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3 - Senat:
Die Regeln an Bord der Basis wurden vom Großen Senat aufgestellt und überwacht. Jeder an Bord des Schiffes kannte ihre Gesichter. In letzter Zeit waren die allgemeinen Nachrichten weniger erfreulich. Es hieß zum Beispiel: »Der Große Senat hat beschlossen, die Rationen um vier Prozent zu reduzieren.«
Es gab auch keinen Kleinen Senat. Das Wort Senat hätte bei Weitem genügt, aber es sollte Macht ausstrahlen. Und es funktionierte. Diejenigen, die einen freien Willen hatten, fürchteten ihre Strafen bei ungehorsamem Verhalten. Alle anderen blieben immer gehorsam.
Der Große Senat bestand aus drei Männern. Iswo’od war einer von ihnen. Er war der Chef der ausführenden Gewalt. Seine Augenbrauen waren ungewöhnlich voll und lagen nicht selten tief über seinen Augen. Seiner Meinung nach, wusste er sehr gut, wie man Menschen führte.
»Mir wurde leider erneut eine Übertretung mitgeteilt.«
»Schon wieder Sex mit den Einheimischen? Diese Fälle scheinen zur Regel zu werden. Nützen die Strafen denn gar nichts?«, fragte Segu’ur.
Senator Segu’ur war ein kleiner Mann. Er hatte kurze graue Haare und seine Nase war spitz und schmal. Er sprach sehr nasal. Es gab Gesetze für das Volk. Senator Segu’ur sorgte dafür, dass sie eingehalten wurden.
Ein Gesetz regelte klar und deutlich die Interaktion mit anderen Kulturen. Und dieses Gesetz besagte, dass es keine Interaktion gab. Nicht umsonst wurde über viele Jahrtausende so etwas entwickelt. Es konnte nicht sein, dass die Gesetze in so kurzer Zeit zunichte gemacht wurden.
Auf der anderen Seite hatte es auch in der ganzen Geschichte seines Volkes noch nie den Fall gegeben, dass sich eine Kolonie so lange auf einem anderen Planeten aufhalten musste. Segu’ur harmonierte hervorragend mit Iswo’od. Allein wäre er allerdings niemals in den Großen Senat gekommen. Als Individuum war er zu schwach. Aber der Große Senat diente auch nicht dazu, sich als Einzelperson zu profilieren, sondern allen zu dienen. Ob die Menschen es wollten oder nicht.
»Und was sollen wir jetzt machen? Sollen wir die Augen schließen und so tun, als würde uns das alles nicht interessieren? Oder sollen wir unseren bisherigen Kurs verlassen und hart durchgreifen?«, fragte Sche’ef.
Dieser Mann war groß und stattlich. Seine blonden Haare fielen bis auf seinen Nacken. Sein Kiefer war kräftig und sein Kinn markant ausgeprägt. Sche’ef war der Mächtigste von allen. Aber er wusste, dass es keinen Sinn machte, alle Entscheidungen allein zu treffen. Dafür fehlten zu oft die Fakten. Es war gut, wenn man mehrere Meinungen und Standpunkte hörte.
Alle drei Senatoren standen um einen Tisch herum. Der Tisch war weiß und hatte die Form eines einfachen Blockes. An zwei Seiten hatte er kleine Schlitze für die Ventilation. Auf dem Tisch standen drei Schalen mit einer roten Flüssigkeit. An den Gefäßen liefen gelegentlich kleine Wassertropfen herunter.
Man hätte erwarten können, dass der Große Senat sich genau im Zentrum befand. Aber in Wirklichkeit hatten sie nur tief unten ein kleines Zimmer am Rand der Insel. Bei starkem Wind erreichten sogar gelegentlich ein paar Wassertropfen das Fenster. Derzeit brannte die Sonne auf das ruhige Meer und brach sich in tausend kleinen Blitzen auf den Wellen.
»Ich bin dafür, dass wir härter durchgreifen. Das mit dem Sex ist eine Sache. Was jedoch viel wichtiger ist, ist dass einige der Männer nicht mehr unfruchtbar sind.«
Die Reaktion des Senators Segu’ur bestand nur in einem leichten Hochziehen der Augenbrauen. Sche’ef jedoch sagte: »Was? Seit wann weißt du das?«
Iswo’od sagte ruhig: »Bei immer mehr Kontrollen werden Kinder gefunden, die eine helle Hautfarbe haben.«
»Kinder oder Babies?«
»Beides. Der Weg liegt klar vor uns. Wir müssen dafür sorgen, dass es aufhört.«
»Wie kommt es, dass die Männer Kinder zeugen können?«
Iswo’od sagte: »Vermutlich liegt es an der Nahrung der Einheimischen.«
»Nahrung ist gut; sie essen Landtiere!«
»Sie essen auch andere Dinge. Viele ernähren sich auch von Fischen, so wie wir. Aber sie haben auch Beeren und Früchte auf ihrer Speisekarte. Und wenn unsere Männer für längere Zeit keinen von unseren Fischen mehr essen, dann kann es schon sein, dass sie Kinder zeugen können.«
Sche’ef fragte: »Kommt es denn vor, dass sie so lange weg sind? Sieht der Plan das vor?«
»Nein, natürlich nicht. Sie sollten höchstens einen Tag draußen bleiben.«
»Und?«
»Nun, einige von ihnen bleiben für Wochen draußen. Manche sind sogar überhaupt nicht zurückgekehrt.«
»Wenn sie merken, dass sie nicht mehr unfruchtbar sind, werden sie es den anderen mitteilen.«
»Schwerlich. Ich denke nicht, dass sie den Zusammenhang erkennen.«
Iswo’od rief: »Aber die Männer sind doch nicht dämlich! Natürlich sehen sie, was vor sich geht. Sie können eins und eins zusammenzählen. Wie viele hellhäutige Kinder gibt es auf diesem verwässerten Planeten?«
Sche’ef blieb ruhig: »Na schön. Die Männer, die etwas wissen, müssen ausgetauscht werden. Wir müssen dafür sorgen, dass keine Unruhe entsteht.«
»Eigentlich werden die Männer dadurch sogar ruhiger.«
Sche’ef lächelte schief und meinte: »Wir müssen es unterbinden. So oder so. Im Grunde genommen ist das sogar eine gute Sache. Wir müssen die Vorräte ohnehin rationieren. Sonst werden wir demnächst die Nahrung der Planetenbewohner essen müssen.«
Iswo’od verzog das Gesicht bei dem Gedanken, etwas anderes als Fisch oder Mek zu essen.
Sche’ef fuhr fort: »Bis wir fertig sind, wird es noch einige Zeit dauern. Wir haben viel zu viele Menschen hier und zu wenig Mek. Wir müssen uns zwangsläufig verkleinern. Daran führt kein Weg vorbei.«
Segu’ur fragte: »Was ist mit den Fischen? Wie es scheint, haben sie einen Platz gefunden, um sich zu paaren. Es werden jedenfalls immer mehr.«
Iswo’od schüttelte den Kopf: »Die Bewohner haben angefangen selber Fische zu essen.«
Segu’ur fragte: »Kommen sie denn auch zu ihnen?«
»Nein«, fuhr Iswo’od fort, »die Menschen jagen die Fische. Sie fertigen sich aus Holz lange Stäbe an und stoßen diese ins Wasser und durch die Fische.«
Segu’ur bemerkte: »Aber man kann die Fische doch gar nicht an der richtigen Stelle sehen. Die Lichtbrechung des Wassers verhindert dies.«
Iswo’od sagte: »Sie haben einfach solange probiert, bis es geklappt hat. Sie wissen nichts über einen Brechungsindex zwischen den Medien, aber sie sehen, was passiert. So etwas nennt man dann wohl Erfahrung.«
Sche’ef sagte: »Wir sollten beim Thema bleiben. Wie viele Männer sind betroffen? Über welche Zahl reden wir?«
Iswo’od straffte sich und sagte: »Die Hälfte sicherlich.«
»Die Hälfte? Das ist mehr als ich dachte.«
»Wahrscheinlich mehr.«
Sche’ef dachte nach. »Wer soll die Männer ersetzen?«
»Vielleicht müssen sie gar nicht ersetzt werden. Die Planetenbewohner arbeiten bereits ziemlich selbstständig.«
Sche’ef wischte sich einige seiner Haare aus dem Gesicht und sagte: »Das scheint mir eine gute Idee. Wir ersetzen sie nicht, sondern sammeln sie nur ein.«
Iswo’od ergänzte: »Um sie anschließend zu töten.«
»Ja.«
Iswo’od hob seine dunklen Augenbrauen und sah aus dem Fenster auf die Weite des Ozeans. Einige der Männer kannte er persönlich. Nicht viele, aber genug, um diese Entscheidung in Frage zu stellen. Er war nur ein Teil des Großen Senats und konnte diese Entscheidung nicht allein treffen oder aufheben. Das hieß jedoch nicht, dass er sie gutheißen musste. Logisch gesehen verstand er natürlich, was vor sich ging. Es war verboten die Gesetze zu brechen. Deshalb hatte man Gesetze. Und Segu’ur und er selbst mussten dafür sorgen, dass sie geachtet wurden. Sie waren die letzte Instanz. Es war erforderlich, dass er hart durchgriff.
»Gut, wir rufen sie zurück. Und zwar alle. Ich habe noch eine Frage. Wie sicher können wir sein, dass alles weiterhin so läuft, wie wir es uns vorstellen? Dass die Menschen weiterhin für uns arbeiten?«
Sche’ef fragte: »Gab es denn bislang in dieser Hinsicht Probleme? Mir ist darüber nichts bekannt. Es läuft doch alles nach Plan, oder etwa nicht?«
Iswo’od antwortete: »Ja, die Menschen haben alle Arbeiten erledigt. Es ist sehr gut möglich, dass sie das sogar freiwillig tun.«
»Dann ist es beschlossene Sache, wir ziehen alle Männer zurück. Den Gesetzestreuen werden andere Posten zugeteilt.«
Iswo’od dachte an die, die es nicht waren. Sie waren bereits tot. Sie wurden nach dem Ring verbrannt. Ihre Seelen gingen dann in die nächste Generation über, so hieß es jedenfalls. Senator Iswo’od hatte nicht das Gefühl, dass sich in seinem Körper eine andere Seele befand, die ihn leitete und ihm mit Ratschlägen zur Seite stand. Nein, er wusste ganz tief in ihm, dass er alleine war. Macht über so viele Lebewesen war nicht immer einfach. Letztendlich musste man ein paar opfern, um die Rasse zu retten. In diesem Fall war es wohl so, aber leicht war es nicht.

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Tag der Veröffentlichung: 07.02.2011

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