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Auf der Suche nach 'nem neuen Leben kam mir dieses über den Weg gelaufen ... okay, ich hatte gerade nichts besseres zu tun, so what?

Als ich im Jahre 526 VC geboren wurde, hatte ich noch keine Ahnung, dass dies erst der Anfang war. Das Reinkarnations-Karussellchen drehte sich fröhlich weiter, bis es irgendwann in den Sechzigern des Zwanzigsten Jahrhunderts eine Vollbremsung vollführte, mich rauswarf und schnurstracks ohne mich die Biege machte. Sehr nett!

In einem Düsseldorfer Krankenhaus wurde ich aus meiner warmen Umgebung gerissen, auf eine verchromte Waage geworfen und hörte den Quacksalber brüllen: " Macht das mal sauber!"

Nun, auf meiner Liste für unangenehme Erinnerungen respektive Persona war dieser Nachgeburtshelfer einer der ersten, die ich mit einem dicken Edding-Stift verewigte - mit dem Vermerk: Erledigen! Somit konnte ich letztlich doch zur Kriminalstatistik der ungelösten Fälle beitragen.


Aber diese Inkarnatiönchen waren auf die Dauer ziemlich langweilig - kaum hat man sich breitgemacht, wurde man auch schon von wilden Mongolen-Horden, römischen Heerscharen oder wütenden Schwarzquanten-Rothäuten dahingerafft. Ich erinnere mich da an meine Zeit als Cleopatra - leider muss ich mir die begehrte Queen der New-Old-Age-Front mit der Nachbarin, meiner ehemaligen Klavierlehrerin und dem schwulen Arbeitskollegen teilen. Aber ich schweife ab.

Zurück in die wilden Sechziger.
Zu jung, freie Liebe zu skandieren, zu alt, in den Kindergarten zu gehen, strebte ich mit 7 Jahren eine Elektrikerlehre an, die allerdings ziemlich schnell den Gleichstrom hinabtrieb, da mein Erzeuger meinte, ich sollte auf der Stelle die Disko-Lauflichtanlage, die ein extra bestellter Lichttechniker in mühevoller Kleinarbeit schwitzend zwei Wochen vorher ins Wohnzimmer friemelte, wieder dorthin zurückbringen - und zwar im Komplett-Zustand. Ich schmollte und schmorte daraufhin ein bißchen an diesem Ungetüm herum.

Meine Erzeugerin kann noch heute die genaue Uhrzeit, die Farbnuancen 30 kaputter Glühbirnen, die Rechnung des Elektrikers inclusive Wochenendzulage und den Gehörschaden meines Vaters benennen.
Nun, die darauffolgenden Wochen in Dunkelheit ohne Medien (das Radio hatte ich vorher schon auseinander-genommen) waren eine ziemlich gute Erfahrung für mich.

So konnte ich meine Schwester, während sie schlief, mit diversen Winden beglücken, deren Zurückhaltung mich manchmal dieselbe kostete. Als sie röchelnd aufwachte, war ich schon längst wieder in meinem Käfig und wurde trotzdem erwischt, weil ich es noch nie geschafft habe, meine Lache auf 120 Dezibel zu drücken.

Nachdem ich ihr nicht vorenthalten wollte, dass man diese begehrten Hupen auch mittels Streichhölzer anzünden konnte, durfte ich nie mehr ihre Barbie-Puppe mit unserem Goldhamster kopulieren lassen. Schade eigentlich, denn ihrem Wellensittich "Bubi" hatte ich schon beigebracht, sich im Magen unseres Hundes namens "Fass" langsam zu zersetzen.

Nachdem also der Traum der Elektrikerlehre, menschlicher Fackel und Spider-Woman ausgeträumt war, wollte ich Autistin werden. Allerdings waren die Aufnahmestatuten der Höheren Autistenschule für jemanden, der niemanden ausreden läßt, nicht unbedingt beförderungserregend. So blieb nur eins:

Bulle!



Wer jemals mit 16 stolze Besitzerin einer Hercules K 50 RL war, wird mich verstehen.

Also fast niemand.

Selbst der dicke Motorrad-Bulle war versucht, mir ein Brustbeutelchen zu häkeln, da er es leid war, mir Knöllchen für das Nichtmitführen der Fahrzeugpapiere plus Führerschein zu schreiben. Nach vierjähriger Suche fand ich allerdings diesen Schein zum Führen diverser gummibereifter Kasperle-Buden in einer verschollenen Belstaff-Jacke im Keller meiner Ahnen wieder.

Ich war ziemlich geschockt ob des Hippie-Photos. Der Bulle übrigens auch, so dass er mich vom Straßenrand in die Wache zerrte, um mein Konterfei mit dem von Gudrun Ensslin zu vergleichen. Allerdings mußte selbst er zugeben, dass Frau Ensslin das Teenageralter längst überschritten hatte. Auch wenn er mir nie abnahm, dass ich NICHT die jüngere Ausgabe dieser RAF-Terroristin war, blieb ich in der Folgezeit mehr oder weniger unbehelligt.

Ziemlich dunkel blieb auch die Zeit Anfang der Achtziger. Endlich mein Motorrad unter'm Hintern (es war und ist immer noch die klassische Güllepumpe - das Moped, nicht der Hintern!), mußte ich mit diversen "Werner"-Zitaten, Reis-Kochbeuteln auf Zylinderköpfen und asiatischen Räucherstäbchen - säuberlich in sämtliche Öffnungen des Pümpchens gesteckt - leben.

Selbst heute wird mir von paranoiden Harley-Vollpatienten gerne mal ein "Ey, ´ne Gülle" entgegengebrochen, wenn man dieses seit 15 Jahren nicht geputzte Kleinod erblickt.


Egal - wenn man nicht schrauben will, sondern fahren, kann man dieses Wunderwerk der Technik - wenn auch verschämt unter einem Regenhäubchen versteckt - draußen vor Nachbar's Wohnung parken.

Mittlerweile hatte ich mir die Bullen-Weide abgeschminkt, da man mir verwehrte, Motorrad-Streife zu fahren und saß meine Leer-Zeit in der Hauptzentrale der Flachköppe und Schöngefönten ab.
Nämlich bei der Justiz.

Die besten Jahre verbrachte ich in der Kapital-Abteilung. Da gab es zwar keine Kohle, dafür jeden Morgen neue Leichen, Massenmorde, Bürointrigen und Hörspiele. Letztere verfasste ich mit meiner Kollegin in akribischer Kleinstarbeit.

Schade, dass es uns nachher verboten wurde, die Morde diverser Soziopathen nachzuahmen, da sämtliche Wachtmeister sich weigerten, mein Büro zu betreten, da ich sie sofort mit Küchenmessern bedrängte, den Hefter schußbereit hielt und aus Büroklammern spacige Handfesseln formte.

Manchmal meine ich, in den Augen der mittlerweile alten Aktenschlepper ein Erkennen aufflackern zu sehen. Zumindest zeigen sie mit den Fingern auf mich und fuchteln wild mit ihrem Handy herum. Schade, dass sie keine Koteletten mehr tragen, ansonsten könnten sie sich das mobile Phönchen per Klettverschluß direkt an die Horchlappen hängen.

Als Ausgleich zu diesem wahnsinnig interessanten Beruf wird man entweder debil oder man macht Musik.

Ich entschied mich für beides.

Höhepunkt meiner musikalischen Karriere war das sofortige Gesangsverbot. In Fachkreisen werde ich auch als Saatkrähe gefürchtet. Trotzdem reicht es für den Background - zur Not werden die Aufnahmen immer gerne im Büro genommen, da man es Geständnisunwilligen vorleiern kann. Mein Debüt als Bassistin gab ich in einer Blues-Band, da dies nun wirklich die einfachste Form des Vier-Saiten-Quälens darstellt.


Jaja, der Blues. 12 Takte Langeweile, und das stundenlang. Prima daran ist eigentlich nur, dass man sich nebenbei an der Theke locker ein paar Desperados zischen kann, während sich die Biker bei jedem Woodstöckle-Hendrix-Gedächtnis-Cover verstohlen die Tränchen aus den feuchten Augen wischen.

Danach folgten diverse Punk-Bands wie "Aldi's Rache" und "Alice in Wonderbra" - um nur einen kleinen Teil meiner Stadthallen-Leerer-Kapellen preiszugeben. Trotzdem sind wir zu dieser Zeit in die Annalen eingegangen, da wir das Gros der Veranstalter nicht nur um den Verstand, sondern auch um ihre Brauerei-Lizenzen gebracht haben. Leider mussten wir deshalb so oft den Bandnamen wechseln, dass keiner von uns mehr wusste, wer überhaupt mit wem wo und warum spielte.

Hall of Häme sozusagen.

Heute mache ich Faltenrock - passend zum Face.

Obwohl wir immer noch auf den uralten Witz unserer Plattenfirma: "Hey, die Achtziger-Jahre-Mucke kommt bestimmt wieder!" reinfallen, lacht bis jetzt nur einer: Bernie, der wohl mieseste Plattenboss, seit Bohlen aufgegeben hat, Kunstfurzer als Backgroundsänger zu züchten.

Er - Bernie, nicht Bohlen! - versprach uns natürlich aufs gemeinste, berühmt zu werden. Zu einem gewissen Teil stimmt es wohl auch - zumindest in Yokohaimutzitzo, welches sich in Japan befindet - und dort unerklärlicherweise viele Scheiben meiner Band "Diary" verkauft wurden. Unter Druck gesetzt, gestanden jedoch 90 % der Käufer, von unseren Verwandten dazu gezwungen worden zu sein, die restlichen 10 % hatten wir schon vorher an ein japanisches Gehörlosenzentrum verhökert.

Blues-Rock mache ich - neben diversen anderen metallischen Kapellen - auch heute noch manchmal, wahrscheinlich um der alten Zeiten willen, doch eher wohl, weil ich ziemlich faul am Gerät bin.

1, 2, 3, 4 - Hey-Ho, let's go!



Cover: Copyright Dr. H.J. Schäfer

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 22.01.2010

Alle Rechte vorbehalten

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