Von Menschen und Mäusen
Es gibt einige Sachen von denen verstehe ich nicht allzu viel, und mit anderen Dingen kenne ich mich dann wieder besser aus. Geht es Ihnen auch so? Dann ist es schön zu wissen, dass man Freunde hat, die behilflich sind, wenn einem mal etwas nicht so gut von der Hand geht. Und im Gegenzug freue ich mich immer, wenn jemand meine Hilfe gebrauchen kann. So passierte es vor ein paar Wochen wieder. Ich durfte mich wieder mal bedanken bei einer Freundin. Sie ist einfach großartig. Wo sie nur kann hilft sie, und steht sogar schon mal mit Rotkohl, Fleisch und Klößen vor der Tür am Heiligen Abend, wenn sie weiß, dass es einem nicht besonders gut geht. Man kann sich wirklich glücklich schätzen wenn man so einen Menschen hat. Vor einigen Monaten hat sie mir beim Umziehen geholfen. Waschmaschinen und Kühlschränke trägt man alleine ja äußerst schlecht. Deshalb war es eine Freude für mich, dass ich nun mal wieder etwas für sie tun konnte. Es gab Probleme mit ihrem Computer. Der Apparat war nicht wirklich kaputt, ich sollte für sie etwas bei ebay reinstellen. Es gab eine Menge an Text, welches eingetippt werden musste; und sie meinte, mir würde das weniger Probleme machen, weil ich ja öfter mal schreibe. Und da hatte sie ja auch recht. Ich bin dann abends zu ihr gefahren und hab mich an ihren Computer gesetzt. Was mir aber gleich auffiel – die Maus an dem Gerät wollte nicht so wie ich wollte. Ich konnte es hin und her schieben wie ich wollte, der Pfeil auf dem Bildschirm kam nicht mit. Das machte mich ganz verrückt. Auf dem dünnen, krummen Mousepad war eine nackte Frau zu sehen. Zuerst dachte ich, ob es wohl daran liegen könnte, dass die Maus sich so störrisch anstellt. Diesen Gedanken verwarf ich jedoch schnell wieder. An der Maus selbst hing ein Kabel, welches auch immer wieder an das Schaumstoff-Brett stieß und die Arbeit zusätzlich erschwerte. Irgendwann hab ich ihr dann gesagt, dass ich ja nicht meckern will, aber sie sollte doch mal über eine Maus nachdenken, das ohne Kabel seinen Dienst tut. Das hätte viele Vorteile. Und darauf meinte sie: „So eins hatte ich schon. Und irgendwann hat es dann seinen Geist aufgegeben. Die Batterien waren wohl leer. Dann hab ich neue hinein getan, aber das Ding wollte trotzdem nicht. Da hab ich´s dann weg geworfen.“ – Ich konnte es gar nicht glauben und hab ihr dann erzählt, dass unter dieser Maus ein Knopf zu finden ist, da steht Reset drauf. Den müsste man drücken nachdem man neue Batterien eingelegt hat, damit die Maus wieder Kontakt zu dem Computer bekommt. „Ach so“, meinte sie darauf nur. Dann schauten wir uns an und haben uns fast halb tot gelacht. Es dauerte eine ganze Zeit, bis wir uns endlich beruhigt hatten. Am nächsten Tag hab ich ihr dann eine kabellose Maus und auch ein neues Mousepad vorbei gebracht, damit die Maus in Zukunft eleganter tanzen kann. Und hab auch gleich dazu gesagt, dass die Batterien neu seien. Und falls die mal leer sein sollten, dürfte sie die Maus nicht einfach weg werfen. Denn auch diese Maus hätte einen solchen Knopf, wovon ich ihr berichtet hätte. Ich finde es wunderbar wenn man solche Freunde wie sie hat. Freunde, die so sind wie sie. Nicht ganz perfekt in manchen Dingen – ebenso wie ich. Und auch mit Fehlern –so wie ich sie auch habe. Denn so ein Mensch ist ja auch nicht viel anders wie so eine Maus für den Computer. Bei uns sind die Batterien ja auch manchmal leer. Aber – wo sitzt bei uns eigentlich der Reset-Knopf. Weiß das jemand?
Helmut Schmidt
Dieses Buch ist Teil der Reihe "Kurzgeschichten"
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