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Ich konnte nicht mehr.


Hatte ich doch alles versucht, mich vor ihnen zu verstecken. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich dicht vor mir eine schemenhafte Silhouette wahrnahm.

Jetzt hatten sie mich! Keine Fluchtchance mehr. Ich wußte, jetzt ist es aus. Sie bewegten sich aus allen Ecken auf mich zu. In ihren zarten Händen hielten sie folterähnliche Werkzeuge, die so gar nicht zum kreischenden Rot ihrer manikürten Fingernägel paßten.

Das war´s wohl, Bernhard, sagte ich zu mir.



Aber halt! Irgendetwas stimmte nicht.

Niemand nennt mich Bernhard, nicht mal ich selber.

Ein gräßliches Geräusch in Form einer falsettartigen Kreissäge bahnte sich einen Weg nicht nur in mein Ohr, sondern darüber hinaus auch in mein Gehirn, welches den gestrigen Abend nur mit halbherzigen Reanimationsmaßnahmen überlebt hatte. Endlich merkte ich, dass es nur ein schrecklicher Albtraum war, und ich gemütlich in mein hypermodernes Futon-Bett transpirierte.

Gott sei Dank! Ich versuchte, meine geplagten bierdeckelschweren Augen zu öffnen.

Es gelang mir.



Allerdings konnte ich das nicht von meinen Ohren behaupten, die immer noch meinten, mich mit dem Echo des Ohrenbluten verursachenden Geräusches zu penetrieren.

Ich riss mich nicht nur vollends aus meiner embryonalen Stellung (hm, könnte ich auch mal beim Sex probieren), sondern auch fast aus meiner Lethargie. Das Geräusch war immer noch da und manifestierte sich allmählich in einer weiblichen Stimme, welche nun die Falsett-Leiter zur Fledermaus-Sonargrenze überschritt.

Ich bahnte meinen Body durch wochenlang herumliegende Muscle-Shirts, beäugte mißtrauisch eine einzelne graue Socke (doch sie blieb bewegungslos liegen) und verhakte mich in einer längst verschollenen Underwear (Größe 6, klassisch weiß) bis ich endlich meine Louis-Viutton-Stores erreichte, um von diesem Versteck aus auf die Straße zu blicken, um jenes ohrenbeleidigende Gezeter zu eruieren.


Es schien jemand einziehen zu wollen. Ich äugte neugierig hin und her, vielleicht verschaffte ja ein scharfes Calvin-Klein-String-Entsorgungsgerät mit natürlich stehenden Männertraumbehältern (Körbchengröße DD) meinen Augen Linderung, als mir klar wurde, dass hier kein Mensch ausgezogen war. Ergo konnte auch keiner einziehen. Mein Hirn versagte den Dienst und ich mußte mich ziemlich anstrengen, es zur Mitarbeit zu zwingen.

Dann sah ich sie! Gar nicht mal so übel! Lange - rasierte - Beine, blonde, halblange Haare, Behälter mindestens Größe D, deren Inhalt wild hin und her wippte, da sie mit zwei Bäumen sprach, die meine mittlerweile doch geöffneten Augen als männliche Wesen entlarvten. Meine Aufmerksamkeit ließ blitzartig nach. Ich gierte nach einem Juan-Valdez-Kaffee, den ich gerne mit den neuesten Sportnachrichten einnehme. Ich machte mich auf den langen Weg in meine geliebte Küche, als es an der Wohnungstür klingelte.


Nein, ehrlich gesagt klingelte es nicht. Es war eher ein Sabrina-Gejaule Marke Containerschiff (Mist, hätte ich doch nie auf den Obi-Menschen gehört), welches, gepaart mit gleichzeitigem Hämmern gegen meine noch in voller Gesundheit strotzenden Türe mir fast ein mittelschweres Herzkammerversagen (rechts) bescherte. Da ich von Koronarerkrankungen nur in Form mexikanischen Bieres zu begeistern bin, erstarrte in meiner Bewegung.

Verdammt, wer kann das sein?
Mein Kleinhirn beschwörte ein Hologramm sämtlicher weiblicher Hormonregelungsgeräte herauf, kam aber zu keinem befriedigenden Ergebnis. Heute war Samstag und gestern hatte ich kein Gerät abgeschleppt, also mußte es ein Irrtum sein.

Ich ignorierte das Hämmern.

Doch es ignorierte mich nicht.



Ich schlüpfte in meinen flauschigen Morgenmantel und spähte atemlos durch den Spion, der mir zwei wässrig blaue Augen, Mascara-verschmiert, rändermäßig in die S-Klasse drängelnd, und vorwitzig durch die Linse der anderen Seite lugend, bescherte.

Ich erschrak.



DAS TURNGERÄT!!!



Der dazugehörige Name dieses wandelnden Farbunfalls wollte sich mir einfach nicht aufdrängen. Elvira?, Nathalie? (nein, die hatte ich erst vor kurzem abgewürgt), aber mir drängte sich ein furchtbarer Verdacht auf.
JUTTA!! Der Name war Programm.

Mittlerweile kämpfte sich nicht nur der Name, sondern auch der langweiligste One-Night-Stand der letzten Dekade in mein Kleinhirn. Als er das Großhirn erreichte, wurde mir schlagartig klar, daß Plan B versagt hatte.


Oh mein Gott, ich schlug mein imaginäres Notizbuch auf und notierte, dass Plan B niemals anzuwenden ist bei:


1

. naiven Industriekauffrauen (bevorzugt blond)

2

. Brigitte-lesenden Selbstfindungswesen (bevorzugt blöd)

3

.sportlich-gestählten Körpern, bei denen vergessen wurde, das Hirn zu trainieren.


Welcher Teufel hatte mich da geritten? Berechtigte Frage, jedenfalls nicht Jutta, diese langweilige Missionarsanbeterin.

Wahrscheinlich hätte Mutter Theresa mehr Phantasie gehabt und sieht wahrscheinlich auch noch besser aus, selbst jetzt ... okay, über Tote macht man wohl keine Witze ... obwohl?

Plötzliche Stille unterbrach meine Überlegungen über Statistiken der Verwesungsgrade von Heiligen und deren Attraktivität. Trotz einiger positiver Aspekte (hält den Mund beim Sex, danach kein übliches Gefasel: Du warst einmalig! etc.) verspürte ich letztendlich keine nekrophilen Neigungen.

Ich wurde mißtrauisch und wagte nicht zu atmen. Merkwürdig!

"BERNI????? ICH HÖRE DICH DOCH, MACH ENDLICH DIE TÜRE AUF!!!"



Meine Knie wurden weich wie Butter in der Mikrowelle. Tausende Defensivpläne streiften meine Synapsen. Leider blieb keiner hängen.

Verdammt, es mußte mir was einfallen!
JETZT.



Dekorativ drapierten sich die beiden Arnold Schwarzenegger Kopien um das aufdringliche Wesen vor meiner rettenden, weil noch geschlossenen Türe. Vielleicht könnte ich einen Suizid vortäuschen?

Blödsinnige Idee. Ich versuchte es mit einem nicht gerade überzeugendem Röcheln mit anschließendem Aufprall auf das frisch polierte Parkett.

Stille.




Es keimte nicht nur ein quälender Schmerz in meiner Hand, sondern auch die Hoffnung, dass das Schöner-Wohnen-
Pack da draußen endlich verschwinden würde. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte mal solch einen Horrortrip erlebt hatte.

Außerdem hasse ich es, wenn man mich "Berni" nennt. Ich bestehe auf "Bernie", welches natürlich nur für Multilinguisten sofort erkennbar ist. Das macht was her.

Als ich überlegte, dass ich vielleicht auf Zehenspitzen dem Schicksal entgehen konnte, attackierte dieses Überfallkommando meine Wohnungstür erneut. Ich programmierte mein Gesicht auf Leiden (Stufe 3) und überprüfte es noch kurz im Spiegelbild. Ich war zufrieden, besser als Leonardo di Caprio in "Titanic". Leider hat man ihm wohl erklärt, dass er diesen Stöpsel in den Abfluß seiner Badewanne stopfen muß, ansonsten wäre dieser Furz schon in alle Winde verweht.

Ich sollte vielleicht nicht so oft ins Kino gehen.


Ich rieb noch schnell meine Augen auf Rot und atmete tief durch. Vorsichtig öffnete ich die Wohnungstür.

"Berni, oh, bist du etwa krank?", kreischte Miss Wasserstoffsuperoxyd. Pluspunkt Nr. 1 für mich. Oder etwa nicht? Sehe ich etwa wirklich krank aus? Ich riß mich zusammen, mein Spiegelbild nicht nochmals einer Prüfung zu unterziehen.

"Jutta", rief ich aus, soweit man als Sterbender noch röcheln kann, "wie schön, dass Du mich besuchst!"

Zuerst entglitt einem der Bizeps-Protze eine brechreiz-hervorrufende grüne Kaffeekanne aus Porzellan mit einem übelkeitserregenden Muster aus seinen Bratpfannengriffeln, danach folgten die Gesichtszüge meines an Langweiligkeit kaum noch zu überbietendem One-Night-Stand.

Wo von Stand übrigens keine Rede sein kann.

Man sollte dieses Procedere wirklich mal anders benennen.


"Wieso besuchen??", säuselte sie, während sie wie der InterCity von Köln nach Frankfurt durch mein Foyer rauschte, die hormonfressenden Mr. Universen als Lastwaggons hinter sich herziehend.

In Sekundenschnelle hatte ich das Problem erfaßt. Mir wurde wirklich übel. Sie wollte hier einziehen?!?? Ich verfluchte den Abend als ich sie ansprach.

Ich muß wirklich etwas gegen meine temporär auftretenden Hormonprobleme unternehmen.

Ich lächelte sie gequält an. "Oder bleibst Du über Nacht?", wie schön, ich habe mich so nach Dir gesehnt". Mist, warum fällt mir nichts besseres ein? Ich versuchte, meine Gedanken auf dieses Problem zu lenken, während ich mit verstohlenem Blick auf meine Rolex-Kopie schielte und fürchtete, dass der Abfahrtslauf der Herren in Kitzbühel gerade mit 120 Kilometer pro Nase den Hahnenkamm hinunterfuhr. Ich hoffte auf Schneefall und plötzliche Amnesie meines Gegenübers, vielleicht schaffte ich es ja noch.

"Natürlich bleibe ich über Nacht, erinnerst Du Dich nicht mehr?" Ihre Stimme zitterte. Allerdings fand ich nie heraus, ob es Angst war oder nur ein Ausdruck langsam ansteigernder Wut.

Ich tippte auf letzteres, nur um sicher zu gehen.

"Ja, hm, natürlich, Baby", konterte ich. "Wie könnte ich das denn vergessen?",

O Gott, ich ritt mich immer mehr hinein. Ich hatte wohl wirklich alles verdrängt, was in jener grauenvollen Nacht geschah. Warum hatte ich Idiot Plan B ins Spiel gebracht?

Während ich noch darüber nachdachte, wie ich dieses lebende Beispiel für Farbblindheit aus meiner Wohnung und aus meinem Leben befördern konnte, hörte ich ein verdächtiges Geräusch aus der Küche. Es kam dem Öffnen eines kühlen Bieres aus dem Freezer ziemlich nahe.

ALLES

, nur nicht mein Desperados!

Ich stürzte wütend in den Aufenthaltsraum für delikaten Gemüsekrempel und absolut lebensnotwendigen Flüssigkeiten, um mein mexikanisches Lieblingselexier vor dreisten Dummies für Lada-Crash-Tests zu retten.

Zu spät!



Ich schlitterte über den blanken Küchenboden und stoppte halbwegs elegant vor Arnie II. Damned, trotz meiner 1.87 Meter Körpergröße überragte er mich locker. Ich schätzte ihn in Sekundenschnelle auf ca. 1.96 Meter, welche muskulöse 130 Kilogramm Lebendgewicht ohne Fett auf die Waage brachten. Ich schluckte. Zumindest bewahr ich mir soviel Stolz, nicht hochzublicken. Ich redete mit seinem Kehlkopf.

"Hey, ihr hättet zumindest fragen können", trotzte ich.

"Jutta hat jesacht, jeht alles klar hier, Mann", hüpfte der Kehlkopf.

"Hm", sagte ich mit einem vorsichtigen Seitenblick auf Arnie I, der es sich auf meiner Arbeitsplatte gemütlich machte. Ich bangte um ihr Aussehen und fragte mich, ob ich danach jemals wieder lustvoll ein Parfait zubereiten könne.

"Ach ja", flötete Jutta (Wie-hieß-sie-noch-gleich?), "das sind meine Brüder Kalli und Willi. Sie helfen mir beim Umzug".


UMZUG.



Eines der gefährlichsten Worte der ersten Kategorie. Kommt direkt nach dem Panikwort: HOCHZEIT.



"Hallo Kalli", ich überlegte, ob ich mir die Hand zerquetschen lassen sollte, entschied mich aber dagegen. "Willi", nickte ich dem anderen zu. Mir war es egal, ob ich sie richtig benannte, wahrscheinlich wußten sie es selber nicht, da sie sich ähnelten wie die Kessler-Zwillinge nach mißlungenem Schwangerschaftsabbruch.

Leider hatte ihre Schwester auch etwas von ihrem Aussehen. Zumindest war ich vollkommen sicher, dass alle drei aus demselben Uterus stammten, was mir allerdings ziemlich egal war.


Willi stahl sich ein zweites Despi aus dem geöffneten Kühlschrank, in dem sich delikate Leckereien von Feinkost Bauer downtown lümmelten.

Mir wurde schlecht, was jedoch nicht am Haltbarkeitsdatum der Gänseleberpastete lag. Es war die Gänseleberpastete an sich. In der reinen Form. Sie erinnerte mich daran, warum ich sie dort plaziert hatte.

Dinner mit ANDREA!!!



Das göttlichste Wesen, seit Cindy Crawford die 30iger-Schallmauer durchbrach. Glänzende, lange, braune Haare, blaue Augen (paßt immer gut). Volle, sinnliche Lippen, für die andere Ladies einem Schönheitschirurgen gut und gerne nicht nur einen Kleinwagen spendieren würden. Mein Date mit Andrea. Gefahr!! Roter Alarm, Phaser auf Betäubung! Ich kramte in meinem Hirn herum. Jetzt war wirklich höchste Präzision gefragt. Was hatte ich dieser Jutta erzählt? Ich konnte mich nicht erinnern.

Alkohol und Sex. Für die meisten ein Problem im Bett.

Für mich danach.



Ich täuschte einen Schwächeanfall vor und hangelte mich ins Yakuzzi-Zentrum, welches Proleten auch gerne als Bad bezeichnen. Zeit gewinnen heißt die Devise.

Wieso eigentlich?

Wie kann man Zeit überhaupt gewinnen? Vielleicht beim Glücksrad?

Das Rad der Zeit dreht sich ... auf Extra-Dreh? Ich kaufe diesen Roy-Black-Verschnitt für Anal-Phabeten?
Oder die Slim-Fast-Fettwurst Wijnfoord? "Walter, wasch koschtet heute "Die Zeit"?"

Ich wette, dieser widerlich überflüssige Heineken-Export aus verschlammten Ghetto-Grachten weiß nicht mal, dass damit eine der intelektuellsten Tageszeitungen gemeint ist.

Jesus (phon. englisch, da cooler), ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Während ich über Rettungswege und Fluchtmöglichkeiten nachdachte, wurde mir mehr und mehr klar, dass mir nur noch wenig Zeit blieb, diese Wohnungsbesetzer loszuwerden.

Warum mußte ein Vorspiel überhaupt ein Nachspiel haben? Mir fiel noch nicht mal ein, ob es überhaupt ein Vorspiel gab. Ich hoffte nicht. Alleine der Gedanke ekelte mich.

Ich schaute in den Spiegel und unterzog mein Konterfei einer gewissenhaften Prüfung nach Mitessern und anderen lästigen Dingen.

Bestanden.



Mein Haar war immer noch voll. Kein Wunder, ich tat alles für sie. Seit meinem letzten Geburtstag, bei dem meine Mutter behauptete, ich wäre 30, lasse ich meinen Kopfschmuck regelmäßig von meiner Hautärztin kontrollieren. Übrigens auch in anderen Regionen, was das Ganze doch erheblich erträglicher macht.

Dieses wiederum erinnerte mich an Andrea. Sie war schon etwas mißtrauisch, als ich sie letzte Woche ansprach. Allerdings ist es wirklich von Vorteil, Fotograf zu sein.

Nun gut, man brauchte ja nicht soweit ins Detail zu gehen, dass man meistens auf irgendwelche Hundeausstellungen oder diverse 100-jährigen Geburtstage sabbernder Zombies geschickt wird. Alleine das Zauberwort Fotograf macht einiges her. Um nichts in der Welt würde ich mit jemandem tauschen.

Allerdings gehen einem diese pelzgesichtigen Parasiten ganz schön auf die Nerven.

Wobei mir manchmal nicht ganz klar ist, ob ich mich gerade auf der Vorführung von fettleibigen Rassekötern mit Inzucht-Touch oder Omi´s 115. Herzschrittmacher-Survival-Day befinde.

Jedenfalls befand ich mich jetzt in einer gänzlich dummen Lage. Mir kam die Idee einer unheilbaren Krankheit im Endstadium. Doch mein Spiegelbild strafte diesem genialen Einfall Lügen. Die Zeit flog dahin. Mir fiel Dalís Bild mit der verbogenen Uhr ein, dieser spanischen Zwirbelbärtchen-Schwuchtel.

Konnte man Zeit eigentlich verdrehen, anhalten gar? Was würde Einstein dazu sagen?

Relativ wenig, schätzte ich.

In mir reifte eine Idee heran wie Bläschen bei Lippen-Herpes. Rüdiger Blaskowitz! Seines Zeichens Gynäkologe und guter Freund, der Helfer in allen Notlagen. Nur er konnte mir jetzt noch helfen, falls er im Moment nicht noch in irgendetwas drinsteckte.

Ich mußte unbemerkt an mein Handy kommen. Wo war es nur? Mist, dass diese Dinger immer kleiner werden. Wenn es irgendwo klingelt, versuche ich demnächst noch, in eine Briefmarke hineinzusprechen. Mir fiel ein, dass sich dieses Teufelsding in meinem Armani-Jackett befand, welches sich wiederum in gefährlicher Nähe der drei Stooges aufhielt. Nämlich am Garderobenhaken in der Diele. Ich versuchte, ungesehen dorthin zu gelangen.

Auf halbem Weg stieß ich gegen die Skulptur meiner Gipsvenus. Meine Zehen bäumten sich ob solch grausamen Schmerzes, welche ungeschützt in den Adiletten weilten. Ich schluckte den Schrei hinunter und humpelte zu meinem Handtelefongerät, das sich wartend in meinem Leibchen lümmelte. Ich schlich zurück ins Yakuzzi und wählte Rüdiger´s Nummer.

Es war besetzt.

Ich hoffte, er sprach nicht mit Claudia, seiner Dauerverlobten und Telefonitis-Geschädigten.

Ich verfluchte ihn und meine Zehen, die mittlerweile das Ausmaß und die Farbe junger Möhrchen ohne Erbsen angenommen hatten. Ich lauschte an der Wand, um den Alkohol- bzw. Geräuschepegel meiner ungebetenen Gäste herauszufinden. Dort schien eine Party im Gange bzw. in der Küche zu sein.

Ich drückte die Wahlwiederholungstaste. Ein Freizeichen!

Ich schickte ein Gebet zum Himmel und hoffte, dass es durch meine Zimmerdecke einen Weg zum Empfänger fand.

Jedenfalls fand Rüdiger sein Telefon und nahm den Hörer ab. "Blaskowitz" näselte er in das Rohr. Näseln ist gut, er hat den größten Zinken, seit sie Julius Cäsar allein anhand seines Gesichtsknorpels fanden und ausbuddelten. Wie die Nase eines Mannes, so ist auch sein Johannes? Welcher Idiot hat sich sowas ausgedacht?

Und wieso eigentlich Johannes? Wer möchte schon gerne so heißen? Mein Gemächte jedenfalls nicht, da sind wir uns einig. Apropos Cäsar, vielleicht sollte ich doch mal antworten, Rüdiger wiederholte schon zum dritten Mal seinen Namen, gewürzt mit einem kräftigen HALLO.

"Bernie am Gerät" flüsterte ich in die Muschel. Mir kamen schon wieder wilde Assoziationen, die mit Muscheln und weiblichen Geschlechtsorganen zu tun hatten, doch ich konzentrierte mich endgültig auf mein Problem. "Ich habe ein Problem, Alarmstufe Rot!", fuhr ich fort und wartete auf eine näselnde Lösung am anderen Ende der schnurlosen High-Tech-Kommunikationsbrüller.

"Wie heißt sie?" gierte Rüdiger.

Ich konterte: "Wer will das wissen? Sag mir lieber, wie ich sie loswerde!"

"Aha, verstehe. Sie ist gekommen und will nicht gehen?", witzelte er. Ich schilderte ihm das Problem in wenigen Worten. Dann lauschte ich in die Stille hinein.


"Ich könnte Dir ein Rezept über Candida vulgaris vorbeibringen", überlegte er.
Ich war fassungslos. "Du hast sie wohl nicht mehr alle", regte ich mich auf. "Was soll ich denn mit einem Rezept?? Und für was? Canida vulgär? Belästige Claudia mit Deinen Nudelgerichten!"

Rüdiger kicherte in den Hörer. "Oh, heiliger Fungizid! Das ist ein Rezept für eine Salbe gegen Pilze im Genitalbereich, Du Hirni", giffelte er.

Langsam aber stetig gruben sich seine bedeutungsschwangeren Worte in mein Ohr.
Rüdiger! Mein Rüdiger!

Ich konnte wieder atmen. Das ist es!
"Mensch, komm so schnell Du kannst", witzelte ich mich auf sein Niveau herunter. Meine Mundwinkel wurden wie von Geisterhand in die Höhe gezogen. Ich lächelte. Der Abend mit Andrea war gerettet! Wir tauschten noch einige Unhöflichkeitsfloskeln sowie die Übergabe des lebenswichtigen Blättchens aus. Beruhigt legte ich auf.

Nein, das tat ich nicht. Ich drückte lediglich auf das Knöpfchen, welches mich von der Zivilisation abschnitt.

Pfeifend kehrte ich in die Küche zurück, wo sich diese Kühlschrankbesetzer gerade um mein letztes Bier stritten. Nun ja, ich war in Geberlaune und fragte unschuldig: "Hat jemand von Euch Hunger? Vielleicht auf Pizza?"

Kunstpause.



"Funghi??"



Krümmend drehte ich mich ab, da sich das Grinsen nicht so leicht aus meinem Gesicht meißeln ließ. Während Familie Frankenstein sich über Vor- und Nachteile einer Pizza Funghi oder Diabolo ausließ, klingelte es erneut an der Wohnungstür.

Jutta erstarrte. "Erwartest Du jemanden, Schatzi?", gurrte sie.

Ich schnitt mir ein paar Sorgenfalten in die Stirn. "Ja, Baby, Du siehst ja, wie krank ich bin. Es wird wohl der Arzt sein", äußerte ich gramgebeugt. Schwungvoll riß ich die Tür auf.

Vor mir stand der rettende Helfer der juckreizend gebeutelten, salbungsvoll wartenden Genitalbereichen.
"Ah, Herr Doktor", empfing ich Rüdiger. Er bahnte sich sofort einen Weg zum Kriegsschauplatz.

Als er mir das Rezept mit den Worten: "Und immer schön 3 mal am Tag den ganzen Genitalbereich einreiben" übergab, dauerte es keine halbe Stunde, da befand sich meine Wohnung wieder im Normalzustand.

Das heißt, ich war wieder Alleinherrscher meines Refugiums. Rüdiger brühte uns ein lebenserweckendes Gebräu, während ich zum Breitbild-TV stürzte und Eurosport drückte.

Heute war mein Glückstag!



Der Gott des weißen Pulvers hatte ein Einsehen und schickten den kompletten Skiverband erst jetzt über den Hahnenkamm.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 21.01.2010

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