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Um sie herum ertönte gekünsteltes Gelächter. Hin und wieder erkannte man auch ein Echtes, welches jedoch gleich wieder im Keim erstickt wurde. Es galt als unhöflich, unreif. Die reich geschmückten und parfümierten Damen standen, mit ihren Fächern wedelnd, am Rande der Tanzfläche und hofften verzweifelt auf einen reichen Herrn, der sie zum Tanzen aufforderte. Ihre Juwelen funkelten im Licht der Kerzen, ihre feurigen Blicke schweiften umher, ihre Wangen waren vor Hitze gerötet.

Etwas neidisch betrachtete und beobachtete Linnéa sie. Sie wäre gerne beim Beobachten geblieben, doch neben ihr räusperte sich jemand vernehmlich. Hastig wandte sie den Kopf in diese Richtung. Ein Herr, wohl so alt wie ihr Vater, verbeugte sich leicht und bat sie um den nächsten Tanz. Eigentlich durfte man es nicht bitten nennen, da sein Ton keine Widerrede erlaubte. Unter anderen Umständen hätte sie ihm wohl eine eiskalte Abfuhr erteilt, doch an einem so wichtigen Abend musste sie sich von der besten Seite zeigen. Also nickte sie nur knapp und reichte ihm die Hand.

Auf der Tanzfläche wiegten sich schon ein paar wenige im Takt, tanzen, ist davon weit entfernt. Die Feste, auf die Linnéa normalerweise ging, waren voller Kinderlachen, lauter Musik, herum wirbelnden Paaren, fröhlicher Gesichter und ausgelassener Stimmung. Das schöne Volk wusste wie man Feste feierte, allerdings blieben diese den meisten Menschen verborgen. Der alte Herr sah es wohl als seine Pflicht, eine Konversation in Gang zu bringen. „Wenn ich anmerken darf, Miss, Sie sehen wunderschön aus.“

Linnéa rang sich mühsam ein Lächeln ab. „Vielen Dank, mein Herr.“
Der buschige Schnurrbart des Mannes bewegte sich, ein Grunzen ertönte. „Ich bin der berüchtigte Earl Geoffrey von Greenlake, meine Teure. Meine bescheidene Burg liegt etwa eine Tagesreise von hier entfernt, vielleicht haben Sie schon einmal von mir gehört. Und mit wem habe ich es zu tun?“
Seine Stimme klang scharrend. Wieder verglich sie die Elfen mit den Menschen. Dann schlich sich ein Lächeln auf ihr Gesicht, sie deutete einen Knicks an. „Ich bin Linnéa von den Nebelwäldern. Gesandte des schönen Volkes und Tochter des Königs Athanasius. Sehr erfreut.“

Wie erwartet warf diese Eröffnung den Earl aus dem Konzept. Er räusperte sich noch einmal, ließ ihre Hände los und versuchte sich wieder zu fassen. Die Elfen lebten sehr zurückgezogen, es existierte nur ein einziges Bild einer Elfe in der Menschenwelt, und das war auch noch viele Jahrzehnte alt. Das Bild entstand aus einer verhängnisvollen Begegnung von einer Elfe und einem Menschen. Der Mann war auf einer Jagd, als ihn die Stimme der Elfe auf eine Waldlichtung lockte. Als die Elfe ihn bemerkte, floh sie und hinterließ keine Spur. Danach entbrannte eine wilde Jagdlust. Jeder wollte die fremden Geschöpfe zuerst aufspüren. Nach einer Weile flaute dies aber endlich ab. Die Elfen waren tief in den Nebelwäldern versteckt und die Menschen gedachten ihrer nur noch in Liedern, Märchen und Sagen. Bis vor wenigen Monaten war es jedenfalls einmal so gewesen.

Der Earl musterte sie. Doch er würde nicht finden, was er suchte. Linnéa sah dem schönen Volk nicht ähnlich. Ihre Ohren waren zwar länglich, aber nicht spitz zulaufend und ihre Haut hatte nicht den kühlen, zarten Blauton der Elfen. Und doch stach sie aus der Menschenmenge heraus. Ihre Augen strahlten in einem auffallend dunklen und intensiven Grün, wie das Laub der Nebelwälder im Sommerlicht, ihre weiche, volle Haarpracht fielen in rabenschwarzen Locken herab, auch wenn sie sie heute Nacht unter einer Kappe verstecken musste. Die Haut hatte diese vornehme Blässe, wie sie Adelige so gerne sahen, ihre Finger waren zart und schlank, ihre Statur wirkte zierlich und zerbrechlich. Die meisten Edelmänner würden ihre liebliche Stimme und ihre von Natur aus roten und vollen Lippen schätzen, wenn Linnéa sich dafür interessieren würde. Die Züge der Elfen waren dagegen nur zu erahnen, man hatte immer das Gefühl, dass ihre Gedanken und Gefühle auf ihrem Gesicht Schatten warfen und nur die Augen stachen aus den Gesichtern heraus…

Als Linnéa aus ihren Gedanken aufschreckte, hatte Earl Geoffrey schon wieder ihre Hände gefasst und drehte mit ihr ein paar langsame Runden. Sie senkte den Blick und hoffte, er würde sie in Ruhe lassen. Doch schon bald versuchte er wieder ein Gespräch anzufangen.
„Sie sind also Prinzessin Linnéa… ich hatte immer erwartet, dass die Tochter des Elfenkönigs auch von elfischem Geblüt ist.“
Als sie nichts erwiderte, redete er einfach weiter. „Ist Ihre Mutter ein Mensch? Verzeiht, falls ich Euch mit dieser Frage zu nahe trete. Aber mich treibt die Neugierde."
Das Lied war zu Ende. „Es hat mich äußerst erfreut Eure Bekanntschaft zu machen, mein Herr. Einen schönen Abend noch.“

Linnéa entzog ihm ihre Hand und schritt von dannen. Ihre Füße schmerzten in den unsäglichen Schuhen, ihr dröhnte der Kopf. Fast fluchtartig verließ sie den Ballsaal durch eine offen stehende Tür, die zum Garten hin führte. Die kalte Luft kühlte ihre Wangen, die Bäume und Sträucher flüsterten im Wind. Vor ihr floss gemächlich ein künstlich angelegtes Bächlein. Wie konnte man nur so sterile Gärten der wahren Natur vorziehen? Aber hier draußen fühlte Linnéa sich wesentlich wohler. Genervt zog sie die dämliche Kopfbedeckung ab und ließ den Wind ihre Locken herumwirbeln. Von wegen, mit diesem Gewand und der Kappe wirst du einfach bezaubernd aussehen, Linnéa! Wo ist Nenad jetzt? Jedenfalls steckt er nicht in einem Korsett, das ihm die Luft abschnürt, oder in einem Zentnerschweren Kleid, oder in diesen engen Schuhen. Diese Menschenmode hatte Linnéa noch nie zugesagt. Sie liebte leichte fließende Gewänder, die man kaum auf der Haut spürt, und Schuhe trug sie in den Wäldern nie. Das Moos und das Laub dämpften und federten jeden Schritt ab. Und wieso, um aller Welt willen, musste man sich diese Kappen aufsetzen?
Sie schlüpfte schnell aus ihren Schuhen und lief etwas über das feuchte Gras. Über ihr leuchteten die Sterne und ein wunderschöner Mond.

Mondlicht. Es konnte die Welt so verändern. Jede Frau konnte im fahlen Mondschein verführerisch wirken, aus Schatten konnten gefährliche Monster werden und leuchtend bunte Blumen wurden in schlichte Grautöne gehüllt. Manchmal träumte Linnéa davon im Mondlicht zu tanzen, bis sie immer höher in Richtung Sterne schwebte, tanzend im bleichen Schein des Mondes.

„Mondprinzessin, verliere dich nicht in den Sternen, sonst entgehen dir die strahlenden Lichter der Erde.“, hatte Nenad ihr einmal ins Ohr geflüstert, als sie nachts den Mond ansah. Er hatte dabei auf die goldenen Lichter gedeutet, die um den See, an dem sie standen, schwebten. „Leuchtkäfer. Am Tage würdigt keiner sie eines Blickes. Vielleicht verstecken sie sich tagsüber auch nur, um sich der grellen Sonne nicht stellen zu müssen? Aber die Nächte gehören ihren leuchtenden Tänzen.“
Nenad hatte viele schlaue Gedanken. Er gehörte zu dem weisen Rat der Elfen. Auch wenn er der Jüngste in den Versammlungen war.
„Kleine Mondprinzessin, willst du schon wieder gehen?“, flüsterte ihr auf einmal eine vertraute Stimme ins Ohr. Erschrocken drehte Linnéa sich um. Nenad trug einen langen Umhang, der sein elfisches Gesicht verdeckte. Er durfte gar nicht hier sein. Kein Angehöriger des schönen Volkes, abgesehen von ihr, durfte die Grenze der Nebelwälder überschreiten. Und trotzdem war sie erleichtert ihn zu sehen.

„Was tust du hier, wenn die das erfahren, bringen sie dich um!“, zischte sie aber stattdessen verärgert. Doch er lachte nur. „Wie sollen sie es je merken, wenn sie sich doch nie auch nur in die Nähe der Grenze wagen? Außerdem…“, fügte er hinzu „…musste ich dich vor deiner Hochzeit noch einmal sehen. Du musst das nicht tun. Ich werde mit König Athanasius reden, das ist doch die reinste Zumutung!“ Er nahm vorsichtig ihre Hände in seine. Sie sah ihm in die grauen Augen, welche mit lauter goldenen Sprenkeln um die Pupille verziert waren. Diese außergewöhnlichen Augenfarben haben nur Elfen. Nicht selten beneidete Linnéa sie darum. Nenad hob ihr Kinn an. „Ich hasse diesen Prinzen schon jetzt. Wie kann man von dir verlangen in einem Schloss eingesperrt zu leben, wo du doch vorher nur die Freiheit der Wälder kanntest? Oder dich wie diese Menschen kleiden und jede Erinnerung an deine Heimat verbieten! Nicht einmal deine Haare darfst du offen tragen.“ Er schnappte sich eine Locke und ringelte sie um seinen Finger. Es sah so aus, als wollte er noch etwas sagen, aber es blieb still. Doch damit wollte Linnéa sich nicht zufrieden geben, es war womöglich das letzte Mal, dass sie sich sahen.
„Nenad, ich…“, fing sie an, doch dann dachte sie daran, dass ihre Worte den Abschied nur noch schwerer machen würden. „Ich wünsche dir alles Gute.

Wenn du und die anderen eines Tages getrost unter Menschen gehen könnt, hat diese Ehe ja schon sehr viel bewirkt. Ich werde die Nebelwälder nicht umsonst verlassen haben. Und deine Kinder werden vielleicht in ein paar Jahren mit den meinen spielen können, auch wenn sie einen Menschen als Vater haben werden und deine, wie du selbst, dem schönen Volk angehören. Möge die Göttin dich beschützen, Nenard“
Sie wandte sich ab, damit er das Glitzern in ihren Augen nicht bemerkte. Nicht mal sie konnte nicht immer stark sein und still das tun, was von ihr verlangt wird.

Allein von der Vorstellung, Kinder mit diesem Prinzen zu haben, liefen ihr eiskalte Schauer über den Rücken. Und dann der Gedanke, dass Nenad auch ohne sie glücklich werden könnte, sie vielleicht vergessen würde, entfachte in ihr Panik.
Aber das war die Abmachung, Linnéa hatte sich freiwillig darauf eingelassen. Sie wollte nur noch schnell zurück in ihr Gemach in diesem düsteren Schloss, das seit kurzem ihr Zuhause war.
„Linnéa, warte! Bitte.“ Sie drehte sich nicht um.


Unter einer Kapuze verbarg er sein Gesicht. Um ihn herum herrschte emsige Betriebsamkeit. Das Fest wurde vorbereitet. Verächtlich zuckten seine Mundwinkel. Wie sie sich freuten! Ganz so als ob diese Hochzeit das Ende des Versteckens und der Angst bedeuten würden. Als ob diese Vereinigung zwischen Menschen und Elfen nicht das Auslöschen einer der beiden Arten bedeuten würde. Als ob Linnéa selbst es so gewollt hätte...
Ein ganzes Jahr liegt inzwischen ihr letztes Treffen auf ihrer Verlobungsfeier zurück. Eine relativ kurze Verlobungszeit, selbst in Anbetracht der Umstände. Die Welt machte einfach weiter wie bisher, ließ zarte grüne Blätter und hellrosa Blüten an kahlen Ästen sprießen und erwachte nach und nach aus ihrem alljährlichen Winterschlaf. Sie wuchs weiter und schien unverändert. Doch er hatte sich verändert. Äußerlich änderte sich nur seine Größe und Statur, aber innerlich trennten ihn Welten von dem jüngstem Ratsmitglied, welches er einmal war. Unterdrückte Wut und Trauer hatten ihn gezeichnet, ihn vergessen lassen, was ihm früher einmal wichtig war. Er hatte nur noch sein Ziel vor Augen und das, würde er um jeden Preis erreichen.

Er lehnte sich selbstgefällig an einen Baumstamm und hatte so die gesamte Elfenlichtung im Blick. Welch ein malerischer Anblick. Lauter schlanke atemberaubend schöne Gestalten, Frauen mit offenen silberhellen- oder rabenschwarzen Haaren, die bis zur Taille hinab fielen. Männer mit stählernen Armmuskeln, die sich aber trotzdem ebenso elegant und graziös fortbewegten wie die Frauen. Und dann natürlich die wundersame Haut der Elfen, die noch niemand, weder Mensch noch Elf richtig wiedergeben konnten. Schon das Beschreiben ist eine Kunst. Linnéa hat es gekonnt. Wie eifersüchtig sie immer auf sein elfisches Aussehen war! Bei diesem Gedanken musste er lächeln. Sie war schon als Kind dickköpfig, aber äußerst liebenswert. Immer hatte sie Recht haben müssen. Ständig wollte sie bestimmen. Und wie oft hatte sie, in Gedanken versunken, seine Haut betrachtet. Seine bläuliche, hauchdünne Haut, so hart wie Diamant. So dünn, dass sie die Seele der Elfen durchschimmern ließ.

Langsam schob er seinen Ärmel zurück und betrachtete die silbernen Schatten, die wirbelnden Leuchtflecken, die sich überall unter der Haut so deutlich abzeichneten, dass sie die Gesichtszüge der Elfen kaum erkennbar machten. Elfen wurden schließlich nicht umsonst das „schöne Volk“ genannt …
Was sie jetzt wohl gerade tat? Ließ sie ihr Brautkleid nähen? Gab sie letzte Anweisungen für das Fest? Dass sie überhaupt dieser Verlobung zugestimmt hatte, war ein schieres Wunder. Sie hatte nie irgendein Interesse an Politik gezeigt, sie kümmerte sich mehr um die Kultur und die Traditionen der Elfen. Vor allem für die Vorbereitung der heiligsten Zeremonie in ihrem Glauben, dem sogenannten Frühlingslied, war sie verantwortlich. Und nun sollte es ohne sie stattfinden. Oder noch schlimmer, sogar zeitgleich mit ihrer Hochzeit.

Er bemerkte den Schatten zwischen den Bäumen kaum. Zuerst beachtete er ihn auch nicht weiter. Erst als er immer näher zu kommen schien, schalteten sich seine sieben Sinne wieder ruckartig ein. Während er angestrengt versuchte, den Schatten zu identifizieren, wanderte seine Hand unter seinem Mantel und ertasteten das Heft seines Schwertes.
„Misstraut Ihr mir etwa, Söhnchen? Ihr könnt nicht vergessen, außer eure eigenen Fehler. Davor verschließt ihr immer eure Augen. Vor der Wahrheit. Ach, ihr wart schon immer so eigenartig, ihr alle, Schattengesichter...“, flüsterte eine weibliche Stimme im Schutz der Bäume. „Dabei sind wir doch alle gleich, alles Kinder der Magie.“
Obwohl ihm bei dieser Stimme noch immer ein Schauer über den Rücken lief, entspannte er sich ein wenig. Leise und unbemerkt schlich er sich von der Elfenlichtung fort, hinein in den dunkelsten Teil der Nebelwälder. Wohl wissend, dass der Schatten ihm folgte, suchte er sich zielstrebig einen Weg durchs wilde Dickicht. Irgendwann blieb er stehen.

„Habt Ihr Eure Schwestern versammelt?“, er drehte sich bei dieser Frage nicht um. Der Schatten trat ins Licht. Flammenrote Haare loderten auf, doch das war bei weitem nicht das Ungewöhnlichste an dieser Gestalt. Die Iris war schwarz wie Kohle, sie hob sich nicht im geringsten von der Pupille ab, falls dieses Wesen überhaupt eine Pupille besaß. Die Haut hatte eine gräuliche Verfärbung, wie weiße Asche. Die Lippen sahen aus wie mit frischem Blut bemalt. Ebenso blutunterlaufen wirkten die Augenringe.
„Ja. Wir Hexen sind zusammengekommen um den Feind zu stürzen und um Gnade winseln zu hören. Wir werden kein Erbarmen zeigen.“ Die Anführerin der Hexen, Rawiya, lächelte boshaft. Sie wirkte grauenerregend und trotzdem auf eine verdrehte Weise anziehend, wie ein Todesengel. Nenad schauderte. Es hatte seine Gründe, dass Elfen die Hexen mieden. Doch das war jetzt nicht wichtig. An erster Stelle stand das Ziel, das durfte er nie vergessen.

„Und Ihr, habt Ihr sie?“, durchschnitt Rawiyas rauchige Stimme die Stille. Sie war ungeduldig. Verständlich, für sie stand mindestens genauso viel auf dem Spiel wie für ihn. Würden sie verlieren, wäre sie die längste Zeit Anführerin gewesen. Wieder betrachtete er seine Haut. Wieder brach die Erinnerung an seine geliebte Linnéa hervor. Ihre Augen, ihre wunderschönen Augen und ihre klangvolle sanfte Stimme... „Nenad? Ohne sie werden wir Euch nicht helfen. Das wisst Ihr“ „Ich weiß.“ er lachte ein freudloses Lachen. „Ich hab sie“
Rawiyas Augen glänzten vor Neugier.

Sie wollte sie sehen und sie berühren. Doch Nenad verzog nur seinen Mund, als würde er sich für ihre Neugierde schämen. „Ich habe sie natürlich nicht bei mir. Sie ist versteckt. Wir sollten bald aufbrechen um sie zu holen.“ Auf einmal war das Gesicht der Hexe voller Misstrauen. „Wieso aufbrechen? Wo habt Ihr sie den versteckt? Am anderen Ende der Welt?“
„Sie ist in der sichersten Stadt, in die ich auf die Schnelle gelangen konnte. In dem toten Dorf.“
Rawiya schnappte nach Luft. „Seid Ihr verrückt? Diese Stadt liegt an der Grenze des Menschenreiches! Meine Schwestern werden niemals einen Fuß über die Grenze setzten.“

Er schüttelte entschlossen den Kopf, sein Ton erlaubte keine Widerrede. „Die Menschen dringen auch in unsere Wälder ein, ohne dass es ihnen auch nur eine schlaflose Nacht bereitet! Nur wir halten uns an die alten Gesetzte und verkriechen uns immer tiefer im Wald. Wir lassen sie einfach unser Territorium durchqueren, also machen wir es genauso. Oder notfalls, ich allein.“

Die Hexe schien über seine Worte nachzudenken. Sie nickte. „Ich werde Euch über die Grenze begleiten. Aber meine Schwestern werden vorerst zurückbleiben. Sie können uns später, sollte ich mich dazu entscheiden, Euren Plan zu befolgen, Gesellschaft leisten. Aber wie gesagt, erst will ich sicher sein, dass es funktionieren könnte.“

Er wandte sich ab. „Gut. Wir treffen uns zur Morgenröte, an dem Grenzstein. Möge die Göttin Euch beschützen.“ Rawiya sah ihm nach, wie er in den Wald verschwand. „Möge die Göttin Euch beschützen, junger Nenad.“ Mit diesen Worten verschmolz auch sie wieder mit den Schatten. Er selbst musste noch ein paar Dinge erledigen. Ohne die Hexen war er zu schwach, und wenn diese den Wald nicht ohne weiteres verlassen würden, musste er noch andere Völker aufspüren und für sich gewinnen. Angenommen er würde es schaffen...

Dann würden selbst die Hexen aus ihren schützenden Wäldern stürmen. Nenad musste unwillkürlich grinsen, die Schatten unter seiner Haut wurden eine Spur dunkler. Die Menschen sollten sich in Acht nehmen, er würde zurückschlagen.
Er war immer weiter und immer tiefer in den Wald gegangen. Das menschliche Auge hätte nichts in dieser Finsternis wahrnehmen können, doch elfische Augen sahen bei Weitem besser und schärfer. Doch langsam wich die natürliche Dunkelheit einer undurchdringlichen Schwärze. Der Schattenwald.

Der älteste und gefährlichste Teil der Nebelwälder. Nur Magie konnte derartige Dunkelheit hervorrufen. Hier lebten die Geschöpfe, deren Tag die Nacht war, deren Bösartigkeit nicht einmal von den Menschen übertroffen werden konnte. Seitdem die Menschen den Wald beherrschten zogen sich die magischen Geschöpfe immer tiefer in den Wald zurück. Doch die Kreaturen die hier hausten, fürchten sich nicht vor Menschen in Rüstungen. Besonders Elfen galten in diesem Teil des Waldes als Delikatesse. Doch genau darauf setzte Nenad als er die Prinzessin der Cruor aufsuchte.

Ihr Königreich war von einem meter hohen Schutzwall aus schwarzen Dornen umgeben. Man erzählte sich viele Geschichten über die Cruor. Die Göttin Vita soll die ersten ihrer Art aus ihrem Schatten auferstehen lassen haben, gesäugt hat sie sie mit ihrem eigen Blut und schwarze Tränen, geweint in tiefster Trauer und Einsamkeit, floss nun als schwarzes Blut durch der Croure Adern. Um

Unsterblichkeit zu erlangen, benötigen sie seither das Blut eines Elfen, damit deren magisches Blut ihren unstillbaren Durst nach Macht für ein paar hundert Jahre löscht. Ihr Antlitz wäre grauenerregend und unerträglich, doch bisher hatte kein Elf die Möglichkeit, das zu bestätigen. Vor Jahren schlossen die beiden verfeindeten Völker Frieden, doch der konnte nicht ewig währen.
Von der Prinzessin selbst war nicht viel bekannt. Sie war die einzigste Tochter der beiden ersten Cruor, dem Königspaar. Nach ewiger Regentschaft reichten sie ihr Zepter ihrer Tochter und legten sich zum unendlichen Schlafe nieder.

Impressum

Texte: Copyright by Steiner
Tag der Veröffentlichung: 27.08.2011

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