Haben Sie auch eine beste Freundin?
Keine ist wie sie, keine hört so gut zu – die Aufopferung in Person?
Ist sie lustig, freundlich, kommunikationsbereit und hat immer Zeit für Sie?
Passt sie gerne auf Ihren Hund auf, wenn Sie in Urlaub fahren?
Teilen Sie mit ihr Ihre dunkelsten Geheimnisse, Urängste, Männerprobleme und Alterskrisen?
Dann lautet der Name Ihrer besten Freundin sicherlich Gaby, Doris, Sandra oder sogar Irene?
Nun – nennen wir sie doch Tanja.
Ja, meine lieben vertrauensvollen Busen-Freundinnen – soweit, so gut!
Kommt es Ihnen aber nicht etwas komisch vor, wenn Tanja Ihnen nie steckt, dass Sie ganz schön fett geworden sind? Während die Pölsterchen in Ihrer zu engen Worker-Designerjeans die Außentaschen schelmisch zu Ballonkörben verformen, schwelgt Ihre beste Freundin:
Jaaahaaa, DAS steht Dir aber wirklich gut, es betont Deine Figur hervorragend!
Soll heißen:
Du fettes Dreckstück, in diesem Fummel siehst Du aus wie Renate Schmidt auf Parteisauftour im geselligen Bierzelt-Ambiente. Damit fällst Du durch jede Szene-Party durch, Du Mistschleuder.
Und dann Ihre Haare! Eigentlich wollten Sie ja schon längst mal wieder zum Friseur – gerade wo er Ihnen doch immer den neuesten Trend auf den Schädel raspelt. Dabei sehen Sie aus wie Hellmut Kasarrek nach einem blow-job mit Marcel Reich-Ranicki. Doch Tanja findet Ihre neue Frisur natürlich fantastisch und beeilt sich, es Ihnen auch direkt lauthals zuzukreischen.
Soll heißen:
Mit diesem Trümmerschädel übertrittst Du selbst die Schamhaargrenze.
Tanja hört Ihnen auch IMMER zu.
Allerdings auch immer mit dem gleichen gelangweilten Gesichtsausdruck, der Ihnen dagegen verständnisgegrämte Mimik vermittelt. Dieser ändert sich jedoch schlagartig, wenn sich aus Ihrem belanglosen Gefasel der Pickel des winzigsten Geheimnisses ausquetschen lässt.
Sie rückt unbemerkt näher und lässt die mitgebrachte Stenorette schnurren, wobei sie zitternd betet, dass die Batterien in besagtem Diktiergerät die Aufnahmen noch durchhalten.
Sie saugt jedes Molekül der gnadenlosen Panik um Ihren notgeilen Ehemann wie ein trockener Schwamm auf. Die Antennen der Spezies “beste Freundin” stehen allzeit auf Sturm, wenn es um Probleme mit dem werten Gatten geht.
Da sie selber mal scharf auf Ihren Langweiler war, sich ihn jetzt aber selbstredend nicht mehr ans rasierte Bein binden will, wird auf bewährtem Wege Rache geübt:
Dass unsere verständnisvolle Tanja Ihnen IMMER (Sie merken schon, Wiederholungen sind hier angebracht) zur Seite steht, hat natürlich seinen Grund.
So lässt sich auch am meisten aus Ihnen herausquetschen.
Natürlich bemitleidet sie Sie ob des Seitensprunges des Gatten – und sich selbst, da sie mit ihm, der weder seinen Arsch noch sonstige Körperteile hochbekam, die Nummer schieben musste – aus besagter Rache versteht sich.
Tanja schickt Ihnen auch gerne mal einen Brief. Ab und zu auch mal anonym, da sie genau weiß, dass Sie beim letzten Arztbesuch ungewöhnlich schlechte Blutwerte hatten. Während Sie ihr unter Tränen erzählen, dass Ihnen irgendein Psychopath in einem anonymen Brief Ihren Tod wünscht, wünscht sie sich genügend Contenance, den Lachanfall zu unterdrücken.
Auch vergisst sie nie, Sie anrufen zu lassen. Nun, dass es Tanja’s Busenfreundin Annette war, werden Sie sowieso nie erfahren, da diese Anrufe natürlich anonym sind.
In diesen heimelnden Telefongesprächen wird Ihnen wärmstens empfohlen, doch den längst fälligen AIDS-Test zu machen, da Ihr Mann nicht nur mit dem anderen Ende der Leitung, sondern – wie sie aus sicherer Quelle weiß – auch mit der ganzen Nachbarschaft gerne mal den Beischlaf vollzieht.
Nur war eine davon HIV-positiv.
Somit wären auch die schlechten Blutwerte erklärt, gibt Tanja Ihnen mitleidig zu verstehen.
Sie denken an Selbstentleibung – sie an Vaginalreibung.
Ihre Freundin wird Sie auch bei Ihren verrücktesten Marotten unterstützen. Wissen Sie noch? SIE war es, die Ihnen, als Sie sich für Tarot-Legen, Horoskope und Pendel interessierten, den Tip mit der garantiert erleuchteten Fachfrau für Lebenshilfe gab.
Leider haben Sie nach 10 Sitzungen mit Zwangstaufe in der halbvoll urinierten Badewanne, Unmengen an homöopathischen Mittelchen, rohem Reiki-Fisch und sauteuren Rechnungen die schizophrene, weibliche Jesusine verklagt, weil diese Ausgeburt an Nachgeburt Ihre Wiedergeburt mit einer toten Katze würzte, die Sie Ihnen über den heimischen Gartenzaun schmiss.
Wie gut, dass es die beste Freundin gibt.
Sie lässt sofort alles stehen und liegen, weil Sie sich anhören, gleich von der nächstbesten Brücke zu springen. Ihr gebührt natürlich die erste Reihe, deshalb quetscht sie Ihnen den Ort Ihrer Suizid-Party sofort aus der tablettenpulverisierten Kehle.
Tanja wird zunehmend nervöser. Nein, nein, Sie Dummchen, nicht, weil Sie diverse Bungee-Jump-Methoden mißverstanden, sondern weil der Zeitpunkt des großen Finales naht.
Nun wird Ihre Freundin beängstigend schweigsamer. Und zwar übt sie sich in der großen Kunst des Herumdrucksens.
Sie bekommen mittlerweile das Gefühl, dass es Tanja wohl auch nicht gut geht, und Sie hier wegen ein paar lächerlicher Morddrohungen, Liebeskummer und blöden Viren die Fassung verlieren. Sie möchten natürlich auch eine gute Freundin sein und zwingen sich zur Ruhe.
Immer noch druckst Ihre Busen-Freundin herum und in einem Moment unglaublicher Präzision wird Sie Ihnen den berühmten Satz in die ungeschützten Ohren schleimen: “Ich wollte Dir das eigentlich nicht erzählen, aber jetzt kann ich selber nicht mehr”.
Sie sind vollkommen fertig und fragen sich, was zum Teufel denn jetzt noch kommen sollte?
Hämisch grinst sie Ihnen in Ihr schmerzverzerrtes Gesicht und flötet:
Übrigens bin ich schwanger – Kunstpause – von Deinem Mann!
Das letzte was Sie im Vorbeiflug der Autobahnbrücke sehen, bevor Sie wie eine zu reife Tomate auf dem Acker landen, ist Ihre beste Freundin.
Behalten Sie sie gut im Auge ...
Schließlich sind wir doch Frauen, oder?
Eigentlich sollte uns das zu denken geben.
Tag der Veröffentlichung: 22.01.2010
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