Deylas Vision
Prolog
Das Funkeln in seinen Augen,
wild, frei, wutentbrannt,
auf Rache gesinnt, durch Liebe zerstört,
im Geist vereint.
Ist seine Kraft,
Zum töten geballt,
ist des Tigers wilde Macht.
Aus den Sammlungen des Dorjee Sherab,
Wächter des unwandelbaren Wissens
Die Ebene lag verlassen da und nicht ein Lufthauch berührte die ausgedörrten Grasflächen. Trotz das es eine sternenklare Nacht war, lag eine gewitterdrohende Schwüle in der Luft und am Horizont zogen dunkle Wolkenberge auf. Stumm und in rasender, gehetzter Geschwindigkeit bedeckten sie den restlichen Himmel über der unendlichen Weite mit aufgewühlten, schwarzen Todesboten. Wie ein schweres Leichentuch, nur durch eine einzige Lücke unterbrochen lag es drückend über der trockenen Erde. Als durch diese winzige Lücke sich ein schmaler, verlorener Streifen silbernes Licht stahl, konnte er nicht wissen, dass er den Anfang eines neuen Zeitalters beleuchtete.
Das dämmrige Licht ließ zu, dass man ein gigantisches Zeltlager ausmachen konnte, welches sich zwischen mehreren hochragenden, schmalen Felsen ausbreitete.
Auf jedem dieser Felsen stand ein Soldat, jeder von ihnen in einer silberglänzenden, mit Symbolen verzierten Rüstung und mit einem langen weißen Horn in der Hand.
Sie schauten alle gen Westen, in die Dunkelheit und schienen auf etwas zu warten.
Nur auf einem einzigen Felsen war niemand, dem, der direkt an der Front des Lagers stand.
Der erste Donner grollte und ließ das Land erbeben.
Als wäre das ein markerschütterndes Kommando gewesen, sprengte aus dem scheinbar stillen Lager ein mächtiger weißer Tiger und erklomm den letzten, unbesetzten Felsen. Er trug eine Rüstung, die subtil in der Düsternis schimmerte und schaute konzentriert in dieselbe Richtung wie die Soldaten, die keineswegs verängstigt wirkten, angesichts dieses wilden Tieres.
Der Blick, mit dem dieser Tiger die Finsternis zu durchbohren schien, war nicht der eines normalen Tigers. In diesem Blick lagen tiefe Trauer, unendliches Leid und eine gnadenlose, wilde Wut.
Seine Flanken bebten unter dem Metall und er hob witternd den Kopf in die Höhe. Er schien vor innerer Anspannung zu zittern, als er die spannungsgeladene, feuchte Luft einatmete. Diese Luft trug ihm eine Botschaft herbei, die ihn zusammenzucken ließ und
angespannt wandte er den Kopf und sah zu seinem Lager und den Soldaten auf den Felsen zurück, nickte kurz, worauf diese ihre Hörner nahmen und einen weit tragenden Ton, der über das Land hallte, erklingen ließen.
Dieser Ton wurde von einem animalischen Brüllen beantwortet, welches aus der Dunkelheit im Westen der Ebene zu dringen schien und den Tiger auf den Felsen erschauern ließ.
Er schloss kurz die Augen, spannte alle Muskeln an, atmete tief ein und sprang mit einem ebenso ohrenbetäubenden Brüllen von dem Felsen, gerade in dem Moment, als der Lichtstrahl erlosch und nur noch die grünen Augen des Tigers die Dunkelheit durchschnitten.
Als er vor dem Felsen landete, wandte er nochmals den Kopf zurück und auf einmal begannen sich die Schatten zwischen den Felsen zu verfestigen und sich als Heer herauszustellen.
Und es waren noch mindestens ein halbes Dutzend weitere Tiger darunter.
Der weiße Tiger knurrte kurz und scharf, dann schien er nur noch auf die dichte Finsternis vor ihm zu achten.
Ein zweiter Donner grollte, gefolgt von einem grellen Blitz, der die Dunkelheit erhellte und ein weiteres Lager weit im Westen offenbarte.
Genau da, woher das animalische Brüllen kam, welches den Hörnern geantwortet hatte.
Der weiße Tiger atmete aus, knurrte leise und bedrohlich und stürmte in langen, kraftvollen Sätzen über die immer öfter von Blitzen erhellte Ebene.
Die ersten großen, kalten Regentropfen trommelten im Gleichtakt mit den Pfoten des Tigers auf den Boden, zu denen sich noch ein zweiter Takt mischte.
Ein anderer, brauner Tiger verließ in einer ebenso unglaublichen Geschwindigkeit das zweite Lager und die Dunkelheit im Westen und hielt genau auf den weißen Tiger zu.
Dieser warf den Kopf zurück und brüllte wutentbrannt seine Drohung dem Feind entgegen.
Je näher die Tiger sich kamen, desto schlimmer tobte das Gewitter, ein Kampf der Elemente, aber die Tiger schien das nicht zu stören, mehr noch es schien ihnen Kraft zu geben und sie wurden noch schneller, als es irgend möglich schien.
Man sah nur noch einen schwarzen und einen weißen Schemen.
Plötzlich war da nur noch das Gesicht des braunen Tigers, vor Wut verzerrt, mit grünen Augen, in denen kurz Verwirrung aufflackerte…
Deyla
Anders
Nach außen hin normal,
im inneren,
ist etwas zweites,
dunkles, gefährlich,
nah am anderen,
dem anderen Tiger.
Dorjee Sherab
Ich riss die Augen auf und erblickte eine alte Steindecke mit staubigen Spinnenweben.
Wo war ich? Wo waren die Ebene, die Heere, die Tiger? …Tiger?
Bitte nicht schon wieder! Ich begriff so allmählich, wo ich war und versuchte mich zu beruhigen. Es war nur ein normaler Albtraum, ich war immer noch in meinem Zimmer und so etwas wie kämpfende Tiger gibt es gar nicht…
Ich zwang mich ruhiger zu atmen und schloss wieder die Augen… Es half nichts. Ich wurde nicht ruhiger, denn diese Träume waren nicht normal und ich wusste das auch leider nur zu gut… Seit Wochen träumte ich nur noch solche Träume mit Tigern. Und sie waren so… Echt.
Ich schüttelte meinen Kopf, um den Traum endgültig zu verscheuchen und gähnte. Es musste schon fast Mittag sein, denn in dem Zimmer herrschte eine fast schon unerträgliche Hitze. Ich strich mir mit einer fahrigen Bewegung die verschwitzten Haare aus dem Gesicht und setzte mich auf. Und schon begannen meine Gedanken wieder dieselben Kreise zu ziehen:
Vielleicht haben die Heiler aus der Stadt doch Recht und ich bin wirklich nicht normal? Mir kroch ein Schauer über den Rücken. Diese Frage versuchte ich immer zu verdrängen aber sie war berechtigt. Immerhin träumte ich nicht nur von Tigern sondern ich sah sie ja auch wenn ich wach war: Wenn ich durch den Garten ging, auf den Weg in die Stadt oder manchmal sogar wenn ich nur aus dem Fenster sah, meistens war ein Tiger da.
Aber wieso? Wieso ich? Wieso Tiger? Gerade die Geschöpfe, die vor vielen Jahren während der Hungersnot die Feinde der Menschen waren und dann eigentlich ausgerottet wurden. Kein Mensch hatte sie bis jetzt wieder gesehen, schon gar nicht weiße ihrer Art, die es eigentlich eh nur in Sagen gab und wenn manche fahrenden Händler oder Gaukler von Begegnungen mit diesen Bestien erzählten, stellte es sich immer als erfundene Geschichte heraus, nur dazu gemacht um Eindruck zu schinden.
Aber ich wollte keinen Eindruck schinden, weder gab es bei mir Beweise, dass es sie wirklich gab, noch dass es sie nicht gab.
Das lag daran, dass nur ich sie sehen konnte.
Ich hatte zwar keine Angst vor den Tigern (eher vor mir denn welcher normale Mensch sieht denn schon Tiger, wo keine sein sollten?), aber sie verhielten sich auch nicht so wie es eigentlich normale Tiger sollten: Das erste unnormale war, dass es sie überhaupt gab. Dann, sie rannten nicht vor mir davon, weder griffen sie mich an, sie beschützten mich sogar! Einmal wurde ich auf den Weg zur Stadt beinahe von einem Straßenräuber ausgeraubt, doch gerade als ich ihm das Geld geben wollte (ich bin eigentlich nicht so feige aber er hielt mir ein Messer unter die Nase!), hörte ich ein wütendes Knurren hinter mir und der Räuber rannte Hals über Kopf davon. Ich drehte mich völlig überrascht um und sah noch wie ein Tiger in das Gebüsch am Straßenrand verschwand. Na gut, das sprach jedenfalls dafür, dass sie echt sind und nicht ein Auswuchs meiner Fantasie … oder aber der Räuber war auch nicht ganz richtig im Kopf.
Ich versuchte nicht mehr an die Tiger zu denken und ließ meinen Blick durch den kleinen Raum schweifen. Er sah aus, wie jeder Raum in diesem Waisenhaus: Ein kleiner, flacher Tisch, Zwei Betten und ein großer Schrank. Mehr nicht. Wie fast jeden Tag meines bisherigen Lebens, fragte ich mich, wie ich hierher gekommen war und wer meine Eltern waren. Das einzige, was ich von ihnen wusste, war das sie tot waren. Aber immer, wenn ich mehr wissen wollte, bekam ich keine richtige Antwort. Selbst die Vorsteherin des Waisenhauses sagte mir nichts. Und komisch war es sowieso, das ich überhaupt noch hier war. Ich bin sechzehn Winter alt und damit auch das älteste Mädchen hier, denn eigentlich ist man mit 15 aus dem Waisenhaus entlassen, und geht als Dienerin in ein Fürstenhaus, sucht sich eine andere Arbeit, oder wird, wenn man sehr großes Glück hat sofort von einem Mann genommen und heiratet. Meistens wird man aber verheiratet, weil es einfach günstiger für das Waisenhaus war, denn bis man verheiratet war, understand man dem Waisenhaus und dessen Vorsteherin. Und das Waisenhaus entschied auch, welchen Weg man in der Zukunft einschlug. Und es machte mich fast wahnsinnig, nicht zu wissen, was sie mit mir vorhatten und warum ich immer noch hier war…
Plötzlich wurde die Tür aufgeschoben und eine fröhlich vor sich hin pfeifende Person unterbrach meine Gedanken und betrat das Zimmer.
„Deyla! Schön, das du dich auch mal bequemst aufzustehen!“,rief Saleona ,meine beste Freundin, die selbst zwei Jahre jünger war als ich, mit einem Grinsen. Ich verdrehte die Augen. „Frühaufsteher“, sagte ich halblaut. Wie kann man nur so früh Aufstehen und bester Laune sein!? „Das hab ich gehört“ ,meckerte sie und zog mit einem Ruck die Vorhänge auf. Das dämmrige halbdunkel wich strahlend hellem Sonnenschein und ich kniff die Augen zusammen.“Ich glaube jetzt bist du wach oder?“ ,fragte sie spöttisch.“Voll und ganz!“ ,knurrte ich und schwang meine Beine aus dem Bett. Das Blut rauschte mir in den Ohren und ich kniff die Augen zusammen. Ich sah die Bilder meines Traumes vor meinen Augen tanzen.
“ Übrigens, du hast das Frühstück verpasst. Aber ich hab dir was mit hochgeschmuggelt.“ sie zeigte auf ein Tablett das auf dem kleinen Holztisch am Fenster stand. Darauf lagen ein Brötchen, eine Scheibe Käse und ein gekochtes Ei. „Was für ein Festmahl!“murmelte ich sarkastisch.“Hey, ein bisschen dankbar kannst du schon sein, nicht jeder kann etwas an Trilean vorbeischmuggeln!“
,sagte Saleona vorwurfsvoll und setzte sich auf den Rand ihres Bettes. „Ist schon gut. Danke.“ sagte ich schnell während ich mich hungrig über das Essen hermachte .Ein paar Minuten herrschte Stille, bis Saleona sich vernehmlich räusperte. „Ähm Deyla…Stimmt was nicht? Wieso bist du so nervös?“, fragte sie mit einem verwunderten Blick auf meinen fast leeren Teller.
„Nervös?“,echote ich und sah, was sie meinte. Meine Hände hielten noch den letzten Rest Brot in der Hand und zitterten dabei wie verrückt. Ich hatte alle meine Muskeln angespannt, wie als würde ich gleich aufspringen wollen…
Und noch etwas anderes stimmte nicht. Ich wusste nicht, ob es mit dem Albtraum zu tun hatte, aber ich war auf einmal schrecklich unruhig, stand wie unter großer Spannung und…wollte weg von hier, und wollte es doch wieder nicht. Ein Gefühl wie zerrissen werden…. Es zog mich in eine bestimmte Richtung, in Richtung der Stadt, Tionbredare. Ich schaute aus dem Fenster , wo ich die Stadt in dem flirrenden Dunst der Mittagshitze liegen sah. Ich sah nichts Auffälliges , obwohl ich merkte, wie das Gefühl Stärker wurde. Und ich hatte auch Angst… Diese ganzen Gefühle überraschten mich. Ich hatte lange nicht mehr genug empfunden, um so zu empfinden.
Ich war immer noch wie gelähmt von den Vorkommnissen in der letzten Zeit. Ein Küchenjunge hatte mich gesehen, als ich versucht hatte, einen Tiger durch zureden wegzuscheuchen die er natürlich nicht gesehen hatte. Er hatte dann auch höchstwahrscheinlich dass der Vorsteherin erzählt, die dann einen Heiler geholt hatte der mich Stundenlang nach einer mysteriösen Krankheit
untersucht hatte. Gefunden hatte er nichts, was mich ja eigentlich überrascht hätte denn diese Tiger waren einfach zu echt um nur ein Trugbild aus meinem Kopf zu sein. Nach der Untersuchung hatte ich mich dann auch endgültig damit abgefunden dass diese Tiger echt waren aber trotzdem wusste ich nicht, was sie von mir wollten... Und ich durfte auch nicht mehr ohne Begleitung aus meinem Zimmer damit ich ja keine Dummheiten mache, denn Trilean, die Vorsteherin, war sich anscheinend immer noch sicher dass ich eine gefährliche (nicht für mich gefährlich, sondern eher für den Rest der Menschheit gefährliche) Krankheit habe.
Leider haben die anderen Kinder im Waisenhaus mitbekommen warum der Heiler da war und warum ich nicht mehr aus dem Zimmer durfte. Es folgten dumme Sprüche und blöde Kommentare und ich hatte auf einmal keine Freunde mehr außer Saleona, die mir wenigstens glaubte, aber ich war sowieso noch nie sonderlich beliebt gewesen. Nicht, dass ich irgendwie total hässlich oder schlecht in der Schule wäre, (eher das Gegenteil) aber ich bin halt auch nicht der Typ der schnell Freundschaften schließt.
„ Achso und ich muss heut noch mal in die Stadt wegen
meiner Großmutter …die Heiler geben ihr nicht mehr so viel Zeit…“sagte Saleona und ihr Gesichtsausdruck wurde traurig.“Aber ich habe Trilean gefragt und du kannst mitkommen… also ich dachte nur falls du willst und weil du ja schon Wochen nicht mehr draußen warst…“
Ich hätte beinahe vor Freude aufgeschrien. Was mir gleichzeitig peinlich war und mir aber auch
Sorgen machte. Ich habe sonst keine so starken Gefühlsausbrüche… Aber mir tat das mit ihrer Großmutter trotzdem sehr leid, denn Saleona hing sehr
an ihr, sie war ja auch ihr einziges noch lebendes Familienmitglied und nur weil sie zu schwach war um Saleona zu versorgen war Saleona ins Waisenhaus gekommen.
Und ich werde in die Stadt gehen…
Wieder dieses Gefühl, aber diesmal so stark, dass ich beinahe aufgesprungen und losgerannt wäre. Krampfhaft hielt ich mich am Stuhl fest.
Das war Saleona nicht entgangen. Sie schüttelte den Kopf und murmelte so etwas wie: „Was ist denn nur mit ihr los ?“, nahm den, jetzt leeren Teller und ging zur Tür:„Ich schaff noch den Teller in die Küche und warte dann im Hof auf dich. Bitte beeile dich ein bisschen wir müssen bis zum Einbruch der Dunkelheit wieder hier sein.“, sagte sie und zog die Tür hinter sich zu.
Taek
Lügen
Langsam schlich er geschmeidig,
um die Wahrheit,
verleugnete sich und seine Existenz,
vor seinem eigenen, machtvollen,
samtpfotigen Todfeind.
„Wohin willst du Taek?“, fragte eine schwache Stimme in meinem Rücken. Mit der Hand schon an der Tür hielt ich inne und drehte ich mich zu meinem Großvater um. „Nur hoch in die Stadt.“ ,antwortete ich , eine Spur zu schnell, als dass es wie die ganze Wahrheit klang. Obwohl mein Großvater manchmal nicht mehr ganz im Jetzt zu sein schien, zu Fragen wo ich hingehe, das vergaß er nie und da musste in bestimmten Fällen, wie jetzt grade, eine Notlüge herhalten. Er war halt nicht gern allein und in seinem Zustand ließ ich ihn auch nicht gern allein, aber ich konnte nicht die ganze Zeit in diesem engen kleinen Zimmer hocken…Und leider hatte er heut einen seiner sehr klaren Momente…
Schon meldete sich nach diesem Gedanke wieder mein schlechtes Gewissen.
Mein Großvater schaute mich zweifelnd an:
„ Aber … “.
„Großvater …ich bin nun wirklich alt genug um alleine irgendwo hinzugehen. Und was sollte ich denn anstellen? Du kennst mich doch!“ Er schaute noch einen Tick misstrauischer. „Wirklich? Genau deswegen mache ich mir ja Sorgen. Aber, na gut du musst es ja wissen …“, seufzend nahm er ein kleines Kästchen aus dem Regal über seinem Stuhl und griff sich eine Handvoll kleiner Silberner Münzen und reichte sie mir. Wortlos nahm ich sie und steckte sie in einen kleinen Beutel der an meinem Gürtel hing. „Das ist für dich. Bitte verwende es sinnvoll und pass darauf auf !“,
rief er mir noch hinterher. Der letzte Satz war wohl er so zu verstehen, dass ich nicht zum Hafen gehe, dort das Geld beim Kartenspielen verliere und auf mich aufpasste. Ich schüttelte nur meinen Kopf über diese, meiner Meinung nach, übertriebenen Fürsorge und trat durch die kleine halb aus den Angeln hängenden Tür auf die stille Straße. Obwohl so ganz übertrieben war diese Sorge nicht, denn fast genau das wollte ich eigentlich tun…
Ich atmete die stickige, feuchte Luft ein und blinzelte gegen die strahlende Sonne an, während sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnten. In diesem Jahr hatten wir einen so heißen Sommer, wie schon lange nicht mehr. Bis jetzt hatten wir noch keinen ernsthaften Wassermangel, denn der größte Fluss Goaterras floss durch Tionbredare, aber wenn die Regenzeit dieses Jahr später kam, hätte das für alle fatale Folgen. Vor allem aber für unsere Region. Da wir am Meer wohnten, war es bei uns das ganze Jahr eigentlich feucht und warm, so dass wir es gewohnt waren, das ganze Jahr über zu ernten und Nahrung fast schon im Überfluss zu haben. Nur dieses Jahr war der Fall, dass es heiß und trocken war, fast wie in der Wüste. So weit ich gehört hatte, war schon ein großer Teil der Ernte auf den Feldern um der Stadt vertrocknet und wenn die Ernte ganz ausfallen würde… Die meisten Menschen Goaterras wohnten hier und eine große Hungersnot wäre fast schon verheerend…
Ich war so in Gedanken versunken, dass ich erst nach einer Weile bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Ich wollte eigentlich zum Hafen, weil ich Tegun treffen wollte, was mein Großvater nicht so unbedingt wissen sollte. Denn er war ein Lehrling bei den Fischern, genau wie ich und aus irgendeinem Grund konnte Großvater die Fischer und ihn damit eingeschlossen, nicht leiden. Obwohl Tionbredare vom Fischfang lebte und ich selbst bei ihnen lernen musste. Ich gebe zu, sie trieben es manchmal etwas zu weit, vor allem die jüngeren. Im Hafen gab es fast nur solche kleinen, zwielichtigen Lokale, in denen nicht nur Wasser getrunken wurde. Und es gab eigentlich kaum einen jungen Mann, der nicht bei den Fischern in Ausbildung war.
Also war es ja auch klar, dass sie augenscheinlich die einzigen waren, die Mist machten und alles auf die Fischer, die Nahrungslieferanten von Tionbredare und der gesamten Westküste, zurückfiel. Und was sollte man denn sonst am Meer machen, außer Fischer zu werden? Tionbredare war zwar groß, hatte aber dafür kaum andere Arbeitsmöglichkeiten für die ärmere Bevölkerung. Die Gilden nahmen nur reichere Kinder, die auch ihre Ausbildung bezahlen konnten…
Ich schreckte aus meinen Gedanken auf, als ein Karren, von Wasserbüffeln gezogen, sich an mir vorbeiquetschte. Ich presste mich an unsere Hauswand und ignorierte die Flüche des Wagenlenkers, während ich bis zur nächsten Ecke lief.
Um diese Zeit war schon ungewöhnlich viel los in den engen Gassen des Inneren Ringes, wo das Haus von meinem Großvater stand, denn heute war Markttag und jeden zog es auf den riesigen gepflasterten Platz im Herzen der Stadt.
Plötzlich spürte ich ganz deutlich ein Gefühl, dass mich davon abhielt zum Hafen hinunter zu laufen. Ich konnte keinen Schritt in die Richtung gehen, so sehr ich mich auch anstrengte. Das, was dagegen wirkte war wie ein ziehen im Magen, wie als hätte ich etwas wichtiges vergessen, oder dass ich etwas sehr wichtiges verpasse. Aber was? Ich schaute die enge Straße die zum Markt führte hinauf und das Gefühl schien mich in diese Richtung zu ziehen. In diese Richtung konnte ich auch laufen. Verwundert runzelte ich die Stirn und versuchte es noch einmal in Richtung Hafen. Nichts. Meine Beine versagten mir den Dienst. Ärgerlich schlug ich den Weg hoch in die Stadt ein, wo das Gefühl mich anscheinend hinhaben wollte. Fast wie eine Kompassnadel, die immer nach Norden zeigte und sich nicht dagegen wehren konnte, folgte ich dem Gefühl die staubige Straße hinauf, und versuchte an der nächsten Hausecke noch einmal von dem unerbitterlichen Kurs des Gefühls abzuweichen. Wieder konnte ich keinen Schritt in die andere Richtung tun. Aber gleichzeitig wuchs auch in mir das Verlangen dem Gefühl zu folgen...
Ich ergab mich meinem Schicksal und begann das zu suchen, was dieses Gefühl verursachte.
Alle Recht sind wie immer bei mir, Frances Kunze, 2011
Hat sich erledigt xD
:D