Dinge zu verkaufen, die niemand wirklich braucht, ist schon recht schwierig. Bekommt man aber auch hin. Klappt meist über den Preis. Die höchste Kunst des Verkaufens ist es aber, jemanden gegen seinen Willen zum Kauf von etwas zu überreden, das für ihn nutzlos oder schädlich ist. Wer es schafft, langlaufende Rentensparverträge an 80-jährige Teilzeitjobber, Kühlschränke an arktische Eskimos, Sonnenstudios in der Sahara oder buddhistische Gebetsmühlen in Saudi-Arabien dauerhaft erfolgreich und gewinnbringend zu verkaufen, ohne seinen Kopf zu verlieren, vor dem könnte man den Hut ziehen. Die besten Verkäufer sind daher auch jene, die es vermögen, einen potenziellen Käufer, also ein zufällig gewähltes Opfer, derart zu manipulieren und mittels einer perfiden Masche, die zugleich eine psychologisch geschickt austarierte und auf instinktiv erkannte Schwächen des Opfers abgestimmte Verkaufsstrategie ist, so umzudrehen, dass es, das Opferlamm, gegen seine ureigenen Interessen handelt und seinen Kopf in freudiger Erwartung auf den Richtblock legt. So muss verkauft werden, Freunde. Leider gibt es solche Verkäufer schon lange nicht mehr. Haben sich wohl zur Ruhe gesetzt oder sind in die Politik gewechselt. Heutzutage erregen viele Verkäufer eher Mitleid. Man ahnt, wie sie leiden. So dachte ich, als es an meiner Tür klingelte. Ein Vertreter in einem dunklen Anzug, zerknittertes Aussehen, weißgraue Haare, Typ Willy Loman aus Arthur Millers Sozialdrama. Last Exit Strukturvertrieb stand auf seiner faltigen Stirn geschrieben. Unsicherheit spiegelte sich in seinen müden Augen. Fluch des Vertriebs statt Image des Erfolgs, das man in provisionsorientierten Jobs stets ausstrahlen muss.
Eine Umfrage wolle er machen im Auftrag einer Firma mit einem wohlklingenden englischen Namen. Völlig unverbindlich, natürlich, was sonst. Seine erste Frage galt der Zahl der berufstätigen Personen in meinem Haushalt, übliche Einstiegsfrage, dann wird das Einkommen abgecheckt. Für wie viel Umsatz bist du gut?
„Schwachsinn“, entfuhr es mir, um den Typen abzubürsten und keinen Ansatzpunkt zu bieten. „Sie haben echt Nerven, mich hier aus der Arbeit zu reißen. Niemand will hier an der Haustür belästigt werden. Worum geht’s wirklich, Mann? Versicherungen? Kein Bedarf. Schicken Sie Ihr Angebot per Post. Da unten steht ein Briefkasten und darunter der Papierkorb, den sehen sie doch?“ Möchte wissen, wer dem Blödaffen die Haustür geöffnet hat, setzte ich in Gedanken hinzu. Ich hasse es, wenn aufdringliche Hausierer direkt vor meiner Tür aufschlagen, so als ob sie sie gleich den Fuß in die Tür stellen. Den hier hatte ich aus dem Konzept gebracht. Trat erstmal einen Schritt zurück, vielleicht auch vom Knoblauchdunst verunsichert. Hatte wohl sonst nur mit hilflosen Omis zu tun, denen er Abzock-Vermögenssparpläne, Telefonverträge, Versicherungen, Rheumadecken oder Wundermedizin andrehen oder die er handstreichartig übertölpeln konnte. Auch kluge Omis sind zu vertrauensselig, die können nicht anders. Ich dachte an Mutter, die auch immer zu nett gewesen war. Hätte er es doch gut sein lassen. Ließ aber nicht locker. Erkannte die Signale nicht.
Zwing dich, an etwas Schönes zu denken, dachte ich. Der Mann macht nur seinen Job, so wie alle. Lass sie nicht zu, die anderen Gedanken. „Bleib dir treu, trink Bürgerbräu“, murmelte ich vor mich hin, um mich zu beruhigen, um nicht aus der Rolle zu fallen …
„Wie bitte? Ähm, Sie brauchen sich nicht aufregen, es ist wirklich nur eine kurze Umfrage, dauert nur ein paar Minuten, wenn sie die erübrigen könnten, gäbe es gratis auch ein kleines Geschenk von unserer Firma. Ein nettes Geschenk, wird Ihrer Gattin oder Freundin gefallen.“
Ein nettes Geschenk, ja, das wäre es, dachte ich … „Für die Gattin oder Freundin“, echote ich spöttisch… Heute war Halloween, fiel mir jetzt ein. Süßes oder Saures.
Unwillkürlich tastete meine rechte Hand nach dem Stiel der schweren Spaltaxt, die in Griffweite neben meiner Wohnungstür lehnt. Ein angenehmes und beruhigendes Gefühl, den harten Holzstiel in der Hand zu spüren. Ich zwang meine rechte Hand in die Hosentasche zurück, als ich mir der reflexartigen Bewegung bewusst wurde. Daneben lag der Zimmermannshammer, fiel mir ein, und der Klappspaten, mit dem ich damals schon das Loch gegraben habe, über dem jetzt der Fliederbusch mehr schlecht als recht wächst, und in dem Flurregal nahe der Steckdose steht meine Lötstation. Der Lötkolben hat mir schon oft treue Dienste geleistet. Ich tue gern Dinge mit den eigenen Händen, auch Basteln und handwerkliche Sachen mag ich. Man muss äußerst vorsichtig mit dem Lötkolben umgehen, um sich nicht zu verbrennen und die richtigen Kontaktstellen zu treffen. Ich arbeite auch gern mit Lötzinn. Im Mittelalter hat man Leuten flüssiges Blei in den Mund gegossen, so grausam war man damals. Heute sind wir zivilisiert und aufgeklärt. Ich öffnete die Tür etwas weiter und seufzte leise. Der Mann wollte es nicht anders. „Na gut. Was soll’s. Vielleicht möchten Sie kurz hereinkommen? Kann ich Ihnen nen Tee anbieten? Immerhin ist heute ein Feiertag. Da soll man nett zu seinen Mitmenschen sein.“ Der gute Tee, ob er den zu schätzen wüsste? Vielleicht nahm er den feinen Bittermandelgeschmack gar nicht wahr. Taten ja nicht alle. Genetisch bedingt. Würde man sehen. Jetzt konnte ich schon wieder lächeln. Ich öffnete die Tür weiter und trat zur Seite.
Der Typ konnte sein Glück kaum fassen, nestelte verlegen an seiner Brille mit Drahtgestell, schnappte
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 09.01.2017
ISBN: 978-3-7396-9244-9
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For the brave souls