren Kraft und ließ sie vollkommen entspannen.

Sie schloss ganz langsam die Augen und entspannte jede Muskelfaser, die bis dahin angespannt war und hörte daraufhin nur ihren ruhigen Puls und ihren Herzschlag in der Brust. So fühlte es sich an, wenn sie in der Nähe von Cian war und dieser Gedanke ließ sie schmunzeln. Hach, sie war so glücklich bei ihm, aber sie musste sich nun konzentrieren und diese innere Barriere aufbauen. Doch wie machte man das? Aria hatte gesagt, dass sie ihre Gefühle und ihre Kraft teilen musste, aber das würde doch heißen, dass sie ihre Gefühle zu Cian loslassen musste, oder nicht? Traurig über diese Erkenntnis öffnete Claire niedergeschlagen die Augen und sah direkt in Fleckys wunderschönde graue Augen. Sie hob eine Hand und fuhr ihm zärtlich durchs Fell, während sie immer wieder einen lauten Seufzer ausstieß. >Ach Flecky, wie soll ich nur meine Gefühle zu Cian bloß blockieren? Ich bin das erste Mal so verliebt und dann muss ich diese Gefühle unterdrücken... Das ist doch Mist! Ich will das nicht, aber es scheint so, als müsste ich es. Aber wie?<

Claire sah ihren treuen Freund hilfesuchend an, worauf dieser sie an der Wange schleckte, sodass sie nach hinten kippte und begann lauthals zu lachen, da seine Zunge sehr kitzlig war. Sie drückte ihn leicht weg und wischte sich die Sabber seiner Zunge aus dem Gesicht, als sie sich plötzlich richtig stark fühlte, sodass sie sich gleich an die Meditation ranmachte. Dazu schloss sie wieder die Augen, faltete die Hände zusammen und atmete regelmäßig ein und aus.

Eine Energie baute sich langsam in ihr auf, die sie zu formen begann und zwar in eine Art Mauer, die sie zwischen dem Herzen und dem Verstand zog. Ihr Herz sollte die Liebe zu Cian darstellen und der Verstand die Quelle ihrer Kraft. Mit der Zeit wurde die Mauer größer und breiter und Claire konnte fühlen, wie zwei verschiedene Welten in ihr entstanden, fast so wie ihre und die Spiegelwelt. Die eine war voll von Gefühlen und Emotionen und die andere war die reine Energie in ihrem Körper. Die Mauer war fast komplett, als plötzlich alles in sich zusammenbrach und Claire das Gleichgewicht verlor und nach hinten kippte.

Dabei stieß sie ihren Kopf am Boden an, jedoch nicht zu schlimm, um ins Koma zu fallen. Flecky war sofort zu ihr geeilt und leckte sie im Gesicht, damit sie wieder die Augen öffnete, weil sie eine Weile lang bewusstlos gewesen war. Kopfschüttelnd richtete sich Claire langsam auf und ging im Schneckentempo in die Küche, wo sie sich ein frisches Glas Wasser einschenkte und in einem Zug leertrank. Sie stellte dann das Glas auf den Tresen und machte sich gähnend und mit Kopfschmerzen auf den Weg in ihr Zimmer, als sie dort auf Helena und Viktoria traf, die sich gerade auf dem Boden kämpfend rumwälzten.

Der Anblick war so entzückend, dass Claire einfach anfing zu lachen, was dann den Kampf der Mädchen unterbrach. Die beiden sahen Claire zunächst mit hochgezogener Augenbraue an, bis sie selbst in das Gelächter einstiegen. Es erinnerte die drei an die ersten Tage, in denen sie sich näher kennengelernt hatten und die Tatsache, dass sie nun beste Freundinnen waren, drängte die drei sich in ein langes Gruppenkuscheln zu vertiefen und sich gegenseitig zu sagen, wie lieb sie sich hatten. Claire stieß überglücklich einen langgezogenen Seufzer aus und umarmte ihre Freundinnen noch fester. Nach einer langen Kuschelstunde beschlossen die drei über ihr Liebesleben zu reden, da alles so aktuell war und Helena fing als erstes an zu erzählen.

Wie erwartet schwärmte sie von Noah von vorne bis hinten und wie sehr sie ihn liebte und dass sie sich vorstellen könnte mit ihm zusammenzuziehen und zu heiraten. Wow, so sicher wie Helena es war, würden diese ganzen Sachen bestimmt klappen und Claires Segen hatten die beiden bereits von Anfang an. Viktoria zuckte nur mit den Schultern, weil sie bis dato noch niemanden gefunden hatte, was Claire traurig machte, da Viktoria eine wunderbare Persönlichkeit war und Liebe verdient hatte. Besonders weil sie so viel durchmachen musste. Doch für sie schien das nicht so ein Problem zu sein, was Claire einfach bewundernswert fand. Flecky dachte wahrscheinlich genau das Gleiche, da er kurz bellte und sich neben Viktoria hinlegte, um sich dann von ihr kraulen zu lassen. Dieser kleine Bursche liebte einfach Streicheleinheiten. War ja auch kein Wunder, so viel wie ihm Claire verpasst hatte.

Dann war sie an der Reihe mit dem Liebesgeständnis, was beide Mädchen vollkommen schockierte, weil sie es nie für möglich gehalten hatten, dass einer wie Cian so zahm werden könnte. Claire nickte lächelnd und erzählte ihnen alles, was sie verpasst hatten und als sie dann mit dem Bericht fertig war, herrschte Stille bei den Mädchen. Helena starrte sie ungläubig an und Viktoria brach in schallendes Gelächter aus, da dieser Moment sie stark an die erste Begegnung mit den Wesen erinnert hatte. Da waren sie auch alle baff gewesen! Claire lachte auch über diese Erkenntnis und gähnte, weil sie auf einmal eine schreckliche Müdigkeit gepackt hatte, die bestimmt von der Meditation kommen musste.

Die anderen Mädchen gähnten ihr nach und beschlossen auch langsam ins Bettchen zu gehen, worauf Helena sofort bei Noah verschwand und Viktoria gleich zu Bett in Claires Zimmer ging, weil sie sich schon bettfertig gemacht hatte. Claire zog den üblichen Prozess vor dem Schlafengehen durch und sprang erleichtert in ihr Bett, ohne jedoch Viktoria, die bereits eingeschlafen war, aufzuwecken. Anschließend schloss sie entspannt die Augen und schlief kurz darauf ein, bis sie grundlos mitten in der Nacht aufwachte und sich aus dem Bett rappelte.

Sie ging schläfrig die Treppen nach unten, schnappte sich ihr rotes Tagebüchlein vom Wohnzimmertisch und öffnete leise die Balkontür, als ihr schon ein kühles Lüftchen entgegenwehte. Der Vollmond prangte genau über ihrem Kopf und erhellte den Garten, sodass es fast wie ein verzauberter Ort aussah. Die Blumen, der kleine Teich, das Rascheln der Bäume und die Sterne, die den Himmel schmückten stellten ein kleines nächtliches Paradies dar, in das sich Claire pudelwohl fühlte. Sie legte sich auf einen der Liegestühle neben dem fertigen Pool hin und schlug das Büchlein auf, um ihrer sprudelnden Weisheit freien Lauf zu lassen.

Gab es eine sechste Kunst? Immerhin besaß das Leben schon fünf Künste, aber da musste es noch mehr geben außer Kraft, Mut, Kompass, Schuhe und Waage. Es musste ja nicht immer ein Weg an Land sein, der zum Ziel des Lebens führte. Was war, wenn man vor einem kilometerweiten Ozean stand und es kein Schiff gab, um das Wasser zu überqueren? Man müsste Flügel haben, um es zu schaffen. Flügel, die einen über gefährliche oder unsichere Orte hinwegführte. Manchmal war es einfach nötig loszulassen und sich im Wind des Schicksals zu wiegen, denn nicht immer hatte man die Kraft zu laufen und zu laufen. Manchmal war es einfacher die Flügel zu spreizen und die Welt als Ganzes zu betrachten und selbst Teil des Ganzen zu sein. Von oben erkannte man alles besser und konnte sich besser darauf vorbereiten, was unter einem geschehen würde. Man musste im Reinen mit dem Kosmos sein, sich beflügeln lassen und eine höhere Ebene erreichen, die einem den Weg wies. Einen Weg, den nicht mal der Kompass finden konnte. Dieser Weg war nur mit den Flügeln erreichbar. Die sechste Kunst des Lebens.

Claire schloss seufzend das Büchlein und legte es auf ihren Bauch, während sie den Mond über ihr beobachtete. Diese Schönheit berührte all ihre Sinne und sie wünschte sich nun nichts dringender, als Cian bei sich zu haben. Was er wohl im Moment machte? Dachte er gerade auch an sie? Ein leises Rascheln der Bäume zog ihre Aufmerksamkeit auf sich, was sie dann als 'Ja' auffasste. Konnte ja kein Zufall sein.

Etwas in ihr drängte sie die Barriere wieder auszuprobieren, was Claire dann auch tat. Sie schloss die Augen, holte tief Luft und baute die innere Barriere Stück für Stück auf, die stärker geworden war als zuvor. Es fiel ihr viel einfacher die Mauer zu errichten, was vielleicht an der sechsten Kunst liegen könnte. Alles loslassen und frei sein, selbst die Liebe.

Nur unter sich selbst und der strömenden inneren Kraft sein.

Nicht lange und die Barriere war vollkommen fertig und trennte ihr Herz und ihren Verstand ohne irgendeine Lücke. Nun war es Zeit ihre neue Kraft auszuprobieren und mit einem Mal spürte sie solch eine gewaltige Energie, die die Luft aus ihren Lungen herauspresste. Aber sie konzentrierte sich weiterhin auf ihr weißes Licht, das auch einen Grünstich bekommen hatte und schleuderte es von sich.

Dabei riss sie die Augen auf und verfolgte den hellen Lichtstrahl, der direkt den Mond anvisierte. Natürlich traf er aber den Mond nicht, aber sie wusste, dass dieses Licht hell genug gewesen war, um ihn für einen vorbeirasenden Kometen zu halten. Mann, ihre Kraft war um ein Vielfaches gestiegen und sie fühlte sich fast unbesiegbar, wäre dieser innere Schmerz Cian losgelassen zu haben nicht da.

Luftholend ließ sie die Barriere wieder fallen und genoss den Augenblick, in dem sich ihre Gefühle und ihre Kraft zu einer schmelzenden Einheit bildeten. Endlich hatte sie ihren Cian wieder. Glücklich darüber, dass sie diese Barriere in Rekordzeit errichtet hatte, ließ sie sich wieder in die Liege zurückfallen und schlief erschöpft unter dem Sternenhimmel ein.

In ihren Träumen spreizte sie dann ihre neu erworbenen Flügel und flog durch die Welt, immer weiter und weiter ins Unendliche.

17. Kapitel

Etwas Schlabbriges schleckte Claire übers Gesicht, sodass sie mit der Hand danach schlug und in etwas Flauschiges griff. Sie riss erschrocken die Augen und entdeckte Flecky, der sie anhechelte und ihr ein lautes 'Guten Morgen' bellte. Lachend richtete sie sich auf, als ihr ein leckerer Duft in die Nase stieg und mit einem Blick nach rechts, erkannte sie Curtis, der an ihrem Grill saftige Steaks grillte. Claires Magen reagierte sofort bei diesen verlockenden Düften und zog sich hungrig zusammen, weswegen sie sich am Bauch fasste und langsam aufstand.

Helena und Viktoria kamen gerade mit ein paar Tellern durch die offene Balkontür in den Garten und stellten diese plappernd auf den Holztisch, als sie Claire neben der Liege entdeckten. Viktoria winkte sie zu sich und Claire ging fragend auf die beiden zu. >Ähm, was macht ihr hier? Hat jemand Geburtstag und ich weiß es nicht?<

>Nein, nein... Wir hatten einfach die spontane Idee zu grillen, bevor wir uns dann in die Schlacht begeben, ist das schlimm?<

>Nein, überhaupt nicht... Es riecht alles super lecker!< Helena nickte zufrieden und bat sie schon mal die Teller zu holen, als dann auch schon Noah mit mehr Fleisch in einer Tupperdose antanzte. Dabei wäre er fast mit Claire zusammengestoßen, hätte sie ihn nicht begrüßt und dann breitete sich ein fettes Grinsen in seinem Gesicht aus. Warum grinste er sie so komisch an? >Na hi, Sabberbacke. Wie war denn das Schlafstündchen unter freiem Himmel?<

>Sabberbacke?<

>Hahaha, du hättest dich sehen sollen, wie verkrüppelt du auf der Liege gelegen bist. Das sah ziemlich nach Yoga aus und deine Sabberflecken an deinem Mundwinkel waren einfach zum Totlachen. Episch!<

Peinlich errötet schmierte sich Claire die Reste des Schlafes aus dem Mundwinkel weg und warf Noah beleidigte Blicke zu, der weiter breit grinste und das Fleisch zu Curtis brachte, der auch in sich zu kichern schien. Die machten sich eiskalt lustig über sie, aber wenn sie ehrlich war, musste es wirklich komisch ausgesehen haben. Immerhin war sie in der Kälte erschöpft von der Barriere eingeschlafen. Kein Wunder dann, dass sie gesabbert hatte, aber es war trotzdem peinlich.

Plötzlich klingelte es an der Haustür und Helena raste wie der Blitz an ihr vorbei, um die Tür zu öffnen. Erwarteten sie noch Gäste? Doch als Claire die Stimmen ihrer Eltern wahrnahm, lief es ihr eiskalt über den Rücken runter. Was machten ihre Eltern hier? Sie wollten doch erst morgen kommen. Helena kam mir hochrotem Gesicht ins Wohnzimmer und flitzte dann in den Garten, um den anderen Ahnungslosen Bescheid zu sagen. Claire stand einfach da und starrte ihre Eltern an, die sie mit offenen Armen begrüßten. Wie hypnotisiert ging sie auf die beiden zu und ließ sich ganz fest drücken, als sie schon begannen über ihren ach so tollen Rückflug zu sprechen.

Claire nickte brav und sah ihre Eltern fassungslos an, als auf einmal all ihre Freunde hinter ihr auftauchten und sich ganz höflich vorstellten. Ihre Eltern begrüßten sie ebenfalls freundlich und fragten nach, ob sie gerade am Grillen waren. >Ja, wir grillen gerade draußen. Wenn Sie möchten können Sie sich mit uns draußen hinsetzen, Mr. und Mrs Walters!< Claire war ganz entrüstet darüber, wie vornehm Noah sein konnte, denn er hatte eine aufrechte Haltung eingenommen und strahlte Disziplin und Manieren aus. Hatte ihm Helena eine Gehirnwäsche in der kurzen Zeit verpasst oder wie war dieses Verhalten sonst zu erklären?

Trotzdem stellte sie erleichtert fest, dass ihre Eltern ganz erstaunt waren, dass Claire so nette Freunde hatte und willigten ein mit den anderen zu essen. Claire zog die Jacken ihrer Eltern aus und hakte sie im Flur ein und dann verschwand sie kurzerhand in der Küche, um Getränke zu holen. Als sie im Garten ankam, saßen alle bereits am Tisch und redeten, wie sie sich kennengelernt hatten und ihre Eltern erzählten von ihrem wunderschönen Aufenthalt in Rio. Flecky kam dann auch leise an den Tisch und ließ sich von Mom und Daddy streicheln, die ihn auch sehr vermisst hatten. Wer vermisste diesen Hund nicht? Curtis kam dann auch lächelnd mit einem Tablett voller lecker duftenden Steaks an den Tisch und verteilte sie an die Teller, wobei er bei den Eltern sehr vorsichtig war. Claire war sichtlich gerührt, wie höflich und ordentlich sich ihre Freunde verhielten, um bloß ihren Eltern zu gefallen. Das würde sie ihnen nie vergessen.

Sie setzte sich anschließend neben ihrer Mutter hin und hörte den Erzählungen ihrer Freunde zu, die unter keinen Umständen etwas von New York oder der anderen Welt erzählten, was natürlich wünschenswert war. Was würden denn ihre Eltern denken? Sie würden denken, dass sie geisteskrank war und sie in eine hochqualifizierte Psychiatrie stecken. Nein, niemals. Ihre Eltern würden kein einziges Sterbenswörtchen darüber erfahren, das würde Claire schon regeln.

Irgendwann, nachdem alle ihren Bauch vollgestopft hatten, beschlossen ihre Eltern nach der langen Reise endlich mal ins Bett zu gehen und bedankten sich bei allen für das leckere Essen. Claire begleitete sie noch bis zu den Treppen, gab ihren Eltern einen Kuss auf die Wange und kehrte wieder zu ihren Freunden zurück, die schon für den bevorstehenden Kampf Kriegsrat hielten. Als Claire dann zurückkam, verstummten die Gespräche und Helena machte neben sich Platz für sie. >Und was haben deine Eltern zu uns gesagt?<

>Na ja, sie scheinen euch zu mögen, also habt ihr euch genau richtig verhalten. Danke Leute, ihr wart echt klasse und ich steh tief in eurer Schuld!<

>Ach was, das haben wir doch gerne gemacht! Außerdem scheinen deine Eltern sehr nett zu sein...< Claire warf Helena einen dankenden Blick zu und versicherte ihnen, dass ihre Mutter und ihr Vater eigentlich wunderbare Menschen waren, nur dass sie manchmal dazu neigten sehr arrogant und hochnäsig rüberzukommen. Noah aber zuckte nur lässig mit den Schultern und fand, dass sie trotzdem nett waren, denn jeder hatte seine guten und schlechten Seiten.

Also irgendetwas stimmte nicht mit diesem Mann, aber vielleicht lag es ja daran, dass er fast ins Jenseits gewandert wäre. Das würde so einiges erklären. >Ok Leute, wir gehen wir vor?<

>Ich schlage vor... Wir gehen da hin, wir warten ab, bis die Stunde vorbei ist und dann suchen wir den Riss und verschließen ihn. Ganz einfach!< So schlecht klang Curtis Idee nicht, aber was wenn etwas Schreckliches passierte und sie dann schutzlos waren? Wie es aussah würde es wieder ein Spontanangriff werden, aber das war die einzige Möglichkeit. Manchmal musste man eben ein Risiko eingehen, doch Claire hatte immer noch ein mulmiges Gefühl im Bauch.

Zusammen bereiteten sie sich für den bevorstehenden Kampf vor und dann verließen sie leise die Villa, um bloß nicht Claires Eltern aufzuwecken. Eine Ausrede hätten sie zwar gehabt, aber so war es garantiert besser. Selbst das Wetter war ganz auf ihrer Seite, denn die Sonne strahlte und gab allen den Mut, den sie brauchten, um den Riss zu finden und zu versiegeln und dann als sie die Tanzschule betraten, brauchte Claire nicht lange, bis sie den riesigen Riss entdeckte. Der war genau inmitten der Tanzfläche und für alle anderen außer sie selbst unsichtbar.

Bingo!

Claire stupste Viktoria am Arm und als diese sich fragend umdrehte, zeigte Claire auf den Riss, der riesengroß in der Mitte der Fläche prangte. Zwar konnte ihre Freundin es nicht sehen, aber sie erzählte die Neuigkeit motiviert weiter. Schritt eins war somit erfüllt. Nun mussten sie die Tanzstunde hinter sich bringen und dann sich auf dem Klo verstecken, um später in Ruhe den Riss zu versiegeln. So schwer würde es wohl nicht werden, als Natasha ihren Weg kreuzte.

Diese baute sich wie immer eingebildet vor Claire auf und musterte sie abwertend von oben bis unten. Noah wollte ihr zu Hilfe kommen, doch Claire hob einen Finger und signalisierte ihren Freunden, dass sie das alleine bewältigen konnte. Sie war auch immerhin ein Mensch und die waren einfacher als solche monströse Wesen. >Na, wieder mal hier nach so langer Zeit... Sieht so aus als hättest du neue Freunde, wie viel bezahlst du dene, damit die bei dir bleiben, he? Und wie siehst du eigentlich aus? Fast so als wärst du auf dem Flohmarkt gewesen, bääh!<

Natasha zog die Nase kraus und traf auf Zustimmung bei ihren eingebildeten Hühnern, die hinter ihr standen und Claire kochte innerlich schon auf. Sie hatte lange genug Stress in ihrem Leben gehabt, nun würde sie dieser Zicke gewaltig in den Hintern treten. Das hatte selbst Claire, die netten Umgang gewöhnt war, echt verdient. Sie verschränkte protestierend die Arme und setzte einen so dermaßen tödlichen Blick auf, sodass sie bestimmt aussehen müsste, wie eins dieser einschüchternden Wesen. >Jetzt hör mal zu Natasha... Ich hab keine Lust jedes Mal hierher zu kommen, deine hässliche Visage zu sehen und mir irgendwelche Lügen von dir anzuhören. Erstens, das was ich trage, ist ein maßgeschneiderter Sportanzug, welchen erst deine Enkel sich würden leisten können. Zweitens, ich habe es nicht nötig wie du meine Freunde zu bezahlen und drittens, solltest du mich noch einmal nerven, begehe ich Rufmord, sodass du dich nie mehr aus dem Haus trauen wirst, verstanden? Ich hab keine Lust mehr der Mittelpunkt deines Lebens zu sein, such dir einen anderen. Und jetzt, verschwinde und red nie wieder mit mir!<

Mit diesen Worten drehte sich Claire stolz um und ließ eine verwirrte und sprachlose Natasha hinter sich, die sich nicht traute etwas zu sagen, da die Rufmorddrohung ehrlich gemeint war. Claire würde sich so etwas locker leisten. Heutzutage konnte man sich leider Gerechtigkeit erkaufen, man musste einfach nur den richtigen Scheck ziehen. Bei ihren Freunden ergatterte sie anerkennende Blicke und auch im Spiegel entdeckte sie Hazy, die den Daumen nach oben hatte und sie stolz angrinste. Cian tauchte auch kurz danach auf und gab ihr einen Luftkuss, den sie liebend gerne annahm und dann verschwand er wieder mit Hazy, um sie nicht vom Unterricht abzulenken.

Der Lehrer kam lächelnd und voller Elan zu seinen Tänzern und dann begann die Stunde mit einem kurzen anstrengenden Warm-Up, bevor es dann an die richtige Choreo ging. Claire gab sich große Mühe, weil es ja pures Konditionstraining war und auch ihre Freunde schienen sich anzustrengen, um sich auf den bevorstehenden Kampf aufzuwärmen und körperlich vorzubereiten. Nach einer verschwitzten geschlagenen Stunde war dann das Training endlich zu Ende und die Menge begann langsam die Halle zu verlassen.

Claire und die Mädchen versteckten sich auf der Toilette und schalteten leise das Licht aus, um sich dann auf die Toiletten zu stellen und darauf zu warten, dass der Lehrer ging. Die Jungs machten genau das Gleiche auf der Jungstoilette und nach einer Weile hörten sie die großen Türen zuknallen und die Lichter draußen wurden ausgeschaltet. Sie sprangen dann leise von den Kloschüsseln runter, schalteten die Lichter ein und dann schleichten sie sich zu der großen Tanzfläche, die mit den ganzen schimmernden Spiegeln richtig gruslig wirkte. Nur schwaches Licht von den Straßenlaternen erhellte die Tanzschule, aber es war genug Licht, um die eigenen Hände vor dem Gesicht zu sehen. Curtis zischte den Mädchen zu, ob sie schon auf der Tanzfläche waren und nach ein paar Schritten gaben sie den Jungs ein Ok.

Curtis errichtete einen hellen Kreis um den Riss, dessen Position Claire so gut wie möglich beschrieben hatte und dann warf Claire ihr weißes Licht darauf, sodass es auch für ihre Freunde sichtbar sein konnte. Als Helena die Größe des Risses erkannte, riss sie fassungslos die Augen auf und stieß einen anerkennenden Pfiff aus. >Also da haben sich die Typen aus der anderen Welt richtig ins Zeug gelegt. Unfassbar!<

Alle anderen stimmten der Aussage zu und dann war Claire mit dem Versieglungsprozess an der Reihe. Dazu musste sie aber die innere Barriere errichten, um bloß nicht ihr Leben zu riskieren, weswegen sie sich im Schneidersitz hinsetzte und anfing einzelne Energiestücke zu einer Mauer zusammenzubauen. Die anderen achteten darauf unbemerkt zu bleiben und Claire schweifte langsam in ihre innere Welt aus. Die Mauer nahm langsam an Gestalt an und es dauerte nicht lange, bis ihre Emotionen komplett von ihren Gedanken getrennt waren. Nun musste sie die Energie in ihre Hände transportieren, als sie plötzlich einen Schrei hörte und dann einen dumpfen Knall.

Sie öffnete erschrocken die Augen und erstarrte, als sie Curtis leblosen Körper am Boden neben ihr liegen sah. Noah hatte sich vor sie hingestellt und feuerte seine roten Lichtbälle einen nach dem anderen aus und Helena und Viktoria kümmerten sich um den bewusstlosen Curtis. War sie so vertieft gewesen, dass sie nichts bemerkt hatte? Dieser Zustand war ja wirklich lebensgefährlich. Claire richtete sich sofort auf und spähte über Noahs Schulter hinweg, als ihr das Blut in den Adern gefror. Lauter Wesen, wie in einer Armee, versuchten durch den Riss in ihre Welt einzudringen und ganz vorne sorgten diese wolfsartigen Wesen dafür den Platz für die anderen zu erkämpfen.

Wahrscheinlich wurde Curtis, der nah an dem Riss gestanden hatte, angegriffen und war hoffentlich nur bewusstlos.

Doch mit der ganzen Meute würden sie es alleine nicht schaffen. Sie pumpte Noah mit Energie voll, damit er genug Kraft hatte, niemanden durchzulassen und dann widmete sie sich Curtis zu, der sehr bleich im Gesicht war. Sie legte vorsichtig die Hände auf seine schwach atmende Brust und leitete das Licht in ihn. Helena flehte ihren Bruder auf Knien an, er möge die Augen öffnen und tatsächlich er schaffte es. Pure Erleichterung durchfloss Claire, als sie erschreckenderweise eine tiefe Fleischwunde in seiner Seite entdeckte, die eine immer größer werdende Blutlache verursachte.

Helena bemerkte es auch und Tränen stiegen in ihre panischen Augen. Sie mussten sofort Hilfe holen, doch wie, wenn diese Wesen einen nach den anderen rüberkamen. Noah würde das nicht mehr lange durchhalten. Doch was sollten sie tun? Claire hatte sich noch nie so hilflos gefühlt, wie in dem Moment. Selbst der Angriff beim Bürgermeister war harmloser gewesen, als das, was sie nun erlebte. Curtis lag am Sterben, Helena weinte wie ein Wasserfall, Viktoria fühlte sich irgendwie fehl am Platz und starrte immer wieder zum Ausgang und Noah feuerte alle Kraft, die er hatte, um seine Freunde zu beschützen. Arias Kraft hatte ihm anscheinend neue Energie gegeben, weswegen er noch locker auf den Beinen stand, doch wie lange würde er dies aushalten?

Auf einmal begann der Riss sich zu vergrößern und mehr Wesen drängten sich auf die andere Seite, sodass Noah langsam ins Schwitzen kam. Er fragte die anderen, was sie nun tun sollten, doch keiner hatte eine Antwort darauf. Für einen kurzen Moment dachte Claire sogar daran, dass es ihr letzter Tag auf dieser Welt sein würde, als plötzlich die Spiegel des Saales allesamt in Stücke zersprangen und das Licht anging. Auch die Wesen hatten aufgehört zu drängeln und es herrschte bedrückende Stille im Raum, als die schwere Tür der Tanzschule aufging und Flecky hereinspazierte. Was machte Flecky nun hier? Und wie hatte er es überhaupt aus dem verschlossenen Haus geschafft?

Abertausende Fragen schwirrten Claire im Kopf herum und dann stellte sie sich noch mehr Fragen, als sich Viktoria um seinen Hals warf und ihn knuddelte. Was um Himmels willen wurde hier gespielt? Curtis war am Sterben und sie schmuste mit Flecky, der magischerweise durch eine schwere Tür hierhergekommen war?

Jetzt verstand sie die Welt nicht mehr und Noahs und Helenas Blick zu urteilen sie auch nicht. Viktoria kam mit Flecky an ihrer Seite auf sie zu und streichte sich verlegen eine Strähne hinter ein Ohr, als sie bestimmt auf Flecky zeigte und ein komisches buntes Licht ihn umgab. Ok, irgendwas stimmte hier überhaupt nicht und die Wesen aus dem Riss begannen immer unruhiger zu werden und ständig hinter ihnen zu schauen. Fast hoffnungsvoll!

Claire sah wieder zu Viktoria, die endlich nach dieser langen Schweigeminute den Mund aufriss. >Leute, ich weiß, ihr werdet jetzt nicht glauben, was gleich passieren wird, aber es ist wahr. Claire, dein Hund ist nicht nur ein Hund, sondern auch ein Mensch. Ein sehr besonderer Mensch. Das ist auch der Grund, warum ich so oft mit ihm draußen war, da er sich nur mir zeigen wollte. Bei dir musste erst der richtige Zeitpunkt kommen und nun ist er da. Elijah!< Also, wenn Claire schon die andere Welt für verkehrt erklärt hatte, dann war das, das Verkehrteste, was sie je gesehen und gesehen hatte.

Das konnte einfach nicht wahr sein.

Ihr geliebter kleiner Hund, der ihr immer treu und loyal gewesen war, sie immer zum Lachen gebracht hatte, wenn sie Kummer gehabt hatte, war gerade in einer spektakulären Verwandlungsphase zum Menschen. Einem attraktiven Menschen, wenn sie ehrlich war. Er war groß, schlank, hatte hellgraue Augen, die durch sein pechschwarzes Haar betont wurden und ein wunderschönes weißes Lächeln. Weißer als im Hundeformat. Doch warum war ihr liebster Hund ein Mensch und warum sah ihn Viktoria so verliebt an? Claire war fast am Platzen. >Leute, wenn ihr mir nicht in weniger als eine Minute erklärt, was hier los ist, spreng ich euch alle in die Luft und die Sache ist gegessen! Wie viele Geheimnisse und neue Entdeckungen muss ich noch machen? Meine Freunde sind nicht normal sterblich, Curtis ist am Sterben, ich liebe eine Spiegelperson und meine Eltern hocken ahnungslos zu Hause, während mein Hund sich zu einem Mann verwandelt und anscheinend auch der Lover von Viktoria ist. Was noch? Die Apokalypse!?<

>Claire, beruhig dich, ich weiß, dass das nun alles zu viel wird, aber du musst mir jetzt ruhig zuhören?< Dieser Elijah hob leicht die Hand, um seine friedlichen Aussichten zu demonstrieren, aber das half Claire gar nichts. Sie war am Ende, sie hatte keine Lust mehr und sie hatte ihre Energie verloren. Ihre Gedanken kreisten wiederholt um Curtis Leben und das ihrer anderen gefährdeten Freunde und dieser fremde Mann verlangte Ruhe von ihr. Das konnte er wo anders fordern, aber nicht bei ihr!

>Zu viel? ZU VIEL? Ihr habt alle keine Ahnung, was zu viel ist, verdammt! Ich bin alleine und ohne jegliche Liebe, die ich gebraucht habe, aufgewachsen. Dann wurde mir ein Hund geschenkt, der mich von vorne bis hinten angelogen hat, was total absurd klingt. Ich treffe ein anderes Ich, das mich über eine beschissene andere Welt unterrichtet und für ganz normal hält. Meine Freunde sind genau solche Opfer wie ich, weil sie mit diesen ach so tollen Kräften gesegnet sind und eine davon deswegen sterben musste... Dann kommt noch dazu, dass ich zwei Energien habe, die, wenn ich sie falsch einsetze, sterbe und schon wieder liegt ein sehr guter Freund im Sterben, weil ihn so eine hässliche Fratze gebissen hat. Und warte, das war nicht alles. Dieser Freund ja, Curtis, ist in mein anderes Ich verliebt und muss genau wie ich leiden, weil er seine Geliebte nicht in den Armen halten kann, wie du Viktoria. Ich will auch bei Cian sein und glücklich sein, aber NEIN! Selbst Noah hätte fast ins Gras beißen müssen. Und dann kommst du dahergedackelt und erwartest von mir Ruhe? Du, wo bestimmt mit Viktoria rumgemacht hat, während ich mir Sorgen gemacht habe, dass jemandem was Schlimmes passiert? Und was war beim Bürgermeister? Da hättest du dich auch in einen Menschen verwandeln können und mithelfen, aber nein, der Mister hat Aria dafür bezahlen lassen, ich...<

>CLAIRE, bitte hör mir doch zu!<

>NEIN, ich habe keine Lust mehr. Du musst doch gerade am besten wissen, dass ICH immer zuhören musste. Meine Meinung war jedem egal, aber ich hab keine Lust mehr! Ich dachte, dass du mein Freund wärst, immer ehrlich, auch wenn du ein Hund gewesen bist, doch jetzt stellt sich heraus, dass du genauso skrupellos bist, wie die Wesen selbst!<

>Claire, jetzt schalt mal einen Gang zurück. Elijah ist nicht so!< Viktoria stand nun dicht neben Elijah, um ihm seelischen Beistand zu leisten, da er nicht so recht wusste, was er machen sollte. Immerhin gestand er sich ein, dass er den einen oder anderen Fehler gemacht hatte, doch das reichte Claire nicht.

Sie war so in Rage geraten, dass sie sich nun sogar auf Viktoria stürzen würde. Freundin hin oder her. Sie war diejenige gewesen, die sich im Hintergrund gehalten hatte, um diesen Elijah zu decken. Sie hatte nicht mal den Mumm gehabt ihren Freunden und selbst ihrem Bruder davon zu erzählen und nun schützte sie ihn trotzdem noch.

Anscheinend liebte sie ihn, doch das war keine Ausrede, dass sie sich inakzeptabel gegenüber ihren Freunden verhalten hatte und das sogar nachdem Aria ihr Leben für ihre Rettung gegeben hatte. Hatte sie keine Schuldgefühle? Claire wollte etwas auf Viktorias Aussage erwidern, als jemand plötzlich hinter ihr lachend klatschte. Genervt genug drehte sich Claire in die Richtung um und entdeckte schon wieder einen Mann, der Elijah ähnlich sah, nur dass dieser dunkle Augen hatte. Er trat elegant aus dem Riss hervor und stellte sich als Louis vor. Dieser warf Elijah immer wieder amüsierte Blicke zu, die er mit Todesblicken erwiderte. Dabei drückte er Viktoria, die sichtlich erschrocken war, dass dieser Louis da war, fester an sich, um sie anscheinend zu schützen.

Noah beachtete seine Schwester gar nicht, denn er war genauso gekränkt wie Claire und Helena. Doch Helena hatte ganz andere Sorgen, da ihr Bruder unter Schmerzen stöhnte und versuchte sich am Leben zu halten. Da fiel es Claire auf einmal wie Schuppen von den Augen. Sollte Curtis sterben, würde Cian auch... Oh Gott, daran wollte sie erst gar nicht denken. Hoffentlich passte Hazy in der anderen Welt auf ihn auf und ein Gefühl in ihr verriet ihr, dass es tatsächlich so war. Gott sei Dank!

18. Kapitel

Louis blieb zwischen Elijah und Claire stehen und sah die beiden interessiert an, wobei er eher Elijah anvisierte und Viktoria vollkommen ignorierte. War auch besser für sie, da Claire schon genug wütend auf sie war, um für Probleme zu sorgen. Doch dieser Louis schien ganz schlimme Dinge vorzuhaben, denn das spürte sie an ihren aufgestellten Nackenhärchen. >Sieh an, sieh an. Lieber Bruder, es scheint so, als würde dich dein Schützling nicht sehr mögen... Da musst du irgendetwas falsch gemacht haben, Brüderchen! Immerhin ist sie deine Alphaquelle der Energie, die du brauchst.<

Alphaquelle? Brüderchen? Ach, das wurde ja immer lustiger. Das wurde ihr auch noch verschwiegen, na wunderbar. Elijah hatte das aber wieder super hingekriegt, aber er zuckte nur unschludig mit den Schultern und warf ihr flehende Blicke zu. Ts, als ob sie nun bei den Blicken weich werden würde, das konnte sich dieser Lügner abschminken. Immerhin sollte sie eine Art Energiequelle für ihn sein, sollte sein böser Bruder recht haben. Nein, nicht mit ihr! >Das liegt daran, dass ich ihr noch nichts erzählt habe. Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe, aber ich bin mir genauso sicher, dass sie es nicht übers Herz bringen wird, mir zu schaden. Denn wenn sie sich an Nates Worte erinnert, dann hat er etwas von Vater gesagt!<

Also das legte Claire vollkommen flach. Woher wusste der Kerl überhaupt davon? Wehe er hatte etwas mit dieser Vision zu tun oder hatte sie in ihren Kopf eingepflanzt, denn das würde endgültig das Fass zum Überlaufen bringen. Doch die Worte trafen sie trotzdem direkt ins Herz, denn sie sprachen die Wahrheit. Sie würde es wirklich nicht übers Herz bringen ihm zu schaden, aber sie würde es schaffen, ihn nach dieser Sache für immer aus ihrem Leben auszuschließen. Darauf konnte sie wetten und die Blicke, die Elijah ihr zuwarf sprachen das Gleiche, was sie dachte. Immerhin war er ein guter Menschenkenner!

Louis fand jedoch das Ganze überaus witzig, was Claires Zorn noch mehr anfachte. Der wollte sie unbedingt provozieren, aber darauf würde sie schon nicht eingehen. Nur über ihre Leiche, die sich in seinen Augen zu spiegeln schien. Wahrscheinlich hatte er vor sie zu töten, was aber kein Wunder war, da schon alle außer ihr mit dem Tod konfrontiert wurden.

Nun war Curtis derjenige, der darunter leiden musste und deswegen musste sie der ganzen Sache auf die Sprünge helfen, um Curtis weniger zu beanspruchen. Zwei wunderbare Leben standen auf dem Spiel und zweimal die Liebe, die nicht erlöscht werden durfte. >Ok, ich bin zwar immer noch sehr gereizt und würde liebend gerne ein paar Wörtchen mit euch reden, aber mich interessiert der Grund fürs Ganze viel mehr!<

>Soll ich erzählen Bruder? Du brauchst nämlich zu lange und meistens kommt sowieso nur Schwachsinn aus deinem Mund!< Louis sah seinen Bruder herausfordernd an, doch dieser blieb ruhig und nickte ihm zustimmend zu. Er war anscheinend der Herr der Situation, so ruhig und aufrecht wie er da stand und Viktoria im Arm hielt, aber der Schein trügte, weil Claire seine innere Angespanntheit fast an ihrem eigenen Leib spüren konnte. Zwar wusste sie nicht warum, aber es war spürbar.

>Nun dann Claire, da mein Bruder kein Problem damit hat, erzähl ich dir eine wunderschöne Geschichte, die du dann im Jenseits weitererzählen kannst. Vergiss dabei aber nicht meinen Namen Louis, der ist wichtig! Also zur Geschichte... Ich und mein Bruder sind Zwillinge, falls ihr die Ähnlichkeit noch nicht bemerkt habt und wir sind ein Mix aus Spiegelwesen und Mensch. Tja, diese Liebe zwischen unseren Eltern war halt einzigartig, da unsere Mutter ein Mensch war und er ein Spiegelwesen! Tja, wie kann es aber sein, dass ein normaler Mensch, wie unsere Viktoria, ein Spiegelwesen sieht, wenn es doch unsichtbar für diese Welt ist? Und, wisst ihr die Antwort?... Natürlich nicht! Denn diese Menschenfrau muss eine Besonderheit wie Claire sein! Du bist die nächste, die ein Kind, wie uns beide zeugen wird, denn ich weiß, dass du Cian liebst. Und was für ein Zufall, dass Curtis am Sterben ist... Nun aber, zu dem Grund warum ich das alles tue. Erstens, um meinen ach so tollen Bruder zu vernichten und zweitens um eure und meine Welt zu regieren. Nenn es Machtgier, mir egal. Ich will alle auslöschen, die sich in meinen Weg stellen und du, Claire, bist eine von denen. Ihr Drei, seid gefährlich für mich, sonst hätte mein Bruder euch nicht auserwählt... Aber er neigt dazu emotional verkrüppelte Menschen auszuwählen, die es eh zu nichts bringen. Claire hat zu wenig Liebe erfahren, Noah hat kein anderes Ich mehr und lebt durch die Energie einer Toten, Curtis ist zu nett und Aria war ein verlassenes Mannsweib! Das Looserquartett, kurz gesagt...<

Also, das ging eindeutig zu weit. Noah stürzte sich auf diesen Mistkerl mit geballten Fäusten, doch ein Blick von Louis reichte, um ihn quer durch die Halle zu schmeißen. Anscheinend war dieser Mix aus Spiegelwelt und Menschenwelt sehr mächtig, weswegen sie sehr bedacht vorgehen mussten. Doch was er bis jetzt erzählt hatte, verschlug ihr wortwörtlich die Sprache. Sie sollte mit Cian Kinder zeugen, die dann werden würden, wie die beiden?

Nie im Leben!

Ihre Kinder sollten nie so werden wie sie und die Tatsache, dass Elijah sie auserwählt hatte, ließ ihre Abneigung zu ihm noch mehr wachsen. Dieser Mann hatte ihr Leben bis in diese Situation verflucht und verzeihen würde sie ihm das nie. Vor allem diesem Louis würde sie nie verzeihen, weil er ihre Freunde in Gefahr gebracht hatte und ihre Welt auslöschen wollte, um seinen Spielplatz dort zu bauen. Claire würde das niemals zulassen, dafür würde sie sogar ihr Leben hergeben. Aber Louis war noch nicht mit seiner Erzählung fertig, weswegen sie ihren Gedankengang unterbrach und brav zuhörte. >Also, warum will ich meinen Bruder vernichten? Das hat einen ganz bestimmten Grund, den ihr nicht glauben werdet, denn er hat unseren Vater umgebracht. Ja, Claire, er hat unseren Vater umgebracht, weil dieser besondere Mann Visionen hatte. Visionen von einer besseren Welt, wo eure und unsere Welt in Frieden leben würde. Aber Elijah hatte ihn eines Nachts mit einem Messer getötet und somit auch mein Vorbild. Deswegen will ich Rache nehmen und Vaters Wunsch nachgehen! Aber dafür muss sein ach so tolles Trio sterben, damit ich ihn erst erniedrige und dann eigenhändig umbringe, genau wie Vater!<

>Ähm und was war mit der Mutter, wenn ich fragen darf? Und warum sollte ich bitte schön eure Rasse fortführen?< Claire hatte bis zu dem Zeitpunkt nicht den Mut gehabt diese zwei Fragen zu stellen, aber nach diesen erschütternden Informationen musste sie sie einfach stellen, da es schlimmer nicht kommen konnte. Da stand ein rachsüchtiger Bruder vor ihr, der seinen eigenen Bruder ermorden wollte, weil dieser ihren Vater umgebracht hatte. Was für eine liebevolle Familie! Louis, der auf diese Fragen gewartet hatte, begann laut zu lachen, weshalb bei Claire alle Alarmglocken losgingen.

>Nun, unsere Mutter hatte sich kurz nach Vaters Tod das Leben genommen, weil sie ohne ihn nicht mehr leben konnte und dabei hatte sie uns mit achtzehn Jahren alleine gelassen. Warum du unsere Rasse fortführen musst liegt daran, dass wir eine sehr große Minderheit sind. Um genauer zu sein, ich und mein Bruder! Du, aber könntest genauso mächtige Kinder wie uns zeugen und das wäre gefährlich für meine Pläne... Anscheinend hatte mein Bruder sehr wohl drauf aufgepasst, wen er wann mit dem Armorpfeil abschießt. Claire und Cian, was für ein Paar und als ob das nicht gereicht hätte, Hazy und Curtis. Bruder, da muss ich sagen, hast du ein Mal in deinem Leben saubere Arbeit geleistet. Ich glaube, dass ich das Wichtigste nun gesagt habe, willst du etwas hinzufügen Bruderherz?<

>Nichts, dass ich wüsste Louis. Aber sei gewarnt, mein Loosertrio ist besser, als du in hundert Jahren!<

>Na, das werde wir ja sehen und zwar genau.... JETZT!< Noch bevor Claire noch irgendwelche Fragen stellen konnte, platzte der Riss fast, als sich die Wesen um sie scharrten und sie anstarrten, als wären sie das Topgericht auf dem Präsentierteller.

Noah hatte sich schon längst aufgerappelt und war zu ihnen gehüpft, weil er sich wahrscheinlich am Fuß verletzt hatte und Helena hatte zum Glück Curtis Blutung mit einem Fetzen ihres Oberteils gestillt. Trotzdem war er sehr bleich im Gesicht, weil er zu viel Blut verloren hatte, aber er war noch am Leben und kämpfte tapfer weiter. Ihre Gedanken flogen automatisch zu Cian, doch sie musste sich nun auf diese Wesen konzentrieren, die sie zähnefletschend ansahen.

Elijah hatte sich sofort vor sie gestellt und Viktoria war wieder zu Curtis gegangen, wobei sie völlig von Helena ignoriert wurde. Zwar verletzte sie die Reaktionen ihrer Freunde, aber sie wusste, dass sie im Recht waren, weil sie sie belogen hatte. Wie sie das alles geradebiegen könnte, stand jedoch in den Sternen geschrieben. Louis stellte sich mit einem triumphierenden Lächeln neben einem wolfsartigen Wesen, dessen Ohren er kraulte und dann warf er seinem Bruder einen verachtenden Blick zu, den dieser fest entschlossen erwiderte. >Tut mir Leid, Elijah, aber hier endet unsere Bruderschaft und dein tolles Trio. Schade, um deiner Mühe wegen, aber so ist das Leben halt... Lauter Ups and Downs!<

>Freu dich nicht zu früh, Bruder. Ich habe dich zwar immer respektiert, weil du der Ältere warst, aber hier hört der Spaß auf. Ich werde es nicht zulassen, dass du mir noch eine wichtige Person nimmst, nicht nochmal. Nur über meine Leiche!<

>Nichts lieber als das... AUF SIE!< Das war das Startzeichen für die Wesen, um sich auf sie zu stürzen und der Moment, in dem Claire ihr Testament in Gedanken verfasste und verängstigt die Augen schloss. Doch anstatt ihr Herz nicht mehr schlagen zu hören, ertönte nur ein Winseln und ein lauter Krach. Sie öffnete einen Spaltbreit die Augen und erkannte Elijah vor ihr, der bestimmt die Arme ausgebreitet hatte und eine Lichtbarriere errichtet hatte. Diese schimmerte in allen Regenbogenfarben und vernichtete alles, was es berührte, genau wie damals Arias Licht.

Louis lachte nur und war der Meinung, dass sein Bruder es nicht auf ewig aushalten würde und um die Sache zu beschleunigen, entfachte auch er sein schwarzes Licht und schleuderte es mit voller Wucht auf die Barriere. Elijah zuckte unter der Macht, die sein Bruder erlangt hatte, aber er blieb auf den Beinen stehen und rief Claire zu, dass sie ihr Licht aktivieren sollte. Sie verstand nicht warum sie das tun sollte, weil der Bruder eh stärker war als sie, doch er versicherte ihr, dass sie mächtiger war, als sie zu wissen glaubte. Louis schien nicht sehr zufrieden zu sein, dass Claire ihre Barriere begann zu bauen, weswegen er seine Kraft verdoppelte und seinem Bruder viel Kraft dadurch raubte. Claire war aber schon längst in ihrer eigenen Welt und floss durch die Flüsse ihrer Gefühle, die alle zu einem Ozean führten.

Der Liebe zu Cian.

Diesen musste sie nun von ihren schwebenden Gedanken trennen, sowie einen Himmel und den Ozean. Es fiel ihr diesmal nicht so schwer diese Mauer zu bauen, doch die Geräusche, die sie um sich schwach wahrnahm, klangen nicht so ermutigend. Hatte sie richtig gehört oder stritten sich Helena und Viktoria? Und irrte sie sich oder verlor Elijah immer mehr Energie? Claire musste sich beeilen, so wie es aussah und nach einer langen Weile hatte sie es endlich geschafft.

Die Mauer war komplett errichtet und ganz langsam öffnete Claire die Augen und sah dabei Elijah in die stürmischen grauen Augen. Louis fluchte laut und schrie seinen Dienern, sie sollten sich gefälligst ins Zeug legen, als Elijah eine Hand auf Claires Kopf legte und die andere auf ihr Herz. Eine überwältigende Kraft durchfloss sie und sie keuchte auf, als diese Energie plötzlich zu schwinden begann. Verängstigt sah sie Elijah in die Augen, die er geschlossen hielt und irgendetwas Unverständliches murmelte und dann pumpte er wieder einen Energieballen aus ihr heraus.

Wollte er sie umbringen oder was? Sie wollte ihn gerade von sich stoßen, als Viktoria fassungslos zu ihnen kam und versuchte vergeblich Elijah von Claire wegzureißen. >Elijah, hör auf, HÖR AUF! Du hast mir versprochen, dass du das nicht tun wirst... Du wirst sterben, wenn du diese Energie auf dich nimmst. Hör AUF!<

Claire starrte Viktoria erschrocken an. Elijah würde sterben, wenn er weiterhin ihre Energie speiste, aber warum? Warum tat er das? Hatte er gewusst, dass sie sterben würde und handelte nun aus Schuld? Viktoria zerrte an ihm wie eine Verrückte und schluchzte wild, aber Elijah ließ sich nicht davon abhalten jeden einzelnen Energiefetzen aus Claire zu saugen. Ihr Herz pochte laut an seiner Hand und ihr Kopf pulsierte auf hundertachtzig, doch das Gefühl, dass sie erfasste, wenn sie nur an seinen möglichen Tod dachte, machte sie nervös.

Sie legte beide Hände auf seine, sodass dieser überrascht die Augen aufriss und dann stand Claire langsam auf, ohne ihre Verbindung zu unterbrechen. Sie würde es nicht zulassen, dass ein anderer sterben musste, nur um sie zu schützen. Nun würde sie diejenige sein, die alle beschützen würde. Die Energie, die Elijah schon aufgenommen hatte, floss in Sekundenbruchteilen in sie zurück und dieser keuchte laut auf, weil er dies nicht erwartet hatte. Er rief ihr zu, dass sie das lassen sollte, aber sie lächelte ihn nur an und schüttelte bestimmt den Kopf. >Ich lasse es nicht zu, dass jemand wegen mir stirbt... Mit dieser Schuld würde ich nie leben können...<

>Nein, das darfst du nicht. Wie soll ich mit dieser Schuld leben? Für mich bist du immer wie eine Tochter gewesen, ich kann dich nicht gehen lassen. So etwas macht kein Vater...<

>Du bist aber nicht mein Vater!< Mit diesen Worten pumpte sie die restliche Energie aus seinem Körper und zapfte noch seine eigene Energiequelle an. Sicher war sicher. Wenn ihre nicht ausreichen sollte, dann hätte sie noch diese Reserve.

Sie ließ ihre Hände sinken und unterbrach damit die Energieverbindung, als Elijah nach hinten torkelte und von Viktoria aufgefangen wurde. Sie schrie ihr zu, was sie mit ihm gemacht hatte, als Claire sich schon Louis zuwandte, der sie amüsiert anlächelte. Die regenbogenfarbene Barriere stand immer noch zwischen beiden und mit seinem schwarzen Licht verschwand diese im nullkommanichts.

Nun standen sie sich, Feind gegen Feind, gegenüber und funkelten sich herausfordernd an und die Wesen, die nun freien Angriff hatten, warteten auf das Zeichen ihres Meisters, der langsam seinen Arm hob und dann ruckartig fallen ließ. Ein Wolfsgeheul erfüllte den Raum und Claire schloss die Augen und ließ all ihre Energie aus sich raus. Es war genau wie in der Vollmondnacht, als ihre Energie wie ein Komet den Himmel kurzzeitig beherrscht hatte und diesmal war es einer Megaexplosion ähnlich. Unter dem Energieschleier entdeckte sie Louis, der sich unsicher umschaute und dann direkt in ihre violetten Augen blickte. Seine Diener verkohlten an ihren starken Lichtbarrieren, die sich geleeartig um sie schlossen und sie erdrückten und ihr Licht umschloss selbst den Riss, um ihn reißverschlussartig zu schließen. Doch er war so groß, dass es noch mehr Energie benötigen würde ihn zu schließen und diese pumpte sie aus ihrem brennenden Körper heraus.

Eine Stimme in ihrem Kopf flehte sie an aufzuhören, doch sie machte einfach weiter und ignorierte Elijahs Bitte. Dieser lag immer noch in Viktorias Armen, die ihm beruhigend durch die Haare fuhr und Curtis schrie vor Schmerzen auf, als Helena das blutdurchtränkte Tuch wechselte. Claire musste sich beeilen, sonst würde Curtis sterben und somit auch Cian, ihr Geliebter, der bestimmt auch im Moment litt.

Claire stellte sich breitbeinig hin, um besser stehen zu können und dann visierte sie Louis an, der sie mit funkelnden Augen ansah. Er hob die Hand und zeigte wütend mit dem Finger auf sie, wobei sie auch seine Unsicherheit unter dieser Maske erkennen konnte. So etwas konnte eine Hobbypsychologin eben. >Du bist nur ein Menschenmädchen mit Kräften, die dir mein Bruder gegeben hat. Ihr alle seid nur so stark, weil mein Bruder euch diese Kräfte geliehen hat und nun glaubst du Claire, dass du mich so Mächtigen besiegen kannst? Dass ich nicht lache, du wirst erbärmlich bei dem Versuch sterben. Aber wie du willst, spür die Kraft meiner Rasse am eigenen Leib!<

Louis klatschte einmal in die Hände und breitete dann erzürnt die Arme aus, um sein schwarzes Licht in die Mitte zu materialisieren und dann mit voller Wucht auf sie zu schleudern. Claire machte sich auf alles bereit und rutschte ein Stück nach hinten, da die Kraft so gewaltig auf sie geprallt war, doch sie hob den Kopf und warf ihm einen triumphierenden Blick zu. Dieser Blick machte Louis noch wütender und er feuerte sein Licht weiterhin auf sie, sodass es von oben aussehen müsste, wie ein riesiger schwarzer Wasserstrahl, der auf eine weiße Mauer traf. Claire rutschte bei der Macht immer weiter nach hinten und bevor sie komplett unter diese Macht in die Knie ging, sah sie Cian an der Scheibe, die sich durch das Licht zu spiegeln schien.

Er hielt sich schmerzverzerrt am Magen fest und sah sie aufmunternd an und Hazy stand genau neben ihm und stützte ihn vorsichtig. Ihr Blick verriet ihr, dass sie Angst hatte und dass sie Claire alle Daumen drückte und sich wünschte, sie würde diesem arroganten Mistkerl zeigen, wozu sie fähig war. Ermutigt durch ihr anderes Ich und ihrer Liebe fachte es neue Kraft in ihr an und zu ihrer Überraschung brach ihre Barriere zwischen Herz und Verstand in sich zusammen und all die Energie mischte sich zu einer Einheit. Ihre Gefühle verstärkten ihre Energie um das Zehnfache und ihr Licht strahlte noch heller, als eine chemische Reaktion von Magnesiumoxid.

Es brannte fast in den Augen, doch es war ihr Licht, sodass es ihr nicht zu schaden kam. Ihre Freunde jedoch hielten sich die Hände vor die Augen und riefen ihr flehend zu, dass sie aufhören sollte, weil sie sonst sterben würde, doch sie hatte bereits ihre Entscheidung getroffen. Alles oder nichts und in diesem Fall alles.

Cian warf ihr einen letzten Luftkuss zu, bevor sie einen riesigen Lichtball auf Louis warf, der unter der Macht, die sich in sie geballt hatte, in die Knie gezwungen wurde. Er sah geschockt auf seine verbrannten Hände und brüllte vor Wut, als sie der nächste schwarze Lichtball traf, doch dieser Kampf sollte bereits entschieden sein, weswegen sie all ihre Kraft auf einen Punkt zentralisierte und dann auf Louis warf, der verängstigt nach hinten torkelte und dann aufschrie, als ihn dieser Energieball traf.

Weißes gegen schwarzes Licht hatte gesiegt und so sollte es auch immer sein. Die Wesen zerfielen in Scherben und der Riss verschloss sich in Rekordzeit und dann wurde alles schwarz um Claire und das letzte, was sie noch mitbekam, war Cians verzweifelter Ruf.

Sie schwebte auf ihren zerfetzten Energiewolken und konnte sich kaum bewegen. Ihre innere Welt war zerissen und voller Chaos, denn ihre Gefühle und ihre Kraftreserven flogen hin und her und verursachten einen Tornado der Unordnung. Sie wusste nicht mehr, wo oben und unten war und sie wusste nicht mehr, wie sie aus diesem Wirrwarr herauskommen sollte. Sie erinnerte sich nur an den Kampf, den sie letztendlich gewonnen hatte und an die Rufe ihrer Freunde, die sie aufhalten wollten. Und sie erinnerte sich an Cian, der vielleicht schon tot war, weil es Curtis doch nicht überlebt hatte. Nun hatte sie es doch nicht geschafft mit ihm zusammen etwas zu unternehmen. Wie schade! >Claire, Claire... Hörst du mich?<

Diese Stimme. Sie würde sie unter tausenden erkennen, denn es war Elijah, der auf eine ihrer Energiewolken auf sie zuflog und sich vor ihr niederließ. Er umfasste traurig ihre Hände und streichelte liebevoll ihren Kopf. >Ach, Clairchen! Ich bin so stolz auf dich... Du hast meinen Bruder besiegt und das ganz alleine! Ich danke dir dafür und deswegen möchte ich dir helfen. Ich wette, dass du wieder zurück in deine Welt möchtest, um wieder Cian zu sehen. Er lebt noch, aber es wird nicht lange dauern, bis er das nicht mehr tut! Nur du kannst ihn retten, du hast die Kraft dazu. Ich werde dir dafür meine Kraft leihen und dann werde ich dir dafür all deine Kraft zurücknehmen, wenn du fertig bist. Das heißt, dass du dann ein ganz normales Mädchen sein wirst, dass dann auch normale Kinder zeugen wird. Ich nehme dir diese Bürde, da du schon genug getan hast. Keine Kinder meiner Rasse, keine speziellen Kräfte mehr, aber um dein anderes Ich zu sehen, lass ich dir die Narbe, die wie ein Ticket in die andere Welt sein wird. Bist du damit einverstanden?<

Elijah sah sie durchdringend und ernst an und Claire konnte nichts anderes erwidern, als ein schwaches Nicken. Sie würde diesen Vorschlag zu gerne annehmen, weil sie schon so lange auf ein normales Leben gehofft hatte und die Vorstellung, dass sie trotzdem ihre beste Freundin sehen konnte, machte sie überglücklich. Elijah nickte zufrieden, richtete sich auf und streckte lächelnd eine Hand nach ihr aus, die sie dankend annahm. Ein Strudel von Energie erfasste sie, sodass sie angestrengt aufkeuchte und dann wieder in Ohnmacht fiel.

19. Kapitel

Als sie wieder aufwachte, lag sie auf dem Parkettboden der Tanzschule und entdeckte als erstes Elijah, der neben ihr bewusstlos lag. Viktoria weinte ungehemmt neben ihm und Helena fluchte laut, als Curtis langsam die Augen schloss und seine Atmung sich verdächtig verlangsamte. Claire richtete sich unter Ächzen auf und schlenderte zu Curtis, der die Augen nicht mehr öffnen konnte und ergatterte flehende Blicke von Helena und Noah, die seine Hände hielten.

Tief luftholend legte sie die Hände auf seinen schwachen Körper und schloss die Augen. Dabei ertönte Elijahs Stimme in ihrem Hinterkopf, der ihr erklärte, dass Curtis nur überleben könnte, wenn er in die Spiegelwelt wechseln würde, sodass Cia automatisch in ihre Welt transportiert werden würde. So würde sich das Gleichgewicht ausgleichen und die Wunden von Curtis würden sich auf diesem Weg neutralisieren und heilen. Dann würde er offizieller Bürger der Spiegelwelt werden, ob er wollte oder nicht.

Diese Vorstellung war einerseits sehr erfreulich, da sie Cian für sich haben könnte, andrerseits aber auch blöd, weil Curtis seine Freunde nie wieder umarmen könnte. Die arme Helena würde sozusagen so oder so ihren Bruder verlieren. Aber es war besser, als ihn in den eigenen Armen sterben zu sehen und als Claire Helena einen letzten Blick zuwarf, nickte diese fest entschlossen, weil sie sich schon gedacht hatte, dass so etwas kommen würde. Noah starrte weiterhin auf Curtis leblosen Körper und Tränen stiegen in seine leeren Augen auf, die er versuchte tapfer zu bekämpfen.

Claire schloss wieder die Augen und konzentrierte sich auf ihr inneres Licht, das regenbogenfarben schimmerte, da Elijah ihr seine Kraft geliehen hatte. Sie ließ es langsam in Curtis Körper hineinfließen, der schon total kalt geworden war und erwärmte ihn damit. Nun lag es daran ihn in die andere Welt zu befördern, aber wie, wusste Claire nicht. Elijah erinnerte sie an ihre sieben Künste des Lebens und mit einem Mal wurde ihr schlagbar bewusst, was es mit diesen Künsten auf sich gehabt hatte.

Es war die Magie des Lebens, die sie nun mit ihren eigenen Händen beschwören würde. Erste Kunst, Gleichgewicht. Bereits erfüllt, da Cian noch in der anderen Welt war und Curtis in dieser. Zweite Kunst, Schuhe. Dazu ließ Claire noch mehr weißes Licht in seinen Körper fließen, um die nötigen Bedingungen für den Jump herzustellen. Dritte Kunst, Kompass. Claire richtete ihre ganze Energie auf Curtis Herz und Verstand, da es die beiden Faktoren waren, die einen Menschen am Leben erhielten und die vierte Kunst war der Mut. Sie atmete tief durch und nahm das Risiko auf sich, dass alles vielleicht doch nicht klappen würde und widmete sich dann der fünften Kunst zu. Der Kraft. Claire baute noch mehr Kraft in sich auf, sodass ihr Licht fast ihren Körper wie eine Heilige aussehen ließ, da sie strahlte wie ein Glühwürmchen, nur in Weiß. Diese Energie umgab Curtis wie eine Schutzmauer und dann kam die sechste Kunst, die Flügel. Sie stellte sich vor, wie Curtis und Cian in einer leeren Welt schwebten und dann ihren Platz wechselten, aber ohne ein Stück von sich selbst zurückzulassen. Es war ein sehr hartes Stück Arbeit den beiden ihre Flügel zu geben, doch nach kurzer Zeit hatte sie die nötige Bindung zwischen den beiden Welten hergestellt, um ihre Körper in die jeweils andere Welt zu befördern.

Nun fehlte die siebte und letzte Kunst. Claire riss erschrocken die Augen auf, weil ihr bewusst wurde, dass sie keine Ahnung hatte, was die siebte Kunst war. Diese Eingebung hatte sie noch nicht gehabt. Wie sollte sie nun den Prozess beenden? Lange würde sie die Bindung nicht halten können. Sie rief Elijah um Hilfe, doch es kam keine Antwort, was sie zu tiefst empörte. Zuerst war er so hilfsbereit und nun ließ er sie die Drecksarbeit, ahnungslos wie sie war, alleine machen. Nach der ganzen Sache würde sie ein ernstes Wörtchen mit ihm reden. Ratlos und verzweifelt versuchte sie herauszufinden, was die siebte Kunst sein könnte, als sie Viktoria weinend neben Elijah entdeckte.

Sie hielt seine Hand ganz fest in ihre und flehte ihn an zu ihr zu kommen, als Claire sofort klar wurde, was die letzte Kunst war.

Die Liebe.

Wie hätte sie so etwas vergessen können, wenn doch Cian ihre große Liebe war. Erleichtert, dass sie nun wusste, was das letzte Puzzlestück war, legte sie all ihre Liebe in ihr Licht ein, um die Bindung noch mehr zu festigen und dann geschah das Wunder, das sie allein verursacht hatte. Das Licht erfüllte Curtis wie eine weiche Wolke und blendete sie alle für einen kurzen Moment und als Claire die Hand von den Augen nahm, erkannte sie Cian auf dem Boden, dessen Augen verwirrt aufflatterten.

Überglücklich, dass sie es geschafft hatte, schlang sie die Arme um seinen Hals und wurde widerrum von ihm umarmt. Er flüsterte ihr die drei schönsten Wörter, die sie gehört hatte, in ihr Ohr und verursachte in ihr einen wohligen Schauer. Doch dann fiel ihr ein, dass sie sich noch um Elijah kümmern musste und ging bestimmt auf ihn zu, ohne jedoch Viktoria eines Blickes zu würdigen. Sie war immer noch schwer enttäuscht von ihr, aber das würde sie auf später verschieben, den nun würde sie für immer ihre Kräfte verlieren und in Ruhe mit Cian leben können. Etwas aufgeregt war sie schon deswegen, aber sie musste schnell machen, um bloß nicht Elijahs Leben aufs Spiel zu setzen, da es ja seine Lebensenergie war.

Dazu legte sie behutsam die Hände auf seine Brust und ließ all die magische Kraft in ihn hineinfließen und den Schmerz, der sich in ihrer Brust bildete, ignorierte sie einfach. Dann war die ganze Lichtenergie weg und Elijah keuchte wie ein fast Ertrunkener auf. Er fasste sich verwirrt an die Brust und blickte Claire dankend an. Sie richtete sich wieder auf und Viktoria schlang ihre Arme um ihn und war froh, dass er noch lebte. Er streichelte liebevoll ihre Haare zurecht und küsste sie sanft auf die Lippen, als Cian hinter Claire hervortrat und einen Arm um sie legte. >Ich bin so stolz auf dich Claire und ich fühle mich sehr geehrt, dich als meine Geliebte zu haben. Das hast du super gemacht, Süße! Ich liebe dich...<

Mit diesen Worten verschloss er ihr die Lippen und raubte auch den letzten Fetzen Energie aus ihrem Körper, den sie ihm nur zu gerne gab. Sie hatte ihre Freunde gerettet und war endlich mit Cian zusammen, aber was noch fehlte waren Hazy und Curtis. Cian hob Claire auf, damit sie nicht laufen musste, weil sie schon genug Energie verschwendet hatte und trug sie bis zu ihrem Haus, wo sich alle im Wohnzimmer versammelten. Da tauchten plötzlich ihre Eltern auf und Claire schluckte schwer, weil ein Gespräch mit ihren Eltern das letzte gewesen wäre, was sie nun brauchte. Ihr Vater sah die Gruppe misstrauisch an und ihre Mutter hob fragend eine Augenbraue. >Claire, was ist passiert?<

20. Kapitel

Wie erklärte man seinen Eltern, dass man die Welt gerettet hatte und zwar vor einer Welt, die die Spiegelwelt war? Das war eigentlich wissenschaftlich nicht möglich und da ihre Eltern sehr große Wissensfans waren, würden sie sie garantiert in eine Klinik stecken. Mitsamt ihren Freunden, die sich völlig erschöpft aufs Sofa setzten und Claire ratlos anstarrten.

Cian wollte zu einer möglichen Erklärung ansetzen, als plötzlich Elijah das Haus betrat und ihre Eltern sichtlich geschockt waren ihn zu sehen. Kannten sie sich etwa schon? Elijah stellte sich vor Claire hin und verbeugte sich ganz höflich vor ihren Eltern, die sich verwirrt ins Sofa niedersinken ließen. Er drehte sich kurz daraufhin zu Claire um und versicherte ihr, dass das alles nicht so schwer kommen würde, da ihre Eltern bereits wussten, was sie war?

Claire und alle ihre Freunde rissen erschrocken die Augen auf und trauten ihren eigenen Ohren nicht. Ihre Eltern wussten wer sie war und sie hatten ihr nie etwas davon erzählt? Also das war eindeutig zu viel für Claire. Wem sollte sie denn nun vertrauen können, wenn alle sie von vorne bis hinten belogen? Das war ja die reinste Menschenqual.

Doch Elijah fuhr mit seinen Erzählungen fort und je mehr er preisgab, desto dümmer fühlte sich Claire. >Claire, deine Eltern wussten wirklich nicht von Anfang an, was du warst, aber als du sieben Jahre alt geworden bist, habe ich deinen Eltern einen Besuch abgestattet. Ich suche meine Leute nicht per Zufall aus, sondern per Herz. Und dein Herz war das reinste, was ich je gesehen hatte. Wenn du dich erinnern kannst, hast du sehr oft mit einem Nachbarshund in deinem Garten gespielt und dieser war ich gewesen. Ich hatte dich jeden Tag beobachtet und entschieden dich mit meinen Kräften zu segnen. Deine Eltern waren genauso erschüttert wie du gewesen, aber eine Wahl hätten sie nicht gehabt. Das war der Grund gewesen, wieso du dich am Spiegel verletzt hattest. Das war deine geschenkte Kraft und der Moment, in dem du deine wunderschönen Augen bekommen hattest. Denn davor hattest du hellblaue gehabt und die Macht, die du bekommen hattest, machte sie zu reinen Amethysten. Aber um deine Kraft vollkommen zu entfalten, mussten deine Eltern Abstand halten. Du musstest dich selbst aus der Misere ziehen, dir Gedanken über die Welt machen und dich auf eigene Faust entwickeln. Deine Eltern sind wunderbare Menschen, denen du ihr Verhalten verzeihen musst, denn sie lieben dich über alles! Schieb alle deine schlechten Erfahrungen auf mich und hasse mich, wenn du willst, ich werde es irgendwie ertragen. Du bist wie ein Kind für mich, Claire und es tut mir leid, was du deswegen durchmachen musstest. Ich will mich nicht rechtfertigen, weil ich weiß, dass ich schuld bin, aber es war an der Zeit, dass du die Wahrheit erfährst!<

Claire war einfach sprachlos und konnte sich kaum auf den Beinen halten, weswegen Cian sie mit aller Kraft stützte und ihr seelischen Beistand leistete. Zum Glück war er da! Elijah sah sie traurig an und hoffte, dass sie etwas sagte, doch sie hatte einfach nicht die Kraft dazu überhaupt noch zu der ganzen Sache etwas zu sagen. Ihre Eltern hatten ihr mit Absicht nicht so viel Liebe gegeben und sie wurde von ihm auserwählt, weil sie ein reines Herz besaß. Hatte Curtis nicht mal so etwas in ähnlicher Weise gesagt? Vielleicht stimmte es ja, dass sie eine nette Persönlichkeit besaß und vielleicht sollte sie Elijah für das, was er getan hatte, verzeihen. Immerhin besaß sie Größe und Anstand und diese hatte sie nicht umsonst gelernt. Sie nickte ihm verständnisvoll zu und sah wie er sich innerlich und äußerlich entspannte.

Anscheinend mochte er sie wirklich, was auch seinen Selbstopferungsversuch in der Tanzschule erklären würde. Er sah dann kurz zu den Eltern rüber und teilte ihnen mit, dass nun alles vorbei war und mit einem Mal stürzte sich ihre Mutter auf sie und begann hemmungslos zu weinen. Selbst ihr Vater kam mit feuchten Augen auf sie zu und beide wiederholten immer und immer wieder, wie stolz sie auf ihre Tochter waren und wie sehr sie sie liebten. Das war so herzergreifend, dass Claire einfach mitweinte und sich von ihren Eltern die Liebe holte, die sie eigentlich hätte bekommen sollen und während sie das tat, ging Elijah zu Noah und redete mit ihm unter vier Augen. Er war nämlich auch von ihm auserwählt worden und nun hatte er auch die Wahrheit verdient. Und auch eine Erklärung, was es mit seiner Schwester auf sich hatte, die ratlos umherstand und sich zutiefst unwohl fühlte. Claire seufzte, weil sie wusste, dass ihr reines Herz das nicht lange mitmachen würde und löste sich aus der elterlichen Umarmung, um zu Viktoria zu gehen, die bei ihrem Anblick beschämt den Kopf senkte.

In dem Moment hatte Claire wirklich das Gefühl, dass sie im Leben eine Menge erreicht hatte und das widerrum gab ihr ungeheime Kraft, um nun mit Viktoria zu reden. Diese hob dann etwas den Kopf und ihre Blicke trafen sich. >Nun, Viktoria... Ich schätze, dass ich nicht mehr zu sagen habe als du, also fängst du mal an!<

>Ja, es tut mir leid! Es tut mir total leid, dass ich euch alle angelogen habe und dass ich euch allen etwas vorgespielt habe, aber Elijah durfte seine andere Präsenz nicht preisgeben. Aber er hatte sich in mich verliebt und hatte sich bei einem Spaziergang einfach so verwandelt und es war einfach Liebe auf den ersten Blick! Er erzählte mir alles und ich versprach ihm, ihn zu decken und auf normal zu tun. Und es tut mir leid, dass ich euch angelogen habe, als ihr alle von euren Geliebten erzählt habe und ich dastand wie ein Vollidiot! Ich hoffe, dass ich das jemals wieder gutmachen kann...<

>Ich bin mir sicher, dass du das schaffen wirst!< Woher Claire nun diese Ruhe und diese Güte herbekam, wusste nur Gott. Sie verstand selbst nicht, warum sie so nett war, was vielleicht aber an Elijahs Aussage liegen könnte. Sie besaß eben ein reines Herz und warum sollte sie dieses nicht nutzen?

Viktoria schien sehr erleichtert über die Worte ihrer Freundin zu sein und nach kurzen Zögern umarmten sie sich versöhnend. Auch Helena und Noah tauchten nach dem Gespräch mit Elijah auf, sprachen sich mit Viktoria aus und der Frieden in der Grupper war wieder hergestellt. Cian gesellte sich dann auch zu ihnen und zusammen setzten sie sich auf der Gartenterasse hin und berichteten von all den Erfahrungen und Erlebnissen, die sie bis zu dem Zeitpunkt gemacht hatten. Noahs Sicht der Dinge war natürlich sehr witzig gestaltet, auch wenn er dem Tod knapp entronnen war und Helenas Sicht war die etwas emotionalere Version. Viktoria berichtete über die Begegnung mit Elijah und wie es beim Bürgermeister zugegangen war und dann hielten sie eine Schweigeminute, um den Tod von Aria zu ehren, da sie Noahs Leben und das der anderen gerettet hatte.

Ihre Eltern hatten bis dahin still zugehört, aber nun sprudelten sie los und erzählten ihr, wie es zu der ganzen Sache gekommen war und dass Elijah sie angerufen hatte, um ihnen mitzuteilen, dass sie für höchstens einen Monat nach Rio fahren mussten. Das war der Hauptgrund für die meisten Geschäftsreisen gewesen, obwohl sie nicht mal Käufer gehabt hatten. Also das schockierte Claire nun wirklich, aber wenn sie näher drüber nachdachte, hätte sie sich diese Tatsache aus den anderen Wahrheiten ableiten können. War ja nicht so, dass es die totale Neuigkeit war.

Sie verbrachten noch eine ganze Weile am Tisch, bis Elijah Claire bat mit ihm mitzukommen und in ihr Zimmer zu gehen. Sie nickte misstrauisch und verabschiedete sich mit einer kurzen Handbewegung von ihrer Familie und ihren Freunden und gab Cian daraufhin einen sanften Kuss auf die Lippen. Seine Augen funkelten leidenschaftlich und dann klapste er kurz auf den Po und ergatterte amüsierte Blicke von Seiten ihres Vaters. Das war also ihr wahrer Vater, Claire konnte es kaum erwarten ihre Eltern richtig kennenzulernen und endlich neu anzufangen. Das hatte sie nach den ganzen Achterbahnfahrten verdient!

In ihrem Zimmer angekommen, setzte sich Claire neugierig auf ihr Bett hin und Elijah nahm ruhig und in Gedanken vertieft neben ihr Platz. Schon komisch, dass er nicht nach Hund roch, wenn er doch 23 Stunden am Tag als Flecky auftrat. Da wurde ihr schlagartig klar, dass sie Flecky nie wieder sehen würde und Tränen stiegen ihr sofort in die Augen, die er sanft mit dem Zeigefinger wegwischte. >Jetzt wein doch nicht Claire. Du machst mich voll traurig... Ich werde immer über dich wachen und immer da sein, wenn du mich brauchst, aber du hast endlich deine richtige Familie wieder und Cian. Mich brauchst du nicht mehr so dringend... Immerhin habe ich dich verletzt und dir etwas vorgemacht, doch ich spreche die Wahrheit, wenn ich dir sage, dass du mir sehr wichtig bist! Du glaubst mir doch, oder?<

Claire nickte und versuchte sich zusammenzureißen, weil sie wieder den Tränen nahe war, aber sie schaffte es ihm weiterhin zuzuhören, da er noch einiges zu erzählen hatte, was er nicht vor allen anderen erwähnen wollte.

>Weißt du Claire, der Grund warum ich meinen Vater umgebracht habe, war der, dass er ein machtgieriger Mann gewesen war. Anfangs war er nicht so gewesen, doch als er mit der Zeit entdeckt hatte, zu was seine Kinder, also ich und Louis, fähig waren, änderte sich alles. Er schmiedete böse Pläne, wie er alle unter seine Kontrolle bringen könnte und eines Nachts hatte er sogar meine Mutter geschlagen. Diese hatte ihn aber so geliebt, dass sie sich nie beschwert hatte und dann riss mein Geduldsfaden und ich brachte ihn eigenhändig um. Für das Wohl der Welt und für meine Mutter, die nie eine Nacht ohne Tränen verbracht hatte. Ich war sozusagen das Muttersöhnchen gewesen und Louis der böse Bruder. Tja, es kam zum Konflikt und wir bekämpften uns Tag für Tag, bis unsere Mutter sich am Strick das Leben nahm. Das war der Punkt, an dem ich und mein Bruder entschieden hatten, Rache aneinander auszuüben. Ich zog los, um mir meine Krieger zu holen und fand zuerst dich. Ich war derjenige, der dich am Spiegel verletzt hatte und glaub mir, das war das Schlimmste, was ich je durchmachen musste. Einem armen siebenjährigen Mädchen mit einer Spiegelscherbe eine Narbe in der Handinnenfläche verpassen. Das war einfach grotesk!<

>Aha und was ist mit den anderen? Noah und Curtis und Aria?<

>Also bei Noah und Curtis war es wirklich reiner Zufall gewesen, denn ich bin einmal als Hund durch den Park gezogen, als plötzlich ein Hundefänger hinter mir hergejagt war, um mich einzufangen. Ich konnte mich schlecht in der Öffentlichkeit verwandeln, als die beiden Jungs mit dem Fahrrad vorbeigeradelt waren und dann dem Typen gesagt hatten, dass ich ihr Hund wäre. Er hatte mich dann in Ruhe gelassen und die Jungs brachten mich dann zu sich nach Hause und fütterten mich. In der Nacht gab ich Noah dann das rote Licht und Curtis das blaue. Das waren zwei weitere Hauptstränge meiner Energie gewesen und dann bin ich wieder abgehauen. Aria ist aber ein Energiebehälter von Louis gewesen. Da hatte ich meine Finger nicht im Spiel gehabt, was auch der Grund war, warum ich sie bei ihrem schweren Energieverlust nicht hätte retten können. Louis hätte es tun sollen, aber er hatte nicht gerechnet, dass sie sterben würde. Tja, er war noch nie im Planen gut gewesen...< Claire war sichtlich erschüttert das alles zu hören, aber langsam wurde ihr bewusst, dass Elijah wirklich nichts Böses vorgehabt hatte.

Er hatte lediglich den Frieden zwischen dieser und der anderen Welt wiederherstellen wollen und es hätte jeden anderen treffen können einer der Drei zu werden. Aria mochte zwar ein Fehler seines Bruders gewesen sein, aber sie hatte für sie alle gekämpft und war ehrenvoll und erfüllt gestorben. Elijah schien genau das Gleiche gedacht zu haben, denn er starrte die Urnen, die Claire in ihr Zimmer gebracht hatte, verträumt an und umfasste dann lächelnd ihre Hand.

>Die gute Nachricht nach dem Ganzen ist, dass du normale Kinder zeugen wirst, deine normalen Eltern wieder hast, dass Hazy und Curtis sicher auf der anderen Seite sind und dass ich und Viktoria unsere Wege gemeinsam gehen und euch in Ruhe lassen werden. Es sei denn du willst mich irgendwann anrufen, meine Nummer steht in deinem roten Tagebüchlein... Oh, und bevor ich es vergesse, vergiss nicht die siebte Kunst aufzuschreiben. Dieses Wissen ist für die Menschheit existenzwichtig, da es die Quelle alles Lebens ist! Verwahre es deswegen sehr gut... Ich werde nun zu den anderen runtergehen, damit du jetzt mit Hazy in Ruhe sprechen kannst, die es kann erwarten kann dich zu sehen.<

Damit stand er auf, küsste sie sanft auf die Stirn und dann verließ er leise das Zimmer und schloss die Tür hinter sich zu. Bevor Claire auch nur ansatzweise die Informationen verdauen konnte, erschien Hazy im Spiegel und begann lauthals zu kreischen. Sie begann pausenlos darüber zu reden, was alles auf der anderen Seite passiert war und was für ein Chaos dort herrschte, sie aber überglücklich war Curtis lebend neben ihr zu haben, der kurz darauf auch im Spiegel erschien. Er sah bestens aus und von seinen schweren Verletzungen war auch keine Spur mehr. Dafür dankte er ihr aus tiefstem Herzen und obwohl er nun für immer auf der anderen Seite bleiben musste, war er auch glücklich Hazy bei sich zu haben, da er ohne sie es nicht verkraftet hätte.

Für eine Weile würden die beiden zusammen in Hazys Wohnung leben und dann sich irgendwo ein Haus kaufen, weil es Hazys größter Wunsch war. Claire konnte ihre Aufregung am eigenen Leib spüren und sie teilte ihr Glück, bis auf die Sache mit dem Haus, denn dazu musste sie erst mit Cian reden. Hazy sah sie dann schweigend an und ihr Blick wurde auf einmal sehr weich, sodass Claire für kurze Zeit glaubte, dass sie gleich weinen würde, doch das tat sie nicht. >Claire, ich möchte dir für alles danken, was du getan hast. Anfangs hatte ich wirklich gezweifelt, ob du das Zeug gehabt hättest eine der Vier, ok Drei, zu sein, aber du hast dich jedes Mal verbessert und tapfer geschlagen und nun schau dich an. Du bist eine starke, unbesiegbare, selbstbewusste, mutige und herzliche Schönheit geworden. Ich bin richtig stolz auf dich und ich wünsche dir alles Gute mit Cian. Nehm ihn richtig ran, er steht auf Peitschen... Wir werden uns bestimmt nicht mehr so oft sehen, aber wenn es so weit ist, werde ich mich riesig freuen! Ich hab dich lieb Claire...<

Nun war es um Claire geschehen und sie begann gerührt zu weinen und fand daraufhin Unterstützung von Hazy, die auch ein paar Tränen vergoss. Curtis nahm diese dann aufmunternd in den Arm und dankte Claire noch einmal für alles. Claire bedankte sich auch bei den beiden und wie sehr sie ihre Gesellschaft genossen hatte und wie sehr sie sie nun vermissen würde. Doch sie versprach ihnen, dass sie sich wiedersehen würden und nach ein paar herzergreifenden Worten verschwanden auch diese beiden Personen.

Nun war Claire alleine in ihrem Zimmer und sie legte erschöpft den Kopf in die Hände und fing wieder an zu weinen. All der Schmerz, all diese Wahrheiten und all der Stress flossen mit jeder Träne aus ihr heraus und als sie schniefend den Kopf hob, sah sie direkt in Cians wunderschöne beruhigende eisgrünen Augen. Er drückte ihren Kopf sanft auf seine Schulter, sodass sie auch den letzten Kummer loswerden konnte und nach stundenlangem Weinen lag sie müde auf seiner Brust und lauschte seinem regelmäßigen Atem. Sein Daumen strich ihr in Kreisen über den Rücken und zusammen schmiedeten sie wunderschöne Zukunftspläne, die sie schon bald in Angriff nehmen wollten.

Vor allem Zusammenziehen, das war der erste Schritt, den sie angehen wollten, aber nun zählte ihre gemeinsame Zeit und ganz sanft hob er ihr Kinn an und küsste sie mit all der Leidenschaft, die er die ganze Zeit in sich zurückgehalten hatte. Sie erwiderte seinen Kuss mit Genuss und stöhnte wiederholt an seinen Lippen, was ihn total um den Verstand brachte. Er legte sich langsam auf sie und begann sie mit den Händen überall zu streicheln und als er ihr unters Oberteil ging, keuchte sie erschrocken auf, aber sie ließ es zu. Sie hatte schon genug gewartet und war nun bereit für das, was nun kommen würde. Die Klamotten flogen quer durchs Zimmer und die Leidenschaft erfüllte den Raum, als es plötzlich an der Tür klopfte und Noah reinkam.

Doch als er die beiden sah, riss er überrascht die Augen auf und ihre Eltern, die hinter ihm aufgetaucht waren, stießen einen erstickten Laut aus. >Hey Leute, sorry für die unangenehme Störung... Das Essen ist unten fertig, also wenn ihr dann mit Vögeln fertig seid, kommt runter! Und Cian, hau richtig rein Junge, das hast du verdient nach deinem Beinahetod!<

Mit diesen Worten schloss er die Türe lachend zu und schob ihre Eltern, die sichtlich überrascht waren, dass Cian und sie ein Paar waren, die Treppen runter, um sie nicht weiterhin zu stören. Die klare Ansage von ihm jedoch hatte Cian zum Lachen gebracht und Claire war vor Scham tomatenrot geworden. So etwas war aber wirklich peinlich, aber als Cian sie fordernd küsste, vergaß sie wieder die Welt um sich und genoss seine körperliche Nähe. Ihr Feuer loderte richtig auf und als sie mit den Liebesspielchen fertig waren, lagen sie erschöpft und verschwitzt in Löffelchenstellung und seufzten vor Genugtuung.

Dabei hatten sie die Hände ineinander verschränkt und streichelten sich gegenseitig, bis Cian anfing zu kichern. >Mir ist gerade aufgefallen, dass ich noch nie Löffelchen gelegen bin, weil ich das immer für schwul empfunden habe. Doch ich muss sagen, dass das sehr angenehm ist, vor allem weil dein Hintern an mir klebt und meine Hände perfekt an deiner Brust liegen. Echt vorteilhaft diese Stellung, müssen wir öfters machen... Aber das nächste Mal hast du unten nichts an!<

>Cian, du Perversling. Wir haben uns gerade tausendmal geliebt und du denkst immer noch daran? Ich hoffe, du hast kein Viagra geschluckt!<

>Das ist kein Viagra! Das ist mein von gottgegebenes unstillbares Libido. Da kann man nichts dagegen machen...<

>Ach wirklich? Na dann lass mal sehen...< Claire drehte den Kopf zu ihm um und küsste ihn voller Leidenschaft und war bereit seine Unstillbarkeit zu testen. Immerhin lag ein durchtrainierter blonder und wunderbarer Mann hinter ihr, der sie über alles liebte. Da konnte man ihm den einen oder anderen Wunsch erfüllen, wobei es sie umso glücklicher machte, wenn sie seine strahlenden grünen Augen sah. Bei ihm fühlte sie sich einfach am Besten und das sollte für immer so bleiben, wozu hatte sie sonst ihre sieben Künste verwendet? Natürlich um ihren Liebsten zu retten, der ganz scharf darauf war, sie wieder näher zu spüren. Ach, dieser Mann war einfach umwerfend!

Epilog

Ein halbes Jahr später...

Claire streckte sich gähnend auf ihrer Liege aus und betrachtete verträumt den wunderschönen Strand, der sich vor ihrem Strandhaus erstreckte. Sie und Cian hatten vor ein paar Monaten mit dem Geld ihrer Eltern dieses gemütliche und heimisch eingerichtete Strandhaus gekauft und sie liebten es einfach.

Es war märchenhaft morgens aufzuwachen, das Rauschen des Meeres zu hören, die Vorhänge aufzuziehen und die strahlende Sonne auf der Haut zu genießen. Der Strand war atemberaubend für nächtliche Spaziergänge mit Cian, auch wenn er sie meistens ins Wasser warf, da seine Frechheit keine Grenzen kannte. Trotzdem genoss sie jeden Tag mit ihm und war die glücklichste Frau im Moment. Außerdem hatte er ihr gestanden, dass er in Curtis Kopf eingedrungen war, als sie im Club gewesen waren und dass er es war, der sie dann geküsst hatte. War er nicht süß?

Seufzend richtete sich Claire auf und ein leichter Wind brachte ihr Kleid zum Flattern, als auch schon Cian mit Tellern voller frischgebratener Würstchen durch die Terrassentür kam. Er lächelte sie verliebt an und schlenderte zu dem großen Tisch, an dem Curtis und Hazy sich angeregt unterhielten. Sie waren zwar illegal auf dieser Seite der Welt, aber für kurze Zeit würde das schon in Ordnung sein. Immerhin war Elijah nun der Vorsitzende der Stadt auf der anderen Seite und gewährte ihnen den einen oder anderen Ausrutscher. Claire hatte ihm schon längst verziehen und war über den Verlust von Flecky endlich hinweg, was sie natürlich Cian zu verdanken hatte und Viktoria lebte auch mit ihm in der Spiegelwelt und sie hatten sogar geheiratet. Claire und Cian waren mit Noah und Helena zu der Hochzeit gegangen und hatten schön zusammen gefeiert und nun stand bald die Hochzeit von Noah und Helena auf dem Plan.

Zwar wollten Cian und Claire auch heiraten, aber sie wollten erstmals etwas warten und ihr Kind gesund auf die Welt bringen.

Ja, Claire war schwanger und glücklich über diese Tatsache, strich sie sich seufzend über den Bauch. Cian kam sofort auf sie zu und küsste sie sanft auf den Mund und dann verschwand er mit Curtis in der Küche, da er noch Hilfe beim Essen brauchte. Tja, zwei Superköche in der Küche... Claire sollte eigentlich bei den Köstlichkeiten schon längst fett sein, aber Cian war genau wie sie ein ausgewogener Ernährer. Zum Glück, denn seine Törtchen waren einfach himmlisch.

Lächelnd sah Claire Hazy an, die auch über beide Ohren verliebt war und ständig am Grinsen war und als hätten sie das Gleiche gedacht, begannen sie herzhaft zu lachen. Es war schön mit ihrem anderen Ich an einem Tisch zu sitzen und dem Meeresrauschen zuzuhören, aber noch besser war der Anblick von Cian, der wieder mit ein paar Köstlichkeiten antanzte und die Teller auf den Tisch legte. Dann setzte er sich gelassen auf den Stuhl neben sie hin und nahm liebevoll ihre Hand in seine. Gott, er war so süß zu ihr. Sie könnte heulen vor Glück so einen wundervollen Mann zu haben und einmal hatte sie es sogar getan. Cian war damals ziemlich geschockt gewesen, aber als Claire ihm gebeichtet hatte, dass die Tränen vor Glück waren, hatte er sie geküsst und sie hatten sich anschließend geliebt.

Was eigentlich immer passierte, sobald sich ihre Lippen trafen.

Aber dann kam die Schwangerschaft und nun hielt sich Cian mit seinem männlichen Trieb etwas zurück. Etwas, um das sich Hazy keine Gedanken machen musste, da Curtis nicht so ein triebgesteuerter Mann war. Doch Claire liebte ihren Cian so wie er war, mit allen den Ecken und Kanten. >Hey, Claire was ist eigentlich mit deinem Jurastudium? Wurdest du schon angenommen?<

Claire nickte Hazy glücklich an und ergatterte stolze Blicke aus allen Seiten. Sie hatte sich vor ein paar Monaten bei einer Uni angemeldet und gestern die Zusage bekommen, die sie natürlich sehr gefreut hatte. Hazy hatte sie nämlich überzeugt Anwältin zu werden, da sie ihrer Meinung nach das Zeug dazu hatte und Claire fand, dass es ein recht interessanter Job war. Cian hatte natürlich seinen Designerjob weitergemacht und eine Agentur in der Nähe eröffnet, da sein Geschmack sehr gut bei den Kunden angekommen war und das Kleid, was sie im Moment trug, war eine Einzelanfertigung und zwar nur für sie. Selbst Hazys Anwaltsanzug war von seinen Händchen designt worden und Claire musste zugeben, dass er seine Arbeit sauber machte.

Ein wunderbares Vorbild für ihr gemeinsames Kind, das normal aufwachsen würde und normal sein würde, dessen Meinung auch Cian war. Claire warf ihm daraufhin einen liebevollen Blick zu und als er ihren Blick lächelnd erwiderte, sah sie seine wunderschönen grünen Augen, deren Eis schon längst geschmolzen war. Sie funkelten sie verliebt an und mit Herzklopfen lehnte sie ihren Kopf auf seine Schulter und schloss entspannt die Augen. Natürlich musste aber Hazy ihren Senf zu der ganzen Situation geben, weil es einfach ihre Art war. Die Art, die Claire an ihr am meisten mochte. >Ach, Schwangere sind aber voll die langweiligen Frauen. Die schlafen ständig und sind zu nichts zu gebrauchen. Cian, wie schaffst du das nur mit ihr?<

>Mit Geduld, Liebe und gutem Essen!< 

Claire gab ihm einen Schmatzer auf die Wange, um ihm lächelnd zuzustimmen. Sie streichelte wieder ihren Bauch und konnte es kaum erwarten das kleine Kind auf die Welt zu setzen und vor allem zu erfahren, ob es ein Junge oder ein Mädchen werden würde. Ihr Vater und ihre Mutter waren sich beide einig, dass es ein Mädchen werden sollte, aber Claire und Cian war es vollkommen egal. Sie wollten einfach ein gesundes Baby.

Curtis hob grinsend das Glas hoch und sprach einen Prost aus, als auch schon das Abendessen begann. Natürlich schmeckte alles so gut, wie in einem Fünf-Sterne-Restaurant und Claires Bauch kribbelte zufrieden. Sie sprachen über ihre weiteren Pläne im Leben und über die aufregenden alten Zeiten, die zum Glück aber ihr gutes Ende gefunden hatten und dass Noah und Helena erst kürzlich in New York eingezogen waren und ihre bevorstehende Hochzeit planten.

Es war schön zu hören, dass es allen so gut erging und vor allem dass Claires Eltern endlich ihr wahres Gesicht gezeigt hatten. Es waren zwei wunderbare Menschen, deren Gesellschaft Claire an den Wochenenden sehr genoss und morgen würde es wieder so weit sein. >Schatz, willst du noch ein bisschen Salat?< Claire sah Cian an und schüttelte dankend den Kopf, als er sie langsam in eine Umarmung zog und ihr wiederholt auf den Kopf küsste, was er sehr oft tat, wenn er sie am süßesten fand. Ja, sie war wirklich die glücklichste Frau auf dieser Welt und mit einem Seufzen legte sie seine Hand auf ihren Bauch und beobachtete seinen warmen Blick, der direkt auf sie und das Baby, das in ihr wuchs, gerichtet war. Hazy und Curtis kicherten bei diesem Bilderbuchanblick und flüsterten sich irgendwas ins Ohr, was Claire aber nicht interessierte.

Sie genoss die Wärme ihres Traummannes und hob leicht den Kopf, um ihn lange und sanft zu küssen. In den kurzen Pausen gestand er ihr seine Liebe und wie sehr er sich freute sie als Frau zu haben und Claire antwortete ihm mit einem herzlichen 'Ich liebe dich auch'. Dann küssten sie sich nochmal und widmeten sich wieder ihren Gästen zu, die sich auch verliebt ansahen und unter dem Tisch Händchen hielten. Ja, Hazy hatte ihre zarte Seite gefunden und das freute Claire.

Ihr Blick glitt wieder zum Meer und ihr fielen Aria und Nate ein, die wahrscheinlich zusammen den Weg der Ewigkeit gingen und jede Küste der Erde besuchten, da Claire ihrem Wunsch nachgegangen war und sie im Atlantik verstreut hatte. Auch ein Paar, das sein Glüch gefunden hatte und Claire dachte über die letzte und siebte Kunst, der Liebe, nach. Diese hatte all ihre Freunde gerettet und war die stärkste aller Künste und komischerweise hatte Claire ihren Mann in einem Spiegel gefunden. Sozusagen die Liebe im Spiegel und sie war glücklich darüber mit Cian in ihrem Strandhaus mit ihren Freunden zu sitzen und zu lachen. Und zu lieben.

Liebe war die stärkste und wichtigste aller Künste. Sie war die Quelle der Kraft und allem menschlichen Handelns und sie war überall gegenwärtig. Sie hatte seit Anfang des Lebens auf der Erde existiert und existierte immer noch. Man konnte immer auf sie zählen und sich in ihr fallen lassen und wenn man sich mal einsam oder schutzlos fühlen sollte, musste man daran denken, dass niemand alleine war. Selbst in einem leeren Raum schwebte immer ein Fünckchen Liebe, die Kunst war einfach die Augen aufzumachen und sie sehen zu wollen. Es gab somit keine einsamen Menschen, denn alle waren gleich. Wenn ein Mensch Liebe empfinden konnte, dann konnte es jeder Mensch tun. Man musste es nur wollen und es zulassen. Jede Kunst trug einen Teil zur Magie des Lebens bei und die Liebe war die Herznote des Ganzen. Ohne Liebe würde Leben nicht möglich sein, genauso wie die Kraft, die ja der Liebe entsprang. Sie half dem Hilfesuchenden, sie pflegte die Kranken, sie schützte die Schwachen, sie fand die Verlorenen und sie verband die Getrennten. Die siebte und letzte Kunst des Lebens.

Impressum

Bildmaterialien: http://pixabay.com/de/frau-tattoo-indisch-gesicht-273578/ und von mir bearbeitet!
Tag der Veröffentlichung: 17.06.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich jedem Leser und natürlich unserem Feind/Freund dem Spiegel ;)

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