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Kapitel 1

 

Familiensituationen und -verhältnisse




In Amritsar erklingt gerade mitten in der Stadt ein Lied und in Mumbai erklingen genau die selben Töne aus der Innenstadt. Zwei zum verwechseln ähnliche Männer stehen auf einer aufgebauten Bühne und strecken die Hand in die Höhe um sie dann hinunter zu ziehen, als ob sie die Sonne hinunter holen wollen. Die Sonne, die mit ihrer vollen Bracht auf ihren Körper scheint und ihnen Schweißperlen die Stirn hinunter rinnen lässt. Beide tragen sie eine Sonnenbrille und ein Stirnband, ihr Haar fällt ihnen in Strähnen ins Gesicht. Ein zum dahin schmelzender Anblick, was die Mädchen nur bestätigen können. Doch die zwei Männer stehen nur aus einem Grund da oben, um ihr Herz der Frau aus zu schütten für welches es schlägt. Sie drehen sich zum Publikum und erhoffen sich einen Blick der Angebeteten zu erhaschen, dann beginnen sie zu singen:

Mansi und Esha, beide in anderen Städten, bleiben nun stehen, weil sie an den anderen nicht mehr vorbei kommen und blicken hinauf zur Bühne wo ein junger Mann steht und anscheinend die Leute unterhalten will.

Passend bewegen sich die Männer zur Musik, faszinierend blicken ihnen dabei alle zu. Esha überlegt, wo her sie diesen jungen Mann nur kennt, sie weiß sie hat ihn schon mal gesehen. Mansi hingegen versucht an den anderen vorbei zu kommen, der Kerl auf der Bühne kann ihr eigentlich relativ egal sein. Auch wenn sie merkt, dass er öfters zu ihr Blickt, was sie schon wundert. Warum sollte jemand auf sie schauen und dann noch ein Mann? Sie gibt sich geschlagen, die andern um sie herum tanzen und quetschen so sehr, dass sie stehen bleiben muss. Esha wartet nur darauf, dass der Typ auf der Bühne seine Sonnenbrille absetzt, sie verflucht sich manchmal selbst, dass sie so neugierig ist. Doch, als ob er ihre Gedanken lesen könnte, setzt er seine Sonnenbrille ab. Genau das hilft ihr, denn jetzt ist sie sich sicher, dass sie ihn kennt, er steht immer an einem der Gemüsestände an denen sie einkauft und blickt sie unauffällig an, was sie nicht übersieht. Die die Männer singen weiter...

Beide Männer stehen nun vor den Mädchen und blicken sie eine Zeit lang einfach an, Rehbraune Augen die einen in ihren Bann ziehen ohne das man es will. Eine einfache Gestehe und er pustet der Frau ihm gegenüber eine Strähne aus dem Gesicht zurück ins Haar. Esha findet dies nur zu süß und lächelt entzückt, Mansi hingegen verdreht die Augen. Fast jeden Tag erlebt es Esha, dass ihr ein Mann schöne Augen macht, doch auf diese Weise hat sie es auch noch nie erlebt, sie findet es echt süß. Mansi hingegen verschränkt die Arme vor der Brust und blickt den Mann vor ihr an, irgendwie kommt er ihr bekannt vor, aber weitere Gedanken will sie sich auch nicht darüber machen. Die Männer drehen den beiden nun den Rücken zu und gehen zurück auf die Bühne, dort tanzen sie weiter zur Musik. Bis es plötzlich zu regnen anfangt, und das bei einem solchen Wetter, zuerst Sonne und nun Regen. Doch die Männer stört es nicht, im Gegenteil, es ist eher passend, so singen sie weiter:

Nun sind kaum noch Personen da, die sich die Performance von dem Mann vor sich ansehen wollen. Die Männer haben keine Probleme im Regen zu tanzen, es befreit und auch Esha und Mansi fühlen sich im Regen wohl. Mansi breitet die Arme aus und dreht sich einmal, ihr ist egal ob sie beobachtet wird, Esha jedoch lacht vergnügt da ihr das Spiel des Regens Gefällt. Nun passen sich die Frauen dem Rhythmus des Liedes an und tanzen die letzten Sekunden mit.

Erst als die Männer erneut vor ihrer Angebeteten stehen bleiben, merkt man wie sich ihre Geschichten unterscheiden...


In Amritsar:


Shiv geht sich einmal mit der Hand durchs Haar - nachdem er sich sein Stirnband von der Stirn gezogen hat - Esha lacht immer noch über sich selbst. Anschließend reicht sie ihm ihre Hand: „Esha Khanna!“, stellt sie sich dann vor. Ohne lange zu zögern, ergreift Shiv ihre Hand und lächelt sie verschmitzt an: „Shiv Mathur... Doch für dich nur Shiv!“, erklärt er dann. Normal ist er total schüchtern und eher zurückhaltend, doch Esha löst etwas in ihm aus, dass ihm Selbstbewusstsein gibt. Und das obwohl er sich eh kaum Hoffnungen machen braucht, sie wird niemals etwas für ihn empfinden. Sie ist sicher viel zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt.

Nun kratzt er sich allerdings etwas verlegen am Hinterkopf, dieses selbstbewusste Gefühl hielt doch nicht all zu lange. „Was hat dich auf die Bühne getrieben? Ich mein, warum singst du über so etwas? Der Text war echt schön! Da will man doch glatt mehr erfahren...“, meint Esha, die Shivs Nervosität gar nicht mit bekommt. Ihre neugierige und quirlige Art überspielt jeglichen anderen Typen mit links, sie braucht den Mund nur zu öffnen und schon schlägt sie alles andere in den Hintergrund. „Du stellst viele Fragen, weißt du das? Da komme ich gar nicht hinter her!“, meint Shiv amüsiert. Esha lacht erneut, hält sich dieses Mal die Hand vor den Mund und blickt dann zu Shiv, der ihr Lachen mehr als schön findet.

„Es tut mir leid. Du musst wissen, dass ich ein sehr neugieriges Mädchen bin. Aber wenn mein Vater mich jetzt sehen würde, der würde mich sofort in mein Zimmer sperren und einschließen!“, meint sie nun. „Warum? Weil du dich nicht mit solchen Jungs wie mir sehen lassen darfst?“, fragt Shiv lächelnd, allerdings ist im innerlich gar nicht zum Lächeln zumute. „Ja und Nein. Er hat hohe Ansprüche. Außerdem möchte er nicht, dass ich so oft aus dem Haus gehe! Mir ist das beides allerdings egal. Ich lebe das Leben wie mir es gefällt!“
„Das ist eine gute Einstellung, meine Liebe...“, beginnt er, geht neben ihr entlang und verschränkt die Arme vor der Brust. „...Und was machst du am Liebsten?...“, fragt er nun, bleibt vor ihr stehen und blickt sie neugierig an. „Nein, warte. Lass mich raten! Lachen...“, meint er dann schmunzelnd und blickt ihr in die Augen.

Mit den Armen um den Körper geschlungen geht sie an ihm vorbei: „Du bist total verrückt. Ein verrückter, tanzender Kerl! Ja, selbstverständlich lache ich gerne warum auch nicht? Lache, denn die Welt ist zum lachen, das hast du selbst eben noch gesungen!“, lacht sie nun und blickt zur Seite, da Shiv wieder neben ihr her geht. Er nickt anerkennend: „Ja und ich meinte das auch so... Aber ich und verrückt? Ach was, ich bin ein ganz Lieber, glaub mir!“, meint Shiv nun und blickt zu Esha. Sie bleibt nun an einer Kreuzung stehen: „Du bist echt ein Süßer...“, beginnt sie und wuschelt ihm durchs Haar, wobei Shiv zwar lächelt danach allerdings sein Haare wieder richtet. „...Aber wir kennen uns kaum. Nein, eigentlich gar nicht!“, meint sie nun überlegend und kräuselt fragend die Stirn während sie den Kopf leicht an hebt. „So was kann man ändern... Wenn du möchtest, heißt das!?“, meint er und geht einen Schritt zurück um sich leicht zu verbeugen. Erneut lacht Esha, dieser Mann vor ihr ist echt ein komischer Kerl, mit einer lustigen Art. „Ich hätte nichts dagegen einzuwenden. Also...? Freunde?“, fragt sie und reicht ihm lächelnd die Hand. „Du willst echt mit mir... Freundschaft schließen?“, fragt er nun überrascht, damit hat er nun wirklich nicht gerechnet. „Ja, warum nicht. Du bist echt nett und vor allem witzig. Dich als Freund zu haben wäre doch mal etwas Abwechslung...“, entgegnet sie aufheiternd. Gerührt und geschmeichelt zu gleich senkt Shiv leicht seinen Blick, ergreift aber ihre Hand um die Freundschaft mit Freuden an zu nehmen. Sein Herz macht ihn fast verrückt, so schnell schlägt es, oder ist es eher die Frau vor ihm, die ihn verrückt macht? „Freunde!“, bestätigt er dann und blickt wieder zu ihr auf.

„Tut mir leid, aber ich muss jetzt auch schon wieder los... Meine Freundinnen warten und wenn ich nicht pünktlich zu Hause bin, glaube ich bin ich einen Kopf kürzer. Man sieht sich!“, meint sie dann entschuldigend. Shiv nickt einverstanden und eh er etwas sagen kann ist Esha auch schon hinter der Ecke verschwunden. Er grinst wie ein Honigkuchenpferd, nie hätte er gedacht, das Esha mit ihm reden würde. Und das sie Freundschaft schließen, naja er vergleicht es nicht mit Freundschaft, sie ist nicht seine Freundin, sondern seine Liebe. Doch bis sie so für ihn empfindet, muss schon ein Wunder geschehen...


In Mumbai:


Mansi bleibt nach den letzten Tönen stehen und lächelt leicht, sieht dann allerdings, dass der Mann, der eben noch gesungen und getanzt hat, nun vor ihr steht. Sie weicht zurück, schlingt die Arme um ihre nassen Kleider und geht weiter, nicht weiter auf ihn achtend. Aber Karan wäre nicht Karan, wenn er so schnell locker lassen würde, diese Chance, auf ein Gespräch mit ihr, wird er sich sicher nicht durch die Lappen gehen lassen. „Hey... Hey, warte doch mal...“, ruft er ihr nach, hebt die Hand und muss sich selbst verfluchen, da er ihren Namen nicht kennt. „Hörst du schlecht?... Ich hab gesagt, du sollst warten!“, meint er dann, lächelt dabei und sieht dann zu ihr, sie jedoch würdigt ihm keines Blickes. „Und ich bestehe darauf, dass du wieder zurück gehst und mich in Ruhe lässt...“, meint sie dann und geht einfach weiter, erhöht jedoch das Tempo.

Karan geht um sie herum und hält sie so am Weitergehen auf: „Du weißt nicht wer ich bin oder...?“, fragt er dann wissend, immer noch mit einem Lächeln. „Nein und ganz ehrlich, ich will es auch gar nicht wissen...“, meint sie dann, tritt einfach neben ihn vorbei und geht weiter. Damit hat er nicht gerechnet, dreht sich um und sieht ihr nach: „Hartnäckig und Dickköpfig... Wirklich anziehend!...“, flüstert er dann vor sich hin, schmunzelt und folgt ihr dann - schließlich war das eben noch kein Gespräch.

„Entschuldige bitte...“, läuft er nun neben ihr her, sieht sie fragend und mit einem Lächeln an. Mansi bleibt stehen, stemmt nun die Hände in die Hüften und sieht Karan genervt an: „Was willst du denn noch...?“, meint sie nun. Obwohl die zwei sich nicht kennen dutzen sie sich bereits, Karan achtet nicht darauf und Mansi ist gerade so genervt, dass ihr das sietzen entfallen ist. „Was bist du denn so kratzbürstig? Ich hab dir doch gar nichts getan... Du würdest anders reden, wenn du überhaupt eine Ahnung hättest, wer ich eigentlich bin!“, meint Karan nun und sieht Mansi an, als ob er wissen möchte, was in ihrem Kopf vor sich geht. „Na und wer bist du denn bitte, dass ich anscheinend auf Knien vor dir kriechen muss?“, fragt sie nun, sieht ihn angriffslustig an und wartet auf Antwort.
„Ich bin Karan...“

„Ach....“, beginnt Mansi einatmend: „...Und es gibt ja auch nur einen Karan auf der Erde, oder gar hier in Mumbai!“, schüttelt sie dann ironisch gemeint mit dem Kopf. „Nein, natürlich nicht. Aber dafür nur einen Karan Kapoor...“, meint er nun und sieht sie mit einem noch breiterem Grinsen an, als er es bereits zuvor getan hat. „Oh...“, macht Mansi plötzlich, verstummt dann und sieht Karan an, nicht überrascht oder gar, als würde ihr Verhalten ihr leid tun. Nein, aber so hat sie sich Karan Kapoor nun wirklich nicht vorgestellt, er ist so ganz anders als in ihren Vorstellungen. Es fehlt einiges, dass der Karan vor ihr mit dem Karan ihrer Vorstellung mit halten könnte. Zum einem müsste er auf jeden Fall größer sein, etwas hellere Haare, ein etwas reiferes Auftreten und auch anderes aussehen und vor allem müsste dieses ständige Grinsen aus seinem Gesicht verschwinden.

„'Oh'???... Mehr als das hast du dazu nicht zu sagen?...“, sieht Karan sie nun fast schon enttäuscht an, er hat jetzt echt gedacht sie würde deswegen vollkommen aus rasten, oder zu hyperventilieren anfangen. „Nein, was denn bitte auch groß?... Du bist kein Schauspieler oder sonst wer...“, meint sie dann nur und sieht ihn an, als ob er sie nicht mehr alle hätte. „Na, eben doch. Ich bin Karan Kapoor... Du weißt schon wer mein Vater ist oder?“, fragt er nun, er glaubt er verzweifelt bei dieser Frau - und das eh er sie richtig kennen gelernt hat, kaum zu glauben. „Ja, natürlich. Euch gehört hier fast alles, ihr habt zu bestimmen, wer was zu tun hat, bei wem eingekauft werden darf, wer nichts wert ist... Du ich hab eine menge Ahnung von dem du nicht mal etwas mit bekommst!“

Karan sieht Mansi entsetzt an, der hat gesessen auch wenn er nicht einmal wirklich versteht was genau sie nun damit sagen wollte. „Hey, entschuldige, ja!? Ich hatte nicht vor dich fertig zu machen... Ich dachte ich spreche dich einfach mal an. Du bist mir schon länger aufgefallen und eh ich mich gefragt hätte, was gewesen wäre, wenn wir uns nicht kennen gelernt hätten, dachte ich einfach mal, dass ich so etwas wie eine Bekanntschaft aufbauen könnte...“
„Ich glaub Denken bekommt dir nicht... Nichts für ungut, Karan, aber ich denke meine Bekanntschaft wirst du schneller bereuen als dir lieb ist...“, meint sie nun, sieht ihn entschuldigend an und geht dann einfach weiter. „Hey, warte... Darf ich wenigsten deinen Namen erfahren?“, ruft er ihr nach, als er enttäuscht hinter ihr her schaut. Sie dreht sich noch einmal um: „Mansi... Mansi Khan!...“

Karan sieht Mansi lange nach, eh er zu lächeln beginnt und hinauf zum Himmel sieht. Es regnet zwar nicht mehr so stark wie vorher, aber auch seine Sachen sind bereits durchnässt. Er hört jetzt schon seine Mutter die ihn besorgt mustern wird, ihm an die Stirn fassen wird und ihn sofort in sein Zimmer ins Bett schicken wird. Und morgen wird er mit einem Niesen aufwachen. So geht das immer. Er liebt den Regen zwar, doch immun war er noch nie dagegen. Ein letzter Blick hinter Mansi her und schon beginnt er wieder zu lächeln. Es wäre wenigstens ein Versuch wert ihre Bekanntschaft zu machen. Ja schon klar, er hat eben gerade ihre Bekanntschaft gemacht. Aber wenn ihr glaubt, dass reicht Karan, dann habt ihr euch geirrt. Er findet Mansi bereits jetzt mehr als nur anziehen. Ihre Art ist genau das auf was er steht. Mansi ist anders. Sie mag ihn offensichtlich nicht. Und Karan liebt Herausforderungen.

Mansi verschwendet keinen weiteren Gedanken an diesem komischen Kerl von eben. Sie hofft nur bald zu ihren Eltern zu kommen. Die warten sicher schon auf sie. Kaum kommt sie zu Hause an, muss sie feststellen, dass ihr Vater auf sie wartet. „Hallo, Schatz... Und was hast du heute verdient...“ Mansi beginnt zu lächeln, sie wusste ganz genau, dass ihr Vater sie das fragen würde. Sie kommt auf ihn zu, setzt sich zu ihm auf die Sessellehne und mustert ihn besorgt. „Nicht sehr viel...“, meint sie dann leise. „Was...“, hören die zwei dann die entsetzte Stimme ihrer Mutter. Nandini blickt nicht zu ihr auf, dafür ihr Vater, der seine Frau etwas unverständlich mustert. Dann sieht er beruhigend zu seiner Tochter zurück. Sie wissen beide was jetzt kommt. Und sie sollen recht behalten. „...Du bist fast den gesamten Tag außerhalb des Hauses und schafft es nicht mal ansatzweise Geld zu verdienen... Wegen dir gehen wir noch vor die Hunde, du weißt, dass es deinem Vater nicht gut geht. Du weißt, dass wir dieses Geld brauchen...“ Nandini sieht weiterhin entschuldigend und enttäuscht zu ihrem Vater. „Hör auf so mit meiner Tochter zu reden, Kaveri. Sie macht doch schon alles, beschwere dich beim Wetter und bei denen die dafür verantwortlich sind, dass wir Stadtverkäufer kaum Geld verdienen. Die hohen Rösser suchen sich ihre Stände und Arbeiter und lassen die anderen mit leeren Händen nach Hause kommen. Es ist nicht die Schuld deiner Tochter... weiß Gott nicht...“


Total in Gedanken und mit einem verträumten Lächeln geht wiederum Karan nach Hause. Er denkt, wie in der letzten Zeit häufiger, an Mansi. Er könnte den ganzen Tag an sie denken, Tagträume mit ihr haben und abends weiter von ihr träumen. Diese Frau hat in vollkommen gefesselt, seit dem er sie das erste Mal gesehen hat... Das war vor etwa mehr als zwei Jahren. Er war das erste Mal mit Erlaubnis seiner Eltern draußen. Er war zwar vorher auch schon mal außerhalb des Hauses, abgesehen davon, dass er zur Schule gehen musste. Aber das erste Mal war er ohne bedenken in dem Viertel in dem viele Einkaufstände standen, Basare und all die ganzen Sachen. Das war der Ort, der zeigte, dass man sich in Indien befand. Hier roch es nach Gewürzen, nach Kleidungsstoffen aller Art und es spielte Musik. Den ganzen Tag. Mansi war für ihn schon vom weiten zu hören. Sie schrie gerade einer ihrer Kunden an, der für ihre Äpfel - nur eines ihrer Obstsorten die sie verkaufte - nicht zahlen wollte, was sie verlangte. Sie warf schließlich, wie sie hinter dem Obststand hervor kam, dem Kunden einen Apfel hinter her und rief, dass er sich nie wieder blicken lassen sollte. Wie sie wirklich geworfen hatte, rieb sie sich die Hände aneinander und ging einige Schritte nach hinten, damit allerdings lief sie Karan direkt gegen die Brust. Der war amüsiert am Lachen, sie allerdings wurde deswegen nur sauer und machte in auch fertig. Ihm war das gleichgültig. Er hatte sich auf Anhieb in diese Schönheit verliebt...



Dieses Lächeln, auf seinen Lippen sehen auch seine Angestellten. Was heißt hier seine? Es sind eher die seiner Eltern. Es stehen einige am Eingangstor und betrachten Karan etwas verwirrt, öffnen ihm aber das Tor und meinen untertänig: „Einen schönen guten Tag, Herr Kapoor...“ Karan grinst weiter vor sich hin, wenn ihm keiner das Tor geöffnet hätte, er wäre prompt dagegen gelaufen. Im großen Eingangsaal geht er den langen Flur entlang, bemerkt kaum, dass alle Personen die an ihm vorbei gehen sich verbeugen. Das ist ihm egal, er gibt da keine Acht drauf. Seine Eltern haben sich sehr daran gewöhnt, vor allem sein Vater. Seiner Mutter ist das alles hier egal, ebenso wenig wie ihm. Für sie ist nur eines wichtig: Ihr geliebter Sohn. Nicht das sein Vater streng oder darauf bedacht ist auch von seinem Sohn so behandelt zu werden. Nein nicht im geringsten. Allerdings hat er es nicht anders gelernt, er ist der Sohn einer zu großen Familie. Diese Stadt steht schon seit über mehr als 50 Jahrzehnten unter den Regeln der Familie Kapoor...

Kaum ist Karan im großen Saal - es soll ein Zimmer sein, ein einfacher Raum, aber das ist er weiß Gott nicht - angekommen schon dreht sich alles ihm zu. Er wird begrüßt von allen ihm Raum, er jedoch geht auf seine Eltern zu, begrüßt netter Weise auch die anderen um ihn herum. Wie er dann endlich bei seinen Eltern angekommen ist geht das Treiben wie vorher weiter. „Hallo Vater... Mutter!“, meint er dann und sieht zuerst zu seinem Vater, dann zu seiner Mutter. Diese steht von ihrem großen Stuhl auf. Ja man könnte fast behaupten man ist in den alten Zeiten. Wo es noch wie bei den Königen diese großen Throne gab, auf den nur der König und die Königin platz zu nehmen vermochten. Sein Vater nickt ihm lächelnd zu und wendet sich dann an die Personen die mit ihm reden. Seine Mutter hingegen beginnt ihn zu mustern. Dieser typische mütterliche Blick, der aussagt, dass sie weiß das etwas nicht stimmt. Und sie scheint recht zu haben. Denn es ist nicht zu übersehen.

Seine Mutter steht von ihrem Stuhl auf, beachtet die aneinander gelegten Hände ihres Sohnes nicht, der sie mit dieser Geste begrüßt hat. Karan weiß genau was jetzt kommt, er hat es schon vorhergesehen. Seine Mutter bleibt direkt vor ihm stehen, hebt die Hand und fährt ihrem Sohn durch das nasse Haar. Ein strafender Blick in die Augen ihres Sohnes. Dieser verzieht keine Mine. Innerlich lacht er sich halb tot und singt sein Siegeslied. Seine Mutter lässt die Hand von seinen Haaren, fast ihm an die Stirn und legt dann die Hand erst auf die reche Wange und den Handrücken, dann an die linke Wange. „Ab in dein Zimmer... Warum musst du auch im Regen durch die Stadt gehen? Du hättest dich unter stellen sollen... Ich komme in wenigen Minuten nach und wenn du dann nicht unter deiner Decke liegst, dann werde ich mehr als sauer... Haben wir uns verstanden!?“

Ohne Widerspruch verschwindet Karan in sein Zimmer. Den Ausbruch seiner Mutter hat fast jeder, der in ihrem Umfeld stand, mit angehört. Karan jedoch schmunzelt sich einen. Er liebt seine Mutter über alles. Wirklich. Und deswegen kann er ihr auch nicht böse sein, weil er weiß, dass sie sich nur Sorgen macht. Und dennoch. Er ist keine 7 mehr. Er wird bald 28. Da liegen einige Jahre dazwischen, nein ein halbes Leben. Wenn nicht mehr. Aber er macht, was seine Mutter von ihm verlangt. Nach keinen 5 Minuten liegt er, umgezogen versteht sich, unter seiner Decke. Seine Nase ist rot und die ersten Anzeichen, dass er wirklich krank wird sind an seinen glasigen Augen zu erkennen. Ihm ging es vorher besser, eh er sich ins Bett gelegt hat. Er braucht auch gar nicht lange warten, da kommt seine Mutter in sein Zimmer. Sie hat eine Tasse in der Hand, aus der Dampf hervor steigt, in der anderen Hand hat sie ebenfalls etwas, was weiß er nicht. Es kann nichts großes sein, sonst könnte er es sehen. „Hier, etwas heiße Brühe... Trink die, aber nicht zu schnell... Sie ist wirklich heiß. Wenn du dir die Zunge verbrennen willst, dann spüle sie nur runter! Außerdem ist hier eine Tablette, die du morgen früh nehmen musst...“ Karan muss über den ironischen Witz seiner Mutter lachen, dass sie auch immer so sauer sein muss, wenn er nicht das macht, was sein Vater und seine Mutter von ihm wollen. Seine Mutter hingegen legt die Tablette auf seinen Nachttisch, neben dem Bett. „Hast du die Brühe gemacht?“, fragt er, wie er in die Tasse sieht und anschließend einen Schlug davon nimmt.

Seine Mutter kräuselt die Stirn: „Ja, klar... Denkst du, nur weil wir Angestellte haben, kann ich das denen über lassen? Also eine heiße Brühe bekomme ich noch hin!“, meint sie dann. Erneut muss Karan auflachen: „Das hab ich mir gedacht...“ Empört mustert seine Mutter ihn: „Was soll das denn heißen... Schmeckt dir nicht einmal mehr, was deine Mutter dir macht?“ Karan sieht zu seiner Mutter: „Im Gegenteil... Bei Angestellten muss man angst haben, dass sie dir was ins Getränkt tun...“ Nun hat er seine Mutter zum Lachen gebracht, vor allem weil beide ganz genau wissen, dass ihre Angestellten sich so etwas nie trauen würden. Es würde ihren Job kosten und wer weiß, was ihnen das alles außerhalb dessen Hauses bedeuten würde. Ein jeder kann sich glücklich schätzen für die Familie Kapoor zu arbeiten.

Keiner kennt die Familienverhältnisse der Kapoors wirklich. Nicht einmal die Angestellten bekommen alles mit. Außerhalb dieses Hauses (fast schon Palastes) kommen schon so seine Gerüchte auf. Herr Kapoor wäre streng, zynisch und würde den lieben langen Tag nichts anderes zu tun haben, als seine Angestellten anzuschreien, seine Frau zu schlagen und seinem Sohn nichts erlauben. Frau Kapoor wäre sehr streng mit ihrem Sohn, traut sich ihrem Mann nichts zu sagen und seie verbittert. Und Karan... Ja der ist in Augen aller ein kleiner arroganter und unhöflicher junger Mann. Wie falsch diese ganzen Unterstellungen sind! - nun gut, Karan ist etwas arrogant aber so wenig, dass es kaum einer zu spüren bekommt...

Karans Mutter streicht ihrem Sohn einmal durch das Haar: „Ihhh... Karan! Warum trocknest du dir nicht mal das Haar? Du solltest dich nicht nur umziehen und ins Bett legen...“ Karan sieht entschuldigend zu seiner Mutter hoch. „Aber das hast du doch gesagt!“, entgegnet er dann. Er muss sich innerlich wieder mal total zusammen reißen um nicht gleich zu lachen. Seine Mutter sieht ihn nun, den Kopf etwas schief gelegt, ungläubig an: „Du benimmst dich wie ein kleines Kind, Karan!“ Nun sieht Karan zu seiner Mutter, zieht dabei eine Augenbraue in die Höhe: „Ach! Und ich werde von euch ja auch so behandelt, oder? Für euch bin ich doch immer noch der kleine Karan, der immer nur Blödsinn macht....“ Seine Mutter lacht auf: „Den Blödsinn machst du heute immer noch...“ Nun erwidert Karan das Lachen ungewollt. „Ich lass dir gleich ein Handtuch holen, warte hier...“ Seine Mutter will gerade aufstehen, da ergreift Karan ihre Hand: „Lass gut sein Mama, ich hole mir das Handtuch selber, ich bin keine 6 mehr...“ Seine Mutter schüttelt mit dem Kopf, will ihm widersprechen, schließlich soll er doch im Bett bleiben.

Das Klopfen an der Zimmertür holt sie beide allerdings aus ihrem Gespräch. Karan sieht von einem erklärendem Blick fragend zu seiner Zimmertür. Seine Mutter erschreckt etwas und sieht, nachdem sie ihren Sohn klärend und warnend angesehen hat verwundert zur Tür. Allerdings tritt die Person, die weder hinein gebeten wurde noch Lust hatte vor der Tür Wurzeln zu schlagen einfach in den Raum. „Ich glaube ihr habt was vergessen...“, hebt Karans Vater ein weißes Handtuch in die Höhe und grinst breit, wie den anderen beiden vor Verwunderung die Augen weiter aufgehen. Karans Vater wusste schon immer was hier los war, warum die zwei immer wieder das selbe vergessen. Er wirft seinem Sohn das Handtuch entgegen, der den Griff an der Hand seiner Mutter löst um das Handtuch an sich zu nehmen. „Danke, Dad!“ Seine Mutter verpasst ihm einen Schlag an den Hinterkopf, sodass Karan zu seiner Mutter aufsieht - während er bereits dabei ist sich die Haare zu trocknen. „Was denn?“, will er dann unwissend wissen. „Wie oft noch, nenn deinen Vater nicht Dad!“

Karan seht zu seinem Vater: „Danke, Vater!“ Ein erneuter Schlag an den Hinterkopf bringt nun ihn und seinen Vater zum Lachen. „Lass ihn Priya! Der Junge macht das doch nur um dich zu ärgern...“ Karan lacht immer noch, sein Vater setzt sich nun zu ihm ans Bett. Seine Mutter hingegen sieht nun, mit verschränkten Armen, zwischen den beiden Männern hin und her. „Ich frag mich nur von wem er das hat...“, meint sie dann und mustert ihren Mann mit einem erklärendem Blick. Sie mag es nicht, dass Karan zu viel von ihrem Mann hat. Zum einen kann sie ihm deswegen nicht lange böse sein und zum anderen mag sie die meisten Eigenschaften.

„Okay, wolltet ihr nun eine Familienkonferenz starten?“, will nun Karan wissen, der seine Haare getrocknet hat. Zu mindestens weit gehend, allerdings liegen sie ihm dafür nun etwas wirr über dem Kopf. Und das ist etwas was er absolut nicht mag. Aber was solls, er ist zu Hause. Für wen also muss er gut aussehen? Sein Vater und seine Mutter sehen zu ihm, während seine Mutter die Arme sinken lässt und ihn fragend mustert beginnt sein Vater fast schon zu lachen. „Wäre die Gelegenheit, oder?“, schmunzelt er dann. „Aslam... Bitte! Was willst du denn schon groß mit uns besprechen...“ Karans Vater sieht zu seiner Frau: „Wer hat den angefangen... Dein Sohn hat gefragt und wer dumme Fragen stellt, bekommt auch ebenso dumme Antwort... Aber weißt du, Karan...“, wendet sich sein Vater nun zu diesem, nachdem er seine Frau gerade mal erklärt hat, dass er nicht Schuld ist. „...Weißt du, ich hasse es wenn sich die ganzen Leute da draußen nicht einig werden. Sie mögen es nicht wenn du einfach rein platzt, aber glaub mir mir ist das egal. Das könntest du echt öfters machen. Die nerven mich. Ich hab ihnen gesagt, sie sollen das regeln. Ich wette die schlagen sich die Köpfe da drüben ein...“ Karan schmunzelt. Egal was sein Vater sagt, er sagt es mit so viel Humor, dass man sich das Szenario schon vorstellen kann. Und dennoch überfällt ihn eine Welle der Empörtheit und der Fassungslosigkeit. „Vater...“, will er gerade anfangen. „....Auha!“, ist das einzige was er dann hinzufügt.

Erneut wendet sich Karan und auch sein Vater zu seiner Mutter. Diese rümpft nur die Nase: „Wer nicht hören und lernen will, der muss eben fühlen und die Hand der Mutter spüren...“ Karan und sein Vater sehen sich an, sehen dann erstaunt zu der Herrin im Haus hinauf. „Mutter...“, beginnt Karan, wird allerdings nur streng angesehen. Karan hebt lachend die Hände: „Mama, unglaublich... Das war echt toll gesagt!“, meint er dann. Karans Vater lacht nun, woraufhin Karan und dieser nur einen weiteren finsteren Blick seiner Mutter einkassieren dürfen, eh diese sich umdreht und das Zimmer verlässt. Lachend wenden sich die Männer wieder einander zu und Karan kann fortfahren...

„Warum lässt du die anderen entscheiden... Du bist der, der das Machtwort hat. Du könntest alles genauso machen, wie du willst. Und dennoch passiert hier in der Stadt gar nichts. Die haben hier Regeln aufgestellt die keiner versteht, die haben Gesetze entwickelt die keinen Sinn ergeben. Vater du wirst von allen gefürchtet...“ Karan wird unterbrochen. „Das ist auch gut so... Was würden die Bewohner in Mumbai denn machen, wenn sie wissen würden, dass ich gar nicht so streng bin wie sie denken?“ Karan schüttelt den Kopf: „Darum allein geht es nicht... Du weißt, dass dein Bruder, mein Onkel, das absolute Gegenteil von dir ist. Das da draußen sind alles deine Brüder. Und genau deswegen hat dein Vater auch dir den Platz überreicht. Ich denke Opa hatte seine Gründe, warum er wollte, dass du sein Nachfolger wirst... Sicher nicht dafür, dass die Stadt den Hunden vorgeworfen wird!“ Karans Vater sieht seinen Sohn erstaunt an: „Empfindest du das so?“ Karan schüttelt leicht den Kopf während er dennoch zustimmend den Kopf nickt. Es ist eine Geste die viel mehr aussagt, als ein Nicken oder ein Kopfschütteln.

Karans Vater steht auf, während Karan ihn interessiert mustert. „Wenn du es denn so sagst... Sag mal hast du nicht vor deinen Onkels Mal die Meinung zu sagen?“, lacht er dann auf. Karan muss zwar auch lachen, aber hebt die Hände in die Höhe: „Glaub mir, die würden nie auf mich hören. Die sind genau wie Mama... Die sehen mich sicher noch als den kleinen Karan an...“ Sein Vater schüttelt den Kopf: „Du bist schon lange kein kleiner Junge mehr... Du bist schon um Meilen weiter, als ich es in deinem Alter war!“, schlägt sein Vater ihm nun anerkennend auf die Schulter. „Danke Dad...“, meint Karan dann. Sieht seinem Vater hinter her, der gerade das Zimmer verlassen will. „Ähm, Papa...?“, beginnt er schließlich, denkt urplötzlich an die Begegnung mit Mansi. Würde es sein Vater dulden und verstehen, wenn er ihm nun von seiner Liebe erzählen würde? „Ja, mein Sohn?“, dreht sich sich sein Vater mit einem aufmunterndem Lächeln zu ihm um. „Ach schon okay... Ich wollte dir nur sagen, dass ich dich lieb habe!“ Sein Vater lacht nun herzhaft auf: „Das weiß ich doch...“, verlässt er schließlich kopfschüttelnd das Zimmer.


Nur weil der Alltag in dem großen Haus der Kapoors total friedlich abläuft heißt das nicht, dass dies außerhalb dieses Hauses auch der Fall ist. Es ist mehr das Gegenteil. Die Straßen sind befahren, die Gasen, Märkte und andere Wege sind überfüllt. Es herrscht hektisches Treiben. Aber was soll man groß anderes erwarten von einer Großstadt? Auch in den meisten Häusern dieser Stadt ist es alles andere als wie bei den Kapoors.

„Mansi... Nun sitz doch nicht den ganzen Tag hier rum und tu nichts...“ Mansis Mutter steht im Wohnzimmer, sieht hinunter zu ihrer Mutter. Ihr Vater sitzt immer noch da wo er auch schon gesessen hat, wie Mansi vor einigen Stunden nach Hause gekommen ist. Ihre Mutter hat gesehen, dass das Mädchen was zu tun hat. Aber ist ihr das genug? Nein, natürlich nicht. „Komm und mach das Abendessen... Ich schufte schon den ganzen Tag...“ Mansi sieht zu ihrer Mutter auf: „Ich rechne gerade das Einkommen aus, Mom... Du hast mich darum gebeten. Ich kann die Arbeit nicht liegen lassen... Ich bin müde, da ich seit mindesten 4 Uhr wach bin, weil ich euch das Frühstück mache, eh ich aus dem Haus gehe, ich wasche morgens die Wäsche, da du abends keine Lust mehr dazu hast... Entweder kann das Essen fünfzehn Minuten warten, oder aber du musst es machen...“, entgegnet Mansi. Ja, sie ist direkt - aber das hat sie von ihrer Mutter. Nur, dass ihre Mutter schlimmer ist. Diese kommt auf ihre Tochter zu, greift ihr ans Ohr und zieht sie vom Sofa auf. „Und ich sagte, du machst jetzt das Essen, haben wir uns verstanden? Wo sind wir denn hier... Ich rechne weiter, das kannst du doch eh nicht... Wenn du überhaupt rechnen kannst...“ Mansi presst die Zähne aufeinander, sodass ein knirschen zu hören ist. Der kurze Schmerz am Ohr entgeht ihr. Die Worte ihrer Mutter setzen viel mehr an. „...Ich kann wesentlich besser rechnen, als andere hier im Haus...“, flüstert sie so leise, dass es ihre Mutter nicht versteht. „Was hast du gesagt?“, wirft ihre Mutter ihr dennoch hinter her, da sie etwas leises wahrgenommen hat. Mansi dreht sich im Gehen um, falten die Hände flach aneinander und beugt sich leicht nach vorne: „Tut mir leid, Verehrteste Hausherrin... Das Essen wird nicht lange dauern, versprochen...“, erklärt sie dann, eh sie sich wieder umdreht: „...Wenn ich dein Essen nicht vergifte!“, flüstert sie erneut. Ja, Mansi ist gemein und ziemlich unerzogen. 'Genau, das geht bei so einem Vater ja auch gar nicht anders.' Das ist gewaltiger Bullschit. Mansi weiß nur was es heißt, von seiner eigenen Mutter behandelt zu werden als sei man nicht mal ein 'Ich hab dich Lieb, mein Kind' wert.

Unglaublich aber wahr, nicht jeder hat das was er sich erwünscht. Doch um einiges ruhiger geht es allerdings in einer anderen Stadt her...

Shiv wird erst wieder aus seinen Gedanken gerissen wie ein unhöflich Mann, der nicht daran denkt auszuweichen, ihm an der Schulter wieder ins Hier und Jetzt verfrachtet. Er hofft, dass er nicht zu lange in Gedanken war und blickt auf die Uhr, in mittelbarer Nähe. Die Stadtuhr zeigt an, dass er nicht mehr lange Zeit hat. Sein Vater wird ihm hoffentlich nicht den Kopf abreißen. Bei seinem Vater weiß man schließlich nie genau. „Nun, Shiv mein Junge... Spurte dich etwas, eh dein alter Herr mit seinen Schuhen nach dir wirft!“, spricht er mit sich selber. Und kaum, dass er das flüstert beginnt er auch schon sich in Bewegung zu setzen. Shiv war nie ein Mensch der unsportlich ist, im Gegenteil. Außerdem kennt er die Umgebung besser als seine Hosentaschen. Und genau aus dem Grund steht er keine 10 Minuten später an einem kleinen Stand, ohne außer Atem zu sein und lehnt sich an einen der Pfosten, der den Stand hält. „Da bin ich auch schon wieder...“

Ein etwas älterer Mann - markantes Gesicht, dunkle Haare, etwas mehr Gewicht als vielleicht nötig - mustert Shiv und beginnt zu schmunzeln. „Ja, das sehe ich... Du hast länger Pause gemacht, als dir erlaubt war, mein Sohn!“, meint er dann, sieht Shiv ernst an. Shiv sieht zu seinem Vater, versucht nun zu überlegen was er als Ausrede einwenden könnte. Doch ihm fällt nichts ein. „Papa, weißt du...“ Sein Vater zieht eine Augenbraue in die Höhe: „Ja, schon klar... Es hat geregnet, die Musik hat gespielt, du bist verliebt... Die alte Leier, schon klar. Durch die Masche ist ja schon dein Bruder durch!“ Shiv sieht von seinem Vater, der an dem Laden vorbei auf eine Person deutet die etwas weiter entfernt sitzt, zu seinem Bruder. Shiv lenkt den Blick nun auf zwei Personen die auf einem Holzfass sitzen und sich tief in die Augen sehen. „Hey, Abhi ist jünger als ich ja... Was willst du von ihm erwarten!?“ Sein Vater sieht wieder zu ihm zurück: „Ich kann dir sagen, was deine Mutter hätte jetzt gesagt, wenn sie noch am leben wäre... 'Sieh dir unseren Jungen nur an, Rakesh... Er hat in seiner Awani sicher die große Liebe gefunden'... bla, bla, bla... Du weißt ja wie deine Mutter war!“ Shiv sieht weiterhin auf seinen, drei Jahre, jüngeren Bruder. „Ja, ich weiß noch genau wie sie war...“ Er kommt schnell aus seinen Gedanken, er hasst es an seine Mutter zu denken, er hasst es dass diese schmerzenden Gefühle der Trauer wieder aufkommen. Er hasst es, dass seine Mutter nicht mehr hier ist. Er hat sie geliebt wie zuvor niemanden, okay außer seinen Vater und seinen kleinen Bruder. Der ist allerdings anders als er, ja eigentlich total anders. Aber Abhi hatte noch nie eine Freundin. Und diese Awani muss es ihm angetan haben, schließlich hocken die schon seit einigen Wochen - oder gar Monaten - nur noch zusammen und sind am turteln. Sollen sie mal. Shiv wünscht es seinem Bruder. Wenigstens hat er sich in jemanden verliebt der seiner Kaste angehört. Und nicht so wie er. Der sich dummer Weise in das reichste Mädchen der ganzen Stadt verguckt hat.

„Shiv... Shiv, komm aus deinen ständigen Tagträumen raus und mach für mich weiter... Ich glaub die Hitze bekommt mir nicht, ich muss mich setzen...“, meint sein Vater gequält. Wie Shiv die Stimme seines Vaters an die Ohren dringt schaut er zu ihm und vergisst für einen Augenblick, dass er doch vor kurzen noch mit seiner Herzdame Freundschaft geschlossen hat. „Setz dich hier hin, Vater... Ich mach weiter. Wie sonst auch!... Ich darf schuften und Abhi darf sich vergnügen...“ Sein Vater sieht zu seinem ältesten Sohn auf. Dieser allerdings lacht nur: „Komm schon Papa, das war ein Scherz... Wirklich ich mach das gerne, echt...“, beruhigt er dann seinen Vater, eh er sich gleich der ersten Kundin annimmt, die gerade vorbei kommt und am Stand stehen bleibt. Er verkauft ihr auch einen der Saris, nachdem er sie beraten hat. Er ist gut in so was, dass muss sogar sein Vater ihm lassen.

„Abhi... Hey, Kleiner, komm mal her!“ Abhi wendet den Blick von Awani zu Shiv, dann zurück zu ihr. „Entschuldige mich kurz, ja?“, meint er dann, lässt sie einverstanden aufstehen und steht dann selber auf. Er konnte nicht eher aufstehen, wenn sie auf seinem Schoß sitzt. „Wer ist hier der kleinere? Ich bin wesentlich größer ja?“ Abhi zieht eine Augenbraue in die Höhe und blickt zu seinem Bruder. Dieser allerdings winkt mit der Hand ab: „Ob größer oder kleiner ist hier unwichtig. Mir ist egal, was du da alles mit deiner kleinen Freundin anstellen willst. Aber tue mir den Gefallen und bring unseren Vater nach Hause, danach kommst du wieder und hilfst mir etwas, ich denke außerdem, dass ihre Eltern sie auch brauchen bei ihrer Arbeit... Und noch was, so weit sind eure Stände auch nicht voneinander entfernt ihr könnt euch ja vom weiten Luftküsse zu werfen...“ Shiv muss ungewollt zu lachen beginnen. Abhi hingegen findet das nicht besonders witzig und sieht seinen älteren Bruder etwas strafend an, der daraufhin nur weiter lachen kann...

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 18.05.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich all meinen Lesern, die mich begleitet haben, wie das Buch entstanden ist. Und die mich mit ihren Kommentaren unterstützt haben und dazu gebracht haben weiter zu schreiben. Ohne sie hätte ich wahrscheinlich dies mein erstes unbeendete Werk nennen können. Danke an euch.

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