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Als mein Mann und ich die Feier zu unserem 5. Hochzeitstag besprechen, sind wir uns einig, dass es diesmal etwas besonderes sein soll. Unsere Wahl fällt auf ein kleines, stadtbekanntes Weinlokal, ganz in unserer Nähe. Wir beschließen, die paar Meter zu Fuß zu gehen. Schließlich will man ja auch etwas trinken. Am Abend brezeln wir uns auf. Ich betrachte mich im Spiegel. Ich habe meine Haare stundenlang bearbeitet und kiloweise Haarspray verwendet, damit die Pracht nicht gleich wieder zusammenfällt. Selbstverliebt gleitet mein Blick über mein Gesicht. Make up, Rouge und wimpernverlängerndes Mascara machen aus mir einen Vamp. Auch mein Mann hat sich alle Mühe gegeben. Er trägt einen Anzug und ein weißes Hemd. Gut der Knopf von der Jacke muß offen bleiben. Es spannt ein wenig. Aber insgesamt finde ich ihn ganz passabel. Wir machen uns auf den Weg.

Es geht nur langsam voran, weil ich auf meinen Schuhen kaum vorwärts komme. Um meine Beine optisch zu verlängern und einen damenhaften Gang vorzutäuschen, habe ich mir Pumps gekauft. Nie trage ich solche Schuhe und habe Mühe, nicht auf mein modelliertes Gesicht zu fallen. Krampfhaft kralle ich mich an meinem Mann fest. Es beginnt zu nieseln, dann zu regnen. Ich spüre, wie sich das Haarspray, das meine Haarpracht in Form halten sollte, zu meinem Feind entwickelt. Durch den Regen werden die Haare betonschwer. Ich habe Mühe meinen Kopf aufrecht zu halten. Immer wieder sackt er nach vorn. Verstohlen betrachte ich meinen Mann. Mit verbissenem Gesicht kämpft er gegen den aufkommenden Wind. Durch sein weißes, durchnässtes Hemd schimmern keck seine erigierten Brustwarzen. Ich frage mich gerade, ob sie sich aus Vorfreude oder Kälte in diesem Zustand befinden, als wir endlich das Lokal erreichen. Beschwingt öffnet mein Mann die Tür und knallt sie mir gegen die Stirn. Knisternd fängt mein Haar den schlimmsten Aufprall ab. Lediglich ein paar Haare brechen.

Wohlige Wärme empfängt uns. Dienstbeflissen eilt uns ein Kellner entgegen. Bemüht seriös teilt mein Mann ihm unsere Reservierung mit. Mit versteinerter Mine, weist uns der Kellner einen Tisch zu. Überrascht stelle ich fest, dass große Weinfässer zu Tischen umfunktioniert wurden, während kleinere als Sitzgelegenheit dienen. Ich bin relativ klein. Und die Fässer relativ groß. Mit einem kleinen Hüpfer lande ich schließlich auf meinem Sitzfass. Erschreckt stelle ich fest, dass meine Füße den Boden nicht berühren. Der Kellner tritt an unser Fass und überreicht uns die Weinkarte. Ich versuche, sie mit einer Hand zu halten, während ich mit der anderen Hand umblättere. Kiloschwer ist das Kartenungetüm und mordet einen meiner Fingernägel. Als ich die Preise sehe, schießt mir das Blut in den Kopf, doch mein Mann ist bereits dabei zu bestellen. Der Kellner schenkt meinem Mann ein wenig Wein ins Glas. Hilflos beobachtet mein Mann die anderen Gäste, die ebenfalls ihren Wein probieren. Zaghaft schwenkt er sein Weinglas und steckt dann seine Nase hinein. Endlich nimmt er einen kleinen Schluck. Sein Gesicht hat die Farbe einer überreifen Tomate. Dann nickt er huldvoll. Der Kellner schenkt uns ein. Wir studieren die Speisekarte, die noch größer ist, als die Weinkarte. Ich sacke in mich zusammen. Weinbergschnecken kenne ich, will ich aber nicht. Alles andere kenne ich nicht. Als mein Blick über die Preise gleitet, überlege ich, ob ich im kommenden Monat einen Nebenjob annehmen sollte. Verzweifelt flüstere ich meinem Mann meine Bedenken zu. Doch gönnerhaft klopft er auf seine Brusttasche. Offenbar ist die Brieftasche gut gefüllt. Wir bestellen. Was auch immer.

Meine Füße sind inzwischen eingeschlafen, wie leblos hängen sie am Fass herunter. Ich müßte dringend auf die Toilette, weiß aber nicht, wie ich mit meinen leblosen Beinen diese Aufgabe bewältigen soll. Zaghaft versuche ich sie zu bewegen. Nach einer Weile spüre ich das vertraute Kribbeln. Ich werde mutiger und lasse meine wiederbelebten Beine albern hin und herbaumeln. Plötzlich fliegt mir mein Pumps vom Fuß. Der Wein ist mir bereits zu Kopf gestiegen und ich kichere fast hysterisch und ein wenig zu laut. Empörte Blicke durchbohren mich. Fast anklagend liegt mein Schuh mitten im Gang. Mein Mann, mein Geliebter und Vertauter schwingt sich vom Fass und angelt lässig meinen Schuh vom Gang. Ein wenig unsanft stopft er meinen Fuß wieder in den Pumps. Keine Sekunde zu früh, denn endlich serviert der Kellner uns das Essen. Riesige vorgewärmte Teller, die kaum Platz auf dem Tisch-Fass finden, landen vor unseren hungrigen Augen. Eine Kuppel mit enormen Ausmaßen verdeckt unsere Speisen. Mit theatralischer Geste reißt der Kellner den Deckel vom Teller. Mit quellen fast die Augen aus dem Kopf, als ich sehe, was dort liegt. Mikroskopisch klein, liegt malerisch ein Stückchen Fleisch auf dem Teller. Garniert mit zwei Spargelstangen und einem Kleckschen ...Glibber. Lediglich von der Petersilie ist reichlich vorhanden. Mein Mann läßt sich nichts anmerken. Als ich das Fleisch in zwei Bissen zerschneide, quillt mir mehr Blut entgegen, als bei Shining aus dem Fahrstuhl floß. DAS kann ich auf gar keinen Fall essen. Eine Minute später hat mein Mann sein Mahl beendet. Geziert tupft er seine Lippen ab. Ich habe genug. Der Kellner offenbar auch, denn er starrt erwartungsvoll zu uns herüber. Mein Mann winkt ihn heran und bittet um die Rechnung.

Auf einem Silbertablett wird sie ihm wenige Minuten später schwungvoll serviert. Mein Mann wird ein wenig blass um die Nase. Umständlich kramt er in seiner Brieftasche herum und legt einen Schein neben die Rechnung. Stimmt so, murmelt er. Ich versuche Haltung zu bewahren und hüpfe angestrengt lässig von meinem Fass. Ich habe Nackenschmerzen, vom Versuch meinen kiloschweren Haarspraykopf gerade zu halten, meine Beine sind noch immer nicht ganz die alten und mein Magen knurrt empört. Als wir das Weinlokal verlassen, spüre ich die bohrenden Blicke der anderen Gäste in meinem Rücken. Sprachlos treten wir den Heimweg an. Wortlos machen wir Halt bei Eckis Imbiss und bestellen zwei halbe Hähnchen mit Pommes. Rot weiß

Impressum

Texte: Titelbild Titel: Kellner im Restaurant Künstler: Daphne Brissonnet
Tag der Veröffentlichung: 01.01.2009

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