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Musikalische Ausbildung




Die Hausmusik und die gezielte musikalische Förderung von Mathilde in Linz ließen die Eltern immer mehr er- kennen, dass ihre Tochter die eingeschlagene Richtung weiter verfolgen sollte. Ihr älterer Bruder Richard bestärkte sie in ihrer Entscheidung sich vollkommen der Musik zu widmen. Nachdem ihre Mutter als Klavierlehrerin keinen nennenswerten Beitrag mehr leisten konnte, wurde ein Klavierlehrer mit Namen Eduard Hauptmann engagiert.
Nach 14 Jahren Wohnaufenthalt in Linz (1856-1870) siedelte die Familie im Jahr 1870 nach Wien über. Gemeldet war die Familie anfangs im Wiener 1. Bezirk, Ecke Johan- nesgasse 18 und ab 1876 in der Adresse Elisabethstraße 1. Die Übersiedlung nach Wien war für Mathilde ein weiterer Glücksfall, denn hier versammelten sich die besten Musikpädagogen Österreichs, wenn nicht sogar ganz Europas. Als ersten Lehrer bekam Mathilde den Flötisten der Hofoper, Carl Hertlein zugeteilt.





Die heutige Elisabethstraße Nr. 1



Von ihm bekam sie Unterricht in Klavier- und Harmonie- lehre. Im Jahr 1875 absolvierte Mathilde die Mittelschule, danach wurde die weitere pianistische Ausbildung in die Hände von Julius Epstein gelegt.


Julius Epstein war ein österreichisch-ungarisch-jüdischer Pianist. In Zagreb geboren, war er Schüler des dortigen Chordirigenten Vatroslav Lichtenegger. In Wien studierte er Komposition bei Johann Rufinatscha und Klavier bei Anton Halm. Er debütierte 1852 und wurde bald einer der bekanntesten Pianisten und Klavierpädagogen Wiens. Von 1867 bis 1901 war er Professor am Konservatorium in Wien. Unter seinen Schülern waren neben Mathilde auch Ignaz Brüll, Marcella Sembrich und Gustav Mahler. Epstein gab unter anderem Beethovens Claviersonaten, Mendelssohns Sämmtliche Clavierwerke

and Schuberts Kritisch Durch- gesehene Gesammtausgabe

heraus. Seine beiden Töchter Rudolfine (Cellistin) und Eugénie (Violinistin) begaben sich 1876 - 1877 auf eine sehr erfolgreiche Tournee durch Deutschland und Österreich. Sein Sohn Richard (1869 - 1921) war ebenfalls Professor für Klavier am Wiener Konservatorium.

Noch war Mathilde als Privatschülerin bei Epstein, später würde sie mit Eintritt in das Konservatorium weiter bei ihm lernen.




Ihren Lehrer Julius Epstein verehrte sie und widmete ihm aus Dankbarkeit die später herausgegebenen 5 Klavierstücke

, die bei Gutmann veröffentlicht wurden.
Julius Epstein war es, der den Eltern Mathildes empfohlen hatte, ihre Tochter zu (Josef) Anton Bruckner (1824 – 1896) für den Unterricht in Kontrapunkt zu geben. Das Familien- budget des Vaters ließ genügend Spielraum, alle Lehrer privat zu engagieren. So kam es dann auch zu dem Zusammentreffen von Anton Bruckner und Mathilde Kralik in der Zeit zwischen 1875 bis 1876.

In dem von Bruckner als Notizbuch verwendeten Öster- reichischen Volks- und Wirtschaftskalender

des Jahres 1876 ist auf dem Maiblatt (11.) ein „Frl. Mathilde Kralik, Hütteldorf, Dornbacherstr. 2“ als Privatschülerin vermerkt. Der Unterricht wurde mit großer Wahrscheinlichkeit in der Wohnung Anton Bruckners, im Höhnehaus, Währinger Str.
42 gegeben. Bruckner war zu diesem Zeitpunkt 52
und Mathilde 19 Jahre alt.

In der Literatur wird über Bruckner berichtet, dass er zeitlebens auf der Suche nach einer Frau war. Vielen jungen Frauen schrieb er Briefe mit Heiratsanträgen, alle seine Bemühungen blieben jedoch ohne Erfolg. Er war kein schöner Mann und offensichtlich kein Typ wie Chopin oder Liszt, denen die Frauen nachliefen.

Ob Mathilde auch eine dieser auserwählten jungen Frauen war, die einen schriftlichen Heiratsantrag von Bruckner bekamen, ist aus Familiendokumenten nicht ersichtlich. Eine Frage ergibt sich allerdings zu der von Bruckner eingetragenen Adresse „Hütteldorf Dornbacherstr. 2“ für Mathilde. Ihre Eltern wohnten nicht dort.

Hatte Mathilde mit 19 Jahren schon ein eigenes Apparte- ment? Für ein so junges Fräulein zur damaligen Zeit wäre das eher ungewöhnlich. Kam der große Meister etwa in ihre Wohnung, um sie zu unterrichten? Wenn der Unter- richt bei ihm stattfinden sollte, macht die Adressein- tragung zusätzlich zum Namen in den Kalender jedenfalls nicht viel Sinn. Leider hatte Mathilde kurz vor ihrem Tod verfügt, private Briefe zu vernichten. Sollte ein solcher Brief von Bruckner dabei gewesen sein, hat sie dieses Wissen mit ins Grab genommen.




Dieses Bild von Mathilde ist im Mai 1875 aufgenommen worden, in der Zeit als sie bei Bruckner Privatunterricht nahm. (Josef) Anton Bruckner, ein österreichischer Komponist der Romantik, sowie Organist, wurde erst spät von seinen Zeitgenossen gewürdigt. Er zählt zu den wichtigsten und innovativsten Tonschöpfern, sowie Musikpädagogen seiner Zeit. Er gilt zudem als einer der größten Organisten der Musikgeschichte; seine Impro- visationen riefen viel Bewunderung hervor. Seine bedeutenden Kompositionen sind die großen Sinfonien, darunter drei große Messen und ein Te Deum.
Te Deum laudamus

, -Dich Gott loben wir-, wird auch als Ambrosianischer Lobgesang bezeichnet. Nach der Legende sollen die beiden vom Heiligen Geist Ergriffenen Augustinus und Ambrosius von Mailand gemeinsam diesen Gesang komponiert haben. Als Augustinus als Erwachsener zu Ostern 387 das Sakrament der Taufe empfing, soll Ambrosius diesen Hymnus angestimmt haben. Augustinus soll versweise darauf geantwortet haben. Kaiser Franz Joseph I. war von Bruckners Te Deum

so ergriffen, dass diese Komposition den Ausschlag für die Auszeichnung des Franz-Josef-Ordens

gegeben haben soll. Dieser Orden ist auf dem Foto von Anton Bruckner am Revers zu sehen.
Bruckners Hinwendung zu kirchlichen Themen in der Komposition war nicht ohne Einfluss auf Mathildes spätere Tonschöpfungen, ein großer Teil ihrer Werke hat reli- giösen Bezug, wie man aus dem im Anhang befindlichen Werkverzeichnis entnehmen kann. Ein komplettes Jahr lang erhielt Mathilde Unterricht bei Anton Bruckner. Diese Stunden waren so erfolgreich, dass Mathilde die Auf- nahmeprüfung für das Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien mit Bravour bestand, den ersten Jahrgang überspringen konnte und sofort in den zweiten Jahrgang aufgenommen wurde. Ihre Mutter Louise, Eduard Hauptmann, Carl Hertlein, Julius Epstein und Anton Bruckner hatten sie für das jetzt beginnende Musikstudium gut vorbereitet.
Wie sehr Mathilde ihren alten Lehrer Anton Bruckner verehrte, geht auch aus einem Brief vom 12. Oktober 1899 mit einer Spendenzusage für das Wiener Bruckner- Denkmal hervor. Darin teilen Mathilde und ihr Bruder Ludwig mit („…zwei Verehrern der Brucknerschen Muse…

“), dass jeder 50 Gulden für den Denkmalfonds beisteuern werde.

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Impressum

Texte: ISBN: 978-3-941404-02-1 erschienen im Acabus Verlag
Tag der Veröffentlichung: 06.05.2010

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