Ich hatte es schon beim Verlassen des Hotels befürchtet. Das Wetter wird nicht halten und prompt fiel nun mein geplanter Spaziergang durch die schöne Innenstadt von Alba nach einigen Minuten auch regelrecht ins Wasser.
Dabei hatte ich mich so darauf gefreut und auf meiner Reise in die Toskana extra diese Route über das Piemont genommen, um wieder einmal in dieser schönen Stadt zu sein.
Ich liebte die kleinen Geschäfte und das geschäftige Treiben in der gepflegten Fußgängerzone und vor allem den großen Markt, der jeden Samstag die gesamte Innenstadt belebte.
Der Regen wurde immer stärker und der tiefgraue Himmel ließ keine schnelle Wetterbesserung erwarten.
Mit hochgestelltem Jackenkragen flüchtete ich in eine kleine Cafeteria am Piazza Garibaldi um erst einmal eine kleine Denkpause einzulegen. Die Wassertropfen auf meiner Brille, ließen mich nur schemenhaft erkennen, dass an der Theke einige Kunden standen und die wenigen Tischen fast alle noch unbesetzt waren, sodass ich mich erleichtert auf einen Stuhl am Tisch neben dem Eingang niederließ.
“Che cosa desidera “ hörte ich eine sympathische Stimme fragen, während ich noch versuchte meine Brille zu trocknen. Mit einem verlegenen Lächeln schaute ich die hübsche Bedienung an und bestellte eine große Tasse Cappuccino.
Hätte ich wenigstens einen Schirm mitgenommen, dann könnte ich zumindest nach dem kleinen Weingeschäft suchen, in dem ich mich vor drei Jahren so günstig mit Barolo und Nebbiolo Weinen eingedeckt hatte.
Mit den wenigen Brocken Italienisch die ich kannte baute ich mir gedanklich einen Fragesatz zusammen und als die junge Dame mit der dampfenden Tasse ankam versuchte ich es einfach: „Scusi Sinora, dove posso comprare un ombrello
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qui vicino, per favore?“ Dabei versuchte ich gestikulierend mit meinen Händen und Armen einen Schirm über meinem Kopf anzudeuten, da ich nicht sicher war, ob meine Frage, sprachlich verstanden wurde.
Mit einem bezaubernden Lächeln und dem Satz: „ non so, ma aspetta un momento“ wandte sie sich zur Theke und wiederholte meine Frage ihrem Kollegen gegenüber. Dass sie dabei fast meine Worte benutzte, machte mich richtig stolz auf meine italienischen Sprachkenntnisse.
Während ich an meiner Tasse schlürfte ergab sich an der Theke eine rege Diskussion zwischen den beiden, in die sich ziemlich schnell auch zwei der anderen Kunden einmischten. Ein dritter faltete nach einigen Sekunden seine Zeitung zusammen und beteiligte sich ebenfalls. Nach wenigen Minuten waren alle fünf Gäste an der Theke darüber am diskutieren ob und wo man am schnellsten einen Schirm kaufen könnte. Selbst die schlanke Frau, die im geschäftsmäßig eleganten Hosenanzug als einzige außer mir an einem der Tischchen saß, klappte ihr Mobiltelefon zu und stellte sich zu der Gruppe an der Theke. Alle im Raum waren beteiligt - alle außer mir.
Es war mir etwas peinlich, mit meiner simplen Frage so eine Diskussion ausgelöst zu haben, doch dann wurde mir immer klarer, dass diese Menschen es regelrecht genossen sich mit dieser Angelegenheit auseinanderzusetzen. Jeder deutete in eine andere Richtung. Einzelne Wortfragmente wie … chiuso da due anni - ancora aperto - no, no, troppo esclusivo… konnte ich zwar verstehen, aber viel mehr faszinierte mich das Engagement und die Lebhaftigkeit der gesamten Gruppe. Es war eben eine richtige Diskussion der italienischen Art – vital, laut und voller Gestik.
Ich saß völlig alleine an meinem Tisch und fühlte mich trotzdem nicht isoliert oder gar ausgeschlossen, sondern im
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Gegenteil irgendwie ernstgenommen, denn sowohl die Bedienung, als auch die anderen Gäste vergewisserten sich immer wieder durch kurze aufmunternde Blicke, dass ich noch da war.
Inzwischen waren fast zehn Minuten vergangen und ich überlegte schon wie ich mich aus der Affäre ziehen könnte, als die Bedienung an meinen Tisch kam und mit einem leichten Schulterzucken andeutete, dass man sich nicht wirklich einigen konnte, aber weiter vorne rechts sei wohl ein Geschäft in dem ich vielleicht eine Chance hätte einen Schirm zu erstehen.
Ich bedankte mich so gut ich konnte und wollte gerade meinen Cappuccino bezahlen, da rief die Frau im Hosenanzug plötzlich: „ Guardate la - il sole“ und wir alle lachten, als wir sahen, dass sich eine Lücke in den Wolken auftat und einige Sonnenstrahlen die Straßen erhellten.
Als ich die Cafeteria verließ nickten mir alle noch einmal lachend zu und einer klopfte mir im vorbeigehen freundlich auf die Schulter: „Allora, e finalmente andata bene.“ Alle freuten sich ganz offensichtlich über unseren gemeinsamen Erfolg.
Immer noch lachend trat ich auf die Straße und versuchte mir dabei vorzustellen, wie es wohl einem Italiener in einem deutschen Cafe ergangen wäre.
Ich jedenfalls fühlte mich hier in Italien wieder einmal auf eine wunderbare Weise sehr gut aufgehoben. Fast so wie zu Hause.