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Der Fremde vom Teufelsberg

Ein Gefühl der Ungewissheit nagt an mir. Seit einiger Zeit schon. Sicherlich war alles völliger Quatsch, lächerlich und absurd. Wenn wenigstens die Hälfte von dem stimmen würde, was mir dieser Penner da erzählt hatte, hätte er mich dann gehen lassen? Würde er riskieren, dass ich jemandem von meiner nächtlichen Begegnung erzähle oder einen enthüllenden Bericht im Internet veröffentliche? Nein, dann wäre er sicher nicht sorglos eingeschlafen, sondern hätte rechtzeitig gesagt: „Leider können wir dich nicht gehen lassen, Max. Tut mir leid, aber du weißt zu viel.“ So oder ähnlich hätten vermutlich die letzten Worte gelautet, die ich vor dem trockenen Knall einer direkt am Kopf aufgesetzten oder mit einem Schalldämpfer versehenen Pistole oder auch vor dem kurzen stechenden Schmerz vernommen hätte, den eine rasiermesserscharfe Klinge beim Eindringen in einen Brustkorb verursacht. Andererseits, wenn die Geschichte wahr wäre, wer würde mir schon glauben? Wer glaubt schon jemandem wie mir? Und doch bin ich seit jener Nacht nie wieder auf dem Teufelsberg gewesen.

 

***

 

Was mich als Erstes aufschrecken ließ, war ein halblautes Quietschen, wie es ein rostiges oder lange nicht geschmiertes Scharnier einer schweren Luke oder Metalltür erzeugt. Ich glaubte zuerst, mich verhört zu haben. Nein, das konnte nicht sein. Meine Wahrnehmung musste mir einen Streich gespielt haben, wie so oft, wenn ich nach einem langen stressigen Arbeitstag zuweilen dieses Klingeln oder diese monotone Musik zu hören glaube, die niemand außer mir hört. „There is always music in the air“, pflege ich dann zu sagen und überspiele so den kurzen Moment der Irritation mit einem scherzhaften Zitat aus einer meiner Lieblingsserien.

Doch offenbar war jetzt dieser Ton, der sich wie ein quietschendes Scharnier anhörte, keine Einbildung. Dann noch ein klirrendes Geräusch in der Dunkelheit, wie von einer umgestoßenen Glasflasche, nicht besonders laut, aber selbst für meine zivilisations- und verkehrslärmgeschädigten Ohren noch deutlich zu hören. Das gehörte ebenfalls nicht hierher, nicht an diesen Ort. Hier war ja niemand außer mir. Da war ich ziemlich sicher. Trotzdem klang es, als hätte jemand versehentlich eine leere Buddel mit dem Fuß umgestoßen. Deutlich zu hören, wie eine Flasche über den alten rissigen Betonfußboden rollte. Direkt vor meinen Füßen kam die Flasche zum Stillstand. Ich riskierte einen kurzen Blick nach unten: Irgendeine versiffte Schnapsflasche, natürlich leer, soweit man sehen konnte. Das Etikett war

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 26.01.2015
ISBN: 978-3-7368-7373-5

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