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Kapitel 1

Die ersten Begegnungen

 


„Nein, Mutter wie oft soll ich noch sagen, dass ich das nicht will. Ich bin viel zu jung und außerdem...“, fängt Nayan zu erklären an. „Nichts außerdem! Du hängst den ganzen Tag nur vor der Arbeit. Du musst doch mal zur Ruhe kommen, deswegen sollst du heiraten...“, unterbricht sie ihren Sohn bestimmend.
„Ich hab keine Zeit für die Liebe oder geschweige den für eine Ehe!“, entgegnet er. „Ist ja auch kein Wunder, wenn du den ganzen Tag vor deinem Schreibtisch hockst!“, beschwert sich seine Mutter. „Mama, versteh doch, warum sollte sich eine Frau in mich verlieben und mich heiraten wollen, wenn ich keine Zeit für sie finde?“, fragt er sie dann und dreht sich, im Flur des Hauses, zu seiner Mutter.
„Sei froh, dass ich dir keine auf die Nase binde, sonst wärst du schon längst unter der Haube; mein Freundchen!“, ist ihr einziger Kommentar dazu, nachdem sie ihn vorwurfsvoll betrachtet hat.

Sie wendet sich von ihm ab und geht die Treppen rauf. „Mama, was soll das? Block doch nicht gleich ab. Ich meine das ernst!“, läuft Nayan ihr hinter her. „Das tue ich nicht. Du bist einfach nur zu naiv um zu verstehen, dass dir eine Frau gut tun würde. Sie würde dich von deiner Arbeit etwas abhalten...“, beginnt sie dann. 
„Mutter, meine Arbeit ist mir wichtig. So eine Frau, die das schafft, möchte ich gerne kennen lernen.“, meint er scherzhaft. „Das ist nicht witzig, Nayan. Ich will doch nur, dass du glücklich bist!“, meint sie dann etwas leiser. „Das bin ich, Mutter, das bin ich!“, sagt er dann und schlingt seine Arme seitlich um sie und lehnt seinen Kopf an ihre Schulter.
„Ach, Nayan!“, seufzt sie dann und schmunzelt dabei.

„Mutter, mach dir keine Sorgen, ich brauche keine Frau um glücklich zu werden mir reicht meine...“, will er gerade anfangen. „Ja, ja, ich weiß...deine Arbeit! Nayan, genau das ist was mir Sorgen macht. Du bist schon quasi mit deinem Job verheiratet. Bald bist du echt bereit für die Psychiatrie!“, wirft sie ihm dann plötzlich vor. „Das stimmt doch gar nicht. Die Arbeit macht mir Spaß und sie bringt Geld!“, sagt er dann.
„Also bist du nur nach dem Geld her! Das hätte ich doch gleich wissen müssen...“, sagt sie dann leicht schockiert. „Was? Nein! Du drehst mir ja die Worte im Mund um!“, entgegnet er lächelnd und schaut seine Mutter an. „Ich hab einfach nur zu viel Angst davor, dass du dich zu sehr in deine Arbeit stürzt und dann nicht mehr weißt wo dir der Kopf steht“, meint seine Mutter betrübt.

„Ich glaube, du machst dir zu viele, unnötige Sorgen!“, sagt Nayan dann. „Na, ich hab auch meine Gründe. Was ist, wenn dir der Job gekündigt wird, wirst du dich dann aus dem Fenster stürzen?“, entgegnet sie ernst. „Das glaub ich nicht. Zum einem, bin ich einer der besten Männer in der Firma und zum anderem werde ich dann nicht den Tod suchen!“, erklärt er um seine Mutter zu beruhigen.
Das beruhigt sie zwar, aber dennoch hofft sie, dass eine Frau kommt die Nayans Leben etwas normalisiert...

 

Lange diskutieren die zwei nicht mehr. Nayan hat es eilig. Er will zur Arbeit. Er hasst es unpünktlich zu kommen. Aber klar, er gehört zu den Wichtigsten der Firma, wenn er nicht da war, war sicher die Hölle los. Aber daran denkt er besser nicht.

Auf seinem Weg zur Arbeit geht Nayan durch einen Park. Er müsste hier nicht lang gehen, er könnte auch um den Park herum gehen. Aber der Weg durch den Park ist um einiges einfacher und kürzer. Aber was für ihn wichtiger ist: hier ist es ruhiger als auf dem Weg an der Straße entlang. Nicht nur wegen der Autos, nein auch weil um diese Zeit wenig im Park los ist. Nur ein paar andere Passanten durchqueren Park um ebenfalls zur Arbeit zu kommen oder um Termine zu erreichen. Doch beachtet Nayan die Passanten um ihn herum nicht, er sieht sie nicht mal, denn sein Blick liegt wie jeden Morgen auf seinen Unterlagen. Er muss sicher sein, dass er gestern Abend noch alles fertig bekommen hat, was für heute fertig sein soll. Eh sein Chef ihm an die Decke geht. Am frühen Morgen kann er alles gebrauchen, aber sicher keinen griesgrämigen, alten Mann, der laut durch das ganze Haus schreit.

„Papiere fertig machen für die Show am Samstag. Check.
Models engagieren für die nächste Show, eventuell auf Kandidaten von Samstag zurück greifen können. Check...“, liest er leise vor sich hin und hackt seine imaginäre Checkliste ab.

Er macht das täglich. Immer wieder kann noch etwas hinzukommen, dass weiß er und ist deshalb froh, dass er andere Dinge immer griffbereit hat. Als Arbeiter einer großen Firma muss er auf alles gefasst sein.

 

„Mhhh, das mit engagieren ist sicher noch nicht ganz über die Bühne gebracht. Es werden sicher noch welche absagen. Als abgelistet kann ich den Punkt also noch nicht verbuchen.“, beginnt er wieder zu reden. Er flüstert mehr, als das man ihn klar und deutlich verstehen könnte.

Aber die Passanten die an ihm vorbei gehen sehen ihm verwirrt hinter her. Er hat kein Headset im Ohr, sodass er mit jemandem redet. Er redet tatsächlich mit sich selber. Das ist schon etwas ungewöhnlich. Jedenfalls für die anderen.

 

„Nächster Punkt...Pooja darum bitten, alle Telefonate die um die Show am Samstag gehen zu mir zu verbinden. Check. Das hab ich gestern noch gemacht, bevor ich nach Hause bin. Gut, dass Pooja auch immer so lange macht.“

 

Einige Meter entfernt sitzt eine für unsere Geschichte wichtige Person. Es ist eine junge Frau, die gerade telefoniert. Um wen es geht könnte man sich wahrscheinlich denken. Genau, es handelt sich um Madhoo.

Kommen wir also nun zu ihr und belauschen ihr Gespräch ein wenig...

 

„Kannst du das glauben?“, fragt sie ins Telefon. Sie wirkt sehr angespannt, fast sauer. Sie sieht im Park umher, als wolle sie einen Punkt suchen, der ihr hilft etwas hinunter zu kommen. Sich nicht zu sehr aufzuregen.„Klar, kann ich das...“, dringt eine männliche Stimme an ihr Ohr. „...du redest hier von unseren Eltern, auch ich wurde von ihnen aufgezogen.“

„Aber sie versuchen dich nicht zu verheiraten.“

„Könnte daran liegen, dass ich ja auch schon verliebt bin und meine zukünftige Frau nur noch ja sagen muss.“ Ihr Gesprächspartner lacht auf. „Ich denke es würde doch besser sein, wenn sie dich erst ein mal bemerkt.“

„Mhhh, nennen wir das dann Schritt Nummer eins, okay?“

 

Madhoo wollte nicht lachen, aber ihr Bruder schafft es immer sie zum Lachen zu bringen, obwohl sie gerade alles andere als gute Laune hat.„Und es ist dennoch unfair, dass du verschont wirst.“, versucht sie wieder auf ihr Problem zurück zu kommen und auch ihn wieder dazu zu animieren sich in ihre Lage zu versetzen. „Vielleicht habe ich noch ein paar Jahre. Ich bin schließlich jünger als du.“

„Mhh, Mama und Papa sind so...“

„...unfair? Das sagtest du schon.“

„Das wollte ich zwar nicht sagen, aber ja, es trifft zu.“ Sie atmet schwer aus.

 

Warum müssen ihre Eltern auch nur so versessen darauf sein, dass sie heiratet? Ja, okay sie ist Anfang dreißig, aber das ist kein Grund jemanden Männer vorzustellen und sie dann zu fragen wie sie sie fand. Oder es auf die typisch indische Art zu machen Männer nach Hause zu bestellen, Madhoo in einen schönen Sari zu stecken und dann das Essen bringen zu lassen während der Mann sie betrachtet und dann sagt was er von ihr hält. Madhoo ist zwar eine sehr ruhige und durchaus auch traditionelle Frau, aber sie lebt im 21 Jahrhundert. Und sie möchte auch so behandelt werden. Denn auch in Indien dürfen die Frauen inzwischen Männerberufe machen. Warum also sollte sie zur Hausfrau werden?

Na gut, dass ist jetzt vielleicht etwas zuvor gegriffen, denn sicher gibt es Männer die die Meinung und Wünsche einer Frau, oder gar zukünftigen Frau, akzeptieren und respektieren. Und dennoch. Madhoo will sich ihren Zukünftigen selber aussuchen. Sie will eine richtige Liebesgeschichte, so wie sie in Büchern steht. Vielleicht etwas realistischer und auch gern auf sie und ihr Leben abgestimmt.

Dank ihren Eltern kann sie dies aber sehr wahrscheinlich ad Acta legen.

 

„Mohan? Bist du noch dran?“, hat sie es selber geschafft aus ihren Gedanken zu kommen. Jetzt wundert sie sich jedoch, dass ihr Bruder nichts mehr sagt. „Ja und nein. Ich hab hier echt mächtig zu tun.“

„Oh, ich wollte dich nicht von deiner Arbeit abhalten.“

„Hast du auch nicht.“

„Gut, dann sag mir was ich machen soll.“

„Würde ich ja gern, aber ich müsste mal langsam weiter machen, mein Chef ruft schon nach mir.“

„Ist gut, dann hören wir wann anders wieder voneinander.“

 

Madhoo erhebt sich von ihrem Platz auf der Bank und steckt ihr Handy in die Hosentasche. Sie kann sich nur wenige Schritte von der Bank fortbewegen, als sie nicht weiter kommt. Sie läuft direkt in jemand den hinein. Ihre Schultern berühren sich.

 

Nach dieser Aktion fliegen dann Blätter und eine Akte zu Boden. Langsam weben sie gen Boden und lassen sich sanft vom Winde hin und her hinunter gleiten.

 

Madhoo nimmt ein Fluchen wahr, ein „Können Sie nicht besser aufpassen.“ und einen männlichen Duft. Aftershave. Eine kleine Note von Kokus und herbem männlichem Parfüm. Der Duft hängt angenehm in ihrer Nase, doch sie schüttelt die Gedanken an den guten Duft beiseite und geht in die Knie. „Es tut mir schrecklich leid.“

 

Nayan kann es nicht fassen, dann geht er schon durch den Park um schnell zur Arbeit zu gelangen und dann läuft auch noch jemand in ihn hinein. Können die Menschen heutzutage nicht besser aufpassen. Natürlich war es klar, da er ebenfalls nicht aufgesehen hat - aber ihn ja überhaupt keine Schuld trifft - dass seine Notzen sich nun auf dem Schotter unter ihm verteilt. Ausgerechnet hier auf dem kleinen Stück Schotterweg. Hätte es nicht zwei Meter weiter sein können? Wo der Beton weiter geht?

So beginnt die Woche wieder richtig gut.

 

Er nimmt nur schwach die leise Stimme der Person neben sich wahr, die sich zu entschuldigen versucht. Eine ruhige, samte Stimme dringt ihn für Sekunden an die Ohren. Komischer Weise lindert die Stimme für Sekunden seine Wut.Auch er bewegt sich hinunter zu Boden um seine Papiere aufzuheben, nachdem er erkennt, dass die Person sich hinunter kniet. Er erkennt lange schwarze Haare, die zu einem geflochtenem Zopf zusammen gebunden sind und auf einer der Schulterpatin der jungen Frau liegen.

 

Beim Aufsammeln der Blätter geschieht was geschehen muss. Die zwei greifen zum selben Blatt und ihre Hände berühren sich. Nur für kurze Zeit, für Sekunden. Dann hat Nayan das Blatt in der Hand und führt es zu seinen anderen Notizen.

 

Er steht wieder auf und auch Madhoo erhebt sich und gibt ihm die drei Blätter die sie zusammen gesucht hat. „Es tut mir nochmals schrecklich leid. Ich hab nicht hin gesehen, da ich mein Handy gerade...“, weiter kommt sie nicht, denn ihr Blick trifft direkt auf rehbraune Augen. Sie schimmern regelrecht, doch sie sind das einzige was gerade schimmert. Der Rest seines Gesichtes wirkt jedoch sehr ernst.

 

„Ist schon gut.“, beruhigt sich Nayan wieder. Er bekommt den Blick nicht von der Frau vor sich. Sie ist höchstens drei Jahre jünger als er. Ihre hellen braunen Augen sehen ihn entschuldigend an. „Danke, aber ich sollte weiter gehen sonst komm ich zu spät zur Arbeit.“, erklärt er dann. Er geht an ihr vorbei und läuft in Richtung des einen Parkausgangs.

 

Madhoo schaut dem Mann noch hinter her. Irgendwas hatte sie in seinen Augen gesehen, doch was es war konnte sie nicht beschreiben. Schließlich zuckte sie allerdings mit den Schultern und ging in die entgegengesetzte Richtung zum Parkausgang.

 

Und das war sie, die erste Begegnung unserer Protagonisten. Es wird nicht die einzige für diesen Tag gewesen sein. Vielleicht klang sie wie jede zweite Begegnung in irgendeiner Liebesgeschichte, aber dafür werden die nächsten zwei etwas anders verlaufen. Hoffen wirs...

 

 

Madhoo muss, außerhalb des Parks, nur noch eine Straße überqueren und dann einige Häuser entlang gehen um dann links auf einem recht großem Außengelände anzukommen.

 

Vorbei an den vielen gelben Autos marschiert sie zielstrebig auf ein recht kleines Haus, das nicht wirklich ein Wohnhaus ist. Es ist viel eher eine Auffangstation. Kann man das so nennen? Nicht wirklich, aber ihr fällt kein passenderes Wort ein.Auf das Haus geht sie zu, geht die wenigen Stufen hinauf und tritt durch eine Tür, die nicht abgeschlossen ist. Ist sie nie zu ihrem Arbeitsbeginn. In einem kleinem Flur, der nicht mehr Platz als vielleicht eine oder zwei weitere Personen gibt, bleibt sie kurz stehen. Sie überlegt ob sie zuerst gerade aus in das Zimmer gehen soll, oder doch direkt in das Zimmer auf ihrer linken Seite.

 

Gerade entscheidet sie sich für die linke Tür, als die Tür geradeaus aufspringt. „Mrs. Kapoor.“, ruft ihr Chef und sieht schließlich zu ihr. „Oh, Mrs. Gill. Sie sind zu spät.“, deutet er auf seine Armbanduhr. Er hätte das nicht tun müssen, sie weiß, dass er immer genau weiß wie spät es ist. Er ist da wirklich etwas... eigen.

„Es tut mir wirklich Leid, Mr. Kashyap.“, erklingt Madhoos reuevolle Stimme und sie ist kurz davor weiter zu reden, als ihr Chef mit der Hand abwinkt. „Schon gut, ich drücke nochmal ein Auge zu.“

 

Madhoo betrachtet sich den älteren Herren vor sich. Er ist etwas kleiner, als man sich eine Führungsperson für gewöhnlich vorstellt. Außerdem hat er, um es nett auszudrücken, mächtig Übergewicht. Was aber nicht heißt, dass er ein unattraktiver Mann ist, denn das ist er nicht. Zwar ist er auch nicht nach Madhoos Vorstellungen eines Traummannes, abgesehen, dass er auch nicht ihrem Altersschema entspricht, aber er ist dennoch gutaussehend für einen Mann seines Alters und seines Gewichtes.

 

In dem Moment öffnet sich die linke Tür und Madhoo versuchte ihre Gedanken über ihren Chef zu verschieben. Diese wurden gerade sehr konfus wie sie fest stellt.

 

„Ja?“, will eine junge Frau, vielleicht ein oder zwei Jahre jünger als Madhoo, gerade mit erhöhter Stimme wissen, als sie sieht, dass ihr Chef sich im Flur befindet. „Sie haben nach mir gerufen, Mr. Kashyap?“Mr. Kashyap sieht von Madhoo zur jungen Frau. „Ja habe ich, ich erwarte die letzten Fahrten von gestern in meinem Büro.“

„Alles klar, die sind so gut wie fertig.“, beginnt die junge Frau und wendet dann ihren Blick zu Madhoo. Ihr Gesicht erhellt sich Sekunden später. „Madhoo. Da bist du. Du bist zu spät, komm rein, ich gebe dir deinen heutigen Plan. Warum bist du so spät dran, du bis doch sonst nie so spät?“ Die junge Frau ergreift Madhhos Arm und zieht sie in den Raum aus dem sie gerade verschwunden ist und schließt direkt danach die Tür - ohne ihren Chef noch weiter zu beachten.

 

„Hey, Jia, freut mich auch dich zu sehen.“

„Ja, hey. Und nun erzähl, du kommst nie ohne Grund zu spät zur Arbeit.“ Ungeduldig nimmt Jia auf ihrem Schreibtischstuhl platz. Sie sieht hinauf zu Madhoo, diese setzt sich auf den kleinen Schreibtisch im Raum. „Ich bin heute morgen in jemanden hinein gelaufen.“

 

Madhoo klingt bei ihrer Aussage sehr abgekühlt, als sei nichts dabei gewesen. Und aus dem Grund sieht Jia sie nun unfassbar an. Aber woher soll diese auch schon wissen, was das für ein Zusammenstoß war?

 

„Und deswegen bist du zu spät? Das war alles, ein einfacher Zusammenstoß? Mit wem? Mit einer Frau, mit einem Mann? Weder noch?“

„Weder noch?“

„Kann ja sein, dass du gegen einen Baum gelaufen bist. Davon gibt es schließlich ein paar im Park. Bist du gegen einen Baum gelaufen? Hast du dir weh getan? Ich sehe keine Beule, keine Wunde. Ist alles okay?“

„Jia, komm runter. Es war ein Mann.“

„Ein...“ Jias Atem stockt für Sekunden, nachdem sie tief Luft einzieht. „Ein Mann?“, fragt sie dann.

 

Madhoo nickt und denkt an den Zusammenstoß zurück. „Es war ein Mann.“, bestätigt sie dann, nickt hinzufügend. Sie sieht zu Jia auf, die gerade den Mund öffnet um etwas zu sagen, ihn kurz darauf wieder schließt. Aber ihre Augen liegen weit geöffnet immer noch auf Madhoos Gesicht. Wieder öffnet sie den Mund, Sekunden danach schließt sie ihn wieder. „Was ist los, Jia?“, fragt Madhoo, fast schon besorgt. „Na, erzähl schon. Ich will Einzelheiten!“, platz es dann regelrecht aus Jia heraus. Sie rutscht ungeduldig auf ihrem Stuhl hin und her, als müsse sie die Damentoilette aufsuchen. Jedoch weiß Madhoo, dass das nur ein Anzeichen dafür ist, dass Jia neugierig ist und ihr am liebsten Einzelheit aus der Nase ziehen würde. Jetzt, Sofort. Ohne Erbahmen.

 

„Naja, was soll ich sagen, es war eine...“ Weiter kommt sie nicht, da springt die Tür, ohne Klopfen, auf.

 

„Mrs. Kapoor, ich...“, beginnt Mr. Kashyap eh sein Blick zu Madhoo wandert. Er zeiht die Augenbrauen hinunter, verengt seinen Blick. „Mrs. Gill, sie sind ja immer noch hier.“

 

Madhoo und Jia sehen zur Tür. Erst wollen beide zu einer Entschuldigung ansetzen, als sie neben ihrem Chef einen Mann, ihres Alters, erkennen.

Rahul Kashyap. Ein sehr gutaussehender Mann mit schwarzen Haaren, braunen Augen und einem Lächeln auf den Lippen.

 

Madhoo reagiert aber sehr schnell und steht vom Tisch auf. „Es tut mir leid, Mr. Kashyap, ich bin schon so gut wie raus.“ Sie sieht dann zu Jia. Diese jedoch sieht immer noch zu Rahul Kashyap. Madhoo schmunzelt und berührt dann ihre Schulter. „Ich brauch meinen Fahrplan.“

 

Jia schreckt aus ihrer Starre, ihre Wangen färben sich leicht rosa, während sie zum Schreibtisch dreht. „Ich hab sie hier.“, sie reicht die Papiere zu Madhoo hinauf und dreht sich dann zu ihrem Chef. „Und was wollten Sie, Mr. Kashyap?“

„Die Pläne liegen immer noch nicht bei mir.“

 

„Es sind doch nicht mal 10 Minuten vergangen.“, sieht Madhoo auf die Uhr, über der Eingangstür.

 

„Ich habe die Pläne in 10 Minuten. Und Sie...“, beginnt er, hebt den Finger und sieht zu Madhoo, die seinen Blick erwidert. Bei seiner Geste muss sich Madhoo zusammen reisen nicht zu lachen. Und sie weiß, dass es ihr da sicher nicht allein so geht. Sicher geht es Jia genauso. „Sie sollten besser anfangen.“

 

Ein Chef sollte dafür bekannt sein, dass er streng ist, dass er weiß wie man die Stimme hebt und seine Position gut vertritt. All das trifft sicher auf viele Chefs zu. Aber sicher nicht auf Mr. Kashyap. Nicht wegen seiner Figur, eher weil er alles andere als ein strenger Mensch ist. Und das weiß er selber. Er ist einfach zu gutmütig.

 

Nachdem ein leises Lachen zu vernehmen ist sieht Madhoo von ihrem Chef zu dessen Sohn. „Vater, wärst du doch wenigstens nur ein bisschen glaubwürdiger.“, schüttelt er den Kopf. „Die zwei werden deine Autorität sicher täglich in Frage stellen.“

 

„Sei nicht so gemein zu deinem Vater.“ Mr. Kashyap dreht sich zu seinem Sohn, dann zur Tür. „Und jetzt komm mit.“ Rahul Kashyap folgt seinem Vater und schließt die Tür hinter sich.

 

Madhoo sieht zu Jia. Diese starrt noch immer auf die Tür, ein verträumtes Lächeln aufgesetzt. Es ist sehr unschwer zu erkennen, dass Jia am Sohn ihres Chefs interessiert ist.

 

„Du solltest es ihm sagen, hörst du.“, erklingt Madhoos Stimme und bringt Jia dazu sich zu ihr zu wenden. „Was meinst du?“, fragt sie nun. „Na, deine Blicke eben waren wieder sehe dutlich. Ich weiß ja, dass du was von Rahul willst, aber du solltest es entweder weniger auffällig machen oder einfach mal die Wahrheit sagen.“

„Wieso?“

„Weil du ihn magst, weil du gut aussiehst.“

„Ach.“, winkt Jia mit der Hand ab, fährt sich dann mit den Fingern durch ihr langes, braunes Haar und wendet sich ab.

 

„Es stimmt. Glaub mir. Und wenn du ihm mal die Möglichkeit geben würdest dich zu beachten, dann denke ich hättest du ihn sehr schnell um den Finger gewickelt. Aber wenn du in seiner Nähe bist, dann bekommst du ja nicht mal ein Wort heraus. Und das schon seit dem du hier arbeitest. Wie lange ist das inzwischen? 4 Jahre?“

„5. Aber das hat doch nichts zur Sache. Ich mag ihn, ja okay, aber es ist nicht so, dass ich nichts sage, wenn er da ist.“

„Das stimmt. Nur du sagst es nie zu ihm. Du redest mit jedem, nur nicht mit ihm. Als ob du es meidest ihn anzusprechen, oder mit ihm zu reden.“

„Ach, anderes Thema. Mr. Kashyap hat uns in einem viel interessanterem Gespräch unterbrochen. Du wolltest von deinem Zusammenstoß erzählen.“

 

Madhoo sieht erneut auf die Uhr, über der Tür von Jais kleinem Bürozimmer. „Ich würde dir gerne alles erzählen, aber nicht jetzt. Ich komme in Verzug. Treffen wir uns heute Abend?“

Jia mustert Madhoo etwas ernst, nickt dann schließlich. „Okay, heute Abend. Und da will ich dann alles haarklein erzählt bekommen.“ Madhoo hat nicht wirklich mehr zu gehört, da sie aus der Tür tritt.

 

Aus dem Bürozimmer ihres Chef tritt Rahul Kashyap heraus, um wahrscheinlich wie sie das Gebäude zu verlassen. Madhoo lächelt kurz und geht dann hinaus. Gefolgt von Rahul.

 

„Madhoo?“, fragt er schließlich bevor sie zu ihrem heutigem Wagen kann. Sie dreht sich vorsichtig um. „Wie geht es dir?“

„Gut, danke. Und dir?“ Schlechter Smaltalk. Aber unbehaglich ist er nicht, dafür kennen sich Madhoo und Rahul inzwischen schon zu lange. Jedoch lächelt Rahul nun entschuldigend. „Du ich wollte dich fragen ob du schon eine Antwort auf mein letztes Angebot, bezühlich eines Essens zu zweit, hast?“ Madhoo räuspert sich kurz. „Es ist gerade echt schlecht, Rahul. Ein andern Mal vielleicht?“ Rahul nickt. Und Madhoo entfernt sich von ihm, mit einem recht flauem Gefühl im Magen.

 

An einem der vielen gelben Wagen bleibt sie stehen, steckt den Schlüssel, den sie immer dabei hat, hinein und öffnet ihn. Sie setzt sich auf die Fahrerseite, schaut erneut auf ihren Plan - zum Hauptbahnhof geht es heute - stöhnt wegen ihrer heutigen Route auf und steckt den Schlüssel ins Zündschloss. Ihr bleibt eigentlich kaum Zeit um über das Gespräch von eben nachzudenken und sie will es auch gar nicht. Somit dreht sie den Schlüssel um und fährt anschließend aus der Einfahrt. Um ihre Arbeit zu beginnen.

Ihre Arbeit als Taxifahrerin.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 04.08.2014

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