Baum auf dem Meeresgrund

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Baum auf dem Meeresgrund

Als ich aus dem Wald trat, breitete sich ein unglaublich schönes Panorama vor mir aus, das idyllischer nicht hätte sein können. Der Teich, von dem mein Freund gesprochen hatte, lag da wie ein glatter Spiegel, in dem sich die Trauerweiden, die ringherum am Ufer standen, abzeichneten. Ihre üppigen Zweige reichten bis ins Wasser hinab. Ich war ganz allein. Selbst die Enten waren ausgeflogen. Lediglich aus dem Wald drang der Gesang der Sommervögel an mein Ohr.

 

Ich trat dicht ans Ufer heran und sah zu, wie das Licht der Sonne die Wasseroberfläche, auf der sich das Abbild der Trauerweiden spiegelte, zum Glänzen brachte. Sie schienen sich überhaupt nicht zu bewegen, als wären sie in tiefem Schlaf versunken. Ich fragte mich, ob ein Teil ihres Wesens im Teich weiterlebte und ob ihr Spiegelbild auf seiner Oberfläche eine Art Verbindungslinie zwischen ihrem Leben diesseits und ihrer Existenz jenseits des Gewässers darstellte. Womöglich führte auch ein Teil von mir, der ich in diesem Moment in den Teich hinabschaute, auf seinem Grund eine Art Parallelexistenz. Wer konnte das schon so genau wissen? Ich zumindest hatte dies noch nicht überprüft.

 

Während ich so dastand und die Wasseroberfläche genauer betrachtete, fiel mir auf, dass etwas nicht stimmte. Sowohl mein Spiegelbild als auch das der Trauerweiden konnte ich klar und deutlich erkennen. Doch es zeigte sich mir etwas im Teich, was hier auf dieser Lichtung eindeutig nicht zu sehen war. Verdutzt schaute ich mich um. Nein, da war tatsächlich nichts. Nicht hier auf der Erde. Aber dort im Wasser sehr wohl. Mehrmals blickte ich auf den Teich und dann wieder zu den Weiden hinüber. Vielleicht erlag ich auch einfach einer optischen Täuschung?


Beiträge und Kommentare
Wichtiger Beitrag
philhumor

Dieser Tee hilft bei der Work-Life-Balance. Wieder mit sich ins Gleichgewicht kommen. Was hat die Natur anzubieten? Stippvisite bei der Trauerweide; mit Zugang zur Zwischenwelt? Die Idyllen werden weniger. Wenn man Glück hat, erhält man einen goldenen Schlüssel. Man muss sich entschließen, dann kann man sich die Wunder erschließen. Gut erzählt.

1 Kommentar
Träumerin

Vielen Dank. Wunder geschehen dem, der an sie glaubt.

Wichtiger Beitrag
M.d.S.

Ein noch größeres Wunder als der geheimnisvolle Schlüssel besteht darin, daß offenbar der Beutel mit der geheimnisvollen Kräutermischung nie leer wird.

Wahrlich eine mysteriöse Geschichte, insbesondere für Teetrinker! ;-)

3 Kommentare
Träumerin

Danke für deinen Kommentar! Ein Päckchen Tee, das nie leer wird, ist wahrlich der Traum eines jeden Teetrinkers :-) Beim Schreiben der Geschichte hatte ich allerdings im Hinterkopf, dass die beiden die Kräuter später aus den Samen ziehen. Vielleicht hätte ich das jetzt besser... mehr anzeigen

M.d.S.

Bei Chili, im Backofen getrocknet, habe ich jedenfalls gelernt, daß man die Samen für weitere Anzucht vor dem Backofen entnehmen muß, selbst wenn bloß mit Nachwärme getrocknet wird.

Bei Kräutern für Tee werden meist ja auch bloß die Blätter (Blütenblätter?) verwendet, bei... mehr anzeigen

Träumerin

Es ist wunderbar, dass dieses Mysterium weiterhin gewahrt bleibt :-) Auch Kräuter dürfen schließlich ihre Geheimnisse haben...zumal dann, wenn sie wer weiß in welchen unergründlichen Gefilden beheimatet sind... Vielleicht kann der weise Baum auf dem Meeresgrund eine plausible... mehr anzeigen

Wichtiger Beitrag
Lisa

Beim Lesen dieser wundervoll erzählten Geschichte ist mir mein Herz von Seite zu Seite ein kleines Stückchen mehr aufgegangen, bis es sich am Ende so weit geöffnet hatte, dass ich das harmonisch offene Ende in vollen Zügen genießen konnte.

Atemberaubend gut geschrieben – Klasse!

… jetzt lese ich gleich noch: „Baums geheime Welt“ …

LG Lisa

1 Kommentar
Träumerin

Vielen lieben Dank für deinen Kommentar und dein Herzchen. Es freut mich, dass du dich beim Lesen der Geschichte wohlgefühlt hast.

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